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2006 - BDVR

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verzicht, Anerkenntnis, Erledigung<br />

über noch offene Prozesskostenhilfeanträge<br />

oder wenn<br />

über Beiladung zu befinden ist);<br />

• die Begründung des Antrags auf<br />

Zulassung der Berufung ist künftig<br />

beim OVG/VGH (nicht wie<br />

vorher beim VG) einzureichen<br />

(§ 124 a Abs. 4 Satz 5).<br />

8. Deutlicher noch lassen sich die<br />

Versuche, eine Beschleunigung der<br />

verwaltungsgerichtlichen Verfahren<br />

durch eine Veränderung der Strukturelemente<br />

zu bewirken, im Asylverfahrensrecht<br />

(§§ 11, 74 bis 83 b AsylVfG)<br />

aufzeigen. Sie reichen zurück<br />

bis ins Jahr 1978. Einige Stichworte<br />

genügen zur Erläuterung dieses<br />

„Sonderprozessrechts“:<br />

• Beschränkung des Instanzenzuges<br />

im Hauptsacheverfahren auf<br />

zwei Instanzen;<br />

• unter bestimmten Voraussetzungen<br />

völliger Rechtsmittelausschluss<br />

(offensichtlich unzulässige<br />

oder unbegründete Klage);<br />

• Rechtsschutzverlagerung in das<br />

Eilverfahren;<br />

• Fristgebundenheit des Eilantrages;<br />

• Beschwerdeausschluss im Eilverfahren;<br />

• Einzelrichter in Hauptsachen als<br />

Regelfall, obligatorischer Einzelrichter<br />

in Eilsachen;<br />

• Einführung besonderer Präklusionsvorschriften.<br />

9. Parallel zu den Beschleunigungsmaßnahmen<br />

im Verwaltungsprozessund<br />

Asylverfahrensrecht waren es in<br />

den Jahren 1991 bis 1996 die Bemühungen<br />

des Gesetzgebers - letztlich<br />

auch zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten<br />

vor den Verwaltungsgerichten<br />

- zur Verfahrensbeschleunigung<br />

im Verwaltungsverfahrens-,<br />

Immissionsschutz- und Baurecht,<br />

speziell im Wohnungsbaurecht sowie<br />

im Wasserhaushaltsgesetz zu verzeichnen.<br />

10. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens<br />

in diversen Bundesländern,<br />

teils für bestimmte Verfahren,<br />

teils komplett in bestimmten<br />

Regierungsbezirken als Pilotprojekte,<br />

führt nicht zu einer Beschleunigung<br />

und Entlastung der Verwaltungsge-<br />

<strong>BDVR</strong>-Rundschreiben 03/<strong>2006</strong><br />

richte, sondern bewirkt das Gegenteil.<br />

III. Gegenwärtige gesetzgeberischeBeschleunigungsinitiativen<br />

1. Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />

zur Beschleunigung von Planungsvorhaben<br />

für Infrastrukturvorhaben<br />

(2005)<br />

Betrifft bestimmte, enumerativ aufgezählte<br />

Planungsverfahren nach<br />

dem Allgemeinen Eisenbahngesetz,<br />

dem Bundesfernstraßengesetz, dem<br />

Bundeswasserstraßengesetz und<br />

dem Magnetschwebebahngesetz, die<br />

künftig erstinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht<br />

(nicht vor dem<br />

Oberverwaltungsgericht oder Verwaltungsgerichtshof<br />

wie bisher) entschieden<br />

werden sollen.<br />

Kritik<br />

Das Bundesverwaltungsgericht<br />

müsste letztverbindlich über Auslegung<br />

von Landesrecht entscheiden.<br />

Landesrechtliche Vorschriften haben<br />

bei Planfeststellungen wegen der<br />

Konzentrationswirkung großes Gewicht.<br />

Die Anstrengungen zur Stärkung<br />

der föderalen Strukturen würden<br />

konterkariert. Die Beschleunigungserwartungen<br />

sind ein Trugschluss.<br />

• Massive Mehrbelastung des<br />

Bundesverwaltungsgerichts mit<br />

entsprechenden zeitlichen Konsequenzen;<br />

• Widerspruch zur Funktion des<br />

Bundesverwaltungsgerichts als<br />

Rechtsmittelgericht zur Klärung<br />

grundsätzlicher Rechtsfragen,<br />

zumal technische Großvorhaben<br />

zwangsläufig aufwändiger gerichtlicher<br />

Tatsachenermittlung<br />

bedürfen;<br />

• längere Verfahrensdauer (um 2<br />

Jahre) bei Oberverwaltungsgerichten<br />

sind unzutreffend (Laufzeiten<br />

sind keine Liegezeiten);<br />

• Verfahren über technische Großvorhaben<br />

vor den Oberverwaltungsgerichten<br />

und Verwaltungsgerichtshöfen<br />

sind oftmals<br />

in einer Instanz zu Ende, nur 5 %<br />

gelangen über die Revision zum<br />

Bundesverwaltungsgericht;<br />

• das eigentliche Hemmnis sind<br />

die behördlichen Planungsverfahren;<br />

• OVG/VGH verfügen über not-<br />

Gastbeitrag<br />

wendiges Know-how bezüglich<br />

örtlicher Verhältnisse und Interessenlagen;<br />

Aus den genannten Gründen schlägt<br />

ein Gesetzesantrag des Landes Hessen<br />

(Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung<br />

und Beschleunigung von<br />

Zulassungsverfahren für Verkehrsprojekte)<br />

eine maßvolle Ausweitung der<br />

erstinstanzlichen Zuständigkeit der<br />

Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe<br />

in § 48 VwGO vor.<br />

2. Entwurf eines Gesetzes über die<br />

Rechtsbehelfe bei Verletzung des<br />

Rechts auf ein zügiges gerichtliches<br />

Verfahren (Untätigkeitsbeschwerdengesetz)<br />

aus dem Jahr 2005:<br />

Sieht in einem neuen § 198 Gerichtsverfassungsgesetz<br />

eine Beschwerde<br />

für den Fall vor, dass das Gericht ein<br />

bei ihm anhängiges Verfahren ohne<br />

zureichenden Grund nicht innerhalb<br />

angemessener Frist fördert und ist<br />

Folge der Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofs für Menschenrechte<br />

zu Art. 6 Abs. 1 und Art. 13<br />

EMRK:<br />

Kritik<br />

Die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde<br />

(erst zum Gericht mit Abhilfemöglichkeit<br />

innerhalb eines Monats;<br />

wenn keine Abhilfe, dann zum<br />

nächst höheren Gericht) führt nicht zu<br />

einem Abbau von Altverfahren, sondern<br />

zum Versuch einzelner Beteiligter,<br />

eine im Vergleich zu anderen Verfahren<br />

vorzeitige Terminierung zu erreichen.<br />

Dem Richter steht grundsätzlich<br />

ein Ermessensspielraum zu,<br />

innerhalb dessen er aufgrund eigener<br />

Gewichtung bestimmter Faktoren in<br />

Abweichung von der Reihenfolge des<br />

Eingangs einem Verfahren Fortgang<br />

gibt.<br />

Folge der Untätigkeitsbeschwerde:<br />

Eine richterliche Mehrbelastung, d. h.<br />

die Zeit für die eigentliche Fallbearbeitung<br />

wird reduziert. Querulanten<br />

werden zu weiteren Rechtsbehelfen<br />

verleitet. Dem Gesetzentwurf fehlt<br />

jede Kostenregelung, was dem<br />

Missbrauch Vorschub leistet.<br />

IV. Mögliche gesetzgeberische<br />

Initiativen<br />

• Schaffung von großen Planungsprojekten<br />

durch den Gesetzgeber,<br />

nicht durch die Verwaltungsbehörde<br />

(Folge: Rechtsschutz<br />

vor den Verfassungsge-<br />

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