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TexT - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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g ERfAHRUNGSBERICHT<br />

Integration in der Kinderkrippe<br />

Fanny fühlt sich rundum wohl<br />

Wenn Eltern, Heilpädagoginnen und Gruppenbetreuerinnen an einem Strang ziehen, sich regelmäßig<br />

austauschen und gut zusammenarbeiten, bringt die Betreuung in einer Kinderkrippe auch für ein<br />

Kleinkind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> nur positive Effekte. Fanny fühlte sich knapp drei Jahre in „ihrer“<br />

Krippe so gut aufgehoben wie zu Hause und entwickelte sich prächtig.<br />

<strong>TexT</strong>: T. KÜMPfEL UND B. SCHREINER<br />

„es ist, was es ist, sagt die Liebe ...“ Mit<br />

diesem Gedicht von Erich Fried gaben wir<br />

die Geburt unserer zweiten Tochter, Fanny,<br />

bekannt und machten uns auf den Weg in<br />

ein neues Leben mit vielen Unbekannten.<br />

Nach der Geburt und der Rückkehr aus<br />

der Klinik ging es zunächst an das Sammeln<br />

aller erreichbaren Informationen zum<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, um unserer Fanny die beste<br />

Betreuung zukommen zu lassen. Glücklicherweise<br />

hatte Fanny wenig gesundheitliche<br />

Probleme und konnte problemlos voll<br />

gestillt werden. Sie wuchs und gedieh, sodass<br />

schon nach kurzer Zeit mit physiotherapeutischen<br />

Übungen zur Unterstützung<br />

der Motorik begonnen werden konnte.<br />

Für mich stand bald fest, dass ich bei weiterem<br />

gutem Verlauf nach einem Jahr mein<br />

Berufsleben wieder aufnehmen wollte, zumindest<br />

in Teilzeit. Unsere große Tochter,<br />

die damals achtjährige Romy, war ebenfalls<br />

mit einem Jahr in eine städtische Kinderkrippe<br />

gekommen und hatte sich dort immer<br />

wohlgefühlt und davon sehr profitiert.<br />

Warum sollten wir es also mit Fanny nicht<br />

genauso machen?<br />

Wir gingen auf die Suche nach einer geeigneten<br />

Einrichtung und begannen, Informationen<br />

zu sammeln. Schon bald stellte<br />

sich heraus, dass es nicht viel Erfahrung<br />

mit „früher Integration“ bei Kindern mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> gibt und selbst in einer<br />

Großstadt wie München nur wenige Kinderkrippen<br />

entsprechende Plätze anbieten.<br />

Es gibt vier integrative Einrichtungen unter<br />

der Trägerschaft der Stadt. Sie sind in das<br />

Forschungsprojekt QUINK – Qualität in<br />

integrativen Kinderkrippen – eingebunden,<br />

das mit der Forschungsstelle integrative<br />

Förderung der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München zusammenarbeitet. Die<br />

Krippen werden wissenschaftlich begleitet<br />

von Prof. Dr. Ulrich Heimlich und Isabel<br />

Behr. Die im Zuge des Forschungsprojektes<br />

48 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 57 I Januar 2008<br />

entstandene Projektgruppe „Inklusion“ erarbeitete<br />

Qualitätsstandards für integrative<br />

Kinderkrippen, befasst sich mit der Sicherung<br />

bestehender Qualität und deren laufender<br />

Weiterentwicklung.<br />

Wir entschieden uns für eine dieser Einrichtungen,<br />

für die Städtische Kinderkrippe an<br />

der Hugo-Wolf-Straße in München unter<br />

Leitung von Frau Weber, die uns sofort sehr<br />

sympathisch war. Etwa seit 1995 wurden<br />

dort bereits einzelne Kinder mit besonderen<br />

Förderbedürfnissen integriert. Mit dem<br />

Aufbau einer Integrationsgruppe begann<br />

man im Jahr 2002. Seit 2004 ist die Heilpädagogin<br />

Birgit Schreiner dort fest für die Integrationsgruppe<br />

angestellt. Insgesamt gibt<br />

es fünf Gruppen in dieser Tagesstätte, die<br />

Integrationsgruppe besteht aus neun Kindern<br />

mit drei Integrationskindern. Die Mitarbeiterinnen<br />

der Kinderkrippe und die Eltern<br />

der dort betreuten Kinder erleben seit<br />

Beginn des integrativen Arbeitens immer<br />

wieder, dass die Unbefangenheit des Miteinander-Aufwachsens<br />

in diesem Alter<br />

noch besonders ausgeprägt ist. Beim gemeinsamen<br />

Spielen und Lernen wird vor<br />

allem auf die Entwicklung der sozialen Fähigkeiten<br />

und der positiven Grundeinstellungen<br />

untereinander Wert gelegt.<br />

Birgit Schreiner über Fannys Start:<br />

Fanny wird seit 1. Oktober 2004 bei uns betreut.<br />

Zu diesem Zeitpunkt war sie neun<br />

Monate alt. In den ersten Tagen kam sie<br />

gemeinsam mit ihrer Mutter für eine bis<br />

zwei Stunden in die sogenannte „Fischegruppe“,<br />

in der sie sich zunächst vor allem<br />

auf dem Bauch liegend aufhielt und langsam<br />

begann, den Gruppenraum robbend<br />

zu erkunden. Nach einer Woche – Fanny<br />

entwickelte langsam Vertrauen in die neue<br />

Umgebung und zu mir – begann die Phase<br />

der eigentlichen Trennung. Die Mutter ver-<br />

abschiedete sich von Fanny und verließ für<br />

etwa zehn Minuten den Raum. Angepasst<br />

an Fannys Verhalten und ihre Bedürfnisse<br />

wurde die Trennungszeit in den folgenden<br />

Tagen langsam gesteigert. Trotz sensibler<br />

Vorgehensweise gab es bei Fanny während<br />

dieser Eingewöhnungsphase mehrmals Tränen.<br />

Schließlich wurde sie zum ersten Mal<br />

in ihrem Leben mit Trennung und Abschied<br />

konfrontiert und äußerte ihre dabei<br />

entstandenen Gefühle.<br />

Wir – das Gruppenteam – bemühten<br />

uns, Fannys Gefühle wahrzunehmen, ließen<br />

sie zu und gaben individuelle Hilfen<br />

durch besondere Zuwendung wie auch Ablenkung.<br />

Der Austausch zwischen der Mutter<br />

und mir war in dieser Zeit besonders<br />

intensiv, um die Gefühle aller an der Eingewöhnung<br />

Beteiligten zu berücksichtigen.<br />

Nur so kann die angstfreie Trennung zwischen<br />

Kind und primärer Bezugsperson gelingen.<br />

Nach etwa drei Wochen war es bei<br />

Fanny soweit: Sie lachte morgens, wenn sie<br />

von Mutter oder Vater in die Kinderkrippe<br />

gebracht wurde. Und auch an die manchmal<br />

etwas stürmischen Begrüßungen der<br />

anderen Kinder gewöhnte sie sich bald.<br />

Birgit Schreiner über Fannys erste Zeit:<br />

Schon nach wenigen Wochen in der Kinderkrippe<br />

waren erste Kontakte zwischen<br />

Fanny und anderen Kindern beobachtbar.<br />

Im Gruppenordner ist unter dem 8. Oktober<br />

2004 eingetragen:<br />

Fanny lässt zu, dass Christian sie mehrmals<br />

küsst und nahe bei ihr sitzt. Drei Tage<br />

später heißt es: Fanny streckt Christian ihre<br />

Arme entgegen. Mit zunehmenden grobmotorischen<br />

Möglichkeiten erweiterte sich<br />

Fannys Aktionsradius. Am 11. Mai 2005<br />

wurde beobachtet: Fanny krabbelt zum<br />

Tisch, an dem einige Kinder malen. Sie zieht<br />

sich hoch und schaut zu. Immer mehr inter-

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