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verzicht, Anerkenntnis, Erledigung<br />
über noch offene Prozesskostenhilfeanträge<br />
oder wenn<br />
über Beiladung zu befinden ist);<br />
• die Begründung des Antrags auf<br />
Zulassung der Berufung ist künftig<br />
beim OVG/VGH (nicht wie<br />
vorher beim VG) einzureichen<br />
(§ 124 a Abs. 4 Satz 5).<br />
8. Deutlicher noch lassen sich die<br />
Versuche, eine Beschleunigung der<br />
verwaltungsgerichtlichen Verfahren<br />
durch eine Veränderung der Strukturelemente<br />
zu bewirken, im Asylverfahrensrecht<br />
(§§ 11, 74 bis 83 b AsylVfG)<br />
aufzeigen. Sie reichen zurück<br />
bis ins Jahr 1978. Einige Stichworte<br />
genügen zur Erläuterung dieses<br />
„Sonderprozessrechts“:<br />
• Beschränkung des Instanzenzuges<br />
im Hauptsacheverfahren auf<br />
zwei Instanzen;<br />
• unter bestimmten Voraussetzungen<br />
völliger Rechtsmittelausschluss<br />
(offensichtlich unzulässige<br />
oder unbegründete Klage);<br />
• Rechtsschutzverlagerung in das<br />
Eilverfahren;<br />
• Fristgebundenheit des Eilantrages;<br />
• Beschwerdeausschluss im Eilverfahren;<br />
• Einzelrichter in Hauptsachen als<br />
Regelfall, obligatorischer Einzelrichter<br />
in Eilsachen;<br />
• Einführung besonderer Präklusionsvorschriften.<br />
9. Parallel zu den Beschleunigungsmaßnahmen<br />
im Verwaltungsprozessund<br />
Asylverfahrensrecht waren es in<br />
den Jahren 1991 bis 1996 die Bemühungen<br />
des Gesetzgebers - letztlich<br />
auch zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten<br />
vor den Verwaltungsgerichten<br />
- zur Verfahrensbeschleunigung<br />
im Verwaltungsverfahrens-,<br />
Immissionsschutz- und Baurecht,<br />
speziell im Wohnungsbaurecht sowie<br />
im Wasserhaushaltsgesetz zu verzeichnen.<br />
10. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens<br />
in diversen Bundesländern,<br />
teils für bestimmte Verfahren,<br />
teils komplett in bestimmten<br />
Regierungsbezirken als Pilotprojekte,<br />
führt nicht zu einer Beschleunigung<br />
und Entlastung der Verwaltungsge-<br />
<strong>BDVR</strong>-Rundschreiben 03/<strong>2006</strong><br />
richte, sondern bewirkt das Gegenteil.<br />
III. Gegenwärtige gesetzgeberischeBeschleunigungsinitiativen<br />
1. Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />
zur Beschleunigung von Planungsvorhaben<br />
für Infrastrukturvorhaben<br />
(2005)<br />
Betrifft bestimmte, enumerativ aufgezählte<br />
Planungsverfahren nach<br />
dem Allgemeinen Eisenbahngesetz,<br />
dem Bundesfernstraßengesetz, dem<br />
Bundeswasserstraßengesetz und<br />
dem Magnetschwebebahngesetz, die<br />
künftig erstinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht<br />
(nicht vor dem<br />
Oberverwaltungsgericht oder Verwaltungsgerichtshof<br />
wie bisher) entschieden<br />
werden sollen.<br />
Kritik<br />
Das Bundesverwaltungsgericht<br />
müsste letztverbindlich über Auslegung<br />
von Landesrecht entscheiden.<br />
Landesrechtliche Vorschriften haben<br />
bei Planfeststellungen wegen der<br />
Konzentrationswirkung großes Gewicht.<br />
Die Anstrengungen zur Stärkung<br />
der föderalen Strukturen würden<br />
konterkariert. Die Beschleunigungserwartungen<br />
sind ein Trugschluss.<br />
• Massive Mehrbelastung des<br />
Bundesverwaltungsgerichts mit<br />
entsprechenden zeitlichen Konsequenzen;<br />
• Widerspruch zur Funktion des<br />
Bundesverwaltungsgerichts als<br />
Rechtsmittelgericht zur Klärung<br />
grundsätzlicher Rechtsfragen,<br />
zumal technische Großvorhaben<br />
zwangsläufig aufwändiger gerichtlicher<br />
Tatsachenermittlung<br />
bedürfen;<br />
• längere Verfahrensdauer (um 2<br />
Jahre) bei Oberverwaltungsgerichten<br />
sind unzutreffend (Laufzeiten<br />
sind keine Liegezeiten);<br />
• Verfahren über technische Großvorhaben<br />
vor den Oberverwaltungsgerichten<br />
und Verwaltungsgerichtshöfen<br />
sind oftmals<br />
in einer Instanz zu Ende, nur 5 %<br />
gelangen über die Revision zum<br />
Bundesverwaltungsgericht;<br />
• das eigentliche Hemmnis sind<br />
die behördlichen Planungsverfahren;<br />
• OVG/VGH verfügen über not-<br />
Gastbeitrag<br />
wendiges Know-how bezüglich<br />
örtlicher Verhältnisse und Interessenlagen;<br />
Aus den genannten Gründen schlägt<br />
ein Gesetzesantrag des Landes Hessen<br />
(Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung<br />
und Beschleunigung von<br />
Zulassungsverfahren für Verkehrsprojekte)<br />
eine maßvolle Ausweitung der<br />
erstinstanzlichen Zuständigkeit der<br />
Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe<br />
in § 48 VwGO vor.<br />
2. Entwurf eines Gesetzes über die<br />
Rechtsbehelfe bei Verletzung des<br />
Rechts auf ein zügiges gerichtliches<br />
Verfahren (Untätigkeitsbeschwerdengesetz)<br />
aus dem Jahr 2005:<br />
Sieht in einem neuen § 198 Gerichtsverfassungsgesetz<br />
eine Beschwerde<br />
für den Fall vor, dass das Gericht ein<br />
bei ihm anhängiges Verfahren ohne<br />
zureichenden Grund nicht innerhalb<br />
angemessener Frist fördert und ist<br />
Folge der Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofs für Menschenrechte<br />
zu Art. 6 Abs. 1 und Art. 13<br />
EMRK:<br />
Kritik<br />
Die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde<br />
(erst zum Gericht mit Abhilfemöglichkeit<br />
innerhalb eines Monats;<br />
wenn keine Abhilfe, dann zum<br />
nächst höheren Gericht) führt nicht zu<br />
einem Abbau von Altverfahren, sondern<br />
zum Versuch einzelner Beteiligter,<br />
eine im Vergleich zu anderen Verfahren<br />
vorzeitige Terminierung zu erreichen.<br />
Dem Richter steht grundsätzlich<br />
ein Ermessensspielraum zu,<br />
innerhalb dessen er aufgrund eigener<br />
Gewichtung bestimmter Faktoren in<br />
Abweichung von der Reihenfolge des<br />
Eingangs einem Verfahren Fortgang<br />
gibt.<br />
Folge der Untätigkeitsbeschwerde:<br />
Eine richterliche Mehrbelastung, d. h.<br />
die Zeit für die eigentliche Fallbearbeitung<br />
wird reduziert. Querulanten<br />
werden zu weiteren Rechtsbehelfen<br />
verleitet. Dem Gesetzentwurf fehlt<br />
jede Kostenregelung, was dem<br />
Missbrauch Vorschub leistet.<br />
IV. Mögliche gesetzgeberische<br />
Initiativen<br />
• Schaffung von großen Planungsprojekten<br />
durch den Gesetzgeber,<br />
nicht durch die Verwaltungsbehörde<br />
(Folge: Rechtsschutz<br />
vor den Verfassungsge-<br />
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