Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Entstehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Harmel</strong>-Berichtes der NATO von 1967 185<br />
durch erschwert, daß es in Bonn - unterhalb der offiziellen Regierungsposition - keine<br />
einheitlichen Auffassungen in der deutschen Frage gab. Die Große Koalition aus<br />
CDU/CSU <strong>und</strong> Sozialdemokraten war ein auf Teilhabe an der Regierungsgewalt ausgerichtetes<br />
Zweckbündnis. In der deutschen Frage hatten sich die Koalitionäre auf einen<br />
Min<strong>des</strong>tkonsens verständigt, wie ihn B<strong>und</strong>eskanzler Kiesinger in seiner Regierungserklärung<br />
am 13. Dezember 1966 zum Ausdruck gebracht hatte 32 .<br />
Danach unterstützte die B<strong>und</strong>esregierung das Bemühen um eine europäische Regelung,<br />
in deren Rahmen ohne Gefährdung der Sicherheit der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> ohne<br />
Aufgabe ihrer Westbindung ein europäischer Interessenausgleich angebahnt <strong>und</strong> im<br />
Verlauf einer europäischen Wiedervereinigung eine Lösung <strong>für</strong> die deutsche Frage gef<strong>und</strong>en<br />
werden könnte. Bis zu einer endgültigen Friedensregelung müßten jedoch die<br />
Rechtspositionen in bezug auf die deutsche Frage gewahrt <strong>und</strong> der Alleinvertretungsanspruch<br />
der B<strong>und</strong>esrepublik erhalten bleiben. Um die Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Entspannung<br />
innerhalb Deutschlands zu schaffen, seien aber eine Vielzahl von Maßnahmen<br />
denkbar, mit denen das tägliche Leben der Menschen in beiden Teilen<br />
Deutschlands erleichtert, die wirtschaftliche Zusammenarbeit verstärkt <strong>und</strong> der wissenschaftliche,<br />
technische <strong>und</strong> kulturelle Austausch erweitert werden könnten 33 .<br />
Verschiedene öffentliche Stellungnahmen <strong>des</strong> Außenministers ließen aber deutlich<br />
werden, daß Brandt die Lösung der deutschen Frage einer europäischen Friedensordnung<br />
unterordnete <strong>und</strong> zu positionalen Zugeständnissen gegenüber der DDR bereit<br />
war, wenn dadurch die Situation im zweiten deutschen Staat entkrampft <strong>und</strong> die Lage<br />
der Menschen verbessert werden konnte 34 . Die Folge war, daß es zwischen Kanzleramt<br />
<strong>und</strong> Auswärtigem Amt wie auch innerhalb <strong>des</strong> letzteren Bewertungsunterschiede in der<br />
Deutschland-Politik gab, die dazu führten, daß gelegentlich eine Abstimmung auf Abteilungsleiter-<br />
oder Staatssekretärsebene erforderlich wurde. Bedeutsamer als parteipolitische<br />
Präferenzen war ein „Generationenkonflikt" zwischen den sehr gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
orientierten älteren Beamten, die häufig legalistisch <strong>und</strong> moralisch argumentierten<br />
- nach dem Motto: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders" -, <strong>und</strong> einer jüngeren, professionellen<br />
Diplomatengeneration, die sich am Machbaren orientierte <strong>und</strong> eine internationale<br />
Isolierung der B<strong>und</strong>esrepublik vermeiden wollte 35 . Angesichts <strong>des</strong> hohen Maßes an<br />
32 Vgl. Regierungserklärung von B<strong>und</strong>eskanzler Georg Kiesinger am 13. Dezember 1966 im Deutschen<br />
B<strong>und</strong>estag, in: 5. Deutscher B<strong>und</strong>estag, Stenographische Berichte, Bd. 56, S. 3656-3665; siehe ferner<br />
Acht-Punkte-Programm der SPD: Aufgaben einer neuen B<strong>und</strong>esregierung, vom 12. November 1966,<br />
in: SPD-Pressemitteilungen <strong>und</strong> Informationen, Nr. 540, 12. November 1966.<br />
33 Vgl. Leitsätze der Deutschlandpolitik der B<strong>und</strong>esregierung, in: Bulletin der B<strong>und</strong>esregierung, Nr. 38,<br />
14. April 1967, S. 313. Vgl. auch das Schreiben von B<strong>und</strong>eskanzler Kurt Georg Kiesinger an Ministerpräsident<br />
Willi Stoph vom 13. Juni 1967, in: Bulletin der B<strong>und</strong>esregierung, Nr. 63, 15. Juni 1967, S. 533.<br />
34 Vgl. Willy Brandt, Entspannungspolitik mit langem Atem, in: Außenpolitik, Nr. 8, 1967, abgedruckt<br />
in: Außenpolitik, Deutschlandpolitik, Europapolitik. Gr<strong>und</strong>sätzliche Erklärungen während <strong>des</strong> ersten<br />
Jahres im Auswärtigen Amt, Berlin 1968, S. 95-101; ders., Interview vom 30. Juni/2. Juli 1967 mit<br />
dem Deutschlandfunk, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, V.Reihe, Bd. 1 (2.Hbd.), S. 1402-<br />
1409.<br />
35 So die Wertung eines der damaligen Akteure, der sich selbst zur jüngeren Diplomatengeneration<br />
zählte.