denk x 10 - Aktuell - TU Berlin
denk x 10 - Aktuell - TU Berlin
denk x 10 - Aktuell - TU Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
LAUFENDE PROJEKTE<br />
RESAFA – RUSAFAT HISHAM, SYRIEN. ARCHÄOLOGIE UND PROSPEKTIONEN<br />
Die Bedeutung von Formentypen und Fundaufkommen von ‚brittle-ware‘ im archäologischen Kontext<br />
Als ‚brittle-ware‘ (im Folgenden BW) bezeichnet<br />
man eine im östlichen Mittelmeerraum verbreitete<br />
Gruppe von Gebrauchskeramik mit charakteristischem,<br />
rot brennendem Scherben. Analysen der<br />
Zusammensetzung von Nordsyrien gefundener BW<br />
lassen darauf schließen, dass sie in einigen wenigen<br />
Werkstätten produziert wurden, vermutlich im<br />
Westen (Apameia, Aleppo) Syriens. 1 Die Verbreitung<br />
der Erzeugnisse dieser Werkstätten ist auf den<br />
syrischen Raum beschränkt, hier wurden sie interregional<br />
vertrieben. Fundorte an der Mittelmeerküste<br />
und in Palästina ergeben deutlich abweichende<br />
Formenspektren und Materialtypen. Die vergleichende<br />
Auswertung von Zusammensetzung und<br />
Formenrepertoire der syrischen BW zeigt, dass die<br />
verschiedenen Werkstätten parallel zueinander die<br />
gleichen Formentypen produzierten. Abweichungen<br />
im Formenspektrum deuten somit nicht auf eine<br />
andere Werkstatt, sondern auf eine abweichende<br />
Datierung. 2 Vor dem Hintergrund des somit skizzierten<br />
Forschungsstandes wird im Folgenden eine<br />
vorläufige Bestandsaufnahme der Formentypen der<br />
BW Funde von Resafa vorgestellt. 3<br />
Während der Kampagnen der Jahre 2006-2009<br />
wurden in Resafa im Rahmen der Ausgrabungen<br />
an den Fundplätzen (FP) <strong>10</strong>2, <strong>10</strong>5, 142, 143, 220<br />
und 224 sowie bei den seit 2007 durchgeführten<br />
Survey-Nachbegehungen im südlichen Umland<br />
auch größere Mengen von BW erfasst. 4 Mit Ausnahme<br />
der FP <strong>10</strong>5 und 124, die nur 4% bzw. 7%<br />
an BW erbrachten, ergaben die übrigen Fundplätze<br />
mit 16% (FP 143) bis 19% (FP 220 und FP 142)<br />
und 20% (FP <strong>10</strong>2) vom Gesamtaufkommen ein<br />
einheitliches Bild. Die auffälligen Abweichungen in<br />
Bezug auf die FP <strong>10</strong>5 und 124 könnten als Hinweis<br />
auf eine unterschiedliche Funktion beziehungsweise<br />
Nutzung der Anlagen interpretiert werden.<br />
Analysen des Fundmaterials wurden bislang nicht<br />
durchgeführt. Bei der Inspektion mit dem Vergrößerungsglas<br />
weist der Scherben eine relativ einheitliche<br />
Zusammensetzung auf. Die feine Matrix mit kleinen<br />
weißen Einschlüssen ist überwiegend rot (2,5 YR,<br />
������ ��������� �������������� ������ ����5 , manche<br />
Fragmente zeigen einen schwarzen Kern beziehungsweise<br />
eine schwarze Außenseite.<br />
Den prozentual höchsten Anteil am Fundaufkommen<br />
bilden Randfragmente eines Halstopfs mit<br />
runder Lippe, mehrfach profiliertem Rand und einem<br />
Mündungsdurchmesser von 11 bis 13 cm (Typ 1.1).<br />
Varianten des Halstopfs, die gesondert erfasst und<br />
ausgezählt wurden, unterscheiden sich durch die<br />
Ausbildung des oberen Abschlusses. Fragmente,<br />
die Aufschluss geben über Form und Fixierung<br />
möglicher Handhaben, sind nicht erhalten. Bei den<br />
Varianten des Halstopfs kann der Rand glatt abgestrichen<br />
sein (Typ 1.3). Einige wenige Beispiele besitzen<br />
eine runde Lippe, ohne die charakteristische<br />
Profilierung (Typ 1.2). Eine weitere Variante, die vor<br />
allem bei der Survey-Keramik vertreten ist, zeigt einen<br />
keilförmig ausgebildeten Rand (1.4). Ebenfalls<br />
der Gruppe der Halstöpfe werden Fragmente mit<br />
geradem Hals und tief eingekerbtem Rand zugeordnet.<br />
Ihr Vorkommen ist bislang auf die Survey-<br />
Nachbegehungen beschränkt.<br />
An zweiter Stelle des prozentualen Fundaufkommens<br />
stehen sowohl bei der Keramik aus den<br />
Ausgrabungen als auch bei der Survey-Keramik<br />
Fragmente eines Topfes mit waagerecht nach innen<br />
einziehendem Rand (Typ 2, Sichelrand). Der Mündungsdurchmesser<br />
variiert erheblich, zwischen 17<br />
und 25 cm. Ein archäologisch vollständiges Frag-<br />
������������������������������������������������kel<br />
am Rand ansetzte. Weniger häufig findet sich<br />
ein zweiter Typ (Typ 3), der ebenfalls als Kochtopf<br />
anzusprechen ist. Das flache bauchige Gefäß zeigt<br />
einen charakteristischen, flach abgestrichenen,<br />
nach innen einziehenden Rand und eine horizontale<br />
Handhabe. In der Ausgrabung nicht vertreten<br />
ist hingegen der Typ des Topfs mit einziehender<br />
Mündung und keilförmig verdicktem Rand (Typ 4,<br />
engl. holemouth pot). Dies bildet einen auffälligen<br />
Gegensatz zu dem Befund im benachbarten Qasr<br />
al-Heir ash-Sharqi, das ebenfalls von Hisham b.<br />
Abd al-Malik erbaut wurde und als Nachfolgebau<br />
zu Resafa anzusprechen ist. Hier bildet der<br />
holemouth-Topf laut Genequand den Haupttyp der<br />
Kochtopfware. 6 Die Survey-Keramik von Resafa<br />
hingegen zeigt mit <strong>10</strong>% ein deutliches Vorkommen<br />
dieses Typus. Dasselbe gilt für Fragmente von BW<br />
mit dem charakteristischen Ratter-Muster. Während<br />
in der Grabung nur ein Fragment gefunden wurde,<br />
ergaben die Survey-Nachbegehungen immerhin<br />
einen Anteil von 3,1 %.<br />
Übereinstimmungen im Formenspektrum zeigen<br />
sich hingegen bei dem Typ der Kanne mit kleeblattförmigem<br />
Ausguss. Zwei Randfragmente wurden<br />
bei den Grabungsarbeiten an den FP 142<br />
und 220 gefunden, ein Fragment im Rahmen der<br />
Nachbegehungen. Ein weiterer, in beiden Kontexten<br />
zu findender Formentyp sind Deckelfragmente.<br />
Die Abweichungen im Fundvorkommen zwischen<br />
Ausgrabung und Nachbegehungen lassen sich<br />
möglicherweise damit erklären, dass im südlichen<br />
Umland mehrere Nutzungsphasen nachweisbar<br />
sind, die sich allerdings nicht einheitlich auf den<br />
gesamten Bereich erstrecken. Für die FP <strong>10</strong>2, <strong>10</strong>5,<br />
142, 143, 220 und 224 hingegen ist eine auf eine<br />
längere Nutzungsdauer hinweisende Mehrphasigkeit<br />
nicht zu belegen. Diese Deutung wird unterstützt<br />
durch die Auswertung weiterer als diagnostisch zu<br />
betrachtender Keramikgruppen wie beispielsweise<br />
glasierter Waren, die im Rahmen der Nachbegehungen<br />
erfolgt. 7<br />
Die vorangehende Zusammenstellung der BW-Formentypen<br />
sowie der Häufigkeit und Verteilung ihres<br />
Vorkommens stellt nur eine erste Skizze dar. Allerdings<br />
scheint die Tatsache, dass die Ausgrabung<br />
und die Survey-Nachbegehungen abweichende<br />
Fundspektren ergeben, die bereits von Schneider<br />
e.a. formulierte Relevanz von Formentypen für die<br />
Erstellung chronologischer Raster zu bestätigen.<br />
Ob sich die Bedeutung der BW-Formentypen als<br />
datierungsrelevante Größe erhärten lässt, wird die<br />
Fortsetzung der vergleichenden Auswertung der<br />
Grabungsergebnisse und der systematischen Begehungen<br />
im Umland zeigen.<br />
Prozentuales Vorkommen der ‚brittle-ware‘-Typen in Ausgrabung und Nachbegehung<br />
BW-Typ Typ 1.1 Typ 1.2 Typ 1.3 Typ 1.4 Typ 2 Typ 3 Typ 4<br />
Ausgrabung 42,4 % 2,5 % 5 % 2,5 % 32,5 % 15 % -<br />
Nachbegehung 36,8 % 1 % 7,4 % 7,8 % 24.3 % 7,45 % <strong>10</strong> %<br />
Martina Müller-Wiener<br />
UNIVERSITÄT BONN, INSTI<strong>TU</strong>T FÜR ORIENT- UND ASIENWISSENSCHAFTEN, ABTL. FÜR ASIATISCHE UND ISLAMISCHE KUNSTGESCHICHTE<br />
TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTI<strong>TU</strong>T FÜR ARCHITEK<strong>TU</strong>R<br />
UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERS<strong>TU</strong>DIUM DENKMALPFLEGE,<br />
STRASSE DES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, <strong>10</strong>623 BERLIN, TEL. 030-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de<br />
Resafa, FP 220, BW-Typ 1.1, Ø 1<strong>10</strong>mm, D. Henker, M. Müller-Wiener.<br />
Resafa, FP 142, BW-Typ 1.2, Ø 140mm, D. Henker, M. Müller-Wiener.<br />
Resafa, FP 220, BW-Typ 1.3, Ø 130mm, D. Henker, M. Müller-Wiener.<br />
Resafa, FP 143, BW-Typ 2, Ø 250mm, D. Henker.<br />
Resafa, FP 224, BW-Typ 3, Ø 220mm, D. Henker, M. Müller-Wiener.<br />
ANMERKUNGEN<br />
1 Karin Bartl, Stefan R. Hauser, Continuity and change in Northern<br />
Mesopotamia from the Hellenistic to the early Islamic<br />
period: proceedings of a Colloquium held at the Seminar für<br />
vorderasiatische Altertumskunde, Freie Universität <strong>Berlin</strong>, 6th-<br />
�����������������������������������������������������������<br />
byzantine et omeyyade en Syrie du nord, Oxford 2007.<br />
������������������������������������������������������������<br />
Daszkiewicz, Some new results of archaeometric analysis of<br />
Brittle Wares, Oxford 2007, 720.<br />
3 Eine systematische Auswertung der Befunde, die den Abgleich<br />
der in Resafa erhobenen Daten mit jenen anderer<br />
nordsyrischer Fundplätze einschließt, wird aus Platzgründen<br />
an anderer Stelle erfolgen.<br />
4 Siehe hierzu die jeweiligen Beiträge zum Resafa-Projekt<br />
in den MSD Jahrbüchern MSD 2005-07, MSD 2006-08,<br />
2007-09 und in diesem Heft.<br />
5 Entsprechend der Munsell soil color charts.<br />
6 Denis Genequand, Rapport préliminaire des travaux de la<br />
mission archéologique syro-suisse à Qasr al-Hayr al-Sharqi en<br />
2007. SLSA Schweizerisch-Liechtensteinische Stiftung für archäologische<br />
Forschungen im Ausland Jahresbericht 2007 (2008),<br />
������������������������������������������������������������<br />
Bericht abzuwarten.<br />
���������������������������������������������������������������<br />
hierzu in diesem Jahrbuch.<br />
JAHRBUCH MSD 2008-<strong>10</strong> 39