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turniere - Erste Westernreiter Union Deutschland e.V.

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46<br />

ewu regio<br />

Helmpflicht – Helmvergnügen<br />

Gedanken zu diesem<br />

vieldiskutierten Thema<br />

von Waltraud Giere<br />

Weil es so viele Parallelen gibt,<br />

möchte ich die ganze Diskussion<br />

einmal mit meinen ganz persönlichen<br />

Erlebnissen in Sachen Fahrradhelm<br />

bereichern (ohne dass das<br />

Thema Helmpflicht beim Reiten<br />

dabei zu kurz kommt): Heiter und<br />

besinnlich, provokant und sarkastisch,<br />

polemisch und ernst ...<br />

Als Ostfriese wird man mehr oder<br />

weniger auf dem Fahrrad geboren<br />

(geht heutzutage vielen Kindern<br />

in Bezug aufs Pferd auch so). Früher<br />

gab es noch Minipedalen zum<br />

Abklappen für den Schalenkindersitz<br />

auf dem Gepäckträger des Elternfahrrades,<br />

damit die Kinderfüße<br />

nicht in den Speichen landeten;<br />

auf dem Kopf trug Kind nichts Nennenswertes.<br />

Da hat sich im Kinderbereich<br />

viel getan, auch wenn<br />

ein 8-10-jähriger den Helm lieber<br />

obercool am Lenker trägt, sobald<br />

das Elternhaus außer Sichtweite<br />

ist – verständlich, denn viele Eltern<br />

demonstrieren ihrem Sprössling ja<br />

auch durch ihr eigenes Verhalten,<br />

dass Helmtragen Kinderkram ist...<br />

„Wieso hat die Oma einen Helm auf,<br />

die fährt doch gar nicht schnell!?“<br />

Das war eine direkte Ansprache an<br />

meine Person. Aha, Helmtragen hat<br />

also was mit Geschwindigkeit zu<br />

tun: Vielleicht fahre ich mit meiner<br />

jahrzehntelangen Fahrpraxis<br />

auf dem Buckel eben zu langsam,<br />

sodass ich deshalb voraussichtlich<br />

irgendwann umfalle? Die Rennradfahrer<br />

bei uns tragen oft volle Profikleidung,<br />

auf dem Kopf allerdings<br />

ein Cap – Yeah, es hat eben doch<br />

etwas mit Eitelkeit zu tun ...<br />

„Nach der frischen Dauerwelle<br />

würde ich jetzt aber 3 Tage lang<br />

keinen Fahrradhelm tragen, denn<br />

der macht doch die ganze Frisur<br />

kaputt...“ Originalton meiner Friseurin<br />

aus dem Weserbergland,<br />

wo ich bergab tatsächlich auch im<br />

damals zarten Alter von 45 Jahren<br />

helmreife Geschwindigkeit erreichte.<br />

Halten Dauerwellenlocken einen<br />

Sturz ab?<br />

Erwachsenenbirnen sind härter,<br />

oder?<br />

Ob man nun vom Rad oder vom<br />

Pferd fällt, ob der Pferdekopf oder<br />

der Lenker ins Gesicht schnellt, ein<br />

Huf oder ein Teil vom unfallbeteiligten<br />

Auto einem den Kopf demoliert,<br />

ob der Kopf gerettet ist bei<br />

verstümmeltem Körper oder umgekehrt<br />

– die Diskussion, „was wäre<br />

wenn“ will ich hier nicht führen.<br />

Hohe Geschwindigkeit ist jedoch<br />

ein viele Menschen überzeugendes<br />

Argument für den Helm; Ungeschicklichkeit<br />

auch: Für wen trifft<br />

denn das nun zu? Erwachsener<br />

oder Kind? Wer klebt besser im Sattel,<br />

wer rollt beim Sturz besser ab?<br />

Wir leisten uns also ein hochwertiges<br />

Gerät (Rad, Pferd), das ist<br />

schon mal eine Bank in Sachen Sicherheit,<br />

denn habe ich die Sicherheitsgarantie,<br />

passiert so schnell<br />

nichts.<br />

Verliere niemals die Sensibilität für<br />

den Moment, wo es mal anders ist<br />

als erwartet, und sei das Pferd auch<br />

noch so fromm. So fuhr ich im Weserbergland<br />

mit einem vergleichsweise<br />

frommen Rad die Berge herauf<br />

und herunter – mit Helm auf<br />

dem Kopf – und zurück in Ostfriesland?<br />

Landschaftlich betrachtet alles<br />

flach, nur ein bisschen Sturm,<br />

jede Menge unberechenbarer Mitmenschen,<br />

aber hier noch einen<br />

Helm tragen? Nee, lieber nicht! Da<br />

haben wir sie wieder, die Eitelkeit.<br />

Das Glatteis musste herhalten: Das<br />

ist doch ein Argument, denn wenn<br />

man mit dem Rad ausrutscht, hat<br />

man keine Möglichkeit mehr, den<br />

Sturz aufzufangen; juchhu, ein Argument<br />

für das Helmtragen in Ostfriesland<br />

war geboren. Jetzt musste<br />

ich nur noch meine persönlichen<br />

Unsicherheiten überwinden, nämlich<br />

den Helm nicht nur heimlich<br />

auf dem Weg zur Arbeit (Schule)<br />

zu tragen und dann schnell in einer<br />

Radtasche verschwinden zu lassen,<br />

sondern trotzig und selbstbewusst<br />

den Kollegen und Schülern gegenüber<br />

öffentlich damit herumzulaufen:<br />

3 Tage Showdown. Bewaffnet<br />

mit einem Gesichtsausdruck, der<br />

jeglichen Kommentar einer pubertierenden<br />

Schülerschaft im Keime<br />

ersticken sollte; den Helm auf dem<br />

Kopf, dazu ein Gang wie ein Preis-<br />

WESTERNREITER – Juli 2010<br />

boxer verknüpft mit aufgeplustertem<br />

Brustkorb; in beiden Händen<br />

die beweissichernden Radtaschen<br />

(man könnte ja sonst was vermuten,<br />

wovor ein solcher Helm schützen<br />

sollte) durchquerte ich die gut<br />

gefüllte Pausenhalle vom Eingang<br />

diagonal zum rettenden Lehrerzimmer<br />

– 3 Tage hintereinander dasselbe<br />

Spiel. Kichern hier und dort,<br />

aber nicht mehr als sonst, wenn<br />

Schüler sich über unser Äußeres<br />

amüsieren – die Sprüche kamen<br />

von den Kollegen!?!<br />

Muss man sich jetzt rechtfertigen,<br />

weil man einen Helm trägt? Als<br />

erwachsener Ostfriese in Ostfriesland?<br />

Ist das verpönt? Ich sag’s ja,<br />

Eitelkeit.<br />

„Ich habe schon einmal dort gearbeitet,<br />

wo gestürzte Radfahrer mit<br />

schweren Kopfverletzungen einquartiert<br />

waren, das war eine geschlossenen<br />

Abteilung, da möchte<br />

ich nicht selbst Patient sein!“<br />

– Zog das? „Außerdem ist es spiegelglatt!“<br />

Der Antwortkommentar:<br />

„Wer bei solchem Wetter noch Rad<br />

fährt, hat selbst Schuld!“<br />

Also, ich kann fahren, ich kann fallen,<br />

ich kann vorausschauend fahren,<br />

ich kann schieben, wenn es<br />

erforderlich wird, was wollen die<br />

eigentlich? (Ich kenne mein Pferd,<br />

ich weiß, wann es ausflippt, ich<br />

weiß, dass es vorsichtig bei widrigen<br />

Bodenverhältnissen geht, ich<br />

riskiere keine Manöver, die uns zu<br />

Fall bringen könnten – und der Fasan,<br />

der da plötzlich aus dem Graben<br />

schießt, war sonst nie da... Ich<br />

bin von meiner Selbsteinschätzung<br />

überzeugt, oder?)<br />

Für meine Schüler war ich trotz<br />

allem „Powerlocke“, vorübergehend<br />

„Helmi“, dann aber doch<br />

wieder „Mrs. Rambo“ – hauptsächlich<br />

wegen der Lederjacke und<br />

der Sonnenbrille – der Helm wurde<br />

„voll akzeptiert“ – das war wohl<br />

eine Frage der Gewöhnung und<br />

des unbeirrten Auftritts und führte<br />

letztlich auch bei den Kollegen zur<br />

Akzeptanz – jedoch ohne Nachahmungseffekt<br />

– ich durfte somit<br />

auch bei Sonnenschein mit Helm<br />

fahren.<br />

Wäre da nicht die Inkonsequenz:<br />

„Soso, auf dem Rad trägst du einen<br />

Helm, und auf dem Pferd nicht?<br />

Das ist doch viel gefährlicher!“<br />

Schon wieder musste ich selbst<br />

denken und entscheiden: Yeah, ich<br />

bin doch kein Springreiter, sondern<br />

ein <strong>Westernreiter</strong>, mit ganz coolen<br />

Westernpferden... dabei schießen<br />

mir Bilder von wild bockenden, rodeoreif<br />

sich verdrehenden Pferdchen<br />

durch den Kopf, die sich über<br />

die neue Wiese oder den Sturm<br />

freuen und mein eigen sind – und<br />

aus unerklärlichen Gründen mit mir<br />

oben drauf noch nicht gebockt haben.<br />

Man muss ja nicht gerade mit<br />

mehreren Personen gleichzeitig auf<br />

einem galoppierenden Pferd stehen<br />

– wie früher beim Voltigieren, da<br />

bin ich auch schon mal heruntergepurzelt<br />

und Dank der langjährigen<br />

Judofallschule unverletzt geblieben<br />

– aber da war ich 12 Jahre alt,<br />

und jetzt kommen doch die altersbedingten<br />

Sorgen hinzu, was alles<br />

passieren könnte. Immerhin hat<br />

mich mein Ponyarabermischling<br />

dazu gebracht, ihn selbst immer<br />

und die anderen zumindest beim<br />

Ausreiten mit Helm zu reiten – mit<br />

einem silbermetallic Fahrradhelm,<br />

echt schick! Ob er genauso tauglich<br />

ist wie ein ausgewiesener Reitschutzhelm,<br />

sollten Fachleute beurteilen,<br />

aber der Gedanke, ich habe<br />

einen Helm auf, verleiht Sicherheit<br />

– ein Gefühl, was sich auch auf das<br />

Pferd positiv überträgt, schönes Argument,<br />

kann man auch umdrehen:<br />

Ich reite so gut/sicher, dass<br />

ich meinem Pferd durch dieses perfekte<br />

Reiten Sicherheit gebe, dann<br />

passiert auch nichts, also brauche<br />

ich keinen Helm.<br />

Aha, so geht es auch.<br />

Und auf dem Turnier? Wie sieht das<br />

denn aus? Wieso erfindet niemand<br />

einen passablen Westernhut mit<br />

entsprechenden Schutzeinlagen?<br />

Wenn dann alle (und ich meine<br />

alle!) ein solches Modell tragen,<br />

müssen wir nur noch die Zeit abwarten,<br />

die es für unsere Gewöhnung<br />

braucht – Problem beseitigt.<br />

Jeder motorisierte Zweiradfahrer<br />

trägt einen Helm – ist normal (geworden)<br />

– sogar in manchen Autos<br />

werden Helme getragen.<br />

Also ich finde, bei dem üblichen<br />

Glitzeroutfit der Eiskunstläufer/<br />

innen sollte ein Helm sofort zur<br />

Pflicht werden – nicht nur wegen<br />

der „Todesspirale“ – Eishockey<br />

wird ja auch mit Helm gespielt –

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