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SUBWAY Mai 2009

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KOLUMNE<br />

Der Erste mai steht <strong>2009</strong> ganz unter dem Eindruck der Krise<br />

und ein bisschen im schatten der kommenden Bundestagswahlen.<br />

Dabei scheint die Finanzkrise jenes szenario zu bestätigen,<br />

das seit über einhundert Jahren am Esten mai in düsteren<br />

Farben weltweit von den maikanzeln gepredigt wird.<br />

Die Folgen der Krise für arbeitsplätze und arbeitsbedingungen<br />

werden tag für tag deutlicher. „Was kommt als nächstes?“,<br />

fragen sich längst nicht mehr nur die, denen das nötige Krisenpolster<br />

fehlt und für die das Wort „Finanzkrise“ schon immer<br />

zum alltäglichen Wortschatz gehörte.<br />

aber wie sieht das nun konkret in Braunschweig aus?<br />

spurensuche „Finanzkrise“ im Braunschweiger Penny-markt<br />

Bienroder Weg: Der Discount ist gut gefüllt. Waren und ihre<br />

Käufer. gleich hinter der doppelten glastürsicherheitsschranke<br />

lockt die farbenfrohe obst- und gemüseabteilung.<br />

spargelzeit: Die stangen sehen genauso knackig aus wie im<br />

vorjahr. Der griechische kostet immer noch 1,99 das Pfund.<br />

Beim misstrauischen Probeabwiegen zeigt die Waage 526<br />

gramm. Das sind gut 5 % mehr als ausgewiesen. Da kann man<br />

als Kunde zufrieden sein. Zuhause dann Zucker ins Kochwasser<br />

und zerlassene Butter obendrauf. „gab’s spargel?“ fragt<br />

der Kollege grinsend in<br />

der zweiten Pinkelpause.<br />

„5% mehr als erwartet!“,<br />

lautet die stolze antwort.<br />

Wenn’s nur immer so<br />

einfach wäre. ist es aber<br />

leider nicht, denn 5%<br />

mehr für´s geld macht für<br />

die, die hart arbeiten und<br />

trotzdem ins leere Portemonnaie<br />

schauen, noch<br />

keinen Unterschied. Und<br />

für die, die keine arbeit<br />

mehr haben, sowieso nicht.<br />

Bei 5% mehr für 1,99<br />

ist am nächsten tag der<br />

gestank einfach nur ein<br />

Alexander Wallasch<br />

Foto: Stefanie Lamm<br />

Uli Hannemann<br />

„Neulich im Taxi“<br />

Sack 15 · Braunschweig · Tel. 4 80 89-0<br />

Mo. bis Sa. 9.30–20 Uhr · www.graff.de<br />

mai <strong>2009</strong><br />

MAISPACE.DE<br />

kleines bisschen größer. gestunken hat es dem arbeiter aber<br />

immer schon. 1886 zum Beispiel den amerikanischen industriearbeitern,<br />

die den 8-stunden-tag forderten. Die geschichte<br />

des Ersten mai sollte man aber lieber im internet nachlesen als<br />

hier. interessanter ist die Frage, wann der erste mai bei uns so<br />

zur Folklore verkommen ist, dass sogar eine supermarktkette<br />

mit über 2 000 Filialen ihr Logo in goldschrift auf rote Fahnen<br />

näht. selbst die info-Plakate der Partei Die Linke erinnern<br />

heute eher an die Farben des Penny-marktes als an die traditionsreicheren<br />

der arbeiterbewegung.<br />

Liegt das an den Erster-mai-altlasten, die so schwer wiegen,<br />

oder sind die Regale im Erster-mai-supermarkt einfach so toll<br />

voll und die Waren so toll erschwinglich? Bleibt heute als breite<br />

moblitätsgarantie einer verschollenen arbeiterbewegung nur<br />

mehr deren knurrender magen?<br />

Heute ist der Erste mai im gedächtnis der allermeisten<br />

Deutschen ein symbol für vereinnahmung, Ungerechtigkeit<br />

und politische Folklore. vielleicht stimmt es ja, dass die Zeit<br />

der massenkundgebungen wirklich vorbei ist. vielleicht ist der<br />

Billigdiscounter Penny-markt heute das stärkste symbol der<br />

deutschen arbeiterklasse. Zumindest so lange wie die rotleuchtenden<br />

Regale noch voll sind und der griechische spargel<br />

26 gramm mehr wiegt. nur, wer möchte das heutzutage noch<br />

garantieren? Und, weil Jörg-Uew argo draußen gerade den<br />

maibaum schmückt, diesmal der tipp von mir: am Ersten<br />

mai auf dem ehemaligen FBZ-gelände entlang der vielen dort<br />

aufgebauten stände marschieren. Denn so dicht beisammen<br />

bekommt man die linke Hälfte von Braunschweig nur einmal<br />

im Jahr präsentiert: Kuba-Café, DgB, alternativer Kinderladen,<br />

Bogenschießen für Knaben, Perlenketten für mädchen,<br />

Bauchtanz und Basteln mit der Freien schule, Hüpfburgen,<br />

Bierstände, Chilikanone, Crèpes und bröselig-döselig trockener<br />

vortags-vollkornkuchen. im letzten Jahr allerdings mein<br />

absolutes Highlight: Das Kuhroulette. stundenlanges Warten,<br />

bis die arme schwarz-braune unter<br />

lautstarken anfeuerungsrufen was fallen lässt. „gilt das<br />

schon?“ „ne“, sagt der veranstalter in gummistiefeln,<br />

„das muss schon ein richtiger Fladen sein!“<br />

Dienstag, 19. <strong>Mai</strong>, 20:15 Uhr<br />

Eintritt: 8,- Euro (erm. 6,- Euro)<br />

Mit „Neulich im Taxi“ stellt der in Braunschweig<br />

geborene, jetzt in Berlin-Neukölln<br />

lebende Uli Hannemann ein wahnwitziges<br />

Roadmovie mit staubtrockenem Humor<br />

und origineller Komik vor.<br />

Foto: PRivat

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