Ähnlich verhält es sich auch bei der „Gemeinschaftsklausel“, die durch das BVerwGbei einer Kollision von <strong>Kunst</strong>freiheit <strong>und</strong> Jugendschutz herangezogen wurde. Hiernachkonnten die Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> damit auch die <strong>Kunst</strong>freiheit dann nicht in Anspruchgenommen werden, wenn dadurch andere Gr<strong>und</strong>rechte oder die für den Bestandder Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet wurden. Dieser Lösungsversuchstellt sich jedoch bei genauerer Betrachtung ebenfalls als recht unverhältnismäßigdar. Zum einen erstreckt sich die „Gemeinschaftsklausel“ nicht nur auf die<strong>Kunst</strong>freiheit, sondern gleichfalls auf alle Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> führt dann dazu, dass dieSchrankensystematik des GG zumindest dahingehend umgangen wird, dass es hiereine Art Generalschranke, nämlich die „Gemeinschaftsklausel“ gäbe. Ein solchesVorgehen stellt sich jedoch als gesetzesfremd dar <strong>und</strong> wird vom Gr<strong>und</strong>gesetzgeberdeshalb abgelehnt. 145 Zum anderen kommt zwar der Vorbehaltlosigkeit des Gr<strong>und</strong>rechtsder <strong>Kunst</strong>freiheit die Bedeutung zu, dass ihre Grenzen nur von der Verfassungselbst zu bestimmen sind. 146 Da die <strong>Kunst</strong>freiheit aber keinen Vorbehalt für den einfachenGesetzgeber enthält, darf sie weder durch die allgemeine Rechtsordnung nochdurch eine unbestimmte Klausel relativiert werden, die ohne verfassungsrechtlichenAnsatzpunkt <strong>und</strong> ohne ausreichende rechtsstaatliche Sicherung auf eine Gefährdungder für den Bestand der staatlichen Gemeinschaft notwendigen Güter abstellt. 147Als Teil des gr<strong>und</strong>rechtlichen Wertsystems ist die <strong>Kunst</strong>freiheit insbesondere der inArt. 1 GG garantierten Würde des Menschen zugeordnet, die als oberster Wert dasganze gr<strong>und</strong>rechtliche Wertsystem beherrscht. 148 Dennoch kann die <strong>Kunst</strong>freiheitsgarantiemit dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich inKonflikt geraten, weil ein <strong>Kunst</strong>werk auch auf der sozialen Ebene Wirkungen entfaltenkann. Da sich die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Jugendschutzes nebender gr<strong>und</strong>gesetzlichen Garantie der Familie gemäß Art. 6 Abs.1 GG <strong>und</strong> dem diesbezüglichenWächteramt des Staates gemäß Art. 6 Abs. 2 S.2 GG primär aus dem Persönlichkeitsrechtder Jugendlichen gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art 1 Abs. 1 GGergibt, auf dessen Sicherstellung die staatliche Schutzaufgabe abzielt, kann auch derJugendschutz der <strong>Kunst</strong>freiheit Schranken setzen 149 . Alle Verfassungsrechtsgütersind, wie sich aus der Interpretationsmaxime der Einheit der Verfassung ergibt,gr<strong>und</strong>sätzlich gleichrangig. Gegenteiliges ergibt sich auch für das Verhältnis von145 Knies, Schranken der <strong>Kunst</strong>freiheit als verfassungsrechtliches Problem, S.107ff; Berg, Konkurrenzenschrankendivergenter Freiheitsrechte im Gr<strong>und</strong>rechtsabschnitt des Gr<strong>und</strong>gesetzes, S.31.146 BVerwGE 30, 173, 193.147 BVerwGE 30, 173, 193.148 BVerfGE 6, 32, 41; 27, 1, 6.149 Vlachopoulos, <strong>Kunst</strong>freiheit <strong>und</strong> Jugendschutz, S.162.34
<strong>Kunst</strong>freiheit <strong>und</strong> Jugendschutz, weder aus der Vorbehaltslosigkeit des Art. 5 Abs. 3GG, da diese keine Wertung hinsichtlich des Gr<strong>und</strong>rechtsranges ist, noch aus derNichtgeltung des Jugendschutzvorbehalts des Art. 5 Abs. 2 GG, die gleichfalls keineSperrwirkung dahingehend entfaltet, dass der Jugendschutz die <strong>Kunst</strong>freiheit nichteinschränken kann. Folglich sind <strong>Kunst</strong>freiheit <strong>und</strong> Jugendschutz gleichrangige Verfassungsrechtsgüter.Eine Einschränkung der <strong>Kunst</strong>freiheit zum Schutze der Jugendist mithin gr<strong>und</strong>sätzlich möglich.8) <strong>Kunst</strong>freiheit <strong>und</strong> Jugendschutz - KonfliktschlichtungDer Konflikt zwischen der <strong>Kunst</strong> bzw. der <strong>Kunst</strong>freiheit <strong>und</strong> dem öffentlichen Interesseam Schutz der Jugend vor Einflüssen, die sich auf ihre v.a. sittliche Entwicklungschädlich auswirken können, lässt sich sachgerecht nur dann lösen, wenn man erkennt,dass es sich hier, wie bereits dargelegt, um zwei verfassungsrechtlich geschützteWerte handelt, die nicht über <strong>und</strong> untereinander, sondern nebeneinander anzuordnensind. Die <strong>Kunst</strong>freiheit nach Art. 5 Abs.3 GG <strong>und</strong> die ges<strong>und</strong>e Entwicklung derJugend nach Art. 5 Abs.2 GG sowie abgeleitet aus Art.6 Abs.1 <strong>und</strong> Abs.2 S.2 GG 150sind Verfassungsgr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> müssen zum Zweck einer verfassungsrechtlich vertretbarenAuslegung kombiniert <strong>und</strong> aufeinander abgestimmt werden. Der Jugendschutzauftragist, als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, zwar prinzipiellauch eine Einschränkung der künstlerischen Betätigungsfreiheit, es kann jedoch, voneiner verschiedene Verfassungswerte betreffenden Auslegung her gesehen, bei weitemnicht jeder Eingriff in die <strong>Kunst</strong>freiheit als zulässig angesehen werden, nur weiler sich vom Blickpunkt der <strong>Jugendgefährdung</strong> her rechtfertigen lässt, sondern erstdann, wenn er daneben auch mit der Wertentscheidung für die Freiheit der <strong>Kunst</strong> vereinbarist. 151 Andernfalls, so führt Erbel 152 bezüglich <strong>Kunst</strong>freiheit <strong>und</strong> Jugendschutzaus, „hätte der Jugendschutz stets den Primat über die <strong>Kunst</strong>freiheit, ein Ergebnis, dasmit dem erkennbaren Willen der Verfassung, die <strong>Kunst</strong>freiheit zumindest nicht generellan die Jugendschutzbestimmungen zu binden (arg. Aus Art.5 Abs.2 GG), in Widerspruchstünde“ 153 . Selbiges ergibt sich zudem schon aus dem Wortlaut des § 18JuSchG. Dieser trägt der <strong>Kunst</strong>freiheit in dem Sinne Rechnung, als er in § 18 Abs. 3Nr.2 JuSchG bestimmt, dass ein Medium dann nicht in die Liste der jugendgefährdendenMedien aufzunehmen ist, „wenn es der <strong>Kunst</strong> oder der Wissenschaft, der For-150 Schilling, Jugendschutz, S.3.151 Erbel, Inhalt <strong>und</strong> Auswirkungen der verfassungsrechtlichen <strong>Kunst</strong>freiheitsgarantie, S.161.152 Erbel, Inhalt <strong>und</strong> Auswirkungen der verfassungsrechtlichen <strong>Kunst</strong>freiheitsgarantie, S.161.153 Erbel, Inhalt <strong>und</strong> Auswirkungen der verfassungsrechtlichen <strong>Kunst</strong>freiheitsgarantie, S.162.35
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