SUBWAY Mai 2009
SUBWAY Mai 2009
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Sounds of the Universe HH✩✩✩<br />
Mute Records<br />
Depeche Mode<br />
Die Synthie-Pop Masters of the<br />
Universe starten sperrig: Gore<br />
justiert sein beeindruckendes Oldschool-<br />
Elektronik-Arsenal und feuert dann über<br />
eine Stunde los, während Gahan meist das<br />
Leiden Christi mimt, jammert, klagt und fleht.<br />
Alles ist kalt und bedrückend, einiges läuft<br />
hier nicht nur textlich „Wrong“. Der große<br />
Pop-Appeal ist längst dahin, „In Sympathy“<br />
und „Jezebel“ sind die stärksten Songs eines<br />
Werks das nurwenig Bleibendes hinterlässt.<br />
NEUE MUSIK<br />
Junior HHHHH<br />
Wall Of Sound/EMI<br />
Röyksopp<br />
Träumen Röyksopp von elektrischen<br />
Schafen? Auf jeden. Statt<br />
flauschig-fluffiger Lounge-Sounds regiert nun<br />
die synthetische Vielfalt – und die Großraumdiscotempelattacke!<br />
Das quietschige „Happy<br />
up here“ ist der Hit-Kickoff, „The Girl and the<br />
Robot“ lässt danach Madonna verblassen,<br />
Elektronikmeister wie Moroder und Vangelis,<br />
Air und Daft Punk werden verschmolzen bis<br />
die Schaltkreise glühen. Ein dramaturgisch<br />
ausgefeiltes Meisterwerk zwischen Gestern<br />
und Heute, Wohnzimmer und Club, Kitsch<br />
und Coolness, Genie und Größenwahn.<br />
I feel Cream HHH✩✩<br />
XL Recordings/Beegars Group/<br />
Indigo<br />
Peaches<br />
Unz, unz, unz, aah, aahh ... – die<br />
subversive Underground-Ikone Peaches<br />
inszeniert sich – unterstützt von angesagten<br />
Electro-Stylern wie Digitalism, Drums Of<br />
Death, Simian Mobile Disco und Soulwax nun<br />
als glitzernde Disco-Diva. „Why don‘t you talk<br />
to me“ fordert sie vehement auf der ersten<br />
Single und tritt dabei die Plastik-Ärsche von<br />
Madonna, Kylie & Co. Ein funkelndes, kühles<br />
und kritisches Spiel mit Pop, Klischees und<br />
Zitaten der Dancefloor-History.<br />
Duke Pandemonium HHH✩✩<br />
14th Floor/Rough Trade<br />
Marmaduke Duke<br />
Sie tragen lange Mäntel und<br />
Zylinder, dekorieren sich mit<br />
Bärten, Gehstöcken und Augenmasken.<br />
Marmaduke Duke, um Simon Neil (Biffy Clyro)<br />
und J.P. Reid (Sucioperro) bilden The musical<br />
League of extraordinary Gentlemen. In ihren<br />
mysteriösen Songs aus Prog-Rock, Psychedelic-Pop,<br />
Freak-Funk und Electro-Irsinn huldigt<br />
das Duo der Legende des Duke. Tipp: Nachts<br />
auf LSD auf dem Rummelplatz hören.<br />
48 KLANGWELT mai <strong>2009</strong><br />
Ironische Spiegelung:<br />
Vier Punks begutachten<br />
teure Armbanduhren<br />
Muff Potter zur rechten Zeit am rechten Ort<br />
Hey Ho, let‘s rock<br />
Der soundtrack zur Krise<br />
kommt von muff Potter.<br />
als man die Lehman-Bank<br />
noch für ein gesundes Unternehmen<br />
hielt, schrieb nagel<br />
den „Blitzkredit Bop“: „Der<br />
schönste Platz ist immer an der<br />
theke, es ist Dispo-Disko“!<br />
Schließlich hatte der große geldregen<br />
die vier münsteraner<br />
Punkrocker schon immer verfehlt,<br />
und (ökonomische) Krise war der<br />
Dauerzustand. auch der majordeal war<br />
ausgelaufen: „Unsere verkäufe waren<br />
nicht so wie Universal sich das vorgestellt<br />
hatten. so waren die Begleitumstände<br />
jetzt etwas ungemütlicher, weil man<br />
nebenher noch jobben gehen musste“, so<br />
Drummer Brami im sUBWaY-interview.<br />
aber die Potters machten schlichtweg<br />
das, was sie am besten können: Weiter!<br />
„Die Platte gibt diese stimmung auch<br />
insgesamt wieder: alles geht den Bach<br />
runter, aber egal – wir hatten auch schon<br />
vor der Krise kein geld!“<br />
Das Bandlabel Hucks Plattenkiste<br />
wiederbelebt, singen muff Potter nun ein<br />
Hoch dem Hedonismus, bieten selbstreflexion<br />
und selbstvergewisserung,<br />
H Ausfall HH Einstieg HHH Abfahrt HHHH Express HHHHH Abflug<br />
beschreiben die Umwelt, unterlegen das<br />
ganze mit krachenden gitarren, zum<br />
teil geradezu stoner-Rock-mäßig, und<br />
nennen das album ironischerweise „gute<br />
aussicht“! Eine Platte, deren Cover<br />
an „Das bisschen totschlag“ von den<br />
goldenen Zitronen erinnert – auch ein<br />
Krisensoundtrack – und das mit Fanzine<br />
daherkommend auf die Punk-Roots<br />
verweist, laut Brami aber auch Einflüsse<br />
von monty Python aufweist: „Deren<br />
Cartoons hatten auch immer etwas Unfertiges,<br />
Unperfektes, das ist einfachste<br />
trickfilmtechnik.“<br />
so rau und ohne rote Fäden gestaltete<br />
sich dann auch der aufnahmeprozess:<br />
„Es war eigentlich nur klar, dass diese<br />
Platte live aufgenommen werden musste!“<br />
Und so ging man ins studio, obwohl<br />
man nach 15 Jahren Bandgeschichte<br />
eigentlich mal Pause machen wollte: „Das<br />
ging so schnell, dass wir angesichts des<br />
Ergebnisses auch erst unsicher waren.<br />
Es ging darum uns selbst zu kicken<br />
und die sache interessant zu halten.“<br />
Den Umstand, dass muff Potter damit<br />
soundtrack und slogans zur Lage der<br />
nation, wenn nicht gar der Weltökonomie<br />
geschaffen haben, erklärt Brami gelassen:<br />
„Zur rechten Zeit am rechten ort<br />
– aber wirklich per Zufall.“ mattHias sCHRöDER<br />
Termin 7.5. Ort Musikzentrum Hannover<br />
Web www.muffpotter.net<br />
Fotos: mUFF PottER, vERanstaLtER