Geistliches Wort 146GEISTLICHES WORT S. 146EDITORIAL S. 148BEITRÄGEHoffnungsvoll nach vorn blicken!<strong>Schlesischer</strong> Kirchentag S. 149Ansprache zur Eröffnung<strong>de</strong>r EvangelischenSchlesischen Bibliothek S. 152Zum 100. Geburtstag vonBischof D. Hans-Joachim Fränkel S. 153Bericht von <strong>de</strong>r Tagung <strong>de</strong>s Vereinsfür schlesische Kirchengeschichte S. 155AUS DER PARTNERKIRCHEGe<strong>de</strong>nken mit BischofDr. Wolfgang Huber in Jauer S. 157VERANSTALTUNGENLan<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaftSchlesische Oberlausitz S.156Lan<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaftOl<strong>de</strong>nburg/Bremen S. 158AUS DER LESERGEMEINDE S. 159FUNDSTÜCK S. 160Blick in die Schlesische BibliothekNur verläßliche Christen haben ZukunftPredigt über Offenbarung 3, 7-13in <strong>de</strong>r Peterskirche in Görlitz anläßlich <strong>de</strong>s Schlesischen Kirchentages am 6. September 2009KIRCHENTAGSPRÄSIDENT DR. HANS-ULRICH MINKE„Du hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet,auch wenn Du nur eine kleine Kraft hast“, läßtJesus Christus in unserem Predigttext <strong>de</strong>r Christengemein<strong>de</strong>von Phila<strong>de</strong>lphia in Kleinasien sagen - und dieses Lobgilt über die 2 000 Jahre hinweg, die seit<strong>de</strong>m vergangensind, auch uns. Auch wir haben uns zu Gott bekannt unduns an seinem Wort orientiert. Je<strong>de</strong>r von uns hat dafürBeispiele aus seinem Leben und weiß, wie schwer es in <strong>de</strong>nWechselfällen <strong>de</strong>s Lebens und seinen Gefährdungen seinkann, bei Gott zu bleiben. Der Kriegsbeginn vor 70 Jahren,die Kriegs- und Nachkriegszeit zeigen, welchen Herausfor<strong>de</strong>rungendas Christsein ausgesetzt ist. Das trifft für Sie zu,liebe Görlitzer Gemein<strong>de</strong>, für die Zeit <strong>de</strong>s real existieren<strong>de</strong>nSozialismus und für die Nachwen<strong>de</strong>zeit, in <strong>de</strong>r Sie zuIhrer Überzeugung stehen mußten und das trifft für uns zu,die vertriebenen Schlesier, die die Vertreibung bewältigenund einen neuen Standort in West<strong>de</strong>utschland suchen mußten.Das ist das Beson<strong>de</strong>re an diesem Gottesdienst, daß wirihn gemeinsam feiern - die Christen <strong>de</strong>r SchlesischenOberlausitz und die Gemeinschaft evangelischer Schlesieraus ganz Deutschland. Wir danken Ihnen für die gastfreundliche,geschwisterliche Aufnahme.Heute ist Sonntag <strong>de</strong>r Diakonie, und die Geschichtevom barmherzigen Samariter ist seine zentrale Botschaft,die uns eine Ethik <strong>de</strong>r Mitmenschlichkeit und <strong>de</strong>r Nächstenliebeempfiehlt. Keine Frage, diese Ethik ist wichtig fürunsere Kirche und für unsere Gesellschaft, und <strong>de</strong>nnochsoll heute davon nicht vorrangig die Re<strong>de</strong> sein. Lassen Sieuns statt<strong>de</strong>ssen das Angebot und die Chance unseresPredigttextes nutzen und über das Erfreuliche und Positiveunseres Glaubens re<strong>de</strong>n. Es kommt nicht oft vor, daß vondiesem Positiven die Re<strong>de</strong> ist - in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit nichtund nicht einmal in <strong>de</strong>r Bibel. Selten wird uns gesagt: Duhast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet,obwohl Du nur eine kleine Kraft hast. Und die kleineKraft haben wir lei<strong>de</strong>r nur zu oft.Anerkennung und positive Re<strong>de</strong> über unseren Glauben tutuns allen gut, wo hierzulan<strong>de</strong> Kritik an Religion undKirche Mo<strong>de</strong> ist. Da wer<strong>de</strong>n das Versagen <strong>de</strong>r Christen in<strong>de</strong>r Vergangenheit und die Defizite in <strong>de</strong>r Toleranz beschworen,und man ist in <strong>de</strong>n Medien und auch sonst stolzauf die eigene Toleranz und Mo<strong>de</strong>rnität. Und es kommtz. B. nur wenigen in <strong>de</strong>n Sinn, zu protestieren, wenn - wiegera<strong>de</strong> jetzt - im türkischen Istanbul die Häuser <strong>de</strong>rChristen farblich gekennzeichnet und damit für Schikanenfreigegeben wer<strong>de</strong>n. Umso nötiger haben wir es, daß wiruns über das Positive und Tragfähige in unserem Glaubenklar wer<strong>de</strong>n und uns ermutigen, wie das unser Predigttexttut. Es sollte uns wenig stören, daß es sich hier um eineVision <strong>de</strong>s Johannes han<strong>de</strong>lt, die in Manchem rätselhaft ist.Denn die Verpackung ist nicht wichtig; wichtig ist nur dieBotschaft, daß wir eine positive, weiterführen<strong>de</strong> Basis fürunser Leben haben - eine Basis, die uns Mut und Zuversichtgibt.I.Zuerst ist nämlich festzustellen, das Ermutigen<strong>de</strong> undTragfähige an <strong>de</strong>r christlichen Religion ist Jesus Christusselbst, durch <strong>de</strong>n Gott für uns transparent wird und <strong>de</strong>r dieSchlüssel- und Leitfigur unseres Glaubens ist und bleibt.Lei<strong>de</strong>r ist gegenwärtig wie<strong>de</strong>rholt zu erleben, daß dieserJesus an Be<strong>de</strong>utung verliert und nicht unbedingt als <strong>de</strong>rgilt, durch <strong>de</strong>n sich Gott uns zuwen<strong>de</strong>t. Es ist kein Zufall,daß die Vision <strong>de</strong>s Johannes in unserem Predigttext fürJesus Begriffe benutzt, die im alten Testament für Gott verwandtwer<strong>de</strong>n. Christus ist <strong>de</strong>r Heilige und Wahrhaftige; erhat die Schlüssel Davids in <strong>de</strong>r Hand, mit <strong>de</strong>nen er Türenzu Gott aufschließt. Diese Türen - so heißt es im Text -kann niemand mehr zuschließen, wie <strong>de</strong>nn überhaupt dieoffenen Türen Gottes zentrale Botschaft an je<strong>de</strong>nMenschen sind. Der persönliche Gott wird uns hier ansHerz gelegt. Denn so heißt es: Ich habe vor Dir eine Tür
147GEISTLICHES WORTaufgetan und niemand kann sie schließen. Was geöffneteTüren im Leben eines Menschen be<strong>de</strong>uten, wissen wir alle.Wer von uns hat nicht schon vor verschlossenen Türen gestan<strong>de</strong>n- vor <strong>de</strong>r eigenen Haustür o<strong>de</strong>r auch vor an<strong>de</strong>renTüren - in <strong>de</strong>r Familie, beruflich o<strong>de</strong>r auch bei Krankheitund Tod. Wie gut ist es dann, daß wenigstens Gott seine Türoffen hält. Die christliche Religion ist <strong>de</strong>r Glaube an <strong>de</strong>nnahen, am Einzelnen interessierten und orientierten Gott,<strong>de</strong>r seine Türen für je<strong>de</strong>n von uns persönlich öffnet, <strong>de</strong>runsere guten und weniger guten Taten, aber auch unsereHilflosigkeit sieht. Er sieht je<strong>de</strong>n von uns, aber er sieht unsnicht nur als Einzelne, son<strong>de</strong>rn er sieht uns als Gemein<strong>de</strong>,wie das ja in <strong>de</strong>r Vision <strong>de</strong>s Johannes geschieht. Johannesre<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r ganzen Gemein<strong>de</strong> von Phila<strong>de</strong>lphia, nicht mitEinzelnen. Wir sind nicht religiöse Individualisten, die mitihrem Gott allein sind. Zur christlichen Religion gehört <strong>de</strong>rUmgang mit unseren Mitmenschen, mit unseren Schwesternund Brü<strong>de</strong>rn. Ist das nicht die große Revolution <strong>de</strong>rchristlichen Religion, liebe Gemein<strong>de</strong>, daß Gott mit <strong>de</strong>rÖffnung seiner Türen unterschiedliche Völker, unterschiedlicheGruppen einer Gesellschaft, unterschiedlicheAltersstufen und unterschiedliche Begabungen in einerGemein<strong>de</strong> zusammenführt? Und ist es nicht das Große amAbendmahl, daß wir so unterschiedliche Menschen von<strong>de</strong>m einen Brot essen und aus <strong>de</strong>m einen Kelch trinken unddabei zu Gottes Familie, eben zu seinem Volk, wer<strong>de</strong>n.II.Das führt zum Zweiten, was heute hier zu sagen ist: DasBeson<strong>de</strong>re und Ermutigen<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r christlichen Religionist, daß sie uns einen festen, klaren Standort in dieser globalisiertenWelt gibt. Wir alle wissen nur zu gut, was esheißt, heimatlos zu wer<strong>de</strong>n und „unbehaust“ zu sein, wiedas Schlagwort <strong>de</strong>r Nachkriegszeit hieß. Die Älteren unteruns wissen es beson<strong>de</strong>rs, wie uns nach <strong>de</strong>m ZweitenWeltkrieg bewährte Lebensmuster zerbrochen sind und dieregionale landsmannschaftliche Zuordnung verloren ging.Viele von uns durften nicht in <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>m ihreVorfahren 700 o<strong>de</strong>r 800 Jahre gelebt haben, arbeiten undleben. Wir Vertriebene haben lange gebraucht, um uns ansatzweiseals Bayern, Nie<strong>de</strong>rsachsen o<strong>de</strong>r Bran<strong>de</strong>nburgerzu verstehen. In aller Regel spüren wir, daß ein Rest vonDistanz und Nicht-Zugehörigkeit geblieben ist.Darum, liebe Schwestern und Brü<strong>de</strong>r, ist es lebenswichtig,daß wir einen festen Platz bei Gott haben und einHeimatrecht in seinem Volk. Das ist keine fromme Phrase,son<strong>de</strong>rn Realität. Diese Realität ist für uns eine menschlicheund geistige Herausfor<strong>de</strong>rung - eine menschlicheHerausfor<strong>de</strong>rung, weil es um unsere persönliche Lebenskulturund unsere Ethik geht. Es ist zu einfach und bequem,über <strong>de</strong>n Werteverfall in <strong>de</strong>r bürgerlichen Gesellschaft zuklagen, über die Unzuverlässigkeit, die mangeln<strong>de</strong>Ernsthaftigkeit <strong>de</strong>r Politiker und die Gier <strong>de</strong>r Bankmanager,wenn wir es nicht selbst besser machen, nicht pflichtbewußt,korrekt, anständig, einsatzbereit und couragiertsind. Halte, was Du hast, damit Dir die Krone nicht genommenwird - rät Christus im Predigttext. Eine neue persönlicheEthik ist offenbar nötig; die bekommen wir, wenn wiruns an Gottes Wort orientieren und danach leben.Herausgefor<strong>de</strong>rt sind wir auch zu klarem, vernünftigenDenken. Unter <strong>de</strong>n vielen Beliebigkeiten und <strong>de</strong>r Gleichgültigkeit,die in unserer Gesellschaft üblich sind, löst sichGlaube auf und wird zu einem allgemeinen religiösen Brei.Friedrich <strong>de</strong>r Große irrt, wenn er behauptet: Je<strong>de</strong>r soll nachseiner Facon selig wer<strong>de</strong>n. Selig wird man nur nach GottesFacon. Wir sind keine Kuschelkirche, in <strong>de</strong>r man gemütlich,bequem und spannungslos religiös sein kann. Auseinan<strong>de</strong>rsetzungengehören dazu. Und wir dürfen ihnen nichtaus <strong>de</strong>m Weg gehen. Die Gemein<strong>de</strong> in Phila<strong>de</strong>lphia istje<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>n Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen nicht aus <strong>de</strong>m Weggegangen, und mit Antisemitismus hat das nichts zu tun,wenn sie sich mit <strong>de</strong>r jüdischen Gemein<strong>de</strong> auseinan<strong>de</strong>rsetzt.Die hatte damals wegen ihres Monotheismus großenZulauf und währte sich mit allen Mitteln, weil die Christenihr <strong>de</strong>n Rang abliefen.Christlicher Glaube ist eben nicht Schall und Rauch. Erhat klare Aussagen. Gott ist nicht Allah; Glaubenskriegersind wir auch nicht. Wir sollten <strong>de</strong>swegen klar sagen können,was wir <strong>de</strong>nken und was Sache ist. Das Lob: Du hastmein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet, istganz gewiss keine kleinkarierte, altmodische Formel, son<strong>de</strong>rneine mo<strong>de</strong>rne, weiterführen<strong>de</strong> Devise.III.Nur, wenn wir verläßliche klar <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Christen sind,haben wir eine Zukunft - das ist zum Schluß zu sagen. Werüberwin<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>n will ich machen zum Pfeiler im künftigenTempel Gottes und zum Bürger im neuen Jerusalem, heißtes im Predigttext. Christen rechnen mit <strong>de</strong>r Zukunft. Schonjetzt sind wir Gottes Volk, wie wir es endgültig im neuenJerusalem sein wer<strong>de</strong>n. Wir beten nicht umsonst imGlaubensbekenntnis „… von dort wird er kommen zu richtendie Leben<strong>de</strong>n und die Toten“. Kritiker fragen in diesemZusammenhang, ob wir <strong>de</strong>nn wirklich überzeugt sind, daßChristus wie<strong>de</strong>rkommt, o<strong>de</strong>r ob solche Hoffnung nicht insMuseum gehört. Visionen soll man nicht wörtlich nehmen.Keiner weiß, wie es zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Welt kommt. Aber daßes dazu kommt, hört man sogar von Leuten, die mit <strong>de</strong>rReligion nichts im Sinn haben. Gott, <strong>de</strong>r diese Weltgeschaffen hat, wird ihr ein En<strong>de</strong> setzen und uns - davongehen wir aus - im neuen Jerusalem eine Zukunft geben,wie die auch immer aussehen wird. Wir sollten uns dieserZukunftserwartung nicht schämen. Als Gemein<strong>de</strong> sind wirkeine esoterische, herumphantasieren<strong>de</strong> Gemeinschaft,son<strong>de</strong>rn eine Gemein<strong>de</strong>, die Zukunft erwartet, die aberauch die Gegenwart ernst nimmt und die hier ihre Aufgabenerfüllt.Unsere Situation läßt sich am besten mit einerGeschichte beschreiben: Ein junger Mann trat im Traum ineinen La<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m ein Engel bediente. Den fragte er:„Was verkaufen Sie <strong>de</strong>nn hier?“ Der Engel antwortetefreundlich: „Alles, was Sie wollen!“ Darauf begann <strong>de</strong>rMann aufzuzählen: „Ich hätte gern das En<strong>de</strong> aller Kriege,das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hungerns, bessere Lebensbedingungen, mehrArbeitsplätze, Lösungen für die Weltwirtschaftskrise.“ Dafiel ihm <strong>de</strong>r Engel ins Wort: „Sie haben mich wohl falsch