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denk x 10 - Aktuell - TU Berlin

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Tobias Horn – Martin Klessing<br />

TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTI<strong>TU</strong>T FÜR ARCHITEK<strong>TU</strong>R<br />

UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERS<strong>TU</strong>DIUM DENKMALPFLEGE,<br />

STRASSE DES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, <strong>10</strong>623 BERLIN, TEL. 030-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de<br />

LAUFENDE PROJEKTE<br />

RESAFA, SYRIEN. KONSOLIDIERUNGS- UND RESTAURIERUNGSMASSNAHMEN<br />

Basilika A, Konservierungsarbeiten<br />

Die im Herbst 2008 angelaufenen Konsolidierungsarbeiten<br />

sind als Teilprojekt 4 Bestandteil<br />

���� ������������������� ������������������� �� ��safat<br />

Hisham, Pilgerstadt und Kalifenresidenz.<br />

Nachdem im ersten Jahr mit Hilfe von hölzernen<br />

Stützkonstruktionen akut vom Einsturz bedrohte<br />

Bereiche gesichert worden waren, begann im<br />

Herbst 2009 eine gezielte Konsolidierung ausgewählter<br />

Bauteile. Ziel dieser Herbstkampagne<br />

war der Rückbau von absturzgefährdetem Material<br />

im Bereich des südlichen Seitenschiffs und des<br />

Obergadens, die Sicherung der oberen Säulenstellungen<br />

innerhalb der Reliquienkapelle sowie<br />

der Austausch geschwächter Bogensteine der<br />

darüber liegenden Trompen. Nach fotografischer<br />

und zeichnerischer Dokumentation wurden für die<br />

auszutauschenden Bogensteine der Reliquienkapelle<br />

Werkzeichnungen und Schablonen angefertigt.<br />

Für die Ausführung der Baumaßnahmen<br />

wurden Handwerker aus Deir as-Zor herangezogen.<br />

Ausgetauscht wurden lediglich Muschelkalksteine,<br />

denn obwohl das primäre Baumaterial<br />

der Basilika A Gipsstein ist, wurde, vergleichbar<br />

mit anderen Bauwerken Resafas, für Bögen und<br />

Wölbungen meist der leichtere Muschelkalk verwendet.<br />

Nach Anlieferung des bruchfrischen Muschelkalks<br />

begannen die Handwerker mit der Bearbeitung<br />

der Werksteine. Unseren Vorgaben entsprechend<br />

sollte dies vor Ort in Resafa mit traditionellem<br />

Handwerkszeug geschehen. Bereits nach einem<br />

Arbeitstag stand jedoch fest, dass die Handwerker<br />

mit dem Anfertigen der neuen Bogensteine überfordert<br />

waren. Scheinbar ist das Wissen um überlieferte<br />

Handwerkstechniken in dieser Gegend<br />

Syriens kaum noch vorhanden. Um so erstaunlicher<br />

war hingegen der Umgang mit modernen<br />

Trenn- und Schleifwerkzeugen. Das „industrielle“<br />

Herstellen der Bauteile in der Werkstatt in Deir<br />

as-Zor geschah im Gegensatz zur Handarbeit<br />

recht behände, doch wird dem Umgang mit Mes-<br />

Abb. 1 Basilika A, Südwand der Reliquienkapelle, geschädigte<br />

Zonen der Säulenstellungen und der Trompen, T. Horn 2009.<br />

Abb 2. Basilika A, Reliquienkapelle östliche Bogenstellung. Ausführung<br />

nach Maßgabe des originalen Befunds, T. Horn 2009.<br />

swerkzeugen bei dieser Handwerkstechnik leider<br />

zu wenig Bedeutung beigemessen. Umso größer<br />

und umständlicher waren dementsprechend die<br />

Nacharbeiten vor Ort beim Errichten des Bogens.<br />

Während des Rückbaus des Bogens fiel bereits auf,<br />

dass die Keilsteine ursprünglich trocken versetzt<br />

worden waren. Der Mörtel zwischen den Steinen<br />

wurde erst nach dem Einsetzen des Schlusssteines<br />

über in den Stein gearbeitete Kanäle in die Fugenflächen<br />

eingefüllt. Diese antike Technik wurde<br />

wieder aufgegriffen, da an der Passgenauigkeit<br />

aller Fugen bis zum Abschluss des Versetzens gearbeitet<br />

werden konnte. Der Muschelkalk ist ein sehr<br />

weiches Gestein, daher konnte das Fugenbild mit<br />

Hilfe einer einfachen Laubsäge optimiert werden.<br />

Das Einsägen von Fugenflächen ist ebenfalls aus<br />

der Bautechnik der Antike überliefert. Abschließend<br />

wurde mit Gips- und Muschelkalksteinen der<br />

Bogen bis zur Scheitelhöhe aufgemauert und die<br />

Oberflächen der neuen Bogensteine entsprechend<br />

des Originalbefundes mit einem Zahneisen überarbeitet.<br />

Der westliche Bogen der Reliquienkapelle ist vermutlich<br />

durch Erdbeben aus seiner ursprünglichen<br />

Position gerutscht und auf einer Seite ca. 20 cm<br />

nach außen verschoben. Da die meisten der Bogensteine<br />

aber intakt schienen, konnte auf einen<br />

kompletten Rückbau verzichtet werden, denn die<br />

Erfahrungen am östlichen Bogen zeigten, dass<br />

der Rückbau eines Bauteils meist den Verlust des<br />

jeweiligen Werkstücks bedeutet. Ausgetauscht wurde<br />

daher lediglich der Schlussstein, der aufgrund<br />

der erdbebenbedingten Deformation des Bogens<br />

sowohl mehrfach horizontal als auch vertikal gebrochen<br />

war. Eine besondere Herausforderung<br />

bestand darin, den verkippten Bogen trotz des<br />

fehlenden Schlusssteins in seiner Position zu halten.<br />

Nachdem der Kraftschluss des Bogens wieder hergestellt<br />

war, wurde das Mauerwerk um den Bogen<br />

ausgebessert, d.h. die Fugen wurden geschlossen<br />

und ein horizontaler Abschluss geschaffen.<br />

Abb 3. Basilika A, Reliquienkapelle, westliche Bogenstellung,<br />

Einpassen des neuen Schlusssteins, A.-S. Flade 2009.<br />

Abb 4. Basilika A, Reliquienkapelle westliche Bogenstellung<br />

nach Abschluss der Arbeiten, T. Horn 2009.<br />

Die Sicherung der östlichen Säule, die durch ein<br />

komplexes Risssystem stark gefährdet war, erfolgte<br />

mittels Vernadelung. Hierfür wurden nach<br />

Absprache mit dem Tragwerksplaner verschiedene<br />

Punkte definiert, die für das Verbinden der<br />

einzelnen Schalen besonders geeignet schienen.<br />

Insgesamt wurden in Säulenschaft, Basis und<br />

Konsole elf Nadeln eingebracht. Um das spröde<br />

Gestein während des Bohrvorgangs vor Vibration<br />

und Überhitzung zu schützen, wurden die ersten<br />

zehn der bis zu 30 cm tiefen Bohrlöcher mit einer<br />

wassergekühlten Bohrkrone gebohrt. Nach<br />

der Reinigung der Löcher wurden Siebhülsen aus<br />

Kunststoff eingeführt, die ein unkontrolliertes Ausfließen<br />

des Mörtels verhindern sollten. In die mit<br />

Epoxy-Spezialmörtel gefüllten Bohrlöcher wurden<br />

danach spezielle Anker aus Edelstahl eingesetzt.<br />

Große Schwierigkeiten bereitete die Arbeit an der<br />

einzigen verbliebenen Säule vor der Westwand.<br />

Die mit Kapitell und Basis aus einem Stück gearbeitete<br />

Säule zeigte ein komplexes System aus<br />

vertikalen Rissen und hatte am Säulenschaft bereits<br />

stark an Substanz verloren. Da sowohl Kapitell<br />

als auch Basis bei einem Rückbau zu brechen<br />

drohten, mussten diese Bereiche bereits vor der<br />

Demontage der Säule vernadelt werden. Nach<br />

der provisorischen Fixierung des Kapitells am<br />

Gerüst und der darüber liegenden Konsole wurde<br />

der ausgebrochene Säulenschaft mit Hilfe einer<br />

Handsäge vorsichtig von Basis und Kapitell getrennt.<br />

Eine neue Säule wurde dann vor Ort in<br />

Resafa von einem Beduinen gefertigt, der unter<br />

Anleitung sehr schnell die Grundzüge des traditionellen<br />

Steinmetzhandwerks erlernte.<br />

Für die Arbeiten der nächsten Jahre wurde eine<br />

detaillierte Prioritätenliste erstellt. Im Vordergrund<br />

der Herbstkampagne 20<strong>10</strong> sollen, abhängig von<br />

der finanziellen Ausstattung, die Konsolidierung<br />

des Obergadens der nördlichen Mittelschiffwand<br />

sowie der Abschluss der Arbeiten innerhalb der<br />

Reliquienkapelle stehen.<br />

Abb 5. Basilika A, Reliquienkapelle westliche Bogenstellung,<br />

behutsames Heraustrennen des Säulenschaftes, T. Horn 2009.<br />

Abb 6. Basilika A, Neuanfertigung einer Säule aus Gipsstein<br />

durch einen angelernten Arbeiter aus Resafa, T. Horn 2009.<br />

JAHRBUCH MSD 2008-<strong>10</strong> 41

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