Coverfoto: © Patrizia Tilly - Veranstaltungskalender für Körper Geist ...
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Foto: <strong>©</strong> Xuejun li - Fotolia.com<br />
Göttern, Tieren, Menschen usw. vorhanden. Nur die (vom<br />
Verstand geschaffenen) Namen und Formen lassen ein<br />
Wesen von einem anderen unterschiedlich sein.<br />
Wenn man gegenüber der Welt der Namen und Formen<br />
gleichgültig geworden und dem Sat-Cit-Ananda<br />
ergeben ist, soll man ununterbrochen Kontemplation<br />
üben über das Zentrum des Herzens (…).“<br />
Namen, Begriffe, Formen – der Verstand achtet auf Unterscheidungen<br />
und Definitionen. Das Herz geht darüber<br />
hinaus und erkennt das Eine, das alle Wesen verbindet, die<br />
gemeinsame Quelle. „Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit“<br />
ist in jedem Moment hier und jetzt wirklich und gegenwärtig.<br />
Warum, so wird immer wieder gefragt, erlebe<br />
ich das nicht? Die Antwort von spirituellen Lehrern und<br />
Traditionen lautet in der Regel: Wir erleben und erkennen<br />
das nicht bewusst, weil unsere Vorstellungen, Wünsche<br />
und Ängste dieses Sat-Cit-Ananda überlagern.<br />
Doch das ist irreführend, weil es den Sucher, das Ich<br />
anspricht: ‚Ich muss also die Überlagerungen irgendwie<br />
wegmeditieren, bewusster sein, mich stärker hingeben<br />
etc.’ Nein! Es ist das Nächstliegende und Unauffälligste<br />
überhaupt, das, was wir immer sind, ob wir es suchen<br />
oder nicht! Wir können nach dem ultimativen Kick,<br />
der alles in den Schatten stellenden Ekstase Ausschau<br />
halten, oder auch nicht: Das Sein ist, wie es ist. Die<br />
reine Tatsache des Ich Bin, das stets gleich bleibende<br />
Grundgefühl zu sein – auch mit allen Gedanken und<br />
Gefühlen -, ist Ananda, Glückseligkeit. Wer verliebt<br />
ist, fühlt das und macht sich keine Gedanken über<br />
eine Verbesserung seiner Situation. Der Augenblick ist<br />
Erfüllung. So erlebt es auch der Mystiker.<br />
Das Sein ist einfach<br />
Das Herz steht <strong>für</strong> Liebe: im praktischen Sinn der<br />
Nächstenliebe, wo es darum geht zu helfen und zu<br />
handeln wie der „barmherzige Samariter“. Wo die anderen<br />
nur zusehen oder wie unbeteiligt vorbeigehen, ist<br />
das Herz eines Menschen so berührt, dass er spontan<br />
handelt, ohne an die möglichen unangenehmen Konsequenzen<br />
<strong>für</strong> sich zu denken. Im Sinne der Mystik<br />
ist das Herz die Brücke zwischen dem Relativen und<br />
dem Absoluten, zwischen dem Einzelnen und dem<br />
Ganzen, zwischen Mensch und Gott. (Theo-) Logisch<br />
betrachtet ist eine solche Verbindung oder Nahtstelle<br />
gar nicht möglich. Insofern ist das Herz ein Paradox<br />
und ein Mysterium. Wir brauchen nicht an das Herz als<br />
Zentrum der Liebe zu glauben, wir müssen es nicht zu<br />
ergründen suchen. Es ist das Sein, das wir sind. Jeder<br />
Atemzug, jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Bewegung<br />
kommt aus dieser unergründlichen Quelle. Jedes<br />
Lebewesen und jedes Ding entsteht aus dem, was wir<br />
mit dem Verstand nicht begreifen können, und vergeht<br />
wieder darin. Dies ist die Essenz der Weltreligionen.<br />
Wir können sie mit dem Herzen empfangen.<br />
Thema Herz Heilung<br />
Atishas „Herzmeditation“ (Tonglen)<br />
Der indische Mahayana-Lehrer Atisha Dipankara<br />
Shrijnana (980-1052) galt schon zu Lebzeiten als ein<br />
großer Weiser der Lehre von der Leere, reiste bis Sumatra<br />
und verbrachte die letzten 13 Jahre seines Lebens<br />
in Tibet. Er entwickelte eine Meditation des Mitgefühls,<br />
die im buddhistischen Tibet als Tonglen (Geben und<br />
Nehmen) bekannt wurde und bis heute sehr geschätzt<br />
wird. Der XIV. Dalai Lama praktiziert sie nach eigener<br />
Aussage täglich.<br />
Bei dieser Meditation wird ein Energieaustausch<br />
zwischen mir und anderen visualisiert und erlebt. In den<br />
meisten heute angebotenen Visualisierungen wird gute,<br />
positive Energie eingeatmet und schlechte, verbrauchte<br />
Energie ausgeatmet, gleichsam „entsorgt“. Im Tonglen<br />
ist das genau umgekehrt. Der Meditierende nimmt<br />
das Leiden der Menschen in sich auf und gibt Frieden<br />
und Glück zurück. An dieser so einfachen Umkehrung<br />
können wir gut das Bodhisattva-Prinzip, seine enorme<br />
Tragweite und mögliche Auswirkung erkennen.<br />
Positive Energie aufnehmen und schlechte abstoßen -<br />
dieser Vorteil leuchtet jedem sofort ein. Konkret schadet<br />
das ja auch niemandem, denn schließlich geschieht es<br />
nur in der Vorstellung. Dass auch Gedanken eine Art<br />
geistige Umweltverschmutzung sein könnten, kommt<br />
den cleveren Energietauschern dabei anscheinend<br />
nicht in den Sinn. Wie anders ist die Einstellung beim<br />
Tonglen! Ja, ich bin bereit, das Dunkle, die Traurigkeit,<br />
den Schmerz, den Hass und die Angst in mein Herz, in<br />
mein Innerstes einzulassen, nicht nur in Form von Worten,<br />
sondern so weit wie möglich mitgefühlt. Das Herz<br />
– nicht der Verstand – wird das Leid verwandeln. Und<br />
so kann von dort, der unbegreiflichen Quelle des Lebens<br />
und der Liebe, ein Lichtstrahl, ein freudvoller Impuls<br />
in die Welt ausgesendet werden. Tonglen erfordert Mut<br />
und eine gewisse Portion Selbstlosigkeit, eine Ahnung,<br />
dass wir alle eins sind.<br />
(Aus: Christian Salvesen: Liebe – das Herz aller Weltreligionen,<br />
O. W. Barth)<br />
Christian Salvesen ist Redakteur bei VISIONEN und Autor<br />
zahlreicher Bücher. www.christian-salvesen.de<br />
Buchtipp: Christian Salvesen: Liebe – das Herz aller Weltreligionen.<br />
O. W. Barth<br />
KGSBerlin 05/2010 13