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Ich lese punct - Evangelisches Krankenhaus Mülheim

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.gedanken zur zeit<br />

Medizin und Pflege im Wandel der Zeit<br />

<strong>punct</strong>-Interview: Chefarzt Prof. Dr. Heinz-Jochen Gassel, Ärztlicher Direktor und Jörg Rebhun,<br />

Leiter des Pflegemanagements, vergleichen das <strong>Krankenhaus</strong> von 1986 und 2011.<br />

Was unterscheidet die Medizin und Pflege von<br />

heute und von 1986?<br />

Prof. Gassel: Eine entscheidende Veränderung<br />

war die Einführung des DRG-Systems mit der<br />

Abrechnung nach Fallpauschalen anstelle von<br />

Belegungstagen. Es geht darum, den Patienten<br />

möglichst rasch gesund nach Hause zu schikken.<br />

So entsteht enormer Druck, den wir durch<br />

Prozessorientierung, koordinierte Zusammenarbeit<br />

aller Berufsgruppen sowie Leistungsver<br />

dichtung aufzufangen versuchen.<br />

Welche Auswirkungen hat der demografische<br />

Wandel auf die Medizin?<br />

Prof. Gassel: Wir erwarten kränkere und ältere<br />

Patienten mit komplexen kardiologisch-geriatrisch-internistischen<br />

Problemen. Die Operationen<br />

werden schwieriger, die Pflege wird<br />

komplexer. Wir brauchen dafür eigentlich mehr<br />

Ärzte und Pflegende, aber für die „Diagnose<br />

Alter“ gibt es keine zusätzliche Fallpauschale.<br />

Wir bekommen auch ältere Mitarbeiter: Für<br />

körperlich anstrengende Arbeit wie die Basispflege<br />

ist das problematisch. Wenn es um Er-<br />

fahrung und Kompetenz geht, ist es erfreulich.<br />

Rebhun: Die Anzahl der Patienten ist deutlich<br />

höher und ihre Verweildauer erheblich kürzer.<br />

Leichter erkrankte Menschen werden inzwischen<br />

ambulant behandelt und im <strong>Krankenhaus</strong><br />

liegen vor allem schwer und mehrfach<br />

kranke Patienten.<br />

Wie wirken sich diese Entwicklungen für die<br />

Mitarbeiter aus?<br />

Rebhun: Die Belastung der Pflegenden ist stark<br />

gestiegen. Sie pflegen nicht nur die Patienten,<br />

sondern sollen heute auch EDV-Spezialisten,<br />

Fallmanager, Qualitätsbeauftrage sowie Service-<br />

Experten sein. Sie müssen in viel kürzerer Zeit<br />

eine Beziehung zu ihren Patienten aufbauen.<br />

Da die Ausbildung deutlich besser geworden<br />

ist, sind examinierte Pfleger fachlich hoch<br />

qualifiziert. Entscheidend ist ihre Fähigkeit,<br />

vertrauensvolle Beziehungen herzustellen.<br />

Damit sie Zeit dafür finden, entlasten wir sie<br />

von Aufgaben, die nicht zu ihren Kernkompetenzen<br />

gehören. Wir müssen sie fragen:<br />

Warum bist Du in diesen Beruf gegangen?<br />

Was ist Deine Motivation? Was wir heute<br />

brauchen, sind Konzepte, die Kompetenzen<br />

und Zuständigkeiten klar regeln und die es<br />

den Pflegenden wieder ermöglichen, sich dem<br />

Patienten liebevoll zuwenden.<br />

Prof. Gassel: Der Dokumentationsaufwand<br />

hat sich seit 1986 für die Ärzte verzehnfacht.<br />

Ihre Zeit am Patientenbett nimmt leider ab.<br />

18<br />

zur Person<br />

Prof. Heinz-Jochen Gassel, Jahrgang 1960, promo-<br />

Gudrun Heyder<br />

vierte nach seinem Medizinstudium im Jahr 1986.<br />

Der Facharzt für Chirurgie mit Weiterbildung<br />

zum Gefäß- und zum Viszeralchirurgen ist Träger<br />

renommierter Auszeichnungen in der Chirurgie,<br />

Onkologie und Transplantation. Seit 2005 ist er<br />

Chefarzt der Chirurgischen Klinik.<br />

Wie haben sich die Rollen von Patienten,<br />

Pflegenden und Ärzten gewandelt?<br />

Rebhun: Aus dem stillen Patienten ist ein<br />

mündiger Kunde geworden. Vor allem durch<br />

das Internet sind die Patienten heute viel aufgeklärter<br />

als früher über ihre Erkrankungen.<br />

Das ist gut so! Aber es stellt zusätzliche Anforderungen<br />

an Pflegende und Ärzte.<br />

Prof. Gassel: Ärzte verstehen sich zunehmend<br />

als Dienstleister. Die Patienten werden künftig<br />

noch stärker mitbestimmen und Verantwortung<br />

für ihre Gesundheit übernehmen. Deshalb<br />

brauchen wir auch profunde Kenntnisse über<br />

alternative Therapien.<br />

Der Chefarzt 2011 besticht durch fachliches<br />

Können sowie ärztliches Denken und Handeln.<br />

Er muss zugleich aber Manager und Führungspersönlichkeit<br />

sein, sonst scheitert er. Die<br />

ehemals steile, geradezu militärische Hierarchie<br />

weicht zunehmend einer Wissens- und Organisationshierarchie.<br />

Rebhun: Ärzte und Pflegende müssen wirklich<br />

eng zusammen arbeiten und klar bestimmen:<br />

Wer tut was?<br />

Welche entscheidenden medizinischen<br />

Entwicklungen gab es im Ev. <strong>Krankenhaus</strong><br />

seit 1986?<br />

Prof. Gassel: In der Augenklinik haben die<br />

laserbasierten Eingriffe stark zugenommen.<br />

In der Unfallchirurgie wurde die Endoprothetik<br />

stark weiterentwickelt, insbesondere für<br />

Knie-, Schulter- und auch kleinere Gelenke.<br />

In der Kardiologie gab es eine rasante Zu-<br />

nahme der interventionellen 1) Maßnahmen,<br />

zum Beispiel Implantationen von Stents,<br />

Schrittmachern, Defibrillatoren und Herzklappen,<br />

letztere neuerdings über Leisten-<br />

oder Handgelenkszugänge. In der Gefäßchirurgie<br />

und Radiologie hat sich die endo-<br />

vaskuläre 2) Therapie stark verbreitet, zum<br />

Beispiel mit Implantationen von Stents bei<br />

Aneurysmen 3) , Gefäßverengungen und -verschlüssen.<br />

In der Chirurgie haben sich minimal-invasive<br />

Verfahren so weiterentwickelt,<br />

dass nun Operationen über natürliche Körperöffnungen<br />

möglich sind. In der Anästhesie<br />

wurden große Fortschritte in moderner<br />

Schmerztherapie und Anästhesie rund um die<br />

Operationen gemacht. Übergreifend für alle ist<br />

die zunehmende interdisziplinäre Koope ra tion<br />

in Zentren wie dem Brust- und Darm zentrum<br />

und, noch in 2011, dem Pankreas zentrum.<br />

Das Ev. <strong>Krankenhaus</strong> baut und saniert in<br />

großem Umfang: Welche baulichen Voraussetzungen<br />

braucht eine moderne Klinik?<br />

Prof. Gassel: Baumaßnahmen sind zur<br />

Modernisierung notwendig. Künftig wandeln<br />

sich Krankenhäuser immer mehr zu Gesundheitszentren<br />

mit organisierten Dienstleis tungen.<br />

Beratungsstellen wie unsere Pflege- und<br />

Sozialberatung, Prävention und die Behandlung<br />

Hand in Hand mit den niedergelassenen<br />

Kollegen werden immer wichtiger. Vom<br />

<strong>Krankenhaus</strong> unabhängige Arztpraxen siedeln<br />

sich an, um die Versorgung der Patienten in<br />

diesen Gesundheitszentren zu optimieren.<br />

Das Ev. <strong>Krankenhaus</strong> spiegelt schon jetzt vorbildlich<br />

den Campus-Gedanken wider. ●<br />

Interview: Regina Bollinger/Gudrun Heyder<br />

Die ausführliche Fassung des Interviews ist<br />

unter www.evkmh.de auf der Startseite zu <strong>lese</strong>n.<br />

Info<br />

zur Person<br />

Jörg Rebhun, Jahrgang 1965, ist examinierter Gudrun Heyder<br />

Krankenpfleger. 1986 war er im EKO. in der Urologie<br />

und Onkologie tätig. Nach dem Studium „Pflegemanage<br />

ment“ arbeitet er seit 1998 in diesem<br />

Bereich und leitet seit 2005 gemeinsam mit<br />

Oberin Doris Horn das Pflegemanagement des Ev.<br />

<strong>Krankenhaus</strong>es. Er gehört der Betriebsleitung an.<br />

1) interventionell: eingreifend<br />

2) endovaskulär: in den Blutgefäßen<br />

3) Aneurysma: ausgeweitetes Blutgefäß

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