HistorieDie Autobahn-GangsterDiese gab es etwa 1951 bis 56 in der damaligen britischenBesatzungszone, also im heutigen Nordrhein-Westfalen.Sie raubten LKWs aus.Dazu muss man wissen, dass die damaligen LKWseine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, maximal60 km/h erreichten, bedingt durch geringe Motorleistungund schlechte Reifen. Dazu hingen meistauch noch zwei Anhänger dran. Bei der geringstenSteigung ging die Geschwindigkeit runter auf 20 bis30 km/h. Ein 105 PS Büssing spürt die geringsteSteigung, besonders mit zusätzlich zwei beladenenAnhängern.Auf der Autobahn war meistens an den Flussüberquerungenvon den Fahrbahnen nur eine Spur vonden Kriegsschäden beseitigt. Standstreifen und Leitplankengab es noch nicht. Oft war neben der eigentlichenFahrbahn noch eine Behelfsspur, um beigesprengten oder im Bau befindlichen Fluss-Brückendiese über die Landstraße zu umfahren, umdann wieder auf die Autobahn zurückzukehren.Also ein Verkehr mit erheblichen Hindernissen! Danoch nicht alle Leute vom langsam aufkommendenWirtschaftswunder profitierten, suchte man Möglichkeiten,um das zu ändern, auch ohne einer festenArbeit nachzugehen. Das Leichteste war damalswie heute: einfach stehlen! Man raubte LKWs aus,und das ging so: Da die Produktionsstätten meistnah an den Städten oder am Rande dieser waren,gab es meistens auch eine Gaststätte bzw. Kneipedort. Da verkehrten sowohl die Arbeiter als auch dieFahrer von LKWs und natürlich auch die Gangster,die hier die Möglichkeiten hatten, Fahrten mit interessanterLadung und die Fahrtrouten zu erkunden.In der Regel fuhr immer der gleiche Spediteur fürdie Herstellerfirma. Eine Vernetzung – so wie heute– gab es nicht.Eine andere Möglichkeit ergab sich an den Raststätten.Dort wurden LKW-Fahrer ausgespäht. Oftauch durch „Damen“, die meist auch als Anhaltermitgenommen werden wollten. Meist Frauen vonder Gang. Hier kamen Frauen der Gang zum Einsatz,die meist körperlich etwas üppiger ausgestattetwaren. Während der Fahrt hatten diese „Damen“auch die Aufgabe, den Fahrer an den bekanntenAbwurfstellen etwas abzulenken. An den vorgegebenenAbwurfstellen, wo die LKWs langsamer fuhren,sprangen die Gangster von einer Brücke vonoben auf die LKWs oder Hänger und raubten dieseaus. Sie schnitten die Verdeckplane auf und warfendie Ladung einfach seitlich in die Böschung, die ausSträuchern und Büschen bestand. Da das alles beigeringer Geschwindigkeit stattfand, war die Möglichkeitdes Danebenspringens gering. Der Fahrerdes LKW hatte keine Chance, das Aufspringen undAbwerfen zu erkennen.Der Zweite Weltkrieg war noch nicht lange vorbeiund einige Soldaten waren ja entsprechend ausgebildet,z. B. Fallschirmjäger. Die Einsammler der abgeworfenenWare wurden von PKWs zu den Abwurfstellenverbracht oder befanden sich bereits anverabredeter Stelle. Sie wurden aufgesammelt mitsamtder abgeworfenen Ware, oder die Aufsammlerlegten ein Depot an, meist noch getarnt. Ein Anhaltenauf der Autobahn war damals nicht ungewöhnlich,sondern üblich. Für die Fahrten der Gangstand ein 51/53 Opel Kapitän zur Verfügung inschwarzer Farbe. Die Polizei fuhr zu der Zeit VW-Käfer und hatte beim Verfolgen wenig Chancen.Mit der Zeit wurden doch einige Einzelheiten überdie Bande und deren Handlungsweise bekannt.Weil der Verkehr geringer und der Opel Kapitän51/53 nicht so häufig war, musste die Bande umdenken.Auf der Autobahn gab es Polizeiwachen. Auchwurden die Polizeifahrzeuge vermehrt mit Funkausgestattet. Das stellte für die Autobahngangsterzunehmend die Gefahr dar, entdeckt zu werden.Deshalb ging man dazu über, den Opel Kapitän verschwindenzu lassen. Dazu wurde ein Möbelwagenauf dem nächsten Parkplatz oder in der Nähe einerAusfahrt platziert. Da wurde dann der Opel Kapitänmittels Auffahrschienen verladen und war verschwunden.Die Autobahngangster wurden nie gefasst. Fortanhieß der 51/53 Opel Kapitän „Gangster-Kapitän“.14CM 3-<strong>2013</strong> | www. <strong>DAVC</strong>.DE
HistorieDie Autobahn-GangsterÜber die Tätigkeiten der Autobahngangster wurdeauch ein Film gedreht.Mich persönlich hat die Sache auch am Rande berührt.Und das war so: Als Jugendlicher habe ichRadsport betrieben, und das war teuer! Ein Rennreifenvon Pirelli kostete damals 27 DM. Da man vonzu Hause aus nichts bekam, arbeitete man nebendem Schulbesuch in den Ferien auf dem Bau. Beiuns in der Nähe gab es ein Bergungs- und Abschleppunternehmen.Dort gab es die Möglichkeit,zu arbeiten und damit Geld zu verdienen. An Wochenendenund vor allem im Herbst und Winterging man dahin. Ein Teil der Arbeit war Bereitschaftsdienst,also nichts tun. Dafür gab es meistensauch kein Geld. Um die Zeit besser rumzukriegen,wurde dann Polizeifunk abgehört und auf größereEinsätze gewartet, die dann auch das große Geldbrachten. Durch das Abhören des Polizeifunkswusste man, wenn auch mit einiger Verzögerung,wo die Autobahngangster wieder zugeschlagen hatten.Da man die Überfall- und Abwurfstellen mitder Zeit kannte, ließ man sich selber auch was einfallen.Ein Kumpel hatte ein robustes Fahrrad mit 3-Gang-Hinterrad-Nabenschaltung und einem leicht laufendenEinachs-Fahrradanhänger. Der Kumpel wurdebenachrichtigt und fuhr die vermeintliche Abwurfstellein unserem Bereich ab und suchte nach denvon den Gangstern abgeworfenen Waren. Nichtimmer wurden die Waren sofort weggeschafft, sondernin Büschen und Erdverstecken gelagert. Mindestenszweimal hat das auch geklappt. Einmal gabes drei Kisten Mumm Sekt, wobei nur einige wenigeFlaschen zerbrochen waren. Die Flaschen waren inStrohtaschen verpackt. Dann gab es Werkzeug undzwar Maulschlüssel der Fa. Gedore. Das aufgeleseneDiebesgut wurde immer redlich aufgeteilt. In demFilm „Die Autobahngangster“ war von unserer Tätigkeitnatürlich keine Rede.Neuerdings soll es so etwas wieder geben, und zwarder heutigen Situation angepasst. Auf dem Balkan,speziell in Rumänien und Bulgarien, wird einemausgespähten LKW mit lohnender Ladung hinterhergefahren.Ein PKW Cabrio mit vorstehenderMotorhaube wird dazu benutzt. Auf der Motorhaubesoll dann einer stehen, der mit Bolzenschneideroder Batterietrennschneider die Schlösser dervorausfahrenden LKW-Container knackt, in denLaderaum steigt und die Ware wie Handys, Iphonesetc. in den Cabrio-PKW hineinwirft. So wird berichtet.Willi Krieg<strong>DAVC</strong> RheinlandBilder: Archiv Willy KriegnOpel Kapitän, viertürige Limousine, Baujahr1951-1953Sechszylinder-Kurzhub-Reihenmotor mithängenden Ventilen – Bohrung 80 mm –Hub 82 mm – Hubraum 2473 ccm – Leistung58 PS – Drehmoment 14,7 kpm – Wasserumlaufkühlungmit Pumpe – Druckumlaufschmierung– Fallstromvergaser mitBeschleunigungspumpe – Einscheiben-Trockenkupplung– geräuscharmes Dreigang-Getriebe mit Lenkradschaltung, 2. und 3.Gang synchronisiert – selbsttragende Ganzstahl-Karosserie– hydraulische Vierradbremse– Höchstgeschwindigkeit 128 km/h –Kraftstoffverbrauch 11,5 l.Preis: März 1951 = 9250 DMAugust 1951 = 9600 DMJanuar 1952 = 9850 DMNovember 1952 = 8990 DMCM 3-<strong>2013</strong> | www. <strong>DAVC</strong>.DE 15