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Muslimische Kinder und Jugendliche in Deutschland - Konrad ...

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22 23haft werden <strong>und</strong> bleiben. Trotz des wirtschaftlichen Strukturwandels <strong>und</strong>der steigenden Arbeitslosenzahlen hat es erstaunlich lange gedauert bissich die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wanderungslandist.In der Tat lag <strong>in</strong> den 1970er Jahren e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>-Situation vor: DerArbeitermangel konnte abgebaut <strong>und</strong> die wirtschaftliche Entwicklungvorangetrieben werden; die deutschen Arbeitnehmer konnten durchden Import un- <strong>und</strong> angelernter Arbeitskräfte aus dem Ausland weitgehendsozial aufsteigen, <strong>in</strong>sbesondere auch deshalb, weil durch dieBildungsexpansion höhere Positionen praktisch ausschließlich von deutschenArbeitskräften besetzt wurden; gleichzeitig haben die Zuwandererihre wirtschaftliche Situation verbessern können; die Türkei konntee<strong>in</strong>en enormen Teil der niedrig qualifizierten bzw. arbeitslosen Menschen„exportieren” <strong>und</strong> hat durch F<strong>in</strong>anztransfers der <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> lebendenGastarbeiter an die <strong>in</strong> der Türkei verbliebenen Familienangehörigenzusätzlich profitiert.Diese positiven Effekte s<strong>in</strong>d nun den langfristigen Nebenwirkungen gewichen:Die Nachkommen der Zugewanderten s<strong>in</strong>d im Bildungssystem<strong>und</strong> auf dem Arbeitsmarkt deutlich benachteiligt; <strong>in</strong>sbesondere Sprachdefizitewerden zu e<strong>in</strong>em dauerhaften Problem, was u.a. auch daranliegt, dass die ersten Nachkommen zeitweise im sogenannten „Nationalunterricht”<strong>in</strong> eigenen Klassenverbänden von türkischen Lehrkräften<strong>und</strong> auf Türkisch unterrichtet wurden, ohne dass die entsprechenden„Lehrpläne” von deutschen Behörden entwickelt bzw. kontrolliert wurden;damit sollte e<strong>in</strong>e Rückkehr von <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> geborenen Türken ermöglichtwerden – e<strong>in</strong>e systematische Förderungen der Sprachkompetenz<strong>in</strong> der Amtssprache Deutsch hat jahrzehntelang nicht stattgef<strong>und</strong>en;die Unterschichtung der E<strong>in</strong>wanderer 1 führt zu sozialen Schieflagen <strong>in</strong>verschiedenen Bereichen <strong>und</strong> damit auch zu e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Skepsisbis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Gefühl der Überfremdung <strong>in</strong> der Bevölkerung.Das entscheidende Problem, dem man sich heute stellen muss, ist nichtprimär die E<strong>in</strong>wanderungspolitik, sondern vielmehr der Umgang mitden bereits E<strong>in</strong>gewanderten. Denn alles, was man aus Staaten mit e<strong>in</strong>ererfolgreicheren Integrationspolitik lernen kann, bezieht sich auf denAnfang der E<strong>in</strong>wanderung. Länder wie Kanada oder die skand<strong>in</strong>avischenStaaten haben die E<strong>in</strong>wanderung <strong>und</strong> später auch die E<strong>in</strong>bürgerungmit hohen Anforderungen verknüpft: u.a. e<strong>in</strong> gewisses Bildungsniveau,f<strong>und</strong>ierte Sprachkenntnisse sowie Berufserfahrung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>kommen bzw.Vermögen. Damit ist automatisch gewährleistet, dass die Menschen dieE<strong>in</strong>wanderung mit e<strong>in</strong>er gewissen Motivation verknüpfen. Gleichzeitigwurde großen Wert darauf gelegt, dass bereits die Erste Generationgefördert wird. Solche präventiven Maßnahmen können <strong>und</strong> sollten <strong>in</strong><strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>geführt werden, allerd<strong>in</strong>gs kann mit e<strong>in</strong>er verändertenE<strong>in</strong>wanderungspolitik nicht die Erwartung verb<strong>und</strong>en werden, die Problemlagender mittlerweile <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> etablierten E<strong>in</strong>gewanderten<strong>und</strong> teilweise auch E<strong>in</strong>gebürgerten zu bewältigen. Politische Entscheidungenwirken – wie man <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften vielfach zeigenkonnte – auch noch Jahrzehnte später nach. Diese Pfadabhängigkeitkann nicht nur <strong>in</strong> der Sozialpolitik, sondern <strong>in</strong> vergleichbarer Form auch<strong>in</strong> der Migrationspolitik beobachtet werden. Die erfolgreichen E<strong>in</strong>wanderungsländers<strong>in</strong>d ganz anders gestartet <strong>und</strong> haben dadurch die Situation,wie sie sich <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> heute darstellt, gar nicht erst aufkommenlassen. Die Staaten, die <strong>in</strong> der Vergangenheit e<strong>in</strong>e ähnliche Gastarbeiterpolitikpraktiziert haben, weisen ganz ähnliche Problemlagen auf, wiewir sie <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> diskutieren. Die Verunsicherung im Umgang mitMigration, wie sie heute die öffentliche Diskussion bestimmt, kann alsoauch darauf zurückgeführt werden, dass sich die deutsche Politik aufke<strong>in</strong>e Best-Practice-Beispiele für die hier spezifischen Herausforderungenberufen kann. Häufig wird daher die erfolgreiche Assimilation der ausOsteuropa Zugewanderten herangeführt. Allerd<strong>in</strong>gs wird dabei außerAcht gelassen, dass es sich zum e<strong>in</strong>en um Nachbarländer <strong>und</strong> damit ume<strong>in</strong>e kulturnahe E<strong>in</strong>wanderung handelt, <strong>und</strong> dass sich zum anderen diewirtschaftliche Lage – <strong>und</strong> damit die Integration <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt –vollkommen anders darstellte. Die Strukturen der Wirtschaft haben sich<strong>in</strong>nerhalb weniger Jahrzehnte f<strong>und</strong>amental gewandelt: Durch Automatisierung,Rationalisierung <strong>und</strong> Globalisierung f<strong>in</strong>den niedrig qualifizierteArbeitnehmer kaum noch Anschluss auf dem Arbeitsmarkt. Das betraf<strong>in</strong> den 1970er Jahren bereits die <strong>K<strong>in</strong>der</strong> der Zuwanderer.Tabelle 1 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über die Typen der Integration. Inklusionbedeutet hierbei, dass die Zugewanderten sich <strong>in</strong> beide Kulturen, also<strong>in</strong> die Herkunftskultur <strong>und</strong> <strong>in</strong> das Aufnahmeland, <strong>in</strong>tegriert haben. DieseForm der Integration wird häufig mit der Metapher der multikulturellenGesellschaft bezeichnet. Dem gegenüber steht der Begriff Assimilationfür e<strong>in</strong>en Zustand, bei dem die Zugewanderten primär <strong>in</strong> die Aufnahmegesellschaft<strong>in</strong>tegriert s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> (zum<strong>in</strong>dest) im Laufe der Zeit den Bezugzur Herkunftskultur verlieren: Aus Ausländern werden Deutsche. Der <strong>in</strong>

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