<strong>Klaus</strong> <strong>Merkel</strong>diesen magischen Kern zu tun ist, und dieser magischerKern erhalten bleibt, auch wenn Malerei als Kopfarbeitbestimmt ist.Im Gespräch 8 ist <strong>Merkel</strong> einmal auf die „Logik, die vonzwei Richtungen aus operiert“, hingewiesen worden. JeneLogik, die „das Bild dekonstruiert und es gleichzeitig imAkt der scheinbaren Dekonstruktion als neue Möglichkeiterschafft. Das ist in meinen Augen das Münchhausen-Prinzip(…). Der Moment, an dem sich das Bild ameigenen Schopf aus dem Sumpft zieht. Gleichzeitig ist dasja eine sehr prekäre Stelle, weil Du Dich dabei ein Stückweit immer selber dementieren musst, damit das Projektgelingen kann.“ „Fantastisch“, hat der Künstler zur Antwortgegeben. „Alles ist richtig. Mit einem Unterschied,oder vielleicht ist das gar kein Unterschied: Ich sehe dasnicht negativ. In dieser ganzen Ausbeute habe ich selbstnie ein Ende gesehen. Für mich war das immer produktiv.“Es ist nicht nur ein Trick, wenn <strong>Merkel</strong> die Aporie alseigentliche Animation ausgibt. Die systemische Anlageseines Werks, das gleichsam emphasefreie Herstellenvon Bildern für Bilder bleibt wahr, auch wenn das einzelnegemalte Bild darüber seine nie ganz emphasefreieAuthentizität verliert, die ihm als gemaltem Bild eignet.Mit gleichem Nachdruck führt das Werk seine eigeneGeschichte als unvergängliche Materialsammlung vorAugen, aus der in immer neuen Konstellationen die Werkausbreitunggeschieht, wie jedes einzelne Bild dafür steht,dass über ihm Mal-<strong>Zeit</strong> vergangen ist, hinter ihm Lebenszeitgeblieben ist, dass es sich mit unwiederbringlicher,mithin unverfügbarer Geschichte aufgefüllt hat. Wenn esnur die Diskurse wären, in die sich die Bilder einmischten,verlöre dieses Malerei-Experiment vielleicht doch einmalseine Spannung. Wohl wahr, <strong>Klaus</strong> <strong>Merkel</strong> zieht einenschnell in die Diskussion. Er mag es eben, wenn Bilderins Gerede kommen, wenn die Sprache um sie kreist undihnen bei jeder Runde näher kommt und sich wieder einStück weit von ihnen entfernt, bis der Blick auf sie scharfund schärfer geworden ist. Malerei ist Kopfarbeit, so istes. Malerei ist aber auch etwas, bei dem man malendErfahrungen sammelt. Erfahrungen, die alle irgendwoeingeschrieben sind in den gemalten Bildern. Das wiederumlässt die Bilder unschärfer werden. Und so, zwischenSchärfe und Unschärfe oszillierend, bleibt man vor denBildern stehen, auch wenn alle Argumente längst ausgetauschtsind.Hans-Joachim MüllerGeboren 1947 in Stuttgart. Studium der Philosophie undKunstgeschichte in Freiburg i. Br. Langjähriger Mitarbeiterim Feuilleton der ZEIT. Zuletzt Feuilletonchef und Mitgliedder Redaktionsleitung der Basler <strong>Zeit</strong>ung. Lebt heute alsfreier Autor für Frankfurter Allgemeine <strong>Zeit</strong>ung, ZEIT,NZZ, art-Magazin, Weltkunst und Kunstbulletin in Freiburgund in Süditalien. Lehrbeauftragter an der Hochschule fürKunst und Gestaltung in Basel. Seit 2007 geschäftsführenderRedakteur des „Künstler“ (Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst).Zuletzt erschienen Harald Szeemann, Ausstellungsmacher, VerlagHatje Cantz 2006.Anmerkungen1 Stephan Berg „Der Text der Bilder als Bild ihrer Texte“ in<strong>Klaus</strong> <strong>Merkel</strong>, Ausstellungskatalog Luckenwalde, Freiburg,Winterthur, 1999 o.P.2 „Mein Zweifel daran, mit allen Farben malen zu können, hatetwas damit zu tun, dass man ein Gerüst auch innerhalbder Farbigkeit sucht, innerhalb der Struktur, die mit derFarbigkeit untrennbar verschwistert ist. Die Beschränkungauf wenige Farben verhindert, dass ich anfange zu‚komponieren‘. Ich habe festgestellt, dass ich mit dieserbegrenzten Palette einen relativ strapazierfähigen Rahmenhabe. Dieser erlaubt Absinken in Dunkelheiten oder kannin andere Farbigkeiten oszillieren, er bleibt aber als Gerüststabil.“ Gespräch zwischen Stephan Berg und <strong>Klaus</strong> <strong>Merkel</strong>,Hannover 2002 in „<strong>Klaus</strong> <strong>Merkel</strong>. Gestelle geschoben“, AusstellungskatalogHS03, S. 393 Wie Anm. 2, S. 264 Vgl. Hanne Loreck „Die Natur der Malerei. Ein Fall von Perversion“in wie Anm.1, o.P.5 „Ich denke, diese beiden Momente durchdringen sich ständig.Im gemalten Bild treten sie in verschiedene Zustandsformenein. Modell, Original sind gegenseitge Modelle,entwertet und neu bewertet zugleich, richtig und falsch, legtman eine antiquierte Bildbetrachtung zugrunde. (…) Michinteressieren Systeme als Malerei. Dadurch kann auch derRaum befragt werden, in dem Bilder gewöhnlich als Ausstellungerscheinen.“ Wie Anm. 2, S.356 Galerie Annette Gmeiner, Stuttgart, Galerie Frieder Keim,Köln, 1993, The Henry Moore Foundation, 1996, BarnardCastle7 Verschiedene Interviews, u.a. art-Magazin, Heft 3, 2006, S.36-438 Wie Anm.2, S. 41FotonachweisAbb. 1, 9–11, 14,16, 21 a–d,27 Bernhard Strauss, FreiburgAbb. 2Kienzle Art Foundation, BerlinAbb. 3–6Wolf-Dieter Gericke, StuttgartAbb. 7Matthias Hoffmann, RastattAbb. 12Weber & Gnamm, ReutlingenAbb. 13Georg Nemec, FreiburgAbb. 18, 19, 33, 35 Galerie Thomas Flor, DüsseldorfAbb. 22Nic Tenwiggenhorn, DüsseldorfAbb. 23Massimo Audiello Gallery, New YorkAbb. 24 The Henry Moore Foundation, Leeds /Jerry Hardman-JonesAbb. 25Rolf Abraham, St. GallenAbb. 28Günzel/Rademacher, OffenbachAbb. 29Paul Schmitz, KölnAbb. 30Archiv Wilfried Keim, TennentalAbb. 31, 32Kunsthalle Nürnberg / Annette KradischAbb. 34Nic Spörri, Zürich7
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