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Wortkarg seien sie gewesen,<br />
die Ermittlungsbeamten.<br />
Sehr<br />
korrekt, aber helfen wollten sie<br />
sich nicht lassen. Und so kam es,<br />
daß sieben Zivilbeamte der<br />
Wirtschaftspolizei in Begleitung<br />
zweier Sachverständiger<br />
vergangenen Donnerstag gleich<br />
sämtliche Computer des Internet-Providers<br />
VIP beschlagnahmten,<br />
anstatt Kopien der<br />
Computerfestplatten mitzunehmen.<br />
Anlaß für die Beschlagnahme<br />
war eine Anzeige gegen ,,unbekannt“<br />
bei der Münchner<br />
Staatsanwaltschaft vom März<br />
1996, weil einer der Kunden des<br />
gegen Paragraph 207a StGB<br />
(Kinderpornographie) verstoßendes<br />
Material ins Internet<br />
gespeist hat (Monitor 2/96). Die<br />
deutschen Behörden, die Weihnachten<br />
1995 die Newsgroups<br />
(so nennt man die Debattenforen<br />
im Internet) mit explizitem Inhalt<br />
im Computernetzwerk<br />
CompuServe zuerst abgedreht<br />
und dann ausgewertet haben,<br />
dürften bei ihren Recherchen<br />
auch auf einen Österreicher gestoßen<br />
sein, der via Internet Kinderpornobilder<br />
vertrieben hat.<br />
Im Rechtshilfeweg haben<br />
die deutschen Behörden sich an<br />
die österreichischen Kollegen<br />
gewandt, um auch den österreichischen<br />
Täter erwischen zu<br />
können. Das Verständnis der zuständigenUntersuchungsrichterin,<br />
Helene Partik-Pablé in Sachen<br />
Internet kann aber nicht<br />
allzugroß sein: denn die elektronischen<br />
Nachrichten, nach denen<br />
gefahndet wird, sind spätestens<br />
90 Tage nach Veröffentlichung<br />
von den Festplatten der<br />
Computer verschwunden und<br />
werden von neueren ,,postings“<br />
(so nennt man die am Internet<br />
publizierten Nachrichten) überschrieben.<br />
Dennoch steht<br />
schwarz auf weiß im Hausdurchsuchungsbefehl<br />
mit der Aktenzahl<br />
28c Vr 11.075/56:<br />
,,Es ergeht an die Bundespolizeidirektion<br />
Wien...der Befehl,<br />
in der Wohnung und den sonstigen<br />
zum Hauswesen gehörigen<br />
Räumlichkeiten der Firma Comdes,<br />
Computer Ges.m.b.H. ...<br />
eine Hausdurchsuchung zum<br />
Zwecke der Auffindung und Beschlagnahme<br />
von Gegenständen,<br />
deren Besitz oder Besichtigung<br />
für das gegenständliche<br />
Strafverfahren von Bedeutung<br />
sein könnte, vorzunehmen. Es<br />
Internet-Protestanten<br />
Nach der Beschlagnahme der Gerätschaften eines<br />
Internet-Providers ist die österreichische<br />
Internet-Community in heller Aufruhr<br />
Thomas Seifert<br />
handelt sich dabei um folgende<br />
Gegenstände: Computer-Festplatten,<br />
aus denen sich Hinweise<br />
auf die Einspeisung kinderpornographischer<br />
Darstellungen in<br />
das Internet ergeben, sowie andere<br />
Bilder und Gegenstände,<br />
die damit in Zusammenhang<br />
stehen können“.<br />
,,Immerhin haben sie im<br />
Vergleich zu einer ähnlich spektakulären<br />
Aktion, die 1990 gegen<br />
ein Institut der Österreichischen<br />
Akademie der Wissenschaften<br />
in Wien stattfand, wo<br />
sich sogar die Stapo beteiligt hat,<br />
dazugelernt. Damals hatten sie<br />
neben den PCs der MitarbeiterInnen<br />
auch gleich den Drucker<br />
mitgenommen, der erst nach<br />
rund einem Jahr zurückgegeben<br />
wurde“, schreibt der Wiener<br />
TU-Professor Peter Fleißner in<br />
einem E-Mail an den Monitor.<br />
Der Internet-Provider VIP,<br />
der durch die Beschlagnahme<br />
vom Netz gehen mußte und erst<br />
am Samstag wieder mit geborgten<br />
Geräten einen Notbetrieb<br />
aufnehmen konnte, ist durch das<br />
verantwortungslose Tun des bewußten<br />
Ex-Kunden (und das dilettantische<br />
Vorgehen der Behörden)<br />
großer Schaden<br />
erwachsen. Denn gegen den Provider<br />
selbst liegt überhaupt kein<br />
Verdacht vor - Michael<br />
Herrmann von der Firma VIP<br />
meint, es sei nicht wünschenswert,<br />
in den Daten der Kunden<br />
herumzuschnüffeln, außerdem<br />
könnten die anfallende Datenmenge<br />
gar nicht kontrolliert<br />
werden - schließlich liegen bis zu<br />
40 GB Daten (entspricht mehr<br />
als 20 Millionen DIN A4 Seiten<br />
Text) auf dem Server des Internet-Providers.<br />
Der Wiener Rechtsanwalt<br />
Michael Pilz, der sich intensiv<br />
mit der Materie auseinandergesetzt<br />
hat, kritisiert zudem das<br />
Vorgehen der Behörden: Eine<br />
Hausdurchsuchung sei nach der<br />
Strafprozeßordnung (STPO) nur<br />
nach vorangegangener Vernehmung<br />
zulässig. Darüberhinaus<br />
dürften nur Gegenstände beschlagnahmt<br />
werden, die für die<br />
Untersuchung von Bedeutung<br />
sind. Und von einer ,,möglichster<br />
Schonung“ der Gegenstände<br />
könne schon überhaupt keine<br />
Rede sein, weil bei den EDV-<br />
Anlagen einfach der Stecker herausgezogen<br />
worden war, was zu<br />
Defekten führen kann.<br />
Die Internet-Provider sind<br />
darob stark verunsichert. Sie<br />
wollen nicht für das Treiben ihrer<br />
Kunden verantwortlich sein.<br />
Viktor Mayer-Schönberger, Assistent<br />
an der Juridischen Fakultät<br />
der Universität Wien, Co-<br />
Autor der Studie ,,Netz ohne<br />
Eigenschaften“ und Buchautor<br />
(,,Recht am Info-Highway“,<br />
ORAC-Verlag, erscheint im<br />
Juni) kennt die Problematik und<br />
argumentiert differenziert: Die<br />
Provider dürfen seiner Meinung<br />
nach nicht für Dinge verantwortlich<br />
gemacht werden, die<br />
sich der Kontrolle der Provider<br />
entziehen. Postings im Unsenet<br />
- wo die Masse der beanstandeten<br />
Pornobilder auftaucht - sind von<br />
den Providern nicht kontrollierbar<br />
und daher könne man den<br />
Provider auch nicht verantwortlich<br />
machen. Doch die Provider<br />
sollten sich tatsächlich überlegen,<br />
welche Newsgroups des<br />
Usenet (vergleichbar einem riesigen<br />
elektronischen schwarzen<br />
Brett, auf dem vom Thema<br />
Atomphysik bis Zoophilie = Sex<br />
mit Tieren alles mögliche diskutiert<br />
wird) sie ihren Kunden zur<br />
Verfügung stellen wollen.<br />
Die österreichischen Internet-Provider<br />
wollen nicht Prügelknaben<br />
für die Fehlleistungen<br />
einzelner Kunden spielen<br />
und setzten am Dienstag, den<br />
25.3.<strong>97</strong>, ein Zeichen des Protests:<br />
zwischen 16.00 und 18.00<br />
Uhr wurden alle Internet-Dienste<br />
österreichweit abgeschaltet,<br />
Österreich war in dieser Zeit per<br />
Internet weltweit nicht mehr erreichbar.<br />
Alle namhaften Provider<br />
haben sich am Protest beteiligt:<br />
Von den Universitäten bis<br />
zur Telekom, von der Spardat bis<br />
zu den Providern EUnet, Ping,<br />
Netway, Vianet, Thing und die<br />
Blackbox. Letztere hat einen besonderen<br />
Grund für ihr Engagement.<br />
Zur Zeit schwebt ein Verfahren<br />
gegen diesen Wiener<br />
Netzwerkbetreiber, weil ein<br />
User einen anderen verleumdet<br />
hat, und die Blackbox nach Auffassung<br />
des klagenden Anwalts<br />
als Medieninhaber mitverantwortlich<br />
ist für die Inhalte, die<br />
über das Netz transportiert werden.<br />
Eine Klärung der Rechtslage<br />
tut also not: Peter Rastl, der Verantwortliche<br />
der Universitäten<br />
für den akademischen Teil des<br />
Internet, fordert als ersten<br />
Schritt eine Einschulung der Justiz-<br />
und Ermittlungsbeamten:<br />
,,Ein Verkehrspolizist, der in seinem<br />
Leben noch nie ein Auto gesehen<br />
hat, wird seinen Job auch<br />
nicht optimal erfüllen“. Die Internet-Protestanten<br />
planen jedenfalls<br />
bis zur Wiener Computermesse<br />
IFABO weitere<br />
Informations- und Protestaktionen.<br />
Sie wollen endlich gesetzliche<br />
Rahmenbedingungen, damit<br />
sie nicht ,,mit einem Fuß im<br />
Kriminal stehen“, wie EUnet-<br />
Geschäftsführer Michael Haberler<br />
meint. Aber ,,einstweilen<br />
müssen sich Gesetzgeber, Anwälte,<br />
Richter und besorgte Inter-Netties<br />
damit abfinden, daß<br />
es keine einfache Lösung für Internet-Kriminalität<br />
gibt“, wie<br />
der Monitor schon in der Nummer<br />
9/95 schrieb.<br />
Homepage der Internet-Protestanten:<br />
http://www.internet.at<br />
96 <strong>monitor</strong> 4/<strong>97</strong>