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Soziale Ungleichheit und kulturelle Vielfalt in - Paulo Freire Zentrum

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SchülerInnenschaft ist damit nicht dem Wunsch derSchülerInnen geschuldet, unter ihresgleichen zu bleiben,sondern e<strong>in</strong>e Folge der Flucht der mit besserenRessourcen ausgestatteten Mittelschicht.Der mangelnde Schulerfolg ist also von mehreren Faktorenabhängig: Er ist e<strong>in</strong>e Folge von sozialer Herkunft,von räumlicher Konzentration sozialer Probleme <strong>und</strong>von <strong>in</strong>stitutionell verstärkten Nachteilen bei fehlendersozialer Mischung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em niedrig qualifizierendenSchultyp. Welche Folge dies für die schulischen Abschlüsse<strong>und</strong> die E<strong>in</strong>mündung <strong>in</strong> das Ausbildungssystemhat, ist das Thema des nächsten Kapitels.Mangelnde Bildungsabschlüsse führen<strong>in</strong> die SackgasseBildungsbenachteiligung bei denBildungsabschlüssenIm Jahr 2008 verließen 15% der AusländerInnen <strong>und</strong>6,2% der Deutschen die Schule ohne e<strong>in</strong>en Hauptschulabschluss(Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2010). Die Zahl dersogenannten SchulabbrecherInnen kommt hauptsächlichdurch die AbgängerInnen aus Förderschulen zustande,die zu 76% <strong>in</strong> ihrer Schulart <strong>und</strong> zu 55% unterallen AbgängerInnen <strong>und</strong> AbsolventInnen ke<strong>in</strong>en qualifiziertenAbschluss erreichen (Klemm 2010: 17f). Dabeiwerden ausländische SchülerInnen doppelt so häufigan Förderschulen beschult als Deutsche. H<strong>in</strong>gegenhaben deutsche SchülerInnen mit 30,5% e<strong>in</strong>e knappdreifache Chance auf die Hochschulreife im Vergleichzu jenen mit e<strong>in</strong>em ausländischen Pass (10,7%). Damitführt der Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>in</strong> allen Stufen desSchulsystems zu Benachteiligungen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung2008: 11), die nach der allgeme<strong>in</strong>bildendenSchulzeit um so mehr wirken, je ger<strong>in</strong>ger dererworbene Schulabschluss ist.Exklusion bei der E<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong> denAusbildungsmarktDer Hauptschulabschluss gilt bei steigenden Anforderungen<strong>in</strong> den Ausbildungsberufen als M<strong>in</strong>destvoraussetzungfür den Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Berufsausbildung.Statistisch gesehen haben Jugendliche mit ihm jedochger<strong>in</strong>ge Chancen auf e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz. DieHandwerkskammern beklagen die mangelnde Ausbildungsreifevieler SchülerInnen, die sich <strong>in</strong> Lese-,Rechen- <strong>und</strong> Schreibschwächen bemerkbar machen<strong>und</strong> Betriebe greifen nach Möglichkeit auf (Fach-/)HochschulabsolventInnen zurück, wenn es um dieBesetzung von Ausbildungsplätzen geht. Dies zeigtalle<strong>in</strong> die hohe Zahl von etwa 300.000 nicht versorgtenAltbewerberInnen (Beicht/Friedrich/Ulrich 2007:7f). InDeutschland hat sich e<strong>in</strong> massives Übergangssystemherausgebildet, das SchülerInnen ohne Anschlussperspektivenach der Allgeme<strong>in</strong>bildenden Schule auffangen<strong>und</strong> qualifizieren soll. Alle<strong>in</strong> im Jahr 2008 wurde diesesÜbergangssystem mit 76.000 SchülerInnen ohneChancen auf dem ersten Ausbildungsmarkt gespeist.Die Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektorendes beruflichen Ausbildungssystems – duales System,Schulberufssystem <strong>und</strong> Übergangssystem – zeigt e<strong>in</strong>eDiskrepanz zwischen AusländerInnen <strong>und</strong> Deutschenzuungunsten der AusländerInnen. Deutlich mehr AusländerInnenkonzentrieren sich im Übergangssystem,also außerhalb von Berufsschule <strong>und</strong> dualem System.Dabei zeigt sich: je niedriger der Abschluss, desto größerdie Diskrepanz zwischen Deutschen <strong>und</strong> AusländerInnen<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>mündung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e duale Ausbildung.Übergangsprobleme zeigen sich nicht nur im direktenAnschluss an das allgeme<strong>in</strong>bildende Schulsystem,sondern auch über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum. DasB<strong>und</strong>es<strong>in</strong>stitut für Berufsbildung konnte beispielsweisenachweisen, dass es Jugendlichen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><strong>in</strong> besonderem Maße erschwert ist, imAnschluss an die allgeme<strong>in</strong>bildende Schule kurzfristig<strong>in</strong> das Ausbildungssystem zu gelangen (Beicht/Friedrich/Ulrich2007). 50% von ihnen erreichten erst nach17 Monaten e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz (im Vergleich:Deutsche ohne Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>: 3 Monate).Nach zweie<strong>in</strong>halb Jahren lag die Übergangsquote vonJugendlichen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> bei 60%, beiden Jugendlichen ohne Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> bei77% trotz gleicher Bildungsabschlüsse (Beicht/Friedrich/Ulrich 2007). Damit s<strong>in</strong>d Jugendliche mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>deutlich schlechter beruflich <strong>in</strong>tegriert <strong>und</strong>bef<strong>in</strong>den sich am längsten im beruflichen Übergangssystemzwischen allgeme<strong>in</strong> bildender Schule <strong>und</strong> vollqualifizierender Berufsausbildung. Knapp die Hälfteder Jugendlichen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> mündet<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Berufsausbildung e<strong>in</strong> <strong>und</strong> hat angesichts desAbbaus an niedrig qualifizierten Arbeitsplätzen ke<strong>in</strong>eChance auf e<strong>in</strong>e gesicherte Berufsperspektive. Aus dieserEntwicklung ist zu schlussfolgern, dass Risiken e<strong>in</strong>erlangfristigen sozialen Exklusion vorliegen (AutorengruppeBildungsberichterstattung 2008: 213).29 // <strong>Soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong> <strong>und</strong> <strong>kulturelle</strong> <strong>Vielfalt</strong> <strong>in</strong> europäischen Städten // Aktion & Reflexion

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