Kontinuität statt Kluft - Staatliche Schulberatung in Bayern
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2 Voraussetzungen<br />
Heterogenität als Herausforderung<br />
„Diese Zunahme der Varianz stellt die Lehrer vor schwierige ... Probleme, besonders dann, wenn die Klassen groß<br />
s<strong>in</strong>d. Dann ist es nämlich nicht mehr möglich, zur Klasse zu sprechen. Man liegt schlechterd<strong>in</strong>gs zu tief oder zu<br />
hoch, d.h. die e<strong>in</strong>en langweilen sich, während die anderen nichts verstehen.“ (Spitzer, Lernen, S. 405)<br />
Lehrende sehen sich heute e<strong>in</strong>er doppelten Herausforderung gegenüber:<br />
Sie kommen e<strong>in</strong>erseits nicht umh<strong>in</strong>, ihre Rolle<br />
als Lehrer im Klassenraum neu zu def<strong>in</strong>ieren, andererseits<br />
müssen sie das e<strong>in</strong>st auf Homogenität ausgerichtete Methodenrepertoire<br />
ständig erweitern.<br />
• Neudef<strong>in</strong>ition der Lehrerrolle<br />
Der Lehrende versteht sich nicht mehr als ’Stoffvermittler`,<br />
sondern als Lernbegleiter, der die Schüler bei ihren <strong>in</strong>dividuellen<br />
„Wissenskonstruktionen“ unterstützt. Ihm als e<strong>in</strong>em Moderator<br />
von Lernprozessen obliegt die Gestaltung der jeweils angemessenen<br />
Lernumgebung und Lernatmosphäre.<br />
• Erweiterung des Methodenrepertoires<br />
Da Lernen immer selbststrukturiert verläuft, ist die Rede vom<br />
„selbstgesteuerten Lernen“ eigentlich tautologisch. E<strong>in</strong>e konstruktivistisch<br />
begründete Methodik wird jedoch dem Grundsatz<br />
folgen, dass Schüler, damit die jeweils <strong>in</strong>dividuelle Synthese aus<br />
ihren Denkstrukturen und den Anforderungen des Lehrplans<br />
gel<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>e reiche Palette von Unterrichtsformen brauchen,<br />
die ihre unterschiedlichen Voraussetzungen berücksichtigt und<br />
<strong>in</strong>dividuelle Lernwege ebenso zulässt wie e<strong>in</strong> jeweils selbst<br />
bestimmtes Lerntempo. Dies setzt natürlich voraus, dass vor<br />
Prüfungen für Wiederholung bzw. zum Ausgleich unterschiedlicher<br />
Lerntempi genügend Zeit e<strong>in</strong>geplant wird.<br />
ö<br />
„Niemand vermag euch<br />
etwas zu offenbaren,<br />
das nicht schon halbschlummernd<br />
im Dämmern eures Wissens ruht. ...<br />
Ist der Lehrer wahrhaftig e<strong>in</strong> Weiser,<br />
so fordert er euch nicht auf,<br />
das Haus se<strong>in</strong>er Weisheit zu betreten,<br />
eher geleitet er euch zur Schwelle<br />
eures eigenen Geistes.<br />
Der Sternkundige kann euch mitteilen,<br />
wie er den Weltenraum versteht,<br />
doch vermag er nicht,<br />
euch se<strong>in</strong> Verständnis zu geben.<br />
Der Musiker mag euch etwas vors<strong>in</strong>gen<br />
und schwärmen vom Rhythmus im All,<br />
doch kann er euch weder das Ohr schenken,<br />
das diesen Rhythmus festhält,<br />
noch die Stimme, die ihn wiedergibt.<br />
Und wer kundig ist <strong>in</strong> der<br />
Wissenschaft der Zahlen,<br />
kann euch berichten von den Bereichen<br />
von Gewicht und Maß,<br />
doch euch dorth<strong>in</strong> zu führen<br />
vermag er nicht.“<br />
Khalil Gibran. Der Prophet, 1923<br />
ö<br />
Heterogenität als Chance<br />
• E<strong>in</strong>em konstruktivistischen Verständnis von Unterricht erschließt sich der verständnisvolle Blick auf unterschiedliche<br />
Schülerpersönlichkeiten, der ihrer <strong>in</strong>dividuellen Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den Lerngegenständen gerecht<br />
wird. Ihr jeweiliges Andersse<strong>in</strong> ist akzeptierte Normalität.<br />
• Nicht der stoffliche Input des Lehrenden, sondern das Ergebnis des Wissensaufbaus beim Lernenden entscheidet<br />
über die Nachhaltigkeit des Lernens und damit über den Erfolg des Unterrichts.<br />
• Der Lehrende wird von der Verantwortung für Art und Umfang se<strong>in</strong>es Inputs etwas entlastet, weil gegenüber<br />
dem Lehren das Lernen ungleich stärker <strong>in</strong>s Blickfeld rückt. Es bleibt jedoch die volle Verantwortung für die<br />
Herstellung adäquater Lernbed<strong>in</strong>gungen.<br />
• In der ’konstruierenden` Wahrnehmung der Schüler spielen nicht nur Wissen und Kompetenz des Lehrenden,<br />
sondern se<strong>in</strong>e Gesamtpersönlichkeit (Körpersprache, Interaktion, Kommunikation etc.) und se<strong>in</strong>e Beziehung zu<br />
den Schülern e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Dies erfordert e<strong>in</strong>e stärkere Selbstbeobachtung und Selbstreflexion auf der<br />
Seite des Lehrers.<br />
Donauwörth 2008 <strong>Kont<strong>in</strong>uität</strong> <strong>statt</strong> <strong>Kluft</strong><br />
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