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Leseprobe - Carus

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Der „englische Organist an der Königl. deutschen Kapelle“, der laut Forkel die<br />

Ehre der Deutschen verteidigte, war nichts weniger als ein Engländer. Es handelte<br />

sich um den Hannoveraner Augustus Frederic Christopher Kollmann. 30<br />

Kollmann wurde 1756 in Engelbostel bei Hannover geboren, machte sich als<br />

Organist einen Namen und wurde 1782 vom englischen König George III. nach<br />

London als Organist und Musiklehrer der Royal German Chapel berufen. Der<br />

König von England und Irland regierte zu dieser Zeit bekanntlich auch in Personalunion<br />

das Herzogtum von Braunschweig-Lüneburg und war Kurfürst von<br />

Hannover, daher wurden Gottesdienste für die königliche Familie seit dem Anfang<br />

des 18. Jahrhunderts in deutscher Sprache gehalten. Kollmann sollte für<br />

den Rest seines Lebens – er starb 1829 – in England bleiben, sich aber stets als<br />

Deutscher fühlen. 31 Entsprechend setzte er sich in seinen zahlreichen musiktheoretischen<br />

und -pädagogischen Veröffentlichungen auch in besonderer<br />

Weise für die Verbreitung deutscher Musik in England ein. Dabei scheint er in<br />

besonderer Weise die Musik Johann Sebastian Bachs propagiert zu haben: 32 In<br />

seinem 1799 veröffentlichten Essay on Practical Musical Composition finden<br />

sich die Erstveröffentlichungen von Bachs Orgel-Triosonate Es-Dur BWV 525<br />

und von Präludium und Fuge C-Dur BWV 870 (dem Eröffnungsstück des 2.<br />

Bandes des Wohltemperierten Claviers). Kollmann kündigte auch eine analytische<br />

Ausgabe des gesamten Wohltemperierten Claviers an, doch diesmal<br />

kamen ihm drei kontinentale Verleger mit der Erstausgabe zuvor (vermutlich<br />

durch einen Bericht der AMZ über sein Vorhaben animiert): Hans Georg Nägeli<br />

in Zürich, Nikolaus Simrock in Bonn (und Paris) und Hoffmeister & Kühnel<br />

in Leipzig, und er verzichtete auf sein Unternehmen. 1806 veröffentlichte<br />

er die englische Erstausgabe der Chromatischen Fantasie und Fuge (BWV<br />

903) und zugleich das theoretische Werk A New Theory of Musical Harmony,<br />

in dem er diese Fantasie analysierte.<br />

Forkels Bericht, dass Kollmann ins Zentrum der Sonne J. S. Bach plaziert<br />

habe, erscheint also durchaus glaubwürdig; vermutlich war er die einzige Person<br />

in ganz England, die J. S. Bach damals eine derartige Ehrenstellung eingeräumt<br />

hätte. 33 Kollmann bezog somit auch auf durchaus originelle Weise Posi-<br />

30 Zum Folgenden vgl. die Einleitung in Michael Kassler, A. F. C. Kollmann’s Quarterly Musical Register<br />

(1812): An Annotated Edition with an Introduction to His Life and Works, Aldershot: Ashgate, 2008,<br />

S. 3–182.<br />

31 Kassler, A.F.C. Kollmann’s Quarterly Musical Register, S. 28.<br />

32 Zum Folgenden Kassler, A.F.C. Kollmann’s Quarterly Musical Register, S. 57–64.<br />

33 Vgl. The English Bach Awakening, hrsg. v. Michael Kassler, Aldershot: Ashgate, 2004, passim. Auch die<br />

Anführung des Kapellmeisters Friedrichs II. von Preußen, Carl Heinrich Graun (1703/04–1759), war<br />

wohl im englischen Kontext höchst ungewöhnlich. Kanonischen Status hatte Graun auf dem Kontinent<br />

vor allem durch die Komposition seines Oratoriums Der Tod Jesu (1755) auf einen Text von Karl Wilhelm<br />

Ramler errungen, das in Berlin bis 1884 (!) fast jährlich zur Passionszeit von der Singakademie<br />

aufgeführt wurde (Werner Freytag, Art. „Graun“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Band 5,<br />

Kassel, Basel, London 1956, Sp. 717).<br />

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