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DAS MAGAZIN FüR SCHACHSPIELER - Schachwelt

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„Mit zwanzig muss man kämpfen“<br />

Werden Sie wie Viktor Kortschnoi<br />

mit 79 noch Turnierschach spielen?<br />

Kasparow: Puh, nein.<br />

Am 26.März wird in Zürich sein 80.<br />

Geburtstag gefeiert. Kommen Sie?<br />

Sicher. Viktor und Petra sind für mich<br />

wie meine eigene Familie.<br />

Vor zwei Jahren erkoren Sie Magnus<br />

Carlsen als Ihren schachlichen<br />

Erben und begannen, ihn zu coachen.<br />

Was halten Sie davon, dass<br />

sich der inzwischen 20jährige aus<br />

dem WM-Kandidatenturnier zurückgezogen<br />

hat?<br />

Nicht gut. Die falsche Entscheidung. In<br />

seinem Alter und mit seiner Entwicklung<br />

hätte er kämpfen müssen. Am<br />

Brett.<br />

Verstehen Sie seine Beweggründe?<br />

Er hat recht, das System als unfair zu<br />

kritisieren. Die FIDE hat den ganzen<br />

Zyklus chaotisch organisiert. Mir gefällt<br />

auch nicht, dass die Kandidatenmatche<br />

ohne Pause zwischen Viertelfinal, Semifinal<br />

und Final über die Bühne gehen.<br />

Magnus wäre immer noch der Favorit,<br />

aber es kommen mehr physische und<br />

psychologische Aspekte ins Spiel, ein<br />

gewisser Glücksfaktor. Ich denke, seine<br />

Kritik am Modus ist aber nur vorgeschoben.<br />

16<br />

Interview mit Garry Kasparow<br />

Zur Feier von Viktor Kortschnois achtzigstem Geburtstag nach Zürich<br />

zu kommen ist für Garri Kasparow Ehrensache. Dabei begann ihre<br />

Freundschaft unter schwierigen Vorzeichen. Kortschnoi war 1976 aus<br />

der Sowjetunion geflüchtet und lebte seit 1978 in der Schweiz. Sowjetische<br />

Spieler waren angehalten, ihn wie Luft zu behandeln, als ihm der 19jährige<br />

Kasparow vor ihrer ersten Partie bei der Schacholympiade 1982 in Luzern<br />

demonstrativ die Hand reichte. Ein Jahr später sollten sie im Halbfinale des<br />

WM-Kandidatenkampf aufeinandertreffen. Zunächst verweigerte der Sowjetische<br />

Schachverband Kasparow die Reise, und Kortschnoi wurde bereits<br />

kampflos zum Sieger erklärt. Als der Senkrechtstarter dann doch noch<br />

mächtige Unterstützer fand, war Kortschnoi bereit, gegen ihn anzutreten.<br />

Zwei Jahre darauf war Kasparow Weltmeister. 2005 beendete er seine aktive<br />

Karriere und ging in die Politik. Kortschnoi lebt immer noch für das<br />

Schach. Stefan Löffler sprach in London mit Garri Kasparow über Magnus<br />

Carlsens WM-Absage, seinen schachpolitischen Schiffbruch mit Anatoli<br />

Karpow und Dauerbrenner Viktor Kortschnoi.<br />

Was ist Carlsens wirkliches Motiv?<br />

Es scheint ihm nicht zu behagen, sich<br />

einer so ernsten Herausforderung zu<br />

stellen.<br />

Manche vermuten, dass Sie ihm<br />

zur Absage rieten.<br />

Ich hätte nicht zugestimmt. Unsere Zusammenarbeit<br />

endete vor einem Jahr.<br />

Bereuen Sie, dass Sie ihn ein Jahr<br />

lang gecoacht haben?<br />

Überhaupt nicht. Unsere Trainingspartien,<br />

die Analysen mit einem Spieler<br />

dieses Talents, das hat alles Riesenspass<br />

gemacht. Er hat eine Fähigkeit, jede<br />

Stellung zu begreifen, wie vor ihm nur<br />

Karpow. Ich half Magnus mit etwas,<br />

was er nicht hatte: Eröffnungsvorbereitung,<br />

eine systematischere Arbeitsweise,<br />

schärfere Spielanlage.<br />

Wie fühlten Sie sich, als Sie von<br />

Carlsens Absage hörten?<br />

Ich war nicht überrascht. Als ich ihn<br />

auf seine fehlende Matcherfahrung<br />

ansprach, wich er aus. Er hat noch nie<br />

einen Zweikampf als Favorit bestritten.<br />

Ich riet ihm zu einem Trainingsmatch<br />

gegen einen Weltklassespieler,<br />

der nicht unter den WM-Kandidaten<br />

ist.<br />

Als Sie die Weltrangliste anführten,<br />

verloren Sie etwa eine regulär<br />

Partie im Jahr. Carlsen verlor zuletzt<br />

gemittelt alle zwei Wochen.<br />

Weil er nicht so hart arbeitet, wie er<br />

müsste. Das ist meine einzige Erklärung.<br />

Arbeiten heisst konstant bei der<br />

Sache zu sein, die Sinne geschärft zu<br />

halten. Am Brett ist er phänomenal.<br />

Wenn er auch noch hart genug arbeitet,<br />

wird er dominieren.<br />

Können Sie sich vorstellen,<br />

Carlsen künftig wieder zu coachen?<br />

Nein. Er ist sein eigener Herr. Er ist jetzt<br />

dabei, erwachsen zu werden.<br />

Braucht er Zeit, um zu rebellieren?<br />

Er braucht Zeit, seine Zukunft zu überdenken.<br />

Alles scheint ihm zuzufliegen.<br />

Aber die Konkurrenz schläft nicht. Vor<br />

einem Jahr hat er das Schach dominiert,<br />

jetzt nicht mehr. Hätte er weiter hart<br />

gearbeitet, hätte er meinen Rekord von<br />

2851 Elopunkten brechen können. Das<br />

wären massive Schlagzeilen für Schach<br />

und für ihn.<br />

Sie haben einmal gesagt, bevor<br />

Carlsen abtritt, werde er das Spiel<br />

erheblich verändert haben. Trauen<br />

Sie ihm das nun nicht mehr zu?<br />

Ein Spieler seines Talents, mit seiner<br />

Zugkraft bei den Medien und als erste<br />

Nummer eins aus dem Westen seit<br />

Bobby Fischer wäre enorm gut für<br />

Schach. Dafür muss man seine Dominanz<br />

ständig beweisen, ständig die<br />

Aufmerksamkeit des allgemeinen Publikums<br />

auf sich ziehen. Das hat er verloren.<br />

So reicht es nicht, das Image des<br />

Spiels zu heben.<br />

In Carlsens Alter erkämpften Sie<br />

nicht nur am Brett sondern auch<br />

gegen den Widerstand des Sowjetischen<br />

Schachverbands den WM-<br />

Titel. Wie haben Sie die Jahre zwischen<br />

19 und 22 geprägt?<br />

Ich bin immer noch da. Rückschläge in<br />

Kauf nehmen und sich schweren Herausforderungen<br />

stellen stärkt den Charakter.<br />

Ihnen aus dem Weg zu gehen,<br />

rächt sich.

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