Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
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<strong>Entstehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Harmel</strong>-Berichtes der NATO von 1967 175<br />
In den folgenden Wochen stimmten <strong>Harmel</strong> <strong>und</strong> Rostow dieses Programm mit<br />
NATO-Generalsekretär Manlio Brosio <strong>und</strong> den Regierungen der Verbündeten ab. Ein<br />
Problem war dabei, daß <strong>Harmel</strong> <strong>und</strong> die Amerikaner möglichst bindende Ergebnisse<br />
anstrebten, während einige Mitgliedsregierungen nur zu einer unverbindlichen „Studie"<br />
bereit waren.<br />
Besonders wichtig war <strong>für</strong> die meisten Beteiligten, daß Frankreich von Anbeginn an<br />
in das Vorhaben einbezogen wurde. Rostow reiste zu diesem Zweck nach Paris, um die<br />
Zustimmung <strong>des</strong> französischen Außenministers, Maurice Couve de Murville, zu erlangen.<br />
Das Gespräch mit Couve de Murville wurde dadurch erleichtert, daß sich beide<br />
aus ihrer gemeinsamen Zeit 1943 in Algier gut kannten. Die französische Regierung<br />
stand der Initiative <strong>Harmel</strong>s zwar mit großer Skepsis gegenüber, gab dann aber doch<br />
ihre Zustimmung, nachdem ihr zugesichert worden war, daß es sich um eine unverbindliche<br />
Untersuchung handeln <strong>und</strong> die französischen Vorbehalte gegen jede Art von<br />
supranationalen Aktivitäten beachtet würden 18 .<br />
An B<strong>und</strong>eskanzler Kurt-Georg Kiesinger erging ein persönliches Schreiben von<br />
<strong>Harmel</strong>. In seiner Antwort betonte Kiesinger, daß es aus deutscher Sicht auch darum<br />
gehen müsse, die Bündnispolitik mit der Entspannungs- <strong>und</strong> Rüstungskontrollpolitik<br />
in Übereinstimmung zu bringen <strong>und</strong> mit Hilfe der Detente-Politik <strong>des</strong> Bündnisses den<br />
Status quo negotiabel zu machen. Dies müsse die deutsche Frage einschließen. Die<br />
B<strong>und</strong>esregierung war jedoch skeptisch, ob durch eine theoretische Studie das Bündnis<br />
wirklich gestärkt werden könnte. Wie auch die britische Regierung wollte sie nichts<br />
tun, durch das die Zusammenarbeit zwischen den 14 im DPC <strong>und</strong> zwischen den 15 im<br />
NATO-Rat gelockert werden könnte. Der ursprüngliche Gedanke <strong>Harmel</strong>s, einen europäischen<br />
„Caucus" zu schaffen, war <strong>für</strong> sie nicht akzeptabel.<br />
Die B<strong>und</strong>esregierung betrachtete die Krisenerscheinungen in der NATO seit langem<br />
mit großer Sorge. Für sie war das Atlantische Bündnis ein unverzichtbarer Garant<br />
ihrer Sicherheit ebenso wie ihre Mitgliedschaft in demselben eine Voraussetzung <strong>für</strong><br />
ihre gleichberechtigte Mitsprache in atlantischen <strong>und</strong> europäischen Fragen war. Bonn<br />
war daher auf gute <strong>und</strong> enge Beziehungen zu den Vereinigten Staaten angewiesen. Die<br />
Verbindung mit den USA <strong>und</strong> ihrem nuklearen Potential ebenso wie mit ihren in Westeuropa<br />
stationierten konventionellen <strong>und</strong> taktisch-nuklearen Streitkräften war eine<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> die Gewährleistung der Sicherheit der B<strong>und</strong>esrepublik, <strong>für</strong> die es<br />
keinen glaubwürdigen europäischen Ersatz gab <strong>und</strong> die benötigt wurde, solange die<br />
Sowjetunion eine militärische Bedrohung darstellte.<br />
Ein weiterer Stützpfeiler ihrer Politik war die Fre<strong>und</strong>schaft mit Frankreich, wie sie<br />
im deutsch-französischen Vertrag von 1963 kodifiziert worden war. Sie war eine<br />
gr<strong>und</strong>legende Voraussetzung <strong>für</strong> die europäische Integration <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Errichtung<br />
einer Politischen Union. Spannungen zwischen den USA <strong>und</strong> Frankreich - <strong>und</strong> es gab<br />
viele! - führten regelmäßig zu einem Prioritätenkonflikt in der Außenpolitik der B<strong>und</strong>esrepublik,<br />
der ihren außenpolitischen Handlungsspielraum nachhaltig einschränk-<br />
18 Vgl. ebenda, S. 272.