elements32 - Evonik Industries
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<strong>elements32</strong><br />
S c i e n c e n e w S l e t t e r<br />
e v o n i k M e e t S S c i e n c e 2 0 1 0<br />
Die Zukunft der Energie<br />
3 0 3 1 3 3 2 0 1 0<br />
D e S i G n i n G w i t H P o l Y M e r S<br />
Additive Manufacturing: digitale Schichtarbeit<br />
c o A t i n G & B o n D i n G t e c H n o l o G i e S<br />
Percarbonat: das umweltfreundliche<br />
Bleichmittel für Wachstumsmärkte
Patrik Wohlhauser<br />
vorsitzender der<br />
Geschäftsführung der<br />
evonik Degussa GmbH<br />
e D i t o r i A l<br />
chancen nutzen<br />
Unser Projekthaus Functional Films & Surfaces hat seine Arbeit erfolgreich beendet und alle Projekte<br />
an die operativen Bereiche abgegeben. Ursprünglich hatte sich das Team vorgenommen, elf The men<br />
zu bearbeiten, doch schnell war klar, dass sich vier davon nicht sinnvoll realisieren ließen. Manches<br />
Projekt war zu forschungsintensiv für die zur Verfügung stehende Zeit, bei manchem war die patentrechtliche<br />
Lage problematisch oder es wäre eine sehr hohe Investition notwendig gewesen. Die Projekt<br />
hausforscher konzentrierten sich deshalb auf die sieben verbliebenen Themen und das Ergebnis<br />
gibt ihnen recht: Einige Entwicklungen befinden sich bereits in der Markteinführung, andere stehen<br />
unmittelbar davor.<br />
Das Team war auch deshalb so erfolgreich, weil es seine Chancen richtig eingeschätzt und genutzt<br />
hat. Ein Grundsatz, den wir auch beim Portfoliomanagement beherzigen: In der Chemie werden wir<br />
konsequent in Wachstumsfelder investieren. Profitieren wollen wir insbesondere von den Megatrends<br />
Ressourceneffizienz, Gesundheit und Ernährung sowie Globalisierung von Tech nologien. Hier sind<br />
wir bereits heute in zahlreichen wichtigen Märkten führend und werden unsere guten Positionen<br />
wei ter ausbauen.<br />
Eine Paradebeispiel sind unsere Aminosäuren für die Tierernährung. Wer sie dem Tierfutter<br />
zusetzt, sorgt nicht nur für eine ausgewogenere Ernährung der Tiere, sondern schont auch Res sourcen<br />
und Umwelt. Das haben wir in einer Ökobilanz nachgewiesen, die der Technische Über wachungsverein<br />
Rheinland, ein weltweit anerkannter, unabhängiger Gutachter, nun zertifiziert hat. Das Zertifikat<br />
belegt, dass wir Umweltauswirkungen, Energie und Rohstoffverbrauch der Aminosäuren über<br />
den gesamten Lebenszyklus sorgfältig und unvoreingenommen bilanziert haben. Die Ergeb nisse lassen<br />
damit nur einen Schluss zu: Der Zusatz unserer Aminosäuren zum Tierfutter ist eine äußerst nachhaltige<br />
Form, um Tiere gesund zu ernähren, die wachsende Weltbevölkerung mit Eiern, Milch und<br />
Fleisch zu versorgen und dabei möglichst wenig Spuren in der Umwelt zu hinterlassen. Unsere Aminosäuren<br />
sind damit eine Antwort auf den Megatrend Ernährung und Gesundheit und zugleich Treiber<br />
einer positiven geschäftlichen Entwicklung und einer Steigerung des Unter nehmenswerts von <strong>Evonik</strong>.<br />
Portfoliomanagement heißt aber auch, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich<br />
die operativen Bereiche voll auf ihr Geschäft konzentrieren können. Ein wichtiger Ansatzpunkt hierbei<br />
sind die für unseren Konzern lebensnotwendigen Infrastrukturdienstleistungen. Wie wichtig sie sind,<br />
zeigen die Zahlen: In Deutschland und Antwerpen werden diese Dienstleistungen derzeit von rund<br />
7.000 Mitarbeitern erbracht, die gemeinsam einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro bewegen. Zum 1. Oktober<br />
werden wir die Standortservices zu einer SiteServiceEinheit bündeln, die auf gleicher Augenhöhe<br />
neben den Geschäftsbereichen der Chemie steht – so können wir die Lei stungs potenziale dieser<br />
Services besser nutzen und entlang den Markterfordernissen weiter entwickeln. Damit nutzen wir<br />
auch hier die Chance auf Produktivität, nachhaltiges Wachstum und langfristig sichere Arbeits plätze.<br />
<strong>elements32</strong> | 2010 n e w S<br />
inhalt<br />
4 Neue Anlage zur Produktion von<br />
Katalysatoren in Schanghai<br />
4 Mehrheit an amerikanischem<br />
Silicahersteller übernommen<br />
5 Katalyse: <strong>Evonik</strong> baut Engagement<br />
in Indien aus<br />
5 Vorvertrag für Joint Venture zur Produktion<br />
von Superabsorbern in Saudi-Arabien<br />
licht effektvoll in Szene<br />
gesetzt: Die leuchte<br />
tulip.MGX von Mate rialise<br />
weist filigrane Hohlstrukturen<br />
auf, wie sie<br />
nur durch Additive<br />
Manu facturing erzeugt<br />
werden können<br />
(ab S. 18)<br />
e vo n i k M e e t S S c i e n c e 2 0 1 0<br />
6 Die Zukunft der Energie<br />
i n n o vAt i o n M A n AG e M e n t<br />
12 Projekthaus Functional Films & Surfaces:<br />
Transferleistung als Maßstab des Erfolgs<br />
n e w S<br />
16 HyaCare® Filler CL – der topische Faltenglätter<br />
16 PLEXIGLAS RESIST® AAA: neue<br />
Stegplatte mit AntiAlgenAusstattung<br />
17 nano+art-Wettbewerb –<br />
Tag und Nacht im Zwergenreich<br />
D e S i G n i n G w i t H P o lY M e r S<br />
18 Digitale Schichtarbeit: Additive Manufacturing<br />
birgt vor allem für die Kleinserienfertigung<br />
ungenutztes Potenzial<br />
H o c H S c H u l e<br />
24 Dem Nachwuchs verpflichtet: 27 Mitarbeiter von<br />
<strong>Evonik</strong> unterrichten derzeit an deutschen Hochschulen<br />
coAt i n G & B i n D i n G t e c H n o lo G i e S<br />
26 Hot Stamping: mit Sicherheit auffallen<br />
28 Percarbonat: das umweltfreundliche Bleichmittel<br />
für Wachstumsmärkte<br />
36 t e r M i n e u n D i M P r e S S u M<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter
+++ <strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> baut in Asien Kapazitäten für Spezialkunststoffe aus<br />
evonik industries, bereits heute einer der weltweit führenden<br />
Anbieter von Produkten der Methacrylatchemie, baut seine Produktionskapazitäten<br />
für PMMAFormmassen in den Anlagen im<br />
Süden von Schanghai (china) und in taichung (taiwan) aus.<br />
Außer dem erweiterte evonik seine kapazität für Methacrylsäure<br />
im Großkomplex MAtcH in Schanghai, der erst vor neun Monaten<br />
in Betrieb genommen wurde. „wir wollen insbesondere da<br />
wachsen, wo sich die Märkte überdurchschnittlich entwickeln.<br />
wir verzeichnen für unser kunststoffgeschäft in Asien attraktive<br />
wachs tumsraten. Deshalb investieren wir schnell und konsequent<br />
in die erweiterung unserer Anlagen“, erklärte Dr. klaus engel,<br />
vor standsvorsitzender der evonik industries AG.<br />
Die 2007 in taichung in Betrieb genommene Anlage produziert<br />
in einem Joint venture, der evonik Forhouse optical Polymers<br />
corporation, bisher 40.000 tonnen PleXiGlAS® Form<br />
Die in Schanghai produ-<br />
zierten PLEXIGLAS®<br />
Form massen werden unter<br />
anderem in die Automobilbranche<br />
in Asien geliefert.<br />
Die Spezialformmasse<br />
PLEXIGLAS® CoolTouch®<br />
beispielsweise eignet sich<br />
aufgrund ihrer Wärme<br />
reflektierenden Wirkung<br />
für Anwendungen im<br />
Dachbereich<br />
+++ Neue Anlage für Wirkstoffproduktion in China<br />
evonik hat in china eine Anlage zur Herstellung von pharmazeutischen<br />
wirkstoffen in Betrieb genommen. Sie wird unter anderem<br />
den chinesischen Markt versorgen und hat eine kapazität von<br />
70 kubikmetern, die bei Bedarf verdoppelt werden kann. Die Anlage<br />
in nanning in der Provinz Guangxi wurde in Zusammenarbeit<br />
mit einem europäischen Pharmaunternehmen errichtet, für das<br />
evonik im rahmen eines langjährigen liefervertrags verschiedene<br />
wirkstoffe entsprechend den wichtigen Qualitäts siche rungsrichtlinien<br />
der Pharmaindustrie cGMP (current Good Manu fac turing<br />
Practices) produzieren wird.<br />
errichtet wurde die Anlage in nur 15 Monaten. „Das war nur<br />
möglich durch die hervorragende unterstützung der regierung<br />
der autonomen Provinz Guangxi, der Stadt nanning und des<br />
kreises wuming“, betonte Dr. HansJosef ritzert, leiter des Geschäftsgebiets<br />
exclusive Synthesis & Amino Acids, bei der offiziellen<br />
inbetriebnahme, an der neben chinesischen Politikern auch<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
news<br />
mas sen pro Jahr für lichtleiterplatten (light Guide Panels), die in<br />
Flachbildschirmen eingebaut werden. vor allem in Asien verzeichnen<br />
diese Flachbildschirme eine deutlich steigende nachfrage.<br />
Bereits im zweiten Quartal 2011 soll die Anlagenerweiterung<br />
von weiteren 20.000 tonnen pro Jahr in taichung den Betrieb<br />
aufnehmen.<br />
Die PMMAAnlage in Schanghai stellt in der ersten Aus baustufe<br />
seit november 2008 rund 18.000 tonnen pro Jahr her. Die<br />
Produkte werden als umfassendes Sortiment an PleXiGlAS®<br />
Formmassen in die unterschiedlichen industriezweige wie zum<br />
Beispiel die Automobil, Beleuchtungs und elektronikbranche in<br />
Asien geliefert. Auch in diesen Marktsegmenten ist die nachfrage<br />
nach PleXiGlAS® Formmassen deutlich gestiegen, so dass auch<br />
die geplante zweite Ausbaustufe von weiteren 18.000 tonnen<br />
pro Jahr nun beschleunigt fertig gestellt wird. Der Start der erweiterten<br />
Produktionskapazitäten ist für<br />
das zweite Halbjahr 2011 geplant. Darüber<br />
hinaus hat evonik in Schanghai in der<br />
Großanlage MAtcH die Produktions kapa<br />
zität für Methacrylsäure auf 25.000 tonnen<br />
ausgebaut. Die erweiterte kapazität<br />
ging im Mai 2010 in Betrieb.<br />
evonik industries setzt mit diesen<br />
Schritten seine Serie von investitionen in<br />
Asien weiter fort: vor rund neun Monaten,<br />
im november 2009, hatte der konzern in<br />
Schanghai die Arbeiten am Großkomplex<br />
MAtcH für kunststoffe, kunststoffvorprodukte<br />
und lacksysteme weitgehend<br />
vollendet und die 250 Millionen euro teure<br />
Anlage in Betrieb genommen. Dies war<br />
die größte investition des konzerns in<br />
china.<br />
kunden aus aller welt teilnahmen. evonik ist bereits seit 2001 in<br />
nanning aktiv – zunächst als Partner in einem Joint venture und<br />
seit 2005 als alleiniger inhaber dieses unternehmens, das seither<br />
als evonik rexim (nanning) Pharmaceuticals co. ltd. firmiert und<br />
cGMPkonforme Aminosäuren und Aminosäurederivate durch<br />
biotechnologische verfahren produziert. Mit der neuen Anlage<br />
zur wirkstoffproduktion verfügt evonik nun über ein weiteres<br />
starkes Standbein in nanning.<br />
„Die neue Anlage ist Ausdruck unserer Strategie der horizontalen<br />
integration“, sagte ritzert. Der Begriff horizontale inte gration<br />
steht für ein netzwerk aus westlichen (europa, nafta) und<br />
asiatischen Produktionsstandorten, mit dem evonik den kunden<br />
maßgeschneiderte, exklusive lösungen entlang der gesamten<br />
wert schöpfungskette von Pharmawirkstoffen bietet. „Mit dieser<br />
Anlage werden wir unsere Position als leistungsstarker Partner in<br />
der exklusivsynthese weiter festigen“, so ritzert.<br />
3
+++ Neue Anlage zur Produktion von Katalysatoren in Schanghai<br />
evonik industries hat in Schanghai (china) im Juni 2010 eine neue<br />
Anlage zur Produktion von edelmetallpulverkatalysatoren offiziell<br />
in Betrieb genommen. Die in der Anlage hergestellten kata lysatoren<br />
kommen in der Pharma, Fein und industriechemie zum<br />
einsatz, um beispielsweise vitamine und Pharmawirkstoffe oder<br />
vorprodukte für Polyurethane herzustellen, die unter anderem zu<br />
Schäumen für Autositze und zur isolierung von kühlschränken<br />
verarbeitet werden. Zahlreiche kunden und Behördenvertreter<br />
nahmen an der eröffnungsfeier teil. evonik ist weltweit führend<br />
bei edelmetallpulverkatalysatoren und betreibt außer der Anlage<br />
in Schanghai noch vier weitere Produk tions standorte in Hanau<br />
(Deutschland), tsukuba (Japan), Americana (Brasilien) und<br />
calvert city (kentucky, uSA).<br />
„Mit der neuen Anlage können wir nun auch den chinesischen<br />
Markt direkt aus lokaler Produktion versorgen“, sagte Dr. wilfried<br />
eul, leiter des Geschäftsgebiets catalysts von evonik. Der Standort<br />
Schanghai bietet hierfür ideale Bedingungen, da er in unmittelbarer<br />
nähe zu den Provinzen Jiangsu und Zhejiang liegt, wo<br />
zahlreiche Pharma und Feinchemieunternehmen ansässig sind.<br />
Die nähe zu den kunden ermögliche es, Produkte und Services<br />
optimal auf die Bedürfnisse der chinesischen industrie auszurichten.<br />
„Damit können wir noch stärker am überdurchschnittlichen<br />
wachstum des chinesischen Pharma und Feinchemiemarkts teilhaben<br />
und unsere Marktposition weiter ausbauen“, so eul.<br />
evonik komplettiert damit nun auch in china den Service von<br />
der Bemusterung über die Anwendungstechnik bis hin zur<br />
Produktion der katalysatoren und dem edelmetallmanagement.<br />
+++ Mehrheit an amerikanischem Silicahersteller übernommen<br />
Kolloidale Silica werden unter anderem beim Polieren<br />
von elektronischen Halbleitern eingesetzt<br />
Eröffnungsfeier für die neue Katalysatoranlage in Schanghai<br />
„Damit können wir unseren kunden den für ihre Anwendung optimierten<br />
katalysatortyp zu deutlich kürzeren lieferzeiten anbieten“,<br />
betonte tim Busse, verantwortlich für das Geschäftsgebiet<br />
catalysts in china. neben der anwendungstechnischen unter stützung<br />
der kunden bei der verwendung der katalysatoren ist das<br />
edelmetallrecycling ein wichtiger Servicebaustein. Hier bietet<br />
evonik in enger Zusammenarbeit mit Heraeus (www.heraeus.<br />
com) in Schanghai die rückgewinnung der edelmetalle direkt in<br />
china an und schließt so den edelmetallkreislauf innerhalb des<br />
landes. Für die kunden bedeutet dies einen deutlichen kostenvorteil.<br />
„Die leistungsfähigkeit der katalysatoren von evonik in<br />
ver bindung mit dem kompletten Serviceangebot wird vom Markt<br />
sehr positiv angenommen“, so Busse. Das bestätigen auch die<br />
zahl reichen teilnehmer eines kürzlich veranstalteten kunden semi<br />
nars für die regionale Pharma, Farbstoff und vitaminindustrie<br />
sowie die Fein und Agrochemie.<br />
evonik industries hat die Mehrheit an dem uSamerikanischen<br />
Silicahersteller Harris & Ford Silco llc., Portland/oregon, übernommen.<br />
„Die Übernahme stärkt die Position von evonik als ein<br />
Schlüsselproduzent von Spezialchemikalien für stark wachsende<br />
Branchen wie die Halbleiterindustrie“, so thomas Hermann,<br />
leiter des Geschäftsbereichs inorganic Materials, zu dem das in<br />
evonik Silco Materials umbenannte unternehmen künftig gehört.<br />
Der Sitz bleibt Portland.<br />
evonik Silco Materials produziert hochreine kolloidale Silica.<br />
Diese hochfeinen kieselsäuren werden unter anderem beim Polie<br />
ren von elektronischen Halbleitern eingesetzt. Sie sind eine<br />
Schlüsselkomponente des sogenannten chemical Mechanical Polishing<br />
(cMP)Prozesses, wo evonik industries schon seit vielen<br />
Jahren als verlässlicher Hersteller von pyrogenen oxiden AeroSil®<br />
(Silica) und AeroXiDe® (ceria, Alumina) etabliert ist. Mit seinem<br />
neuen unternehmen sei evonik jetzt noch besser positioniert, so<br />
Hermann, „um unsere kunden aus der chipindustrie mit qualitativ<br />
hochwertigen und wettbewerbsfähigen Partikeln zukünftig als<br />
komplettanbieter zu versorgen.“ Hermann sieht hier gute chancen<br />
für evonik; für ihn ist die Akquisition eine winwin<br />
Situation: „kolloidale Silica sind ein wachstumsmarkt und evonik<br />
ist ein wachstumsorientiertes unternehmen.“<br />
4 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
+++ Katalyse: <strong>Evonik</strong> baut Engagement in Indien aus<br />
evonik hat das Geschäft mit edelmetallpulverkatalysatoren der<br />
ra vindra Heraeus Pvt. limited, udaipur (rajasthan, indien), erworben.<br />
Damit gehen knowhow, technologie und die Geschäftsbeziehungen<br />
mit katalysatorkunden von ravindra Heraeus auf<br />
evonik über, während die Produktionseinrichtungen bei dem indischen<br />
unternehmen verbleiben. Beide Partner haben außerdem<br />
langfristige verträge bezüglich lohnfertigung und edelmetallrecyc<br />
ling geschlossen. Danach wird ravindra Heraeus an seinem<br />
Standort udaipur im Auftrag von evonik edelmetall pulver kata lysatoren<br />
für den indischen Markt produzieren sowie verbrauchte<br />
katalysatoren rezyklieren. Die katalysatoren für das bereits bestehende<br />
indienGeschäft von evonik wurden bislang aus Deutschland<br />
eingeführt. Diese Produkte werden zukünftig ebenfalls in<br />
indien bei ravindra Heraeus hergestellt.<br />
edelmetallpulverkatalysatoren kommen in Synthesen in der<br />
Phar ma, Fein und industriechemie zum einsatz, um beispielsweise<br />
Pharma oder Agrowirkstoffe selektiv und kosteneffizient<br />
herzustellen. Der indische Pharma und Feinchemiemarkt verzeichnet<br />
seit mehreren Jahren ein überdurchschnittliches wachstum.<br />
Grund sind die outsourcingStrategien von Pharma und Agrokon<br />
zernen, wonach diese die wirkstoffe nicht mehr selbst herstellen,<br />
sondern von Feinchemieunternehmen produzieren lassen.<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
news<br />
„Mit Heraeus als starkem, leistungsfähigen Partner können<br />
wir nun auch die kunden in indien mit unseren hochwertigen<br />
edel metallkatalysatoren aus lokaler Produktion versorgen und<br />
ihnen das komplette leistungspaket beim edelmetallmanagement<br />
anbieten“, sagte Dr. wilfried eul, leiter des Geschäftsgebiets<br />
cata lysts von evonik.<br />
Für die kunden bedeutet dies eine kurze Bearbeitungszeit<br />
und die integration in den lokalen edel me tall kreislauf, wodurch<br />
importzölle und langwierige einfuhrprozesse vermieden werden.<br />
„Das ermöglicht es uns, besser an dem überdurchschnittlichen<br />
wachstum der Pharma und Feinche mie branche indiens<br />
teilzunehmen und unsere führende Position bei edel me tallpulverkatalysatoren<br />
weiter auszubauen“, so eul. evonik produziert<br />
edelmetallpulverkatalysatoren an den Stand orten Hanau<br />
(Deutschland), tsukuba (Japan), Americana (Bra silien), calvert<br />
city (kentucky, uSA) und seit Juni diesen Jahres auch in Schanghai<br />
(china).<br />
ravindra Heraeus, ein edelmetallunternehmen, ist ein Joint<br />
ven ture zwischen dem weltweit führenden edelmetall und<br />
tech nologieunternehmen Heraeus mit Sitz in Hanau (Deutschland)<br />
und dem indischen Familienunternehmen ravindra choksi;<br />
beide halten jeweils einen Anteil von 50 Prozent.<br />
+++ Vorvertrag für Joint Venture zur Produktion von Superabsorbern in Saudi-Arabien<br />
Superabsorber sind ein wesentliches Basismaterial für die<br />
Herstellung von Hygieneprodukten wie Windeln. Das Foto zeigt<br />
ein anwendungstechnisches Labor von <strong>Evonik</strong> in Krefeld<br />
evonik industries, die national industrialization company (tasnee)<br />
und Sahara Petrochemicals beabsichtigen die Gründung eines<br />
Joint ventures zur Produktion von Superabsorbern. Am Standort<br />
Jubail in SaudiArabien wollen die Partner gemeinsam eine hochmoderne<br />
worldScaleAnlage mit einer jährlichen kapazität von<br />
80.000 tonnen bauen, die im ersten Quartal 2013 in Betrieb gehen<br />
soll. Dr. klaus engel, vorstandsvorsitzender von evonik, und<br />
Dr. Moayyed i. AlQurtas, ceo von tasnee,<br />
unterzeichneten da zu einen entsprechenden<br />
vorvertrag in riad. „Das ist ein<br />
bedeutender Schritt für unseren konzern<br />
im wachstumsmarkt Mitt lerer osten.<br />
unsere führende Stellung bei Superabsorbern<br />
bauen wir damit entscheidend aus“,<br />
sagte engel. evonik ist welt weit ein führender<br />
Hersteller für Superabsorber, die<br />
wesentliches Basis ma terial für die Herstellung<br />
von Hygie ne produkten wie windeln<br />
und Binden sind.<br />
Das geplante Joint venture für Superab<br />
sorber wird von der günstigen rohstoffversorgung<br />
vor ort profitieren: Die notwendige<br />
Acrylsäure für die Herstellung<br />
von Superabsorbern soll aus einer benachbarten<br />
Anlage von SAMco bezogen werden.<br />
SAMco ist ein Joint venture zwischen<br />
tasnee und Sahara (Saudi Acrylic<br />
Acid company, SAAc) und Dow chemi cals. Die Zulieferung des<br />
ebenfalls benötigten Propylen erfolgt aus einer nahe gelegenen<br />
Anlage, die gemeinsam vom SAMcoJointventure tasnee und<br />
Sahara (tasnee Sahara olefins company, tSoc) und lyon dell<br />
Basell betrieben wird. Die geplante Superabsorberproduk tion in<br />
SaudiArabien wird durch die einbettung in die verbundstrukturen<br />
das erste DownstreamProjekt dieser Art sein.<br />
5
e v o n i k M e e t S S c i e n c e 2 0 1 0<br />
Die Zukunft der energie<br />
im Juni trafen sich mehr als 200 experten auf einladung von evonik in<br />
Marl. Sie diskutierten die möglichen wege und implika tionen einer<br />
nachhaltigen energie und ressourcenwirtschaft – ganz im Sinne des<br />
wissenschaftsjahres 2010.<br />
Energie ist das Thema Nummer eins im „Wis senschaftsjahr<br />
2010 – Die Zukunft der Energie“, einer<br />
Initiative des Bundesministeriums für Bildung und<br />
Forschung (BMBF). Umwelt und Klimaprobleme sowie<br />
schwindende Ressourcen sind die Ursachen. Wie sieht<br />
die künftige Energieversorgung aus? Und welchen Weg soll<br />
die Gesellschaft gehen, um natürliche Ressourcen möglichst<br />
effizient zu nutzen? Auf solche Fragen gibt es keine einfachen<br />
Antworten, dafür viele Ideen und Visionen. Auf seinem<br />
schon traditionellen Wissenschaftsforum „<strong>Evonik</strong><br />
Meets Science“ am 7. und 8. Juni schaffte <strong>Evonik</strong> einen<br />
Rahmen für Fachleute, um über diese offenen Fragen zu diskutieren,<br />
Denkanstöße zu geben und Experten miteinander<br />
zu vernetzen. Mehr als 200 Teilnehmer folgten der<br />
Einladung nach Marl.<br />
„<strong>Evonik</strong> Meets Science“ stand dabei ganz im Zeichen des<br />
Wissenschaftsjahres, denn Ressourceneffizienz ist nicht nur<br />
ein Thema der Energiebranche, sondern auch der Chemie:<br />
Chemische Produkte und Technologien sind wesentliche<br />
Voraussetzungen, damit sich Ressourcen besser nutzen lassen.<br />
Doch hierzu bedarf es vieler Innovationen. „Wissenschaft<br />
und Forschung sind die ehrgeizigen Eltern des Fortschritts“,<br />
sagte Dr. Klaus Engel, Vorsitzender des Vorstandes der<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> AG, bei<br />
der Eröffnung der Konferenz.<br />
<strong>Evonik</strong> hat diesen Zusammen<br />
hang schon lange verinnerlicht:<br />
„Ein Fünftel unseres<br />
Chemieumsatzes machen<br />
wir mit Produkten, die jünger<br />
als fünf Jahre sind“, so<br />
Engel.<br />
Dr. Klaus Engel<br />
Vorsitzender des Vorstandes<br />
der <strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> AG<br />
6 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
<strong>Evonik</strong> hatte im Oktober 2008 das SciencetoBusiness<br />
(S2B) Center Eco² unter Leitung der strategischen Forschungseinheit<br />
Creavis Technologies & Innovation gegründet,<br />
in dem Experten interdisziplinär Lösungen für Res sourcen<br />
und Energieeffizienz entwickeln. Auf der Suche nach<br />
einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen arbeiten sie<br />
nicht nur mit anderen Kon zernbereichen zusammen, sondern<br />
auch mit rund 40 externen Partnern aus Forschung und<br />
Wirtschaft. Kein Wunder, dass „<strong>Evonik</strong> Meets Science“<br />
dieses Mal die Forschungsthemen des S2BCenters Eco²<br />
aufgriff und damit die Initiative des BMBF nachdrücklich unterstützte<br />
– ebenso wie mit Aktions tagen für Schülerinnen<br />
und Schüler, die den Nachwuchs für Naturwissenschaften,<br />
Technik und ganz besonders für das Zukunftsthema Energie<br />
begeistern sollen.<br />
Dr. Stefan Nordhoff, Leiter des S2BCenters Eco², betonte,<br />
dass Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz sowie profitables<br />
Geschäft sich keineswegs ausschließen müssen:<br />
„Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem<br />
vergangenen Jahr hat aufgezeigt,<br />
dass es verschiedene<br />
Tech nologien gibt, mit denen<br />
sich bereits heute und<br />
vermehrt in Zukunft Geld<br />
verdienen lassen wird.“ Das<br />
Portfolio des S2BCenter Eco²<br />
ist klar auf diese Wachs tumsfelder<br />
ausgerichtet. >>><br />
Dr. Stefan Nordhoff<br />
Leiter des S2B-Centers Eco²<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
Open Innovation<br />
e v o n i k M e e t S S c i e n c e 2 0 1 0<br />
Der Blick über den tellerrand kann hilfreich sein, besonders<br />
in einer Zeit der technologischen umbrüche, wie sie die<br />
Gesellschaft derzeit im energiesektor erlebt. Daher widmete<br />
sich das wissenschaftsforum evonik Meets Science diesmal<br />
den themen energie und ressourceneffizienz. „evonik<br />
positioniert sich hier als innovationsstarkes unternehmen<br />
und will diese Position weiter ausbauen“, gab Dr. thomas<br />
Haeberle, Mitglied der Geschäftsführung der evonik Degussa<br />
GmbH, den teilnehmern der konferenz mit auf den weg.<br />
„chemie und energie sind starke Partner auf diesem weg,<br />
wie zum Beispiel das lithiumelektrizitätsSpeichersystem<br />
leSSY zeigt“, ergänzte Joachim rumstadt, vorsitzender der<br />
Geschäftsführung der evonik Steag GmbH.<br />
Dr. Peter nagler, leiter innovation Management chemi cals<br />
& creavis bei evonik, verwies auf die strategischen Forschungsaktivitäten<br />
des unternehmens, die in geschäftsbereichsübergreifenden<br />
kompetenzfeldern (Areas of com petence),<br />
Projekthäusern und SciencetoBusiness (S2B)<br />
centern gebündelt sind. „Bei den S2Bcentern erarbeiten<br />
wir innovationen, die mit größeren Forschungsrisiken<br />
verbunden sind“, so nagler.<br />
Das S2Bcenter eco² unter leitung der creavis ist eine der<br />
einrichtungen für diesen Blick über den tellerrand. es vereint<br />
fünf entwicklungs linien und ein übergreifendes thema:<br />
co 2Abtrennung und nutzung, energieerzeugung, ener gieeffizienz<br />
kun den lösun gen, energiespeicherung und energieeffizienz<br />
in evonikProzessen sowie als übergreifendes<br />
element das thema life cycle Assessment (s. elements 31).<br />
Zu jeder dieser entwick lungslinien berichteten bei „evonik<br />
Meets Science“ externe Partner von Hochschulen aus ihrer<br />
Sicht über den Stand der technologie. Den Abschluss der<br />
zweitägigen veranstaltung bildete ein interaktiver Markt platz<br />
im S2Bcenter eco², bei dem die Mitarbeiter des centers<br />
anhand zahlreicher expo nate, Grafiken und interaktiver Animationen<br />
ihre Forschungs projekte präsentierten und sich<br />
fachspezifischen Diskussionen stellten. Mit Projekten und<br />
Projektideen wie etwa der stofflichen verwertung von kohlen<br />
dioxid aus Abgasströmen, der entwicklung von leichtbauteilen<br />
für den Automobilbau sowie der intelli genten verwertung<br />
von SteinkohleFlugasche konnten sie überzeugend<br />
darstellen, dass sie mit energie forschen.<br />
Dr. Thomas Haeberle<br />
Mitglied der<br />
Geschäftsführung der<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Joachim Rumstadt<br />
Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung der<br />
<strong>Evonik</strong> Steag GmbH<br />
Dr. Peter Nagler<br />
Leiter Innovation<br />
Management Chemicals<br />
& Creavis bei <strong>Evonik</strong><br />
7
Was ist Ressourceneffizienz?<br />
Doch Ressourceneffizienz ist keineswegs ein eindeutiger<br />
Begriff, wie Prof. Dr. Matthias Finkbeiner vom Institut für<br />
Technischen Umweltschutz der TU Berlin darlegte: Sie lässt<br />
sich entweder verstehen als den größten Nutzen (Value<br />
Added), der sich mit dem geringsten Rohstoffeinsatz erzielen<br />
lässt, oder im breiteren Sinn der EUKommission. Diese<br />
hat im Jahr 2005 den Begriff Ressource so definiert, dass<br />
nicht nur Rohmaterialien, sondern auch biotische Ressourcen,<br />
erneuerbare Energien, Landflächen, sowie Luft, Wasser<br />
und Erde dazu gehören. Sie alle gehen als Faktoren in den<br />
Nenner der Ressourceneffizienz ein, deren Zähler der Value<br />
Added ist. Ein Life Cycle Assessment (LCA) erfasst dann jeglichen<br />
Input und Output eines Sys tems, das sich für ein bestimmtes<br />
Produkt von der Ge winnung der Rohmaterialien<br />
über Produktion, Wartung und Gebrauch bis zum Recycling<br />
und der Entsorgung erstreckt. Ein LCA lässt sich auch operativ<br />
begleitend einsetzen, wenn sich ein Produkt noch in<br />
der Entwicklung befindet. „Die Methode eignet sich also auch<br />
als RisikoScree ning“, so Finkbeiner. „International hat sich<br />
die Ökobilanz als die am meisten anerkannte Methode für<br />
eine Bewertung der Umweltauswirkungen etabliert, weil sie<br />
als einzige ein weites Feld von Anwendungen konsistent und<br />
länderübergreifend harmonisiert abdecken kann.“<br />
An einem Beispiel aus der Automobilindustrie machte<br />
Finkbeiner jedoch auch deutlich, dass sich ein LCA letztlich<br />
nie losgelöst von Werten betrachtet lässt: Denn die bloßen<br />
Indikatoren können die Ökobilanz eines Kleinwagens besser<br />
oder schlechter ausfallen lassen als die einer Luxuslimousine.<br />
Das Ergebnis einer Berechnung hängt neben der Definition<br />
der Ressourceneffizienz und dem, was alles als Ressource in<br />
die Betrachtung mit einbezogen wird, auch von den gewählten<br />
Indikatoren für den Value Added und die Umweltbela stung<br />
ab.<br />
Trotz dieser Einschränkungen ist Finkbeiner davon überzeugt,<br />
dass das Konzept der Ressourceneffizienz eine nachhaltige<br />
Entwicklung begünstigt. Er verglich die Situation mit<br />
der aus der Psychologie bekannten Maslowschen Pyramide,<br />
wonach zunächst die Grundbedürfnisse eines Individuums<br />
befriedigt sein müssen, bevor es die nächste Stufe erklimmen<br />
kann – etwa kulturelles Schaffen. Ein Umwelt und<br />
NachhaltigkeitsAssessment sei ganz ähnlich strukturiert, so<br />
der Geoökologe: „Erst kann sich ein Unternehmen zum Bei<br />
Prof. Dr. Matthias Finkbeiner<br />
vom Institut für Technischen<br />
Umweltschutz der TU Berlin<br />
spiel über seinen Carbon<br />
Footprint Gedanken machen,<br />
bevor dieser in ein LCA ausgebaut<br />
wird.“ An der Spitze<br />
der Pyramide steht dann das<br />
Life Cycle Sustainability Assessment,<br />
das auch wertorentierte<br />
gesellschaft liche Aspekte<br />
berücksichtigt.<br />
CCS als tragfähige Zwischenlösung<br />
Dass es bei Technologiefragen nicht immer nur um langfristige<br />
Ziele gehen kann, sondern auch um temporäre<br />
Lösungen, verdeutlichte Prof. Dr. Klaus Görner, Inhaber des<br />
Lehrstuhls für Umweltverfahrenstechnik und Anlagentechnik<br />
der Universität DuisburgEssen, anhand der Abtrennung<br />
und geologischen Speicherung von CO2 (CCS, Carbon Capture<br />
and Storage): „Es ist eine Brückentechnologie für die<br />
Kraftwerkstechnik, wenn man die politisch vorgegebenen<br />
Ziele zur Reduktion der CO2Emissionen in der EU erreichen<br />
will.“<br />
Moderne fossile Kraftwerke erreichen Wirkungsgrade<br />
zwischen 43 (Braunkohle), 46 (Steinkohle) und 60 Prozent<br />
(Gas). Steinkohlebefeuerte Dampfkraftwerke, die solche<br />
Wirkungsgrade erreichen, arbeiten bei 600 °C. Eine Stei gerung<br />
des Wirkungsgrades auf mehr als 50 Prozent lässt sich<br />
durch eine höhere Temperatur (700 °C) erreichen, wie sie<br />
für die nächste Kraftwerksgeneration angedacht ist. Allerdings<br />
wird das nach Meinung von Görner allein nicht ausreichen,<br />
um die Klimaziele der EU zu erfüllen. Denn nur mit<br />
einer höheren Energieeffizienz der Kraftwerke, dem Einsatz<br />
erneuerbarer Energien und weiteren Optimierungs maßnahmen<br />
ist in Europa ein Niveau der CO2Emissionen von<br />
20 Prozent unterhalb des 1990erWertes erreichbar.<br />
Um das ambitionierte Ziel einer weiteren Reduktion auf<br />
insgesamt 30 Prozent zu erreichen, bietet sich unter anderem<br />
die oben erwähnte CCSTechnologie an. Die CCSTechnologie<br />
kann 90 Prozent des Kohlendioxids aus dem Kraftwerk<br />
abfangen. „CCS eignet sich für Neu und teilweise<br />
auch für Altanlagen“, sagte Görner. „Transport und Spei cherung<br />
sind technisch realisierbar, aber womöglich nicht gesellschaftlich<br />
akzeptiert.“ Die Abtrennung im Kraftwerk<br />
kann mit drei verschiedenen Technologien erfolgen, bei denen<br />
das CO2 entweder vor der eigentlichen Verbrennung<br />
der vergasten Kohle (PreCombustion), während (OxyCombustion)<br />
oder nach ihr abgetrennt wird, als letzter Schritt<br />
der Rauch gasreinigung (PostCombustion). Alle Ansätze<br />
führen allerdings dazu, dass der Wirkungsgrad des<br />
Kraftwerks nach dem derzeitigen Stand der Technik um 9<br />
bis 13 Prozent sinkt, weil für die Abtrennung Energie erforderlich<br />
ist. Hier ist es die Aufgabe der Wissenschaft, in<br />
Zusammenarbeit mit den Herstellern und Betreibern dazu<br />
beizutragen, dass mit dem Anheben des Basiswirkungsgrades<br />
auf über 50 Prozent und der<br />
Reduzierung der Wir kungsgradeinbuße<br />
auf unter 8 Prozentpunkte<br />
ein Net towirkungsgrad<br />
von deut lich über<br />
40 Prozent erreicht wird.<br />
Nur so werden die Ressource<br />
Kohle und gleichzeitig die<br />
Umwelt geschont.<br />
Prof. Dr. Klaus Görner<br />
Inhaber des Lehrstuhls für Umweltverfahrens-<br />
und Anlagen technik der<br />
Universität Duisburg-Essen<br />
8 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Faserverbundwerkstoffe machen Autos leichter<br />
Neben der Energiewirtschaft kommt auch der Mobilität eine<br />
besondere Bedeutung bei der künftigen Vermeidung von<br />
CO2Emissionen zu. Ein Ansatz ist es, die Fahrzeuge leichter<br />
zu machen. Solche gewichtsreduzierten Strukturbauteile<br />
für Pkw lassen sich aus Faserverbundwerkstoffen fertigen,<br />
wie sie heute bereits in der Luft und Raumfahrt Einzug gehalten<br />
haben. „Bislang erfolgte die Herstellung von solchen<br />
Bauteilen überwiegend in Handarbeit, im Automobilbau sind<br />
jedoch automatisierte Prozesse mit kurzen Taktzeiten gefordert“,<br />
sagte Prof. Dr. Thomas Gries, Inhaber des Lehrstuhls<br />
für Tex tilmaschinenbau am Institut für Tex tiltechnik<br />
der RWTH Aachen. Gries koordiniert die interdisziplinäre<br />
Zusam men arbeit der Aachener Wissenschaftler, die Faserverbund<br />
werk stoffe erforschen. Sie befassen sich mit Produkten,<br />
Produktionsmaschinen und Prozessen sowie<br />
Design, Simu la tions und Messverfahren für die textilen<br />
Halbzeuge und die Compositebauteile.<br />
Ein wichtiger Schritt hierbei ist die robotergestützte<br />
Herstellung endkonturnaher textiler Preforms. In solchen<br />
dreidimensionalen Textilstrukturen sind die Verstär kungsfasern<br />
im späteren Bauteil entsprechend der inneren Kraftflüsse<br />
orientiert, sorgen also für maximale mechanische<br />
Steifigkeit und Festigkeit bei möglichst geringem Gewicht.<br />
„Die Produktionstechnik haben wir hierfür inzwischen entwickelt,<br />
nun konzentrieren wir uns auf die Engineeringund<br />
Planungstools“, sagte Gries. Erste Anwendungen in<br />
Fahr zeugen gibt es bereits. Allerdings stehen Textil composites<br />
noch am Anfang. Sie eignen sich bislang nur für<br />
Stückzahlen unter 100.000 pro Jahr.<br />
Neben dem Fahrzeugbau sieht der Ingenieur auch in der<br />
Energietechnik Potenzial für Faserverbundwerkstoffe. Bei<br />
Windkraftwerken etwa werden die Rotordurchmesser weiter<br />
steigen, was den Leichtbau befeuert. Gerade für die<br />
Lastoptimierung der Bauteile<br />
werden textile Strukturen<br />
in teressant sein. Und auch<br />
Brennstoffzellen könnten<br />
von Fa ser verbundwerk stoffen<br />
pro fitieren, nämlich als<br />
Festig keits träger von Polymer<br />
membranen.<br />
Prof. Dr. Thomas Gries<br />
Inhaber des Lehrstuhls für Textilmaschinenbau<br />
am Institut für<br />
Textiltechnik der RWTH Aachen<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
>>><br />
e v o n i k M e e t S S c i e n c e 2 0 1 0<br />
Multiaxialgelege mit integrierten Stringern (oben)<br />
Dreidimensionaler textiler Preform für einen PKW-Unterboden (Mitte)<br />
Konzept einer automatisierten robotergestützten Preformherstellung (unten)<br />
Schneiden<br />
In-line QM<br />
Handling<br />
Preformcenter<br />
Binder-Auftrag<br />
Nähen<br />
RWTH Aachen<br />
9<br />
RWTH Aachen
Sichere Energieversorgung braucht<br />
leistungsfähige Energiespeicher<br />
Doch egal, wie leicht ein Fahrzeug durch bauliche Maß nahmen<br />
werden kann oder wie viel CO 2 sich abscheiden lässt,<br />
letztlich geht es bei der mobilen und der stationären Energie<br />
versorgung von morgen auch immer um die Frage der<br />
Speicherung von Energie. Denn erneuerbare Energien führen<br />
ansonsten zu einer sehr ungleichmäßigen Belastung der<br />
Versorgungsnetze, die im Moment durch regelbare Kraftwerke<br />
und zum geringen Teil durch Pumpspeicherwerke ausgeglichen<br />
werden, deren Potenzial allerdings limitiert ist.<br />
Mit hohen Wirkungsgraden gelingt die Speicherung<br />
elektrischer Energie nur in Akkumulatoren und Superkonden<br />
satoren. Prof. Dr. Martin Winter vom Institut für Physikalische<br />
Chemie der Westfälischen WilhelmsUniversität<br />
Münster glaubt, dass dabei der LithiumIonenTechnologie<br />
eine besondere Rolle zukommt. Vier Gründe sprechen in<br />
seinen Augen dafür: die hohe Zellspannung, die großen<br />
Energie und Leistungsdichten, die geringe Selbstent ladungs<br />
rate und die Möglichkeit, die gesamte Kapazität ohne<br />
Batterieschädigung ausnutzen zu können. „Die Lithium<br />
IonenBatterie ist eine evolutionäre Technologie, weil sie<br />
auf eine große Zahl von Materialmöglichkeiten zurückgreifen<br />
kann. Sie eignet sich hervorragend für die schnelle<br />
Pufferung von Stromspitzen auf der Zeitskala von Stunden“,<br />
so Winter. Sie bietet sich für dezentralisierte Energiespeicher<br />
kleiner bis mittlerer Größe an. Auch in künftigen VehicletoGridKonzepten,<br />
bei denen die Akkus von Elektro fahrzeugen<br />
als kurzfristige Puffer für Spitzen dienen würden,<br />
dürfte die LithiumIonenTechnologie eine Rolle spielen. Dabei<br />
macht man sich zunutze, dass viele Fahrzeuge den Großteil<br />
des Tages nicht bewegt werden.<br />
Aber auch für den stationären Bereich gibt es konkrete<br />
Vorstellungen: Beim saarländischen <strong>Evonik</strong>Kohlekraftwerk<br />
Völklingen entsteht noch in diesem Jahr der Prototyp LESSY<br />
(LithiumElektrizitätsSpeichersystem), der aus rund 5000<br />
einzelnen LithiumkeramikZellen bestehen wird. Mit einer<br />
Ein und Ausspeicherleistung von 1 MW und einer Speicherkapazität<br />
von 700 kWh soll LESSY Primärregelenergie bereitstellen.<br />
An der Realisierung des Projekts ist neben<br />
<strong>Evonik</strong>, der LiTec Battery GmbH – einem gemeinsamem<br />
Joint Venture mit der Daim ler AG – und weiteren Part nern<br />
auch die Universität Münster unter Winters Fe der führung<br />
beteiligt; es wird im Rahmen<br />
der Forschungs initiative LIB<br />
2015 vom Bun des ministerium<br />
für Bildung und Forschung<br />
gefördert.<br />
Prof. Dr. Martin Winter<br />
vom Institut für Physikalische<br />
Chemie der Westfälischen<br />
Wilhelms-Universität Münster<br />
Wasserstoff als künftiger Primärenergiespeicher?<br />
Im Vergleich zur LithiumIonenTechnologie befindet sich<br />
die nachhaltige Herstellung von Wasserstoff noch in den<br />
Kinderschuhen. Das flüchtige Gas wäre ein interessanter<br />
Pri märenergiespeicher, weil er mehr Energie pro Gewichtseinheit<br />
enthält als jeder andere chemische Brennstoff.<br />
„Derzeit entstehen jedoch 96 Prozent des Wasserstoffs aus<br />
fossilen Energiequellen. Erneuerbare Energien wären wünschenswert,<br />
damit Wasserstoff eine größere Rolle in nachhaltigen<br />
Energiekonzepten spielen kann“, sagte Dr. Henrik<br />
Junge, Themenleiter am LeibnizInstitut für Katalyse e.V.<br />
(LIKAT). Das LIKAT erforscht dazu die fotokatalytische<br />
Wasserstoffherstellung aus Wasser und – als Speicher – die<br />
Freisetzung von Wasserstoff aus Ameisensäure.<br />
Für den ersteren Fall untersucht das LIKAT einen Fo tosensibilisator<br />
auf IridiumBasis, der in einen Eisenkomplex<br />
eingelagert ist, und erreicht damit eine Umsatzzahl (als Maß<br />
für die Effektivität des Katalysators) von 3.000. In einem<br />
Versuchsaufbau lieferte eine Brennstoffzelle damit für eine<br />
halbe Stunde 18 mW konstante Leistung. Dem zweiten<br />
LIKATProjekt, der Wasserstofffreisetzung aus Ameisensäure,<br />
liegt ein CO2neutraler Zyklus zu Grunde. Ein<br />
RutheniumKatalysator dient dazu, den Wasserstoff frei zu<br />
setzen. Im Labormaßstab bei Raumtemperatur lief der Prozess<br />
länger als elf Tage und erreichte eine Ausbeute von 99<br />
Prozent: stündlich 0,9 Liter<br />
Wasserstoff. Bis zu einer industriellen<br />
Anwendung der<br />
LIKATProjekte ist es allerdings<br />
noch ein gutes Stück<br />
Weg. Junge verglich den erreichten<br />
Stand mit der Situation<br />
in der Kernfusions forschung.<br />
Dr. Henrik Junge<br />
Themenleiter am Leibniz-Institut<br />
für Katalyse e.V.<br />
10 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Die Energie der Zukunft hat viele Quellen<br />
Zu künftigen chemischen Speichern auf der Basis von Wasserstoff<br />
gibt es in den Augen von Prof. Dr. Ferdi Schüth,<br />
Direk tor am MaxPlanckInstitut für Kohlen forschung in<br />
Mülheim an der Ruhr, auch mögliche Alternativen, die sich<br />
zumindest aufgrund der erreichbaren Energiedichten anböten<br />
wie etwa Methanol, Kohlenwasserstoffe, Methan oder<br />
Ethanol. Alle Substanzen haben jedoch auch Nachteile oder<br />
unterliegen spezifischen Einschränkungen.<br />
Schüth wies in seinem Vortrag auch darauf hin, dass die<br />
Speicherdichten von LithiumIonenBatterien für Fahrzeuge<br />
den vor sechs Jahren prognostizierten Werten hinterherhinken<br />
und sich eine Plateaubildung abzeichnet. „Natürlich<br />
sollte man diese Technologie weiter intensiv erforschen, mit<br />
der Industrie als Schrittmacher“, so Schüth, „aber man sollte<br />
sich auch schon jetzt mit dem beschäftigen, was nach der<br />
LithiumIonenTechnologie kommt.“<br />
Schüth sieht unsere Energieversorgung vor einem Pa radigmenwechsel.<br />
Vereinfacht dargestellt ist sie derzeit durch<br />
eine weitgehend isolierte Nutzung unterschiedlicher Primär<br />
energieträger gekennzeichnet: Die Elektrizität entstammt<br />
Kohle und Kernkraftwerken, während Wärme und<br />
Mobilität durch Öl und Erdgas gedeckt werden. Schüth erwartet,<br />
dass Elektrizität und Mobilität – über das Bindeglied<br />
Energiespeicher – künftig als Anwendungsfelder miteinander<br />
verschmelzen werden, was die Energieversorgung betrifft.<br />
Dabei werden wir es zu tun haben mit einer Mischung,<br />
die aus Kernkraft, Kohle, Solarthermie, Fotovoltaik, Wasserund<br />
Windkraft, Geothermie, Erd und Biogas sowie Öl bestehen<br />
könnte. Der Wärmebedarf wird künftig dagegen primär<br />
solarthermisch gedeckt, zu einem kleinen Teil durch<br />
Öl, Erd und Biogas. Eine Energieversorgung, die also auf<br />
vielen Säulen ruhen wird, statt auf einigen wenigen.<br />
Wobei die Entscheidung, welche Technologie sich für<br />
welches Land und welche Anwendung am besten eignet,<br />
letztlich auch eine gesellschaftliche ist. Dass zum Beispiel<br />
Brasilien eine Ethanol energiewirtschaft<br />
auf Zuckerrohr<br />
basis betreibt, senkt die<br />
CO2Emis sionen deutlich, erhöht<br />
aber wegen des Düngemit<br />
tel ein satzes die Phosphat<br />
belastung der dortigen<br />
Gewässer. l<br />
Prof. Dr. Ferdi Schüth<br />
Direktor am Max-Planck-Institut<br />
für Kohlenforschung in Mülheim<br />
an der Ruhr<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
e v o n i k M e e t S S c i e n c e 2 0 1 0<br />
Die Energieversorgung heute<br />
Atomkraft<br />
Strom Wärme Mobilität<br />
Erdgas<br />
Mögliches Szenario für die künftige Energieversorgung<br />
Atomkraft<br />
Braunkohle<br />
Kohle<br />
Steinkohle<br />
Strom Traktions- Mobilität<br />
batterie<br />
Speicherung<br />
Solartherme<br />
Speicherung<br />
Photovoltaik<br />
Wasser<br />
Geothermie etc.<br />
Speicherung<br />
Wind<br />
Methanspeicherung<br />
Erd- und Biogas<br />
Öl<br />
Öl<br />
Wärme<br />
Wärmespeicher<br />
Solarthermie<br />
11
P r o J e k t H A u S F u n c t i o n A l F i l M S & S u r F A c e S<br />
transferleistung als Maßstab des<br />
Das Projekthaus Functional Films & Surfaces hat als siebtes Projekthaus unter leitung der<br />
strate gischen Forschungseinheit creavis technologies & innovation seine Arbeit erfolgreich<br />
beendet. Ausschlaggebend für den erfolg waren vier Schlüsselfaktoren: ein konsequentes<br />
Pro jekt management, die richtige kombination aus externen und internen kompetenzen, offenheit<br />
auch für unbequeme wahrheiten und das passende, motivierte team.<br />
Am Anfang standen 100 Projektideen, unterschiedlich<br />
weit entwickelt, unterschiedlich gut durchdacht.<br />
Entstanden waren sie bei unzähligen<br />
Gesprächen innerhalb des Geschäftsfelds Chemie<br />
von <strong>Evonik</strong>. Über ein halbes Jahr hinweg hatte Dr. Jochen<br />
Ackermann, Leiter des damals in der Gründung befindlichen<br />
Projekthauses Functional Films & Surfaces, die Idee<br />
des Projekthauses in den Konzern hineingetragen – zu den<br />
Leitern der Geschäftsbereiche und Geschäftsgebiete und zu<br />
den Forschungsleitern. Offizieller Startschuss des Pro jekthauses<br />
war der 1. Januar 2007, so dass es am 31. Dezember<br />
2009 enden würde – die üblichen drei Jahre Laufzeit eines<br />
Projekthauses als Element der strategischen Forschungs und<br />
Entwicklungseinheit Creavis Technologies & Innovation im<br />
<strong>Evonik</strong>Konzern. „Mit diesem Ansatz lassen sich neue<br />
Marktfelder, Material und Systemkompetenzen, Produktinno<br />
vationen und Technologien erschließen, für die im<br />
Arbeitsalltag der Geschäftsbereiche nicht genug Zeit wäre“,<br />
sagt Dr. Harald Schmidt, Leiter der Creavis.<br />
Nun, im Spätjahr 2006, galt es, die 100 Projektideen zu<br />
bewerten: Wie sah der Markt aus? Welche Kompetenzen<br />
ließen sich innerhalb des Konzerns in der relativ knappen<br />
Zeit von drei Jahren aufbauen? Welche Mitarbeiter aus den<br />
Geschäftsbereichen stünden zur Verfügung? Inwiefern gäbe<br />
es patentrechtliche oder technologische Hürden? Und wer<br />
böte sich als potenzieller Entwicklungspartner außerhalb<br />
des Konzerns an? In der Sitzung des Lenkungsausschusses,<br />
dem Vertreter des TopManagements angehören – Vorstände,<br />
Geschäfts führer der <strong>Evonik</strong> Degussa GmbH sowie Leiter der<br />
Geschäftsbereiche, Geschäftsgebiete und der Creavis –, fiel<br />
dann die Entscheidung für elf konkrete Projekte.<br />
Der Lenkungsausschuss legte auch Konzept, Kosten,<br />
Ressourcen und Ziele fest. „Jedes Projekt sollte einen<br />
Demonstrator auf Systemniveau liefern, also nicht nur ein<br />
Labormuster, sondern möglichst Produktionsmuster, die in<br />
der Endanwendung verbaut und getestet wurden“, sagt<br />
Ackermann. „Außerdem sollte ein Geschäftsplan für jedes<br />
Projekt vorliegen, aus dem zu entnehmen ist, was die<br />
12 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Erfolgs<br />
Geschäftsbereiche zur Umsetzung des Projektes in nachhaltiges<br />
Geschäft zu tun hätten, wie hoch die notwendigen<br />
Investitionen sein würden, wie das spätere Geschäftsmodell<br />
aussehen könnte und was man von der Finanzplanung zu erwarten<br />
hat.“<br />
Wenn du scheiterst, scheitere früh<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
Dr. Jochen Ackermann<br />
(6. von links) mit<br />
seinem 15-köpfigen<br />
Projekthausteam<br />
Das neu gegründete Projekthaus folgte einem klaren<br />
Projektmanagementplan, der die drei Jahre in die Phasen<br />
Exploration (erstes Jahr), Definition (zweites Jahr) und<br />
Validierung (drittes Jahr) unterteilte. „Nach dem ersten Jahr<br />
legten wir für alle Projekte das konkrete Entwicklungsziel<br />
und die dazu gehörige detaillierte Meilensteinplanung für<br />
die restlichen zwei Jahre fest, von denen es dann auch kein<br />
großes Abweichen mehr gab“, so Ackermann.<br />
Zuvor wurde in Absprache mit den beteiligten Geschäftsbereichen<br />
und dem Lenkungsausschuss das Projektportfolio<br />
um vier Projekte reduziert, weil sie sich nicht sinn<br />
i n n o v A t i o n M A n A G e M e n t<br />
voll realisieren ließen. Verschiedene Gründe gaben dafür<br />
den Ausschlag: Manches Projekt war zu forschungsintensiv<br />
für die zur Verfügung stehende Zeit, die patentrechtliche<br />
Lage war problematisch, es gab kein für <strong>Evonik</strong> sinnvolles<br />
Geschäftsmodell, eine sehr hohe Investition wäre erforderlich<br />
gewesen oder man kam mit der Idee einfach zu spät für<br />
den Markt. „Wenn du scheiterst, scheitere früh“, sagt Ackermann.<br />
Nur so ließe sich ein Herumdümpeln von Projekten<br />
mit ungewissem Ausgang vermeiden – eine Hängepartie, die<br />
letztlich weder dem Projekthaus noch dem Konzern etwas<br />
brächte.<br />
Die weitergeführten sieben Projekte (siehe Kasten S. 15)<br />
ließen sich in zwei Kategorien aufteilen: Zur einen gehörten<br />
die Projekte, bei der das Projekthaus eine Produkt oder<br />
Systemkompetenz aufbaute, bei der anderen Kategorie stand<br />
die Entwicklung einer Technologieplattform im Vorder grund.<br />
Im ersten Jahr des Projekthauses ging es vor allem um die<br />
Bewertung der Projekte und die Bildung eines schlagkräftigen<br />
Teams. Im Schnitt gehörten ihm 15 Mitarbeiter an. Im<br />
zweiten Jahr und der ersten Hälfte des dritten Jahres liefen<br />
dann vor allem die Versuche in den Labors, bevor es ab<br />
Mitte des dritten Jahres um den Transfer der Entwicklungen<br />
in den Konzern ging.<br />
Aus einer Auditierung und einer Lebenszyklusanalyse<br />
vergangener Projekthäuser konnten die Mitarbeiter des Projekthauses<br />
Functional Films & Surfaces wichtige Schlüsse<br />
ziehen: „Wenn man kein anwendungsspezifisches Knowhow<br />
im eigenen Haus hat, sollte man jemanden aus der entsprechenden<br />
Anwenderindustrie hinzuziehen“, erklärt Ackermann.<br />
„Solche Schritte haben uns teilweise erst die Augen<br />
geöffnet, in welche Richtung wir tatsächlich weiterentwickeln<br />
müssen.“ Auch ein Technologieberater mit einem<br />
guten Überblick und entsprechenden Kontakten sei hilfreich,<br />
denn für manche Versuche und Testläufe habe man weder<br />
die Zeit noch die Mittel, um sie im eigenen Hause durchzuführen.<br />
Der hervorragende Ruf der Projekthäuser bei Kunden<br />
und Partnern erleichterte dieses Vor gehen. >>><br />
13
Im Projekthaus unter anderem<br />
entwickelt:<br />
Beschichtetes Gum mi granulat als<br />
Infill für Kunstrasen (oben)<br />
Folie aus PLEXIGLAS®, auf deren<br />
Oberfläche Fresnel-Linsen erzeugt<br />
wurden. Derartige mikrostrukturierte<br />
Folien ließen sich beispielsweise als<br />
Solarkon zen tratoren in der Fotovoltaik<br />
nutzen (unten)<br />
Flexible Leiterplatten auf Basis von<br />
Polymer folien (rechts)<br />
Als weiteres wichtiges Element für den Erfolg haben sich<br />
die sogenannten operativen Projektteams herausgestellt. „In<br />
ihnen waren neben dem Projektleiter von Seiten des Projekthauses<br />
Kollegen aus den Geschäftsbereichen vertreten“,<br />
sagt Ackermann. Produktmanager, Vertriebsexperten, Controller,<br />
Entwickler, Anwendungstechniker – Kollegen, die<br />
das Projekt in der ein oder anderen Form aktuell oder später<br />
betraf. „Diese Treffen haben wir immer sehr stringent<br />
vorbereitet und es ergaben sich daraus auch konkrete<br />
Aufgaben für die Teilnehmer.“ Und der Geschäfts bereich<br />
befand sich durch diese fast monatlichen Bespre chungen<br />
immer auf dem aktuellen Stand der Informationen.<br />
Paten garantieren erfolgreichen Transfer<br />
Die kritische Phase eines Projekthauses ist in Ackermanns<br />
Augen dann der Transfer der Projektergebnisse in den<br />
Konzern. „Bereits Mitte des dritten Jahres nahmen wir dazu<br />
Gespräche auf.“ Wann soll der Transfer erfolgen und wohin,<br />
waren die beiden zentralen Fragen. Dabei bewährte<br />
sich, dass dem Projekthaus vom Management zugestanden<br />
wurde, bis zum Ende der DreiJahresFrist zu forschen und<br />
14 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Die Projekte<br />
Barrierefolien für flexible Dünnschicht-Fotovol taik module:<br />
ersatz der starren Glassabdeckung bei Dünnschichtsolarmodulen<br />
durch eine PleXiGlAS® basierte Barrierefolie, die dauerhaften<br />
Schutz vor witterungseinflüssen bietet und eine dem Glas mindestens<br />
vergleichbare transparenz für Sonnenlicht und Barriere<br />
gegen wasserdampf und Sauerstoff aufweist. Status: trans feriert<br />
in den Geschäftsbereich; liegt als rollenware aus Produktionsversuchen<br />
vor, Bemusterung bei kunden.<br />
Lumineszenz-Solarkonzentratoren: ein konzentrator auf der<br />
Grundlage von PleXiGlAS® Platten soll die Ausbeute konventioneller<br />
Solarzellen steigern. Dazu verschiebt er teile der einfallenden<br />
Sonnenstrahlung, auf die das Halbleitermaterial der<br />
Zellen wegen seiner definierten Bandlücke nicht ansprechen<br />
würde, in einen wellenlängenbereich, in dem die Solarzellen<br />
absorbieren können. Status: Demonstrator liegt vor.<br />
Flexible Leiterplatten auf Basis von Polymerfolien: ent wicklung<br />
eines kosteneffizienten kupferPolymerlaminats auf Basis<br />
von Hochtemperaturkunststoffen, mit dessen Hilfe sich flexible<br />
Platinen fertigen lassen. Status: transferiert in den Ge schäftsbereich;<br />
Pilotanlage zur Musterproduktion.<br />
Beschichtetes Gummigranulat als Infill für Kunstrasen: entwick<br />
lung eines Gummigranulats auf Basis von zerkleinertem<br />
Altreifen, das als infill für kunstrasen dient. ein neu entwickelter<br />
Zweikomponentenlack als Beschichtung ermöglicht Gra nu<br />
erst dann den konkreten Transfer einzuleiten. Diese Phase<br />
endete nun zur Jahresmitte; Ackermann selbst ist seit Mai<br />
2010 Leiter Business Development des Geschäftsgebiets<br />
Acrylic Polymers.<br />
„Für jeden Transfer wurde ein Pate innerhalb des<br />
Geschäftsgebiets benannt, der künftig das Projekt beziehungsweise<br />
das Produkt unter seinen Fittichen hat“, erläutert<br />
Ackermann. „Und erstmals bei einem Projekthaus werden<br />
diese Paten im Jahr 2011 auch dem Lenkungsausschuss<br />
über den Fortgang im Geschäftsbereich berichten“, ergänzt<br />
Schmidt.<br />
Vier Faktoren haben laut Ackermann den Erfolg des<br />
Projekthauses bestimmt:<br />
• Das konsequente Projekt und Portfoliomanagement<br />
• Die wichtige Entscheidung, ob Kompetenzen intern<br />
und/oder extern fundamental aufgebaut werden<br />
• Die Kontakte zu Kooperationspartnern unter dem<br />
Schlagwort „Open Innovation“, die von formalen F&E<br />
Kooperationsverträgen bis zur Nutzung von Versuchs<br />
und Produktionsanlagen reichten<br />
• Und der Aufbau eines schlagkräftigen und vor allem<br />
hoch motivierten Teams.<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
i n n o v A t i o n M A n A G e M e n t<br />
late, die wesentliche vorteile gegenüber heute marktüblichen<br />
Angeboten haben. Status: Aufbau des Geschäfts durch die<br />
crea vis technologies & innovation; Scaleup in den Pro duktions<br />
maßstab beim kunden.<br />
Oberflächenfunktionalisierung von PLEXIGLAS®: entwicklung<br />
einer technologieplattform zur inlineFunktionalisierung<br />
von PleXiGlAS® Halbzeugen, die hochglänzende oder matte<br />
oberflächen mit hoher Abriebbeständigkeit ermöglicht – integriert<br />
in den Produktionsprozess. Status: transferiert in den Geschäftsbereich;<br />
Pilotanlage zur Musterproduktion.<br />
Kratzfestmattiertes PLEXIGLAS®: entwicklung einer technologieplattform<br />
für die Herstellung von mattierten Beschichtungen<br />
für PleXiGlAS® Halbzeuge, die einen haptischen effekt<br />
zeigen und sehr abriebbeständig sind – integriert in den<br />
Pro duktionsprozess. Status: transferiert in den Geschäfts bereich;<br />
Scaleup in den Produktionsmaßstab.<br />
Prismatische PLEXIGLAS® Elemente für das Lichtmanagement:<br />
entwicklung einer technologieplattform für die Mikro struk turierung<br />
von PleXiGlAS® oberflächen, mit deren Hilfe sich<br />
lampenabdeckungen aus PleXiGlAS® mit hochpräzisen Prismenstrukturen<br />
für eine gleichmäßige raumausleuchtung ohne<br />
Blendeffekte erzeugen lassen. Status: transferiert in den Geschäfts<br />
bereich; vorstellung des Produktes auf der Messe „light<br />
& Building“ im April 2010.<br />
Ackermann hat seine Mitarbeiter so ausgewählt, dass die<br />
Gruppe eine gute Mischung hatte: erfahrene Forscher, aber<br />
auch Hochschulabsolventen; Jüngere und Ältere, Männer<br />
und Frauen, Physiker, Ingenieure, Chemiker und Materialwissenschaftler.<br />
Während im ersten Jahr der Schwerpunkt auf der Bildung<br />
eines echten Teams lag, konzentrierte man sich im<br />
zweiten Jahr dann auf die Fragen, wo man im Projekt und<br />
wo man persönlich steht und wie das Team funktioniert.<br />
„Meine Projektleiter trugen ihre Ergebnisse oft persönlich<br />
vor dem Lenkungsausschuss und in den Geschäftsbereichen<br />
vor, schließlich handelte es sich ja um ihre Arbeit. Und die<br />
müssen sie auch selbst vertreten.“ Das habe die Motivation<br />
gefördert, das Projekt zum Erfolg zu treiben, aber auch den<br />
Stolz auf das gemeinsam Erreichte. Denn: „Ohne Team bist<br />
du nichts“, sagt Ackermann. l<br />
15
+++ HyaCare® Filler CL – der topische Faltenglätter<br />
in den vergangenen Jahren hat ein altbekannter wirkstoff in verschiedenen<br />
Segmenten des PersonalcareMarkts sein comeback<br />
gefeiert: die Hyaluronsäure. nach wie vor erfüllt sie die<br />
Anforderungen der verbraucher und Hersteller von kosmetischen<br />
Formulierungen. Darüber hinaus wird sie auch oft als Hautfüller<br />
eingesetzt. um diesen trends rechnung zu tragen, bietet das<br />
Geschäftsgebiet care Specialties von evonik eine ganze reihe<br />
von wirkstoffen auf Basis von Hyaluronsäure an.<br />
vernetzte Hyaluronsäure ist bekannt für ihre verwendung als<br />
Hautfüller. Dermatologen injizieren sie direkt in die Haut, um Falten<br />
von innen heraus aufzufüllen. viele verbraucher scheuen jedoch<br />
ein solches invasives und kostspieliges vorgehen. Sie halten<br />
lieber Ausschau nach alternativ verwendbaren kosmetikprodukten<br />
auf Basis von For mulierungen, mit denen<br />
sich der sofortige Faltenstraffungseffekt<br />
von Haut füllern auf andere Art und weise<br />
erzielen lässt. evonik hat deshalb seine<br />
Hyaluron säuretechnologieplattform auf<br />
PersonalcarePro dukte ausgedehnt und<br />
Hyacare® Filler cl als neues Produkt auf<br />
den Markt gebracht. Aufgrund seiner dreidimensio<br />
na len, netzartig aufgebauten<br />
Struk tur trägt Hyacare® Filler cl sofort zu<br />
einer ver ringerung von Gesichtsfalten und<br />
Fältchen bei und sorgt für eine größere<br />
elastizität der Haut. wegen seines hohen<br />
wasser bin dungsvermögens und seiner aus <br />
geprägten, kurzfristig einsetzenden feuchtigkeitsspen<br />
denden eigenschaften unter<br />
stützt Hyacare® Filler cl wirksam die Hydrierung der Haut. es<br />
kann für alle AntiagingAnwendungen verwendet werden, bei<br />
denen sowohl ein sofortiger Faltenstraffungseffekt als auch eine<br />
feuchtigkeitspendende wirkung gewünscht wird.<br />
Hyacare® Filler cl ist eine spezielle variante von Hyacare® in<br />
vernetzter Form. Hyacare® ist ein durch Fermentation gewonnenes,<br />
qualitativ hochwertiges Biopolysaccharid von hoher reinheit,<br />
das mittels eines lösemittelfreien verfahrens hergestellt wird. es<br />
handelt sich hierbei um hautidentische Hyaluronsäure mit einem<br />
mittleren Molekulargewicht von 700 kDa. Aufgrund seiner inhärenten<br />
filmbildenden eigenschaften stellt das Produkt die elastizität<br />
der Haut wieder her und verringert das Faltenbild. Außerdem<br />
verstärkt es auch noch die natürliche kurz und langfristige<br />
erfolgende Feuchtigkeitsaufnahme der<br />
Haut.<br />
ein weiteres Produkt, das auf der<br />
Hyaluronsäuretechnologie basiert, ist<br />
Hyacare® 50, das erste Produkt von evonik<br />
in diesem Bereich. es handelt sich hierbei<br />
um eine Hyaluronsäurevariante mit einem<br />
sehr geringen Molekulargewicht von<br />
50 kDa. Aufgrund seiner hervorragenden<br />
Hautpenetrationseigenschaften verfügt<br />
Hyacare® 50 über eine ausgeprägte Bioaktivität<br />
und kann die Haut dadurch verjüngen,<br />
dass es die engen verbindungszonen<br />
zwischen Dermis und epidermis<br />
wirksam stärkt durch Auffüllen der Falten<br />
von innen heraus.<br />
+++ PLEXIGLAS RESIST® AAA: neue Stegplatte mit AntiAlgenAusstattung<br />
Das schön saubere, transparente Dach der terrasse, des carports<br />
oder des wintergartens schmückt jedes Haus. wie unschön sieht<br />
es jedoch im laufe der Zeit aus, wenn es – wie viele andere<br />
Flächen im Freien auch – durch veralgung einen grünlichenbraunen<br />
Belag bekommt. Dann heißt es: die leiter holen und mit viel<br />
Mühe das Dach reinigen. und das ist manchmal gar nicht so einfach,<br />
denn viele dieser Dächer sind nicht leicht zu erreichen.<br />
wesentlich komfortabler ist die lösung, die evonik jetzt mit<br />
der neuen Stegplatte PleXiGlAS reSiSt® AAA anbietet. Diese<br />
hochwertige Stegplatte der neuen Generation ist die weltweit<br />
erste kunststoffstegplatte mit einer auf nanotechnologie basierenden<br />
„AntiAlgenAusstattung“. Die spezielle Beschichtung nutzt<br />
die natürliche uvStrahlung der Sonne, damit Algen, Moose,<br />
Pollen und andere verschmutzungen die Haftung zur Platte verlieren<br />
oder sich gleich ganz auflösen. Beim nächsten regen werden<br />
die reste des zersetzten Schmutzes nahezu vollständig abgespült.<br />
Dass diese neue funktionale Schicht vollkommen ungiftig<br />
und biologisch neutral ist, versteht sich von selbst.<br />
um auch den gestiegenen Ansprüchen an die farbliche Ge staltung<br />
im Baubereich rechnung zu tragen, gibt es die neue Steg<br />
platte nicht nur in farblos sondern auch in weiß und Grau. Dazu<br />
kommen noch die bekannten Pro dukt vorteile von PleXiGlAS<br />
reSiSt® wie beispielsweise die exzellente uv und witterungsbeständigkeit.<br />
evonik stellt daher für trans parentes PleXiGlAS®<br />
eine 30jährige Garantie gegen ver gilbung aus. Alles in allem ein<br />
eigenschaftsprofil, das dem Haus besitzer viel Freizeit unter einem<br />
sauberen und langlebigen Dach schenkt.<br />
Lieber relaxen statt putzen – mit den neuen<br />
PLEXIGLAS RESIST® AAA Stegplatten<br />
16 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
+++ nano+art-Wettbewerb – Tag und Nacht im Zwergenreich<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
news<br />
optisch eindrucksvolle ergebnisse aus Forschungsarbeiten junger wissenschaftlerinnen, die sich tag und nacht zuordnen lassen,<br />
standen im Mittelpunkt des diesjährigen nano+artwettbewerbs. Die Bundesinititative nano4women hatte dazu – inzwischen zum<br />
fünften Mal – Studentinnen, Absolventinnen und nachwuchswissenschaftlerinnen aufgerufen, die sich an Hochschulen, For schungseinrichtungen<br />
und anderen organisationen in Deutschland und europa mit nanotechnologie beschäftigen.<br />
Angler im Mondlicht der kölnerin Anna reckmann, Ein Leuchten in der Dunkelheit von Maryam Hadji Abouzar aus Aachen und<br />
Nanograsfeld von Aruna ivaturi von der university of cambridge belegten die ersten drei Plätze und erhielten das von evonik<br />
industries gesponserte Preisgeld von insgesamt 1.750 euro.<br />
Bundesweite Partner des Gemeinschaftsprojektes sind neben der evonik industries AG die HelmholtzGesellschaft, die Aktionslinie<br />
hessennanotech des Hessischen wirtschaftsministeriums, das Fraunhoferinstitut für werkstoffmechanik Halle/Saale, die Martinluther<br />
universität Hallewittenberg sowie science2public – Gesellschaft für wissenschaftskommunikation. veranstaltungsort des<br />
diesjährigen nano+artwettbewerbs war das tecHnoSeuM in Mannheim, das noch bis 3. oktober 2010 eine Sonderausstellung<br />
zum thema „nano! nutzen und visionen einer neuen technologie“ zeigt.<br />
Den dritten, mit 250 euro dotierten Platz belegte Aruna ivaturi vom nanoscience<br />
centre der university of cambridge mit ihrem Nanograsfeld. Dies<br />
ist eine rasterelektronenmikroskopaufnahme vom Querschnitt eines<br />
nanograsfeldes aus Zinkoxidnanostäben (60 nm durchschnittlicher Durchmesser<br />
und 1 μm durchschnittliche länge), hergestellt über ein hydrothermales<br />
verfahren ausgehend von einer Schicht aus Zinkkeimen.<br />
ein rätselhaftes Bild, das durch seine komposition<br />
überzeugt, lautete der kommentar der Jury: Mit<br />
Angler im Mondlicht ging die kölnerin Anna reckmann<br />
als Siegerin aus dem diesjährigen nano+artwettbewerb<br />
hervor. Sie freut sich über den von<br />
evonik überreichten Scheck über 1.000 euro. Das<br />
Siegerbild zeigt eine rasterelektronenmikroskopische<br />
Aufnahme eines organischen Feldeffekttransistors,<br />
auf dem Polymerfasern abgeschieden wurden.<br />
reckmann arbeitet und forscht am institut für Physikalische<br />
chemie der universität köln im Bereich<br />
oberflächen beschich tungen/nanopartikelsynthese.<br />
Platz 2 und einen Scheck über 500 euro erhielt<br />
Maryam Hadji Abouzar, die sich an der FH Aachen<br />
mit der Herstellung von nanostrukturen beschäftigt.<br />
Ein Leuchten in der Dunkelheit entstand aus einer<br />
fluoreszenzmikroskopischen Aufnahme von etwa<br />
6 nm großen DnASträngen, die mit cy3 (Fluoreszenzfarbstoff)<br />
markiert und auf eine silanisierte<br />
Sio 2oberfläche aufgebracht wurden. Aufgrund der<br />
Zusammen setzung der DnAhaltigen Pufferlösung<br />
ist die immo bilisierung nicht homogen.<br />
17
A D D i t i v e M A n u F A c t u r i n G<br />
Abbildung 1.<br />
Das Prinzip des Addi tive<br />
Manufacturing am Beispiel<br />
des Lasersinterns,<br />
bei dem die Bauteile auf<br />
Basis eines Computermo<br />
dells automatisch<br />
schichtweise mit einem<br />
Laser aufgebaut werden<br />
Pulverzuführsystem<br />
Digitale Schichtarbeit<br />
SyLVIA MONSHEIMER<br />
Additive Manufacturing birgt vor allem für die Kleinserienfertigung ungenutztes<br />
Potenzial. extrusion und Spritzguss sind nicht immer der beste weg,<br />
kunststoffe in Form zu bringen. eine Alternative ist die werkzeuglose Fertigung.<br />
Sie verbindet maximale Flexibilität mit hoher kundenorientierung und kosteneffizienz.<br />
Beim lasersintern etwa entstehen aus Hightechkunststoffen komplexe<br />
und technisch anspruchsvolle industrie und konsumgüter.<br />
D<br />
ie meisten bahnbrechenden Techno logien<br />
basieren auf einer einfachen und<br />
überzeugenden Idee. Das gilt auch für<br />
Methoden zur werkzeuglosen Herstellung<br />
von Bauteilen – Experten sprechen auch von<br />
Rapid Manufacturing, Rapid Protoyping, Additive<br />
Manufacturing oder Additive Fabrication.<br />
Das Prinzip hinter diesen Schlagworten: Schichtweise<br />
werden aus Flüssigkeiten, Pulvern, Strängen<br />
oder Folien ohne Einsatz eines Werk zeuges<br />
dreidimensionale Strukturen aufgebaut. Beim Lasersintern,<br />
das pulverförmiges Ausgangs mate rial<br />
benötigt, werden Behälter mit feinem Pulver aus<br />
Metall, Keramik oder Kunststoff gefüllt. Über dem<br />
Pulverbad sitzt ein Laser, der – exakt geführt von<br />
einer CADSoftware und einer entsprechenden<br />
Optik – nur ganz bestimmte Be reiche der obersten<br />
Partikelschicht belichtet. Diese Bereiche schmelzen<br />
auf und verfestigen sich nach dem Abkühlen.<br />
Danach senkt eine Automatik den Boden des Pul<br />
Laser<br />
Walze Pulverbehälter für<br />
die Herstellung<br />
Kolben des<br />
Pulverzuführsystems<br />
Scannersystem<br />
Entstehendes Bauteil<br />
Scanrichtung<br />
des Lasers<br />
Gesinterte<br />
Pulverpartikel<br />
Kolben des Pulverbehälters<br />
für die Herstellung<br />
verbehälters um Bruchteile von Millimetern ab und<br />
streicht oben eine frische Part ikelschicht auf. Auch<br />
die wird wiederum nur an bestimmten Stellen<br />
vom Laser belichtet (Abb. 1). Auf diese Weise entsteht<br />
in vielen hauchdünnen Schichten ein räumliches<br />
Bauteil, dessen Kom plexität nahezu nur<br />
durch die vorgegebenen elek tronischen Konstruktionsdaten<br />
begrenzt ist.<br />
Diese Freeform Fabrication verzichtet auf Gussformen,<br />
Werkzeuge und raumgreifende Pro duktionsanlagen.<br />
Damit bildet Additive Manu fac turing<br />
(AM) das Gegenstück zu herkömmlichen Ver fahren,<br />
bei denen Teile zum Beispiel in vorgegebene<br />
Formen gegossen oder aus einem massiven Block<br />
spanabhebend herausgearbeitet werden. Bauteile<br />
ent stehen bei AM vielmehr direkt nach einem digitalen<br />
Bauplan. So werden Formen mög lich, die<br />
in der konventionellen Serienfertigung bislang<br />
nicht denkbar waren – und zwar schnell, flexibel<br />
und ohne großen apparativen Aufwand. >>><br />
Laserstrahl<br />
Lasersintern<br />
Nicht gesintertes Pulver in<br />
den unteren Schichten<br />
Frische Pulverschicht<br />
Quelle: Materialgeeza/Wikipedia<br />
18 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Der FinGripper der Festo AG & Co. KG,<br />
Esslingen, die auf Automatisierungstechnik<br />
spezialisiert ist. Hergestellt durch selektives<br />
Lasersintern, ist der FinGripper leicht, flexibel<br />
und adaptiv – er passt sich, ähnlich wie die<br />
menschliche Hand, an die Kontur des zu<br />
greifenden Gegenstands an. Damit können<br />
natürlich gewachsene Früchte, Knollen<br />
oder druckempfindliche Lebensmittel schnell<br />
und sicher gehandhabt werden. Bei der<br />
Fertigung des FinGrippers werden 0,1 Millimeter<br />
dünne Schichten aus Polyamidpulver<br />
nacheinander aufgetragen und selektiv mittels<br />
Laser aufgeschmolzen; beim Abkühlen<br />
entsteht dabei ein festes Bauteil<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
D e S i G n i n G w i t H P o l Y M e r S<br />
Foto: Festo AG & Co. KG<br />
19
Unverwechselbar: In der<br />
Leuchte Detail.MGX von<br />
Materialise N.V., einem<br />
auf Rapid-Prototyping-<br />
Techniken spezialisierten<br />
Unter nehmen mit Sitz in<br />
Leuven (Belgien), hat<br />
der Designer Dan yeffet<br />
durch selektives Lasersin<br />
tern seine Fingerabdrücke<br />
nach gebildet<br />
Blick in die Lasersinteranlage<br />
von <strong>Evonik</strong> in<br />
Marl<br />
Der Ansaugkrümmer für<br />
den von <strong>Evonik</strong> gespon -<br />
serten Lotus-Rennwagen<br />
(S. S 6) wurde durch<br />
Laser sintern aus Polyamid-12-Pulver<br />
her gestellt.<br />
Die Geo metrie des<br />
Ansaug krümmers – ein<br />
dreidimensional gekrümmtes,<br />
elliptisches<br />
Rohr – kann weder mit<br />
üblichen Metallver ar -<br />
bei tungsverfahren noch<br />
im Spritzguss hergestellt<br />
werden<br />
Daher ist Additive Manufacturing insbesondere<br />
im Prototypenbau verbreitet. Prototypen sind<br />
unverzichtbar, um neue oder veränderte Bauteile<br />
zu belasten, zu testen, ihre Passform und Funk tionalität<br />
zu überprüfen und – wenn nötig – in einem<br />
neuen Prototyp zu optimieren. Bei den hierfür<br />
eingesetzten Verfahren, zusammengefasst unter<br />
dem Begriff Rapid Prototyping, ist der Name<br />
Programm: Der Bau von Prototypen muss vor allem<br />
schnell gehen, Kosten spielen dabei eher eine<br />
Nebenrolle.<br />
Kostengünstige<br />
Kleinserienfertigung<br />
Additive Manufacturing hat aber das Zeug zu<br />
mehr. Durch die Möglichkeit, noch vor der Fertigung<br />
das Produkt bereits im virtuellen Stadium<br />
zu analysieren und zu optimieren, und durch<br />
breite Materialauswahl und Design nach Funktion<br />
können Bauteile nicht nur entsprechend der individuellen<br />
Kundenwünsche ausgelegt und entwickelt,<br />
sondern auch kostengünstig hergestellt<br />
werden. Durch die stark gewachsene Modell vielfalt<br />
in der Industrie ist die Nachfrage nach adaptiven<br />
Fertigungs und Arbeitsmitteln erheblich gestiegen.<br />
Das gilt beispielsweise für den Einsatz von<br />
Handhabungsrobotern: AMgenerierte Grei fer<br />
können sich an geometrisch unterschiedliche<br />
Objekte leicht anpassen und machen den Greifprozess<br />
effizient und flexibel.<br />
Zwischen dem Prototypenbau und der Massenfertigung<br />
liegt der zunehmend wichtige<br />
Bereich der Kleinserien. Viele Produkte werden<br />
in relativ hohen, aber begrenzten Stückzahlen<br />
nach gefragt. Für sie ist die herkömmliche Massenproduktion<br />
mit ihren kostspieligen Werkzeugen<br />
und Großanlagen schlichtweg zu teuer.<br />
Daher gilt: Besonders wenn es um Produkte<br />
in kleinerer Stückzahl geht, spielt die Additive<br />
Ma nufacturing Technologie ihre Stärken aus<br />
(Abb. 2). Zu solchen Kleinserien zählen beispielsweise<br />
Scheinwerfergehäuse für hochpreisige Pkw,<br />
Lenkkomponenten für Rechtsfahrer oder Gehäuse<br />
von Spezialmaschinen. Ein bedeutender Sektor ist<br />
nicht zuletzt der Leichtbau für Flug zeuge und<br />
Automobile – Leichtbau ist beispielsweise im<br />
Verkehrssektor unbestritten ein unverzichtbares<br />
Konstruktionsprinzip, um Kraftstoff ver brauch<br />
und Emissionen zu senken.<br />
Ein anderes Einsatzfeld neben den Kleinserien<br />
sind individuell angepasste Bauteile. Dazu gehören<br />
zum Beispiel medizinische Hilfsmittel wie<br />
Hörgeräte, Implantate, OPBesteck und Bohr hil fen<br />
für Operationen, aber auch Helme und Schuhe für<br />
den Profisport oder Atemschutzmasken. Die AM<br />
Technologie macht solche individuelle Teile erst<br />
20 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
Foto: .MGX by Materialise
möglich, denn die Werkzeugkosten für die Herstellung<br />
eines einzigen Bauteils sind indiskutabel.<br />
Das Handling der verschiedenen Vari an ten erfolgt<br />
ausschließlich über SoftwareLösungen – von<br />
der Aufnahme und Bearbeitung der individuellen<br />
Daten bis hin zu einem einzelnen Bau daten satz<br />
für jedes Teil.<br />
Die Industrie hat für die werkzeuglose Fertigung<br />
mittlerweile eine ganze Reihe von Spielarten<br />
entwickelt: Statt fester Partikel gibt es Verfahren,<br />
die in flüssigen Bädern ablaufen, andere<br />
arbeiten mit Strängen, die zu einem Bauteil aufgeschichtet<br />
werden. Statt mit einem Laser kann<br />
die einzelne Schicht durch Aufdüsen oder Drucken<br />
von Bindemittel oder Klebstoffen geformt werden.<br />
Eines ist all diesen Verfahren gemeinsam:<br />
Sie können selbst komplexeste Formen in einem<br />
Arbeitsgang umsetzen. Und sie sind flexibel. Ohne<br />
großen apparativen Aufwand kann das Bauteil so<br />
lange durch Änderung der räumlichen Kon struktionsdaten<br />
verändert und optimiert werden, bis es<br />
exakt den Kundenwünschen und technischen Anforderungen<br />
entspricht.<br />
Neue Funktionalitäten durch<br />
maßgeschneiderte Kunststoffe<br />
Thermoplastische Kunststoffe sind ideal für Ad ditive<br />
Manufacturing: Sie sind leicht zu pulverisieren,<br />
lassen sich gezielt schmelzen und können in<br />
ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften<br />
maßgeschneidert werden. Im Geschäftsgebiet<br />
High Performance Polymers von <strong>Evonik</strong><br />
beschäftigen sich Experten seit rund zehn Jahren<br />
mit der Entwicklung von thermoplastischen<br />
Kunst stoffen für das AM.<br />
Mit der Umsetzung von Kleinserien durch<br />
Additive Manufacturing stiegen auch die Anforderungen<br />
an die Materialien: Der Flugzeugbau<br />
verlangt nach Polymeren, die besonders hohe<br />
Tem peraturen aushalten, ebenso nach solchen,<br />
die schwer entflammbar sind, die Sport und die<br />
Schuhindustrie fordern weiche Materialtypen,<br />
um Bauteile mit hoher Flexibilität herzustellen.<br />
So hat <strong>Evonik</strong> ein besonders flexibles Polyamid<br />
(PA) entwickelt, das acht Mal biegsamer ist und<br />
eine um den Faktor fünf höhere Bruchfestigkeit<br />
besitzt als das Standardmaterial (Abb. 3). Eine andere<br />
Entwicklung, nämlich PEEKPulver für Lasersintern,<br />
zeichnet sich durch ihren hohen Schmelzpunkt<br />
bei 340 Grad Celsius aus – sie ist für Bauteile<br />
geeignet, die im Betrieb hohen Tem pe ra turen<br />
ausgesetzt sind. Durch solche optimierten<br />
Polymere werden neue Funktionalitäten möglich,<br />
gleichzeitig öffnen sich Wege, andere Materialien<br />
wie beispielsweise Metalle durch Kunst stoffe zu<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
Lasersintern ermöglicht Schichtdicken<br />
im Millimeterbereich<br />
D e S i G n i n G w i t H P o l Y M e r S<br />
Abbildung 2. Bei kleinen Stückzahlen sind additive Fertigungstechniken deutlich<br />
wirtschaftlicher als der Spritzguss; letzterer zahlt sich wegen der hohen Investitionskosten<br />
für das Werkzeug erst in der Massenproduktion aus. Die Stückzahl, ab der<br />
der Spritzguss Kostenvorteile bietet, hängt unter anderem von Größe und Komplexität<br />
des zu fertigenden Formteils bzw. des Werkzeugs ab<br />
Kosten pro Einheit<br />
Spritzguss<br />
Abbildung 3. Vergleich der Materialeigenschaften eines Standardpolyamids und eines<br />
speziell für das Additive Manufacturing entwickelten, besonders flexiblen Polyamids<br />
Bei den Polymeren konkurriert das Additive<br />
Manu facturing mit Extrusion und Spritzguss. Ein<br />
für Kunststoffe besonders geeignetes Verfahren<br />
ist das selektive Lasersintern (SLS). Mit SLS können<br />
Schichten von 0,15 mm Dicke erzeugt werden.<br />
Auch noch wesentlich dünnere Schichten<br />
sind möglich (bis 0,08 mm), allerdings wird das<br />
Handling des Pulvers dann schwierig, weil die<br />
winzigen Partikel durch die inneren Anzie hungskräfte<br />
nicht mehr rieseln. Chemische Rieselhilfen<br />
können die Haftung zwar vermindern, allerdings<br />
besteht die Gefahr, dass sich die Wärmeleitfähigkeit<br />
der gesinterten Schicht an den Rändern verändert<br />
und die Prozessfähigkeit negativ beeinflusst. Der<br />
Begriff Lasersintern ist historisch gewach<br />
ersetzen. >>><br />
Additive Manufacturing<br />
Anzahl Einheiten<br />
Standardmaterial Neues flexibles Material<br />
E-Modul 1.700 MPa 100-250 MPa<br />
(246.500 psi) (14.50036.200 psi)<br />
Bruchdehnung 15 % >100 %<br />
Zugfestigkeit 45 MPa 8 MPa<br />
(6.250 psi) (1.160 psi)<br />
Kerbschlagzähigkeit 3,5 KJ/m² Kein Bruch<br />
Schmelzpunkt 186 °C 150 °C<br />
(366 F) (302 F)<br />
Auffrischungsrate 50 % Nicht notwendig<br />
21
Hergestellt in einem<br />
Stück durch selektives<br />
Lasersintern: der<br />
Faltstuhl One_Shot<br />
.MGX von Materialise.<br />
Der Stuhl ist unter<br />
anderem im Museum<br />
of Modern Art in<br />
New york ausgestellt<br />
sen und etwas irreführend: Es handelt sich dabei<br />
um einen drucklosen Prozess, der für jede Schicht<br />
nur eine kurze Bearbeitungszeit benötigt – gerade<br />
soviel, dass die Bauteil bildenden Bereiche<br />
schmel zen und zu einem geschlossenen Schmelzefilm<br />
verlaufen.<br />
Zum Einsatz kommt bei Polymeren ein CO 2<br />
Laser, der Teile der Polymerkette direkt anregt,<br />
ohne dass ein Absorber nötig wäre. Die Laser geschwindigkeit<br />
liegt in der Regel bei 5 bis 10 m/sec,<br />
ein Bauteil „wächst“ unter diesen Be din gun gen<br />
um zwei bis drei Zentimeter pro Stunde. Es kann<br />
aber nahezu ohne Ge schwin dig keits ver lust in der<br />
gleichen Schicht eine Vielzahl an Bau teilen gleichzeitig<br />
hergestellt werden – die Bau fläche kann<br />
vollgepackt mit Teilen sein. Im Ver gleich zu anderen<br />
AdditiveManufacturingTechnologien hat<br />
das auf Pulver basierende La sersintern den Vorteil,<br />
dass das Pulverbett um das Bauteil die Funktion<br />
einer allseitigen Stütze übernimmt – spezielle<br />
Stützkonstruktionen, die auskragende Formen<br />
in Position halten, sind überflüssig.<br />
Da nicht nur das Material selbst, sondern auch<br />
der Fertigungsprozess auf die technischen Eigenschaften<br />
eines Teils Einfluss nehmen, unterscheiden<br />
sich die Parameter von AMProdukten und<br />
spritzgegossenen Produkten. Vergleichende Messungen<br />
zeigen, dass Dichte, und Dehnung eines<br />
schichtweise hergestellten Teils geringer sind,<br />
Elastizitätsmodul und Bruchfestigkeit dagegen<br />
höhere Werte zeigen (Abb. 4).<br />
Neue Anforderungen durch Kleinserien<br />
Neben neuen Materialeigenschaften stellt der<br />
Ein satz in der Serienfertigung noch weitere Anfor<br />
derungen an den Lasersinterprozess. So bekom<br />
men Wiederholbarkeit und Verlässlichkeit<br />
eine ganz neue Bedeutung – die gesamte Qua litäts<br />
siche rung muss sichergestellt werden, was<br />
zuvor im Prototypengeschäft im Prinzip keine<br />
Rolle spielte.<br />
An der Herausforderung, diesen Übergang<br />
von der Prototypenherstellung in die (Klein)<br />
Serienfertigung zu schaffen, arbeitet seit vergangenem<br />
Jahr auch das Direct Manufacturing<br />
Research Center (DMRC) an der Universität von<br />
Paderborn. Das DMRC ist ein Zusammenschluss<br />
von acht Firmen und Forschungseinrichtungen<br />
und wird von der nordrheinwestfälischen Landesregierung<br />
finanziell unterstützt. Die vier<br />
Grün dungsunternehmen – neben <strong>Evonik</strong> auch<br />
Boeing, EOS und MTT Technologies – werden<br />
über die Vertragslaufzeit von fünf Jahren insgesamt<br />
zwei Millionen Euro in das DMRC investieren.<br />
Die beteiligten Experten beschäftigen sich<br />
seit der Eröffnung im Mai 2009 vor allem mit<br />
22 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
Photo: .MGX by Materialise
praktischen Fragen, beispielsweise dem Tempera<br />
turmanagement der eingesetzten Maschinen<br />
oder den Langzeiteigenschaften gesinterter Teile.<br />
So plötzlich, wie eine gute und überzeugende<br />
Idee für eine neue Technologie entstehen kann,<br />
so schwer tut sie sich manchmal, in den Köpfen<br />
der entscheidenden Akteure auch anzukommen.<br />
Das gilt auch für Additive Manufacturing. Die<br />
Bedingungen zum „Freedom of Design“ bzw.<br />
„Functional Driven Design“ werden an vielen<br />
Hochschulen nicht oder nicht ausreichend genug<br />
gelehrt. Ingenieure sind heute zwar mit den herkömmlichen<br />
Verfahren intensiv vertraut, können<br />
aber in der Regel mit der neuen Gestaltungsfreiheit,<br />
die Additive Manufacturing ihnen eröffnet, wenig<br />
anfangen. Denn Additive Manufacturing setzt voraus,<br />
dass grundlegend anders konstruiert wird,<br />
da der Konstrukteur in kompletten Funktio na litäten<br />
denken muss und nicht mehr in entkoppelten<br />
Einzelteilen.<br />
Normen als Wegbereiter<br />
Mangelnde Ausbildung an den Hochschulen ist<br />
nicht die einzige Hürde. Werkzeuglose Fertigungs<br />
verfahren wurden in der Vergangenheit<br />
recht unsystematisch entwickelt, angepasst und<br />
eingesetzt. Daher existieren bislang keine Normen,<br />
die die Verbreitung der Verfahren voranbringen<br />
und die Beurteilung der entstehenden<br />
Pro dukte vereinheitlichen würden. Das führt dazu,<br />
dass die Prüfung von Bauteilen – je nach angewandtem<br />
Parameterset – beispielsweise bei<br />
EModul, Zugfestigkeit und Dehnung zu unterschiedlichen<br />
Werten kommt (Abb. 5). Allerdings<br />
arbeitet die ISO ebenso wie der ASTM derzeit daran,<br />
erste Normen für das Lasersintern zu entwickeln.<br />
Zur Herstellung von Prüfkörpern ist die<br />
ISO 275471 bereits in Kraft. Auch eine VDI<br />
Richtlinie wurde bereits erarbeitet.<br />
Trotz der noch bestehenden Hürden und offenen<br />
Fragen wird die Bedeutung von AM innerhalb<br />
der nächsten zehn Jahre merklich zunehmen.<br />
Denn die Vorteile wiegen schwer: Entwickler<br />
können funktionale Hohlstrukturen in Kleinserie<br />
fertigen, die Strukturen lassen sich passgenau an<br />
die späteren Belastungen anpassen, die Bauteile<br />
können mit vorgegebenen Porositäten oder<br />
Oberflächen maßgeschneidert werden, außerdem<br />
werden besonders leichte Bauteile möglich. Die<br />
Luftfahrtindustrie ist hier einer der Vorreiter. Die<br />
Boeing787 hat bereits heute rund 30 SLSge sinterte<br />
Bauteile eingebaut. Nach Schätzungen von<br />
Airbus <strong>Industries</strong> wäre ein konsequent mit Hilfe<br />
von Additive Manufacturing gefertigtes Flugzeug<br />
30 Prozent leichter und 60 Prozent günstiger als<br />
heutige Maschinen.<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
D e S i G n i n G w i t H P o l Y M e r S<br />
Abbindung 4. Vergleich der technischen Eigenschaften eines durch<br />
Lasersintern erzeugten und eines spritzgegossenen Formteils<br />
Testmethode Durch Lasersintern Spritzgegossenes<br />
erzeugtes Formteil Formteil<br />
Dichte g/cm³ DIN 53479 0,95 1,04<br />
E-Modul MPa DIN 53457 1.700 1.400<br />
Zugfestigkeit MPa DIN 53455 48 46<br />
Dehnung % DIN 53455 18 >50<br />
Abbildung 5. Je nach Parameterset liefert die Prüfung ein und desselben<br />
Bauteils unterschiedliche Werte und erschwert so dessen Beurteilung.<br />
Normen sollen hier Abhilfe schaffen<br />
Prüfmethode Parameterset 1 Parameterset 2 Parameterset 1,<br />
senkrecht gebaut<br />
Dichte g/cm³ 0,91 0,9 0,91<br />
E-Modul MPa DIN 53457 1.872 1.920 1.921<br />
Zugfestigkeit MPa DIN 53455 49 48 49<br />
Dehnung % DIN 53455 18,2 8,4 7<br />
Ressourcen und Energieeffizienz – verknüpft<br />
mit einer kostengünstigen Fertigung – sind die<br />
zen tralen Herausforderungen der Zukunft, will<br />
Deutschland in einer sich rasch verändernden<br />
Welt wettbewerbsfähig bleiben. In der Vergan genheit<br />
waren es oft Querdenker, die mit ihren Ar beiten<br />
einer neuen Technologie zum Leben verholfen<br />
haben. Solche Querdenker spielen auch bei<br />
Additive Manufacturing eine Rolle. Sicher ist, dass<br />
über kurz oder lang Additive Manufacturing Technologien<br />
zu einem wichtigen Baustein werden, um<br />
die moderne industrielle Produktion auf kosten<br />
und ressourceneffiziente Beine zu stellen. l<br />
SyLVIA MONSHEIMER<br />
Jahrgang 1965<br />
Sylvia Monsheimer ist im Geschäftsgebiet<br />
High Performance Polymers<br />
von evonik global verantwortlich<br />
für die Marktentwicklung des Additive<br />
Manu facturing, nachdem sie zuvor<br />
die Ab teilung Strategische innovationsprojekte<br />
des Geschäfts gebiets geleitet<br />
hatte. nach dem Studium des Bauingenieurwesens<br />
kam sie 1989 zu evonik,<br />
wo sie seither in den verschiedensten<br />
Funktionen in der Anwendungstechnik für Hochleistungskunststoffe<br />
tätig war. Mehr als 10 Jahre lang beschäftigte sie sich mit<br />
der Pulverentwicklung und Anwendungstechnik für das selektive<br />
laser sintern und andere werkzeuglose Prozesse und hat diese<br />
Aktivität bei High Performance Polymers geprägt.<br />
+49 2365 49-5911, sylvia.monsheimer@evonik.com<br />
23
27 Mitarbeiter von evonik unterrichten derzeit an deutschen Hochschulen<br />
Dem Nachwuchs verpflichtet<br />
Überfüllte Hörsäle, mit denen sich so mancher BWL,<br />
Jura oder Germanistikstudent in Deutschland plagt,<br />
kennen angehende Ingenieure und Chemiker nur<br />
vom Hörensagen. Doch auch wenn sie mühelos einen<br />
Praktikumsplatz im Labor oder ein Thema für ihre<br />
Abschlussarbeit finden, erkennt so mancher im Nachhinein,<br />
dass die Randbedingungen trotzdem nicht immer günstig<br />
waren – wenn er nämlich die ersten Schritte in der industriellen<br />
Forschung macht und feststellt, dass nicht alles, was im<br />
Labor machbar ist, sich auch im Großmaßstab umsetzen<br />
lässt. Denn verglichen mit Master und Promotionsarbeiten<br />
bewegt sich die industrielle Technik in einem komplexen<br />
Wechselspiel aus Innovation, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit,<br />
Verwaltungsvorschriften und Normen.<br />
„Die Absolventen sind Experten auf dem Themengebiet<br />
ihrer Abschlussarbeit, doch ihnen fehlt der Blick für wirtschaftlich<br />
attraktive Prozesse“, hat Prof. Dr. Karlheinz Drauz<br />
beobachtet. Er kennt beide Seiten: Gut 30 Jahre hat er für<br />
<strong>Evonik</strong> gearbeitet, seit 22 Jahren lehrt er an der Uni Würzbug<br />
industrielle Chemie, davon 18 Jahre als Honorarprofessor. Er<br />
ist einer von 27 Mitarbeitern von <strong>Evonik</strong>, die zusätzlich zum<br />
Berufsalltag an deutschen Hochschulen Vorlesungen halten.<br />
Ebenso wie Dr. Manfred Nagel, der im Bereich Verfahrenstechnik<br />
& Engineering von <strong>Evonik</strong> arbeitet. Der 44jährige<br />
Ingenieur lehrt seit drei Jahren Verfahrenstechnik am<br />
KIT – dem Karlsruher Institut für Technologie – und kann<br />
sich noch gut an seine eigene Studienzeit erinnern: „Mir<br />
selbst hat damals der Praxisbezug gefehlt“, erzählt er. „Die<br />
Studenten heute sind zwar unglaublich offen für Neues, flexibel<br />
und zielstrebig, aber sie haben nur ein sehr unscharfes<br />
Bild davon, wie der Berufsalltag eines Ingenieurs aussieht.“<br />
Das Bild zu schärfen ist das Anliegen von <strong>Evonik</strong>. Drauz<br />
zum Beispiel lehrt zwar organische Chemie, doch gehören<br />
dazu für ihn nicht nur technische Wirkstoffsynthese, Biotech<br />
nologie und Vitaminherstellung, sondern auch Chemikalienrecht,<br />
das „In Verkehr bringen“ von Chemikalien und<br />
ihre Entsorgung. Zusätzlich hat er auch BWLProfessoren<br />
engagiert, die den Studenten einen Einblick in das wirtschaftliche<br />
Rüstzeug eines Industriechemikers vermitteln<br />
sollen, „das ver ursacht natürlich Kosten, die <strong>Evonik</strong> großzügig<br />
trägt“, sagt er. „Exkursionen an verschiedene <strong>Evonik</strong><br />
Produk tionsstandorte runden das Angebot ab.“<br />
Auch die Verfahrenstechnik von <strong>Evonik</strong>, traditionell der<br />
Einstiegsbereich für Ingenieure in den Konzern, legt Wert<br />
auf Praxisnähe. Gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr.<br />
Herbert Riemenschneider hält Nagel eine Woche pro Jahr<br />
eine Blockvorlesung, die mit einer eintägigen Exkursion der<br />
Studenten an den <strong>Evonik</strong>Standort Hanau endet. Auf dem<br />
Pro gramm stehen dann Besichtigungen von Technika, Produk<br />
tionsanlagen, Projekthäusern und virtuellen Chemieanlagen,<br />
Gespräche mit berufserfahrenen Ingenieuren und<br />
schließlich mit den Personalern über die beruflichen Perspek<br />
tiven. „Das kommt extrem gut an, weil die Studenten<br />
wissen wollen, wie ein Unternehmen tickt“, bestätigt Nagel,<br />
„Bei dem Besuch vor Ort sehen sie nicht nur, wie vielfältig<br />
der Ingenieursberuf ist, sondern auch, dass neben fachlichem<br />
Können soziale Kompetenzen und Teamfähigkeit<br />
wichtig sind.“<br />
Soviel Engagement vermittelt auch Vertrauen: Drauz hat<br />
im Lauf der Jahre so manchen Studenten unterstützt, der Rat<br />
braucht – wegen Zusatzstudium, Auslandsaufenthalt,<br />
Bewerbung, Stipendien oder den Chancen von Frauen in der<br />
Industrie. Das kostet Zeit, doch die Doppelbelastung aus<br />
Lehre an der Hochschule und Arbeit im Unternehmen war<br />
nie ein Problem. „Das Unternehmen unterstützt mich in jeder<br />
Hinsicht“, betont Drauz. Und hat dafür auch einiges zurückbekommen.<br />
„Im Lauf der Jahre erkennt man sehr genau,<br />
wer wirklich gut ist“, weiß Drauz, der etliche Studenten über<br />
viele Semester begleitet hat. „Und die rekrutiert man dann<br />
natürlich für das Unternehmen.“ So mancher hervorragende<br />
Hochschulabsolvent habe von Würzburg den Weg ins Unternehmen<br />
gefunden und Karriere gemacht.<br />
Ein Thema, das auch Nagel bewegt. „<strong>Evonik</strong> gilt als einer<br />
der Toparbeitgeber für Chemieingenieure und Verfah renstechniker“<br />
erklärt er. „Dieser Ruf lebt auch davon, dass wir<br />
unser Netzwerk gut pflegen und Kontakte zu jungen Talenten<br />
aufbauen.“ Das KIT sei hierfür eine ideale Einrichtung.<br />
Mit rund 8.000 Mitarbeitern ist es die größte deutsche und<br />
auch weltweit eine der größten Forschungseinrichtungen,<br />
„die nicht nur über exzellente Forscher, sondern auch über<br />
eine exzellente Ausstattung verfügt und deshalb viele begabte<br />
junge Wissenschaftler aus dem In und Ausland anzieht“,<br />
so Nagel. „Und wie jedes Unternehmen suchen auch wir<br />
nach den Besten.“<br />
Zum Networking gehört auch der Kontakt zu den Hochschulkollegen,<br />
und Drauz hat so manchen vom Reiz der industriellen<br />
Chemie überzeugen können: „In meinen Vorlesun<br />
gen sitzen auch Profs, weil ich als Industriechemiker<br />
Erfahrungen habe, die ihnen naturgemäß fehlen. Einige haben<br />
sogar den Stoff meiner Vorlesungen in den Prüfungsstoff<br />
aufgenommen.“ Die Hochschulatmosphäre und den Kontakt<br />
mit jungen Chemikern, die ihren Weg suchen, will er nicht<br />
missen. Deshalb wird er, obwohl er zum 31. August in den<br />
Ruhestand gegangen ist, in den nächsten Jahren weiter lehren.<br />
„Ich finde es wichtig, zu wissen, wie die jungen Leute<br />
von heute denken und mich mit ihnen auseinander zu setzen“,<br />
sagt der Vater von zwei erwachsenen Söhnen, die beide<br />
auch studieren. „Und ich will die Faszination, die die<br />
Naturwissenschaften auch für einen Industrieforscher bereithalten,<br />
weitergeben“, fügt er hinzu. „Es ist eine Be reicherung<br />
– beruflich, aber auch persönlich“, bringt Nagel es<br />
auf den Punkt. l<br />
24 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Hochschule<br />
FH Aachen<br />
universität<br />
Bochum<br />
FH Darmstadt<br />
tu Darmstadt<br />
tu Dortmund<br />
tu Dresden<br />
universität<br />
erlangennürnberg<br />
FH Frankfurt<br />
universität<br />
Hannover<br />
universität<br />
Hohenheim<br />
kit*<br />
karlsruhe<br />
universität<br />
kassel<br />
universität<br />
Magdeburg<br />
universität<br />
Münster<br />
FH Münster/<br />
Steinfurt<br />
universität<br />
Siegen<br />
universität<br />
Stuttgart<br />
universität<br />
würzburg<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5 Bauingenieurwesen/Gebäudetechnik<br />
6 kunststofftechnik im rahmen des Masterstudiengangs<br />
Polymerwissenschaften<br />
7 wirtschaftschemie<br />
8 kunststoffverarbeitung und Spezielle<br />
Probleme der kunststofftechnik<br />
9 kunststofftechnik/kunststoffe und umwelt<br />
10 verfahrenstechnik/Apparate und rohrleitungsbau<br />
11 verfahrenstechnik/Prozess und Anlagenplanung<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
17<br />
18<br />
19<br />
20<br />
21<br />
22<br />
23<br />
24<br />
25<br />
26<br />
27<br />
Fach bzw. Lehrauftrag<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
Angewandte Polymerwissen schaften/in du strielle<br />
Aspekte der kunststofftechnologie<br />
theoretische chemie<br />
technische chemie/Prozesskunde<br />
Gewerblicher rechtsschutz für ingenieure<br />
Material und nanochemie<br />
industrielle anorganische chemie<br />
institut für Pflanzenproduktion und Agrarökologie<br />
in den tropen und Subtropen;<br />
Pflanzenschutzmittel<br />
verfahrenstechnik<br />
verfahrenstechnik<br />
energietechnik<br />
* karlsruher institut für technologie<br />
verfahrenstechnik/Micro Process<br />
engineering<br />
Makromolekulare chemie<br />
Patentinformationen<br />
chemikalienrecht, reAcH<br />
verfahrenstechnik/industrielle kristallisation<br />
chemical engineering/umwelttechnik,<br />
Anlagenengineering<br />
industrielle anorganische chemie<br />
industrielle organische chemie und<br />
industrielle Biotechnologie<br />
verfahrenstechnik<br />
industrielle organische chemie<br />
H o c H S c H u l e<br />
Ruhestand für Prof. Dr. Karlheinz Drauz<br />
Prof. Dr. karlheinz Drauz (60) ist<br />
zum 31. August 2010 in den ruhestand<br />
gegangen. Gut 30 Jahre lang<br />
war er im Geschäfts feld chemie<br />
von evonik in verschiedenen Po <br />
si tionen tätig, zuletzt als vice<br />
Presi dent international Scientific<br />
rela tions im Bereich innovation<br />
Management chemicals & creavis. in dieser Funktion hat<br />
er in den vergangenen fünf Jahren die internationale Hochschullandschaft<br />
im Hinblick auf für evonik interessante themen<br />
evaluiert, bestehende kontakte zu technologie zentren,<br />
Forschungsinstituten und Hochschulen vertieft und neue<br />
kontakte zu potenziellen kooperations part nern geknüpft;<br />
regionale Schwerpunkte waren dabei osteu ro pa und Asien.<br />
in dieser Zeit hat er eine Datenbank aufgebaut, die nicht<br />
nur das kooperationsgeschehen von evonik abbildet, sondern<br />
auch informationen über mögliche interessante koopera<br />
tionspartner bereit hält. Mehr als 5.000 Hochschulkontakte<br />
sind dort hinterlegt, die ein breites themenfeld abdecken –<br />
von Materialwissenschaften über nachwachsende rohstoffe<br />
bis hin zur erzeugung und Speicherung von energie. „ich<br />
habe meine Aufgabe darin gesehen, den operativen Bereichen<br />
den weg zu bereiten für kooperationen“, so Drauz. „Die<br />
Datenbank, zu der alle Geschäftsbereiche Zugang haben, hat<br />
sich mittlerweile als wichtiges Arbeitsmittel bei der Suche<br />
nach einem kooperationspartner bewährt.“ Darüber hinaus<br />
hat Drauz in china ein wissenschaftliches Beratergremium für<br />
evonik etabliert, dem mit Prof. Pingkai ouyang (Präsi dent<br />
der nanjing university of technology), Prof. charles c. Han<br />
(Direktor des Joint lab of Polymer Science and Materials)<br />
und Prof. Sishen Xie (leiter des nationalen Zentrums für<br />
nanowissenschaften und nanotechnologie) drei der bekanntesten<br />
wissenschaftler chinas angehören.<br />
Der promovierte chemiker Drauz, der an der techni schen<br />
universität Stuttgart studierte, begann seine laufbahn bei<br />
evonik 1980 als laborleiter im Bereich Forschung & ent wicklung<br />
Aminosäuren in Hanauwolfgang. 1994 übernahm er<br />
die leitung der Hauptabteilung Forschung und entwicklung<br />
Feinchemikalien und war dabei auch für die wirkstoff produk<br />
tion am Standort wolfgang verantwortlich. Ab Anfang<br />
2002 leitete er den Bereich technology and research Management<br />
in der Feinchemie bis er ende 2003 die Aufgabe eines<br />
chief technology officer im früheren Geschäftsbereich<br />
exclusive Synthesis & catalysts übernahm. Schwerpunkte<br />
seiner wissenschaftlichen tätigkeit waren die Synthese von<br />
Aminosäuren, Peptiden und biologisch aktiven verbindun gen,<br />
die asymmetrische Synthese, Metall und Biokatalyse sowie<br />
die Prozessentwicklung. er ist an 160 Patenten und Patentanmeldungen<br />
beteiligt und hat seine Arbeiten in 95 wissenschaftlichen<br />
Publikationen veröffentlicht. Darüber hinaus ist<br />
Drauz seit 1992 Honorarprofessor für organische chemie an<br />
der JuliusMaximiliansuniversität würzburg.<br />
25
H o t S t A M P i n G<br />
Mit Sicherheit auffallen<br />
Mit dem Bindemittel DeGAlAn® macht evonik industries den euro sicherer, schützt Fußballfans<br />
vor Betrügern und verhilft verpackungen zu einem edleren Äußeren. Denn in einer Zeit, in der<br />
Produkte zunehmend austauschbar werden, gewinnt die optik immer mehr an Bedeutung. ohne<br />
die veredelung von verpackung oder etikett durch Hot Stamping, ein spezielles Druckver fahren,<br />
würden kosmetika, Spirituosen oder Süßigkeiten heutzutage kaum aus der Menge hervorstechen.<br />
Produktaufwertung und Verpackungsveredelung liegen<br />
voll im Trend. Das gilt für Markenartikel und<br />
NoNameProdukte gleichermaßen. Gerade in<br />
wirt schaftlich schwierigen Zeiten ist es besonders<br />
wichtig, Produkte anzubieten, die sich von der Masse sichtbar<br />
abheben, denn Aufmerksamkeit ist ein knappes und<br />
wertvolles Gut. Um die Kunden anzusprechen, müssen Flaschen,<br />
Flakons und andere Verpackungen daher hochwertig<br />
gestaltet sein. Dass Produkte zu einem echten Blickfang<br />
werden, dafür sorgt <strong>Evonik</strong>. Unter dem Markennamen<br />
DEGALAN® vertreibt der Geschäftsbereich Coatings &<br />
Additives einen Lackrohstoff auf Basis von Methacrylaten,<br />
der als Bindemittel in Lacken und Druckfarben zum Einsatz<br />
kommt und einen entscheidenden Beitrag beim Bedrucken<br />
von Etiketten und Verpackungen leistet.<br />
Aber wie kommt das farbenprächtige Etikett eigentlich<br />
auf die Weinflasche, wie der filigrane Schriftzug auf die<br />
Pralinenschachtel und das goldene Kosmetiklogo auf den<br />
Eyeliner? Die Antwort lautet Hot Stamping. Dahinter verbirgt<br />
sich ein spezielles Druckverfahren, bei dem zunächst<br />
ein Negativbild in mehreren aufeinander aufbauenden<br />
Lack schichten auf eine Polyesterfolie aufgetragen wird. Um<br />
das Bild auf das gewünschte Produkt – sei es die Pralinenschachtel,<br />
der Eye liner oder die Weinflasche – aufzubringen,<br />
wird die beschichtete Folie um 180 Grad gedreht<br />
und un ter Hitze und Druck auf ge presst. Durch<br />
die Wärmezufuhr, Druck und die als<br />
letztes aufgetragene Kleberschicht<br />
lösen sich die Lackschichten von<br />
der Folie und verbinden sich<br />
mit dem Un tergrund.<br />
Aufgetragen werden mehrere Schichten, unter anderem<br />
eine Designschicht, die oftmals noch eine zusätzliche Metallschicht<br />
enthält, und ein Schutzlack. Ein Kleb stoff stellt sicher,<br />
dass die Lackschichten an dem Untergrund haften. Ein<br />
Trennlack, der zwischen Folie und Lackschicht eingebettet<br />
ist, sorgt dafür, dass die Trennung von Polyesterfolie und<br />
Druck schichten sauber vonstatten geht.<br />
Der große Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass die<br />
verschiedenen Schichten in einem einzigen Vorgang übereinander<br />
gedruckt werden können. Die besonderen Farbeffekte,<br />
Metallisierungen und Prä gungen für Hologramme,<br />
die dadurch ent stehen, könnten durch eine mehrmalige Beschichtung<br />
auf dem zu bedruckenden Untergrund so nicht<br />
hergestellt wer den. „Im Gegen satz zum Offset oder Digi taldruck<br />
birgt dieses Druckverfahren daher ein viel breiteres<br />
Spektrum an Techniken, insbesondere für Produkte mit<br />
hochwertigem oder sehr kleinteiligem Erscheinungsbild sowie<br />
für metallisch glänzende Designs“, erklärt Andreas<br />
Olschewski, Global Technical Sales Manager im Geschäftsbereich<br />
Coatings & Additives von <strong>Evonik</strong>.<br />
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: ein gestochen<br />
scharfes Motiv mit feinen und klaren Konturen. Möglich<br />
macht dies DEGALAN®. Da es als CoBindemittel in den einzelnen<br />
Lackschichten verwendet wird, entsteht eine konturenscharfe<br />
Abbildung und die Farbe des Druckbildes ist brillanter.<br />
Je nach dem, welche Bindemittel eingesetzt werden,<br />
bewirkt es aber noch mehr: Der Lackrohstoff verbessert die<br />
Filmhärte der Schutzlacke und ist somit beständig gegen die<br />
hohe Prägetemperatur, kann aber auch die Klebekraft erhöhen,<br />
und sorgt so für eine bessere Haftung auf dem<br />
Untergrund.<br />
Zum Schutz vor Fälschungen werden Holo gramme<br />
auf die Euroscheine aufgedruckt, weil diese<br />
sehr schwer zu kopieren sind. Hergestellt werden<br />
sie im Hot-Stamping-Verfahren, für das <strong>Evonik</strong><br />
das Produkt DEGALAN® anbietet<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Beim Hot-Stamping-Verfahren wird ein Negativbild aus mehreren auf-<br />
ein ander aufbauenden Lackschichten auf eine Folie appliziert. Die beschichtete<br />
Folie wird dann umgedreht und durch Wärmezufuhr sowie Druck<br />
auf das gewünschte Produkt aufgepresst. Dank der Kleberschicht lösen<br />
sich die Lackschichten von der Folie und verbinden sich mit dem<br />
Untergrund<br />
Trägerfolie (wird abgelöst)<br />
„Das Produkt hat sich erfolgreich am Markt positioniert.<br />
Viele Her steller greifen gerne auf Binde mittel der<br />
DEGALAN® Familie zurück, weil sie damit immer ein exzellentes<br />
Ergebnis erhalten“, sagt Olschewski. Zu den Kunden<br />
von <strong>Evonik</strong> gehören Anbieter der Heiß prä ge tech no logie,<br />
die weltweit agieren. Das Anwen dungsspektrum ist groß:<br />
Nicht nur in der grafischen Industrie, auch in der Holz verarbeitungs<br />
und Möbelindustrie werden Heißpräge folien<br />
verwendet. Ein Beispiel ist die Wurzelholzoptik, die dank<br />
DEGALAN® täuschend echt aussieht, und unter anderem in<br />
der Mittelkonsole von Fahrzeugen zum Einsatz kommt.<br />
Damit Originale auch Originale bleiben<br />
Das Druckverfahren dient aber nicht nur zur besonders attraktiven<br />
Ausgestaltung von Produkten, es bietet auch einen<br />
effektiven Schutz vor Fälschungen. Beispiel EuroBanknoten:<br />
Eines der Sicherheitsmerkmale ist das Hologramm. Kippt<br />
man den Geldschein, erscheinen im Folienstreifen, je nach<br />
Betrachtungswinkel, die Wertzahl der Banknote und das<br />
Eurosymbol vor einem regenbogenfarbenen Hintergrund.<br />
Anhand des Hologramms kann so die Echtheit der Banknote<br />
überprüft werden. Hergestellt wird es im HotStamping<br />
Verfahren.<br />
Auf Geldscheinen ist DEGALAN® also genauso enthalten<br />
wie auf Bank und Kreditkarten, Ausweisen oder Doku menten.<br />
Auch auf Eintrittskarten für Konzerte oder Fußballspiele<br />
glänzen Hologramme und fast jeder trägt sie mit sich herum.<br />
Da sie sehr fälschungssicher sind und sich bis heute nicht<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
Trennschicht<br />
Schlusslackschicht<br />
Designschicht<br />
Klebeschicht<br />
Lackverbund<br />
c o A t i n G & B o n D i n G t e c H n o l o G i e S<br />
Eintrittskarten, beispielsweise für Fußballspiele, sind besonders<br />
durch Nachahmung und Fälschung gefährdet. Durch Hologramme<br />
als heißgeprägte Sicherheitsfolie werden Tickets fälschungssicher<br />
vervielfältigen lassen, finden sie auch immer häufiger Einsatz<br />
als Schutz vor Marken und Produktpiraterie. Nachahmungen<br />
und Fälschungen haben mittlerweile eine nicht zu<br />
unterschätzende wirtschaftliche Dimension erreicht, die<br />
sich in beträchtlichen Umsatzeinbußen widerspiegelt und<br />
die deutsche Wirtschaft erheblich belastet.<br />
Oftmals sind Produktfälschungen nicht auf den ersten<br />
Blick zu erkennen, da die Verpackungen ziemlich gut nachgemacht<br />
sind. Mit Heißprägefolien werden optische Echtheits<br />
und Sicherheitsmerkmale wie Hologramme auf Produkte<br />
gedruckt, die ganz spezifische Eigenschaften aufweisen,<br />
äußerst komplex und schwer kopierbar sind. DEGALAN®<br />
schützt somit auch Marken und Produkte. Und ermöglicht<br />
den Kunden, Originale von gefälschter Massenware zu unterscheiden.<br />
l<br />
ANDREAS OLSCHEWSKI<br />
Andreas olschewski arbeitet seit<br />
mehreren Jahren als Global technical<br />
Service Manager im Geschäftsbereich<br />
coatings & Additives von evonik;<br />
sein Schwer punkt ist die anwendungstechnische<br />
Beratung im Bereich<br />
Acrylharze. nach einer Ausbildung<br />
zum lacklaboranten absolvierte er<br />
ein Studium an der Fach hochschule<br />
für Druck in Stuttgart, das er als<br />
ingenieur mit Schwerpunkt lacke<br />
und Farben abschloss. 1980 begann er seine berufliche laufbahn in<br />
der Anwen dungstechnik Acrylharze der evonik röhm GmbH.<br />
+49 6151 18-4784, andreas.olschewski@evonik.com<br />
27
P e r c A r B o n A t<br />
Das umweltfreundliche Bleichmittel<br />
DR. STEFAN LEININGER<br />
Der Beruf des Seifensieders, der aus Tierfett<br />
und Asche Seifen für Rei nigungszwecke<br />
herstellte, entwickelte sich im<br />
mittel und südeuropäischen Raum etwa<br />
ab dem 4. Jahrhundert. Wäschewaschen war<br />
harte Arbeit – die Wäschestücke mussten zum<br />
Entfernen von Schmutz gerieben oder geschlagen<br />
werden. Hartnäckigen Flecken rückte die<br />
Waschfrau mithilfe der „Rasenbleiche“ zu Leibe,<br />
indem sie die feuchte Wäsche auf dem Rasen ausbreitete.<br />
Im chemischen Zusammenspiel von<br />
Feuchtigkeit, Sonnenlicht und dem Chlo ro phyll<br />
der Pflanzen bilden sich aktiver Sauerstoff und<br />
Ozon, die beide oxidierend und bleichend wirken.<br />
Die Entwicklung moderner Waschmittel nahm<br />
ihren An fang mit der Entdeckung von Natri umperboratTetra<br />
hydrat (NaBO 3*4H 2O) im Jahr<br />
1898 und den darauffolgenden technischen Entwicklungsarbeiten<br />
bei der ehemaligen Degussa<br />
durch Otto Liebknecht. Unter dem Namen Oxygenol<br />
brachte das Unternehmen 1904 erstmals<br />
Nat rium perborat unvermischt und in Pulverform<br />
für Waschmittel auf den Markt. War der kommerzielle<br />
Erfolg anfangs noch überschaubar, so<br />
änderte sich die Situation mit dem Interesse des<br />
Die Rasenbleiche: Wird feuchte Wäsche<br />
auf Rasen gelegt, entstehen aus Feuch tigkeit,<br />
Sonnenlicht und Chlorophyll aktiver<br />
Sauerstoff und Ozon, die oxidierend<br />
und bleichend wirken<br />
28 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
für wachstumsmärkte<br />
Wasch mittelherstellers Henkel schlagartig. Am<br />
6. Juni 1907 brachte die Firma Henkel das erste<br />
„selbsttätige“ Waschmittel unter dem Markennamen<br />
Persil® auf den Markt, das die bisherige<br />
Rasenbleiche überflüssig machte. Persil® enthielt<br />
neben 15 Gewichtprozent Perborat als Haupt komponente<br />
85 Pro zent von Henkels silikathaltiger<br />
Bleichsoda. Ohne Reiben und separates Bleichen<br />
war die Wäsche nach einmaligem Kochen mit<br />
Persil® sauber und hygienisch rein.<br />
Wurde NatriumperboratTetrahydrat in den<br />
ersten Jahren noch durch Umsetzung von auf<br />
elektrochemischem Wege hergestelltem Natrium<br />
peroxid mit Borsäure produziert, so konnte<br />
mit der Entwicklung eines Direkt elektrolyse verfahrens<br />
basierend auf wässriger Boratlösung der<br />
ständig steigende Bedarf ab 1920 aus dem Werk<br />
Rheinfelden bedient werden. Mit der höheren<br />
Verfügbarkeit von Wasserstoffperoxid, das seit<br />
1910 im österreichischen Weißenstein und ab 1928<br />
in Rheinfelden elektrochemisch über Peroxodischwefelsäure<br />
hergestellt wurde, konnte die<br />
Produktion sukzessive auf den noch heute aktuellen<br />
Herstellungsprozess der Umsetzung von Natri<br />
ummetaborat mit Wasserstoffperoxid umgestellt<br />
werden.<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
c o A t i n G & B o n D i n G t e c H n o l o G i e S<br />
energiekrisen und ressourcenverknappung,<br />
verbraucherverhalten und um welt schutz<br />
spornen Forscher und entwickler immer<br />
wieder zu Höchstleistungen und verbesserten<br />
Produkten an – so auch im waschmittelmarkt.<br />
trendsetter ist ein besonders stabiles,<br />
granuliertes Percar bonat von evonik.<br />
Aufgrund seiner ökotoxikologischen Überlegenheit<br />
hat es auf dem europäischen<br />
Markt das teure Perborat als Bleichkomponente<br />
in den wasch mitteln bereits zum<br />
größten teil abgelöst. Damit sichert es führenden<br />
waschmittelher stellern die Marktführer<br />
schaft in europa und bereitet zudem<br />
den weg für einen sicheren und erfolg<br />
reichen einstieg in die wachstumsmärkte.<br />
Moderne Vollwaschmittel – sauber,<br />
rein und duftig<br />
Vollwaschmittel sind immer ein Kind ihrer Zeit.<br />
Neu und Weiterentwicklungen von Bestandteilen<br />
und Formulie run gen fanden und finden stets im<br />
Zusammenspiel mit Wasch gewohnheiten, Verbraucherverhalten,<br />
gesetzlichen Bestim mungen<br />
und Umweltschutz statt. Unverändert gültig bleiben<br />
jedoch die Prinzipien der Waschwirkung:<br />
Mechanische Kräfte, thermische Energie und<br />
chemische Reaktionen leisten ganze Arbeit im<br />
Kampf gegen Schmutz und Körperfett auf der<br />
Wäsche. Und seit über 100 Jahren tragen Bleichmittel<br />
unverändert zum Wascherfolg bei. Duftstoffe<br />
schließlich verstärken den Eindruck von<br />
Sauberkeit.<br />
„Selbsttätige“ Waschmittel waren von Anfang<br />
an ein Erfolg und wurden mit der steigenden<br />
Kaufkraft und der Verfügbarkeit von Trommelwaschmaschinen<br />
in den Jahren des deutschen<br />
Wirtschaftswunders für fast alle Bevölkerungsschichten<br />
erschwinglich. Mit dem stetig steigenden<br />
Waschmittelabsatz stieg aber auch kontinuierlich<br />
die Umweltbelastung. Eutrophierung, die<br />
unerwünschte Zunahme des Nähr stoff ge >>><br />
29
Bleiche mit Perborat und Percarbonat<br />
Vergleich zwischen normaler und aktivierter Bleiche<br />
Remission [%] = Bleichwirkung<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
HO<br />
HO<br />
O O<br />
B B<br />
O O<br />
Tee, Kaffee...<br />
OH<br />
OH<br />
2 –<br />
2 Na +<br />
Aktivierungssysteme für Waschmittel<br />
oder Na 2CO 3 • 1,5 H 2O 2<br />
H 2O<br />
H 2O 2 + OH – HOO – + H 2O<br />
0 20 40 60 80<br />
Bleichaktivierung<br />
Persalz<br />
Percarbonat<br />
oder Perborat<br />
Aktivierung<br />
R<br />
X<br />
O<br />
Temperatur [°C]<br />
Oxidierter Fleck<br />
Beispiel: TAED-Aktivierung<br />
Persalz<br />
OOH –<br />
H 2O / OH –<br />
TAED<br />
Peressigsäure<br />
H 2O 2 + OH – HOO – + H 2O<br />
Aktivatoren<br />
• TAED, NOBS<br />
• Ester, Amid<br />
• Nitril(quat)<br />
H<br />
O<br />
Waschlauge<br />
Katalysatoren<br />
• Enzym/Mediator<br />
• Metallkomplex<br />
• O-Überträger<br />
In-situ-Persäure (X=O, NH) Bleiche<br />
Aktivierte Spezies<br />
O<br />
M<br />
halts von Gewässern und dadurch bedingtes übermäßiges<br />
Pflanzenwachstum als Folge der Verwendung<br />
von phosphatbasierten Enthärtersystemen in<br />
Waschmitteln, führte in den 1980erJahren zu einem<br />
wachsenden Umwelt und Ökologie be wusstsein,<br />
das letztendlich in ein Verbot phosphathaltiger<br />
Waschmittel in Europa mündete. Moderne<br />
Waschmittel enthalten heute entweder Zeolithe,<br />
Polyacrylate oder Enthärtersysteme auf Basis nachwachsender<br />
Rohstoffe (z. B. Zitrate, Aspartate),<br />
um die Bildung von Kalkseifen zu verhindern.<br />
Der eigentliche Prozess zum Entfernen von<br />
Schmutz und Körperfett wird durch das Zusammenspiel<br />
von mechanischer Energie (Trommelbe<br />
wegungen der Maschinen), Temperatur in der<br />
Waschlösung und chemischer Wirkung der Tenside<br />
gesteuert. Tenside halten außerdem die<br />
Schmutz und Fettpartikel im Waschwasser in der<br />
Schwebe. Je weniger Wasser die modernen, Wasser<br />
sparenden Waschmaschinen einsetzen, desto<br />
mehr Dispergatoren muss das Waschmittel zur<br />
Verfügung stellen. Sie verhindern, dass sich die<br />
Schmutzpartikel in der konzentrierten Lösung<br />
wieder auf der Faser ablagern und die Wäsche<br />
vergraut.<br />
In ihrem Kampf gegen eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Flecken erhalten die Tenside Unterstüt<br />
zung durch Enzyme und Bleichmittel. Enzyme<br />
sind Proteine, die immer nur ganz bestimmte organische<br />
Stoffe durch katalytische Wirkung umsetzen<br />
und in kleinere Bausteine spalten können.<br />
So werden eiweißhaltige Anschmutzungen durch<br />
Proteasen, fetthaltige Anschmutzungen durch Lipa<br />
sen und stärkehaltige Anschmutzungen durch<br />
Carbohydrasen angegriffen.<br />
Da immer mehr Nahrungsmittel mit nicht verwertbaren<br />
Polysacchariden hergestellt werden<br />
(z. B. kalorienreduzierte Produkte), enthalten<br />
teure moderne Vollwaschmittel beispielsweise<br />
auch Mannanase zur Entfernung dieser hartnäckigen<br />
„Lifestyle“Flecken. Cellulasen wiederum<br />
lassen baumwollhaltige Kleidungsstücke glatt und<br />
neu erscheinen, indem sie kleine abstehende Fasern<br />
(Mikrofibrilionen) entfernen und so der<br />
Ver grauung durch Anlagerungen an genau diesen<br />
kleinen Fasern entgegenwirken.<br />
Gegen andere Flecken, wie sie etwa Tee, Kaffee,<br />
Gemüse oder Obst verursachen, helfen dagegen<br />
Bleichmittel wie Perborate oder Percarbonat.<br />
Diese persauerstoffhaltigen Stoffe setzen beim<br />
Lö sen Wasserstoffperoxid frei, das bei höheren<br />
Waschtemperaturen über sein Perhydroxylanion<br />
direkt oder bei niedrigeren Temperaturen in Gegen<br />
wart von Aktivatoren über die Bildung von<br />
Singulettsauerstoff seine bleichende Wirkung entfaltet.<br />
Der Reinigungseffekt beruht hierbei einerseits<br />
auf der Oxidation der farbgebenden konju<br />
30 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
gierten Doppelbindungssysteme in Farbstoff mole<br />
külen (Chromophoren) und andererseits auf der<br />
Spaltung der Moleküle in kleinere Bausteine. Die<br />
chemisch so veränderten Flecken lassen sich dann<br />
meist leichter durch Tenside von der Faser ab<br />
lösen.<br />
Neben den Fleck entfernenden Eigenschaften<br />
zeichnen sich die im Waschprozess aus den Persalzen<br />
gebildeten aktiven Komponenten zudem<br />
durch biozide Eigenschaften aus, wodurch Bak terien,<br />
pathogene Keime und Pilzsporen abgetötet<br />
werden. Die Wäsche ist nach dem Wa schen mit<br />
Vollwaschmitteln somit nicht nur sauber sondern<br />
auch rein (keimfrei).<br />
Als weitere Komponente enthalten viele Vollwaschmittel<br />
Duftstoffe in Form von verschiedenen,<br />
teilweise markanten Parfümölen. Weltweit<br />
haben sich deutlich differenzierte Gewohnheiten<br />
entwickelt. Während in Deutschland nur dezent<br />
oder gar nicht parfümiert wird, fallen die<br />
Duft stoffkomponenten in den USA und Japan<br />
reichhaltig aus. Ein starker Parfümduft suggeriert<br />
dort Sauberkeit und Frische. Aufgrund des<br />
allergenen Potenzials vieler Duftstoffe findet man<br />
aber auch immer häufiger parfümölreduzierte<br />
bzw. freie sensitive Produkte in den Super marktregalen.<br />
Waschen kann cool sein<br />
Da Wasserstoffperoxid nur bei 95 °C (Kochwäsche)<br />
voll wirksam ist, die meisten modernen Wäschestücke<br />
diese Temperatur aber nicht vertragen,<br />
enthalten Vollwaschmittel in Europa seit den<br />
1970erJahren zudem Bleichaktivatoren wie Tetraacetylethylendiamin,<br />
TAED. In der Wasch ma schine<br />
reagiert TAED mit dem aus dem Bleichmittel<br />
freigesetzten Wasserstoffperoxid unter Perhydro<br />
lyse zu Peressigsäure. Diese entfaltet bereits<br />
bei Temperaturen von 40 bis 60 °C ihre volle<br />
Bleichwirkung, die Wäsche wird also schon bei<br />
tieferen Temperaturen sauber und hygienisch<br />
rein. Das spart deutlich Energiekosten. In den<br />
USA dient Nonanoyloxybenzolsulfonat, NOBS, als<br />
Aktivator, der mit Wasserstoffperoxid Perno nansäure<br />
bildet.<br />
Unterhalb von 30°C sind die Aktivatoren TAED<br />
und NOBS nur bedingt wirksam, da die korrespondierenden<br />
Persäuren unter diesen Bedin gungen<br />
nicht so reaktiv sind. Aus diesem Grund finden<br />
in Ländern, in denen traditionell überwiegend<br />
mit kaltem Wasser gewaschen wird, wie in<br />
den USA, Japan und einigen Ländern Südeuropas,<br />
überwiegend Hypochlorite als Bleichmittel Verwen<br />
dung. Das hierbei als Nebenprodukt freigesetzte<br />
Chlor wird in den USA deshalb auch mit<br />
Hygiene und Sauberkeit verbunden.<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
>>><br />
c o A t i n G & B o n D i n G t e c H n o l o G i e S<br />
Waschtipps<br />
Weiße Streifen auf der Wäsche<br />
Sind in der regel rückstände des waschmittels oder enthär<br />
ters (Zeolithe) auf der Faser, die sich bilden, wenn z. B.<br />
das Pulverwaschmittel überdosiert oder die waschmaschine<br />
zu voll beladen ist. Dosieranleitung beachten und die Maschine<br />
nur so voll laden, dass noch eine Handbreit zwischen wäsche<br />
und trommel passt. Die rückstände lassen sich problemlos<br />
durch leichtes Ausklopfen entfernen.<br />
Maschine und/oder Wäsche riecht muffig<br />
entsteht durch Bakterien, insbesondere wenn Sie regelmäßig<br />
Flüssigwaschmittel verwenden. einmal pro Monat mit einem<br />
vollwaschmittel bei 60 °c waschen oder regelmäßig Fleckensalz<br />
verwenden.<br />
Energie und Wasser sparen<br />
Die Maschine immer voll beladen. Zwei halbgefüllte Maschi<br />
nen brauchen mehr energie und wasser als eine voll<br />
beladene.<br />
Energie sparen<br />
in den meisten Fällen genügen waschtemperaturen von<br />
30–40 °c. Mit einem vollwaschmittel werden dann üblicherweise<br />
selbst Handtücher, Bettwäsche und unterwäsche<br />
hygienisch sauber. Absolut keimfrei, z. B. bei ansteckenden<br />
krankheiten, wird die wäsche mit einem geeigneten<br />
vollwaschmittel bei 60 °c.<br />
Wasser sparen<br />
Auf den vorwaschgang verzichten. normal verschmutzte<br />
wäsche wird mit einem voll waschmittel im Hauptwaschgang<br />
sauber und Sie sparen bis zu 19 liter wasser.<br />
31
In den sich entwickelnden Ländern<br />
noch gang und gäbe: das Waschen<br />
von Hand. Mit steigendem Wohlstand<br />
können sich die Menschen aber<br />
vermehrt Waschmaschinen und<br />
maschinelle Waschmittel leisten<br />
Waschmittelmärkte im Wandel<br />
Der Waschmittelmarkt ist kontinuierlich Verände<br />
rungen unterworfen. Waren es zum Beispiel in<br />
den 1980erJahren umweltpolitische Gründe, die<br />
einen Trend zu Kompaktwaschmitteln und Konzen<br />
traten sowie ein Verbot für phosphathaltige<br />
Waschmittel in Europa auslösten, sorgt heute der<br />
demografische Wandel für sinkende Absatzzahlen<br />
und verschärften Wettbewerb auf dem europäischen<br />
Vollwaschmittelmarkt. Während einerseits<br />
die Anzahl der Single und Rentnerhaushalte<br />
steigt, parallel aber die Zahl der Kinder und damit<br />
auch die Menge an Schmutzwäsche zurückgeht,<br />
beobachtet man andererseits einen Trend hin zu<br />
mehr synthetischen Fasern und damit empfind<br />
licher Kleidung.<br />
Im Waschmittelmarkt hat diese Entwicklung<br />
in den vergangenen zehn Jahren zu einer deut<br />
lichen Verschiebung der Marktanteile zugunsten<br />
der Flüssigwaschmittel gegenüber den herkömmlichen<br />
pulverförmigen Vollwaschmitteln geführt.<br />
Derzeit scheint dieser Trend jedoch gestoppt, da<br />
Flüssigwaschmittel an ihre Grenzen stoßen (siehe<br />
Infokasten zu Flüssigwaschmittel). Zur Kompensation<br />
der Defizite von Flüssigwaschmitteln bei<br />
der Reinigungsleistung haben die Wasch mit telhersteller<br />
mittlerweile diverse Zusatzbleichmittel<br />
und Fleckentferner auf den Markt gebracht.<br />
Die traditionellen Waschgewohnheiten wandeln<br />
sich jedoch nicht nur in Europa, sondern<br />
welt weit. In den sich entwickelnden Ländern<br />
zeichnet sich im Gegensatz zu Europa ein stark<br />
wachsender Markt ab, da zunehmender Wohlstand<br />
und steigende Kaufkraft auch den Kleiderschrank<br />
füllen. Infolgedessen kaufen die Verbraucher<br />
auch vermehrt Waschmaschinen und<br />
maschinelle Waschmittel. In den entwickelten<br />
Ländern wie USA und Japan führt das zunehmende<br />
Umweltbewusstsein zu einer verstärkten<br />
Kaufbereitschaft für europäische Waschmaschinen<br />
(front loader), die Energie und Wasser sparender<br />
sind als die technisch und mechanisch weniger<br />
aufwendigen amerikanischen Waschmaschinen<br />
(top loader). Damit einher geht eine erhöhte<br />
Nach frage nach niedrig schäumenden europäischen<br />
Vollwaschmitteln, die für diese Maschinen<br />
maßgeschneidert sind.<br />
Perborate – ein Stern verblasst<br />
Perborate waren in Europa fast 100 Jahre als<br />
Bleichmittel in Vollwaschmitteln enthalten und<br />
wurden erst im letzten Jahrzehnt sukzessive<br />
durch Percarbonat ersetzt. In Ländern mit hoher<br />
Luftfeuchtigkeit und starken Temperaturschwankungen<br />
werden Perborate aufgrund ihrer chemi<br />
32 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
schen Stabilität noch heute in Waschmitteln eingesetzt.<br />
Demgegenüber wurde das weniger stabile<br />
Percarbonat historisch überwiegend als Fle ckensalz<br />
verwendet, das separat zum Vorbehan deln<br />
oder zusätzlich in den Hauptwaschgang zugegeben<br />
werden kann.<br />
Veränderungen am Rohstoffmarkt und neuere<br />
ökotoxikologische Bewertungen haben jedoch<br />
zur Folge, dass Percarbonat auch in klimatisch anspruchsvollen<br />
Regionen zunehmend als Ersatz für<br />
Perborat in Waschmitteln formuliert wird. Da<br />
Borax weltweit nur in Minen in China, der Türkei<br />
und den USA abgebaut wird, hat der Bauboom in<br />
China und im Mittleren Osten zu einer deutlichen<br />
Verknappung des Rohstoffs geführt. Begrenztes<br />
Angebot bei deutlich gestiegener Nachfrage hat<br />
den Preis für Borax in die Höhe getrieben, sodass<br />
Perborat mittlerweile deutlich teurer ist als Percar<br />
bonat.<br />
Percarbonat – ein instabiler Kraftprotz<br />
In Europa haben die Waschmittelhersteller bereits<br />
vor rund zehn Jahren sukzessive erfolgreich<br />
auf Percarbonate umgestellt. Unter klimatisch anspruchsvolleren<br />
Bedingungen, wie sie in Mittel<br />
und Südamerika, in Afrika und im Mittleren Osten<br />
vorherrschen, kann die Bleichleistung der mit<br />
Percarbonat formulierten Vollwaschmittel jedoch<br />
schnell nachlassen. Zudem stellt hier die stärkere<br />
Empfindlichkeit von Percarbonat gegenüber<br />
Feuchte ein höheres Gefahrenpotenzial dar, was<br />
die Sicherheitsanforderungen sowohl während<br />
des Transports als auch in der Wasch mittel produktion<br />
erhöht.<br />
Dass Percarbonat weniger stabil ist als Per borat,<br />
liegt hauptsächlich im Molekülbau bzw. der<br />
Kristallstruktur begründet. Beiden gemeinsam ist,<br />
dass sie im Kontakt mit Wasser bzw. Feuchte sehr<br />
leicht Wasserstoffperoxid freisetzen können. Im<br />
Gegensatz zu den Percarbonaten sind Perborate<br />
echte Persauerstoffverbindungen, bei denen der<br />
Sauerstoff über eine Peroxogruppe kovalent an<br />
das Boratom gebunden ist. Die Bor und Sauerstoff<br />
atome bilden hierbei ein 6gliedriges Ringsystem,<br />
das energetisch besonders stabil ist.<br />
Dagegen handelt es sich beim Percarbonat um<br />
eine Additions bzw. Anlagerungsverbindung.<br />
Die Wasserstoffperoxidmoleküle liegen im Kristall<br />
gitter relativ locker über Wasserstoffbrücken<br />
gebunden vor, ähnlich wie Kristallwassermoleküle.<br />
An feuchter Luft können Wassermoleküle<br />
aus der Luft in die Kristalle diffundieren und die<br />
Was ser stoffperoxidmoleküle von ihren Kristallgitter<br />
po sitionen verdrängen. Das freigesetzte<br />
Was ser stoff peroxid zersetzt sich dann unter Wär<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
c o A t i n G & B o n D i n G t e c H n o l o G i e S<br />
Flüssigwaschmittel<br />
Flüssigwaschmittel enthalten – neben viel wasser – tenside<br />
und organische lösemittel, jedoch kein Bleichmittel. Die<br />
reinigungswirkung ist schlecht, wie Stiftung warentest<br />
immer wieder eindrucksvoll bestätigt. Deshalb empfehlen<br />
die waschmittelhersteller den verbrauchern, zusätzlich<br />
Fleckensalze bzw. Fleckentferner (Bleach Booster) zu verwenden<br />
– also Zusatzwaschmittel, die recht teuer sind, aber<br />
letztendlich aus Percarbonat und einem Aktivator bestehen,<br />
wie sie in jedem vollwaschmittel enthalten sind.<br />
Flüssigwaschmittel enthalten zwar optische Aufheller als<br />
weißmacher, also organische Substanzen, die uvaktiv<br />
sind, oder titandioxid, das sich auf die Fasern legt und dadurch<br />
einen gewissen weißeffekt erzeugt. keimfreiheit wird<br />
dadurch aber nicht erreicht. im Gegenteil: Auf den kunststoffteilen<br />
in der waschmaschine wie der einspül kam mer,<br />
dem kunststoffschlauch oder den Gummidichtungen sammeln<br />
sich waschmittelrückstände an, die nährboden für<br />
Bakterien und Pilze sind. es bildet sich ein sogenannter Biofilm.<br />
Diese Bakterien und Pilze können schlimmstenfalls<br />
auch auf die wäsche übergehen.<br />
Das so gebildete Wasser und die erhöhte Temperatur<br />
können nun ihrerseits den Zerset zungsprozess<br />
beschleunigen bis hin zur vollständigen<br />
Umwand lung des vorhandenen Percarbonats (autokatalytischer<br />
Zersetzungsprozess).<br />
<strong>Evonik</strong> bändigt Percarbonat<br />
Für die Herstellung von Percarbonat stehen prinzipiell<br />
zwei Verfahren zur Verfügung: das Kristallisationsverfahren<br />
und das Granulations verfahren.<br />
Hergestellt nach dem klassischen Nassverfahren,<br />
bei dem Natriumcarbonatlösung mit<br />
Wasserstoffperoxid versetzt und gekühlt wird,<br />
entstehen offenporige Kristalle mit einer großen<br />
Oberfläche, die schwer zu beschichten ist.<br />
In den 1990er Jahren entwickelte <strong>Evonik</strong> ein<br />
WirbelschichtGranulationsverfahren, das Na trium<br />
percarbonatkristalle als runde Partikel und mit<br />
kleiner, glatter Oberfläche erzeugt. Diese Oberfläche<br />
wird in einem zweiten Prozessschritt, dem<br />
so genannten Coating, mit einer sehr dichten<br />
homogenen Hülle aus anorganischen Salzen wie<br />
Natriumsulfat umgeben. Diese Hülle dient als<br />
Dif fusionsbarriere und verhindert, dass Wassermo<br />
le küle von außen nach innen bzw. Wasser stoffperoxidmoleküle<br />
von innen nach außen diffundieren.<br />
me entwicklung leicht zu Wasser und Sauer stoff. >>><br />
33
Die Percarbonatanlage von<br />
<strong>Evonik</strong> in Rheinfelden<br />
Das Coatingverfahren von <strong>Evonik</strong> zur Herstellung<br />
von stabilisiertem Percarbonat<br />
1. Sprühgranulierung 2. Sprühbeschichtung<br />
Röntgenelektronenmikroskopische Aufnahme<br />
des durch Coating stabilisierten Percarbonats<br />
100:1<br />
Na 2CO 3-Lösung<br />
H 2O 2-Lösung<br />
Luft Natriumpercarbonat<br />
Luft<br />
100:1<br />
Na 2SO 4<br />
3,90 µm<br />
6,64 µm<br />
5,20 µm<br />
6,35 µm<br />
6,29 µm<br />
4,31 µm<br />
5,53 µm<br />
4,72 µm<br />
500:1 50µm<br />
Percarbonat: stabil und nachhaltig<br />
Wissenschaftler des Geschäftsbereichs Industrial<br />
Chemicals von <strong>Evonik</strong> haben in den vergangenen<br />
drei Jahren das Coatingverfahren im Her stellungs<br />
prozess für Percarbonat weiterentwickelt<br />
und konnten die Stabilität der äußeren Hülle und<br />
damit die Robustheit von Percarbonat gegenüber<br />
Feuchtigkeit und anderen Einflüssen deutlich erhöhen.<br />
Das verbesserte Percarbonat weist alle<br />
phy sikalischchemischen Eigenschaften auf, die<br />
von einem modernen nachhaltigen Produkt erwartet<br />
werden. Es besitzt eine exzellente Rie selfähigkeit<br />
und Lagerstabilität mit ausgezeichneter<br />
Haltbarkeit in Formulierungen und ist wegen seiner<br />
hohen Schüttgutdichte für den Einsatz in Kompaktwaschmitteln<br />
besonders gut geeignet.<br />
Percarbonat ist auch deshalb besonders attraktiv<br />
für Kompaktwaschmittel, da es anders als die<br />
Perborate multifunktional ist. So enthält es neben<br />
dem oxidierend wirkenden Wasserstoff peroxid<br />
auch Soda, das zur Alkalinität der Wasch lösung<br />
beiträgt und die Reinigungswirkung unterstützt<br />
(2 in 1). Das separate Formulieren von Soda kann<br />
somit deutlich reduziert werden.<br />
Die hohe chemische und mechanische Ro bustheit<br />
des verbesserten Percarbonats zeigt sich besonders<br />
in der guten Lagerstabilität im fertigen<br />
Waschmittel, wodurch die Reinigungsleistung des<br />
Waschpulvers über eine längere Zeit erhalten<br />
bleibt. Das Bleichmittel muss bei der Wasch mit telherstellung<br />
nicht mehr überdosiert werden, es<br />
können also bei gleicher Effizienz geringere Rohstoffmengen<br />
eingesetzt werden. Mit der höheren<br />
Stabilität des Percarbonats während der Lagerung<br />
des Waschmittels können oxidationsempfindlichere<br />
Enzymsysteme eingesetzt werden, die beispielsweise<br />
in konzentrierten Wasch lösungen<br />
eine gute Reinigungswirkung entfalten.<br />
Die Welt stellt um: auf granuliertes<br />
Percarbonat von <strong>Evonik</strong><br />
Da Percarbonat ein oxidierend wirkender Stoff<br />
ist, geht von ihm ein besonderes Gefahrenpotenzial<br />
aus. Für dessen Produktion, Transport, Lagerung<br />
und Verarbeitung ist deshalb ein Sicher heitskonzept<br />
erforderlich. Die Standorte müssen eine<br />
Zulassung haben und dürfen nur bestimmte<br />
Mengen lagern. Von <strong>Evonik</strong> erhalten die Kunden<br />
Empfehlungen, wie das stabilisierte Per carbonat<br />
gelagert werden muss. <strong>Evonik</strong> hat in der Ver gangenheit<br />
bereits diverse Kunden bei der Umstellung<br />
von Perborat auf Percarbonat begleitet und ist<br />
derzeit federführend mit der Kon ver tierung der<br />
verbliebenen Produktions anlagen für Wasch<br />
und Reinigungsmittel beauftragt.<br />
34 <strong>elements32</strong> evonik science newsletter
Versandbereites<br />
Natriumpercarbonat in<br />
Bigbags für Kunden<br />
auf der gesamten Welt<br />
Für die Produktqualifizierung wurden hierzu<br />
verschiedene kundenspezifische Validierungstests<br />
ausgearbeitet, um sicherzustellen, dass die<br />
Coa ting hülle des Percarbonats beispielsweise<br />
während der Förderung des Materials aus Tagessilos<br />
in den Produktionsprozess nicht beschädigt<br />
wird. In aufwe ndigen sicherheitstechnischen<br />
Messun gen und Modellierungen konnte <strong>Evonik</strong><br />
zeigen, dass das granulierte Percarbonat ideal für<br />
den Einsatz unter extremen klimatischen und<br />
produktionstechnischen Bedingungen geeignet<br />
ist. Aber auch der Transport des Percarbonats aus<br />
den Pro duktionsanlagen von <strong>Evonik</strong> zu den<br />
Wasch mit tel fabriken der Kunden auf der ganzen<br />
Welt wurde detailliert analysiert, da es sich transportrechtlich<br />
um ein Gefahrgut mit besonderen<br />
An forderungen handelt.<br />
Auch wenn die globale Umstellung noch in<br />
vollem Gange ist, enthalten bestimmte Waschmittel<br />
in den Wachstumsmärkten des Mittleren<br />
Ostens und Afrikas bereits das granulierte Per carbonat<br />
von <strong>Evonik</strong>. Das Unternehmen profitiert<br />
hierbei von seiner Technologieführerschaft und<br />
überlegenen Produktqualität und wird als verlässlicher<br />
und kom petenter Partner von der globalen<br />
Kon sum gü ter industrie anerkannt. l<br />
<strong>elements32</strong> evonik science newsletter<br />
c o A t i n G & B o n D i n G t e c H n o l o G i e S<br />
Fleckensalz für Spezialanwendungen<br />
Das Bleichmittel Percarbonat ist Hauptbestandteil der meisten<br />
handelsüblichen Fleckensalze. neben Fleckenentfernung<br />
in der wäsche leistet der „Aktivsauerstoff“, der sich beim<br />
Auflösen des Percarbonats in wasser bildet, auch in anderen<br />
lebensbereichen gute Dienste. Beispiele:<br />
Kaffeekanne, Teekanne<br />
löst den calciumcoffeinkomplex auf, der sich als brauner<br />
Belag auf dem Porzellan absetzt. Zum entfernen der<br />
Ablagerungen gibt man einen löffel Fleckensalz in das mit<br />
warmem wasser gefüllte Gefäß. einwirken lassen (schäumt),<br />
danach gut mit wasser reinigen. kann durch Zugabe eines<br />
tropfens Spülmittel unterstützt werden.<br />
Teer- und Ölflecken auf Fliesen und Steinzeug<br />
Der Aktivsauerstoff „schiebt“ sich unter den teer/Ölfilm,<br />
zersetzt sich dort und der entstehende Sauerstoff löst den<br />
Film vom untergrund ab.<br />
Biotonne<br />
unterbindet unangenehme Gerüche. Percarbonat bildet mit<br />
dem im Fleckensalz enthaltenen Aktivator (tAeD) Peressigsäure,<br />
die Bakterien abtötet. Für die umwelt ist Peressigsäure<br />
unschädlich, weil sie in Sauerstoff und essigsäure<br />
zerfällt.<br />
Fischteich<br />
Bewahrt einen verschlickten teich vor dem umkippen.<br />
Das Percarbonat bringt aktiven Sauerstoff in den Schlick ein,<br />
ohne den Fischen zu schaden (bei angemessener Dosie rung).<br />
Die Zugabe von Percarbonat übt durch den Soda anteil auf<br />
übersäuerte teiche zudem eine neutralisierende wirkung<br />
aus.<br />
Stockflecken<br />
Zum Beispiel im Bad an Fließenfugen: Aus Fleckensalz und<br />
wasser eine Paste herstellen (Gummihandschuhe anziehen),<br />
auf die betreffende Stelle auftragen, einwirken lassen und<br />
mit wasser abspülen.<br />
DR. STEFAN LEININGER<br />
Stefan leininger betreut im Geschäftsgebiet Active<br />
oxygens die Anwendungstechnik für den Bereich<br />
nonPulp & Paper und leitet die Produkt und<br />
Prozessentwicklung waschrohstoffe; in dieser<br />
Funktion begleitet er in enger Abstimmung mit den<br />
kunden die globale umstellung von Perborat auf<br />
Percarbonat. Der chemiker promovierte 1996 an der<br />
universität kaiserslautern und forschte anschließend<br />
drei Jahre an der university of utah in den uSA,<br />
bis er 1999 zu evonik kam. Bevor er 2004 seine<br />
aktuelle Position übernahm, war er unter anderem<br />
an der entwicklung von titansilikalit katalysierten chemischen verfahren zur<br />
Ammoximierung und epoxidierung auf Basis von wasserstoffperoxid beteiligt.<br />
+49 6181 59-3295, stefan.leininger@evonik.com<br />
35
S E P T E M B E R 1 0<br />
03.09.–04.09.2010<br />
150th Anniversary<br />
weltkongress chemie<br />
karlsruhe<br />
www.kit.edu<br />
17.09.–21.09.2010<br />
126. GDnÄversammlung<br />
dresden<br />
www.gdnae.de<br />
O K T O B E R 1 0<br />
03.10.–05.10.2010<br />
Polydays 2010 – Polymers in<br />
Biomedicine and electronics<br />
berlin<br />
www.gdch.de/makro2010/<br />
N O V E M B E R 1 0<br />
07.11.–09.11.2010<br />
6. German conference on<br />
chemoinformatics<br />
goslar<br />
www.gdch.de/gcc2010<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> AG<br />
Rellinghauser Straße 1–11<br />
45128 Essen<br />
www.evonik.de<br />
16.12.–21.12.2007<br />
06.09.–07.09.2010<br />
International 3rd Aachenosaka Symposium Joint on<br />
Catalysis Symposium & Fine Chemicals<br />
singapur aachen<br />
www.cfc2007.org/index.html<br />
www.seleca.rwthaachen.de/<br />
21.09.–23.09.2010<br />
Processnet Jahrestagung 2010<br />
aachen<br />
http://events.dechema.de/jt2010<br />
10.10.–13.10.2010<br />
Green Solvents for Synthesis<br />
berchtesgarden<br />
www.dechema.de/gsfs2010<br />
25.11.–26.11.2010<br />
Aachen Dresden<br />
international textile conference<br />
dresden<br />
www.aachendresdenitc.de/<br />
13.09.–15.09.2010<br />
orcHeM 2010<br />
weimar<br />
www.gdch.de/orchem2010/<br />
22.09.–24.09.2010<br />
75. Jahrestagung GDch lackchemie<br />
werningerode<br />
www.gdch.de/lackchemie2010<br />
10.10.–13.10.2010<br />
10th international workshop on<br />
Polymer reaction engineering<br />
hamburg<br />
www.dechema.de/pre10<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Innovation Management<br />
Chemicals & Creavis<br />
Rellinghauser Straße 1–11<br />
45128 Essen<br />
Wissenschaftlicher Beirat<br />
Dr. Norbert Finke<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Innovation Management<br />
Chemicals & Creavis<br />
norbert.finke@evonik.com<br />
Redaktion<br />
Dr. Karin Aßmann<br />
(verantwortlich)<br />
<strong>Evonik</strong> Services GmbH<br />
Konzernredaktion<br />
karin.assmann@evonik.com<br />
Redaktionelle Mitarbeiter<br />
Dr. Angelika Fallert-Müller<br />
Christa Friedl<br />
Nina Labitzke<br />
Michael Vogel<br />
termine<br />
Gestaltung<br />
Michael Stahl, München<br />
Fotos<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong><br />
Karsten Bootmann<br />
Stefan Wildhirt<br />
Fotolia/Lucky Dragon (S. 31)<br />
Fotolia/Conny (S. 32)<br />
mauritius images/Clover/<br />
amanaimages (S. 29 oben)<br />
mauritius images/John<br />
Warburton-Lee (S. 29 unten)<br />
.MGX by Materialise (Titel)<br />
Druck<br />
Laupenmühlen Druck<br />
GmbH & Co.KG<br />
Bochum<br />
Nachdruck nur mit<br />
Genehmigung der Redaktion