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passagen - Pro Helvetia

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56<br />

vengesänge gehen auf beschwörende Pygmäenjodel<br />

zurück, die eng mit dem Wald als wichtigem<br />

Hort von Mysterien und Lebensgrundlage<br />

verbunden sind. Jazzsänger Leon Thomas glaubte,<br />

Pygmäen sängen durch seine einzigartige Stimme,<br />

deren anthropologische ‹Verbalenergie› immer<br />

eine Steigerung erfuhr, wenn er seinen Pygmäen-<br />

Jodel-Scatgesang ertönen liess.<br />

Auch echte Cowboys – Schwarze, Weisse, Mexikaner<br />

– jodelten wahrscheinlich, obschon keiner von<br />

ihnen das Jodeln zum Beruf machte. Die Cowgirljodlerin<br />

Liz Masterson aus Colorado meint dazu:<br />

«Es scheint durchaus logisch, dass Kuhhirten diese hohen<br />

Töne verwendeten, wenn sie durch ihre Herde ritten.<br />

Wenn die Tiere ihr dumpf dröhnendes ‹Muuuuh›<br />

ausstossen und plötzlich einer ‹Uiiih› dazwischen schreit,<br />

kann er sicher sein, dass sein heller Ruf die ganze Herde<br />

übertönt. Noch heute höre ich, wenn ich hin und wieder<br />

auf Ranches zu Besuch bin, diese schrill-schrägen<br />

Rufe. Und man kann effektiv einen Jodel darin hören,<br />

wenn diese Leute ihr ‹Uiii-ipp tschiii-ipp tschiii-ipp› erschallen<br />

lassen.»<br />

Wilf ‹Montana Slim› Carter, Sohn eines Schweizer<br />

Baptistenpredigers, verkörperte – authentisch und<br />

popmusikalisch stilisiert – den Geist des freiheitsliebenden,<br />

auf Güterzügen herumstreunenden<br />

‹Yodeling Cowboys› mit seinem alpenländisch beeinflussten<br />

Western-Jodel.<br />

Frühe Schweizer Einwanderer: Nach Meinung des<br />

mennonitischen Archivars Leonard Gross gelangte<br />

der Jodel mit den ersten Schweizer Einwanderern<br />

nach Nordamerika. Er erklärt: «Meine Frau – sie<br />

ist Schweizerin, und ihr Vater, der als mennonitischer<br />

Prediger in Twann lebte, war ein guter Jodler –, meine<br />

Frau sagt, das Jodeln gehe auf eine sehr alte Überlieferung<br />

der Schweizer Mennoniten-Brüder zurück. Es ist<br />

naheliegend, dass Schweizer Brüder, die direkt von der<br />

Schweiz nach Nordamerika auswanderten, ein paar<br />

Jodler mitnahmen.»<br />

Deutsche Mennoniten und Amische gehörten zu<br />

den ersten Immigranten in den 1670er Jahren.<br />

Diese Kriegsflüchtlinge und religiös Verfolgten<br />

kamen vom Pfälzergebiet über Rotterdam nach<br />

Pennsylvania. Sie sprachen Schweizer Dialekte<br />

und sangen alte Arbeitslieder, von denen einige<br />

Jodelelemente enthielten. Die Jodlerin Betty Naftzinger,<br />

die als Tochter eines Schweizer Farmers<br />

bei Kutztown, Pennsylvania, geboren wurde, erinnert<br />

sich, dass sie in den 1940er Jahren beim Pflügen<br />

der Felder das Jodeln erlernte.<br />

Einige Schweizer Immigranten siedelten sich im<br />

18. Jahrhundert in South Carolina, Maryland und<br />

Pennsylvania an. Andere zogen nach Westen (1820-<br />

1900) und gründeten in Texas und Indiana deutsche<br />

und schweizerische Einwanderergemeinden.<br />

Amische aus dem Bernbiet und dem Emmental<br />

gründeten im ländlichen Indiana die Gemeinden<br />

Berne und Geneva. Hier bewahrten sie ihre folkloristischen<br />

Bräuche, u.a. auch ihren alemannischen<br />

Dialekt und das Jodeln, eine akzeptable,<br />

nichtkommerzielle Form der Unterhaltung, die<br />

den sozialen Zusammenhalt stärkte. Und Milchmädchen<br />

brachten ihren Kühen Jodelständchen<br />

dar.<br />

Einwanderer aus dem Kanton Glarus liessen sich<br />

in Wisconsin nieder, wo sie in den 1840er Jahren<br />

die Städte New Glarus und Monroe gründeten.<br />

Um 1900 zählte Wisconsin 8000 Schweizer Einwanderer.<br />

Der Appenzeller Jodler Louis Alder<br />

emigirierte nach Monroe und gründete dort das<br />

Monroe Yodel Quartet (1921). Die Moser Brothers,<br />

eine Schweizer Jodlerfamilie, absolvierten eine<br />

Nordamerika-Tournee und liessen sich danach<br />

in Wisconsin nieder; im Jahr 1933 traten sie im<br />

Schweizer Pavillon an der Chicago Worlds Fair<br />

auf. Rudy Burkhalter wuchs in Basel auf, wo er<br />

das Handharmonikaspiel und das Jodeln erlernte.<br />

Er wurde ein renommierter Komponist in Wisconsin<br />

und schrieb in den 1950er Jahren Jodellieder<br />

wie ‹Will You Teach Me How To Yodel› für Walt<br />

Disney TV-<strong>Pro</strong>duktionen. Die Jodelgruppe Edelweiss<br />

Stars aus New Glarus gab zwischen 1950<br />

und 1996 in ihrer Region Konzerte. Betti Vetterli<br />

(Schweizerin der dritten Generation) und Martha<br />

Bernet (1927 in Leissigen geboren) waren ein populäres<br />

Jodelduo, das bei seinen Konzertauftritten<br />

Reklame für in Winsconsin hergestellte Milchprodukte<br />

machte.<br />

Als Urheberin der Jodelpartien in Walt Disneys<br />

Film von 1937 Snow White & the Seven Dwarfs<br />

zeichnete die ‹Swiss Family Fraunfelder.› Der Jodler,<br />

Lehrer und Musiker Reynard Fraunfelder brachte<br />

seine Familie vom aargauischen Wildegg nach<br />

Kalifornien und später nach Wisconsin. Er war<br />

Mitkomponist zahlreicher Jodelstücke in Disney-<br />

<strong>Pro</strong>duktionen und gab seine Jodelkunst an seine<br />

Kinder weiter. Sein Sohn Rheiny jodelte den Part<br />

von Dopey in den ‹Silly Songs.›<br />

Echos der Tradition: Als ich im Jahr 2005 in der<br />

Mennonite Historical Society forschte und am<br />

Goshen College Vorlesungen hielt, entdeckte ich<br />

aus den 1970er Jahren stammende Tonaufnahmen<br />

von informellen Gemeindetreffen mit Jodelmusik,<br />

einige vor Ort gemachte Aufnahmen von<br />

Alan Lomax und ein Liederbuch mit Schweizer<br />

und Pop/Country-Jodelsongs. In der Zeit, da ich<br />

meine Vorlesungen hielt, trugen mehrere Mennoniten<br />

aus der Umgebung Jodelimprovisationen<br />

vor.<br />

<strong>Helvetia</strong>, ein Dorf in den Appalachen in West Virginia,<br />

wurde 1869 von Schweizern besiedelt. Seine<br />

Bewohner bewahren die Schweizer Volkskultur,

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