turniere - Erste Westernreiter Union Deutschland e.V.
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ewu regio<br />
Helmpflicht – Helmvergnügen<br />
Gedanken zu diesem<br />
vieldiskutierten Thema<br />
von Waltraud Giere<br />
Weil es so viele Parallelen gibt,<br />
möchte ich die ganze Diskussion<br />
einmal mit meinen ganz persönlichen<br />
Erlebnissen in Sachen Fahrradhelm<br />
bereichern (ohne dass das<br />
Thema Helmpflicht beim Reiten<br />
dabei zu kurz kommt): Heiter und<br />
besinnlich, provokant und sarkastisch,<br />
polemisch und ernst ...<br />
Als Ostfriese wird man mehr oder<br />
weniger auf dem Fahrrad geboren<br />
(geht heutzutage vielen Kindern<br />
in Bezug aufs Pferd auch so). Früher<br />
gab es noch Minipedalen zum<br />
Abklappen für den Schalenkindersitz<br />
auf dem Gepäckträger des Elternfahrrades,<br />
damit die Kinderfüße<br />
nicht in den Speichen landeten;<br />
auf dem Kopf trug Kind nichts Nennenswertes.<br />
Da hat sich im Kinderbereich<br />
viel getan, auch wenn<br />
ein 8-10-jähriger den Helm lieber<br />
obercool am Lenker trägt, sobald<br />
das Elternhaus außer Sichtweite<br />
ist – verständlich, denn viele Eltern<br />
demonstrieren ihrem Sprössling ja<br />
auch durch ihr eigenes Verhalten,<br />
dass Helmtragen Kinderkram ist...<br />
„Wieso hat die Oma einen Helm auf,<br />
die fährt doch gar nicht schnell!?“<br />
Das war eine direkte Ansprache an<br />
meine Person. Aha, Helmtragen hat<br />
also was mit Geschwindigkeit zu<br />
tun: Vielleicht fahre ich mit meiner<br />
jahrzehntelangen Fahrpraxis<br />
auf dem Buckel eben zu langsam,<br />
sodass ich deshalb voraussichtlich<br />
irgendwann umfalle? Die Rennradfahrer<br />
bei uns tragen oft volle Profikleidung,<br />
auf dem Kopf allerdings<br />
ein Cap – Yeah, es hat eben doch<br />
etwas mit Eitelkeit zu tun ...<br />
„Nach der frischen Dauerwelle<br />
würde ich jetzt aber 3 Tage lang<br />
keinen Fahrradhelm tragen, denn<br />
der macht doch die ganze Frisur<br />
kaputt...“ Originalton meiner Friseurin<br />
aus dem Weserbergland,<br />
wo ich bergab tatsächlich auch im<br />
damals zarten Alter von 45 Jahren<br />
helmreife Geschwindigkeit erreichte.<br />
Halten Dauerwellenlocken einen<br />
Sturz ab?<br />
Erwachsenenbirnen sind härter,<br />
oder?<br />
Ob man nun vom Rad oder vom<br />
Pferd fällt, ob der Pferdekopf oder<br />
der Lenker ins Gesicht schnellt, ein<br />
Huf oder ein Teil vom unfallbeteiligten<br />
Auto einem den Kopf demoliert,<br />
ob der Kopf gerettet ist bei<br />
verstümmeltem Körper oder umgekehrt<br />
– die Diskussion, „was wäre<br />
wenn“ will ich hier nicht führen.<br />
Hohe Geschwindigkeit ist jedoch<br />
ein viele Menschen überzeugendes<br />
Argument für den Helm; Ungeschicklichkeit<br />
auch: Für wen trifft<br />
denn das nun zu? Erwachsener<br />
oder Kind? Wer klebt besser im Sattel,<br />
wer rollt beim Sturz besser ab?<br />
Wir leisten uns also ein hochwertiges<br />
Gerät (Rad, Pferd), das ist<br />
schon mal eine Bank in Sachen Sicherheit,<br />
denn habe ich die Sicherheitsgarantie,<br />
passiert so schnell<br />
nichts.<br />
Verliere niemals die Sensibilität für<br />
den Moment, wo es mal anders ist<br />
als erwartet, und sei das Pferd auch<br />
noch so fromm. So fuhr ich im Weserbergland<br />
mit einem vergleichsweise<br />
frommen Rad die Berge herauf<br />
und herunter – mit Helm auf<br />
dem Kopf – und zurück in Ostfriesland?<br />
Landschaftlich betrachtet alles<br />
flach, nur ein bisschen Sturm,<br />
jede Menge unberechenbarer Mitmenschen,<br />
aber hier noch einen<br />
Helm tragen? Nee, lieber nicht! Da<br />
haben wir sie wieder, die Eitelkeit.<br />
Das Glatteis musste herhalten: Das<br />
ist doch ein Argument, denn wenn<br />
man mit dem Rad ausrutscht, hat<br />
man keine Möglichkeit mehr, den<br />
Sturz aufzufangen; juchhu, ein Argument<br />
für das Helmtragen in Ostfriesland<br />
war geboren. Jetzt musste<br />
ich nur noch meine persönlichen<br />
Unsicherheiten überwinden, nämlich<br />
den Helm nicht nur heimlich<br />
auf dem Weg zur Arbeit (Schule)<br />
zu tragen und dann schnell in einer<br />
Radtasche verschwinden zu lassen,<br />
sondern trotzig und selbstbewusst<br />
den Kollegen und Schülern gegenüber<br />
öffentlich damit herumzulaufen:<br />
3 Tage Showdown. Bewaffnet<br />
mit einem Gesichtsausdruck, der<br />
jeglichen Kommentar einer pubertierenden<br />
Schülerschaft im Keime<br />
ersticken sollte; den Helm auf dem<br />
Kopf, dazu ein Gang wie ein Preis-<br />
WESTERNREITER – Juli 2010<br />
boxer verknüpft mit aufgeplustertem<br />
Brustkorb; in beiden Händen<br />
die beweissichernden Radtaschen<br />
(man könnte ja sonst was vermuten,<br />
wovor ein solcher Helm schützen<br />
sollte) durchquerte ich die gut<br />
gefüllte Pausenhalle vom Eingang<br />
diagonal zum rettenden Lehrerzimmer<br />
– 3 Tage hintereinander dasselbe<br />
Spiel. Kichern hier und dort,<br />
aber nicht mehr als sonst, wenn<br />
Schüler sich über unser Äußeres<br />
amüsieren – die Sprüche kamen<br />
von den Kollegen!?!<br />
Muss man sich jetzt rechtfertigen,<br />
weil man einen Helm trägt? Als<br />
erwachsener Ostfriese in Ostfriesland?<br />
Ist das verpönt? Ich sag’s ja,<br />
Eitelkeit.<br />
„Ich habe schon einmal dort gearbeitet,<br />
wo gestürzte Radfahrer mit<br />
schweren Kopfverletzungen einquartiert<br />
waren, das war eine geschlossenen<br />
Abteilung, da möchte<br />
ich nicht selbst Patient sein!“<br />
– Zog das? „Außerdem ist es spiegelglatt!“<br />
Der Antwortkommentar:<br />
„Wer bei solchem Wetter noch Rad<br />
fährt, hat selbst Schuld!“<br />
Also, ich kann fahren, ich kann fallen,<br />
ich kann vorausschauend fahren,<br />
ich kann schieben, wenn es<br />
erforderlich wird, was wollen die<br />
eigentlich? (Ich kenne mein Pferd,<br />
ich weiß, wann es ausflippt, ich<br />
weiß, dass es vorsichtig bei widrigen<br />
Bodenverhältnissen geht, ich<br />
riskiere keine Manöver, die uns zu<br />
Fall bringen könnten – und der Fasan,<br />
der da plötzlich aus dem Graben<br />
schießt, war sonst nie da... Ich<br />
bin von meiner Selbsteinschätzung<br />
überzeugt, oder?)<br />
Für meine Schüler war ich trotz<br />
allem „Powerlocke“, vorübergehend<br />
„Helmi“, dann aber doch<br />
wieder „Mrs. Rambo“ – hauptsächlich<br />
wegen der Lederjacke und<br />
der Sonnenbrille – der Helm wurde<br />
„voll akzeptiert“ – das war wohl<br />
eine Frage der Gewöhnung und<br />
des unbeirrten Auftritts und führte<br />
letztlich auch bei den Kollegen zur<br />
Akzeptanz – jedoch ohne Nachahmungseffekt<br />
– ich durfte somit<br />
auch bei Sonnenschein mit Helm<br />
fahren.<br />
Wäre da nicht die Inkonsequenz:<br />
„Soso, auf dem Rad trägst du einen<br />
Helm, und auf dem Pferd nicht?<br />
Das ist doch viel gefährlicher!“<br />
Schon wieder musste ich selbst<br />
denken und entscheiden: Yeah, ich<br />
bin doch kein Springreiter, sondern<br />
ein <strong>Westernreiter</strong>, mit ganz coolen<br />
Westernpferden... dabei schießen<br />
mir Bilder von wild bockenden, rodeoreif<br />
sich verdrehenden Pferdchen<br />
durch den Kopf, die sich über<br />
die neue Wiese oder den Sturm<br />
freuen und mein eigen sind – und<br />
aus unerklärlichen Gründen mit mir<br />
oben drauf noch nicht gebockt haben.<br />
Man muss ja nicht gerade mit<br />
mehreren Personen gleichzeitig auf<br />
einem galoppierenden Pferd stehen<br />
– wie früher beim Voltigieren, da<br />
bin ich auch schon mal heruntergepurzelt<br />
und Dank der langjährigen<br />
Judofallschule unverletzt geblieben<br />
– aber da war ich 12 Jahre alt,<br />
und jetzt kommen doch die altersbedingten<br />
Sorgen hinzu, was alles<br />
passieren könnte. Immerhin hat<br />
mich mein Ponyarabermischling<br />
dazu gebracht, ihn selbst immer<br />
und die anderen zumindest beim<br />
Ausreiten mit Helm zu reiten – mit<br />
einem silbermetallic Fahrradhelm,<br />
echt schick! Ob er genauso tauglich<br />
ist wie ein ausgewiesener Reitschutzhelm,<br />
sollten Fachleute beurteilen,<br />
aber der Gedanke, ich habe<br />
einen Helm auf, verleiht Sicherheit<br />
– ein Gefühl, was sich auch auf das<br />
Pferd positiv überträgt, schönes Argument,<br />
kann man auch umdrehen:<br />
Ich reite so gut/sicher, dass<br />
ich meinem Pferd durch dieses perfekte<br />
Reiten Sicherheit gebe, dann<br />
passiert auch nichts, also brauche<br />
ich keinen Helm.<br />
Aha, so geht es auch.<br />
Und auf dem Turnier? Wie sieht das<br />
denn aus? Wieso erfindet niemand<br />
einen passablen Westernhut mit<br />
entsprechenden Schutzeinlagen?<br />
Wenn dann alle (und ich meine<br />
alle!) ein solches Modell tragen,<br />
müssen wir nur noch die Zeit abwarten,<br />
die es für unsere Gewöhnung<br />
braucht – Problem beseitigt.<br />
Jeder motorisierte Zweiradfahrer<br />
trägt einen Helm – ist normal (geworden)<br />
– sogar in manchen Autos<br />
werden Helme getragen.<br />
Also ich finde, bei dem üblichen<br />
Glitzeroutfit der Eiskunstläufer/<br />
innen sollte ein Helm sofort zur<br />
Pflicht werden – nicht nur wegen<br />
der „Todesspirale“ – Eishockey<br />
wird ja auch mit Helm gespielt –