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� 32<br />
ISBN 3860991493, 19,80 DM<br />
Peter Streiff (Aus: ECOregio, April 1999)<br />
Martina Schäfer, Susanne Schön:<br />
Nachhaltigkeit als Projekt<br />
der Moderne<br />
“Anke F. schaut auf die Uhr...: Schon wieder<br />
13.30 Uhr, ... Vielleicht sollte sie jetzt<br />
doch schnell um die Ecke in den Ökoimbiss<br />
gehen, damit sie rechtzeitig zur Besprechung<br />
wegen des Photovaltaik-Auftrags in Indonesien<br />
wieder zurück ist...“<br />
Derart episch wird der/die Leser/in in das<br />
Ökologische Modernisierungsszenario bzw.<br />
ins Nachhaltigkeitsszenario - Deutschland im<br />
Jahre 2010 - eingeführt. Das dritte Modell<br />
ist jenes der Globalisierung, im Blick auf<br />
Lebensqualität im umfassenden Sinne am<br />
negativsten gezeichnet wird. Die Vorstellungen<br />
der Autorinnen von einer erstrebenswerten<br />
Zukunft repräsentiert in dieser Darstellung<br />
das Nachhaltigkeitsszenario. Dieses<br />
wird in den darauffolgenden Kapiteln<br />
theoretisch entwickelt und diskutiert. Die<br />
Prämisse ist, Ökologie, Ökonomie und das<br />
Geschlechterverhältnis in all seinen sozioökonomischen<br />
und soziokulturellen Dimensionen<br />
in ein vernetztes Ganzes zu bringen.<br />
Schäfer / Schön orientieren sich dabei an<br />
der „Ganzheitlichen Problemlösungsmethodik“<br />
einer Schweizer Forschergruppe,<br />
die folgende fünf Schritte vorsieht: 1. Die<br />
Problemsituationen (Zerstörung der Lebensgrundlagen,<br />
Krise der Arbeitsgesellschaft<br />
etc.) sind mit all ihren Einflussfaktoren zu<br />
beschreiben, und die angestrebten Lösung<br />
zu modellieren. – 2. Ziele und Einflussfaktoren<br />
werden zu einem Gesamtbild verschmolzen.<br />
– 3. Zur Erfassung und Interpretation<br />
der Veränderungsmöglichkeiten<br />
werden Szenarios erarbeitet. – 4. Es sind<br />
die verschiedenen Lenkungsebenen bzw.<br />
Lenkungsmöglichkeiten zu entwickeln: von<br />
den individuellen bis zu den politisch-strukturellen.<br />
– 5. Schließlich sind erst konkrete<br />
Maßnahmen und Strategien zu planen.<br />
(S. 19f.)<br />
Unter diesen Vorzeichen werden die beiden<br />
Problemkreise „Bedürfnisfeld Ernährung“<br />
und „Bedürfnisfeld Wohnen“ betrachtet, um<br />
daraus Konturen zukunftsfähiger Arbeit zu<br />
entwickeln. Demnach sollten „Gleichstellungs-,<br />
Arbeitszeit-, Betriebsverfassungs-,<br />
Grundsicherungs- und Regionalstrukturgesetze“<br />
zur Geltung kommen, deren zentrale<br />
Optionen etwa folgendermaßen zu beschreiben<br />
sind: die 50/50 Quotierung der<br />
Geschlechter ist auf allen Beschäftigungsund<br />
Entscheidungsebenen verwirklicht;<br />
die 30-Stunden-Woche eingeführt (wobei<br />
bezahlte Mehrarbeit überproportional<br />
besteuert und Freistellungen für<br />
Gemeinwesensarbeit und Weiterbildung<br />
gewährleistet werden); für Betriebe, die<br />
besonders arbeitnehmerfreundlich agieren,<br />
gibt es Steuervergünstigungen; im<br />
Bedürfnisfall gibt es eine Grundsicherung<br />
von DM 1.500,- pro Monat. Große Bedeutung<br />
messen die Autorinnen zudem<br />
einer intakten Regionalstruktur (Stichworte:<br />
„regionale Versorgungswirtschaft“;<br />
Unterstützung regionaler Initiativen<br />
und Projekte; Regionalfonds;<br />
regionaler Runder Tisch mit<br />
Gemeinwesenorientierung u.a.m.) bei.<br />
Schäfer / Schön skizzieren nicht nur ihr<br />
Wunschszenario, sondern benennen auch<br />
Probleme und Widersprüchlichkeiten ihres<br />
Modells: Die Optionen seien teilweise nicht<br />
neu, aber konnten bislang nicht durchgesetzt<br />
werden; die zunehmende Individualisierung<br />
könnte der Gemeinschaftsorientierung<br />
im Wege stehen; die angestrebte Hinwendung<br />
zu Natur und ihren (Zeit)Rhythmen<br />
stehe der wachsenden Entfremdung<br />
von der Natur gegenüber, auch scheint die<br />
Stärkung der regionaler Identitäten an der<br />
Ausweitung der Erfahrungswelten zu scheitern.<br />
Dennoch, so die Autorinnen, kann auf<br />
keinen der zu verändernden Bereiche verzichtet<br />
werden, denn aufgrund der strukturellen<br />
Vernetzung aller Lebensbereiche ist<br />
Nachhaltigkeit nur ganz oder gar nicht zu<br />
haben.<br />
Martina Schäfer, Susanne Schön: Nachhaltigkeit<br />
als Projekt der Moderne. Skizzen<br />
und Widersprüche eines zukunftsfähigen<br />
Gesellschaftsmodells. Hg. v. Wissenschaftszentrum<br />
Berlin für Sozialforschung.<br />
Berlin: Edition Sigma, 2000. 259<br />
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