Entstehung und Bedeutung des Harmel ... - Institut für Zeitgeschichte
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190 Helga Haftendorn<br />
Bevölkerung am internationalen Leben <strong>und</strong> die <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> innerdeutschen Handels<br />
als Bindeglied zwischen den beiden Teilen Deutschlands in dem Bericht ausdrücklich<br />
anerkannt wurde. Die B<strong>und</strong>esregierung wandte sich auch gegen die Behauptung,<br />
die Haltung der Sowjetunion <strong>und</strong> ihrer osteuropäischen Verbündeten gegenüber der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik sei durch Mißtrauen <strong>und</strong> Feindseligkeit geprägt. Dies sei eine Verallgemeinerung;<br />
vielmehr versuche die sowjetische Propaganda Mißtrauen gegen die<br />
B<strong>und</strong>esrepublik zu schüren, um bei der eigenen Bevölkerung Verständnis <strong>für</strong> ihre eigene<br />
starre Politik zu erwecken <strong>und</strong> darüber hinaus die B<strong>und</strong>esrepublik bei ihren Alliierten<br />
verdächtigen zu können. Bonn begrüße es daher immer, wenn ihre Verbündeten<br />
sich von dieser Propaganda nicht beeindrucken ließen, sondern ihr entschlossen entgegenträten<br />
41 .<br />
Am 22. September übermittelte Brosio Watson ein Schreiben, in dem der Generalsekretär<br />
die in dem Bericht enthaltene sehr optimistische Einschätzung der Möglichkeiten<br />
zur Überwindung der Spaltung Europas kritisierte. Er gab außerdem seiner Besorgnis<br />
Ausdruck, daß eine Wiedervereinigung Deutschlands zur Beendigung der<br />
Teilnahme Deutschlands an der Atlantischen Allianz führen könnte. Mit diesem Hinweis<br />
wurde ein Dilemma sichtbar, das die Politik der NATO-Verbündeten prägte: zum<br />
einen verübelten sie es der B<strong>und</strong>esrepublik, daß diese als Bremser der von ihnen gewünschten<br />
Entspannungspolitik auftrat, auf der anderen Seite trieb sie die Sorge um,<br />
daß eine durchgreifende Ost-West-Entspannung zu einer Situation führen könnte, in<br />
der die B<strong>und</strong>esrepublik das Bündnis nicht mehr brauchen <strong>und</strong> sich aus demselben lösen<br />
würde. Einige Äußerungen von Außenminister Brandt, nach denen langfristig an die<br />
Stelle der bestehenden Bündnisse ein europäisches Sicherheitssystem treten könnte, begünstigten<br />
allerdings diese Spekulationen über die künftigen deutschen Absichten 42 .<br />
Eine erneute deutsch-britische Abstimmung über den Bericht der Untergruppe 1 erfolgte<br />
am 2. Oktober, wiederum in London. Dabei wurde versucht, einige der von den<br />
Mitgliedern der Arbeitsgruppe geäußerten Bedenken zu berücksichtigen. Dies betraf<br />
vor allem den Teil II zur deutschen Frage, bei dem es gelang, verschiedene Kritikpunkte<br />
mit Hilfe von einigen von britischer Seite beigesteuerten diplomatischen Formulierungen<br />
abzuschwächen, aber auch den Teil III, in dem z.B. nun die Möglichkeiten<br />
einer verstärkten Ost-West-Kooperation auf wirtschaftlichem <strong>und</strong> technischem Gebiet<br />
herausgestellt wurden.<br />
Der von Watson <strong>und</strong> Schütz verantwortete Bericht war ein sorgfältig austariertes<br />
Dokument, in dem die britische Seite ihrer positiven Einschätzung der Ost-West-Beziehungen<br />
<strong>und</strong> den konstruktiven Möglichkeiten der Entspannungspolitik Ausdruck<br />
gab, jedoch angemerkt wurde, daß es bei ihrer Bewertung Auffassungsunterschiede<br />
gebe. Die deutsche Seite hatte dagegen ihre Gr<strong>und</strong>auffassungen in der deutschen Frage<br />
Vgl. die Rede von Außenminister Willy Brandt auf der Jahrestagung <strong>des</strong> Kuratoriums der Friedrich-<br />
Ebert-Stiftung am 30. November 1967 in Düsseldorf, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik,<br />
V. Reihe, Bd. 1 (2. Hbd.), S. 2085-2089.<br />
42 Vgl. das Interview von Außenminister Willy Brandt vom 30. Juni/2. Juli 1967 <strong>für</strong> den Deutschlandfunk,<br />
in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, V. Reihe, Bd. 1 (2. Hbd.), S. 1405.