PRAXISWISSENDer Fixierverband –Materialien und MethodenEin Rückblick in die Geschichte derMedizin zeigt, daß die Kunst des Verbindenseine jahrtausendealte Traditionaufweist, die sich in den Grundzügenbis heute erhalten hat. Aus denzum Teil komplett überlieferten Verbandlehrenverschiedener Epochenwird ersichtlich, mit welcher AkribieVerbände für jedes Körperteil entwikkeltwurden. Vor allem für den antikenChirurgen war der kunstvoll angelegteVerband von größter Bedeutung. Sofinden sich beispielsweise in den GalenischenSchriften Anleitungen für 108Verbände, von denen allerdings vieledeutlich erkennen lassen, daß sie weitausmehr „theatralischen“ Zwecken alsder medizinischen Indikation dienten.Sicherlich wurde aber damit schon derErkenntnis Rechnung getragen, daßder Patient einen gut angelegten undgut sitzenden Verband durchaus alshandwerkliche Leistung des Arzteseinzuschätzen und zu honorieren weiß.DER MODERNE FIXIERVERBANDAbgesehen von einigen Wundauflagen,die selbsthaftend ausgerüstetsind, besteht ein vollständiger Wundverbandüblicherweise aus der Wundauflageund einer Fixierung zur sicherenBefestigung der Wundauflage. Dabeiist die Fixierung keineswegs eine„Nebensache“. Ein sachgerecht angelegterFixierverband unterstützt dieWundheilung durch Erhalt der erforderlichenWundruhe, eine schlecht oderfalsch angelegte Fixierung kann dagegenernsthafte Störungen hervorrufen.Ein tadellos sitzender Fixierverbandhat darüber hinaus immer aber aucheine gewisse psychologische Signalwirkung.Als sichtbarer Abschluß derWundbehandlung kann er vom Patientenals professionelle Leistung beurteiltwerden und vermittelt ihm so das Gefühl,gut behandelt und versorgt zusein. Rutschende, verschmutzte oderdurchfeuchtete Fixierungen sind umgekehrtnatürlich nicht geeignet, dasVertrauen in das Können des Behandelndenherzustellen.Sich in der „Kunst“ der Fixierung vonWundauflagen zu üben oder zu vervollkommnen,dürfte also sowohl aus medizinischerals auch aus psychologischerSicht von einigem Interesse sein.Verbandstücke und Verbändeaus dem Werk von HeinrichBass „Gründlicher Berichtvon Bandagen“, dasim Jahre 1720 erschien. InGebrauch waren vielfältigeBindenformen, die komplizierteTechniken zur Folgehatten.AUFGABEN DES FIXIERVERBANDESWichtigste Aufgabe der Fixierung istes, das Verrutschen und Lockern derWundauflage zu verhindern und damitdie für die Heilung unerläßliche Wundruhesicherzustellen. Nicht fest fixierteKompressen können auf der WundeBewegungsreize verursachen und zuStörungen und Verzögerungen derWundheilung führen.Des weiteren ist die leichte Kompressionswirkungzirkulärer Fixierungenvon Bedeutung. Für das Absaugenkeimbelasteter Sekrete ist einegute Adaption der Wundauflage an dieWundoberfläche erforderlich, die beiflächigen Wundverhältnissen durchleicht komprimierende Fixierverbändeverbessert werden kann. Ist der Druckzu stark, kann allerdings das Gegenteileintreten und die Wundauflage in ihremSaugvermögen behindert werden.Mit einem leichten, planen Druck aufdas Wundgebiet läßt sich außerdemder Entstehung heilungsverzögernderWundrandödeme vorbeugen. Ebensoerfolgt bei Hauttransplantationen dieabschließende Fixierung der Wundauflagenmit mäßiger Kompression.Außerdem dient ein Fixierverbanddazu, die Wunde zusätzlich zur Wundauflagevor dem Eindringen vonSchmutz und Keimen zu schützen undsie gegen Druck und Stoß zu polstern.Sind dabei zur Wundbehandlung indikationsbezogengaspermeable Wundauflagenerforderlich, so beispielsweisebei infizierten Wunden, muß auchdie Fixierung eine ausreichende LuftundWasserdampfdurchlässigkeit gewährleisten.Notfalls kann der Fixierverband auchüberschüssiges Sekret aufnehmen. Istdies der Fall, muß der gesamte Wundverbandjedoch sofort gewechselt unddie Wunde inspiziert werden. DurchfeuchteteFixierverbände stellen eingefährliches Keimpotential dar.MATERIALIEN UND METHODENZur Wundauflagenfixierung stehenheute eine Reihe moderner Fixierhilfenzur Verfügung, die bei hoher Funktionalitätdie Anlegetechniken entscheidendvereinfacht haben. Ein Beispielhierzu sind vor allem elastische und kohäsivelastische Fixierbinden, die dieklassische, kompliziert anzulegendeMullbinde zu einem großen Teil vomMarkt verdrängt haben. VereinfachteAnlegetechniken bringen in der Praxiseinige Vorteile mit sich: Auch Ungeübtewerden in die Lage versetzt, sichereWundauflagenfixierungen durchzuführen.Vor allem aber ergeben sichZeitersparnisse mit einer entsprechendenKostenreduzierung. Die einzelnenGruppen der Fixierhilfen werden nachfolgendkurz beschrieben: Fixierpflaster und Fixiervliese Fixierbinden Stülp- oder Schlauchverbände NetzverbändeHARTMANN WundForum 3/9931
PRAXISWISSENFixierpflasterFixierpflaster dienen zum Befestigentextiler Kompressen bei kleineren Wunden.Auch Hydrogel-Kompressen, dienicht mit einem selbstklebenden Fixierrandversehen sind, werden mit Pflasternfixiert. Am zweckmäßigsten istdabei das Anlegen eines sogenanntenKastenverbandes, d. h. die Kompressewird an allen vier Seiten mit Pflasterstreifenfest fixiert, weil sich damit Bewegungsreizeauf der Wunde am sicherstenvermeiden lassen. Bei kleineren,primär heilenden Wunden, so z. B.bei Schnittwunden, bei denen die Beachtungder Wundruhe keine Rollespielt, ist auch eine parallele Anordnungder Pflasterstreifen möglich. Aufkeinen Fall dürfen Pflasterstreifen beiExtremitäten zirkulär angelegt werden,da es dadurch zu Stauungen kommenkann.Für die spezifischen Anforderungenhinsichtlich der Indikationen und Hauttypenwerden unterschiedliche Fixierpflasterbenötigt. Verfügbar sind Fixierpflasteraus textilem Gewebe, ausSeide und Vliesstoff sowie aus poröserbzw. wasserdichter, transparenterFolie. Als Klebemassen werden Zinkoxid-Kautschuk-Kleberoder Polyacrylat-Klebereingesetzt.FixiervlieseFixiervliese sind ideal zur schnellenund sicheren Vollflächenfixierung. Siebestehen aus weichen, luft- undwasserdampfdurchlässigen Vliesstoffen,die ebenfalls mit hypoallergenenPolyacrylat-Klebern beschichtet sind.Durch die hautfreundlichen Eigenschaftenund die hohe Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeitwerden dieFixiervliese im allgemeinen auch vonPatienten mit hypersensibler und allergischdisponierter Haut gut vertragen.Ein weiterer Vorteil der Fixiervliese istihre Querelastizität, wodurch auch anschwierig zu verbindenden Körperstelleneine tadellose, faltenfreie Fixierungmöglich ist.FixierbindenAls klassische Methode zur Fixierungvon Wundauflagen gilt immernoch der Bindenverband, der entwedermit Mullbinden oder elastischen Fixierbindengewickelt wird. Er ist insbesondereMittel der Wahl, wenn eineleichte, plane Kompression des Wundgebieteserforderlich ist, da der gewünschteDruck nur durch zirkuläreVerbände erzielt werden kann. Tuchverbände,z. B. mit einem Dreiecktuch,gelten heute als Behelfs- und Notverbändebei der Ersten Hilfe.Die wohl bekannteste Binde zurFixierung von Wundauflagen ist dieMullbinde aus DIN-Verbandmull mit gewebtenKanten. Da Mullbinden keinerleiDehnung aufweisen und überdiesleicht rutschen, erfordert das Anlegeneines tadellos sitzenden Fixierverbandeseiniges Geschick und eine schulmäßigeVerbandtechnik. Nicht zuletztbieten sie dem Patienten auch wenigTragekomfort, vor allem bei Verbändenan den Gelenken.Mit der Entwicklung elastischer undkohäsiv elastischer Fixierbinden wurdendiese Probleme gut gelöst. Aufdem Markt sind unterschiedliche Bindentypen,die je nach Materialbeschaffenheitüber eine Elastizität zwischen50 und 160% verfügen. Durch dieseDehnbarkeit lassen sich alle Bindendieser Art schnell und einfach anlegen.Auch an Gelenken, stark konischenund runden Körperteilen schmiegensie sich ohne Umschlagtouren faltenfreian. Ist eine leichte Kompression erforderlich,läßt sich diese problemlosdosieren. Die elastischen Bindenschnüren nicht ein und behindern wederdie Blutzirkulation noch erwünschteGelenkbewegungen. Ist eine Binde zusätzlichkohäsiv ausgerüstet, wie z. B.die Fixierbinde Peha-haft, verbessertdiese Eigenhaftung den rutschfestenSitz, die Verbände sind in sich stabiler.Die modernen elastischen bzw. kohäsivelastischen Bindenmaterialienmachen komplizierte Verbandtechnikenüberflüssig. Dennoch gibt es einpaar grundsätzliche Regeln, die auchweiterhin zu beachten sind.Für die Wahl der Bindenbreite gilt imallgemeinen, daß sie den Durchmesserdes zu verbindenden Körperteils nichtüberschreiten sollte.Zu Beginn des Anwickelns liegt dasfreie Bindenende in der linken Hand,der nach außen zeigenden Bindenkopfin der rechten Hand. Dadurch ist esmöglich, den Bindenkopf dicht am Körperabzurollen und die Binde unterleichtem, gleichmäßigem Zug anzuwikkeln.Von einigen Ausnahmen abgesehen,wird der Bindenverband stets von linksnach rechts und von distal nach proximal,d. h. herzwärts angelegt.Schlauch- oder StülpverbändeEine inzwischen seit vielen Jahrenpraktizierte Möglichkeit zur schnellenund einfachen Fixierung von Wundauflagensind die Schlauch- oder Stülpverbände.Es handelt sich dabei um Gewirke,die auf Rundstrickmaschinengefertigt werden und deshalb übereine hohe Dehnbarkeit verfügen. DerSchlauchmull weitet sich durch Dehnenund wird durch Strecken enger.Auf dieser Wechselwirkung beruht dievorteilhafte Technik der Stülpverbände.Der Schlauch wird behutsam überdie Wundauflage geführt und je nachVerbandart entsprechend verankert.Auf diese Weise entsteht ein Verband,der faltenlos sitzt, nicht zerrt, nicht einschnürtund die Gelenkbewegungennicht behindert. Vor allem aber habenStülpverbände eine zusammenhängende,geschlossene Oberfläche, diesich auch bei starker mechanischerBeanspruchung nicht lockert. Wundenoder auch empfindliche Hautpartienwerden zuverlässig geschützt.Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaftenwerden Stülpverbände außerzur Fixierung von Wundauflagen auchals schützender Unter- und Überzugbei Zinkleim- oder Gipsverbänden sowiezum Überziehen von Schienen undWattepolstern eingesetzt.Da Stülpverbände mit der Technikvon Bindenverbänden nichts gemeinsamhaben, sind einige spezielleHandgriffe erforderlich, die jedochschnell und einfach zu erlernen sind.Für einige Schlauchverbände sind zumAnlegen sog. Applikatoren notwendig,andere, wie z. B. Stülpa, lassen sichohne Hilfsmittel anlegen.NetzverbändeNetzverbände, wie z. B. Stülpa fix,sind eine Variante der Schlauchmullverbände.Sie werden in den meistenFällen aus Baumwollgarnen und umsponnenenGummi- oder Lycrafädenauf dem Raschelstuhl gewirkt. Dersichere Halt der Wundauflage wird dabeidurch die hohe Rückstellkraft derelastischen Gewebe gewährleistet.Die Ausführung der Verbände ist einfach,und selbst komplizierte Verbändesind mit wenigen Handgriffen anzulegen.Sehr praktisch ist außerdem, daßder Netzverband zum Auswechselnder Wundauflagen nicht entfernt werdenmuß – er wird lediglich etwas angehobenund die Kompresse erneuert.32 HARTMANN WundForum 3/ 99