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vengesänge gehen auf beschwörende Pygmäenjodel<br />
zurück, die eng mit dem Wald als wichtigem<br />
Hort von Mysterien und Lebensgrundlage<br />
verbunden sind. Jazzsänger Leon Thomas glaubte,<br />
Pygmäen sängen durch seine einzigartige Stimme,<br />
deren anthropologische ‹Verbalenergie› immer<br />
eine Steigerung erfuhr, wenn er seinen Pygmäen-<br />
Jodel-Scatgesang ertönen liess.<br />
Auch echte Cowboys – Schwarze, Weisse, Mexikaner<br />
– jodelten wahrscheinlich, obschon keiner von<br />
ihnen das Jodeln zum Beruf machte. Die Cowgirljodlerin<br />
Liz Masterson aus Colorado meint dazu:<br />
«Es scheint durchaus logisch, dass Kuhhirten diese hohen<br />
Töne verwendeten, wenn sie durch ihre Herde ritten.<br />
Wenn die Tiere ihr dumpf dröhnendes ‹Muuuuh›<br />
ausstossen und plötzlich einer ‹Uiiih› dazwischen schreit,<br />
kann er sicher sein, dass sein heller Ruf die ganze Herde<br />
übertönt. Noch heute höre ich, wenn ich hin und wieder<br />
auf Ranches zu Besuch bin, diese schrill-schrägen<br />
Rufe. Und man kann effektiv einen Jodel darin hören,<br />
wenn diese Leute ihr ‹Uiii-ipp tschiii-ipp tschiii-ipp› erschallen<br />
lassen.»<br />
Wilf ‹Montana Slim› Carter, Sohn eines Schweizer<br />
Baptistenpredigers, verkörperte – authentisch und<br />
popmusikalisch stilisiert – den Geist des freiheitsliebenden,<br />
auf Güterzügen herumstreunenden<br />
‹Yodeling Cowboys› mit seinem alpenländisch beeinflussten<br />
Western-Jodel.<br />
Frühe Schweizer Einwanderer: Nach Meinung des<br />
mennonitischen Archivars Leonard Gross gelangte<br />
der Jodel mit den ersten Schweizer Einwanderern<br />
nach Nordamerika. Er erklärt: «Meine Frau – sie<br />
ist Schweizerin, und ihr Vater, der als mennonitischer<br />
Prediger in Twann lebte, war ein guter Jodler –, meine<br />
Frau sagt, das Jodeln gehe auf eine sehr alte Überlieferung<br />
der Schweizer Mennoniten-Brüder zurück. Es ist<br />
naheliegend, dass Schweizer Brüder, die direkt von der<br />
Schweiz nach Nordamerika auswanderten, ein paar<br />
Jodler mitnahmen.»<br />
Deutsche Mennoniten und Amische gehörten zu<br />
den ersten Immigranten in den 1670er Jahren.<br />
Diese Kriegsflüchtlinge und religiös Verfolgten<br />
kamen vom Pfälzergebiet über Rotterdam nach<br />
Pennsylvania. Sie sprachen Schweizer Dialekte<br />
und sangen alte Arbeitslieder, von denen einige<br />
Jodelelemente enthielten. Die Jodlerin Betty Naftzinger,<br />
die als Tochter eines Schweizer Farmers<br />
bei Kutztown, Pennsylvania, geboren wurde, erinnert<br />
sich, dass sie in den 1940er Jahren beim Pflügen<br />
der Felder das Jodeln erlernte.<br />
Einige Schweizer Immigranten siedelten sich im<br />
18. Jahrhundert in South Carolina, Maryland und<br />
Pennsylvania an. Andere zogen nach Westen (1820-<br />
1900) und gründeten in Texas und Indiana deutsche<br />
und schweizerische Einwanderergemeinden.<br />
Amische aus dem Bernbiet und dem Emmental<br />
gründeten im ländlichen Indiana die Gemeinden<br />
Berne und Geneva. Hier bewahrten sie ihre folkloristischen<br />
Bräuche, u.a. auch ihren alemannischen<br />
Dialekt und das Jodeln, eine akzeptable,<br />
nichtkommerzielle Form der Unterhaltung, die<br />
den sozialen Zusammenhalt stärkte. Und Milchmädchen<br />
brachten ihren Kühen Jodelständchen<br />
dar.<br />
Einwanderer aus dem Kanton Glarus liessen sich<br />
in Wisconsin nieder, wo sie in den 1840er Jahren<br />
die Städte New Glarus und Monroe gründeten.<br />
Um 1900 zählte Wisconsin 8000 Schweizer Einwanderer.<br />
Der Appenzeller Jodler Louis Alder<br />
emigirierte nach Monroe und gründete dort das<br />
Monroe Yodel Quartet (1921). Die Moser Brothers,<br />
eine Schweizer Jodlerfamilie, absolvierten eine<br />
Nordamerika-Tournee und liessen sich danach<br />
in Wisconsin nieder; im Jahr 1933 traten sie im<br />
Schweizer Pavillon an der Chicago Worlds Fair<br />
auf. Rudy Burkhalter wuchs in Basel auf, wo er<br />
das Handharmonikaspiel und das Jodeln erlernte.<br />
Er wurde ein renommierter Komponist in Wisconsin<br />
und schrieb in den 1950er Jahren Jodellieder<br />
wie ‹Will You Teach Me How To Yodel› für Walt<br />
Disney TV-<strong>Pro</strong>duktionen. Die Jodelgruppe Edelweiss<br />
Stars aus New Glarus gab zwischen 1950<br />
und 1996 in ihrer Region Konzerte. Betti Vetterli<br />
(Schweizerin der dritten Generation) und Martha<br />
Bernet (1927 in Leissigen geboren) waren ein populäres<br />
Jodelduo, das bei seinen Konzertauftritten<br />
Reklame für in Winsconsin hergestellte Milchprodukte<br />
machte.<br />
Als Urheberin der Jodelpartien in Walt Disneys<br />
Film von 1937 Snow White & the Seven Dwarfs<br />
zeichnete die ‹Swiss Family Fraunfelder.› Der Jodler,<br />
Lehrer und Musiker Reynard Fraunfelder brachte<br />
seine Familie vom aargauischen Wildegg nach<br />
Kalifornien und später nach Wisconsin. Er war<br />
Mitkomponist zahlreicher Jodelstücke in Disney-<br />
<strong>Pro</strong>duktionen und gab seine Jodelkunst an seine<br />
Kinder weiter. Sein Sohn Rheiny jodelte den Part<br />
von Dopey in den ‹Silly Songs.›<br />
Echos der Tradition: Als ich im Jahr 2005 in der<br />
Mennonite Historical Society forschte und am<br />
Goshen College Vorlesungen hielt, entdeckte ich<br />
aus den 1970er Jahren stammende Tonaufnahmen<br />
von informellen Gemeindetreffen mit Jodelmusik,<br />
einige vor Ort gemachte Aufnahmen von<br />
Alan Lomax und ein Liederbuch mit Schweizer<br />
und Pop/Country-Jodelsongs. In der Zeit, da ich<br />
meine Vorlesungen hielt, trugen mehrere Mennoniten<br />
aus der Umgebung Jodelimprovisationen<br />
vor.<br />
<strong>Helvetia</strong>, ein Dorf in den Appalachen in West Virginia,<br />
wurde 1869 von Schweizern besiedelt. Seine<br />
Bewohner bewahren die Schweizer Volkskultur,