ZWISCHEN LIEBEUND <strong>Aleksandra</strong> TRAGIK<strong>Kurzak</strong>singt die Violetta<strong>Aleksandra</strong> <strong>Kurzak</strong>singt die ViolettaIhr Vater war Hornist, Ihre Mutter Sängerin. Wärefür Sie ein anderer Beruf als Musikerin, Sängerindenkbar gewesen?<strong>Kurzak</strong>: Ich habe nie daran gedacht! Musik wareinfach so „normal“ für mich, schließlich bin ichja buchstäblich in der Oper aufgewachsen. Dazukam, dass ich mit sieben Jahren begonnen habeVioline zu lernen und in eine Musikschule gegangenbin. Musik war einfach immer um michherum. Es gab nur einen Alternativberufwunsch:als kleines Mädchen wollte ich Balletttänzerinwerden – aber das hat ja auch mit Musik zu tun.Und als Sie Geige lernten: Hatten Sie im Kopf bereitsden Gesang?<strong>Kurzak</strong>: Ich glaube schon. Wie gesagt, ich lebtegewissermaßen in der Oper und besuchte auchviele Vorstellungen. Es gibt die Geschichte, die ichimmer wieder erzähle: Meine Mutter gab einmalein Konzert und ich kannte das Programm sehrgut und „imitierte“ sie im Hotelzimmer. Einmalhörte der Dirigent des Abends wie ich sang undfragte: „Wer ist das?“ Und meine Mutter antwortete:„Meine Tochter“. Er konnte es nicht glauben,denn ich war ja erst vier Jahre alt. Es sollte danneine Schallplatte mit mir gemacht werden, abermeine Eltern stimmten nicht zu. Sie meinten, dasses wird, wenn es wird – aber ich in diesem jungenAlter noch keinen Stress bräuchte. Nach derMatura, entschied ich mich ganz für das Singen.Ihr Bühnendebüt gaben Sie als Susanna in Le nozzedi Figaro an der Seite Ihrer Mutter, die die Gräfinsang. Empfanden Sie das als eher unangenehmoder fühlten Sie sich besonders behütet?<strong>Kurzak</strong>: Das war ein gutes Gefühl für mich! Fürmich zählte: Ich bin in der Oper, ich darf auf derBühne stehen! Und es war einfach schön, gemeinsammit meiner Mutter aufzutreten. Allerdings:Sie hat sich, weil sie wegen mir so nervös war, beiihrem ersten Auftritt in der Tonart geirrt. Angeblichhabe ich daraufhin vorwurfsvoll durch dieZähne gezischt: „Mama!“Inzwischen haben Sie ja schon an allen großenHäusern gesungen. Oder fehlt noch eines?<strong>Kurzak</strong>: Paris, aber das kommt demnächst. Aberim Großen und Ganzen bin ich schon überall aufgetreten:<strong>Wiener</strong> <strong>Staatsoper</strong>, Met, Scala, SalzburgerFestspiele, Covent Garden in London.6 N° 171 www.wiener-staatsoper.at
INTERVIEWHaben Sie Ihre Karriere systematisch geplant?<strong>Kurzak</strong>: Nein, so bin ich eigentlich nicht. Meinerstes Gastieren war in New York an der Met, dannLondon im Covent Garden, das heute so etwaswie mein Stammhaus ist. Es hat sich alles ergeben,ganz natürlich und unkompliziert. Ich finde dasschön. Ein planender „Erst das, dann das unddann das“-Typ bin ich nicht.Aber Sie setzen sich dennoch Ziele?<strong>Kurzak</strong>: Ja, aber eher im Sinne von Träumen. ZumBeispiel: In meiner Jugend konnte man bei unseinzelne Aufführungen aus der Met im Fernsehenanschauen. Ich träumte immer davon, dass icheines Tages auch an diesem Haus sein möchte,vielleicht nicht als Sängerin, aber wenigstens meinenFuß auf die Bühne stellen! Das schien aberein eher unwahrscheinlicher Traum zu sein, weilja damals im Polen der Kommunismus herrschteund die Grenzen geschlossen waren. Aber es hatgeklappt, und ich habe im Grunde alles bekommen,was ich mir gewünscht habe: beruflich undprivat. Manchmal habe ich aus Aberglauben fastAngst, es so auszusprechen, weil ich einfach sosehr glücklich bin.Auch stolz?<strong>Kurzak</strong>: Natürlich! Aber in einem positiven Sinne.Stolz-sein ist ja nichts schlechtes, an sich. Manmuss nur richtig damit umgehen und immer amBoden bleiben. Aber ich sehe, dass meine Familiestolz auf mich ist: das gibt mir Kraft, weiterzumachen.Ihre Karriere planen Sie also nicht. Aber lässt sichzumindest eine stimmliche Entwicklung planen?<strong>Kurzak</strong>: Nein. Anfangs war ich ein echter Koloratursopran.Mit den Arien der Königin der Nachtbin ich zu Wettbewerben gefahren, habe meineVorsingen gemacht. Dann aber ist die Stimmerunder, voller geworden und ich musste viele bereitsunterschriebene Verträge auflösen. SolcheEntwicklungen lassen sich nicht voraussagen. ImMoment denke ich, dass ich in den nächsten Jahrendie Belcanto-Partien, die auch eine Höhe erfordern,singen werde.Es heißt, dass eine Sängerin für die Violetta dreiunterschiedliche Stimmtypen braucht. In welcherfühlen Sie sich am wohlsten?<strong>Kurzak</strong>: Eigentlich während der gesamten Oper!Ich weiß ja nicht genau, ob es wirklich drei unterschiedlicheStimmen sind, die man braucht. ImGrunde wird eine schöne runde, lyrische Stimmebenötigt, die Koloraturen bieten kann; das Dramatische,eine Spinto-Stimme hingegen ist hierfalsch. Man braucht im Vergleich als Gilda mehrKraft in der Stimme: Im dritten Akt, während desSturmes, da ist das Orchester schon sehr dick unddie Sängerin muss Power geben. Violetta ist indiesem Punkt weniger anstrengend.Sehen Sie Violetta von Beginn an als tragische Figuroder sind wirklich unbeschwerte Momente auchgegeben?<strong>Kurzak</strong>: Ich finde, dass sie im ersten Akt einfachnur verliebt ist und nicht wahrnehmen möchte,wie ihr Leben eigentlich aussieht. Dieser Aspektist für mich wichtig, damit die Figur eine Charakter-Vielfältigkeiterhalten kann. Die Tragik folgtdann später …Liegt Ihnen ein solcher tragischer Charakter?<strong>Kurzak</strong>: Unbedingt! Ich leide sehr gerne auf derBühne. Leiden und sterben im Theater ist einfachschön! Und in eine Violetta kann man so vieleEmotionen packen. Ganz allgemein finde ich eswunderschön, Menschen im Publikum so berührenzu können, dass sie Tränen in den Augen haben.Warum opfert sich Violetta eigentlich? Steht dasnicht im Widerspruch zu ihrer Liebe zu Alfred? Siemacht ihn ja auch unglücklich!<strong>Kurzak</strong>: Das ist eine Frage, die aus heutiger Sichtnur sehr schwer zu beantworten ist. Heute würdeniemand mehr so handeln. Aber damals, im 19.Jahrhundert, herrschten andere gesellschaftlicheGegebenheiten. Aus diesem historischen Blickwinkelist ihr Verzicht zu verstehen.Und ist Alfredo ernst zu nehmen? Sie ist doch dieerwachsenere, oder?<strong>Kurzak</strong>: Ja, unbedingt. Sie kennt das Leben, hatihr Dasein mit reichen, älteren Männern verbracht.Daher nimmt Violetta Alfredo anfangs jaauch nicht ganz ernst. Allerdings dann … kommtdie Liebe. Unerwartet. Sie kann es sich nicht erklären,aber das ist eben so im Leben. Man kanndie Liebe nicht verstehen …Das Gespräch führte Oliver LángTermine:La traviata3., 6., 9., 12. SeptemberDiese Produktionwird unterstützt vonwww.wiener-staatsoper.at N° 171 7