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eingeschränkt willentlich zu steuern. Sie dauern länger<br />
an, sie verursachen Leiden, sie beeinträchtigen das<br />
tägliche Leben (Beruf, Partnerschaft, Familie, Freunde)<br />
und sie sind nicht selten lebensbedrohend. Konkret kann<br />
sich eine psychische Störung darin ausdrücken, dass eine<br />
Person bestimmte Gefühle wie Freude oder Zuneigung<br />
nicht mehr empfinden kann, dass andere Gefühle wie<br />
Angst oder Traurigkeit das Leben bestimmen oder dass<br />
sie ständigen Gefühlsschwankungen ausgesetzt ist.<br />
Seit jeher ist die Wissenschaft bestrebt, Ordnung in die<br />
unterschiedlichen psychischen Störungen zu bringen, sie<br />
gleichsam voneinander abzugrenzen und zu klassifizieren.<br />
Traditionell ist eine grobe Einteilung in neurotische Störungen<br />
(u.a. Ängste, Phobien) und psychotische<br />
Störungen (u.a. Verlust des Realitätsbezugs; Wahnvorstellungen)<br />
üblich.<br />
Das bekannteste verfeinerte Klassifikationsschema<br />
hingegen ist das weltweit genutzte ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation<br />
WHO, die in der F00-99-Klasse<br />
zusammengefasst wird:<br />
- Organisch bedingte psychische Störungen<br />
(Beispiel: Demenz)<br />
- Störungen von Psyche und Verhalten durch psycho-<br />
trope Substanzen (Beispiel: Drogenkonsum)<br />
- Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen<br />
- Affektive Störungen<br />
(Beispiele: Depression; Bipolare Störung)<br />
- Neurotische Störungen<br />
(Beispiele: Angststörung; Phobien)<br />
- Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen<br />
(Beispiel: Essstörungen)<br />
- Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen<br />
(Beispiele: Pyromanie; Kleptomanie)<br />
- Intelligenzminderung<br />
- Entwicklungsstörungen<br />
(Beispiel: Lese- und Rechtschreibstörung)<br />
- Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn<br />
in der Kindheit und Jugend<br />
Psychische Störungen sind nicht nur eine Belastung für<br />
die daran erkrankte Person. Sie können, je nach Art und<br />
Ausmaß der Störung, das gesamte Umfeld der betroffenen<br />
Titel<br />
Personen erreichen, vom Familien- und Freundeskreis<br />
bis hin zur Schul- oder Arbeitswelt. Psychische Störungen<br />
sind zurzeit die vierthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen<br />
im Rahmen der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung.<br />
Seit 1991 stieg die Zahl der Krankheitstage durch<br />
psychische Störungen um etwa 33 Prozent. Noch dramatischer<br />
vielleicht ist die Aussagekraft eines weiteren<br />
statistischen Werts: Seit 20 Jahren ist die Anzahl der<br />
Krankenhausfälle von 4 Fällen je 1000 gesetzlich Krankenversicherter<br />
auf mittlerweile 9 Fälle angestiegen.<br />
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt außerdem,<br />
dass im Jahr 2020 Depressionen und Angststörungen<br />
die zweit- und dritthäufigste Krankheitsursache<br />
sein werden.<br />
Diese Statistiken wirken sich auf die Arbeitssituation<br />
in Deutschland aus. Leistung und Qualität der Arbeit<br />
leiden immer öfter (wie die Erkrankten!), Arbeitsabläufe<br />
werden gestört. Betroffene sind oft unzuverlässig, eine<br />
Zusammenarbeit mit ihnen ist oft nur noch mit Einschränkungen<br />
möglich. Kollegen gehen zunehmend auf<br />
Distanz zu ihnen, weil sie das veränderte Verhalten nicht<br />
oder nur schwer einschätzen können. Mit fortschreitendem<br />
Krankheitsverlauf kommt es zu vermehrten Fehlzeiten,<br />
was wiederum zu einer Überlastung der Kollegen<br />
führt. Erkrankte gelten dann schnell als Simulanten<br />
oder Drückeberger, werden nicht selten gemobbt. Das<br />
Betriebsklima verschlechtert sich rapide. Andererseits ist<br />
der Umgang mit den Betroffenen nicht selten äußerst<br />
kompliziert. Die Krankheitseinsicht fehlt und damit das<br />
Bewusstsein, Hilfe annehmen zu müssen.<br />
Rücksicht auf labile Menschen wird<br />
in unserer stressigen, durchorganisierten<br />
und auf Leistungsdruck bauenden<br />
Arbeitswelt kaum genommen.<br />
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