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Leseprobe - Carus

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tributes zur Kennzeichnung von Musikern. Doch hier scheint es fast, als bestünde<br />

eine Verbindung zwischen dem Standbild des Gottes der Musik und<br />

dem Komponisten. Die Statue, der Kopf des Komponisten als helles Aufmerksamkeitszentrum<br />

des Bildes und die Notenblätter bilden zusammen ein Dreieck.<br />

Während Haydn reglos dargestellt ist und sein Blick geradeaus ins Leere,<br />

nach Innen gleichsam, geht, erscheint die Apoll-Figur belebt und aktiv: Sie<br />

blickt genau zu Haydn, und der Strahl, der diagonal von Apoll auf den Komponisten<br />

fällt, stellt recht eigentlich die Quelle für das Licht dar, das sein Gesicht<br />

hervorhebt. Teil dieser Suggestion von Aktivität auf Seiten des Musikgottes<br />

ist auch, dass sein Leierspiel echt wirkt. Haydns passive Haltung wäre<br />

insofern als Darstellung des Hörens zu deuten: Haydn lauscht den Klängen<br />

Apolls; eine besonders aparte Variante des Mythos von der göttlichen Inspiration<br />

des Komponisten.<br />

Viel weniger auffällig ist dann die im Halbdunkel des rechten Bildhintergrundes<br />

aufgestellte Büste, die bildkompositorisch ein Pendant zur Statue bietet. In<br />

Physiognomie und Beschriftung ist sie als Johann Sebastian Bach ausgewiesen,<br />

ergänzt mithin Musik-Mythos und Inspiration durch Tradition und Musik-<br />

Geschichte. Überraschend ist diese Bildidee nun gleich in mehrerer Hinsicht:<br />

Zum einen gab es um 1800 zwar Haydn-, aber keine Bach-Büsten, sondern lediglich<br />

Ölporträts und darauf basierende Kupferstiche, zum anderen ist Bach<br />

nicht derjenige Komponist, dem man allgemein viel Einfluss auf Haydn zuschreibt.<br />

Sein Sohn Carl Philipp Emanuel Bach oder Händel hätten hier viel<br />

näher gelegen.<br />

2. Ikonographische Spurensuche<br />

Das Haydn-Porträt von Neugaß lässt sich lesen wie eine spezifische Zusammenstellung<br />

von Zitaten aus der Tradition bestimmter Bildmotive, deren Identifizierung<br />

dieses erstaunliche Bild zu entschlüsseln hilft. Beginnen wir mit<br />

Haydn selbst: Eine Postierung wie bei Neugaß ist für einige Haydn-Darstellungen<br />

seit den 1790er Jahren bezeugt. Die größte Ähnlichkeit in der Erfindung<br />

weisen dabei die Porträts von Ludwig Guttenbrunn, A. M. Ott/Francesco Bartolozzi<br />

und Johann Zitterer auf. In der Porträtminiatur von Ott, die Francesco<br />

Bartolozzi 1791 in einem Londoner Stich ausführte, sitzt Haydn nach rechts<br />

gewandt ebenfalls in einem Armlehnstuhl an einem Tisch mit Notenblättern,<br />

seine Haltung ist hier freilich deutlich aktiver: Er hält die Feder – nur kurz das<br />

Schreiben unterbrechend – über dem Papier und schaut den Betrachter direkt<br />

an. Bei Guttenbrunn und Zitterer sitzt Haydn nach links gewandt an einem Klavier.<br />

Während Guttenbrunn Blickwinkel und fiktive Betrachterposition so<br />

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