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Flugzeugtriebwerk und Farbfernsehen made in <strong>Mittweida</strong><br />
Wer weiß, dass das erste zivile Großtriebwerk (im Bild ein Strahltriebwerk) von einem <strong>Mittweida</strong>er Ingenieur<br />
entwickelt wurde? Und das Farbfernsehen als Selbstverständlichkeit des Alltags – auch hier war es ein <strong>Mittweida</strong>er,<br />
genannt „Mister Pal“, der die Entwicklung dieses Systems vorantrieb. „<strong>Mittweida</strong>s Ingenieure in aller<br />
Welt“ hieß ein Leitspruch, der bereits in den 1930er Jahren als Sonderpoststempel die Zschopaustadt und ihre<br />
Ingenieure bekannt machte – und von ihnen gibt es viele!<br />
PERSONEN<br />
Zahlreiche in aller<br />
Welt bekannte<br />
Persönlichkeiten<br />
haben in <strong>Mittweida</strong><br />
studiert.<br />
Unter anderen:<br />
Automobilbauer<br />
August Horch<br />
1900 entwickelt<br />
er das erste<br />
Horch-Automobil,<br />
1903 baut er ein<br />
Auto mit Vierzylinder-Motor.<br />
1909 gründet er<br />
in Zwickau ein eigenes<br />
Werk.<br />
Name: Audi, die<br />
lateinische Übersetzung<br />
von<br />
„horch“.<br />
Ein Lötkolben<br />
von Ernst Sachs<br />
1921 lässt Ernst<br />
Sachs den ersten<br />
serienreifen Löt -<br />
kolben patentie -<br />
ren und legt damit<br />
den Grundstein<br />
für die rasante<br />
Entwicklung der<br />
Elektronikproduktion.<br />
Keksfabrik-Chef<br />
Hans Bahlsen<br />
Nach mehreren<br />
Auslandsaufenthalten<br />
übernimmt<br />
Hans Bahlsen die<br />
technische Leitung<br />
der H. Bahlsen<br />
Keksfabrik in<br />
Hannover. Ab<br />
1945 erfolgt der<br />
Wiederaufbau der<br />
Firma, die Kekse<br />
werden bis nach<br />
Kanada liefert –<br />
nur echt mit<br />
52 Zähnen.<br />
Voller Durchblick:<br />
Bernhard Schmidt<br />
Der Hobby-Astronom<br />
baut seine<br />
Fernrohre selbst.<br />
Ihn stört, dass<br />
beim Durchschauen<br />
die Randgebiete<br />
verschwommen<br />
sind – und er<br />
behebt das. Mit<br />
seinen koma freien<br />
Spiegelteleskopen<br />
wird er berühmt.<br />
Postleitzahlen<br />
seit Richard<br />
Stücklen<br />
Als Postminister<br />
von 1957 bis<br />
1966 führt er die<br />
automatische<br />
Telefonvermittlung<br />
ein und auch<br />
die vierstelligen<br />
Postleitzahlen.<br />
Seite 16<br />
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◗ <strong>Mittweida</strong>s Ingenieure in aller Welt bekannt von Babette Philipp<br />
»Mister Pal« und<br />
»Hermann the German«<br />
Rund 80.000 junge Menschen haben in den<br />
142 Jahren seit der Gründung des „Technicum<br />
<strong>Mittweida</strong>“ dort studiert. Für viele unterneh -<br />
merische und ingenieurtechnische Meisterleistungen<br />
wurde hier der Grundstein gelegt. So zum<br />
Beispiel in einer kleinen <strong>Mittweida</strong>er Studenten -<br />
bude, als eine große Erfindung ihre ersten kleinen<br />
Schritte ging. Am 10. Juni 1929 strahlte der<br />
Mittelwellensender Witzleben in Berlin die ersten<br />
Fernsehbilder aus. Dank seiner selbst gebastelten<br />
Technik konnte sie der damals 21-jährige Student<br />
Walter Bruch empfangen. Nach erfolgreichem Abschluss<br />
seines Studiums in <strong>Mittweida</strong> ging Bruch<br />
als Hospitant an die Universität in Berlin, 1936<br />
begann er bei der Telefunken AG. 1937 richtete<br />
Bruch das erste vollelektronische Fernsehstudio in<br />
Deutschland ein. Nach dem Krieg, Bruch arbeitete<br />
wieder bei Telefunken, ging es mit dem Fernsehen<br />
rasant voran. Und es kam Farbe ins Spiel: Zunächst<br />
sorgte dafür 1954 das in Amerika entwickelte<br />
NTSC-System, 1956 präsentierte der<br />
Franzose Henri de France Secam. Bruch erhielt<br />
den Auftrag, beide Systeme zu vergleichen. Doch<br />
er tat mehr, entwickelte ein eigenes System: Pal.<br />
1967 hatte es seine große Stunde: Mit einem<br />
Knopfdruck von Willy Brandt führte die Bundesrepublik<br />
Deutschland am 25. August als erstes europäisches<br />
Land das Farbfernsehen ein.<br />
Ein anderer <strong>Mittweida</strong>er Hochschulabsolvent war<br />
schon zu Lebzeiten eine Legende: Als Vize-Präsident<br />
von General Electric in den USA sorgte<br />
Gerhard Neumann für Furore – „Herman the<br />
German“. Dabei war der Weg zum Erfolg für<br />
Neumann alles andere als einfach. Wegen seiner<br />
jüdischen Herkunft musste er 1938 das<br />
Maschinenbau-Studium in <strong>Mittweida</strong> abbrechen<br />
und das Land verlassen. Auf der Suche nach Arbeit<br />
verschlug es ihn nach Asien. 1940 begann<br />
Neumann in der chinesischen Armee, trat 1941 in<br />
Blick in das nachgestellte Studierzimmer von<br />
Walter Bruch. Foto: Falk Bernhardt<br />
ein von den USA unterstütztes Korps der Chinese<br />
Air Force ein, das ein Jahr später von der amerikanischen<br />
Luftwaffe übernommen wurde. 1945<br />
folgte die Einbürgerung Neumanns in die USA.<br />
1948 stellte der Flugzeug-Triebwerkskonzern<br />
General Electric Neumann als Testingenieur ein.<br />
Bereits 1953 war Neumann als Abteilungsleiter<br />
für die Entwicklung verschiedener Flugzeugantriebssysteme<br />
verantwortlich. 1961 stieg er an<br />
die Spitze des Konzerns. Zu seinen Meister -<br />
werken gehört das J 79, das erste Jet-Triebwerk,<br />
das doppelte Schallgeschwindigkeit ermöglichte<br />
und für den Starfighter produziert wurde. Mit<br />
dem CF 6, dem ersten zivilen Großtriebwerk,<br />
eingebaut in den Airbus A 300, die DC-10 und in<br />
die Boeing 747, wurde General Electric zum<br />
führenden Hersteller von Airliner-Motoren.<br />
Clarice Neumann, Witwe des Ingenieurs „Hermann the German“ vor einem Kunstwerk von<br />
Günter Radtke (l.), das die Leistung des Konstrukteurs würdigt. Foto: Falk Bernhardt<br />
Schwedin richtete Heim<br />
für Waisenkinder ein<br />
Wenn sich im Herbst die Sonnenstrahlen noch<br />
einmal mit Kraft ihren Weg durch die Wolken<br />
bahnen, lassen sie das Barockschloss Neusorge<br />
im <strong>Mittweida</strong>er Ortsteil Zschöppichen in besonderem<br />
Licht erstrahlen. Man kann sich leicht<br />
vorstellen, dass hier einst Kinder tobten und<br />
Leben in das kleine Dorf brachten.<br />
Einst, das war in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts,<br />
als die Schwedin Elsa Brändström in<br />
Neusorge ein Waisenheim für Kinder einrichtete,<br />
deren Eltern den Ersten Weltkrieg nicht überlebt<br />
hatten. Von 1924 bis 1931 kümmerten sich<br />
Brändström und ihre Mitarbeiter um 60 Stammkinder<br />
und etwa 3000 Sommergastkinder im<br />
Schloss und Park Neusorge. Mittlerweile ist das<br />
Gebäude dem Verfall preisgegeben – ein Zustand,<br />
den die Einwohner bedauern. Mit ihrer<br />
Einstellung, das geschichtsträchtige Denkmal der<br />
Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen,<br />
steht die dortige Bürgerinitiative offenbar nicht<br />
allein da. Nachdem in den vergangenen Jahren<br />
immer wieder Konzepte zur Umnutzung des<br />
Schlosses scheiterten, hofft man nun auf eine<br />
baldige Lösung. Grund dazu könnte es geben,<br />
denn mittlerweile hat die Berner-Group, ein<br />
Experte hinsichtlich denkmalgeschützter Immo -<br />
Elsa Brändström: eine Frau, die kam, um zu helfen<br />
◗ Geborgenheit einst im Schloss Neusorge von Katrin Reimann<br />
Zu den Persönlichkeiten, die in <strong>Mittweida</strong> und Umgebung gewirkt haben, zählt Elsa Brändström. Im Örtchen<br />
Zschöppichen richtete die Schwedin im Schloss Neusorge (im Foto links) in den 1920er Jahren ein Waisenhaus<br />
ein. Seit Jahren setzt sich eine Bürgerinitiative dafür ein, Brändströms Andenken zu wahren. In <strong>Mittweida</strong> trägt<br />
eine Kindereinrichtung ihren Namen, und die Wirkungsstätte in Zschöppichen wird von Bürgern so gut es geht<br />
gepflegt. Eine Gedenktafel ist entstanden. Sie soll vor dem Schloss über das Leben Brändströms informieren.<br />
Elsa Brändström mit ihrer Tochter Britta.<br />
Foto: Archiv<br />
bilien, das Gebäude erworben. Konkrete Vorhaben<br />
sind noch nicht bekannt, aber vielleicht<br />
toben mit Unterstützung von vielen engagierten<br />
Leuten bald wieder Kinder durch den Schlosspark,<br />
der so viele Erinnerungen in sich trägt.<br />
Geborgenheit heute in der Kindertagesstätte<br />
In der Kindereinrichtung „Elsa Brändström“ in <strong>Mittweida</strong> toben und lachen die Mädchen und<br />
Jungen gern. Dass das Haus den Namen einer sehr engagierten Frau trägt, ist den Kindern<br />
durchaus bekannt. Ein großes Bild von Elsa Brändström hängt im Eingangsbereich.<br />
Das 20-jährige Bestehen der Einrichtung war 2008 zugleich der 120. Geburtstag von Elsa<br />
Brändström. Die Einrichtung ist zum Tag der Sachsen Festkindergarten. Foto: Falk Bernhardt<br />
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ZUR PERSON<br />
Elsa Brändström<br />
wurde 1888 in<br />
St. Petersburg als<br />
Tochter eines<br />
schwedischen<br />
Diplomaten geboren.<br />
Nach dem<br />
Studium der<br />
Pädagogik in<br />
Schweden kehrte<br />
sie im Alter von<br />
20 Jahren nach<br />
Russland zurück.<br />
Dort widmete sie<br />
sich der Krankenpflege<br />
und begann,<br />
sich um Verwundete<br />
zu<br />
kümmern. Fünf<br />
Jahre lang setzte<br />
sich Elsa Brändström<br />
im Ersten<br />
Weltkrieg für<br />
Kriegsgefangene<br />
in Sibirien ein,<br />
pflegte sie und<br />
versprach, sich<br />
auch um deren<br />
Kinder zu küm -<br />
mern. 1923<br />
gründete sie<br />
schließlich im<br />
Barockschloss<br />
Neusorge in<br />
Zschöppichen bei<br />
<strong>Mittweida</strong> ein<br />
Waisenhaus, half<br />
vor Ort und<br />
sammelte Spenden.<br />
Damit löste<br />
sie ihr Verspre -<br />
chen gegenüber<br />
den Gefangenen<br />
ein. Im Jahr 1934<br />
emigrierte Elsa<br />
Brändström in die<br />
USA. Sie starb<br />
1948 an Knochenkrebs.<br />
Ihr Engage -<br />
ment für die Gefangenen<br />
im Ers -<br />
ten Weltkrieg hat<br />
ihr den Beinamen<br />
„Engel von Sibi -<br />
rien“ eingebracht.<br />
In dem Buch<br />
„Unter Gefange -<br />
nen in Russland<br />
und Sibirien”<br />
schilderte die<br />
Schwedin ihre Erfahrungen<br />
in den<br />
Kriegswirren.<br />
Auch in späteren<br />
Jahren hörte ihr<br />
Einsatz für andere<br />
nicht auf. Immer<br />
wieder organisierte<br />
Brändström<br />
Spendensammlungen,<br />
half mit<br />
Paketen aus den<br />
USA vor allem<br />
den Kindern in<br />
Deutschland wäh -<br />
rend des Zweiten<br />
Weltkrieges.<br />
Seite 17