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Muslimische Kinder und Jugendliche in Deutschland - Konrad ...

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30 31Anders als Geld zeichnet sich die „Währung Bildung” dadurch aus, dasssie nicht von allen Menschen <strong>in</strong> gleicher Weise wertgeschätzt wird. NachGeld <strong>und</strong> Eigentum streben mehr oder weniger alle, nach Bildung nurwenige – schon gar nicht als Selbstzweck. Oder anders ausgedrückt:Nach Geld streben <strong>in</strong>sbesondere jene, die wenig oder ke<strong>in</strong>es haben;Bildung kann h<strong>in</strong>gegen nur von jenen umfassend wertgeschätzt werden,die über Bildung verfügen. Die Währung Bildung kann also nicht vollständigfunktionalisiert werden. Denn die Motivation, Kompetenzen zuentwickeln, alle<strong>in</strong>e um später e<strong>in</strong>en Beruf zu erlernen, ist denkbar ungünstig<strong>und</strong> entspricht nicht der <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> üblichen Vorstellungvon Allgeme<strong>in</strong>bildung. Bildung be<strong>in</strong>haltet immer auch Bildung als Selbstzweckbzw. Bildung, „weil Bildung e<strong>in</strong>fach gut ist”. Die funktionale Haltunggegenüber Schule <strong>und</strong> Bildung entwickelt sich bereits <strong>in</strong> der Familie<strong>und</strong> <strong>in</strong> frühen Netzwerken.Zudem können die Eltern aufgr<strong>und</strong> ihrer e<strong>in</strong>geschränkten verbalen Fähigkeitenihre <strong>K<strong>in</strong>der</strong> kaum bei der Lernentwicklung unterstützen. Da <strong>in</strong> denFamilien wenig gelesen wird, werden die <strong>K<strong>in</strong>der</strong> auch nicht zum Lesenmotiviert.2.2. Kulturelle Integration: Soziale Werte<strong>und</strong> SpracheGr<strong>und</strong>legend für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Schulkarriere s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere guteSprachkompetenzen. Die Sprachkompetenzen <strong>in</strong> den muslimischenFamilien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> beiden Sprachen, also sowohl <strong>in</strong> der Mutter- bzw. Herkunftsspracheals auch <strong>in</strong> Bezug auf die deutsche Sprache, häufig e<strong>in</strong>geschränkt<strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der dritten Generation erstaunlich schwachausgeprägt. Dabei ist bereits die Anwendung der Muttersprache, wie siedie Eltern nutzen, von Stil <strong>und</strong> Wortschatz her sehr milieuspezifisch <strong>und</strong>häufig „überaltet”, so dass die Familien <strong>und</strong> ganz besonders die Nachkommenselbst <strong>in</strong> ihrem Herkunftsland sprachlich auffallen (vgl. Toprak2000). Das <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> gesprochene Türkisch hat sich durch die vonder Türkei abgekapselte Entwicklung, die sich dabei überwiegend durcheher wenig Gebildete vollzog, sehr „verslangt”. Das gilt für die verschiedenenAusprägungen der arabischen Sprache, wie sie von Libanesen,Syrern, Irakern, Ägyptern, Tunesiern, Marokkanern usw. gesprochenwird, <strong>in</strong> vergleichbarer Weise.Das Erlernen der deutschen Sprache fällt dann besonders schwer, wennman sie entweder nicht sehr früh als Muttersprache erlernt oder wennman e<strong>in</strong>e andere Muttersprache – also Türkisch oder Arabisch – nicht gutbeherrscht (vgl. Reich/Roth 2002). Zudem wird häufig problematisiert,dass e<strong>in</strong>erseits die Herkunftssprache nicht gefördert wird, obwohl dieMigranten im H<strong>in</strong>blick auf ihre allgeme<strong>in</strong>e Sprachkompetenz davon profitierenwürden, <strong>und</strong> andererseits im Schulsystem zwischen legitimen<strong>und</strong> illegitimen Sprachkenntnissen unterschieden wird (vgl. Diefenbach2008). Dieser E<strong>in</strong>druck entsteht dadurch, dass das Erlernen von Fremdsprachenals wertvolle <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zukunft notwendige Investition dargestelltwird, damit allerd<strong>in</strong>gs offenbar hauptsächlich die Sprachen Deutsch,Englisch <strong>und</strong> Spanisch geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d (teilweise auch Russisch <strong>und</strong> Ch<strong>in</strong>esisch).Demgegenüber sche<strong>in</strong>t den <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> am häufigsten gebrauchtenMigrantensprachen (Türkisch <strong>und</strong> Arabisch) eher sek<strong>und</strong>äreBedeutung beigemessen zu werden.Durch die städtische Segregation werden sprachliche Defizite weiterverstärkt. Die Tatsache, dass man den Alltag im Stadtteil mit mäßigenDeutschkenntnissen problemlos bewältigen kann, senkt dauerhaft dieMotivation, die Sprachkompetenzen zu erweitern. Durch die sprachlichenSchwächen s<strong>in</strong>d türkei- <strong>und</strong> arabischstämmige <strong>Jugendliche</strong> häufig nicht<strong>in</strong> der Lage, Konflikte kommunikativ auszutragen. Die meisten Konflikteentwickeln sich aufgr<strong>und</strong> von Missverständnissen, Missdeutungen<strong>und</strong> fehlender kommunikativer Fähigkeiten (vgl. Krim<strong>in</strong>ologisches Forschungs<strong>in</strong>stitutNiedersachsen 2002). E<strong>in</strong> Zusammenhang zwischengewalttätigem Verhalten <strong>und</strong> Schulbildung bei <strong>Jugendliche</strong>n mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>lässt sich auch <strong>in</strong> der Untersuchung von Toprak (2006)feststellen. Hier wurden 228 <strong>Jugendliche</strong> türkischer, arabischer <strong>und</strong> albanischerHerkunft untersucht, die e<strong>in</strong> Anti-Aggressivitäts-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g bei derArbeiterwohlfahrt München besucht haben. Hierbei konnte festgestelltwerden, dass die Hälfte der <strong>Jugendliche</strong>n ke<strong>in</strong>en Hauptschulabschlussnachweisen konnte. Von den Hauptschulabsolventen befanden sich zumZeitpunkt des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs viele nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Berufsausbildung.Im Zusammenhang mit ger<strong>in</strong>gen Sprachkenntnissen <strong>und</strong> städtischerSegregation wird häufig von Parallelgesellschaften gesprochen. Beispielsweiseist das Kopftuch e<strong>in</strong> Symbol, an dem häufig die fehlende kulturelleIntegration festgemacht wird. Dabei wird häufig übersehen, dass dieM<strong>in</strong>derheit aller muslimischen Frauen e<strong>in</strong> Kopftuch trägt <strong>und</strong> die Tendenzs<strong>in</strong>kt (vgl. Haug u.a. 2009). Ebenfalls ist festzustellen, dass die meisten

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