Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
192 Helga Haftendorn<br />
eine neue, politische Qualität zu geben. In vielem war er damit das Sprachrohr seines<br />
Außenministers <strong>Harmel</strong>. Seine Erfahrung als ehemaliger NATO-Generalsekretär<br />
(1957-1961) <strong>und</strong> belgischer Außenminister verlieh ihm <strong>für</strong> diese Aufgabe die notwendige<br />
Autorität - die allerdings nicht von allen Mitgliedsregierungen in gleicher Weise akzeptiert<br />
wurde. Viele waren eher von seinem Verhalten irritiert. Die B<strong>und</strong>esregierung<br />
versuchte mehrfach, das Bestreben Spaaks abzuwehren, nicht nur <strong>für</strong> den Bericht der<br />
Untergruppe die Feder zu führen, sondern das Gesamtprojekt zu koordinieren. Diese<br />
Aufgabe sollte nach ihrer Auffassung dem NATO-Generalsekretär zukommen. 45<br />
Bereits zur ersten Sitzung am 18. April legte Spaak den Mitgliedern einen umfangreichen<br />
Fragebogen zu den Themen der Arbeitsgruppe vor 46 . Unter den Mitgliedern der<br />
Arbeitsgruppe bestand darüber Übereinstimmung, daß im Vordergr<strong>und</strong> der Beratungen<br />
nicht die bisherige Entwicklung, sondern eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen<br />
Probleme stehen sollte. Die B<strong>und</strong>esregierung war jedoch skeptisch, ob es gelingen<br />
würde, ein über den Bericht der „Drei Weisen" von 1956 hinausgehen<strong>des</strong> konkretes<br />
Aktionsprogramm <strong>für</strong> die Beziehungen der Mitglieder untereinander zu entwickeln.<br />
Statt <strong>des</strong>sen sollte es die Aufgabe <strong>des</strong> Ausschusses sein, gemeinsame Auffassungen<br />
über die Aufgaben der Allianz zu erarbeiten.<br />
In den weiteren Diskussionen der Arbeitsgruppe - diese tagte bis zur Vorlage eines<br />
Interimsberichts im Juni insgesamt viermal <strong>und</strong> damit wesentlich häufiger als die anderen<br />
Untergruppen - wurde ein breites Spektrum von Problemen erörtert. Spaak nahm<br />
allerdings nicht an allen Sitzungen teil; er ließ sich dann durch den belgischen Botschafter<br />
bei der NATO, Andre de Staercke, vertreten. Auch andere Länder beauftragten in<br />
der Regel ihre Botschafter oder deren Vertreter mit der Teilnahme an den Sitzungen der<br />
Untergruppe 2. Dies kann als ein Indiz da<strong>für</strong> gewertet werden, daß sie deren Beratungen<br />
keine große politische <strong>Bedeutung</strong> beimaßen. Ähnlich wie zu den Arbeiten der Untergruppe<br />
1 äußerte sich Generalsekretär Brosio auch zu dem Arbeitspapier von Spaak <strong>und</strong><br />
drängte darauf, daß sich die Untergruppe vor allen Dingen mit solchen Fragen befassen<br />
sollte, <strong>für</strong> die das Bündnis in unmittelbarer Zukunft praktische Lösungen finden mußte.<br />
Ende Juni legte Spaak einen Entwurf <strong>für</strong> seinen Schlußbericht vor, der am 4. Juli von<br />
der Untergruppe diskutiert wurde. Am einfachsten war es, sich über die Notwendigkeit<br />
einer Fortführung der Allianz über das Jahr 1969 hinaus zu einigen. Einige Botschafter<br />
betonten jedoch, daß diese so attraktiv gestaltet werden müßte, damit ihre<br />
Fortsetzung nicht in Frage gestellt werden könnte. Meinungsunterschiede gab es in der<br />
Frage, welche Möglichkeiten die Entspannungspolitik zur Überwindung <strong>des</strong> Ost-<br />
West-Gegensatzes angesichts <strong>des</strong> Fortbestands der militärischen Bedrohung durch die<br />
Sowjetunion bot. Spaak war zwar optimistisch hinsichtlich ihrer Chancen <strong>und</strong> forderte,<br />
daß die NATO, die bisher Sicherheit <strong>und</strong> Stabilität in Europa garantiert habe, sich<br />
nun auch schöpferisch an der Entwicklung einer europäischen Friedensordnung betei-<br />
45<br />
Ein britischer Teilnehmer berichtete, „some .. . fo<strong>und</strong> Monsieur Spaak's attitude alarming; others<br />
wearily <strong>des</strong>cribed it as familiar."<br />
46<br />
Materialien zur politischen Tätigkeit von Spaak, darunter auch zum <strong>Harmel</strong>-Bericht, befinden sich<br />
bei der Fondation Paul-Henri Spaak, Brüssel.