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BERICHT INNERE SICHERHEIT DER SCHWEIZ ... - EJPD - admin.ch

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<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong><br />

<strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005


<strong>BERICHT</strong> 20 0 5<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Mai 2006<br />

PUBLIKATION DES BUNDESAMTES FÜR POLIZEI,<br />

<strong>EJPD</strong>


INHALT<br />

1. Überblick<br />

Editorial 7<br />

1.1. Brennpunkte 2005 10<br />

1.2. Gesamteins<strong>ch</strong>ätzung 11<br />

1.3. Massnahmen 12<br />

2. Gewalttätiger Extremismus und Terrorismus<br />

2.1. Re<strong>ch</strong>tsextremismus 20<br />

2.2. Linksextremismus 23<br />

2.3. Islamistis<strong>ch</strong>en Grupppen zuges<strong>ch</strong>riebene Terrorakte 26<br />

2.4. Naher Osten 30<br />

2.5. Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz 31<br />

2.6. Terrorismus in Europa 35<br />

2.7. Ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e Gruppen 36<br />

2.8. Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen 37<br />

2.9. Tamilis<strong>ch</strong>er Gewaltextremismus 39<br />

2.10. Terrorismus- und Extremismusfinanzierung 40<br />

3. Verbotener Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst 44 – 45<br />

4. Proliferation 48 – 50<br />

5. Organisierte Kriminalität<br />

5.1. Kriminelle Gruppen aus Italien 52<br />

5.2. Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa 53<br />

5.3. Kriminelle Gruppen aus der GUS 54<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005


5.4. Chinesis<strong>ch</strong>e organisierte Kriminalität 55<br />

5.5. Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerkkriminalität 56<br />

5.6. Betäubungsmittel 57<br />

5.7. Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel 59<br />

5.8. Mens<strong>ch</strong>enhandel 61<br />

6. Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

6.1. Geldwäs<strong>ch</strong>erei 64<br />

6.2. Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität 65<br />

6.3. Korruption 66<br />

6.4. Fals<strong>ch</strong>geld 67<br />

7. Weitere Aspekte der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />

7.1. Allgemeine Kriminalität 70<br />

7.2. Jugend- und Gewaltkriminalität 70<br />

7.3. Hooliganismus 72<br />

7.4. Luftsi<strong>ch</strong>erheit 73<br />

7.5. Waffen, Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik 74<br />

7.6. Cyberkriminalität und Information Assurance 75<br />

7.7. Kinderpornografie 77<br />

7.8. Internationale Zusammenarbeit 80<br />

Summary<br />

Domestic Security Report Switzerland 2005 84<br />

Impressum 91<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005


EDITORIAL<br />

Nü<strong>ch</strong>terne Analyse<br />

Jean-Luc Vez<br />

Direktor Bundesamt für Polizei (fedpol)<br />

Am 9. Dezember 2005 beförderte zum<br />

letzten Mal ein Routemaster-Bus Passagiere<br />

dur<strong>ch</strong> London. Die Busse werden unvergessen<br />

bleiben. Genauso wie das Bild jenes Busses, der am 7. Juli 2005 in<br />

London dur<strong>ch</strong> ein Selbstmordattentat zerstört wurde. So markant sol<strong>ch</strong>e<br />

Bilder und Erinnerungen au<strong>ch</strong> sein mögen, ihre Bedeutung ers<strong>ch</strong>liesst si<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t von selbst. Nü<strong>ch</strong>terne Analyse tut Not. Und in Bezug auf die Bedrohung<br />

dur<strong>ch</strong> islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus muss man heute, na<strong>ch</strong> den Ans<strong>ch</strong>lägen<br />

von London – bei nü<strong>ch</strong>terner Betra<strong>ch</strong>tung – festhalten: Der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e<br />

Kampf wird von einzelnen, wenigen Individuen au<strong>ch</strong> in Europa<br />

vorangetrieben. Betra<strong>ch</strong>ten wir die S<strong>ch</strong>weiz als Teil eines europäis<strong>ch</strong>en<br />

Operationsfeldes islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen, müssen wir uns eingestehen,<br />

dass Ans<strong>ch</strong>läge au<strong>ch</strong> hierzulande im Berei<strong>ch</strong> des Mögli<strong>ch</strong>en liegen. Konkrete<br />

Vorbereitungshandlungen für sol<strong>ch</strong>e Taten konnten bis heute zwar ni<strong>ch</strong>t<br />

endgültig na<strong>ch</strong>gewiesen werden. Dies kann si<strong>ch</strong> aber ras<strong>ch</strong> und jederzeit<br />

ändern.<br />

Der vorliegende Beri<strong>ch</strong>t blickt zurück auf das Jahr 2005, bes<strong>ch</strong>reibt<br />

die Lage, beurteilt das Ges<strong>ch</strong>ehen und zeigt mögli<strong>ch</strong>e Entwicklungen auf,<br />

sei es beim Terrorismus, beim gewalttätigen Extremismus, beim verbotenen<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst oder etwa beim Mens<strong>ch</strong>enhandel. Das Bild der Realität,<br />

das er zei<strong>ch</strong>net, bildet den Hintergrund, vor dem in nä<strong>ch</strong>ster Zeit über<br />

gesetzgeberis<strong>ch</strong>e Projekte diskutiert wird: Die laufenden Revisionen des<br />

Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />

etwa, die Revision des Waffenre<strong>ch</strong>ts sowie die Vorhaben zur Bekämpfung<br />

der Netzwerkkriminalität und des Mens<strong>ch</strong>enhandels. Wenn dieser Beri<strong>ch</strong>t<br />

zur notwendigen Sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit in diesen Diskussionen beiträgt, so hat er<br />

ein wi<strong>ch</strong>tiges Ziel errei<strong>ch</strong>t.<br />

I<strong>ch</strong> danke all jenen, die zu seiner Entstehung beigetragen haben<br />

und allen, die si<strong>ch</strong> beim Bund und bei<br />

den Kantonen für die innere Si<strong>ch</strong>erheit der<br />

S<strong>ch</strong>weiz einsetzen.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005 7


<strong>BERICHT</strong> 2005<br />

1. Überblick<br />

1.1. Brennpunkte 2005 10<br />

1.2. Gesamteins<strong>ch</strong>ätzung 11<br />

1.3. Massnahmen 12


10<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

1.1. Brennpunkte 2005<br />

Islamistis<strong>ch</strong>e Ans<strong>ch</strong>läge in London<br />

Am 7. Juli sprengten si<strong>ch</strong> in London in öffentli<strong>ch</strong>en<br />

Verkehrsmitteln vier Attentäter in die<br />

Luft, rissen 48 Passagiere in den Tod und verletzten<br />

über fünfhundert weitere Personen. Na<strong>ch</strong><br />

Madrid bestätigte si<strong>ch</strong> damit die neue Dimension<br />

der Bedrohung Europas dur<strong>ch</strong> den islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Terrorismus. Vielerorts entstehen kleine Zellen<br />

gewaltbereiter Islamisten respektive Ds<strong>ch</strong>ihadisten,<br />

die aufgrund ihrer bes<strong>ch</strong>ränkten Kapazitäten<br />

nur Ans<strong>ch</strong>lagsziele in ihrer Umgebung<br />

wählen können.<br />

Bis zu den Sprengstoffans<strong>ch</strong>lägen in Madrid<br />

im Jahr 2004 galt Europa den meisten gewaltbereiten<br />

Islamisten eher als Rückzugsgebiet und<br />

als Raum zur logistis<strong>ch</strong>en<br />

Vorbereitung von Ans<strong>ch</strong>lägen,<br />

ni<strong>ch</strong>t jedo<strong>ch</strong> als Raum für<br />

terroristis<strong>ch</strong>e Operationen.<br />

Vor allem seit den Londoner Ans<strong>ch</strong>lägen ist au<strong>ch</strong><br />

Europa zur Arena des islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus<br />

geworden.<br />

Europa als neue Arena des<br />

islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus.<br />

S<strong>ch</strong>weiz als Teil des europäis<strong>ch</strong>en<br />

Operationsfelds.<br />

Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz war 2005 wiederum kein Ziel<br />

des islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus. Es ist jedo<strong>ch</strong> davon<br />

auszugehen, dass si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Terroristen aufhalten könnten.<br />

In Anbetra<strong>ch</strong>t der jüngsten<br />

Entwicklung der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en<br />

Ideologie liegen terroristis<strong>ch</strong>e<br />

Ans<strong>ch</strong>läge in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz als Teil des europäis<strong>ch</strong>en Operationsfelds<br />

zunehmend im Berei<strong>ch</strong> des Mögli<strong>ch</strong>en.<br />

Re<strong>ch</strong>tsextremismus<br />

Im Jahr 2005 kam es zu 111 Vorfällen mit<br />

re<strong>ch</strong>tsextremem Hintergrund. Bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zugenommen<br />

hat in den letzten Jahren vor allem die<br />

Anzahl Konzerte in der re<strong>ch</strong>tsextremen Szene.<br />

Teile der extremen Re<strong>ch</strong>ten verzi<strong>ch</strong>teten auf<br />

Gewalt. Die von re<strong>ch</strong>tsextremen Exponenten<br />

verursa<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>äden, vor allem gegen Personen,<br />

sind aber ho<strong>ch</strong>.Auftritte von Re<strong>ch</strong>tsextremen wie<br />

zum Beispiel am 1. August auf dem Rütli oder bei<br />

Auseinandersetzungen mit gegneris<strong>ch</strong>en Gruppen<br />

erforderten zunehmend den Einsatz stärke-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

rer Polizeikräfte und gefährdeten teils punktuell,<br />

teils lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung der<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Sie stellten aber keine<br />

Bedrohung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />

der S<strong>ch</strong>weiz in ihrer<br />

Gesamtheit dar. Re<strong>ch</strong>tsextrem<br />

motivierte Angriffe gegen<br />

Einri<strong>ch</strong>tungen des Asylwesens und gegen<br />

Ausländer stiegen 2005 lei<strong>ch</strong>t an, diese Bedrohung<br />

blieb demna<strong>ch</strong> bestehen.<br />

Linksextreme Gewalt<br />

Die Hemms<strong>ch</strong>welle zur Gewaltanwendung<br />

sank in der linksextremen Szene weiter. Die Bereits<strong>ch</strong>aft,<br />

Körperverletzungen zumindest in<br />

Kauf zu nehmen, stieg besonders gegenüber<br />

Si<strong>ch</strong>erheitskräften.<br />

Die Linksextremen haben mit ihrer selbst<br />

verursa<strong>ch</strong>ten Isolation innerhalb der Globalisierungsbewegung<br />

und dur<strong>ch</strong> das konsequente<br />

Dur<strong>ch</strong>greifen der Polizei besonders bei ni<strong>ch</strong>t<br />

bewilligten Anlässen ihre wi<strong>ch</strong>tigste Plattform<br />

verloren. Die Reaktion darauf bestand in einer<br />

Erweiterung und Neuakzentuierung der Anliegen<br />

sowie in taktis<strong>ch</strong>en Veränderungen. Die<br />

linksextreme Szene hat eine Doppelstrategie<br />

entwickelt: Einerseits wurde die Globalisierungskritik<br />

vor allem gegen das<br />

World Economic Forum neu<br />

ni<strong>ch</strong>t nur anlassbezogen, sondern<br />

das ganze Jahr über thematisiert.<br />

Andererseits wurden<br />

alte und neue Themen<br />

vermehrt in den Vordergrund<br />

gerückt. Dazu gehört etwa die<br />

erneute S<strong>ch</strong>werpunktsetzung auf den «Kampf<br />

gegen den Fas<strong>ch</strong>ismus», aber au<strong>ch</strong> gegen die<br />

vermeintli<strong>ch</strong>e Polizeirepression.<br />

Die linksextreme Gewalt gefährdete punktuell<br />

oder lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung,<br />

stellte aber keine Bedrohung der inneren<br />

Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz dar.<br />

Proliferation<br />

Lokale Gefährdung der<br />

Si<strong>ch</strong>erheit erforderte den Einsatz<br />

stärkerer Polizeikräfte.<br />

S<strong>ch</strong>werpunktsetzung<br />

auf den «Kampf gegen<br />

den Fas<strong>ch</strong>ismus» und gegen<br />

die vermeintli<strong>ch</strong>e Polizeirepression.<br />

Der Dienst für Analyse und Prävention<br />

(DAP) im Bundesamt für Polizei (fedpol) klärte<br />

2004 präventiv S<strong>ch</strong>weizer Verwicklungen ins<br />

Netzwerk des «Vaters» der pakistanis<strong>ch</strong>en Atombombe,<br />

Dr. Abdul Qadeer Khan, ab, besonders


hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Exporten zugunsten des libys<strong>ch</strong>en<br />

Nuklearprogramms. Im Oktober 2004 eröffnete<br />

die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft ein<br />

Ermittlungsverfahren wegen<br />

Verda<strong>ch</strong>ts der Widerhandlungen<br />

gegen das Güterkontrollgesetz<br />

(GKG) und das Kriegsmaterialgesetz<br />

(KMG).Die Untersu<strong>ch</strong>ung dauert<br />

seit 2004 an und führte zur Verhaftung dreier<br />

Mitglieder einer Familie.<br />

Im Oktober 2005 deponierte das Staatssekretariat<br />

für Wirts<strong>ch</strong>aft (seco) eine weitere Anzeige<br />

wegen Verda<strong>ch</strong>ts auf Widerhandlungen gegen das<br />

GKG und KMG bei der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft. Es<br />

geht dabei um ein S<strong>ch</strong>weizer Unternehmen,<br />

das mehrfa<strong>ch</strong> Güter an proliferationsrelevante<br />

Empfänger in einem mittelöstli<strong>ch</strong>en Land exportiert<br />

oder zu exportieren versu<strong>ch</strong>t hatte.<br />

Fortgang der Ermittlungen<br />

zum Netzwerk<br />

Abdul Qadeer Khans.<br />

Organisierte Kriminalität<br />

Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa, besonders<br />

aus Mazedonien, Albanien und dem Kosovo,<br />

spielten in der Kriminalitätsentwicklung der<br />

S<strong>ch</strong>weiz unverändert eine bedeutende Rolle. Der<br />

si<strong>ch</strong> seit etwa zwei bis drei Jahren abzei<strong>ch</strong>nende<br />

Trend, dass die Bedeutung serbis<strong>ch</strong>er Gruppen<br />

zunimmt, hielt unvermindert an. Kriminelle Organisationen<br />

aus der Gemeins<strong>ch</strong>aft Unabhängiger<br />

Staaten blieben eine ernste Bedrohung für die<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft, die re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>en Institutionen sowie<br />

für den Finanzplatz der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Hooliganismus<br />

Die Gruppe von Personen, die gezielt Gewalt<br />

bei Sportveranstaltungen su<strong>ch</strong>ten, umfasste 2005<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz rund vierhundert Personen.Weitere<br />

rund se<strong>ch</strong>shundert Personen beteiligten si<strong>ch</strong> in<br />

1.2. Gesamteins<strong>ch</strong>ätzung<br />

Innere Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz<br />

generell<br />

Im Frühjahr 2005 belegte die jährli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einende<br />

Studie der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule in Züri<strong>ch</strong> das unverändert gute Si<strong>ch</strong>erheitsgefühl<br />

der S<strong>ch</strong>weizerinnen und S<strong>ch</strong>weizer.<br />

An diesem hatten die Ans<strong>ch</strong>läge von Madrid<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

diesem Umfeld gelegentli<strong>ch</strong> an Gewaltauss<strong>ch</strong>reitungen<br />

und Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen.<br />

Der harte Kern der Hooligans ist gut organisiert<br />

und su<strong>ch</strong>te hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die Auseinandersetzung<br />

mit Glei<strong>ch</strong>gesinnten. Eine bedeutendere<br />

Beeinträ<strong>ch</strong>tigung der öffentli<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheit ging<br />

2005 von unorganisierten Gruppen zumeist<br />

junger Personen aus, die gewalttätige Auseinandersetzungen<br />

mit gegneris<strong>ch</strong>en Fans, aber au<strong>ch</strong><br />

mit Unbeteiligten und der Polizei su<strong>ch</strong>ten. Na<strong>ch</strong><br />

den Beoba<strong>ch</strong>tungen der Polizei nahm die Intensität<br />

der Gewalt zu, glei<strong>ch</strong>zeitig sank das Alter<br />

der Täter.<br />

Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

Die repressive Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz fand 2005 weiterhin unter besonderen<br />

Vorzei<strong>ch</strong>en statt.Gerade in komplexen Fällen<br />

wurde die Vortat oft im Ausland<br />

begangen, und es wurde<br />

nur versu<strong>ch</strong>t, die Gewinne aus<br />

dem Verbre<strong>ch</strong>en hier zu platzieren.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz war daher<br />

in der Beweisführung in einem eigenen Strafverfahren<br />

auf die Zusammenarbeit mit dem Staat angewiesen,<br />

in dem die Vortat begangen wurde.<br />

Konnten ni<strong>ch</strong>t genügend Mittel zum Beweis der<br />

Vortat erhoben werden, s<strong>ch</strong>eiterte das Verfahren<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz.Zudem wurden viele Fälle auf dem<br />

Re<strong>ch</strong>tshilfeweg erledigt oder aus prozesste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Gründen an das Land delegiert, in dem die<br />

Vortat begangen worden war. Die Strafurteilsstatistik<br />

zei<strong>ch</strong>net daher nur ein sehr begrenztes Bild<br />

der repressiven Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung. Die<br />

S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgungsbehörden lieferten oft<br />

wi<strong>ch</strong>tige Beiträge für die internationale Bekämpfung<br />

der Geldwäs<strong>ch</strong>erei.<br />

Besondere Vorzei<strong>ch</strong>en der<br />

repressiven Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

im März des Vorjahres wenig geändert. Dieses<br />

Gefühl ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong>keitsfremd, lebten<br />

die S<strong>ch</strong>weizerinnen und<br />

S<strong>ch</strong>weiz ein relativ wenig<br />

bedrohtes Umfeld.<br />

S<strong>ch</strong>weizer do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> 2005 in<br />

einem verhältnismässig wenig<br />

bedrohten Umfeld. Trotzdem<br />

muss festgehalten werden, dass die negativen<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

11


12<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

Trends ni<strong>ch</strong>t gebro<strong>ch</strong>en werden konnten. Weiterhin<br />

nimmt Jugendgewalt zu, und der Trend zur<br />

Gewalt ist au<strong>ch</strong> in den Berei<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ts- und<br />

Linksextremismus, Hooliganismus oder im Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

feststellbar.<br />

Islamistis<strong>ch</strong>er Terrorismus<br />

Der Trend zu kleineren, selbstständig agierenden<br />

Zellen islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen bestätigte<br />

si<strong>ch</strong> 2005. Eine sol<strong>ch</strong>e war für die aus terroristis<strong>ch</strong>er<br />

Si<strong>ch</strong>t gelungenen Ans<strong>ch</strong>läge in London<br />

verantwortli<strong>ch</strong>. In der S<strong>ch</strong>weiz<br />

wurden bisher zwar keine konkretenVorbereitungshandlungen<br />

zu terroristis<strong>ch</strong>en Taten<br />

endgültig na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />

Es gibt aber Vermutungen,<br />

dass es in der S<strong>ch</strong>weiz Islamisten gibt, wel<strong>ch</strong>e die<br />

Dur<strong>ch</strong>führung sol<strong>ch</strong>er Taten anstreben. Die Bedrohungslage<br />

kann ras<strong>ch</strong> und jederzeit ändern.<br />

Der hier bes<strong>ch</strong>riebene Trend und das Beispiel<br />

der Attentate von London zeigen, dass terroristis<strong>ch</strong>e<br />

Attentäter heute s<strong>ch</strong>werer denn je im Vorfeld<br />

einer Tat ermittelbar sind. Ni<strong>ch</strong>t erstaunli<strong>ch</strong><br />

ist deshalb, dass si<strong>ch</strong> 2005 die weltweite Debatte<br />

darüber vers<strong>ch</strong>ärfte, wel<strong>ch</strong>e Mittel liberalen<br />

Demokratien und Re<strong>ch</strong>tsstaaten zur Verfügung<br />

Weitgehende Ents<strong>ch</strong>eidungsundHandlungsautonomie<br />

der islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Terroristen.<br />

1.3. Massnahmen<br />

Verbot der Al Qaïda<br />

Ende November 2005 verlängerte der Bundesrat<br />

das Verbot der Terrororganisation Al<br />

Qaïda und verwandter Organisationen.Verboten<br />

sind ni<strong>ch</strong>t nur sämtli<strong>ch</strong>e Aktivitäten der Organisation<br />

selber, sondern au<strong>ch</strong> alle Aktionen, die<br />

deren Unterstützung dienen. Der Bundesratsbes<strong>ch</strong>luss<br />

verlängerte das Verbot um weitere<br />

drei Jahre bis zum 31. Dezember 2008.<br />

Präventive Massnahmen<br />

gegen extremistis<strong>ch</strong>e Prediger<br />

fedpol verhängt systematis<strong>ch</strong> Einreisesperren<br />

gegen islamistis<strong>ch</strong>e Extremisten. Darunter fallen<br />

im Ausland verurteilte Aktivisten, mutmassli<strong>ch</strong>e<br />

Angehörige terroristis<strong>ch</strong>er Gruppierungen und<br />

bekannt gewordene so genannte Hassprediger.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

stehen,um sol<strong>ch</strong>en Bedrohungen zu begegnen.Es<br />

gilt einen gangbaren Weg zu finden: Einerseits<br />

sollen dem Staat genügend und effiziente Mittel<br />

zur Verfügung stehen, um die Si<strong>ch</strong>erheit seiner<br />

Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.Andererseits<br />

dürfen dabei die eigenen Errungens<strong>ch</strong>aften,<br />

Prinzipien und Ideale ni<strong>ch</strong>t verraten werden,<br />

will man ni<strong>ch</strong>t dem Gegner in die Hände arbeiten.<br />

Organisierte Kriminalität in Europa<br />

Weiterhin stellt si<strong>ch</strong> den nationalen Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden<br />

die Aufgabe, Bedrohungen der<br />

inneren Si<strong>ch</strong>erheit dur<strong>ch</strong> die organisierte Kriminalität<br />

die nötige Aufmerksamkeit zu s<strong>ch</strong>enken<br />

und Massnahmen au<strong>ch</strong> hierauf auszuri<strong>ch</strong>ten. Zunehmend<br />

konnte festgestellt<br />

werden,dass es Verbindungen<br />

terroristis<strong>ch</strong>er Gruppierungen<br />

zu anderen Kriminalitätsfeldern,<br />

teils zur Kleinkriminalität,<br />

teils aber au<strong>ch</strong> zur organisierten<br />

Kriminalität, gibt.<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts des transnationa-<br />

Nationale und internationale<br />

Zusammenarbeit der<br />

S<strong>ch</strong>lüssel zum Erfolg bei<br />

Bekämpfung organisierter<br />

Kriminalität.<br />

len Charakters dieser Kriminalitätsformen bleibt<br />

die nationale und internationale Zusammenarbeit<br />

der S<strong>ch</strong>lüssel zum Erfolg bei der Bekämpfung<br />

organisierter Kriminalität.<br />

So wurde zum Beispiel ein ägyptis<strong>ch</strong>er Prediger,<br />

der im September 2005 an der Jahreskonferenz<br />

des Muslimda<strong>ch</strong>verbands Liga der Muslime der<br />

S<strong>ch</strong>weiz hatte teilnehmen wollen, mit einer Einreisesperre<br />

belegt.<br />

Die Verweigerung von Arbeitsbewilligungen<br />

an aus dem Ausland stammende Imame, die in<br />

S<strong>ch</strong>weizer Zentren ihr Amt ausüben wollen, dient<br />

der Unterbindung extremistis<strong>ch</strong>er<br />

islamis<strong>ch</strong>er Propaganda.<br />

Neu kann ni<strong>ch</strong>t allein der Hintergrund<br />

des kandidierenden<br />

Vorbeters Grund hierfür sein,<br />

sondern au<strong>ch</strong> eine allgemein extremistis<strong>ch</strong>e Haltung<br />

des Zentrums. Im November 2005 bestätigte<br />

das Bundesgeri<strong>ch</strong>t einen Ents<strong>ch</strong>eid des Kantons<br />

Genf: Dieser hatte dem Islamis<strong>ch</strong>en Zentrum<br />

wegen der verfassungswidrigen Äusserungen seines<br />

Leiters die Anstellung eines Imams aus der<br />

Einreisesperren und<br />

Verweigerung von<br />

Arbeitsbewilligungen.


BWIS II<br />

BWIS I<br />

Türkei verweigert. Die Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden werden<br />

für sol<strong>ch</strong>e Arbeitsbewilligungen konsultiert.<br />

Veränderte Voraussetzungen<br />

im Antiterrorkampf<br />

Die gegenwärtig feststellbare ideologis<strong>ch</strong>e<br />

Tendenz islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen, den gewalttätigen<br />

Ds<strong>ch</strong>ihad auf lokaler Ebene mögli<strong>ch</strong>st<br />

individuell zu führen, ma<strong>ch</strong>t islamistis<strong>ch</strong>e Terrorans<strong>ch</strong>läge<br />

prinzipiell überall mögli<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Je individueller Ds<strong>ch</strong>ihadisten zudem<br />

handeln, desto s<strong>ch</strong>wieriger wird ihre Identifikation<br />

vor einer Tat. Dies bedingt einen entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Ausbau der gegen sol<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften<br />

geri<strong>ch</strong>teten na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Mittel,<br />

wie er in den meisten europäis<strong>ch</strong>en Ländern in<br />

den letzten Jahren vorangetrieben wurde.<br />

Wenn die S<strong>ch</strong>weiz diese Entwicklungen ni<strong>ch</strong>t<br />

verfolgt, verliert sie ni<strong>ch</strong>t nur die Glaubwürdigkeit<br />

gegenüber ihren Partnern im internationalen<br />

Kampf gegen Terrorismus, sondern riskiert au<strong>ch</strong>,<br />

vom Ruheraum zum bevorzugten Agitationsraum<br />

des islamistis<strong>ch</strong>en Extremismus und Terrorismus<br />

zu werden. Die eingeleitete Revision des<br />

Bundesgesetzes über Massnahmen<br />

zur Wahrung der inneren<br />

Si<strong>ch</strong>erheit (BWIS II) trägt<br />

diesen veränderten Rahmenbedingungen Re<strong>ch</strong>nung.<br />

Der Bundesrat wird seine Bots<strong>ch</strong>aft zuhanden<br />

des Parlaments no<strong>ch</strong> im Jahr 2006 verabs<strong>ch</strong>ieden.<br />

Massnahmen gegen Gewalt<br />

bei Sportveranstaltungen und<br />

Gewaltpropaganda<br />

Zurzeit deutet ni<strong>ch</strong>ts auf ein Abflauen der<br />

Gewalt bei Sportanlässen, hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Fussball-<br />

und Eishockeyspielen, hin. Die Polizei beoba<strong>ch</strong>tet<br />

im Gegenteil eine Zunahme des Phänomens.<br />

Abhilfe s<strong>ch</strong>affen sollte die im Frühjahr<br />

2006 von den Eidgenössis<strong>ch</strong>en Räten verabs<strong>ch</strong>iedete<br />

Revision des Bundesgesetzes über Massnahmen<br />

zur Wahrung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit der<br />

S<strong>ch</strong>weiz (BWIS I). Mit der<br />

Revision sollen den kantonalen<br />

Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden zusätzli<strong>ch</strong>e<br />

Mittel wie Rayonverbote, Ausreisebes<strong>ch</strong>ränkungen,<br />

Meldeauflagen und präventiver<br />

Gewahrsam zur Verfügung gestellt werden, um<br />

Gewaltauss<strong>ch</strong>reitungen an Sportveranstaltungen<br />

zu verhindern.Polizeili<strong>ch</strong> bekannte Hooligans bei<br />

Sportanlässen sollen in einer neu zu s<strong>ch</strong>affenden<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

nationalen Datenbank registriert werden können.<br />

Im Rahmen der Gesetzesrevision BWIS I ist<br />

weiter eine Bestimmung zur Bes<strong>ch</strong>lagnahme von<br />

Propagandamaterial vorgesehen, mit dem zu<br />

Gewalt aufgerufen wird. Sol<strong>ch</strong>es Propagandamaterial<br />

soll ungea<strong>ch</strong>tet der Menge präventiv auf<br />

verwaltungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>em Weg si<strong>ch</strong>ergestellt werden<br />

können.<br />

Massnahmen hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

UEFA EURO 2008<br />

Im Juni 2008 wird in Österrei<strong>ch</strong> und der<br />

S<strong>ch</strong>weiz die Fussballeuropameisters<strong>ch</strong>aft UEFA<br />

EURO 2008 dur<strong>ch</strong>geführt. Im März 2004 wurde<br />

eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>-österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheitsarbeitsgruppe<br />

gegründet. Identis<strong>ch</strong>e Projektorganisationen<br />

in beiden Staaten arbeiten die<br />

nationalen Si<strong>ch</strong>erheitskonzepte aus. Als Basis für<br />

diese Si<strong>ch</strong>erheitskonzepte erstellten die S<strong>ch</strong>weiz<br />

und Österrei<strong>ch</strong> ein Rahmenkonzept, das einheitli<strong>ch</strong>e<br />

Si<strong>ch</strong>erheitsstandards in allen Berei<strong>ch</strong>en<br />

gewährleisten soll. Dieses wurde Ende September<br />

2005 auf Ministerebene verabs<strong>ch</strong>iedet.<br />

Das nationale Si<strong>ch</strong>erheitskonzept wird von<br />

Bund, Kantonen und Städten<br />

gemeinsam erarbeitet und unter<br />

Wahrung der originären<br />

Zuständigkeiten umgesetzt<br />

werden. Grundsätzli<strong>ch</strong> liegt<br />

die Verantwortung für die<br />

Dur<strong>ch</strong>führung der Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen bei<br />

den Kantonen und den Austragungsorten.Für die<br />

Si<strong>ch</strong>erheit in den Stadien ist der Ausri<strong>ch</strong>ter verantwortli<strong>ch</strong>.Der<br />

Bund nimmt zusätzli<strong>ch</strong> zu seinen<br />

eigenen Zuständigkeiten im Berei<strong>ch</strong> der inneren<br />

Si<strong>ch</strong>erheit eine Koordinationsfunktion wahr.<br />

Die Eidgenössis<strong>ch</strong>en Räte werden im Laufe<br />

des Jahres 2006 die Änderung des Bundesbes<strong>ch</strong>lusses<br />

über Beiträge und Leistungen des<br />

Bundes an die UEFA EURO 2008 behandeln.<br />

Mit dieser Vorlage wird unter anderem die partners<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Finanzierung der Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen<br />

dur<strong>ch</strong> Bund, Kantone und Austragungsorte<br />

geregelt.<br />

Re<strong>ch</strong>tsextremismus in der Armee<br />

Bund, Kantone und Städte<br />

tragen Projekt Si<strong>ch</strong>erheit<br />

UEFA EURO 2008<br />

gemeinsam.<br />

Im August 2005 wurde die Fa<strong>ch</strong>stelle Extremismus<br />

in der Armee aus dem Departement für<br />

Bevölkerungss<strong>ch</strong>utz, Verteidigung und Sport<br />

(VBS) herausgelöst und der Fa<strong>ch</strong>stelle für Rassismusbekämpfung<br />

angegliedert. Diese Anlauf- und<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

13


Koordinationsstelle untersu<strong>ch</strong>t in der Armee<br />

Vorfälle mit extremistis<strong>ch</strong>em Hintergrund und ist<br />

au<strong>ch</strong> in den Berei<strong>ch</strong>en Prävention, Kommunikation<br />

und Sensibilisierung aktiv.<br />

Bundesgesetz über die polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Informationssysteme des Bundes<br />

Im Bundesgesetz über die polizeili<strong>ch</strong>en Informationssysteme<br />

des Bundes (BPI) sollen die<br />

gesetzli<strong>ch</strong>en Grundlagen für die polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Datenbanken des Bundes zusammengefasst wer-<br />

den. Ein Polizei-Index soll<br />

als eine Art elektronis<strong>ch</strong>es<br />

Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis den bere<strong>ch</strong>tigten<br />

Stellen erlauben,<br />

mit einer automatisierten Abfrage<br />

zu klären, ob und von wel<strong>ch</strong>er polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Behörde beim Bund oder bei den Kantonen über<br />

eine bestimmte Person Daten bearbeitet werden.<br />

Heute muss dazu jede Behörde einzeln angefragt<br />

werden. In der Vernehmlassung fielen die Reaktionen<br />

auf den ersten Entwurf des BPI mehrheitli<strong>ch</strong><br />

positiv aus. Besonders die Idee eines Polizei-<br />

Indexes wurde unterstützt.<br />

Gesetzli<strong>ch</strong>e Grundlagen<br />

für die polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Datenbanken des Bundes.<br />

Erfolg des Präventions-<br />

und Sensibilisierungsprogramms<br />

Prophylax.<br />

14<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

Nonproliferation<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz hat sämtli<strong>ch</strong>e internationalen<br />

Verträge im Berei<strong>ch</strong> der Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen<br />

ratifiziert und ist Mitglied aller vier Exportkontrollregime,<br />

deren Ziel insbesondere die<br />

Kontrolle zivil und militäris<strong>ch</strong> verwendbarer<br />

Güter ist: der Gruppe der Nuklearlieferländer,<br />

der Australiengruppe (zum Berei<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er<br />

und biologis<strong>ch</strong>er Waffen), des Raketenkontrollregimes<br />

und der Wassenaar-Vereinbarung im<br />

Berei<strong>ch</strong> konventioneller Waffen. 2005 lehnte das<br />

seco 15 Ausfuhren ab, das Dreifa<strong>ch</strong>e des Vorjahres.<br />

Davon entfielen zwei Drittel auf so genannte<br />

Cat<strong>ch</strong>-all-Fälle, das heisst auf ni<strong>ch</strong>t bewilligungspfli<strong>ch</strong>tige<br />

Güter, die dem seco gemeldet wurden,<br />

weil sie für einen heiklen Endempfänger bestimmt<br />

waren.<br />

Im Herbst 2004 begann fedpol (DAP) im Rahmen<br />

eines Präventions- und Sensibilisierungsprogramms<br />

namens Prophylax, S<strong>ch</strong>weizer Unterneh-<br />

men zu besu<strong>ch</strong>en. Prophylax<br />

erlaubt es, systematis<strong>ch</strong> auf<br />

Unternehmen zuzugehen, die<br />

in heiklen Berei<strong>ch</strong>en wie etwa<br />

der Herstellung von Werkzeugmas<strong>ch</strong>inen,<br />

Messgeräten oder <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en<br />

Produkten tätig sind und diese in Risikoländer ex-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

portieren könnten. Bis Ende 2005 wurden 150<br />

Unternehmen in der gesamten S<strong>ch</strong>weiz besu<strong>ch</strong>t.<br />

Organisierte Kriminalität<br />

Der Bundesrat verabs<strong>ch</strong>iedete im Oktober<br />

2005 die Bots<strong>ch</strong>aft zur Ratifikation des UNO-<br />

Übereinkommens gegen grenzübers<strong>ch</strong>reitende<br />

organisierte Kriminalität und der beiden Zusatzprotokolle<br />

gegen Mens<strong>ch</strong>enhandel und Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel.<br />

Diese verkörpern eine wi<strong>ch</strong>tige<br />

Weiterentwicklung des internationalen Strafre<strong>ch</strong>ts<br />

und bilden einen Meilenstein in der internationalen<br />

Zusammenarbeit gegen grenzübers<strong>ch</strong>reitende<br />

organisierte Kriminalität. Die S<strong>ch</strong>affung<br />

eines Mindeststandards von Vors<strong>ch</strong>riften<br />

und Massnahmen bildet eine wesentli<strong>ch</strong>e Voraussetzung,<br />

um die internationale Zusammenarbeit<br />

zu verstärken. Die Vertragsstaaten des Übereinkommens<br />

verpfli<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong>, die Beteiligung an<br />

einer kriminellen Organisation sowie die Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

für strafbar zu erklären. Sie müssen<br />

zudem prüfen, ob die aktive und passive Korruption<br />

von ausländis<strong>ch</strong>en Amtsträgern bestraft<br />

werden soll. Weiter sollen juristis<strong>ch</strong>e Personen<br />

strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, zivilre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> oder <strong>admin</strong>istrativ<br />

belangt werden können. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist die Einziehung<br />

von deliktis<strong>ch</strong> erlangten Vermögenswerten<br />

si<strong>ch</strong>erzustellen.<br />

Korruptionsbekämpfung<br />

Das s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Instrumentarium zur Korruptionsbekämpfung<br />

ist im internationalen Verglei<strong>ch</strong><br />

überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> und orientiert si<strong>ch</strong> an<br />

entspre<strong>ch</strong>enden internationalen Übereinkommen<br />

und Standards; in diesem Sinn wird zurzeit<br />

ein Ausbau der Regelungen<br />

vorgenommen. Ein weiterer<br />

S<strong>ch</strong>ritt zur Stärkung der Prävention<br />

und Repression ist mit<br />

der Umsetzung des Europaratsübereinkommens<br />

über die<br />

strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Bekämpfung der Korruption gesetzgeberis<strong>ch</strong><br />

bereits abges<strong>ch</strong>lossen. Auf den<br />

1. Juli 2006 wird neben der aktiven au<strong>ch</strong> die passive<br />

Privatbeste<strong>ch</strong>ung (Artikel 4a Bundesgesetz<br />

gegen den unlauteren Wettbewerb) sowie die passive<br />

Beste<strong>ch</strong>ung von ausländis<strong>ch</strong>en und internationalen<br />

Amtsträgern (Artikel 322 septies zweites<br />

und drittes Lemma Strafgesetzbu<strong>ch</strong> / StGB) für<br />

strafbar erklärt. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wird die Unternehmungshaftung<br />

auf die aktive Privatbeste<strong>ch</strong>ung<br />

ausgedehnt (Artikel 100 quater Absatz 2 StGB).<br />

Weitere S<strong>ch</strong>ritte zur<br />

Stärkung der Prävention<br />

und Repression bei der<br />

Korruptionsbekämpfung.


Neue Gesetzesartikel allein vermögen Korruptionshandlungen<br />

jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einzudämmen.<br />

Zum erfolgrei<strong>ch</strong>en Kampf gegen Korruption<br />

brau<strong>ch</strong>t es mit der Materie vertraute Polizei- und<br />

Justizbehörden, die nötigen Personalressourcen,<br />

um die oftmals aufwändigen und langwierigen<br />

Ermittlungsverfahren erfolgrei<strong>ch</strong> abs<strong>ch</strong>liessen zu<br />

können, sowie den S<strong>ch</strong>utz von Mitarbeitern und<br />

anderen Personen, die korrupte Verhaltensweisen<br />

intern oder extern melden.<br />

Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz unternahm 2005 wi<strong>ch</strong>tige S<strong>ch</strong>ritte<br />

im Kampf gegen den Mens<strong>ch</strong>enhandel und<br />

erzielte einige Erfolge auf kantonaler und nationaler<br />

Ebene. Der Bundesrat verabs<strong>ch</strong>iedete am<br />

11. März 2005 die Bots<strong>ch</strong>aft zur Ratifizierung des<br />

Fakultativprotokolls zur Kinderre<strong>ch</strong>tskonvention<br />

betreffend Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution<br />

und die Kinderpornografie; das<br />

Ges<strong>ch</strong>äft ist in parlamentaris<strong>ch</strong>er Beratung. In<br />

diesem Rahmen wird au<strong>ch</strong> Artikel 196 StGB<br />

(Mens<strong>ch</strong>enhandel) revidiert. Neben dem Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung<br />

sollen die Tatbestände des Handels<br />

zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft<br />

sowie der Entnahme von Körperorganen unter<br />

Strafe gestellt werden. Neu soll zudem au<strong>ch</strong> ein<br />

Einmaltäter wegen Mens<strong>ch</strong>enhandels bestraft<br />

werden können. Das neue Ausländergesetz soll<br />

im Rahmen der Ausnahmebestimmungen die<br />

Mögli<strong>ch</strong>keit bieten, Aufenthaltsbewilligungen<br />

für Mens<strong>ch</strong>enhandelsopfer zu gewähren.<br />

Neues Ausländergesetz<br />

Mit der geplanten Qualifikation des Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />

als Verbre<strong>ch</strong>en in Artikel 116<br />

des neuen Ausländergesetzes (AuG) sowie mit<br />

der glei<strong>ch</strong>zeitig vorgesehenen Aufnahme des Tatbestandes<br />

in den Deliktkatalog des Bundesgesetzes<br />

betreffend die Überwa<strong>ch</strong>ung des Post- und<br />

Fernmeldeverkehrs und des Bundesgesetzes über<br />

die verdeckte Ermittlung wird die Ermittlungsund<br />

Strafverfolgungskompetenz der Behörden<br />

künftig erweitert. Der Erhöhung des Strafmasses<br />

für gewerbsmässige S<strong>ch</strong>lepperei wird eine präventive<br />

Wirkung zugespro<strong>ch</strong>en. Die vorgesehene<br />

Aufnahme neuer Straftatbestände wie illegaler<br />

Transit, Transits<strong>ch</strong>lepperei, S<strong>ch</strong>einehe oder Täus<strong>ch</strong>ung<br />

der Behörden wird es ermögli<strong>ch</strong>en, au<strong>ch</strong><br />

die s<strong>ch</strong>werer zu erfassenden S<strong>ch</strong>leusungsmodi<br />

besser zu bekämpfen.<br />

Elektronis<strong>ch</strong>e<br />

Kommunikationsnetze<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

Das Vernehmlassungsverfahren zum Beri<strong>ch</strong>t<br />

und zu den Vorentwürfen zur Änderung des<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Strafgesetzbu<strong>ch</strong>es und des Militärstrafgesetzes<br />

betreffend die strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Verantwortli<strong>ch</strong>keit der Provider (Vorentwurf A)<br />

und die Kompetenzen des Bundes bei der Verfolgung<br />

strafbarer Handlungen mittels elektronis<strong>ch</strong>er<br />

Kommunikationsnetze (Vorentwurf B)<br />

wurde 2005 abges<strong>ch</strong>lossen. Das Eidgenössis<strong>ch</strong>e<br />

Justiz- und Polizeidepartement (<strong>EJPD</strong>) beabsi<strong>ch</strong>tigt,dem<br />

Bundesrat 2006 die Vernehmlassungsergebnisse<br />

zur Kenntnis zu bringen sowie in Bezug<br />

auf Vorentwurf B einen Bots<strong>ch</strong>aftsentwurf zu<br />

einem neuen Artikel 344 StGB zu unterbreiten.<br />

Bei dieser Vorlage geht es darum, dass bei strafbaren<br />

Handlungen mittels elektronis<strong>ch</strong>er Kommunikationsnetze,<br />

bei denen no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>net<br />

werden kann, wel<strong>ch</strong>er Kanton für die Strafverfolgung<br />

zuständig ist, die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

und die Bundeskriminalpolizei (BKP) erste dringend<br />

notwendige Ermittlungen dur<strong>ch</strong>führen können.<br />

Bezügli<strong>ch</strong> Vorentwurf A wird der Bundesrat<br />

über das weitere Vorgehen ents<strong>ch</strong>eiden.<br />

Waffengesetz<br />

Mit der Assoziierung der S<strong>ch</strong>weiz zum S<strong>ch</strong>engener<br />

Abkommen wird das Waffengesetz um<br />

einige wesentli<strong>ch</strong>e Punkte ergänzt. Der unbe-<br />

re<strong>ch</strong>tigte Besitz von S<strong>ch</strong>usswaffen<br />

wird unter Strafe gestellt.<br />

Im Handel unter Privaten<br />

verlangt das Gesetz nun<br />

wie im kommerziellen Handel<br />

einen Erwerbs<strong>ch</strong>ein. Importierte oder in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz hergestellte S<strong>ch</strong>usswaffen müssen zur<br />

einfa<strong>ch</strong>eren Rückverfolgbarkeit markiert sein.<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wird die Bewilligungspraxis s<strong>ch</strong>weizweit<br />

vereinheitli<strong>ch</strong>t.<br />

Neben diesen bereits bes<strong>ch</strong>lossenen Änderungen<br />

s<strong>ch</strong>lägt der Bundesrat weitere Neuerungen<br />

vor.So sollen Imitations-,Druckluft-,S<strong>ch</strong>recks<strong>ch</strong>uss-<br />

und so genannte Soft-Air-Waffen den normalen<br />

Waffen glei<strong>ch</strong>gestellt werden und somit<br />

den Bestimmungen des Gesetzes unterstehen.<br />

Dies gilt jedo<strong>ch</strong> nur, sofern sie ein Gefährdungspotenzial<br />

haben, also etwa mit e<strong>ch</strong>ten Waffen verwe<strong>ch</strong>selt<br />

werden können oder eine gewisse Mündungsenergie<br />

haben. Verboten werden soll au<strong>ch</strong><br />

der anonyme Verkauf von Waffen, etwa über das<br />

Internet oder über Inserate. Ausserdem wird vor-<br />

Das Waffengesetz wird<br />

um einige wesentli<strong>ch</strong>e<br />

Punkte ergänzt.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 15


Plattformen des DAP<br />

und des SND.<br />

16<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

ges<strong>ch</strong>lagen, das missbräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Tragen von gefährli<strong>ch</strong>en<br />

Gegenständen zu verbieten. Damit<br />

soll den staatli<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsorganen die<br />

Mögli<strong>ch</strong>keit gegeben werden, in der Öffentli<strong>ch</strong>keit<br />

getragene Baseballs<strong>ch</strong>läger, Metallrohre,Veloketten<br />

und andere Gegenstände einzuziehen,<br />

bevor damit Personen gefährdet oder Straftaten<br />

begangen werden können.Dies gilt allerdings nur,<br />

wenn die Gegenstände offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> als Waffen<br />

missbrau<strong>ch</strong>t werden sollen. Der Entwurf sieht zudem<br />

eine gesetzli<strong>ch</strong>e Grundlage für den Austaus<strong>ch</strong><br />

von Daten zwis<strong>ch</strong>en fedpol und der Armee<br />

vor, und fedpol soll neu au<strong>ch</strong> damit beauftragt<br />

werden, eine nationale Stelle zur Auswertung von<br />

S<strong>ch</strong>usswaffenspuren zu führen. Die aktuelle Revision<br />

enthält keine Neuerungen, wel<strong>ch</strong>e die<br />

Ausübung der Jagd oder des S<strong>ch</strong>iesssports eins<strong>ch</strong>ränken.<br />

Kooperation<br />

der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />

Der Bundesrat ums<strong>ch</strong>rieb in der Legislaturplanung<br />

für die Jahre 2003 bis 2007 sein neuntes<br />

Ziel «Die Si<strong>ch</strong>erheit gewährleisten» damit,<br />

dass die si<strong>ch</strong>erheitspolitis<strong>ch</strong>en Instrumente der<br />

S<strong>ch</strong>weiz umfassend und flexibel zusammenwirken<br />

müssen. Dieses Netzwerk innere Si<strong>ch</strong>erheit<br />

konnte 2005 dank einer Vielzahl von Massnahmen<br />

in den Berei<strong>ch</strong>en Polizei und Justiz weiter<br />

verstärkt werden.<br />

Der Bundesrat bes<strong>ch</strong>loss namentli<strong>ch</strong> am<br />

22. Juni 2005, dass der Strategis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst<br />

(SND) im VBS und der DAP bei fedpol<br />

im <strong>EJPD</strong> bei der Bearbeitung der Themenbe-<br />

rei<strong>ch</strong>e Terrorismus, organisierte<br />

Kriminalität und Proliferation<br />

enger kooperieren.<br />

Zu diesem Zweck wurden auf<br />

Anfang 2006 in diesen Berei<strong>ch</strong>en drei gemeinsame<br />

Auswertungs- und Analyseplattformen ges<strong>ch</strong>affen.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig bes<strong>ch</strong>loss der Bundesrat,<br />

das Projekt zur S<strong>ch</strong>affung des Stabs Si<strong>ch</strong>erheitsauss<strong>ch</strong>uss<br />

des Bundesrates umzusetzen, der die<br />

si<strong>ch</strong>erheitspolitis<strong>ch</strong>e Führung des Bundes verstärkt.<br />

Der Stab hat am 1. Oktober 2005 seine<br />

Arbeit aufgenommen.<br />

Internationale Zusammenarbeit<br />

Das S<strong>ch</strong>weizer Volk hat in der Volksabstimmung<br />

vom 5. Juni 2005 die Assoziierungsabkommen<br />

S<strong>ch</strong>engen und Dublin gutgeheissen. Auf<br />

internationaler Ebene hat der Bundesrat mit<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

einer Reihe von Verträgen die polizeili<strong>ch</strong>e<br />

Kooperation verbessert. Im Januar 2005 verabs<strong>ch</strong>iedete<br />

er die Bots<strong>ch</strong>aft zum Abkommen mit<br />

Europol, das Parlament ratifizierte das Abkommen,<br />

und am 1. März 2006 trat es in Kraft. Im<br />

Berei<strong>ch</strong> der bilateralen Polizeikooperationsabkommen<br />

wurden na<strong>ch</strong> Genehmigung dur<strong>ch</strong><br />

den Bundesrat Abkommen mit Lettland, Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ien,<br />

Rumänien, Slowenien, Mazedonien und<br />

Albanien unterzei<strong>ch</strong>net. Diese Abkommen bilden<br />

die re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Basis, um die bestehende, im<br />

Rahmen von Interpol dur<strong>ch</strong>geführte Zusammenarbeit<br />

zu konsolidieren und punktuell weiter zu<br />

verbessern, und zwar in den Berei<strong>ch</strong>en polizeili<strong>ch</strong>er<br />

Informationsaustaus<strong>ch</strong>, Koordinierung<br />

operativer Massnahmen, Bildung gemeinsamer<br />

Arbeitsgruppen sowie Aus- und Weiterbildung<br />

unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung datens<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er<br />

Bestimmungen.<br />

Zudem verabs<strong>ch</strong>iedete der Bundesrat im<br />

April 2005 die Bots<strong>ch</strong>aft zu einem Vertrag mit<br />

Lie<strong>ch</strong>tenstein über die Zusammenarbeit im Rahmen<br />

der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Informationssysteme<br />

für Fingerabdrücke und DNS-Profile.<br />

Kontrolle gestohlener und<br />

verlorener Pässe<br />

Weltweit werden immer wieder gestohlene<br />

und verlorene Pässe und andere Ausweise dazu<br />

verwendet, illegale Handlungen zu begehen oder<br />

der Strafverfolgung zu entgehen. Eine Interpol-<br />

Datenbank soll hier einen Riegel s<strong>ch</strong>ieben. Als<br />

eines der ersten Länder nahm die S<strong>ch</strong>weiz im<br />

Dezember 2005 einen automatisierten Abglei<strong>ch</strong><br />

von Ausweisnummern zwis<strong>ch</strong>en der nationalen<br />

Datenbank und jener von Interpol in Betrieb. Die<br />

Vernetzung ermögli<strong>ch</strong>t einen sofortigen Verglei<strong>ch</strong><br />

der Ausweisnummern. Das unter der<br />

Federführung von fedpol entwickelte System<br />

kann von den zuständigen S<strong>ch</strong>weizer Stellen<br />

genutzt werden und ers<strong>ch</strong>wert erhebli<strong>ch</strong> die missbräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Verwendung von Reisedokumenten.<br />

Biometris<strong>ch</strong>e Daten<br />

im S<strong>ch</strong>weizer Pass<br />

Aufgrund der internationalen Gegebenheiten<br />

ist die Einführung von biometris<strong>ch</strong>en Daten im<br />

Pass, vorerst im Rahmen eines Pilotprojekts, eine<br />

Notwendigkeit, um die Reisefreiheit von S<strong>ch</strong>weizer<br />

Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten<br />

und den hohen Si<strong>ch</strong>erheitsstandard des S<strong>ch</strong>weizer<br />

Passes im internationalen Verglei<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er-


zustellen. Die biometris<strong>ch</strong>en Daten sind namentli<strong>ch</strong><br />

ein elektronis<strong>ch</strong> gespei<strong>ch</strong>ertes Gesi<strong>ch</strong>tsbild<br />

und elektronis<strong>ch</strong> gespei<strong>ch</strong>erte Fingerabdrücke.<br />

Derzeit läuft die Revision der Verordnung über<br />

die Ausweise für S<strong>ch</strong>weizer Staatsangehörige<br />

(VAwG). Diese Revision soll die Grundlagen<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />

s<strong>ch</strong>affen, um im Rahmen eines Pilotprojekts<br />

ein elektronis<strong>ch</strong> gespei<strong>ch</strong>ertes Gesi<strong>ch</strong>tsbild im<br />

S<strong>ch</strong>weizer Pass einzuführen. Diese Revision betrifft<br />

allein die Projektphase, die gemäss dem Bes<strong>ch</strong>luss<br />

des Bundesrates vom 15. September 2004<br />

auf maximal fünf Jahre befristet sein wird. ■<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

17


<strong>BERICHT</strong> 2005<br />

2. Gewalttätiger<br />

Extremismus und<br />

Terrorismus<br />

2.1. Re<strong>ch</strong>tsextremismus 20<br />

2.2. Linksextremismus 23<br />

2.3. Islamistis<strong>ch</strong>en Gruppen zuges<strong>ch</strong>riebene Terrorakte 26<br />

2.4. Naher Osten 30<br />

2.5. Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz 31<br />

2.6. Terrorismus in Europa 35<br />

2.7. Ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e Gruppen 36<br />

2.8. Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen 37<br />

2.9. Tamilis<strong>ch</strong>er Gewaltextremismus 39<br />

2.10. Terrorismus- und Extremismusfinanzierung 40


20<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

2.1. Re<strong>ch</strong>tsextremismus<br />

LAGE<br />

Lage allgemein<br />

Im Jahr 2005 kam es zu 111 Vorfällen mit<br />

re<strong>ch</strong>tsextremem Hintergrund. Bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zugenommen<br />

hat in den letzten Jahren vor allem die<br />

Anzahl Konzerte in der re<strong>ch</strong>tsextremen Szene:<br />

2003 fanden fünf, im Jahr darauf zwölf und im<br />

Beri<strong>ch</strong>tsjahr a<strong>ch</strong>t Konzerte statt. Festgestellt<br />

werden konnte, dass die Zahl der Mitglieder der<br />

re<strong>ch</strong>tsextremen Szene um rund 200 auf 1’200<br />

Personen zugenommen hat. Zu diesem harten<br />

Kern stiessen hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> frühere Mitläufer und<br />

Sympathisanten, deren Zahl im Gegenzug von 700<br />

auf 600 abnahm. Gesamthaft waren 2005 also der<br />

re<strong>ch</strong>tsextremen Szene und ihrem weiteren Umfeld<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz rund 1’800 Personen zuzure<strong>ch</strong>nen.<br />

Insgesamt bestätigte si<strong>ch</strong> die Entwicklung der<br />

letzten Jahre im re<strong>ch</strong>tsextremen Berei<strong>ch</strong>: Re<strong>ch</strong>tsextreme<br />

su<strong>ch</strong>ten den Einstieg in die institutionel-<br />

le Politik, übten aber immer<br />

no<strong>ch</strong> Gewalt aus. Na<strong>ch</strong> wie<br />

vor gefährdeten au<strong>ch</strong> die Auseinandersetzungen<br />

zwis<strong>ch</strong>en<br />

Re<strong>ch</strong>ts- und Linksextremen<br />

die öffentli<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheit und erforderten zum<br />

Teil ein massives Polizeiaufgebot. Dabei ging die<br />

Initiative zur Gewaltanwendung sowohl von<br />

re<strong>ch</strong>ts- wie linksextremer Seite aus. Innerhalb der<br />

re<strong>ch</strong>ten Szene kam es in Einzelfällen zu gewaltsamen<br />

Auseinandersetzungen. Etablierte Gruppierungen<br />

und lose Kamerads<strong>ch</strong>aften erhoben<br />

Führungsansprü<strong>ch</strong>e und ma<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> gegenseitig<br />

den Rang streitig.<br />

Einstieg in die institutionelle<br />

Politik, fortdauernde<br />

Gewaltausübung.<br />

Partei<br />

National Orientierter S<strong>ch</strong>weizer<br />

Am 24.April 2005 wurde ein Mitglied der Partei<br />

National Orientierter S<strong>ch</strong>weizer (PNOS) in<br />

den Gemeinderat von Günsberg gewählt. S<strong>ch</strong>on<br />

im Vorjahr war ein Vertreter der PNOS in Langenthal<br />

in den Stadtrat gewählt worden. Diese<br />

politis<strong>ch</strong>en Erfolge haben das Selbstvertrauen<br />

der PNOS gestärkt. In Langenthal und Solothurn<br />

gründete die PNOS im Februar respektive April<br />

2005 je eine Sektion. Damit verfügt die Partei<br />

über se<strong>ch</strong>s Sektionen.<br />

Der Präsident sowie drei Vorsitzende der<br />

PNOS wurden im Juli 2005 wegen eines Verstos-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

ses gegen die Rassismusstrafnorm zu Geldbussen<br />

von 300 bis 500 Franken verurteilt. Das Bezirksamt<br />

Aarau hielt in seinem Urteil fest, das Parteiprogramm<br />

der PNOS sowie eines ihrer Wahlplakate<br />

aus dem Jahr 2003 seien rassistis<strong>ch</strong>. Drei<br />

der vier erstinstanzli<strong>ch</strong> Verurteilten legten gegen<br />

das Urteil Rekurs ein.<br />

Nationale<br />

ausserparlamentaris<strong>ch</strong>e Opposition<br />

Na<strong>ch</strong>dem es zwei Jahre ruhig um die Nationale<br />

ausserparlamentaris<strong>ch</strong>e Opposition (NAPO)<br />

gewesen war, trat sie 2005 wieder in Ers<strong>ch</strong>einung.<br />

Am 12. März veranstaltete sie in S<strong>ch</strong>affhausen<br />

einen Fackelmars<strong>ch</strong>.Am 30.April,dem Vorabend<br />

des Tages der Arbeit, fand erneut ein Aufmars<strong>ch</strong><br />

der NAPO statt, an dem ihr ideologis<strong>ch</strong>er Kopf<br />

eine Rede hielt, die au<strong>ch</strong> von einzelnen Medien<br />

aufgenommen wurde.<br />

Die in Zellen organisierten Mitglieder der<br />

NAPO stammen fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> aus der<br />

re<strong>ch</strong>tsextremen Skinheadszene. Sie organisierten<br />

hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Aufmärs<strong>ch</strong>e, Treffen und Flugblattaktionen.<br />

Der interne Kampf zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Gruppen um die Führungsrolle wurde<br />

wieder aufgenommen. Zwis<strong>ch</strong>en einzelnen Aktivisten<br />

bestehen offene Feinds<strong>ch</strong>aften. Gemäss<br />

polizeili<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>tungen hat die NAPO<br />

zwis<strong>ch</strong>en a<strong>ch</strong>tzig und hundert Mitglieder.<br />

Re<strong>ch</strong>tsextreme Musik<br />

In Deuts<strong>ch</strong>land verteilten Re<strong>ch</strong>tsextreme unter<br />

dem Titel «Projekt S<strong>ch</strong>ulhof» Musik-CDs auf<br />

Pausenplätzen. So sollten ni<strong>ch</strong>t zur Szene gehörende<br />

Jugendli<strong>ch</strong>e angespro<strong>ch</strong>en und über die<br />

Musik Interesse für re<strong>ch</strong>tsextreme Ideologie geweckt<br />

werden. Die Aktion griff 2005 au<strong>ch</strong> auf die<br />

S<strong>ch</strong>weiz über. In den Kantonen Aargau, Luzern,<br />

Bern und Glarus verteilten Personen aus dem<br />

re<strong>ch</strong>tsextremen Umfeld Musik-CDs auf Pausenplätzen<br />

oder legten sie anonym in Briefkästen.<br />

Im Kanton Aargau bes<strong>ch</strong>lagnahmte die Polizei<br />

zweihundert dieser CDs. Na<strong>ch</strong> einer Vorprüfung<br />

dur<strong>ch</strong> fedpol (DAP) prüfen kantonale Strafuntersu<strong>ch</strong>ungsbehörden,<br />

ob die Liedtexte gegen die<br />

Rassismusstrafnorm verstossen.<br />

Der Musik und besonders den Konzerten<br />

kommen für die Rekrutierung der re<strong>ch</strong>tsextre-


140|1400<br />

130|1300<br />

120|1200<br />

110 |1100<br />

100|1000<br />

90 | 900<br />

80 | 800<br />

70 | 700<br />

60 | 600<br />

50 | 500<br />

40 | 400<br />

30 | 300<br />

20 | 200<br />

10 |100<br />

0 | 0<br />

men Szene eine hohe Bedeutung zu; der Besu<strong>ch</strong><br />

von Skinheadkonzerten dient vielfa<strong>ch</strong> als Ein-<br />

stieg in die Szene. An Konzerten<br />

spielen meistens nebst<br />

S<strong>ch</strong>weizer au<strong>ch</strong> Bands aus dem<br />

Ausland. fedpol (DAP) verfügte<br />

und eröffnete au<strong>ch</strong> 2005<br />

wieder Einreisesperren gegen ausländis<strong>ch</strong>e Bandmitglieder<br />

und verhinderte so ihre Teilnahme an<br />

Konzerten. Seit 2003 stieg in der S<strong>ch</strong>weiz die jährli<strong>ch</strong>e<br />

Anzahl gut besu<strong>ch</strong>ter Skinheadkonzerte an;<br />

ebenso haben si<strong>ch</strong> neue S<strong>ch</strong>weizer Bands etabliert.<br />

Einstieg in die re<strong>ch</strong>tsextreme<br />

Szene über Musik<br />

und Konzerte.<br />

Re<strong>ch</strong>tsextremismus in der S<strong>ch</strong>weiz:<br />

Vorfälle und Mitgliederzahl<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

Total Vorfälle Total Mitglieder (ges<strong>ch</strong>ätzt)<br />

Re<strong>ch</strong>tsextremismus in der Armee<br />

Im August 2005 wurden zwei Unteroffiziere<br />

und zwei Rekruten aus der Rekrutens<strong>ch</strong>ule in<br />

Isone entlassen, weil sie si<strong>ch</strong> rassistis<strong>ch</strong> geäussert<br />

und in der Gruppe mit Hitlergruss gegrüsst<br />

hatten. Im September geriet ein Offizier wegen<br />

seiner Kontakte zur re<strong>ch</strong>tsextremen Szene in<br />

die S<strong>ch</strong>lagzeilen. Im November wurde seine Verurteilung<br />

wegen Landfriedensbru<strong>ch</strong>s und Widerhandlung<br />

gegen das Waffengesetz im Zusammen-<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

9<br />

200<br />

38<br />

175<br />

88<br />

250<br />

49<br />

150<br />

15<br />

300<br />

23<br />

400<br />

21<br />

500<br />

15<br />

350<br />

23<br />

275<br />

27<br />

550<br />

41<br />

650<br />

134<br />

850<br />

110<br />

950<br />

117<br />

950<br />

101<br />

1000<br />

111<br />

1000<br />

111<br />

1200<br />

Vorfälle und Mitgliederzahl. fedpol gemeldete re<strong>ch</strong>tsextremistis<strong>ch</strong>e Vorfälle (ohne S<strong>ch</strong>mierereien) aus<br />

den vergangenen 17 Jahren. GRAFIK FEDPOL<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

hang mit dem Angriff Re<strong>ch</strong>tsextremer auf eine<br />

«antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e» Kundgebung in Willisau im<br />

Oktober 2004 re<strong>ch</strong>tskräftig.<br />

Rolle des Internets<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

Viele bekannte re<strong>ch</strong>tsextreme Gruppierungen<br />

verfügen über einen eigenen Internetauftritt.<br />

fedpol (Koordinationsstelle zur Bekämpfung der<br />

Internetkriminalität / Kobik) prüft laufend Propagandamaterial<br />

auf mögli<strong>ch</strong>e strafbare Inhalte.<br />

Aufgrund dieser Abklärungen erstatteten die zuständigen<br />

Kantonsbehörden bereits mehrfa<strong>ch</strong><br />

Strafanzeige. Die Internetseite der PNOS wurde<br />

2005 ohne behördli<strong>ch</strong>e Veranlassung dur<strong>ch</strong> die<br />

Provider wiederholt vom Internet genommen,<br />

do<strong>ch</strong> gelang es der PNOS immer wieder, sie bei<br />

einem anderen Provider aufzus<strong>ch</strong>alten. Das Internet<br />

spielte, neben dem Mobiltelefon, eine<br />

wi<strong>ch</strong>tige Rolle bei der Mobilisierung für Anlässe<br />

der Re<strong>ch</strong>tsextremen; auf eins<strong>ch</strong>lägigen Seiten<br />

wurden Veranstaltungen angekündigt.<br />

Das Internet wurde au<strong>ch</strong> immer wieder für<br />

den Versand re<strong>ch</strong>textremen Propagandamate-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 21


Propaganda<br />

und Mobilisierung.<br />

22<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Demonstrationszug dur<strong>ch</strong> Brunnen am 1.<br />

August 2005. Na<strong>ch</strong> der Teilnahme an der Nationalfeier<br />

auf dem Rütli mars<strong>ch</strong>ierten die Re<strong>ch</strong>tsextremen<br />

zurück zum Bahnhof. FOTO POLIZEI<br />

rials missbrau<strong>ch</strong>t. Der Wurm Sober.Q versandte<br />

ab Mitte Mai Spam-Mails mit Propaganda. Dabei<br />

wurden die Betreffzeilen mit Links auf re<strong>ch</strong>tsextreme<br />

Internetseiten kombiniert. Sober.Q<br />

beinhaltete kein strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

relevantes Material. Es war<br />

bereits der zweite grössere<br />

Fall von Propaganda-Spam,<br />

na<strong>ch</strong>dem im April und Mai 2004 Sober.G und<br />

Sober.H für Aufsehen gesorgt hatten. Dur<strong>ch</strong> sie<br />

waren zum Zeitpunkt der EU-Parlamentswahlen<br />

re<strong>ch</strong>tsextreme Texte versandt worden.<br />

Wi<strong>ch</strong>tige Vorfälle 2005<br />

● Am 1. Mai 2005 mars<strong>ch</strong>ierten Re<strong>ch</strong>tsextreme<br />

in Solothurn und Aarau auf.In Solothurn löste<br />

die Polizei die unbewilligte Kundgebung von<br />

120 Personen auf. Dabei wurden 46 Re<strong>ch</strong>tsextreme<br />

festgenommen. Die dabei verübten,<br />

in dieser Form bisher unübli<strong>ch</strong>en Gewalttätigkeiten<br />

der Re<strong>ch</strong>tsextremen gegenüber der<br />

Polizei belegen das vorhandene Gewaltpotenzial.<br />

● Am 9. Juli kam es am Rande einer unbewilligten<br />

G8-Demonstration in Thun zu einer<br />

S<strong>ch</strong>iesserei. Ein Aktivist aus der linken Szene<br />

wurde dabei von einem Re<strong>ch</strong>tsextremen am<br />

Bein verletzt. Die Behörden ermitteln gegen<br />

den Täter wegen versu<strong>ch</strong>ter vorsätzli<strong>ch</strong>er<br />

Tötung.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

● An der offiziellen Nationalfeier auf dem Rütli<br />

am 1. August 2005 nahmen insgesamt 2’000<br />

Besu<strong>ch</strong>er teil, darunter rund 600 Re<strong>ch</strong>tsextreme.<br />

Diese störten die Rede von Bundespräsident<br />

S<strong>ch</strong>mid wiederholt mit lauten<br />

Zwis<strong>ch</strong>enrufen. Die Polizei führte im ganzen<br />

Raum Brunnen (S<strong>ch</strong>wyz) präventive Kontrollen<br />

dur<strong>ch</strong>. Na<strong>ch</strong> dem Festakt mars<strong>ch</strong>ierten<br />

die Re<strong>ch</strong>tsextremen in Brunnen, wie von<br />

ihnen angekündigt, vom S<strong>ch</strong>iffssteg zum<br />

Bahnhof. Die Polizei sperrte den Abs<strong>ch</strong>nitt<br />

für kurze Zeit ab. In den Kantonen Solothurn<br />

und Luzern fanden am 30. und 31. Juli 2005<br />

zwei Skinheadkonzerte statt. Daran nahmen<br />

insgesamt über 200 Personen teil. Anlässli<strong>ch</strong><br />

des Konzerts im Kanton Solothurn kam es<br />

zu einer kleineren Auseinandersetzung zwis<strong>ch</strong>en<br />

Konzertbesu<strong>ch</strong>ern und zufällig vorbeikommenden<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en.<br />

● Am 17. September 2005 fand in Gamsen/Brig<br />

ein grösseres Skinheadkonzert statt. Es nahmen<br />

rund 400 Leute daran teil. Die Veranstaltung<br />

wurde wie übli<strong>ch</strong> konspirativ organisiert,<br />

indem ledigli<strong>ch</strong> ein Treffpunkt bekannt gegeben<br />

wurde. Die Mobilisierung erfolgte per<br />

Internet und per SMS. Der wirkli<strong>ch</strong>e Veranstaltungsort<br />

wurde erst wenige Stunden vor<br />

Konzertbeginn bekannt. Grössere Konzerte<br />

fanden 2005 au<strong>ch</strong> in Hindelbank,Ammerzwil,<br />

Neuenkir<strong>ch</strong> und Steinhuserberg statt.<br />

● In der Na<strong>ch</strong>t vom 3. auf den 4. Dezember kam<br />

es in Gren<strong>ch</strong>en (Solothurn) zu Auseinandersetzungen<br />

zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tsextremen und<br />

Ausländern. Es gelang der Gren<strong>ch</strong>ner Polizei<br />

nur mit Unterstützung dur<strong>ch</strong> Polizeipatrouillen<br />

aus Solothurn und dem Kanton Bern, die<br />

beiden Lager auseinander zu halten.<br />

BEURTEILUNG<br />

Intensivierung der Gewalt<br />

Teile der extremen Re<strong>ch</strong>ten verzi<strong>ch</strong>teten auf<br />

Gewalt. Die von re<strong>ch</strong>tsextremen Exponenten<br />

verursa<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>äden gegen Personen sind aber<br />

ho<strong>ch</strong>. Auftritte von Re<strong>ch</strong>tsextremen wie zum<br />

Beispiel am 1. August auf<br />

dem Rütli oder bei Auseinandersetzungen<br />

mit gegneris<strong>ch</strong>en<br />

Gruppen erforderten<br />

zunehmend den Einsatz stär-<br />

Nur teilweiser Gewaltverzi<strong>ch</strong>t<br />

der re<strong>ch</strong>tsextremen<br />

Szene.<br />

kerer Polizeikräfte und gefährdeten teils punktuell,<br />

teils lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung.Sie<br />

stellten aber keine namhafte Bedrohung


der inneren Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz in ihrer Gesamtheit<br />

dar. Re<strong>ch</strong>tsextrem motivierte Angriffe<br />

gegen Einri<strong>ch</strong>tungen des Asylwesens und gegen<br />

Ausländer stiegen von 14 im Vorjahr auf 16 im<br />

Jahr 2005 lei<strong>ch</strong>t an. Die Vorfälle wie der Brandans<strong>ch</strong>lag<br />

auf eine Asylunterkunft in Kappel<br />

(Solothurn) im Januar zeigen, dass diese Bedrohung<br />

bestehen bleibt. Die re<strong>ch</strong>tsextreme Szene<br />

pflegt, vor allem über Musik, internationale<br />

Kontakte.<br />

Konkurrenz zwis<strong>ch</strong>en<br />

Re<strong>ch</strong>ts- und Linksextremen<br />

Re<strong>ch</strong>ts- und linksextreme Gruppen mars<strong>ch</strong>ierten<br />

zunehmend an wi<strong>ch</strong>tigen Anlässen der<br />

Gegenseite auf. Sie konkurrierten damit einerseits<br />

um Aufmerksamkeit, andererseits versu<strong>ch</strong>ten<br />

sie so, die Gegengruppe zu provozieren und<br />

deren Anlässe zu stören.<br />

2.2. Linksextremismus<br />

LAGE<br />

Zunahme der Gewalt<br />

Die Hemms<strong>ch</strong>welle zur Gewaltanwendung<br />

sank in der linksextremen Szene weiter. Die<br />

Bereits<strong>ch</strong>aft, Körperverletzungen zumindest in<br />

Kauf zu nehmen, stieg besonders gegenüber<br />

Si<strong>ch</strong>erheitskräften. Vor allem<br />

so genannte Autonome su<strong>ch</strong>ten<br />

gezielt die Auseinandersetzung<br />

mit Re<strong>ch</strong>tsextremen<br />

und mit der Polizei. Die Beteiligung<br />

apolitis<strong>ch</strong>er Mitläufer an Gewaltakten im<br />

Umfeld von Demonstrationen blieb weiterhin<br />

ho<strong>ch</strong>.<br />

Auseinandersetzung mit<br />

Re<strong>ch</strong>tsextremen und mit der<br />

Polizei wurde gesu<strong>ch</strong>t.<br />

Wi<strong>ch</strong>tige Vorfälle 2005<br />

● Das Weltwirts<strong>ch</strong>aftsforum (WEF) in Davos<br />

verlief 2005 so ruhig wie seit 1999 ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />

Grössere Auss<strong>ch</strong>reitungen konnten dur<strong>ch</strong><br />

effiziente Polizeiarbeit, starke Präsenz der<br />

Si<strong>ch</strong>erheitskräfte und deren konsequentes<br />

Eingreifen verhindert werden. Au<strong>ch</strong> hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

Vorfeld- und Begleitaktionen verlief<br />

das WEF 2005 ruhiger als in den Vorjahren.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Anwa<strong>ch</strong>sen der Szene<br />

Spannungen in der S<strong>ch</strong>weizer Re<strong>ch</strong>tsextremenszene<br />

zwis<strong>ch</strong>en einem gewaltbereiten Lager<br />

von vorwiegend Jugendli<strong>ch</strong>en und einem auf die<br />

institutionelle Politik ausgeri<strong>ch</strong>teten Lager der<br />

s<strong>ch</strong>on älteren Generation sind ni<strong>ch</strong>t erkennbar.<br />

Dur<strong>ch</strong> die intensiven Rekrutierungsversu<strong>ch</strong>e<br />

von Re<strong>ch</strong>tsextremen über Musik zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> ein<br />

Anwa<strong>ch</strong>sen der Szene ab. Die Gefahr steigt damit,<br />

dass während des ganzen Jahres die Vorfälle<br />

zunehmen, und dass es häufiger zu Gewalttaten<br />

insbesondere gegen Personen sowie zu Auseinandersetzungen<br />

zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ts- und Linksextremen<br />

kommt.<br />

Ausnahmen bildeten der Brandans<strong>ch</strong>lag vom<br />

8. Januar auf die Ausbildungsanlage der Zür-<br />

<strong>ch</strong>er Kantonspolizei in<br />

Elgg, der einen Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aden<br />

von 250’000 Franken<br />

verursa<strong>ch</strong>te, und der Knallraketenans<strong>ch</strong>lag<br />

vom 26. Januar auf die Nationalbank<br />

in Züri<strong>ch</strong>.<br />

● Der 1. Mai 2005 mobilisierte etwa 650 Linksextreme<br />

in Züri<strong>ch</strong>, Aarau, Luzern, Winterthur,<br />

Bern, Solothurn und Basel. Die unbewilligte<br />

Luzerner Kundgebung wurde von der<br />

Polizei aufgelöst. Grössere Bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />

in der Höhe von 220’000 Franken waren indessen<br />

in Züri<strong>ch</strong> zu vermelden, wo am 16. Mai<br />

erneut S<strong>ch</strong>aden von einer halben Million<br />

Franken entstand, als mutmassli<strong>ch</strong> Autonome<br />

ein Gebäude verwüsteten, das anstelle einer<br />

besetzten Liegens<strong>ch</strong>aft erri<strong>ch</strong>tet worden war.<br />

● Der 1. August 2005 wurde wie s<strong>ch</strong>on im Vorjahr<br />

von der extremen Linken zu Kundgebungen<br />

gegen den Re<strong>ch</strong>tsextremismus genutzt. In<br />

Luzern demonstrierten etwa 800 Personen,<br />

wobei ein vermeintli<strong>ch</strong>er Re<strong>ch</strong>tsextremer<br />

verletzt wurde; in Winterthur musste die<br />

Polizei eins<strong>ch</strong>reiten, na<strong>ch</strong>dem ein Gebäude<br />

WEF 2005 ruhiger<br />

als in den Vorjahren.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 23


Attacken gegen<br />

polizeili<strong>ch</strong>e Infrastruktur.<br />

24<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Si<strong>ch</strong>ergestelltes Megafon. Ein 2005 si<strong>ch</strong>ergestelltes<br />

Megafon mit dem Symbol der Anar<strong>ch</strong>isten<br />

und dem rot-s<strong>ch</strong>warz geteilten Stern der Anar<strong>ch</strong>osyndikalisten.<br />

FOTO POLIZEI<br />

der Stadtpolizei mit Feuerwerk angegriffen<br />

worden war.Ohnehin war 2005 eine markante<br />

Zunahme linksextrem motivierter Attacken<br />

gegen polizeili<strong>ch</strong>e Infrastruk-<br />

turen zu verzei<strong>ch</strong>nen. Neben<br />

den genannten Fällen kam es<br />

im Februar in Bremgarten<br />

(Bern), im Juni in St. Gallen sowie an Neujahr<br />

und im Juni in Winterthur zu weiteren<br />

Brandstiftungen.<br />

● Am 22. Oktober 2005 wurde abermals in<br />

Züri<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Linksautonome Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aden<br />

angeri<strong>ch</strong>tet. Der Vorfall ist insofern von besonderer<br />

Bedeutung, als die Mobilisierung<br />

ni<strong>ch</strong>t über Internet, Flugblätter oder Radio,<br />

sondern konspirativ erfolgte, und die Polizei<br />

der in vers<strong>ch</strong>iedenen Gruppen agierenden<br />

Chaoten ni<strong>ch</strong>t habhaft werden konnte.<br />

● Im Verglei<strong>ch</strong> zu den Vorjahren kam es in<br />

der Bundesstadt und im übrigen Bernbiet zu<br />

weniger Auss<strong>ch</strong>reitungen. Na<strong>ch</strong> einer polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Intervention am Bahnhof verlief<br />

der «Se<strong>ch</strong>ste Antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e Abendspaziergang»<br />

in Bern ruhig, während der<br />

«Dritte Antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e Abendspaziergang»<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

in Thun dur<strong>ch</strong> die Si<strong>ch</strong>erheitskräfte verhindert<br />

wurde. Am 29. Oktober kam es in Bern<br />

na<strong>ch</strong> einer unbewilligten Demonstration zu<br />

Auss<strong>ch</strong>reitungen, in deren Verlauf die Polizei<br />

ni<strong>ch</strong>t nur mit Flas<strong>ch</strong>en, Petarden und Leu<strong>ch</strong>traketen,<br />

sondern au<strong>ch</strong> mit Stahlkugeln aus<br />

einer Ho<strong>ch</strong>leistungss<strong>ch</strong>leuder bes<strong>ch</strong>ossen<br />

wurde. Am 4. Dezember wurden vor der<br />

Berner Reits<strong>ch</strong>ule Polizei und Feuerwehr von<br />

Chaoten angegriffen. Die Auseinandersetzungen<br />

wurden in der Reits<strong>ch</strong>ule selbst<br />

fortgesetzt, wo es erstmals au<strong>ch</strong> zu Handgreifli<strong>ch</strong>keiten<br />

zwis<strong>ch</strong>en den Chaoten und Reits<strong>ch</strong>ulebesu<strong>ch</strong>ern<br />

kam.<br />

● In der Romandie waren keine grösseren<br />

Zwis<strong>ch</strong>enfälle zu verzei<strong>ch</strong>nen. Einzig in La<br />

Chaux-de-Fonds kam es am 8. Januar 2005 zu<br />

Auss<strong>ch</strong>reitungen, als rund<br />

250 Personen, unter ihnen<br />

etwa hundert Gewaltbereite<br />

aus dem linksautonomen<br />

Umfeld, versu<strong>ch</strong>ten,<br />

die Delegiertenversammlung der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Volkspartei zu stören. Der Vorfall weist<br />

darauf hin, dass au<strong>ch</strong> in der Wests<strong>ch</strong>weiz ein<br />

beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es linksextremes Mobilisierungspotenzial<br />

besteht.<br />

Aktionsfeld<br />

Antiglobalisierungsbewegung<br />

Aktuelle Themen können s<strong>ch</strong>nell in die Antiglobalisierungsbewegung<br />

hinein getragen werden,und<br />

erfahrungsgemäss wird dadur<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />

Mobilisierung stark beeinflusst.So vermo<strong>ch</strong>te der<br />

G8-Gipfel im s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Gleneagles anfangs<br />

Juli bis zu 200’000 Globalisierungsgegner zu<br />

mobilisieren, wobei es vers<strong>ch</strong>iedentli<strong>ch</strong> zu Auss<strong>ch</strong>reitungen<br />

kam. Unter den Festgenommenen<br />

befanden si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> elf S<strong>ch</strong>weizer Staatsbürger,<br />

was der hiesigen linksextremen Szene als Anlass<br />

für einige kleinere spontane Protestaktionen<br />

diente. Linksextreme repräsentieren den bedeutendsten<br />

Teil der gewalttätigen Globalisierungsgegner,<br />

und die Globalisierungskritik stellte die<br />

wi<strong>ch</strong>tigste öffentli<strong>ch</strong>e Plattform der Linksextremen<br />

dar.<br />

Interne Ri<strong>ch</strong>tungskämpfe<br />

Beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es linksextremes<br />

Mobilisierungspotenzial in<br />

der Romandie.<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz ist die kleine Gruppe der gewalttätigen<br />

Globalisierungsgegner dur<strong>ch</strong> ihre<br />

Gewalttätigkeit weitgehend von der ni<strong>ch</strong>t gewaltbereiten<br />

Mehrheit isoliert worden. Innerhalb


Verlagerung von Aktionen<br />

weg von den grossen<br />

Ballungszentren.<br />

der linksextremen Kreise waren Ri<strong>ch</strong>tungskämpfe<br />

die Folge, die si<strong>ch</strong> besonders um die thematis<strong>ch</strong>e<br />

Orientierung, Aktionsformen und speziell<br />

um den Einsatz von Gewalt drehten.<br />

Gerade bei Provokationen zwis<strong>ch</strong>en linksund<br />

re<strong>ch</strong>tsextremen Gruppen, die 2005 erneut zu<br />

zahlrei<strong>ch</strong>en Auseinandersetzungen führten, vers<strong>ch</strong>ärfte<br />

si<strong>ch</strong> die Lage, na<strong>ch</strong>dem am 9. Juli ein<br />

linker Aktivist in Thun anges<strong>ch</strong>ossen worden war.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig setzte si<strong>ch</strong> die Tendenz zur Verlagerung<br />

von Aktionen weg von den grossen Ballungszentren<br />

in kleinere Orts<strong>ch</strong>aften fort. Davon<br />

betroffen waren besonders Winterthur und Thun,<br />

aber au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>affhausen, die<br />

Region St. Gallen, Olten, Solothurn<br />

und Luzern. Die örtli<strong>ch</strong>e<br />

Vers<strong>ch</strong>iebung ers<strong>ch</strong>wert<br />

die Kontrolle dur<strong>ch</strong> die Si<strong>ch</strong>erheitskräfte<br />

und bringt weitere Bevölkerungskreise<br />

in direkten Kontakt mit den Anliegen der<br />

Aktivisten. Dazu dienen seit Ende September<br />

au<strong>ch</strong> die lokal begrenzten so genannten Freitagsaktionen,<br />

die indessen zumeist als unproblematis<strong>ch</strong><br />

einzustufen sind.<br />

BEURTEILUNG<br />

Krise der<br />

Antiglobalisierungsbewegung<br />

Es wäre verfrüht, aus der Krise der Antiglobalisierungsbewegung<br />

s<strong>ch</strong>on ihr baldiges Ende<br />

ableiten zu wollen. Die Krise zeigte si<strong>ch</strong> in Mobilisierungsmüdigkeit,<br />

Uneinigkeit und Orientierungslosigkeit.<br />

Eine der Hauptursa<strong>ch</strong>en dafür<br />

liegt in der Heterogenität der Bewegung. Als<br />

einigendes Band dienten der nur s<strong>ch</strong>wer zu umreissende<br />

Kampf gegen den Neoliberalismus<br />

sowie kurzzeitig der Krieg im Irak. Klare Zielsetzungen<br />

fehlten weitgehend. Zudem stiessen<br />

mit dem Erfolg während der Neunzigerjahre<br />

immer neue Gruppierungen mit oft stark abwei<strong>ch</strong>enden<br />

Zielen und neuen Themen wie Sozialabbau,<br />

Garantie der Freiheitsre<strong>ch</strong>te angesi<strong>ch</strong>ts<br />

der Terrorgefahr oder der Umgang mit dem Islam<br />

dazu, was die inneren Widersprü<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> verstärkte.<br />

Zu diesen neuen Gruppierungen gehörten<br />

au<strong>ch</strong> linksextreme Gruppen und ihre Mitläufer,<br />

obwohl für sie die Globalisierungskritik ursprüngli<strong>ch</strong><br />

kein Thema gewesen war. Na<strong>ch</strong>dem<br />

die linksextremen Gruppen das enorme Mobilisierungs-<br />

und Rekrutierungspotenzial erkannt<br />

hatten, begannen sie zusehends die Anliegen der<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Masse der ni<strong>ch</strong>t gewalttätigen Kritiker für si<strong>ch</strong><br />

zu vereinnahmen und zu radikalisieren. Als<br />

Trittbrettfahrer instrumentalisierten sie die Be-<br />

wegung zunehmend für ihre<br />

eigenen Ziele und missbrau<strong>ch</strong>ten<br />

die Veranstaltungen<br />

zur Ausübung von Gewalt.<br />

Dies diente hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

der Selbstdarstellung, vers<strong>ch</strong>affte den Globalisierungsgegnern<br />

aber au<strong>ch</strong> jene Publizität,<br />

der sie erst ihren Erfolg verdankten.<br />

In dieser Situation trugen die Auss<strong>ch</strong>reitungen<br />

und Ans<strong>ch</strong>läge vor allem 2003 während des<br />

WEF in Bern und während des G8-Gipfels von<br />

Evian in Genf und Lausanne wesentli<strong>ch</strong> zum<br />

Niedergang der Bewegung bei: In den S<strong>ch</strong>weizer<br />

Medien liess der Themenkreis Auss<strong>ch</strong>reitungen<br />

und staatli<strong>ch</strong>e Gegenmassnahmen die eigentli<strong>ch</strong>en<br />

Anliegen der Globalisierungskritiker immer<br />

stärker in den Hintergrund treten, diskreditierte<br />

so die Bewegung insgesamt, förderte die<br />

Zerrissenheit und führte zu einer umfassenden<br />

Ernü<strong>ch</strong>terung sowie zu einer Selbstbes<strong>ch</strong>ränkung<br />

auf selbst ges<strong>ch</strong>affene Anlässe.<br />

Neuakzentuierung<br />

des Linksextremismus<br />

Die Linksextremen haben dur<strong>ch</strong> ihre selbst<br />

verursa<strong>ch</strong>te Isolation innerhalb der Antiglobalisierungsbewegung<br />

und wegen des konsequenten<br />

Dur<strong>ch</strong>greifens der Polizei besonders bei ni<strong>ch</strong>t<br />

bewilligten Anlässen ihre wi<strong>ch</strong>tigste Plattform<br />

verloren. Die Szene geriet dadur<strong>ch</strong> in eine Krise.<br />

Die Reaktion darauf bestand in einer Erweiterung<br />

und Neuakzentuierung der Anliegen<br />

sowie in taktis<strong>ch</strong>en Veränderungen, die letztli<strong>ch</strong><br />

allesamt auf eine Wiederherstellung der alten<br />

Stosskraft,die Rekrutierung neuer Anhänger und<br />

ganz besonders auf die Wiedergewinnung der<br />

Medienpräsenz abzielen.<br />

Doppelstrategie<br />

Instrumentalisierung der<br />

Bewegung dur<strong>ch</strong> gewalttätigen<br />

Linksextremismus.<br />

Zurzeit verfolgt die linksextreme Szene eine<br />

Doppelstrategie: Einerseits wurde die Globalisierungskritik<br />

vor allem gegen das WEF neu ni<strong>ch</strong>t<br />

nur anlassbezogen, sondern das ganze Jahr über<br />

thematisiert. Die Aktionen zielten auf eine erneute<br />

Massenmobilisierung und damit auf die<br />

Wiedergewinnung der verlorenen Aktionsplattform<br />

ab.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 25


Globalisierungskritik<br />

und «Kampf gegen den<br />

Fas<strong>ch</strong>ismus».<br />

26<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Andererseits wurden alte und neue Themen<br />

vermehrt in den Vordergrund gerückt. Dazu gehört<br />

etwa die erneute S<strong>ch</strong>werpunktsetzung auf<br />

den unverfängli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einenden «Kampf gegen<br />

den Fas<strong>ch</strong>ismus», seit dem WEF 2004 aber au<strong>ch</strong><br />

gegen die vermeintli<strong>ch</strong>e Polizeirepression.<br />

Die beiden<br />

Ziele sind im Bewusstsein<br />

der Aktivisten eng verknüpft.<br />

So werden der Staat, seine<br />

Vertreter, besonders die Polizei, und Massnahmen<br />

wie die vers<strong>ch</strong>iedenenorts erlassenen<br />

Wegweisungsartikel grundsätzli<strong>ch</strong> als fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong><br />

und der Re<strong>ch</strong>tsextremismus als Produkt des<br />

kapitalistis<strong>ch</strong>en Systems wahrgenommen.<br />

Das Ziel der Forcierung der beiden zentralen<br />

Themen dur<strong>ch</strong> eine steigende Anzahl von Kundgebungen<br />

und anderen Aktionen war dabei ni<strong>ch</strong>t<br />

nur die Mobilisierung und damit die Medienpräsenz.<br />

Sie sollte zuglei<strong>ch</strong> der Rekrutierung<br />

neuer Aktivisten dienen, auf die bei späteren<br />

Anlässen wieder zurückgegriffen werden kann.<br />

Die zweigleisige Strategie zielte somit auf eine<br />

thematis<strong>ch</strong>e Neuorientierung bei glei<strong>ch</strong>zeitiger<br />

Rückgewinnung von verlorenem Terrain und der<br />

Werbung weiterer Mitläufer ab. Es ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>,<br />

dass diese neuen Mitglieder potenziell<br />

zum Gewalt befürwortenden Flügel innerhalb<br />

der traditionell von starken personellen Fluktuationen<br />

gekennzei<strong>ch</strong>neten Szene zu zählen sind.<br />

Die linksextreme Gewalt gefährdete punktuell<br />

oder lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung,<br />

stellte aber keine Bedrohung der inneren<br />

Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz dar.<br />

LAGE<br />

Ans<strong>ch</strong>läge ausserhalb Europas<br />

Ausserhalb Europas waren im Jahr 2005 neben<br />

den Konfliktzonen im Irak, in Afghanistan<br />

und Pakistan, Israel und Palästina sowie im Kaukasus<br />

vor allem wieder verstärkt Ägypten und der<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Unsi<strong>ch</strong>ere Lage<br />

2.3. Islamistis<strong>ch</strong>en Gruppen<br />

zuges<strong>ch</strong>riebene Terrorakte<br />

Dur<strong>ch</strong> die Orientierungss<strong>ch</strong>wierigkeiten innerhalb<br />

der globalisierungskritis<strong>ch</strong>en und das<br />

Taktieren der gewaltbereiten Kreise ist eine von<br />

zahlrei<strong>ch</strong>en Unsi<strong>ch</strong>erheiten geprägte Situation<br />

entstanden. Zuglei<strong>ch</strong> ist eine Radikalisierung<br />

der linksextremen Szene feststellbar, die si<strong>ch</strong><br />

besonders in der gehäuften Gewaltanwendung<br />

gegen die Polizei und ihre Institutionen offenbart.<br />

Generell hat die Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft des harten<br />

Kerns der linken Extremisten zugenommen. Eine<br />

Veränderung dieser Tendenz ist kurzfristig ni<strong>ch</strong>t<br />

zu erwarten.<br />

Der Aktivismus und die Steigerung der szeneeigenen<br />

Anlässe 2005 dienten aber hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

dazu, Präsenz zu markieren und ideologis<strong>ch</strong> die<br />

eigene Existenz zu re<strong>ch</strong>tfertigen. Sie sind im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />

aus der aktuellen Krisensituation zu<br />

verstehen.<br />

Es ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass sowohl die Konfrontationen<br />

mit den Si<strong>ch</strong>erheitskräften wie au<strong>ch</strong><br />

mit Anhängern der re<strong>ch</strong>tsextremen Szene weiter<br />

zunehmen. Mögli<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> ein Ansteigen der<br />

anlassbezogenen Vorfeld- und Begleitaktionen.<br />

Hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die Zahl der<br />

Konfrontationen mit<br />

Si<strong>ch</strong>erheitskräften und mit<br />

Anhängern der re<strong>ch</strong>tsextremen<br />

Szene werden<br />

wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> zunehmen.<br />

spontanen, szeneeigenen Veranstaltungen<br />

dürfte weiter<br />

zunehmen. Gerade der zweifelhafte<br />

Erfolg dur<strong>ch</strong> den<br />

taktis<strong>ch</strong>en We<strong>ch</strong>sel hin zu<br />

konspirativ organisierten Anlässen<br />

dürfte die Szene zu<br />

weiteren derartigen Aktionen ermutigen und die<br />

Arbeit der Si<strong>ch</strong>erheitsorgane künftig erhebli<strong>ch</strong><br />

ers<strong>ch</strong>weren. Dabei sind zunehmend Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />

zu erwarten.<br />

süd- und südostasiatis<strong>ch</strong>e Raum von islamistis<strong>ch</strong>em<br />

Terrorismus betroffen. Im April und Juli<br />

war die ägyptis<strong>ch</strong>e Tourismusindustrie in Kairo<br />

beziehungsweise auf der Sinai-Halbinsel Ziel von<br />

islamistis<strong>ch</strong>en Terrorakten, wobei die koordinierten<br />

Sprengstoffans<strong>ch</strong>läge von Sharm el-Sheikh<br />

mehr Mens<strong>ch</strong>en töteten als der Ans<strong>ch</strong>lag mit


Handfeuerwaffen 1997 in Luxor. Die Ans<strong>ch</strong>läge<br />

auf einen touristis<strong>ch</strong>en Markt und ein Museum in<br />

Kairo forderten, obwohl das Werk von Selbstmordattentätern,<br />

weniger Opfer.<br />

Jordanien erlebte am 10. November den<br />

s<strong>ch</strong>wersten Terrorans<strong>ch</strong>lag seiner Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te.<br />

Selbstmordattentäter sprengten si<strong>ch</strong> in drei westli<strong>ch</strong>en<br />

Hotels in der Hauptstadt Amman in die<br />

Luft, töteten dabei über se<strong>ch</strong>zig Gäste und verletzten<br />

über hundert. Die aus dem Irak stammenden<br />

Attentäter handelten im Namen der irakis<strong>ch</strong>en<br />

Terrorgruppe um Abu Musab az-Zarqawi,<br />

weil das si<strong>ch</strong>ere Amman regional und internatio-<br />

nal als wi<strong>ch</strong>tigste Drehs<strong>ch</strong>eibe<br />

für Beziehungen mit dem<br />

kriegsversehrten Irak gilt. Im<br />

Emirat Katar am arabis<strong>ch</strong>en<br />

Golf war ebenfalls eine von<br />

aus dem Westen stammenden<br />

Personen besu<strong>ch</strong>te Einri<strong>ch</strong>tung Ziel des islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Terrorismus, als ein Selbstmordattentäter<br />

mit einem Fahrzeugsprengsatz eine Theatervorstellung<br />

attackierte.<br />

Im Oktober war in Südostasien erneut die<br />

Tourismusindustrie von islamistis<strong>ch</strong>em Terrorismus<br />

betroffen,als Selbstmordattentäter auf der<br />

indonesis<strong>ch</strong>en Ferieninsel Bali den Terrorakt von<br />

2002 wiederholten. Im selben Monat verwüstete<br />

au<strong>ch</strong> in Indien eine Ans<strong>ch</strong>lagserie neben anderen<br />

Zielen den Markt eines Touristenviertels in Neu-<br />

Delhi. S<strong>ch</strong>on im August waren in Bangladesh<br />

landesweit innert kürzester Zeit mehrere hundert<br />

Sprengsätze detoniert. Au<strong>ch</strong> auf den Philippinen<br />

griffen Islamisten im Verlauf des Jahres mehrmals<br />

mit Sprengsätzen öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen wie<br />

Restaurants, Märkte und Transportmittel an.<br />

Angriffe auf Tourismusindustrie<br />

und auf Einri<strong>ch</strong>tungen<br />

für aus dem Westen<br />

stammende Personen.<br />

Selbstmordattentat einer<br />

zum Islam konvertierten<br />

Belgierin.<br />

Selbstmordterrorismus im Irak<br />

Die Terrorgruppe des Jordaniers az-Zarqawi<br />

verübte als Teil des breiteren irakis<strong>ch</strong>en Widerstandes<br />

gegen die ausländis<strong>ch</strong>en Truppen au<strong>ch</strong> im<br />

Jahr 2005 die meisten Selbstmordans<strong>ch</strong>läge, bei<br />

denen wie im Vorjahr hunderte irakis<strong>ch</strong>e Zivilisten<br />

starben. Eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Anzahl der Selbst-<br />

mordattentäter stammte aus<br />

dem nahen und fernen arabis<strong>ch</strong>en<br />

Ausland, do<strong>ch</strong> waren einige<br />

unter ihnen erwiesenermassen<br />

au<strong>ch</strong> aus europäis<strong>ch</strong>en<br />

Ländern in den Irak eingesickert. Unter ihnen<br />

sorgte eine zum Islam konvertierte Belgierin für<br />

Aufsehen, die si<strong>ch</strong> Anfang November bei einem<br />

Ans<strong>ch</strong>lag auf einen US-Militärkonvoi in die Luft<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Zerstörter Bus in London. Am 7. Juli 2005 zündeten<br />

vier Selbstmordattentäter in drei U-Bahnzügen<br />

und einem Bus Bomben. Das Bild zeigt den nahe<br />

dem Tavistock Square zerstörten Bus am Tag dana<strong>ch</strong>.<br />

FOTO KEYSTONE<br />

sprengte. Wie im Vorjahr waren neben Ausländern<br />

die irakis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>iiten im Allgemeinen und<br />

die irakis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitskräfte im Speziellen<br />

Hauptangriffsziele, da beide Gruppen der<br />

Terrorgruppe um az-Zarqawi als Kollaborateure<br />

der Koalitionstruppen gelten. Au<strong>ch</strong> die<br />

Entführung von Ausländern dur<strong>ch</strong> Widerstandsgruppen<br />

hielt an.<br />

Die Londoner Selbstmordans<strong>ch</strong>läge<br />

Na<strong>ch</strong> den Ans<strong>ch</strong>lägen in Madrid am 11. März<br />

2004 erlangte die Bedrohung Europas dur<strong>ch</strong><br />

den islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus im Juli 2005 in<br />

London eine neue Dimension.<br />

London wurde das erste europäis<strong>ch</strong>e<br />

Ziel eines islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Selbstmordattentats:<br />

Am 7. Juli sprengten si<strong>ch</strong> in öffentli<strong>ch</strong>en Verkehrsmitteln<br />

vier Attentäter in die Luft, rissen 48<br />

Passagiere in den Tod und verletzten über fünfhundert<br />

weitere Personen. Genau zwei Wo<strong>ch</strong>en<br />

später, am 21. Juli, wollte eine weitere Gruppe<br />

von vier Attentätern den Ans<strong>ch</strong>lag imitieren,do<strong>ch</strong><br />

hielten si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>äden dank der unvollständigen<br />

Neue Dimension der<br />

Bedrohung Europas.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 27


Erfolgrei<strong>ch</strong>e Fahndung<br />

in mehreren europäis<strong>ch</strong>en<br />

Ländern.<br />

28<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Belgis<strong>ch</strong>e Selbstmordattentäterin im Irak. Die<br />

konvertierte Muslimin sprengte si<strong>ch</strong> am 9. November<br />

2005 in Bakuba im Irak in die Luft und tötete<br />

dabei fünf irakis<strong>ch</strong>e Polizisten. FOTO KEYSTONE<br />

Detonation der Sprengsätze in Grenzen, und<br />

kein Passagier wurde getötet. Ob es si<strong>ch</strong> bei den<br />

Tätern vom 21. Juli wirkli<strong>ch</strong> um Selbstmordattentäter<br />

handelte, ist Gegenstand laufender<br />

Ermittlungen.<br />

Die internationale<br />

Terrorismusbekämpfung<br />

Alle ges<strong>ch</strong>eiterten Attentäter vom 21. Juli<br />

konnten bereits in den Wo<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> der Tat in<br />

Grossbritannien und Italien festgenommen werden.<br />

Am 3. Oktober nahmen die britis<strong>ch</strong>en Behörden<br />

zudem fünf ranghohe Mitglieder der<br />

Groupe Islamique Combattant Libyen in Aus-<br />

s<strong>ch</strong>affungshaft. Erfolgrei<strong>ch</strong><br />

waren au<strong>ch</strong> Fahndungen na<strong>ch</strong><br />

gewaltbereiten Islamisten in<br />

mehreren europäis<strong>ch</strong>en Ländern.<br />

Die ausgehobenen Netzwerke<br />

planten entweder Ans<strong>ch</strong>läge vor Ort oder<br />

organisierten die Anwerbung und Infiltration von<br />

Selbstmordattentätern aus diesen Ländern in den<br />

Irak.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Vielfa<strong>ch</strong> auf Unverständnis in der Bevölkerung<br />

stiess der Freispru<strong>ch</strong> von erwiesenermassen<br />

gewaltbereiten Islamisten in Italien, Deuts<strong>ch</strong>land<br />

und den Niederlanden.In Italien unters<strong>ch</strong>ied eine<br />

Ri<strong>ch</strong>terin zugunsten des Angeklagten zwis<strong>ch</strong>en<br />

illegalem Terrorismus und legitimem Guerrillakampf,<br />

während in den Niederlanden die Gesetzeslage<br />

eine Verurteilung verunmögli<strong>ch</strong>te. In<br />

Deuts<strong>ch</strong>land wurde ein Mitglied des harten Kerns<br />

um Muhammad Atta vollständig freigespro<strong>ch</strong>en,<br />

ein weiteres vom Vorwurf, Beihilfe zu 3’000fa<strong>ch</strong>em<br />

Mord geleistet zu haben.<br />

Im Gefangenenlager von Guantánamo auf<br />

Kuba wie au<strong>ch</strong> in Afghanistan waren 2005 dutzende<br />

mutmassli<strong>ch</strong>er Terroristen in spezieller<br />

US-amerikanis<strong>ch</strong>er Militärhaft. Bei Gefangenentransporten<br />

soll angebli<strong>ch</strong> der Luftraum und<br />

damit die Souveränität zahlrei<strong>ch</strong>er Staaten missa<strong>ch</strong>tet<br />

worden sein. In diesem Zusammenhang<br />

eröffnete die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

ein Verfahren gegen unbekannt wegen Verda<strong>ch</strong>ts<br />

auf verbotene Handlungen für einen fremden<br />

Staat.<br />

BEURTEILUNG<br />

Al Qaïda und der globale<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadismus<br />

Al Qaïda hat si<strong>ch</strong> wegen der Zerstörung ihrer<br />

Zuflu<strong>ch</strong>tstätten in Afghanistan und des auf sie<br />

ausgeübten Drucks zu einer transnationalen<br />

Ideologie des militanten Islamismus gewandelt.<br />

Für ihre Verbreitung und Entwicklung spielt das<br />

Internet mit eins<strong>ch</strong>lägigen Seiten und Foren eine<br />

zunehmend wi<strong>ch</strong>tige Rolle. Usama bin Laden war<br />

im gesamten Beri<strong>ch</strong>tsjahr in den Medien abwesend,<br />

weshalb über seinen Tod oder gar seine Entma<strong>ch</strong>tung<br />

spekuliert wurde. Sein Stellvertreter<br />

Ayman az-Zawahiri trat hingegen mit mehreren<br />

Deklarationen in Ers<strong>ch</strong>einung, so au<strong>ch</strong> in einem<br />

Video zu den Londoner Selbstmordans<strong>ch</strong>lägen.<br />

Die Festnahme Abu Farads<strong>ch</strong> al-Libis bedeutete<br />

na<strong>ch</strong> derjenigen Khalid Sheikh Muhammads im<br />

Jahr 2003 eine weitere massive S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung der<br />

Al-Qaïda-Führung.<br />

Vielerorts entstehen kleine Zellen gewaltbereiter<br />

Islamisten respektive Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />

oder gewaltbereiter Muslime,<br />

die keine personelle Verbindung<br />

zur übrig gebliebenen<br />

Al-Qaïda-Führung haben. Sie<br />

sind aber bereit,ihren Ds<strong>ch</strong>ihadismus<br />

in die Tat umzusetzen.<br />

Kleine Zellen gewaltbereiter<br />

Islamisten ohne personelle<br />

Verbindung zur Al-Qaïda-<br />

Führung.


Da diese Zellen aufgrund ihrer bes<strong>ch</strong>ränkten Kapazitäten<br />

nur lokal operieren können, wählen sie<br />

si<strong>ch</strong> Ans<strong>ch</strong>lagziele in ihrer Umgebung und aufgrund<br />

ihrer Mögli<strong>ch</strong>keiten aus.<br />

Die islamistis<strong>ch</strong>en Terrorakte in Ägypten und<br />

Katar entspra<strong>ch</strong>en diesem Trend, während in<br />

Süd- und Südostasien etablierte Gruppen mit<br />

losen Verbindungen zur ehemaligen Al-Qaïda-<br />

Struktur für die Ans<strong>ch</strong>läge verantwortli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en<br />

sind. Einige der süd- und südostasiatis<strong>ch</strong>en<br />

Gruppen verbinden die islamistis<strong>ch</strong>en Ziele des<br />

Terrors mit territorialen Forderungen. Dies ist<br />

au<strong>ch</strong> in anderen Konfliktzonen wie im Kaukasus<br />

sowie in Israel und Palästina der Fall. Langfristig<br />

verfolgen sowohl die etablierten Gruppen als<br />

au<strong>ch</strong> die neuen Zellen als Ziel die Erri<strong>ch</strong>tung einer<br />

Staatsordnung auf der Grundlage des islamis<strong>ch</strong>en<br />

Re<strong>ch</strong>ts.<br />

Der erste islamistis<strong>ch</strong>e<br />

Selbstmordans<strong>ch</strong>lag in Europa<br />

Bis zu den Sprengstoffans<strong>ch</strong>lägen in Madrid<br />

galt Europa den meisten gewaltbereiten Islamisten<br />

eher als Rückzugsgebiet und als Raum zur<br />

logistis<strong>ch</strong>en Vorbereitung von Attentaten, ni<strong>ch</strong>t<br />

jedo<strong>ch</strong> als Raum für terroristis<strong>ch</strong>e Operationen.<br />

Vor allem seit den Londoner Ans<strong>ch</strong>lägen ist Europa<br />

aber au<strong>ch</strong> zur Arena islamistis<strong>ch</strong>er Terrorans<strong>ch</strong>läge<br />

geworden. Die Ans<strong>ch</strong>läge von Madrid<br />

und London gelten in der Logik des Terrors als<br />

gelungen, da sie völlig überras<strong>ch</strong>end erfolgten,<br />

genau koordiniert waren, mögli<strong>ch</strong>st viele Men-<br />

s<strong>ch</strong>en töteten, sofort in den<br />

Medien präsent waren und<br />

jeweils zu einem politis<strong>ch</strong><br />

symbolis<strong>ch</strong>en Zeitpunkt stattfanden.<br />

Die Terrorakte in Grossbritannien hatten<br />

zwar ni<strong>ch</strong>t die glei<strong>ch</strong>en politis<strong>ch</strong>en Konsequenzen<br />

wie die in Spanien, do<strong>ch</strong> zeigten sie die hohe Effektivität<br />

sol<strong>ch</strong>er Ans<strong>ch</strong>läge. Au<strong>ch</strong> haben sie<br />

einmal mehr verdeutli<strong>ch</strong>t, wie lei<strong>ch</strong>t verwundbar<br />

die liberalen Demokratien Europas sind.<br />

Sowohl die Ans<strong>ch</strong>läge am 7. Juli in London<br />

als au<strong>ch</strong> der ges<strong>ch</strong>eiterte Imitationsversu<strong>ch</strong> zwei<br />

Wo<strong>ch</strong>en dana<strong>ch</strong> haben gezeigt, dass au<strong>ch</strong> in<br />

Europa potenzielle Selbstmordattentäter leben.<br />

Diese europäis<strong>ch</strong>en Ds<strong>ch</strong>ihadisten formieren si<strong>ch</strong><br />

selbstständig in Zellen und verinnerli<strong>ch</strong>en die<br />

Ideologie des globalen Ds<strong>ch</strong>ihad. Sie stammen<br />

vor allem aus der muslimis<strong>ch</strong>en Diaspora; sie sind<br />

in Europa aufgewa<strong>ch</strong>sen und sozialisiert worden,<br />

bei einigen handelt es si<strong>ch</strong> um Konvertiten.<br />

Der Prozess der Radikalisierung vom potenziel-<br />

Hohe Effektivität<br />

von Selbstmordans<strong>ch</strong>lägen.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

len Ds<strong>ch</strong>ihadisten zum tatbereiten Terroristen<br />

s<strong>ch</strong>eint teilweise erstaunli<strong>ch</strong> kurz. Die operative<br />

Kapazität und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

dieser europäis<strong>ch</strong>en<br />

Zellen sind im Gegensatz zur<br />

alten Al Qaïda einges<strong>ch</strong>ränkt,<br />

was aber die Effektivität von Ans<strong>ch</strong>lägen ni<strong>ch</strong>t<br />

mindern muss.<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadismus als<br />

ausformulierte Ideologie<br />

Seit Anfang 2005 zirkuliert in islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Kreisen die über tausendseitige Enzyklopädie<br />

des Ende 2005 in Pakistan festgenommenen syris<strong>ch</strong>en<br />

Ds<strong>ch</strong>ihad-Ideologen Mustafa Sitmariam<br />

Nassar alias Abu Mussab as-Suri mit dem Titel<br />

«Aufruf zum weltweiten islamis<strong>ch</strong>en Widerstand».<br />

Diese bisher umfangrei<strong>ch</strong>ste Abhandlung<br />

zur ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Ideologie<br />

und Strategie ruft weltweit<br />

alle Muslime zu Terrorakten<br />

gegen europäis<strong>ch</strong>e Staaten<br />

auf, die in ihrer Politik gegenüber dem arabis<strong>ch</strong>islamis<strong>ch</strong>en<br />

Raum mit den USA, Grossbritannien<br />

oder Israel kooperieren.<br />

Ausgehend von ihrer komplexen islamre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Argumentation lässt si<strong>ch</strong> eine taktis<strong>ch</strong>e<br />

Weiterentwicklung der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Strategie<br />

feststellen. Demna<strong>ch</strong> sollen tatbereite<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadisten keine festen und erkennbaren<br />

Gruppenstrukturen mehr bilden, sondern im<br />

Idealfall individuell oder in Kleingruppen zur<br />

Tat s<strong>ch</strong>reiten. Sie müssen in kein Kampfgebiet<br />

wie zum Beispiel den Irak auswandern, sondern<br />

sollen vor Ort zus<strong>ch</strong>lagen. Sie brau<strong>ch</strong>en keine<br />

Ausbildung zum Terroristen mehr zu dur<strong>ch</strong>laufen,<br />

sondern sollen ihren Fähigkeiten entspre<strong>ch</strong>end<br />

so s<strong>ch</strong>nell wie mögli<strong>ch</strong> angreifen. 2005<br />

entspra<strong>ch</strong>en mehrere der in Europa geplanten<br />

oder ausgeführten Terrorans<strong>ch</strong>läge dieser neuen<br />

Taktik.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Islamistis<strong>ch</strong>er Terrorismus<br />

in der islamis<strong>ch</strong>en Welt<br />

Erstaunli<strong>ch</strong> kurze<br />

Radikalisierungsphase.<br />

«Aufruf zum weltweiten<br />

islamis<strong>ch</strong>en Widerstand».<br />

Die Verbindung von Islamismus und Separatismus<br />

ist besonders konfliktträ<strong>ch</strong>tig, weshalb<br />

Konfliktzonen in Süd- und Südostasien, Nahost<br />

und im Kaukasus au<strong>ch</strong> in Zukunft vom islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Terrorismus betroffen sein werden. In Südund<br />

Südostasien verlangen viele Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 29


30<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

eine Gesells<strong>ch</strong>aftsreform auf islamis<strong>ch</strong>er Grundlage<br />

und sind bereit, dies mit terroristis<strong>ch</strong>en Mitteln<br />

von den jeweiligen Staatseliten zu erzwingen.<br />

Glei<strong>ch</strong>es gilt au<strong>ch</strong> für die arabis<strong>ch</strong>e Welt, do<strong>ch</strong><br />

sind dort Ds<strong>ch</strong>ihadisten aufgrund staatli<strong>ch</strong>er<br />

Repression in ihrem Handeln stärker einges<strong>ch</strong>ränkt.<br />

Die Ausnahme hierzu bildet der Irak,<br />

der seit dem Sturz der Diktatur zum wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

neuen Ausbildungs- und Operationsfeld für islamistis<strong>ch</strong>e<br />

Terroristen geworden ist.<br />

London als Präzedenzfall<br />

Europa könnte in naher Zukunft zur Arena<br />

einer neuen Generation von europäis<strong>ch</strong>en Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />

werden. Die Rückkehr von Europäern,<br />

die zurzeit im irakis<strong>ch</strong>en Widerstand den urbanen<br />

Terrorismus erlernen, könnte diese Entwicklung<br />

bes<strong>ch</strong>leunigen. In Europa aktive potenzielle<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadisten werden au<strong>ch</strong> in Zukunft bevorzugt<br />

so genannte wei<strong>ch</strong>e Ziele wie öffentli<strong>ch</strong> zugängli<strong>ch</strong>e<br />

Orte mit grossen Mens<strong>ch</strong>enansammlungen<br />

oder unges<strong>ch</strong>ützte Personen für ihre Terrorakte<br />

auswählen. Selbstmordattentate könnten au<strong>ch</strong><br />

in Europa die zeit- oder ferngesteuerten Sprengsätze<br />

ergänzen oder mit der Zeit sogar ersetzen.<br />

Neben der Strategie zur Maximierung der<br />

Toten könnten in Zukunft vermehrt au<strong>ch</strong> Einzel-<br />

2.4. Naher Osten<br />

LAGE<br />

Israel und Palästina<br />

Au<strong>ch</strong> 2005 kam es zu Gewaltanwendung zwis<strong>ch</strong>en<br />

den Konfliktparteien in Israel und Palästina.<br />

Die Zahl der Selbstmordattentate hat dank<br />

einer Waffenstillstandsvereinbarung weiter abgenommen,<br />

aber au<strong>ch</strong>, weil die israelis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden<br />

sie vers<strong>ch</strong>iedentli<strong>ch</strong> vereiteln<br />

konnten. Die israelis<strong>ch</strong>e Armee setzte ihrerseits<br />

weiter auf gezielte Tötungen von palästinensis<strong>ch</strong>en<br />

Extremisten. Der unilateral bes<strong>ch</strong>lossene<br />

Rückzug Israels aus dem Gazastreifen führte<br />

ni<strong>ch</strong>t zu einer Entspannung der Si<strong>ch</strong>erheitslage,<br />

nahm der Bes<strong>ch</strong>uss Israels mit Qassam-Raketen<br />

aus Gaza do<strong>ch</strong> zu. Dieser forderte jedo<strong>ch</strong> keine<br />

Mens<strong>ch</strong>enleben.<br />

Die Lage in Israel und Palästina war 2005 geprägt<br />

von einer Zunahme und teilweisen Verlage-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

personen von gewalttätigen Islamisten gezielt<br />

getötet werden. Besonders Muslime, die in der<br />

Öffentli<strong>ch</strong>keit den Islam oder seine Politisierung<br />

kritisieren, sind für potenzielle Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />

legitime Angriffsziele. Glei<strong>ch</strong>es gilt für Einri<strong>ch</strong>tungen,<br />

die islamkritis<strong>ch</strong> sind oder aus ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>er<br />

Si<strong>ch</strong>t mit der so genannten «zionistis<strong>ch</strong>kreuzzügleris<strong>ch</strong>en<br />

Aggression gegen den Islam»<br />

in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t werden können.<br />

Bedeutung für die<br />

innere Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die Transformation Westeuropas von einem<br />

Ruhe- und Unterstützungsraum in ein Operationsfeld<br />

der Ds<strong>ch</strong>ihadisten betrifft unmittelbar<br />

au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz. Glei<strong>ch</strong>es gilt für die Erneuerung<br />

der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Methode, wona<strong>ch</strong> der<br />

gewaltbereite Islamist ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr nur aus dem Ausland<br />

kommt, sondern unsi<strong>ch</strong>tbar<br />

und unerwartet im Inland operiert.<br />

Sollten si<strong>ch</strong> in Zukunft<br />

Transformation Westeuropas<br />

zu einem Operationsfeld der<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadisten.<br />

beide Entwicklungen ausprägen, würde das die<br />

Terrorismusbedrohung der S<strong>ch</strong>weiz als westeuropäis<strong>ch</strong>em<br />

Land mit einer aktiven islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Szene erhöhen.<br />

rung der Aufmerksamkeit auf interne Konflikte<br />

beider Parteien. In Israel kam es im August zu<br />

teils heftigen Protestdemonstrationen und ver-<br />

einzelten Gewaltakten extremistis<strong>ch</strong>er<br />

Siedler gegen die<br />

Räumung des Gaza-Streifens.<br />

Auf der anderen Seite gelang<br />

Interne Konflikte beider<br />

Parteien.<br />

es der palästinensis<strong>ch</strong>en Autonomiebehörde<br />

ni<strong>ch</strong>t, die bereits unter Arafat aufgetretenen<br />

Spannungen zwis<strong>ch</strong>en ihren Fraktionen zu überwinden<br />

und glei<strong>ch</strong>zeitig die gewalttätigen Widerstandsorganisationen<br />

Hamas und Ds<strong>ch</strong>ihad zu<br />

neutralisieren. Vielmehr kam es wiederholt zu<br />

bewaffneten Auseinandersetzungen. Um ihre<br />

Positionen dur<strong>ch</strong>zusetzen, entführten Fraktionen<br />

wiederholt au<strong>ch</strong> Ausländer; so wurde im August<br />

au<strong>ch</strong> ein S<strong>ch</strong>weizer UNO-Mitarbeiter für wenige<br />

Stunden als Geisel genommen.


Libanon<br />

Am 14. Februar 2005 wurde in Beirut der ehemalige<br />

libanesis<strong>ch</strong>e Ministerpräsident Rafiq Hariri<br />

bei einem Selbstmordans<strong>ch</strong>lag ermordet; weitere<br />

Attentate auf Vertreter antisyris<strong>ch</strong>er Positionen<br />

folgten, so zuletzt im Dezember die Ermordung<br />

des Journalisten und Abgeordneten Gibran<br />

Tuéni. Internationaler Druck zwang Syrien Ende<br />

April, seine seit 29 Jahren im Libanon stationierten<br />

Truppen vollständig zurückzuziehen.<br />

Im Rahmen der UNO-Ermittlungen um das<br />

Hariri-Attentat waren au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weizer im Libanon<br />

engagiert. Fünf Polizeiexperten nahmen im März<br />

2005 te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Abklärungen am Tatort in Beirut<br />

vor und lieferten Erkenntnisse<br />

zum Tathergang. Zudem waren<br />

auf Ersu<strong>ch</strong>en der UNO<br />

eine Expertin und ein Experte<br />

von fedpol in der Ermittlungsmanns<strong>ch</strong>aft<br />

des deuts<strong>ch</strong>en Staatsanwalts im Libanon<br />

tätig. Ein weiterer unterstützte die Ermittlungen<br />

na<strong>ch</strong> Abs<strong>ch</strong>luss des Einsatzes vor Ort. Die<br />

S<strong>ch</strong>weizer Einsätze, die Mitte Dezember abges<strong>ch</strong>lossen<br />

waren, verliefen ohne Zwis<strong>ch</strong>enfälle;<br />

die S<strong>ch</strong>weizer Vertreter waren weder während<br />

des Einsatzes im Libanon no<strong>ch</strong> im Na<strong>ch</strong>hinein<br />

Bedrohungen oder Anfeindungen ausgesetzt.<br />

Im Herbst war die S<strong>ch</strong>weiz zudem zeitweilig<br />

Gastland für Treffen libanesis<strong>ch</strong>er und syris<strong>ch</strong>er<br />

Politiker. Zurückzuführen war dies namentli<strong>ch</strong><br />

auf den Umstand, dass si<strong>ch</strong> der libanesis<strong>ch</strong>e Verteidigungsminister<br />

aus medizinis<strong>ch</strong>en Gründen in<br />

Genf aufhielt.<br />

Beteiligung von S<strong>ch</strong>weizer<br />

Experten an den UNO-<br />

Ermittlungen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Kaum Reaktionen in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die Entwicklung im Nahen Osten hat in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz 2005 kaum zu Reaktionen geführt. Erwähnenswert<br />

ist nur das Entrollen pro-palästi-<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

nensis<strong>ch</strong>er Transparente dur<strong>ch</strong> vier das Spielfeld<br />

stürmende linksextreme Aktivisten während des<br />

Fussballspiels S<strong>ch</strong>weiz-Israel am 3. September in<br />

Basel. Die von S<strong>ch</strong>weizer Islam-Konvertiten geführte<br />

Organisation PRO-PLO S<strong>ch</strong>weiz trat ni<strong>ch</strong>t<br />

in Ers<strong>ch</strong>einung, was ihre im Dezember 2004 verkündete<br />

Selbstauflösung zu bestätigen s<strong>ch</strong>eint.<br />

Im extremistis<strong>ch</strong>en islamistis<strong>ch</strong>en Diskurs ist<br />

das Palästinaproblem zwar weiterhin als ideologis<strong>ch</strong>er<br />

Topos allgegenwärtig, faktis<strong>ch</strong> wird es<br />

jedo<strong>ch</strong> vom alles dominierenden Konflikt im Irak<br />

verdrängt.<br />

Rolle der UNO<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz spielte im Bezug auf die Ereignisse<br />

in Libanon und Syrien eine verglei<strong>ch</strong>sweise<br />

bes<strong>ch</strong>eidene Rolle. Die innere Si<strong>ch</strong>erheit wurde<br />

dadur<strong>ch</strong> jedenfalls ni<strong>ch</strong>t gefährdet. Einer potenziellen<br />

Bedrohung ist hingegen die UNO ausge-<br />

setzt, wel<strong>ch</strong>e die Ermittlungen<br />

im Hariri-Mord führt und aufgrund<br />

der Ergebnisse Sanktionen<br />

gegen Syrien einfordert<br />

und dur<strong>ch</strong>setzt. Die allgemeine Gefährdung der<br />

UNO wird au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Entführung eines<br />

S<strong>ch</strong>weizer UNO-Mitarbeiters im August 2005<br />

bezeugt.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Potenzielle Bedrohung<br />

der UNO.<br />

UNO als mögli<strong>ch</strong>es Ziel von Gewalt<br />

Je stärker die UNO im Nahen Osten engagiert<br />

ist, desto wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>er wird es, dass es in Genf<br />

zu Protesten und bei einer allfälligen Eskalation<br />

gar zu gewalttätigen Aktionen kommen könnte.<br />

Anzei<strong>ch</strong>en für sol<strong>ch</strong>e Aktionen gibt es bisher jedo<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t. Die Si<strong>ch</strong>erheitsorgane des Bundes,<br />

des Kantons Genf und der UNO beurteilen laufend<br />

die Entwicklung der Lage.<br />

2.5. Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

LAGE<br />

Haltlose Ans<strong>ch</strong>uldigungen eines<br />

Islamisten gegen die S<strong>ch</strong>weiz<br />

Ein ehemaliger ägyptis<strong>ch</strong>er Polizeioberst und<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz anerkannter Flü<strong>ch</strong>tling wurde am<br />

15. Februar 2005 in Genf verhaftet, wegen Mordversu<strong>ch</strong>s<br />

und Drohung angeklagt und glei<strong>ch</strong>entags<br />

dur<strong>ch</strong> die zuständige Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>terin<br />

in Haft genommen. Er hatte eine Person senegalesis<strong>ch</strong>er<br />

Herkunft mit dem Messer angegriffen<br />

und blieb deswegen bis zum 22. Juni 2005 in<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 31


Indirekte Drohungen<br />

gegen die S<strong>ch</strong>weiz.<br />

32<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungshaft. Während und na<strong>ch</strong> seiner<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungshaft erhob er haltlose Vorwürfe<br />

gegen die S<strong>ch</strong>weiz und ihre Behörden.<br />

Er behauptete unter anderem, er sei inhaftiert<br />

worden, weil er si<strong>ch</strong> geweigert habe, mit dem<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst zu kooperieren und Landsleute<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz auszuspionieren. Man habe<br />

ihn als Agent in die Al Qaïda eins<strong>ch</strong>leusen wollen<br />

und ihm deswegen Geld und Frauen angeboten.<br />

Weiter will er während seiner Haft psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />

und physis<strong>ch</strong>er Gewalt ausgesetzt gewesen und<br />

mehr als einen Monat in Isolation gehalten<br />

worden sein, worauf er aus Protest in den Hungerstreik<br />

getreten sei. Na<strong>ch</strong> den Ans<strong>ch</strong>lägen in<br />

London vom 7. Juli ri<strong>ch</strong>tete er indirekte Drohungen<br />

gegen die S<strong>ch</strong>weiz – Genf sei nä<strong>ch</strong>stes Ziel<br />

eines Al-Qaïda-Ans<strong>ch</strong>lags – und<br />

bezei<strong>ch</strong>nete das S<strong>ch</strong>weizer Volk<br />

als «Feind des Islam». Einer seiner<br />

Internetartikel trug den Titel<br />

«Die S<strong>ch</strong>weiz, der niederträ<strong>ch</strong>tigste Feind des<br />

Islam». Das Pamphlet enthält den unverhohlenen<br />

Aufruf an die Muslime, endli<strong>ch</strong> zu reagieren,<br />

wobei eine mögli<strong>ch</strong>e Muds<strong>ch</strong>aheddin-Attacke<br />

gegen die S<strong>ch</strong>weiz, die «verdeckte Zentrale der<br />

kreuzzügleris<strong>ch</strong>-zionistis<strong>ch</strong>en Front», zuglei<strong>ch</strong> im<br />

Voraus legitimiert wird.<br />

Der Mann ri<strong>ch</strong>tete seine Bes<strong>ch</strong>werden zunä<strong>ch</strong>st<br />

an vers<strong>ch</strong>iedene Bundesräte, eine Genfer<br />

Staatsrätin,Amtsstellen und internationale Organisationen;<br />

E-Mails gingen au<strong>ch</strong> an Parlamentarier.<br />

Über Dritte gelangten die Ans<strong>ch</strong>uldigungen<br />

in die Medien, so etwa in die international bedeutende<br />

arabis<strong>ch</strong>e Tageszeitung «ash-Sharq al-Awsat».<br />

Überdies sind seine Texte mehrfa<strong>ch</strong> im Internet<br />

abrufbar, unter anderem auf eins<strong>ch</strong>lägigen<br />

ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Seiten. Dort findet er ein ihm<br />

wohlgesinntes Publikum, wie zahlrei<strong>ch</strong>e Kommentare<br />

verdeutli<strong>ch</strong>en. Ein Kommentator beteuert<br />

zum Beispiel, dass man bald angreifen werde.<br />

Islamistis<strong>ch</strong>e Gewaltpropaganda<br />

im Internet<br />

Bereits 2004 ermittelte fedpol (BKP) gegen<br />

die Betreiber von in der S<strong>ch</strong>weiz gehosteten,<br />

inzwis<strong>ch</strong>en gesperrten Internetplattformen wie<br />

etwa www.islamic-minbar.com, die der Verbreitung<br />

ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>er Propaganda dienten. Im<br />

Rahmen des geri<strong>ch</strong>tspolizeili<strong>ch</strong>en Ermittlungsverfahrens<br />

führte fedpol (BKP), unterstützt<br />

dur<strong>ch</strong> kantonale Polizeikräfte, am 22. Februar<br />

2005 Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ungen dur<strong>ch</strong> und nahm fünf<br />

Personen vorübergehend fest. Die Auswertung<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

des si<strong>ch</strong>ergestellten Materials lässt unter anderem<br />

einen Bezug der Bes<strong>ch</strong>uldigten zur islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Hizb ut-Tahrir (Partei<br />

der Befreiung) erkennen. Diese<br />

revolutionäre islamistis<strong>ch</strong>e<br />

Bewegung strebt die Erri<strong>ch</strong>tung<br />

eines weltweiten Kalifats an und s<strong>ch</strong>liesst<br />

dazu Gewaltanwendung zumindest ni<strong>ch</strong>t aus.<br />

Unter den si<strong>ch</strong> legal in der S<strong>ch</strong>weiz aufhaltenden<br />

Festgenommenen befand si<strong>ch</strong> neben dem<br />

Hauptbetreiber der Foren au<strong>ch</strong> dessen aktuelle<br />

Lebensgefährtin. Sie ist die Witwe eines der beiden<br />

Männer, die den afghanis<strong>ch</strong>en Kriegsherrn<br />

Ahmad S<strong>ch</strong>ah Massud zwei Tage vor den Ans<strong>ch</strong>lägen<br />

vom 11. September 2001 mit einem<br />

Selbstmordans<strong>ch</strong>lag töteten. Die selbsternannte<br />

Ds<strong>ch</strong>ihad-Veteranin aus Afghanistan drohte na<strong>ch</strong><br />

ihrer Freilassung in der Presse, das angebli<strong>ch</strong><br />

demütigende Verhalten von Polizei und Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

werde dur<strong>ch</strong> «Muds<strong>ch</strong>aheddin-<br />

Löwen» gerä<strong>ch</strong>t werden.<br />

Ende 2005 übergab die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

das wegen Verda<strong>ch</strong>ts auf öffentli<strong>ch</strong>e Aufforderung<br />

zu Verbre<strong>ch</strong>en oder zur Gewalttätigkeit<br />

und auf Unterstützung einer terroristis<strong>ch</strong> tätigen<br />

kriminellen Organisation eröffnete Verfahren<br />

dem Eidgenössis<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>teramt.<br />

Unterdessen ist im Internet unter neuer Adresse<br />

eine identis<strong>ch</strong>e Internetseite in Betrieb, die jedo<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t in der S<strong>ch</strong>weiz gehostet wird. Die<br />

Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft hat per Re<strong>ch</strong>tshilfe die<br />

S<strong>ch</strong>liessung der Internetseite beantragt.Auf einer<br />

anderen von der obgenannten Frau betriebenen<br />

und ebenfalls im Ausland gehosteten islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Internetseite wurde im Dezember 2005 ein<br />

Video Ayman az-Zawahiris mit französis<strong>ch</strong>en<br />

Untertiteln verbreitet.<br />

Ein zweiter Fall islamistis<strong>ch</strong>er<br />

Gewaltpropaganda im Internet<br />

Starker Bezug zur islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Hizb ut-Tahrir.<br />

Ab Mitte August 2005 wurde unter Verwendung<br />

des Passworts einer Studentin über den<br />

Zentralre<strong>ch</strong>ner der Universität Genf islamisti-<br />

s<strong>ch</strong>es Propagandamaterial im<br />

Internet weiterverbreitet. Dabei<br />

handelte es si<strong>ch</strong> nebst ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en<br />

Kampfaufrufen um Anleitungen<br />

zum Bau von Waffen und Videos von<br />

Hinri<strong>ch</strong>tungen, Verstümmelungen und Kriegsszenen<br />

im Irak. Na<strong>ch</strong> dem Hinweis eines privaten<br />

Internetfahnders rei<strong>ch</strong>te die Leitung der Universität<br />

Genf am 25. Oktober Strafanzeige gegen<br />

unbekannt ein.<br />

Verwendung des Passworts<br />

einer Studentin.


Geplanter Ans<strong>ch</strong>lag auf<br />

irakis<strong>ch</strong>en Ministerpräsidenten<br />

im Jahr 2004.<br />

Am 27. und 28. Oktober konnte die Genfer<br />

Kantonspolizei zwei Verdä<strong>ch</strong>tige verhaften. Die<br />

beiden Islamisten maghrebinis<strong>ch</strong>er Herkunft, die<br />

den Besu<strong>ch</strong> extremistis<strong>ch</strong>er Seiten, ni<strong>ch</strong>t jedo<strong>ch</strong><br />

die Weiterverbreitung des Materials zugaben,<br />

hielten si<strong>ch</strong> illegal in der S<strong>ch</strong>weiz auf. Die beiden<br />

wurden anfangs 2006 aus der Untersu<strong>ch</strong>ungshaft<br />

entlassen.<br />

S<strong>ch</strong>weizer Bezüge in den Jemen<br />

Im März 2005 teilte die S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in<br />

Saudi-Arabien mit, die Behörden im Jemen hätten<br />

einen Prozess gegen a<strong>ch</strong>t Terrorverdä<strong>ch</strong>tige<br />

eröffnet. Diese sollen Attentate gegen Bots<strong>ch</strong>aften<br />

und andere ausländis<strong>ch</strong>e Interessen in der<br />

Hauptstadt Sanaa geplant haben; einer der Angeklagten<br />

sei irakis<strong>ch</strong>-s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er Doppelbürger.Abklärungen<br />

von fedpol ergaben jedo<strong>ch</strong>,dass<br />

die Person weder S<strong>ch</strong>weizer Bürger ist no<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong><br />

je in der S<strong>ch</strong>weiz aufgehalten hat. Seine Mutter<br />

hingegen lebt in der S<strong>ch</strong>weiz. Sie ist liiert mit einem<br />

der Verdä<strong>ch</strong>tigen in den Ermittlungen, die<br />

im Ans<strong>ch</strong>luss an die Ans<strong>ch</strong>läge im saudi-arabis<strong>ch</strong>en<br />

Riad im Mai 2004 von der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

geführt werden. Er wird verdä<strong>ch</strong>tigt, als<br />

Mitglied eines S<strong>ch</strong>mugglernetzwerks Personen<br />

mit Bezügen zum islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus logistis<strong>ch</strong>e<br />

Unterstützung angeboten und mehrere<br />

Personen in oder dur<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz ges<strong>ch</strong>leust zu<br />

haben. Überdies vers<strong>ch</strong>ob die Gruppe bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Geldsummen, die teils aus ihren eigenen<br />

illegalen Aktivitäten stammten, mit unbekanntem<br />

Verwendungszweck in den Nahen Osten.<br />

S<strong>ch</strong>weizer Bezug zu Ansar al-Islam<br />

Vier mutmassli<strong>ch</strong>e Mitglieder der kurdis<strong>ch</strong>-islamistis<strong>ch</strong>en<br />

Terrororganisation Ansar al-Islam<br />

befinden si<strong>ch</strong> unter Terrorverda<strong>ch</strong>t in deuts<strong>ch</strong>er<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungshaft, weil sie 2004 einen Ans<strong>ch</strong>lag<br />

auf den damaligen irakis<strong>ch</strong>en Ministerpräsidenten<br />

Allawi geplant haben sollen.Sie standen in engem<br />

Kontakt zu einem irakis<strong>ch</strong>en Kurden in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz. In einer mit dem<br />

Landeskriminalamt Baden-<br />

Württemberg koordinierten<br />

Aktion wurde im Juni 2005 in<br />

dessen Wohnung umfangrei<strong>ch</strong>es<br />

islamistis<strong>ch</strong>es Propagandamaterial si<strong>ch</strong>ergestellt.<br />

Die Ermittlungen ergaben, dass der irakis<strong>ch</strong>e<br />

Kurde über weit verzweigte Kontakte zu<br />

Personen in der S<strong>ch</strong>weiz, Europa und dem Mittleren<br />

Osten verfügt, von denen mehrere terroristi-<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Propaganda auf S<strong>ch</strong>weizer<br />

Webseite. Fotografie der französis<strong>ch</strong> untertitelten<br />

Videobots<strong>ch</strong>aft Ayman az-Zawahiris. FOTO POLIZEI<br />

s<strong>ch</strong>e Bezüge aufweisen. Darunter befindet si<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> Mullah Krekar, der in Norwegen als Flü<strong>ch</strong>tling<br />

lebende Führer der Ansar al-Islam. Au<strong>ch</strong><br />

wenn der in der S<strong>ch</strong>weiz lebende Verdä<strong>ch</strong>tige<br />

ni<strong>ch</strong>t aktiv in die Planung des Attentats gegen<br />

Allawi verwickelt war,besteht der dringende Verda<strong>ch</strong>t<br />

der Mitglieds<strong>ch</strong>aft bei Ansar al-Islam.<br />

Fall A<strong>ch</strong>raf<br />

Na<strong>ch</strong> Hinweisen der spanis<strong>ch</strong>en Partnerdienste<br />

identifizierte fedpol (DAP) einen als Mohammed<br />

A<strong>ch</strong>raf bekannten angebli<strong>ch</strong>en Algerier,<br />

der einen Ans<strong>ch</strong>lag auf ein Geri<strong>ch</strong>tsgebäude in<br />

Madrid geplant haben soll. Ermittlungen der<br />

Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft ergaben, dass A<strong>ch</strong>raf in<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit ein marokkanis<strong>ch</strong>er Staatsbürger<br />

namens Abderrahmane Tahiri ist. Die spanis<strong>ch</strong>en<br />

Verda<strong>ch</strong>tsmomente bezügli<strong>ch</strong> seiner Aktivitäten<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz konnten ihm hier ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>gewiesen<br />

werden. Insbesondere gibt es keinen<br />

Hinweis, dass er in die S<strong>ch</strong>weiz gereist sei, um<br />

Mittel zum Erwerb grosser Mengen Sprengstoff<br />

zu generieren. Nur einige geringfügige Diebstahlsdelikte<br />

gehen auf ihn zurück. Am 22. April<br />

2005 wurde Tahiri an Spanien ausgeliefert.<br />

Radikalisierung dur<strong>ch</strong> bosnis<strong>ch</strong>e<br />

Wahhabiten<br />

Die bosnis<strong>ch</strong>e Organisation Aktive Islamis<strong>ch</strong>e<br />

Jugend (AIO) bemüht si<strong>ch</strong> seit mehreren<br />

Jahren, über ein Netz kultureller Zentren in der<br />

Muslimgemeins<strong>ch</strong>aft des Balkans den Wahhabismus,<br />

eine puritanis<strong>ch</strong>e radikale Variante des<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 33


34<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Islam aus Saudi-Arabien, zu verbreiten. Au<strong>ch</strong> in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz verfügt die AIO über einzelne Exponenten,<br />

allerdings ni<strong>ch</strong>t wie in anderen europäi-<br />

s<strong>ch</strong>en Ländern über eine gefestigteOrganisationsstruktur.<br />

Die S<strong>ch</strong>weizer AIO-Aktivisten<br />

sind vor allem propagandistis<strong>ch</strong><br />

aktiv. So wurden<br />

in der und über die S<strong>ch</strong>weiz wahhabitis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riften,<br />

Kassetten radikaler Prediger und Bü<strong>ch</strong>er<br />

über die islamis<strong>ch</strong>e Kindererziehung vertrieben.<br />

Die Bewegung nutzte einen S<strong>ch</strong>weizer Internetauftritt<br />

und organisierte Treffen in islamis<strong>ch</strong>en<br />

Zentren, an denen au<strong>ch</strong> ausländis<strong>ch</strong>e Anhänger<br />

der AIO teilnahmen.<br />

Umgekehrt nahmen Vertreter aus der<br />

S<strong>ch</strong>weiz an AIO-Treffen im Ausland teil, wo diese<br />

au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on dur<strong>ch</strong> extremistis<strong>ch</strong>e Stellungnahmen<br />

wie die Aufforderung zum bewaffneten<br />

Ds<strong>ch</strong>ihad auffielen. Weiter zei<strong>ch</strong>nen si<strong>ch</strong> bestimmte<br />

AIO-Anhänger dur<strong>ch</strong> ihre streng na<strong>ch</strong><br />

dem Vorbild des Propheten ausgeri<strong>ch</strong>tete Lebensweise<br />

aus, die sie ihrem Umfeld aufzuzwingen<br />

su<strong>ch</strong>en. Allerdings hatten sie damit in der aus<br />

dem Balkan stammenden Muslimgemeins<strong>ch</strong>aft,<br />

die – wenn überhaupt – eine apolitis<strong>ch</strong>e und volkstümli<strong>ch</strong>e<br />

Praxis des Islam verfolgt, bisher nur geringen<br />

Erfolg. Im Gegenteil: AIO-Aktivisten<br />

stiessen in der S<strong>ch</strong>weiz bei Praktizierenden auf<br />

offenen Widerstand und wurden aus Islamzentren<br />

gewiesen.<br />

Einzelne Exponenten, aber<br />

keine gefestigte Strukturen<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Auswirkungen<br />

des Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enienkriegs<br />

Der zweite Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enienkrieg wurde au<strong>ch</strong><br />

im se<strong>ch</strong>sten Jahr mit unverminderter Härte geführt.Die<br />

Islamisten unter S<strong>ch</strong>amil Bassaev haben<br />

an Einfluss gewonnen. Gerade die junge Generation,<br />

der Lebensperspektiven weitgehend fehlen,<br />

zeigte si<strong>ch</strong> offen für radikales Gedankengut.<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz leben gegenwärtig etwas mehr<br />

als 500 Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enen, die meisten davon als<br />

Asylsu<strong>ch</strong>ende oder anerkannte Flü<strong>ch</strong>tlinge. Im<br />

Gegensatz zu Frankrei<strong>ch</strong> konnte hierzulande<br />

bisher ni<strong>ch</strong>t beoba<strong>ch</strong>tet werden, dass unter ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enis<strong>ch</strong>en<br />

Einwanderern eine politis<strong>ch</strong>e Radikalisierung<br />

stattgefunden hat. Wie in anderen<br />

Ländern wurde aber au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz Geld<br />

für Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enien gesammelt. Bisher konnte<br />

ni<strong>ch</strong>t festgestellt werden, dass sol<strong>ch</strong>e Gelder zu<br />

Gunsten gewaltextremistis<strong>ch</strong>er Gruppierungen<br />

oder für terroristis<strong>ch</strong>e Aktivitäten aus der<br />

S<strong>ch</strong>weiz na<strong>ch</strong> Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enien geflossen sind.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

BEURTEILUNG<br />

Das ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Operationsfeld<br />

Europa umfasst au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz<br />

Aus den Aussagen von gewaltbereiten Islamisten<br />

lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>liessen, dass die S<strong>ch</strong>weiz ein<br />

primäres Angriffsziel darstellte. Es ist jedo<strong>ch</strong> davon<br />

auszugehen, dass si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Terroristen aufhalten könnten.<br />

In Anbetra<strong>ch</strong>t der jüngsten Entwicklung der<br />

ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Ideologie liegen terroristis<strong>ch</strong>e<br />

Ans<strong>ch</strong>läge in der S<strong>ch</strong>weiz als<br />

Teil des europäis<strong>ch</strong>en Operationsfeldes<br />

zudem zunehmend<br />

im Berei<strong>ch</strong> des Mögli<strong>ch</strong>en,<br />

und es gibt Vermutungen, dass es in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Islamisten gibt, wel<strong>ch</strong>e die Dur<strong>ch</strong>führung sol<strong>ch</strong>er<br />

Taten anstreben. Sie könnten dur<strong>ch</strong> fals<strong>ch</strong>e Ans<strong>ch</strong>uldigungen<br />

wie die des ehemaligen ägyptis<strong>ch</strong>en<br />

Polizeiobersten in ihren Absi<strong>ch</strong>ten no<strong>ch</strong><br />

bestärkt werden.<br />

Das Beispiel der Ans<strong>ch</strong>läge von London zeigt,<br />

dass terroristis<strong>ch</strong>e Attentäter, wenn sie individuell<br />

und unabhängig von einer grösseren Organisationsstruktur<br />

handeln, s<strong>ch</strong>werer denn je im<br />

Vorfeld ermittelbar sind.Parallel zu diesem Trend<br />

hin zu kleineren, selbstständig agierenden Zellen<br />

islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen wurden 2005 au<strong>ch</strong> die<br />

ideologis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tfertigungen von Terrorans<strong>ch</strong>lägen<br />

überall auf der Welt vorangetrieben.<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Terroristen können, trotz weitgehender<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungs- und Handlungsautonomie,<br />

auf ein weit verzweigtes transnationales<br />

Unterstützernetzwerk zählen, das au<strong>ch</strong> zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Nahtstellen in der S<strong>ch</strong>weiz aufweist. Die aktuellen<br />

Beispiele bestätigen die bereits bekannte<br />

Bedeutung der S<strong>ch</strong>weiz wie Europas insgesamt<br />

als Logistik-, Propaganda- und Ruheraum für<br />

islamistis<strong>ch</strong>e Aktivisten. Konkrete Vorbereitungshandlungen<br />

zu terroristis<strong>ch</strong>en Taten wurden<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz bisher zwar ni<strong>ch</strong>t endgültig na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />

Die Bedrohungslage kann aber ras<strong>ch</strong><br />

und jederzeit ändern.<br />

Radikalisierung der<br />

muslimis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

S<strong>ch</strong>weiz als Teil des europäis<strong>ch</strong>en<br />

Operationsfelds.<br />

Neben der terroristis<strong>ch</strong>en Gefahr, die von der<br />

si<strong>ch</strong> aus der Gemeins<strong>ch</strong>aft ausgrenzenden und als<br />

Elite wähnenden Minderheit der Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />

ausgeht, repräsentieren Islamisten, die die muslimis<strong>ch</strong>e<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft zu radikalisieren su<strong>ch</strong>en,<br />

eine weitere Gefährdung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit.<br />

Besonders die wahhabitis<strong>ch</strong>e Variante des Islam,


die in ihrem unübersehbaren Einheits- und<br />

Dominanzanspru<strong>ch</strong> gegen jegli<strong>ch</strong>e ideelle und<br />

soziale Pluralität der islamis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz vorzugehen<br />

su<strong>ch</strong>t, stellt ein Problem dar.<br />

Verstärkt wird der Einfluss<br />

des Wahhabismus dur<strong>ch</strong> seine<br />

rei<strong>ch</strong>en finanziellen Mittel, ist er do<strong>ch</strong> weiterhin<br />

staatli<strong>ch</strong> geförderte Doktrin in Saudi-Arabien.<br />

Wie das Beispiel der AIO zeigt, sind entgegen der<br />

landläufigen Meinung ni<strong>ch</strong>t nur arabis<strong>ch</strong>e Muslime<br />

Radikalisierungsversu<strong>ch</strong>en ausgesetzt.<br />

Wahhabistis<strong>ch</strong>e Variante des<br />

Islam stellt ein Problem dar.<br />

LAGE<br />

ETA<br />

Mehrere Attentate vorwiegend<br />

gegen öffentli<strong>ch</strong>e<br />

Einri<strong>ch</strong>tungen.<br />

2.6. Terrorismus in Europa<br />

Wie in den vergangenen Jahren drohte die<br />

Euzkadi ta Azkatasuna (ETA) mit Ans<strong>ch</strong>lägen<br />

gegen die Tourismusindustrie. Sie verübte meh-<br />

rere Attentate vorwiegend<br />

gegen öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen.<br />

Am 17. Mai spra<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong><br />

das spanis<strong>ch</strong>e Parlament für<br />

Verhandlungen mit der ETA<br />

aus, sofern die baskis<strong>ch</strong>en Separatisten auf den<br />

gewaltsamen Kampf verzi<strong>ch</strong>teten. Na<strong>ch</strong> diesem<br />

Ents<strong>ch</strong>eid wurden an vers<strong>ch</strong>iedenen Orten in<br />

Spanien über ein Dutzend Ans<strong>ch</strong>läge verübt;<br />

während des gesamten Jahres waren es weit<br />

über zwanzig.<br />

IRA<br />

Die Irish Republican Army (IRA) kündete<br />

Ende Juli 2005 das Ende des bewaffneten<br />

Kampfes an. Sie hatte in ihrem Kampf Sprengsätze,<br />

Minenwerfer, Raketen und S<strong>ch</strong>usswaffen<br />

eingesetzt. Sie stellte selbst Bomben her; ihre<br />

Te<strong>ch</strong>niker entwickelten Waffen und Zünder. Am<br />

26. September 2005 erklärte die internationale<br />

Entwaffnungskommission die IRA für entwaffnet.<br />

Die IRA geriet seit 2004 dur<strong>ch</strong> ihre kriminellen<br />

Aktivitäten in Verruf. Die IRA finanzierte<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Veränderte Voraussetzungen<br />

im Antiterrorkampf<br />

Es ist davon auszugehen, dass si<strong>ch</strong> die gegenwärtig<br />

feststellbare ideologis<strong>ch</strong>e Tendenz des<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadismus als eines auf lokaler Ebene mögli<strong>ch</strong>st<br />

individuell zu führenden, eigentli<strong>ch</strong> aber<br />

global-zeitlosen Kampfes dur<strong>ch</strong>setzt. Diese Dezentralisierung<br />

ermögli<strong>ch</strong>t islamistis<strong>ch</strong>e Terrorans<strong>ch</strong>läge<br />

prinzipiell überall, au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

als Teil des europäis<strong>ch</strong>en Operationsfelds. Je individueller<br />

und rein an ihren Mögli<strong>ch</strong>keiten ausgeri<strong>ch</strong>tet<br />

Ds<strong>ch</strong>ihadisten zudem handeln, desto<br />

s<strong>ch</strong>wieriger wird ihre Identifizierung vor der beabsi<strong>ch</strong>tigten<br />

Tat.<br />

si<strong>ch</strong> bisher dur<strong>ch</strong> Spenden, Raubüberfälle,<br />

S<strong>ch</strong>muggel, Drogen- und Rohstoffhandel und<br />

führte Pubs, Clubs, Taxi- und Bauunternehmen.<br />

Na<strong>ch</strong> Eins<strong>ch</strong>ätzung der italienis<strong>ch</strong>en Staatsanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

bestehen im Berei<strong>ch</strong> der organisierten<br />

Kriminalität der IRA, namentli<strong>ch</strong> beim Zigarettens<strong>ch</strong>muggel,<br />

Verbindungen in die S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Neue Rote Brigaden<br />

2005 standen mehrere Mitglieder der Neuen<br />

Roten Brigaden wegen Mordes an Massimo<br />

D’Antona und Marco Biagi in Rom und Bologna<br />

vor Geri<strong>ch</strong>t. Sie wurden zu lebenslängli<strong>ch</strong>en<br />

respektive langjährigen Haftstrafen verurteilt.<br />

Eine Frau hat zusätzli<strong>ch</strong> zu 16 Jahren Haft eine<br />

Ents<strong>ch</strong>ädigung von einer Million Euro an die<br />

Angehörigen Biagis zu zahlen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Vers<strong>ch</strong>iedene Entwicklungen im<br />

Terrorismus europäis<strong>ch</strong>er Herkunft<br />

Sozialrevolutionären oder nationalistis<strong>ch</strong>en<br />

Terrorgruppen in Europa sind die materiellen<br />

Grundlagen weitgehend entzogen.<br />

Die Neuen Roten Brigaden in Italien wurden<br />

dur<strong>ch</strong> erneute Festnahmen weiter ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t.<br />

Die ETA in Spanien ist trotz Fahndungserfolgen<br />

und zahlrei<strong>ch</strong>en Verhaftungen dur<strong>ch</strong> die fran-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 35


Kriminelle Aktivitäten<br />

der bewaffneten Gruppen<br />

in Nordirland.<br />

36<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

Ans<strong>ch</strong>lag mit Autobombe. Am 25. Juni 2005<br />

explodierte eine Autobombe auf einem Parkplatz<br />

des olympis<strong>ch</strong>en Peineta Stadions in Madrid. Es gab<br />

keine Verletzten; im Namen der ETA war zuvor eine<br />

telefonis<strong>ch</strong>e Warnung erfolgt. FOTO KEYSTONE<br />

zösis<strong>ch</strong>e und spanis<strong>ch</strong>e Polizei ni<strong>ch</strong>t zers<strong>ch</strong>lagen.<br />

Trotz mehrmals verkündetem Verzi<strong>ch</strong>t, stehen<br />

einige ETA-Aktivisten ni<strong>ch</strong>t von Gewalt ab,<br />

obwohl die ETA anstrebt, die Unabhängigkeit<br />

des Baskenlandes auf dem Verhandlungsweg zu<br />

errei<strong>ch</strong>en.<br />

In Nordirland sind die kriminellen Aktivitä-<br />

LAGE<br />

Status des Kosovo<br />

ten der bewaffneten Gruppen<br />

auf katholis<strong>ch</strong>er und protestantis<strong>ch</strong>er<br />

Seite ein Haupthindernis<br />

auf dem Weg zu Frieden<br />

Die Verhandlungen über den künftigen Status<br />

des Kosovo und ihr Ausgang haben einen wi<strong>ch</strong>tigen<br />

Einfluss auf die Stabilität in der Region.<br />

Gewaltsame Zwis<strong>ch</strong>enfälle<br />

gab es im Vorfeld der Verhandlungen;<br />

die Lage blieb<br />

aber insgesamt relativ ruhig. Nebst der Klärung<br />

der Statusfrage könnten andere wi<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eide<br />

wie das Referendum über die Unabhängigkeit<br />

Montenegros das Konfliktpotenzial in der<br />

Region weiter erhöhen.<br />

Die kosovo-albanis<strong>ch</strong>e Bevölkerung wüns<strong>ch</strong>t<br />

die baldige Unabhängigkeit und wird si<strong>ch</strong> nur<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

und Si<strong>ch</strong>erheit. Eine Kehrtwende der IRA dürfte<br />

vor allem auf Druck der Sympathisanten und<br />

Geldgeber aus den USA und Irland sowie dur<strong>ch</strong><br />

die internationale politis<strong>ch</strong>e Ä<strong>ch</strong>tung der Sinn<br />

Fein erfolgen.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Kein Ende der Gewalt<br />

Verfügen Organisationen – wie zum Beispiel<br />

die ETA – na<strong>ch</strong> wie vor über personell und logistis<strong>ch</strong><br />

intakte Strukturen, so sind gezielte Angriffe<br />

auf öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen weiterhin wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>.<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts abnehmender finanzieller<br />

Mittel sind eine Intensivierung erpresseris<strong>ch</strong>er<br />

Kampagnen und Ans<strong>ch</strong>läge au<strong>ch</strong> auf private<br />

Unternehmen wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>. Erklären si<strong>ch</strong> Organisationen<br />

– wie die IRA – zu einem endgültigen<br />

Gewaltverzi<strong>ch</strong>t bereit, so können denno<strong>ch</strong><br />

Splittergruppen weitere Gewaltakte verüben –<br />

viellei<strong>ch</strong>t unter politis<strong>ch</strong>em Vorwand, aber letztli<strong>ch</strong><br />

aus kriminellen Motiven.<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist es mögli<strong>ch</strong>, dass ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>te<br />

Terrorzellen versu<strong>ch</strong>en werden, ihre Lücken<br />

dur<strong>ch</strong> Zusammenarbeit mit Gruppierungen zu<br />

füllen, die ihnen ideologis<strong>ch</strong> nahe stehen. Dies<br />

wäre im Falle der Neuen Roten Brigaden denkbar,<br />

die den S<strong>ch</strong>ulters<strong>ch</strong>luss mit italienis<strong>ch</strong>en und<br />

ausländis<strong>ch</strong>en Anar<strong>ch</strong>isten su<strong>ch</strong>en könnten.<br />

2.7. Ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />

Lage insgesamt relativ ruhig.<br />

s<strong>ch</strong>wer mit Kompromissen zufrieden geben. Serbiens<br />

Regierung hat ihre Vorstellungen zur Lösung<br />

des Konfliktes vorgelegt. Serbien und Montenegro<br />

will über alles ausser einer vollständigen<br />

Unabhängigkeit des Kosovo verhandeln und<br />

beharrt auf der Unantastbarkeit seiner Grenzen;<br />

Pristina akzeptiert dies ni<strong>ch</strong>t und beharrt auf der<br />

bedingungslosen Unabhängigkeit des Kosovo.<br />

Falls der kosovo-albanis<strong>ch</strong>en Bevölkerung<br />

keine klaren Perspektiven geboten werden,könnten<br />

Extremisten Auftrieb erhalten, wel<strong>ch</strong>e die<br />

Unabhängigkeit notfalls au<strong>ch</strong> mit Waffengewalt<br />

dur<strong>ch</strong>setzen wollen. Im Kosovo gibt es eine Vielzahl<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Gruppen: Das Spektrum<br />

rei<strong>ch</strong>t von Bewegungen, die gewaltfrei die sofortige<br />

Unabhängigkeit des Kosovo ohne Verhand-


lungen fordern und si<strong>ch</strong> dabei auf das Selbstbestimmungsre<strong>ch</strong>t<br />

der Völker berufen, bis hin zu<br />

militanten Gruppen, wel<strong>ch</strong>e die Vereinigung aller<br />

albanis<strong>ch</strong>en Siedlungsgebiete mit Albanien verlangen.<br />

Daneben gibt es die Na<strong>ch</strong>folgeorganisationen<br />

der UÇK wie die Kriegsveteranenvereine<br />

oder das Kosovo S<strong>ch</strong>utzkorps. Als paramilitäris<strong>ch</strong>e<br />

Gruppen könnten sie ihren Interessen mit<br />

Gewalt Na<strong>ch</strong>druck verleihen.<br />

Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Spannungen<br />

im Kosovo einen direkten Einfluss auf das<br />

Verhalten der Diaspora haben<br />

und den Aktivitäten extremistis<strong>ch</strong>er<br />

Gruppen in die Hände<br />

spielen. Allerdings verhielten<br />

si<strong>ch</strong> sowohl die ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e<br />

wie die serbis<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz während der Unruhen im März 2004 sehr<br />

zurückhaltend.<br />

Die insgesamt relativ ruhige Lage im Kosovo<br />

erklärt zum einen, weshalb si<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

vertretene Gruppen gegenwärtig ruhig und<br />

zurückhaltend verhalten; 2005 fielen in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz keine gewaltextremistis<strong>ch</strong>en ethnis<strong>ch</strong>albanis<strong>ch</strong>en<br />

Gruppen auf. Zum andern erweisen<br />

si<strong>ch</strong> die seit 2003 getroffenen Administrativmassnahmen<br />

wie etwa Fernhaltemassnahmen gegen<br />

Führungspersonen als wirkungsvoll.<br />

Lage im Kosovo hat direkten<br />

Einfluss auf das Verhalten<br />

der Diaspora.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

BEURTEILUNG<br />

Südosteuropäis<strong>ch</strong>er Extremismus<br />

Die Entwicklung auf politis<strong>ch</strong>er Ebene wird<br />

das Verhalten der gewaltextremistis<strong>ch</strong>en Gruppen<br />

ethnis<strong>ch</strong>er Albaner massgebli<strong>ch</strong> bestimmen.<br />

Neben diesen sind im Kosovo au<strong>ch</strong> serbis<strong>ch</strong>e<br />

Gruppen aktiv. Diese könnten mit Unterstützung<br />

aus Belgrad versu<strong>ch</strong>t sein, den Unabhängigkeitsprozess<br />

zu stören oder bei einer allfälligen Unabhängigkeit<br />

des Kosovo den jungen Staat zu destabilisieren.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Keine direkte Bedrohung<br />

Aufgrund der starren Positionen Belgrads<br />

und Pristinas ist nur dur<strong>ch</strong> starken Druck der<br />

internationalen Staatengemeins<strong>ch</strong>aft mit ras<strong>ch</strong>en<br />

Resultaten zu re<strong>ch</strong>nen. Eine Blockade der Verhandlungen<br />

und der Ausbru<strong>ch</strong> von Gewalt sind<br />

mögli<strong>ch</strong>. Die S<strong>ch</strong>weiz müsste<br />

im Falle von Gewaltausbrü<strong>ch</strong>en<br />

zumindest kurzfristig mit<br />

erhöhter Einwanderung aus<br />

der Region re<strong>ch</strong>nen. Gewaltextremistis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />

ethnis<strong>ch</strong>er Albaner könnten logistis<strong>ch</strong>e oder<br />

politis<strong>ch</strong>e Aktivitäten wie Waffens<strong>ch</strong>muggel und<br />

Geldbes<strong>ch</strong>affung respektive Demonstrationen<br />

aufnehmen. Eine direkte Bedrohung der inneren<br />

Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz ist au<strong>ch</strong> dann als gering<br />

einzustufen.<br />

2.8. Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />

LAGE<br />

Attentate und Entführungen<br />

der PKK in der Türkei<br />

Seit April 2005 benutzt die Kongra-Gel wieder<br />

vermehrt ihren alten Namen Kurdis<strong>ch</strong>e Arbeiterpartei<br />

(PKK). Sowohl die Strukturen wie<br />

au<strong>ch</strong> die Ziele der Gruppierung sind jedo<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong><br />

geblieben. In der Türkei kam es seit der Aufhebung<br />

des einseitigen Waffenstillstands dur<strong>ch</strong> die<br />

PKK im Juni 2004 immer wieder zu Kämpfen mit<br />

Si<strong>ch</strong>erheitskräften. Am 17. April 2005 drohte die<br />

PKK, Ans<strong>ch</strong>läge gegen Wirts<strong>ch</strong>aftseinri<strong>ch</strong>tungen<br />

in türkis<strong>ch</strong>en Grossstädten und in Städten der<br />

Ausbru<strong>ch</strong> von Gewalt in<br />

Südosteuropa ist mögli<strong>ch</strong>.<br />

Westtürkei dur<strong>ch</strong>zuführen;im Frühjahr und Sommer<br />

wurden in mehreren Städten Bombenatten-<br />

tate mit Toten und Verletzten<br />

verübt. Mit Çeçme, Kuçadası,<br />

Antalya und Istanbul wurden<br />

Tourismuszentren zu Zielen.<br />

2005 entführte die PKK in der<br />

Türkei wieder Mens<strong>ch</strong>en.S<strong>ch</strong>weizer Bürgerinnen<br />

und Bürger waren ni<strong>ch</strong>t betroffen.<br />

Ruhe in Westeuropa<br />

In mehreren Städten<br />

Bombenattentate mit Toten<br />

und Verletzten.<br />

In Westeuropa war die Lage ruhig. Die hier lebenden<br />

Kurden veranstalteten zwar Demonstra-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 37


Verhaftungen<br />

in Lie<strong>ch</strong>tenstein.<br />

38<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

tionen und andere Aktionen, mit denen sie vor<br />

allem auf die Lage in der Türkei aufmerksam<br />

ma<strong>ch</strong>en wollten. Die Aktionen wie etwa zum Jahrestag<br />

des Friedens von 1923 in Lausanne oder der<br />

Verhaftung Öcalans verlaufen in der Regel friedli<strong>ch</strong><br />

und gewaltfrei. Es gibt bis anhin keine Anzei<strong>ch</strong>en,<br />

dass si<strong>ch</strong> Aktivisten der PKK in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

am bewaffneten Kampf beteiligen. Das Gewaltpotenzial<br />

der PKK gegen aussen und für interne<br />

Auseinandersetzungen aufgrund der Spaltung im<br />

Vorjahr ist jedo<strong>ch</strong> weiterhin vorhanden.<br />

Türkis<strong>ch</strong>e extremistis<strong>ch</strong>e<br />

und islamistis<strong>ch</strong>e Gruppierungen<br />

Die vers<strong>ch</strong>iedenen linksextremen türkis<strong>ch</strong>en<br />

Gruppen zeigen si<strong>ch</strong> seit Jahren nur no<strong>ch</strong> zu bestimmten<br />

Anlässen. Weder sie no<strong>ch</strong> ihr Pendant<br />

auf der re<strong>ch</strong>tsextremen Seite, die Grauen Wölfe,<br />

traten 2005 in der S<strong>ch</strong>weiz gewalttätig auf. Dagegen<br />

nahm die Bedeutung türkis<strong>ch</strong>-islamistis<strong>ch</strong>er<br />

Gruppierungen in den letzten zwei Jahren zu. Einige<br />

dieser Gruppen unterhalten Verbindungen<br />

zur global agierenden Ds<strong>ch</strong>ihadbewegung. In der<br />

S<strong>ch</strong>weiz sind vor allem die Türkis<strong>ch</strong>e Hizbullah<br />

und die Stürmerfront des Grossen Islamis<strong>ch</strong>en<br />

Ostens (IBDA-C) bekannt.<br />

IBDA-C<br />

In Lie<strong>ch</strong>tenstein wurden im Dezember 2005<br />

drei türkis<strong>ch</strong>e Staatsbürger festgenommen, die<br />

bes<strong>ch</strong>uldigt werden, die IBDA-C finanziell und<br />

logistis<strong>ch</strong> unterstützt zu haben.<br />

Die IBDA-C hat in der<br />

Türkei bereits mehrere Ans<strong>ch</strong>läge<br />

verübt, unter anderem<br />

bekannte sie si<strong>ch</strong> zu den Selbstmordans<strong>ch</strong>lägen in<br />

Istanbul vom November 2003. Die in Lie<strong>ch</strong>tenstein<br />

festgenommenen IBDA-C-Exponenten frequentierten<br />

eine Mos<strong>ch</strong>ee in Bu<strong>ch</strong>s (St. Gallen),<br />

standen sonst jedo<strong>ch</strong> in keiner Verbindung zu<br />

Personen in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Im Mai 2005 wurde in der Mos<strong>ch</strong>ee in Bu<strong>ch</strong>s<br />

eine Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ung dur<strong>ch</strong>geführt, bei der<br />

extremistis<strong>ch</strong>es Material bes<strong>ch</strong>lagnahmt wurde.<br />

BEURTEILUNG<br />

Aktuell keine Bedrohung<br />

Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e gewaltextremistis<strong>ch</strong>e<br />

Gruppen bedrohen aktuell die innere Si<strong>ch</strong>erheit<br />

der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t. Die PKK ist logistis<strong>ch</strong><br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

auf das Ausland angewiesen, weshalb Ans<strong>ch</strong>läge<br />

oder Gewaltaktionen in Westeuropa zwar mögli<strong>ch</strong>,<br />

aber unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> sind.<br />

Die Mehrheit der kurdis<strong>ch</strong>en Bevölkerung<br />

steht ni<strong>ch</strong>t hinter der PKK. Sie wüns<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> eine<br />

friedli<strong>ch</strong>e Lösung, befürwortet die Aufnahme der<br />

Türkei in die EU und erhofft si<strong>ch</strong> Verbesserungen<br />

von den geplanten Reformen.<br />

Gegen eine Verbindung mit Europa sind hingegen<br />

die türkis<strong>ch</strong>en Islamistengruppierungen<br />

wie die IBDA-C. Antiwestli<strong>ch</strong>es und antisemitis<strong>ch</strong>es<br />

Propagandamaterial, das von ihnen in<br />

Umlauf gebra<strong>ch</strong>t wird, birgt ein Hass- und Gewaltpotenzial<br />

in si<strong>ch</strong>, das zu einer Bedrohung der<br />

inneren Si<strong>ch</strong>erheit au<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>weiz werden<br />

könnte. Die Islamisten missbrau<strong>ch</strong>en für ihre<br />

Zwecke die Netzwerke mystis<strong>ch</strong>er Gruppierungen,<br />

die über weit rei<strong>ch</strong>ende Verbindungen in<br />

der Türkei und ihrer Diaspora verfügen.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />

Hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> gewaltextremistis<strong>ch</strong>er kurdis<strong>ch</strong>er<br />

und türkis<strong>ch</strong>er Gruppen gibt es keine An-<br />

zei<strong>ch</strong>en, dass si<strong>ch</strong> die ruhige<br />

Lage in der S<strong>ch</strong>weiz vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern<br />

wird. Im Gegenteil<br />

ist mit weiteren Verbesserungen<br />

zu re<strong>ch</strong>nen, da die<br />

Türkei im Zuge der Integrationsbemühungen in<br />

die EU zahlrei<strong>ch</strong>e Anstrengungen unternimmt,<br />

ihre innerstaatli<strong>ch</strong>en Konflikte zu lösen.<br />

Islamistis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />

aus der Türkei<br />

Konflikt in der Türkei<br />

wird si<strong>ch</strong> voraussi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

entspannen.<br />

Die Entwicklung der islamistis<strong>ch</strong>en Strömungen<br />

in der Türkei hängt ebenfalls davon ab, wie<br />

der Prozess der Annäherung an die EU weiter<br />

verläuft. Einerseits könnte eine weitere Annäherung<br />

dazu führen, dass si<strong>ch</strong> die antiwestli<strong>ch</strong>en<br />

Positionen dieser Strömungen festigen.<br />

Andererseits könnten diese potenzielle Mitglieder<br />

verlieren, wenn gemässigte islamis<strong>ch</strong>e Organisationen<br />

wie mystis<strong>ch</strong>e Bruders<strong>ch</strong>aften, die<br />

heute in der streng laizistis<strong>ch</strong>en Türkei verboten<br />

sind, infolge der EU-Integration wieder zugelassen<br />

und so aus der Illegalität geführt würden, die<br />

eine Radikalisierung fördert.


<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

2.9. Tamilis<strong>ch</strong>er Gewaltextremismus<br />

LAGE<br />

Hinweise auf Gewalt<br />

gegen säumige Zahler bei<br />

Geldsammlungen.<br />

Gefährdeter Friedensprozess<br />

Die Lage auf Sri Lanka blieb kritis<strong>ch</strong> und<br />

hat si<strong>ch</strong> seit der Ermordung des sri-lankis<strong>ch</strong>en<br />

Aussenministers im August 2005 sowie na<strong>ch</strong> der<br />

Wahl des neuen Präsidenten im November 2005<br />

no<strong>ch</strong> weiter angespannt. Die 2002 vereinbarte<br />

Waffenruhe wurde 2005 mehrmals verletzt; die<br />

Kämpfe nahmen im Norden und Osten des Landes<br />

merkli<strong>ch</strong> zu.Laut dem UNO-Kinderhilfswerk<br />

Unicef vers<strong>ch</strong>leppten tamilis<strong>ch</strong>e Rebellen na<strong>ch</strong><br />

der Tsunami-Katastrophe zahlrei<strong>ch</strong>e Kinder aus<br />

Flü<strong>ch</strong>tlingslagern und rekrutierten sie als Soldaten.<br />

Todesopfer forderten au<strong>ch</strong> die ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>lassenden<br />

Auseinandersetzungen unter rivalisierenden<br />

Gruppen der Liberation Tigers of Tamil<br />

Eelam (LTTE).<br />

Die EU liess am 26. September 2005 verlauten,<br />

sie ziehe in Betra<strong>ch</strong>t, die LTTE formal als<br />

terroristis<strong>ch</strong>e Organisation einzustufen, und<br />

vereinbarte, die Mitgliedsländer dürften keine<br />

Delegationen der LTTE und mit ihr verbundener<br />

Organisationen mehr empfangen.<br />

Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die LTTE führt na<strong>ch</strong> wie vor Geldsammlungen<br />

dur<strong>ch</strong>. Die Spendengelder werden jedo<strong>ch</strong><br />

diskreter eingezogen als früher. Es gibt Hinweise<br />

auf Gewalt gegen säumige Zahler. Ein Teil der<br />

Gelder dürfte dur<strong>ch</strong> tamilis<strong>ch</strong>e Unternehmen<br />

über asiatis<strong>ch</strong>e Finanzzentren<br />

na<strong>ch</strong> Sri Lanka transferiert<br />

werden. Seit Mitte des Jahres<br />

2005 führte die LTTE in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz mittels eines Fragebogens<br />

eine Datenerhebung unter den Tamilen<br />

dur<strong>ch</strong>. Ziel der Befragung war offenbar die Verstärkung<br />

der Geldsammlung. Als Gegenleistung<br />

wurde den an der Befragung teilnehmenden<br />

Tamilen eine Identitätskarte der LTTE in Aussi<strong>ch</strong>t<br />

gestellt. Der Fragebogen wurde der Strafverfolgungsbehörde<br />

übergeben, die prüft, ob dem<br />

Verhalten der LTTE strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Relevanz<br />

beizumessen ist.<br />

Na<strong>ch</strong> der Tsunami-Katastrophe vom 26. Dezember<br />

2004 sammelte die Tamil Rehabilitations<br />

Organisation (TRO) in der S<strong>ch</strong>weiz Geld. Es gibt<br />

Hinweise auf Kontakte zwis<strong>ch</strong>en TRO- und<br />

LTTE-Leuten, do<strong>ch</strong> fehlen bislang konkrete Hinweise,<br />

dass Spendengelder au<strong>ch</strong> in die Kriegskasse<br />

der LTTE flossen.<br />

Bei Grossanlässen in der S<strong>ch</strong>weiz waren jeweils<br />

deutli<strong>ch</strong> die Fahnen mit dem Tiger-Abbild<br />

und LTTE-Embleme zu erkennen.Am 18.August<br />

fanden si<strong>ch</strong> fünfhundert Tamilinnen und Tamilen<br />

auf dem Bundesplatz in Bern zu einer bewilligten<br />

Kundgebung ein. Neben grossen S<strong>ch</strong>rifttafeln mit<br />

der Aufforderung zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen<br />

in Sri Lanka wurde au<strong>ch</strong> das<br />

Portrait von LTTE-Führer Velupillai Prabhakaran<br />

und Tiger-Fahnen mitgeführt. Der Bundesrat<br />

wurde aufgefordert, si<strong>ch</strong> für eine Lösung des<br />

Konflikts auf Sri Lanka einzusetzen.<br />

Der traditionelle Anlass zum Heroes-Day,<br />

der am 27. November 2005 in Freiburg stattfand,<br />

verlief wie in den vorangegangenen Jahren<br />

störungsfrei. Wie übli<strong>ch</strong> wurde<br />

die LTTE-Fahne gehisst.<br />

In der Eröffnungsanspra<strong>ch</strong>e<br />

wurde zu Geldspenden für<br />

den Kampf auf Sri Lanka auf-<br />

gerufen. Die Rede verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>te zudem die<br />

zusehends mangelnde Bereits<strong>ch</strong>aft der Tamilen,<br />

den Konflikt auf Sri Lanka auf friedli<strong>ch</strong>em Weg<br />

zu lösen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Entwicklung auf Sri Lanka<br />

massgebend<br />

Na<strong>ch</strong>lassende Bereits<strong>ch</strong>aft<br />

der Tamilen zur friedli<strong>ch</strong>en<br />

Konfliktlösung.<br />

Norwegen bemüht si<strong>ch</strong>, den Friedensprozess<br />

auf Sri Lanka weiterzuführen. Die Regierung und<br />

die tamilis<strong>ch</strong>en Rebellen zeigten si<strong>ch</strong> immerhin<br />

zu Gesprä<strong>ch</strong>en bereit. Das Verhalten und die<br />

Aktivitäten der tamilis<strong>ch</strong>en Bevölkerung in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz bleiben von den LTTE beeinflusst und<br />

hängen weitgehend von der Entwicklung auf Sri<br />

Lanka ab. Im Februar 2006 fanden in Genf unter<br />

der Vermittlung Norwegens Gesprä<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en<br />

der sri-lankis<strong>ch</strong>en Regierung und der LTTE statt.<br />

Die Parteien einigten si<strong>ch</strong> darauf, das Waffenstillstandsabkommen<br />

einzuhalten und alle Massnahmen<br />

zu ergreifen, um jegli<strong>ch</strong>e Gewalttaten, Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terungen,<br />

Entführungen und Tötungen zu<br />

vermeiden.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 39


40<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Internationale Massnahmen<br />

gegen die LTTE<br />

Dur<strong>ch</strong> die Aufnahme der LTTE auf die EU-<br />

Liste der Terrororganisationen könnten die Aktivitäten,<br />

darunter au<strong>ch</strong> Geldsammlungen, der<br />

LTTE, ihrer Exponenten und ihr verbundener<br />

2.10. Terrorismus- und<br />

Extremismusfinanzierung<br />

LAGE<br />

Weltweit wenig Urteile<br />

Die Eindämmung von Geldflüssen an terroristis<strong>ch</strong>e<br />

Organisationen und Gruppierungen ist<br />

ein Bestandteil der internationalen Terrorismusbekämpfung.<br />

Es hat si<strong>ch</strong> aber gezeigt, dass si<strong>ch</strong><br />

die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung<br />

in der strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Praxis aufgrund der komplexen<br />

Beweisführung und der internationalen<br />

Bezüge sehr s<strong>ch</strong>wierig gestaltet.Es gibt denn au<strong>ch</strong><br />

weltweit erst wenige Urteile im Zusammenhang<br />

mit Terrorismusfinanzierung.<br />

Wi<strong>ch</strong>tige Verfahren 2005<br />

● In den USA verurteilte ein Geri<strong>ch</strong>t einen<br />

Geistli<strong>ch</strong>en aus dem Jemen wegen Terrorismusfinanzierung<br />

zu einer Haftstrafe von 75<br />

Jahren. Er soll sowohl das Netzwerk der Al<br />

Qaïda wie au<strong>ch</strong> die palästinensis<strong>ch</strong>e Hamas<br />

mit mehreren Millionen Dollar finanziell<br />

unterstützt haben.<br />

● In S<strong>ch</strong>weden wurden zwei Iraker zu mehrjährigen<br />

Haftstrafen verurteilt, weil sie unter anderem<br />

mit mehreren tausend Euro ein Selbstmordattentat<br />

im Irak mitfinanziert haben sollen.<br />

Zudem unterstützten sie die terroristis<strong>ch</strong>e<br />

Organisation Ansar al-Islam im Irak finanziell.<br />

● In der S<strong>ch</strong>weiz wurde das Verfahren gegen die<br />

Finanzgesells<strong>ch</strong>aft Nada Management Organization<br />

(ehemals Al Taqwa) eingestellt.<br />

● Der Fall eines saudi-arabis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>äftsmannes,<br />

der als ehemaliger Vorsitzender der<br />

Muwafaq-Wohltätigkeitsstiftung Gelder an<br />

Personen über die S<strong>ch</strong>weiz vers<strong>ch</strong>oben haben<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Organisationen in Europa einges<strong>ch</strong>ränkt werden.<br />

Im Rahmen von Sanktionen der UNO respektive<br />

der EU wäre die S<strong>ch</strong>weiz gehalten, diese mitzutragen<br />

und Gelder einzelner Organisationen zu<br />

blockieren. Die Verhandlungen der sri-lankis<strong>ch</strong>en<br />

Regierung und der LTTE in Genf haben<br />

wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> keine direkten Auswirkungen auf<br />

die Si<strong>ch</strong>erheitslage in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

soll, die der Al Qaïda nahe stehen, wurde an<br />

das Eidgenössis<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>teramt<br />

überwiesen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Konsequenzen aus der<br />

Mikrofinanzierung<br />

Die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung<br />

verspri<strong>ch</strong>t nur Erfolg, wenn sie si<strong>ch</strong> auf<br />

vers<strong>ch</strong>iedene Säulen stützt. Präventive Elemente<br />

wie Sorgfaltspfli<strong>ch</strong>ten der Finanzintermediäre<br />

und Sensibilisierungskampagnen bei Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen<br />

müssen mit <strong>admin</strong>istrativen<br />

Massnahmen wie Kontosperren sowie na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />

und strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Mitteln<br />

kombiniert werden.<br />

Weiterhin ist aber ein Trend zur Mikrofinanzierung<br />

zu beoba<strong>ch</strong>ten, bei der si<strong>ch</strong> kleine Netzwerke<br />

oft über kriminelle Aktivitäten selber<br />

finanzieren und si<strong>ch</strong> so präventiven<br />

und <strong>admin</strong>istrativen<br />

Abwehrmassnahmen entziehen.<br />

Eine detaillierte Untersu<strong>ch</strong>ung<br />

zu den Ans<strong>ch</strong>lägen in Madrid vom<br />

11. März 2004 beziffert die Kosten inklusive aller<br />

logistis<strong>ch</strong>en Ausgaben auf 93’000 Euro.Dieser Betrag<br />

setzt si<strong>ch</strong> aus den vielen kleinen Ausgaben zusammen,<br />

die einzeln kaum als Terrorismusfinanzierung<br />

zu erkennen sind. In sol<strong>ch</strong>en Fällen verspre<strong>ch</strong>en<br />

nur ausgezei<strong>ch</strong>nete na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />

und polizeili<strong>ch</strong>e Kenntnisse des Milieus, in<br />

der si<strong>ch</strong> die Zellen bewegen, Aussi<strong>ch</strong>t auf Erfolg.<br />

Ers<strong>ch</strong>werend kommt dazu, dass internationale<br />

Geldüberweisungen in kleineren Stückelun-<br />

Mikrofinanzierung<br />

s<strong>ch</strong>wer zu erkennen.


gen au<strong>ch</strong> über das so genannte Underground<br />

Banking oder Hawala abgewickelt werden können.<br />

Da die an sol<strong>ch</strong>en Überweisungen beteiligten<br />

Personen s<strong>ch</strong>wer zu identifizieren sind, ist<br />

es beinahe unmögli<strong>ch</strong>, die Geldflüsse na<strong>ch</strong>zuvollziehen.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Stärkung der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />

und der Polizei<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz ist ni<strong>ch</strong>t nur der Finanzplatz<br />

potenziell gefährdet, für Terrorismusfinanzierung<br />

missbrau<strong>ch</strong>t zu werden. Es könnten au<strong>ch</strong> logistis<strong>ch</strong>e<br />

Unterstützerzellen besonders aus dem<br />

islamistis<strong>ch</strong>en Milieu in der Mikrofinanzierung<br />

aktiv werden. Das Abwehrsystem muss daher<br />

ni<strong>ch</strong>t nur in präventiver und <strong>admin</strong>istrativer Hinsi<strong>ch</strong>t,<br />

sondern au<strong>ch</strong> auf der na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />

und polizeili<strong>ch</strong>en Ebene genügend ausgebaut<br />

sein, um sol<strong>ch</strong>e Aktivitäten zu verhindern.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

41


<strong>BERICHT</strong> 2005<br />

3. Verbotener<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst


44<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 3. VERBOTENER NACHRICHTENDIENST<br />

LAGE<br />

Sensitive Informationen<br />

aus Wissens<strong>ch</strong>aft und Wirts<strong>ch</strong>aft<br />

Ausländis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste interessierten<br />

si<strong>ch</strong> 2005 für sensitive Informationen aus Wirts<strong>ch</strong>aft,<br />

Fors<strong>ch</strong>ung und Te<strong>ch</strong>nik, aber au<strong>ch</strong> aus<br />

Militär und Politik. Im Brennpunkt der Abwehranstrengungen<br />

standen immer mehr die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenbes<strong>ch</strong>affungen<br />

der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste eines<br />

asiatis<strong>ch</strong>en Staates. Diese Dienste agierten meist<br />

unter dem S<strong>ch</strong>utz diplomatis<strong>ch</strong>er Immunität.<br />

Wie in anderen Ländern Europas war au<strong>ch</strong><br />

in der S<strong>ch</strong>weiz ein markanter Anstieg des diplomatis<strong>ch</strong>en<br />

Personals dieses Staates und ein deutli<strong>ch</strong>er<br />

Anstieg von Delegationen mit Wissens<strong>ch</strong>afts-<br />

und Wirts<strong>ch</strong>aftsspezialisten aus diesem<br />

Land festzustellen. Zur Informationsbes<strong>ch</strong>affung<br />

bedienten sie si<strong>ch</strong> neben klassis<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />

Methoden au<strong>ch</strong> der systematis<strong>ch</strong>en<br />

Auswertung offener Quellen.<br />

Sie versu<strong>ch</strong>ten über Studenten<br />

an Universitäten, Ges<strong>ch</strong>äftsleute,<br />

pensionierte Manager<br />

oder Wissens<strong>ch</strong>after, Beamte<br />

in europäis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsorganisationen,<br />

Jointventures sowie Beteiligungen<br />

an oder Übernahmen von kleineren und mittleren<br />

Unternehmen an Informationen zu gelangen,<br />

die für sie von besonderem Interesse sind.<br />

Klassis<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />

Methoden und<br />

systematis<strong>ch</strong>e Auswertung<br />

offener Quellen.<br />

Ausfors<strong>ch</strong>ung der Emigration<br />

Angehörige ausländis<strong>ch</strong>er Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />

unter diplomatis<strong>ch</strong>er Tarnung fors<strong>ch</strong>ten in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz ansässige ausländis<strong>ch</strong>e oppositionelle<br />

Gruppen aus. In einem Fall zitierte das Eidgenössis<strong>ch</strong>e<br />

Departement für Auswärtige Angelegenheiten<br />

(EDA) den Ges<strong>ch</strong>äftsträger des betreffenden<br />

Landes in Bern und protestierte gegen die<br />

wiederholte Ausfors<strong>ch</strong>ung der Opposition dur<strong>ch</strong><br />

Angehörige seiner Bots<strong>ch</strong>aft in Bern.<br />

Im März 2005 fand in Bern die diesjährige<br />

zentrale Kundgebung der Tibeter in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

zum Gedenken an den Volksaufstand statt. An<br />

dieser Kundgebung beteiligten si<strong>ch</strong> über vierhundert<br />

Personen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> tibetis<strong>ch</strong>er Herkunft.<br />

Dabei wurde die Polizei auf zwei Personen<br />

aufmerksam, wel<strong>ch</strong>e die Kundgebung überwa<strong>ch</strong>ten<br />

und die Teilnehmer ausfors<strong>ch</strong>ten. Bei der polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Kontrolle gab si<strong>ch</strong> einer der beiden<br />

Männer als Bots<strong>ch</strong>aftsfunktionär in Bern zu<br />

erkennen und verliess, unter Hinweis auf seine<br />

diplomatis<strong>ch</strong>e Immunität, den Kundgebungsort.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Gezielte Spionageangriffe<br />

Im Jahr 2005 fanden via Internet vers<strong>ch</strong>iedene<br />

gezielte Spionageangriffe mit so genannten<br />

Trojanis<strong>ch</strong>en Pferden gegen Computersysteme<br />

von Unternehmen und staatli<strong>ch</strong>en Einri<strong>ch</strong>tungen<br />

statt. Es erfolgten spezialisierte Angriffe auf<br />

ein bestimmtes Opfer mit spezifis<strong>ch</strong> für diesen<br />

Zweck entwickelter Spionagesoftware. Infolge<br />

der gezielten Verbreitung blieb der S<strong>ch</strong>ädling<br />

den Herstellern von Antiviren-Software unbekannt,<br />

so dass er über längere Zeit unerkannt eingesetzt<br />

werden konnte.<br />

Bei den bekannt gewordenen Fällen wurden<br />

jeweils raffinierte Social-Engineering-Methoden<br />

angewandt, um S<strong>ch</strong>ädlinge in einem System zu<br />

installieren. Dazu war vorgängig gezielte Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e<br />

nötig. So wurden zum Beispiel Mitarbeiter,<br />

die vertrauli<strong>ch</strong>e Daten bearbeiteten, direkt kontaktiert.<br />

Diese Mitarbeiter erhielten auf ihre<br />

persönli<strong>ch</strong>en Interessen zuges<strong>ch</strong>nittene<br />

E-Mails, die Links<br />

auf präparierte Internetseiten<br />

oder Dokumente enthielten.<br />

Ein Spionagefall gegen Unternehmen<br />

in Israel zog seine Kreise bis zu einer<br />

Firma im Raum Züri<strong>ch</strong>, wo dasselbe Programm<br />

für eine privat motivierte Spionage eingesetzt<br />

wurde.<br />

BEURTEILUNG<br />

Konsequenzen aus Ausfors<strong>ch</strong>ung<br />

Na<strong>ch</strong> Feststellungen von fedpol (DAP) halten<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e Aktivitäten<br />

unvermindert an; die Ziele der Informationsbes<strong>ch</strong>affung<br />

blieben die glei<strong>ch</strong>en. Eine Zunahme<br />

kann beim politis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst verzei<strong>ch</strong>net<br />

werden.<br />

Die aktuellen Fälle der Ausfors<strong>ch</strong>ung von<br />

Emigranten belegen, dass bei Kundgebungen,<br />

die si<strong>ch</strong> gegen Zustände in einem anderen<br />

Land ri<strong>ch</strong>ten, mit na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Handlungen<br />

dur<strong>ch</strong> fremde Staaten gere<strong>ch</strong>net werden<br />

muss. Eine strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verfolgung wegen<br />

verbotenen politis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendiensts<br />

(Artikel 272<br />

StGB) wird dur<strong>ch</strong> den diplomatis<strong>ch</strong>en<br />

Status der mutmassli<strong>ch</strong>en<br />

Täter ers<strong>ch</strong>wert.<br />

Für die ausgefors<strong>ch</strong>ten Perso-<br />

Spionagefall mit elektronis<strong>ch</strong>en<br />

Mitteln zieht Kreise bis<br />

in den Raum Züri<strong>ch</strong>.<br />

Strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verfolgung<br />

dur<strong>ch</strong> diplomatis<strong>ch</strong>en Status<br />

der mutmassli<strong>ch</strong>en Täter<br />

ers<strong>ch</strong>wert.<br />

nen können diese Handlungen Konsequenzen<br />

na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ziehen, sei es bei einer allfälligen Rück-


eise in die Heimat, sei es für ihre dort lebenden<br />

Familienangehörigen.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

S<strong>ch</strong>weiz für ausländis<strong>ch</strong>e<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste von Bedeutung<br />

Rückstände in Fors<strong>ch</strong>ung und Entwicklung<br />

begründen au<strong>ch</strong> weiterhin das Interesse an<br />

Informationen aus Wirts<strong>ch</strong>aft, Wissens<strong>ch</strong>aft und<br />

Te<strong>ch</strong>nik. Die S<strong>ch</strong>weiz als Sitz internationaler<br />

Organisationen, als wi<strong>ch</strong>tiger Handelsplatz und<br />

Standort vieler Unternehmen der Spitzente<strong>ch</strong>nologie<br />

sowie als Finanzzentrum wird für Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />

von grosser Bedeutung bleiben.<br />

Es muss au<strong>ch</strong> vermehrt mit der Ausfors<strong>ch</strong>ung<br />

ausländis<strong>ch</strong>er oppositioneller Gruppen beziehungsweise<br />

na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Aktivitäten<br />

im Sinne des Artikels 272 StGB gere<strong>ch</strong>net werden.<br />

■<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 3. VERBOTENER NACHRICHTENDIENST<br />

Ausfors<strong>ch</strong>ung oppositioneller Emigranten.<br />

Das Bild stammt aus einem von der Polizei bes<strong>ch</strong>lagnahmten<br />

Video. FOTO POLIZEI<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

45


<strong>BERICHT</strong> 2005<br />

4. Proliferation


48<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 4. PROLIFERATION<br />

LAGE<br />

Installation eines globalen<br />

Si<strong>ch</strong>erheitssystems.<br />

Erfolge und S<strong>ch</strong>eitern<br />

internationaler Bemühungen<br />

Erfolge sind im weltweiten Kampf gegen die<br />

Proliferation selten. Erwähnenswert sind die<br />

Annahme der Internationalen Konvention zur<br />

Verhinderung von nuklearem Terrorismus dur<strong>ch</strong><br />

die UN-Vollversammlung im April 2005 und die<br />

Revision des Übereinkommens über den physis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>utz von Kernmaterial im Juli 2005.<br />

Zwei wi<strong>ch</strong>tige Versammlungen s<strong>ch</strong>eiterten aber.<br />

Im Mai gingen die Teilnehmer einer Konferenz<br />

zum Atomwaffensperrvertrag auseinander, ohne<br />

einen Konsens für ein substanzielles Abs<strong>ch</strong>lussdokument<br />

gefunden zu haben. Im anlässli<strong>ch</strong> des Gipfeltreffens<br />

im September 2005 verabs<strong>ch</strong>iedeten<br />

Kompromiss zur Reform der UNO werden Abrüstung<br />

und Nonproliferation ni<strong>ch</strong>t einmal erwähnt.<br />

Im Oktober wurde der Internationalen Atomenergiebehörde<br />

(IAEA) und ihrem kurz zuvor<br />

wieder gewählten Direktor, dem Ägypter Mohammed<br />

El Baradei, für ihren Kampf gegen die<br />

Proliferation von Atomwaffen der Friedensnobelpreis<br />

zuerkannt. Ende Oktober 2005 nahm<br />

El Baradei anlässli<strong>ch</strong> der Präsentation des IAEA-<br />

Jahresberi<strong>ch</strong>ts eine offensivere<br />

Haltung ein. Er spra<strong>ch</strong><br />

si<strong>ch</strong> für die Installation eines<br />

globalen Si<strong>ch</strong>erheitssystems<br />

aus, das mit dem Ziel, die Proliferation zu<br />

bremsen, den Zugang zu sensiblen Te<strong>ch</strong>nologien<br />

sperren soll.<br />

Das Atomprogramm Irans<br />

Während des gesamten Jahres 2005 wurden<br />

die Verhandlungen zwis<strong>ch</strong>en dem Iran und den<br />

drei europäis<strong>ch</strong>en Ländern Frankrei<strong>ch</strong>, Deuts<strong>ch</strong>land<br />

und Grossbritannien fortgesetzt. Der Iran<br />

hält seit je an seinem unveräusserli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t<br />

auf zivile Nutzung der Nuklearenergie fest. Seit<br />

Januar künden die USA an, kein Mittel auszus<strong>ch</strong>liessen,<br />

um den Fall Iran zu lösen. Im August<br />

s<strong>ch</strong>eiterten die Verhandlungen mit den drei<br />

europäis<strong>ch</strong>en Ländern, und der Iran nahm seine<br />

Aktivitäten in der Uranumwandlungsanlage in<br />

Isfahan wieder auf. Diese Tätigkeiten hatte er<br />

im November 2004 freiwillig eingestellt. Der<br />

Konfrontationskurs Teherans erlaubte es Ende<br />

September der IAEA, eine europäis<strong>ch</strong>e Resolution<br />

anzunehmen, wel<strong>ch</strong>e die Aktivitäten Irans<br />

im Atomberei<strong>ch</strong> verurteilt und es ermögli<strong>ch</strong>t, den<br />

Fall an den UNO-Si<strong>ch</strong>erheitsrat weiterzuziehen.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Auf pakistanis<strong>ch</strong>er Ausrüstung konnten Spuren<br />

von im Iran entdecktem ho<strong>ch</strong>angerei<strong>ch</strong>ertem<br />

Uran na<strong>ch</strong>gewiesen werden. Diese Ausrüstung<br />

war unter bisher ungeklärten Umständen auf dem<br />

Umweg über das Netzwerk Dr. Abdul Qadeer<br />

Khans auf dem S<strong>ch</strong>warzmarkt verkauft worden.<br />

Ausserdem testete der Iran im Mai 2005 eine<br />

Rakete mit über zweitausend Kilometern Rei<strong>ch</strong>weite.<br />

Nordkorea<br />

Gesprä<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en Nord- und Südkorea,den<br />

USA, China, Russland und Japan sollen die im<br />

Oktober 2002 entstandene Krise um das nordkoreanis<strong>ch</strong>e<br />

Nuklearprogramm beseitigen. Im<br />

Januar 2005 erklärte si<strong>ch</strong> Pjöngjang bereit, die<br />

seit November 2004 verweigerten Se<strong>ch</strong>s-Parteien-Gesprä<strong>ch</strong>e<br />

fortzusetzen, gab aber im Februar<br />

den Besitz von Atomwaffen zu und widerrief<br />

seine Verhandlungsbereits<strong>ch</strong>aft. Die IAEA bestätigte<br />

im Mai, Nordkorea verfüge über das<br />

nötige Know-how und über genügend Plutonium,<br />

um mindestens se<strong>ch</strong>s bis a<strong>ch</strong>t Atombomben herstellen<br />

zu können. Glei<strong>ch</strong>zeitig behaupteten die<br />

USA, das Land plane einen unterirdis<strong>ch</strong>en Atomtest,<br />

was Pjöngjang aber dementierte. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

wurden im Juli, September und November die<br />

Gesprä<strong>ch</strong>e fortgesetzt. Im September führten die<br />

Se<strong>ch</strong>s-Parteien-Gesprä<strong>ch</strong>e zur Annahme einer<br />

gemeinsamen Erklärung. Nordkorea sagte zu,<br />

auf alle Nuklearprogramme zu verzi<strong>ch</strong>ten sowie<br />

so s<strong>ch</strong>nell als mögli<strong>ch</strong> dem Atomwaffensperrvertrag<br />

und dem Garantiesystem der IAEA wie-<br />

der beizutreten. Im Gegenzug<br />

bestätigten die USA, ni<strong>ch</strong>t die<br />

Absi<strong>ch</strong>t zu hegen, Nordkorea<br />

anzugreifen, und akzeptierten<br />

zusammen mit ihren vier Part-<br />

Hoffnung Nordkoreas<br />

auf zivile Nutzung der<br />

Atomenergie.<br />

nern, zu gegebener Zeit über ein ziviles Atomprogramm<br />

Nordkoreas zu diskutieren. Die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Parteien konnten si<strong>ch</strong> bisher aber<br />

ni<strong>ch</strong>t auf einen Plan verständigen, der die Umsetzung<br />

der gemeinsamen Erklärung erlaubte. Die<br />

im Dezember auferlegten US-amerikanis<strong>ch</strong>en<br />

Sanktionen gegen mehrere mit der Regierung in<br />

Pjöngjang verbundene Firmen, die im Drogenhandel,<br />

in der Geldwäs<strong>ch</strong>erei und im S<strong>ch</strong>muggel<br />

von US-Dollar wie au<strong>ch</strong> in der Proliferation von<br />

Raketen und Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen tätig<br />

sind, ma<strong>ch</strong>en die ras<strong>ch</strong>e Wiederaufnahme der<br />

Verhandlungen unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>.<br />

Der pakistanis<strong>ch</strong>e Präsident Musharraf liess<br />

überdies im August verlauten, das Khan-Netz-


werk habe die nordkoreanis<strong>ch</strong>en Zentrifugen<br />

geliefert. Damit bestätigte si<strong>ch</strong> offiziell der Verda<strong>ch</strong>t,<br />

das Khan-Netzwerk habe bei der Bes<strong>ch</strong>affung<br />

von Nuklearte<strong>ch</strong>nologie sowohl den Iran wie<br />

au<strong>ch</strong> Nordkorea beliefert.<br />

Andere Länder<br />

Wenn au<strong>ch</strong> in geringerem Ausmass, so beunruhigten<br />

do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die drei Atommä<strong>ch</strong>te Israel,<br />

Indien und Pakistan, die den Atomwaffensperrvertrag<br />

ni<strong>ch</strong>t unterzei<strong>ch</strong>net haben, die internationale<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft. Indien und Pakistan führten<br />

ihre Raketentests weiter, aber au<strong>ch</strong> ihren<br />

Dialog, gerade was die gegenseitige Information<br />

über sol<strong>ch</strong>e Tests betrifft. Zwis<strong>ch</strong>en Indien, den<br />

USA, Grossbritannien, Frankrei<strong>ch</strong> und Kanada<br />

laufen Zusammenarbeitsprojekte im Nuklearsektor.<br />

Syrien versu<strong>ch</strong>te trotz Tests mit Scud-Raketen,<br />

si<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>st bedeckt zu halten und<br />

beteuerte, keine Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen zu<br />

besitzen. Libyen steht seit dem Ausstieg aus seinen<br />

Programmen für Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr im internationalen Rampenli<strong>ch</strong>t. Der<br />

S<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t der Iraq Survey Group, des amerikanis<strong>ch</strong>en<br />

Inspektionsteams für die irakis<strong>ch</strong>e<br />

Bewaffnung, hat endgültig gezeigt, dass der Irak<br />

ni<strong>ch</strong>t über Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen verfügt<br />

und dass es vor dem Einmars<strong>ch</strong> im März 2003<br />

keine Waffenvers<strong>ch</strong>iebungen na<strong>ch</strong> Syrien gegeben<br />

hatte.<br />

Die USA kündeten im Oktober an, die Arbeiten<br />

an einem Programm zur Herstellung kleiner,<br />

Bunker bre<strong>ch</strong>ender Nuklearwaffen auszusetzen.<br />

Ferner setzten sie gemeinsam mit Russland die<br />

Abrüstung <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er und<br />

nuklearer Waffen fort. Ziel ist<br />

es,dass beide Länder Ende des<br />

Jahres 2012 ni<strong>ch</strong>t über mehr<br />

als 2’200 nukleare Gefe<strong>ch</strong>tsköpfe<br />

verfügen. Obwohl si<strong>ch</strong> bei den fünf anerkannten<br />

Atommä<strong>ch</strong>ten, USA, Russland, China,<br />

Grossbritannien und Frankrei<strong>ch</strong>, Bestrebungen<br />

erkennen lassen, fehlt zur vollständigen Abrüstung<br />

der ents<strong>ch</strong>eidende S<strong>ch</strong>ritt.<br />

Zur Abrüstung der anerkannten<br />

Atommä<strong>ch</strong>te fehlt<br />

der ents<strong>ch</strong>eidende S<strong>ch</strong>ritt.<br />

S<strong>ch</strong>mutzige Bomben und<br />

Bioterrorismus<br />

Au<strong>ch</strong> wenn es bis heute keinen Ans<strong>ch</strong>lag mit<br />

einer so genannten s<strong>ch</strong>mutzigen Bombe, also mit<br />

einem Sprengkörper mit radioaktiver Ummante-<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 4. PROLIFERATION<br />

lung, gab, bleibt das Interesse ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>er<br />

Terroristen an sol<strong>ch</strong>en Waffen bestehen. In den<br />

westli<strong>ch</strong>en Ländern wurden Präventionsmassnahmen<br />

ergriffen und gross angelegte Übungen<br />

abgehalten. Au<strong>ch</strong> wenn ni<strong>ch</strong>t wie Ende des Jahres<br />

2001 Fur<strong>ch</strong>t vor Anthrax aufkam, erhielten<br />

do<strong>ch</strong> Bots<strong>ch</strong>aften in Dänemark, Australien und<br />

Malaysia verdä<strong>ch</strong>tige Briefe.<br />

Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

fedpol (DAP) klärte 2004 präventiv S<strong>ch</strong>weizer<br />

Verwicklungen ins Khan-Netzwerk ab, besonders<br />

hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Exporte zugunsten des libys<strong>ch</strong>en<br />

Nuklearprogramms. Im Oktober 2004 eröffnete<br />

die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft ein Ermittlungsverfahren<br />

wegen Verda<strong>ch</strong>ts der Widerhandlungen<br />

gegen das Güterkontrollgesetz (GKG) und<br />

das Kriegsmaterialgesetz (KMG). Die Ermitt-<br />

lungen dauerten 2005 an und<br />

führten 2004 respektive 2005<br />

zur Verhaftung dreier Mitglieder<br />

einer Familie. Ähnli<strong>ch</strong>e<br />

Verfahren gegen Personen des Khan-Netzwerks<br />

sind in mehreren Ländern im Gang, so etwa in<br />

Deuts<strong>ch</strong>land, Grossbritannien, den Niederlanden,<br />

Südafrika, der Türkei, Spanien und Japan. In<br />

den Niederlanden erfolgte im Dezember 2005<br />

erstmals eine Verurteilung. Ein niederländis<strong>ch</strong>er<br />

Ges<strong>ch</strong>äftsmann, den eine langjährige Freunds<strong>ch</strong>aft<br />

mit Khan verband, wurde zu einer zwölfmonatigen<br />

Haftstrafe, davon a<strong>ch</strong>t Monate bedingt,<br />

und einer hohen Geldbusse verurteilt. Er<br />

hatte zwis<strong>ch</strong>en 1999 und 2002 unerlaubt militäris<strong>ch</strong><br />

und zivil verwendbare Nuklearte<strong>ch</strong>nologie<br />

na<strong>ch</strong> Pakistan exportiert.<br />

Im Oktober 2005 rei<strong>ch</strong>te das Staatssekretariat<br />

für Wirts<strong>ch</strong>aft (seco) bei der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

eine weitere Anzeige wegen Verda<strong>ch</strong>ts der<br />

Widerhandlungen gegen das GKG und KMG ein.<br />

Es geht dabei um ein S<strong>ch</strong>weizer Unternehmen,<br />

das mehrfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bewilligungspfli<strong>ch</strong>tige Güter<br />

an heikle Empfänger in ein mittelöstli<strong>ch</strong>es Land<br />

exportierte oder zu exportieren versu<strong>ch</strong>te, ohne<br />

dies dem seco zu melden. Die<br />

Empfänger waren als Bes<strong>ch</strong>affungsorgane<br />

des Raketenprogramms<br />

dieses Landes bekannt.<br />

Als zum Beispiel im<br />

Fortsetzung der Verfahren<br />

im Fall Khan.<br />

Mutmassli<strong>ch</strong>e Proliferation<br />

zugunsten eines<br />

mittelöstli<strong>ch</strong>en Landes.<br />

Sommer 2003 dem Unternehmen die Ablehnung<br />

einer dem seco gemeldeten Ausfuhr eröffnet<br />

wurde, lieferte es nur wenige Tage dana<strong>ch</strong> die betroffenen<br />

Güter in mehreren Etappen trotzdem<br />

an einen anderen proliferationsrelevanten Emp-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

49


50<br />

fänger.Im Januar 2005 wollte dasselbe Unternehmen<br />

heikle Produkte an einen weiteren fedpol<br />

(DAP) bekannten Empfänger liefern. Als das<br />

seco zusätzli<strong>ch</strong>e Angaben zum Empfänger verlangte,<br />

stoppte das Unternehmen den Fortgang<br />

des Ges<strong>ch</strong>äfts. Dagegen meldete es im April erneut<br />

eine Ausfuhr zugunsten eines anderen Empfängers,<br />

wel<strong>ch</strong>e das seco aber ablehnte.<br />

BEURTEILUNG<br />

Interesse der Terroristen<br />

vorhanden.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 4. PROLIFERATION<br />

Risiko neuer Atommä<strong>ch</strong>te<br />

Falls der Iran oder Nordkorea si<strong>ch</strong> als neue<br />

Atommä<strong>ch</strong>te etablieren, ist es wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>,<br />

dass dies bei ihren direkten Na<strong>ch</strong>barländern<br />

einen Na<strong>ch</strong>ahmungseffekt auslöst. Saudi-Arabien,Ägypten,Syrien<br />

und die Türkei könnten si<strong>ch</strong><br />

unter Berufung auf dieselben Si<strong>ch</strong>erheitsargumente<br />

zum nuklearen Abenteuer verlocken lassen.<br />

Japan, Südkorea und Taiwan könnten ein<br />

ähnli<strong>ch</strong>es Militärprogramm starten, weil sie über<br />

die nötigen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Mittel verfügen.<br />

Terrorans<strong>ch</strong>läge mit<br />

unkonventionellen Waffen<br />

Die Terrorbedrohung, die von der Verwendung<br />

einer s<strong>ch</strong>mutzigen Bombe, der Freisetzung<br />

von Giftgas oder der Verwendung eines virulenten<br />

biologis<strong>ch</strong>en Stoffes ausgeht, bleibt aktuell.<br />

Die Vorstellung eines so genannten totalen<br />

Ds<strong>ch</strong>ihad unter Verwendung<br />

von Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen<br />

wird in man<strong>ch</strong>en Extremistenkreisen<br />

aufre<strong>ch</strong>t erhalten.<br />

Attentatspläne mit Rizin, einem tödli<strong>ch</strong>en<br />

Nervengift, wurden bereits vor Jahren in Europa<br />

aufgedeckt. Die Wirkungsma<strong>ch</strong>t konventioneller<br />

Attentate bedeutet ni<strong>ch</strong>t, dass kein Interesse der<br />

Terroristen an anderen Mitteln bestünde. Im<br />

Gegenteil s<strong>ch</strong>eint es, als sei ein Attentat mit<br />

kleinen unkonventionellen Waffen nur eine<br />

Frage der Zeit. Gegenwärtig verhindern hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wierigkeiten die Umsetzung.<br />

So müssen si<strong>ch</strong> allfällige Attentäter Zugang<br />

zum Material vers<strong>ch</strong>affen, Spezialisten rekrutie-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

ren und selbst die Fur<strong>ch</strong>t vor dem Umgang mit<br />

giftigen Stoffen überwinden. Ausserdem müssen<br />

sie geeignete Orte finden, ihre Produktionsmethoden<br />

perfektionieren und wirksame Mittel<br />

auftreiben, um das verwendete Produkt zu verbreiten.<br />

Unveränderte Attraktivität von<br />

S<strong>ch</strong>weizer Te<strong>ch</strong>nik<br />

S<strong>ch</strong>weizerprodukte bleiben Qualitätswaren.<br />

Die Proliferationsstaaten ziehen es weiterhin vor,<br />

einen hohen Preis zu bezahlen,als dass sie si<strong>ch</strong> mit<br />

qualitativ tiefer stehender und billigerer Ware<br />

begnügten, selbst wenn diese einfa<strong>ch</strong>er zu bes<strong>ch</strong>affen<br />

wäre. Deshalb werden die S<strong>ch</strong>weizer<br />

Exportkontrollen im Einklang mit internationalen<br />

Vereinbarungen weiterhin strikt angewandt.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Bedrohungen bleiben bestehen<br />

Die mit der Exportkontrolle betrauten Behörden<br />

müssen gegenüber dem Erfindungsrei<strong>ch</strong>tum<br />

von Bes<strong>ch</strong>affungsorganen aufmerksam bleiben,<br />

die zugunsten der Proliferationsstaaten handeln.<br />

Diese entwickeln ihre mittlerweile bekannten<br />

Methoden weiter, was ras<strong>ch</strong>e und wirkungsvolle<br />

Antworten erfordert.<br />

Mögli<strong>ch</strong>keit von Ans<strong>ch</strong>lägen<br />

mit ni<strong>ch</strong>t konventionellen Waffen<br />

bleibt real<br />

Die Frage na<strong>ch</strong> dem Bioterrorismus und der<br />

s<strong>ch</strong>mutzigen Bombe stellt si<strong>ch</strong> allein hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

der realen Mögli<strong>ch</strong>keiten man<strong>ch</strong>er Terrorgruppen.<br />

Au<strong>ch</strong> wenn es 2005 keine sol<strong>ch</strong>en Angriffe<br />

gab, so muss in Zukunft die Mögli<strong>ch</strong>keit eines Angriffs<br />

mit radioaktiven, <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en oder biologis<strong>ch</strong>en<br />

Mitteln gegen westli<strong>ch</strong>e Symbole oder gegen<br />

die Bevölkerung westli<strong>ch</strong> orientierter Länder<br />

ins Bedrohungsbild mit aufgenommen werden. In<br />

allen betroffenen Ländern bleiben die Behörden<br />

deswegen wa<strong>ch</strong>sam.


<strong>BERICHT</strong> 2005<br />

5. Organisierte<br />

Kriminalität<br />

5.1. Kriminelle Gruppen aus Italien 52<br />

5.2. Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa 53<br />

5.3. Kriminelle Gruppen aus der GUS 54<br />

5.4. Chinesis<strong>ch</strong>e organisierte Kriminalität 55<br />

5.5. Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerkkriminalität 56<br />

5.6. Betäubungsmittel 57<br />

5.7. Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel 59<br />

5.8. Mens<strong>ch</strong>enhandel 61


52<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

LAGE<br />

Internationale Lage<br />

Die fünf grossen mafiösen kriminellen Organisationen<br />

stammen aus dem Süden Italiens, die<br />

Cosa Nostra aus Sizilien, die Stidda aus Südsizilien,<br />

die ’Ndrangheta aus Kalabrien, die Camorra<br />

aus Kampanien und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> die Sacra Corona<br />

Unita aus Apulien. Ihre Präsenz in einem grossen<br />

Teil Italiens und in über vierzig Ländern ist belegt.<br />

Diese Organisationen müssen einerseits als<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftsunternehmen verstanden werden,<br />

deren primäres Ziel die Kapitalakkumulation ist.<br />

Mafiöse Organisationen greifen hierzu regel-<br />

mässig au<strong>ch</strong> zu illegalen Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften.<br />

Es ist andererseits<br />

aber au<strong>ch</strong> notwendig, sie<br />

als politis<strong>ch</strong>e Gruppierungen<br />

zu begreifen, deren Zweck die<br />

Herrs<strong>ch</strong>aft und Kontrolle über ein Gebiet ist.<br />

Dieser Zweck soll ebenfalls mit Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terung,<br />

Drohung und Mord, erpressten Leistungen und<br />

Wu<strong>ch</strong>er sowie über die Infiltration politis<strong>ch</strong>er,<br />

<strong>admin</strong>istrativer und ökonomis<strong>ch</strong>er Einri<strong>ch</strong>tungen<br />

errei<strong>ch</strong>t werden.<br />

Seit 2004 kosteten blutige Auseinandersetzungen<br />

zwis<strong>ch</strong>en den Angehörigen des Di-Lauro-<br />

Clans und den so genannten Sezessionisten in<br />

Neapel über 130 Mens<strong>ch</strong>en das Leben. International<br />

wurde die Camorra dur<strong>ch</strong> diese Morde zur<br />

si<strong>ch</strong>tbarsten mafiösen Organisation Italiens. Die<br />

italienis<strong>ch</strong>en Behörden konnten zwar im September<br />

2005 den Clan<strong>ch</strong>ef Paolo Di Lauro verhaften,<br />

die Morde gingen jedo<strong>ch</strong> weiter.<br />

Trotz einiger si<strong>ch</strong>tbarer Aktionen wie der<br />

Ermordung des kalabris<strong>ch</strong>en Vizepräsidenten im<br />

Oktober 2005 fällt die ’Ndrangheta weniger auf.<br />

Wie 2004 blieb sie aber die gefährli<strong>ch</strong>ste und<br />

mä<strong>ch</strong>tigste italienis<strong>ch</strong>e kriminelle Organisation.<br />

Sie ist s<strong>ch</strong>wer zu infiltrieren, hält si<strong>ch</strong> streng an<br />

das Gesetz des S<strong>ch</strong>weigens, und ihre Familienstruktur<br />

verhindert,dass es allzu viele so genannte<br />

Reuige gibt, die der Justiz helfen. Während der<br />

letzten 15 Jahre hat sie si<strong>ch</strong> auf dem Kokainmarkt<br />

etabliert und handelt direkt mit Repräsentanten<br />

kolumbianis<strong>ch</strong>er Kartelle.<br />

Kapitalakkumulation und<br />

Kontrolle über ein Gebiet<br />

als Ziele.<br />

5.1. Kriminelle Gruppen aus Italien<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

BEURTEILUNG<br />

Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Gemäss polizeili<strong>ch</strong>er Erkenntnis ist die<br />

’Ndrangheta auf S<strong>ch</strong>weizer Boden in eine ganze<br />

Reihe von Aktivitäten verwickelt, besonders in<br />

den Kokain- und Waffenhandel,<br />

Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Betrug.<br />

Sie zeigt au<strong>ch</strong> ein immer<br />

deutli<strong>ch</strong>eres Interesse für einzelne<br />

Sektoren der legalen<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft. Kalabris<strong>ch</strong>e Clans investieren in<br />

Immobilien, Restaurants und hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ins<br />

Baugewerbe, einer Vorliebe der ’Ndrangheta in<br />

Süditalien. Die ’Ndrangheta ist besonders in den<br />

S<strong>ch</strong>weizer Grenzkantonen aktiv.<br />

Die Cosa Nostra ist gemäss polizeili<strong>ch</strong>er Erkenntnis<br />

auf S<strong>ch</strong>weizer Boden im Drogenhandel<br />

und in der Geldwäs<strong>ch</strong>erei tätig. Das gewas<strong>ch</strong>ene<br />

Geld stammt aus dem Betäubungsmittelhandel,<br />

der zwis<strong>ch</strong>en Lateinamerika und Europa betrieben<br />

wird. Die Camorra wiederum ist in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz mit Betrug, Geldwäs<strong>ch</strong>erei und S<strong>ch</strong>muggel<br />

vers<strong>ch</strong>iedener Güter, besonders gefäls<strong>ch</strong>ter<br />

Textilprodukte, vertreten. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>muggelt<br />

die Sacra Corona Unita wie einige Clans der Camorra<br />

mit S<strong>ch</strong>weizer Bürgern und in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

niedergelassenen Landsleuten Zigaretten und<br />

handelt mit Waffen und Betäubungsmitteln. Ein<br />

Netz von in der S<strong>ch</strong>weiz domizilierten Firmen<br />

dient einerseits dem Einkauf und Transport der<br />

Zigaretten und andererseits der Geldwäs<strong>ch</strong>erei.<br />

Was die Stidda angeht, so liegen fedpol nur wenige<br />

Erkenntnisse über eine Präsenz in der S<strong>ch</strong>weiz vor.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Interessen<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Kalabris<strong>ch</strong>e Clans investieren<br />

ins Baugewerbe, in<br />

Immobilien und Restaurants.<br />

Im Gegensatz zu Süditalien bes<strong>ch</strong>ränken si<strong>ch</strong><br />

die Bestrebungen der italienis<strong>ch</strong>en kriminellen<br />

Organisationen hierzulande hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> auf die<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft. Zwar wurden Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terungsversu<strong>ch</strong>e<br />

gegenüber Einzelpersonen beoba<strong>ch</strong>tet, die<br />

mutmassli<strong>ch</strong> Verbindungen zu italienis<strong>ch</strong>en Mafiaorganisationen<br />

unterhalten, do<strong>ch</strong> aufgrund<br />

ihrer s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Intensität wäre es zu früh, dahinter<br />

Ambitionen zur Herrs<strong>ch</strong>aft über ein Gebiet zu<br />

vermuten. Darüber hinaus konnte fedpol Erpressung<br />

und Wu<strong>ch</strong>er gegenüber der in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

etablierten italienis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft feststellen.


<strong>BERICHT</strong> 2004 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

5.2. Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa<br />

LAGE<br />

Nur s<strong>ch</strong>wer zu dur<strong>ch</strong>bre<strong>ch</strong>ender<br />

Teufelskreis.<br />

Lage in Südosteuropa<br />

Die seit Jahren beoba<strong>ch</strong>tete Entwicklung in<br />

Südosteuropa hielt unvermindert an: Die organisierte<br />

Kriminalität profitierte au<strong>ch</strong> 2005 von<br />

s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>er beziehungsweise fehlender Re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>keit<br />

in vielen Staaten der Region und<br />

förderte ihrerseits dur<strong>ch</strong> systematis<strong>ch</strong>e Unterwanderung<br />

die Instabilität und S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e dieser<br />

Staaten. Ein Teufelskreis, der nur s<strong>ch</strong>wer zu<br />

dur<strong>ch</strong>bre<strong>ch</strong>en ist. Die Massnahmen<br />

der Regierungen zur<br />

Bekämpfung der organisierten<br />

Kriminalität erweisen si<strong>ch</strong><br />

vielfa<strong>ch</strong> als wirkungslos. So haben si<strong>ch</strong> die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Entwicklung und die demokratis<strong>ch</strong>e<br />

Konsolidierung in Albanien, Bosnien und Herzegowina,<br />

Mazedonien sowie in Serbien und Montenegro<br />

mitsamt dem Kosovo weiter verlangsamt.<br />

Kriminelle Gruppen<br />

ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>er Herkunft<br />

Speziell im Kosovo profitierte die organisierte<br />

Kriminalität von der offenen Statusfrage und<br />

der unter anderem daraus resultierenden S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e<br />

re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>er Strukturen.Führende kriminelle<br />

Akteure bekleiden zwar häufig kein politis<strong>ch</strong>es<br />

Amt, stehen aber an der Spitze eines<br />

flexiblen Beziehungsgefle<strong>ch</strong>ts von Personen in<br />

offizieller Funktion. Davon ni<strong>ch</strong>t ausgenommen<br />

sind die Polizei, Si<strong>ch</strong>erheitsfirmen, paramilitäris<strong>ch</strong>e<br />

Gebilde, Parteien und Medien. Dur<strong>ch</strong> die<br />

zunehmende Kontrolle der Infrastruktur stärken<br />

sie ihren Einfluss auf Politik und Gesells<strong>ch</strong>aft.Die<br />

ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und<br />

die teilweise fehlende Gegenwehr dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e<br />

oder internationale Institutionen gaben<br />

ihnen oft freie Hand für kriminelle Aktivitäten.<br />

Kriminelle Gruppen<br />

serbis<strong>ch</strong>er Herkunft<br />

Der serbis<strong>ch</strong>en organisierten Kriminalität<br />

kam 2005 aufgrund ihrer Struktur, ihres Organisationsgrads<br />

und Beziehungsnetzes eine ni<strong>ch</strong>t zu<br />

unters<strong>ch</strong>ätzende Bedeutung zu. Die kriminellen<br />

Gruppen besitzen oft aus der Zeit des Milosevic-<br />

Regimes stammende direkte Kontakte zu politis<strong>ch</strong>en<br />

Behörden und Institutionen. Der Umfang<br />

dieser Beziehungen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />

s<strong>ch</strong>wer abzus<strong>ch</strong>ätzen. Es bestätigte si<strong>ch</strong><br />

2005 erneut, dass das politis<strong>ch</strong>-kriminelle Gefle<strong>ch</strong>t<br />

um Milosevic und seine Getreuen weiter<br />

über Einfluss verfügt. Verbindungen zwis<strong>ch</strong>en<br />

Personen des politis<strong>ch</strong>en Lebens und der orga-<br />

nisierten Kriminalität ist au<strong>ch</strong><br />

in Zukunft eine besondere Bedeutung<br />

beizumessen. Darüber<br />

hinaus ers<strong>ch</strong>werte die all-<br />

gegenwärtige Korruption in Serbien den Kampf<br />

gegen die organisierte Kriminalität. Dies illustrieren<br />

zum Beispiel die Verhaftungen eines Ri<strong>ch</strong>ters<br />

des Obersten Geri<strong>ch</strong>ts Serbiens sowie des<br />

Stellvertretenden Sonderstaatsanwalts für<br />

organisiertes Verbre<strong>ch</strong>en wegen Korruptionsverda<strong>ch</strong>ts.<br />

Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Kriminelle Gruppen aus der Region, besonders<br />

aus Mazedonien, Albanien und dem<br />

Kosovo spielten in der Kriminalitätsentwicklung<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz unverändert eine bedeutende<br />

Rolle. Der si<strong>ch</strong> seit etwa zwei bis drei Jahren<br />

abzei<strong>ch</strong>nende Trend, dass die Bedeutung serbi-<br />

s<strong>ch</strong>er Gruppen zunimmt, hielt<br />

unvermindert an. Dies zeigte<br />

si<strong>ch</strong> im illegalen Betäubungsmittelhandel<br />

vor allem mit<br />

Kokain. Die Gruppen waren<br />

aber au<strong>ch</strong> in Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

Allgegenwärtige Korruption<br />

in Serbien.<br />

Bedeutung südosteuropäis<strong>ch</strong>er<br />

krimineller<br />

Gruppierungen<br />

unverändert.<br />

involviert, im Mens<strong>ch</strong>enhandel und -s<strong>ch</strong>muggel<br />

tätig und begingen Delikte in den Berei<strong>ch</strong>en Eigentum,<br />

Zuhälterei und S<strong>ch</strong>utzgelderpressung.<br />

Einbrü<strong>ch</strong>e und Diebstähle, etwa die grosse Anzahl<br />

von Serieneinbrü<strong>ch</strong>en serbis<strong>ch</strong>er Banden in<br />

Bijouterien,bildeten ein weiteres S<strong>ch</strong>wergewi<strong>ch</strong>t.<br />

Spielt bei den kriminellen Gruppen ethnis<strong>ch</strong>er<br />

Albaner die Familienzugehörigkeit eine bedeutende<br />

Rolle, so wird diese bei den serbis<strong>ch</strong>en<br />

kriminellen Gruppen dur<strong>ch</strong> das Gewi<strong>ch</strong>t eines<br />

gemeinsamen Herkunftsorts überlagert. In einigen<br />

Berei<strong>ch</strong>en wie im Drogenhandel war die<br />

S<strong>ch</strong>weiz 2005 Endmarkt, während sie bei anderen<br />

Delikten,etwa im Berei<strong>ch</strong> illegale Migration au<strong>ch</strong><br />

Transitland war.<br />

Die Aktivitäten krimineller Gruppen ethnis<strong>ch</strong>er<br />

Albaner haben si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>eidend<br />

verändert. Deren Netzwerke dominierten den gesamten<br />

S<strong>ch</strong>weizer Heroinmarkt und versu<strong>ch</strong>ten,<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

53


54<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

ihre kriminellen Aktivitäten weiter zu diversifizieren.<br />

So wurde neben Heroin und Kokain au<strong>ch</strong><br />

mit synthetis<strong>ch</strong>en Drogen gehandelt. Darüber<br />

hinaus versu<strong>ch</strong>ten die Gruppen, im lukrativen<br />

Rotli<strong>ch</strong>tmilieu weitere Marktanteile zu gewinnen.<br />

Hinweise lassen darauf s<strong>ch</strong>liessen, dass ihr<br />

Einfluss im Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und etwas einges<strong>ch</strong>ränkter<br />

im Mens<strong>ch</strong>enhandel weiter zunehmen<br />

dürfte. Südosteuropa ist eine der wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

Transitregionen beim Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel na<strong>ch</strong><br />

Westeuropa. Dabei spielen albanis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>leuserorganisationen<br />

eine bedeutende Rolle. Dur<strong>ch</strong><br />

den Drogenhandel sind die ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en<br />

kriminellen Gruppen bereits exzellent transnational<br />

vernetzt und können so von ihren Erfahrungen<br />

und Kontakten profitieren.<br />

BEURTEILUNG<br />

Lage in Südosteuropa<br />

Die kriminellen Gruppen aus Südosteuropa<br />

sind flexible, anpassungsfähige Netzwerke mit<br />

internationalen Verbindungen. Sie beruhen auf<br />

familiären – besonders stark bei ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en<br />

Gruppen – oder auf geografis<strong>ch</strong>en Bindungen<br />

wie bei den serbis<strong>ch</strong>en Gruppen.<br />

Die Überlagerung vers<strong>ch</strong>iedener krimineller<br />

Aktivitäten ist typis<strong>ch</strong> für alle Formen der modernen<br />

transnationalen und globalisierten Kriminalität.<br />

Die kriminellen Gruppierungen sind auf<br />

Gewinnmaximierung ausgeri<strong>ch</strong>tet und reagieren<br />

ras<strong>ch</strong> auf Veränderungen der illegalen Märkte.<br />

Auswirkungen für die S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die Netze südosteuropäis<strong>ch</strong>er Kriminalität<br />

ziehen si<strong>ch</strong> über grosse Teile des westli<strong>ch</strong>en<br />

Europas, au<strong>ch</strong> über die S<strong>ch</strong>weiz. Die serbis<strong>ch</strong>e<br />

LAGE<br />

Weit verbreitete Korruption<br />

In vielen Staaten der Gemeins<strong>ch</strong>aft Unabhängiger<br />

Staaten (GUS) war Kriminalität und Korruption<br />

im Jahr 2005 immer no<strong>ch</strong> allgegenwärtig.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Kriminalität errei<strong>ch</strong>t in der S<strong>ch</strong>weiz no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

die Di<strong>ch</strong>te und den Einfluss krimineller Gruppen<br />

ethnis<strong>ch</strong>er Albaner, verfügt jedo<strong>ch</strong> über erheb-<br />

li<strong>ch</strong>es Entwicklungspotenzial.<br />

Die ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en wie<br />

die serbis<strong>ch</strong>en kriminellen<br />

Gruppen sind au<strong>ch</strong> gegenüber<br />

polizeili<strong>ch</strong>en Einsatztaktiken<br />

anpassungsfähig. Die Ermittlungsarbeit ist wegen<br />

der teils sehr guten Organisation und der Abs<strong>ch</strong>ottung<br />

der Tätergruppen sehr s<strong>ch</strong>wierig. Strafvollzug<br />

und Ausweisung krimineller Ausländer<br />

s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en die kriminellen Gruppen kaum, weil<br />

die einzelnen Mitglieder ersetzt werden können.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Langfristige Besserung<br />

Kriminelle Gruppen anpassungsfähig<br />

gegenüber polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Einsatztaktiken.<br />

Erst langfristig, mit der Stärkung der staatli<strong>ch</strong>en<br />

Strukturen und der Verbesserung der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Lage in den jeweiligen Ländern der<br />

Region, wird die Zers<strong>ch</strong>lagung krimineller Gruppen<br />

mögli<strong>ch</strong> sein. Die Integration des Westbalkans<br />

in die euro-atlantis<strong>ch</strong>en Strukturen könnte<br />

für ein erfolgrei<strong>ch</strong>es Eindämmen der organisierten<br />

Kriminalität wi<strong>ch</strong>tig sein. Somit werden die<br />

serbis<strong>ch</strong>en und ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en Gruppen<br />

aus den Übergangs- und Aufbauprozessen in der<br />

Region Nutzen ziehen können und es verstehen,<br />

si<strong>ch</strong> we<strong>ch</strong>selnden Situationen anzupassen. Kurzund<br />

mittelfristig ist bei einer allfälligen Unabhängigkeit<br />

des Kosovo oder allenfalls Montenegros<br />

mit einer Zunahme der Aktivitäten krimineller<br />

Gruppen, besonders im Kosovo, zu re<strong>ch</strong>nen.<br />

Mittelfristig kann kaum mit einem Rückgang der<br />

Aktivitäten krimineller Akteure aus dem südosteuropäis<strong>ch</strong>en<br />

Raum in der S<strong>ch</strong>weiz gere<strong>ch</strong>net<br />

werden.<br />

5.3. Kriminelle Gruppen aus der GUS<br />

Die Regierungswe<strong>ch</strong>sel in der Ukraine und in Kirgisien<br />

führten ni<strong>ch</strong>t zur Beruhigung der Kriminalitätslage.<br />

In Russland war die Korruption gemäss<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Studien so ho<strong>ch</strong> wie nie zuvor.<br />

Na<strong>ch</strong> Eins<strong>ch</strong>ätzung des russis<strong>ch</strong>en Innenministeriums<br />

sind kriminelle Organisationen in


Russland zu den wi<strong>ch</strong>tigsten Ressorts der Wirts<strong>ch</strong>aft<br />

und Industrie vorgedrungen und kontrollieren<br />

ungefähr fünfhundert Unternehmen.<br />

Legalisierung illegaler Einkünfte<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz wurde bisher von kriminellen Organisationen<br />

aus der GUS vor allem zur Legalisierung<br />

und Anlage krimineller Einkünfte genutzt.<br />

Rohstoffges<strong>ch</strong>äfte zum Beispiel bieten<br />

zahlrei<strong>ch</strong>e Mögli<strong>ch</strong>keiten zur Vers<strong>ch</strong>leierung von<br />

Geldströmen, zum Abs<strong>ch</strong>luss fiktiver Ges<strong>ch</strong>äfte<br />

und zur Anlage krimineller Gelder in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Die S<strong>ch</strong>weiz ist einer der bedeutendsten<br />

Ölhandelsplätze der Welt: Allein in Genf wird<br />

nahezu ein Viertel der Weltproduktion<br />

gehandelt. Au<strong>ch</strong><br />

viele russis<strong>ch</strong>e Öl- und Rohstoffhandelsfirmen<br />

sind in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz und profitieren<br />

von der niedrigen Holdingbesteuerung,<br />

von guten Kreditbedingungen der<br />

Banken und wohl au<strong>ch</strong> von der Tatsa<strong>ch</strong>e, dass<br />

Rohstoffges<strong>ch</strong>äfte in eigenem Namen ni<strong>ch</strong>t unter<br />

das Geldwäs<strong>ch</strong>ereigesetz fallen.<br />

Rohstoffges<strong>ch</strong>äfte in<br />

eigenem Namen fallen in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t unter das<br />

Geldwäs<strong>ch</strong>ereigesetz.<br />

Geldwäs<strong>ch</strong>ereiermittlungen<br />

gegen drei Russen<br />

Bei Geldwäs<strong>ch</strong>ereiermittlungen gegen drei<br />

Russen im Wallis konnten im Juni zwei verhaftet<br />

werden. Aus den Ermittlungen geht hervor, dass<br />

die im Wallis investierten Gelder zum Teil beim<br />

Bau einer Moskauer Umfahrungsstrasse Ende<br />

der Neunzigerjahre abgezweigt worden waren.<br />

Bandenkriminalität in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Aktuell bleibt das Phänomen der Bandenkriminalität:<br />

Asylsu<strong>ch</strong>ende aus der GUS, vor allem<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

aus dem Kaukasus, erbeuteten dur<strong>ch</strong> Diebstahl<br />

und Einbru<strong>ch</strong> grosse Warenmengen,<br />

die sie dann auf<br />

dem osteuropäis<strong>ch</strong>en Markt<br />

absetzten.Der hohe Organisationsgrad<br />

dieser Banden lässt<br />

darauf s<strong>ch</strong>liessen, dass hier kriminelle Organisationen<br />

im Hintergrund stehen.<br />

In Deuts<strong>ch</strong>land und Österrei<strong>ch</strong> sind ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enis<strong>ch</strong>e<br />

kriminelle Banden ein Problem. Sie<br />

traten zum Teil äusserst gewalttätig auf oder führten<br />

in Asylzentren heftige Auseinandersetzungen<br />

mit Angehörigen anderer Ethnien.In der S<strong>ch</strong>weiz<br />

sind Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enen bislang ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> eine<br />

markante Kriminalität aufgefallen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Ernste Bedrohung<br />

dur<strong>ch</strong> kriminelle Organisationen<br />

Kriminelle Kreise aus der GUS verfügen in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz über ein wohl organisiertes Netzwerk:<br />

Es ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass S<strong>ch</strong>weizer Anwälte<br />

und Treuhänder an den illegalen Ges<strong>ch</strong>äften<br />

beteiligt sind. Es bestehen au<strong>ch</strong> Kontakte zu<br />

S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aftsvertretern und Amtspersonen,<br />

wie au<strong>ch</strong> zu russis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendiensten.<br />

Kriminelle Organisationen der GUS blieben<br />

2005 eine ernste Bedrohung für die Wirts<strong>ch</strong>aft,<br />

die re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>en Institutionen sowie für den<br />

Finanzplatz der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Bedrohung wird bestehen bleiben<br />

Kriminelle Organisationen haben vor allem in<br />

Russland an Einfluss gewonnen. Es muss davon<br />

ausgegangen werden, dass die S<strong>ch</strong>weiz weiterhin<br />

mit Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Investition krimineller<br />

Gelder aus der GUS konfrontiert bleiben wird.<br />

5.4. Chinesis<strong>ch</strong>e organisierte Kriminalität<br />

LAGE<br />

Weltweit grosse Deliktspalette<br />

Chinesis<strong>ch</strong>e kriminelle Gruppierungen waren<br />

2005 weltweit in vers<strong>ch</strong>iedenen Deliktsberei<strong>ch</strong>en<br />

Diebstahl grosser Warenmengen<br />

dur<strong>ch</strong> kriminelle<br />

Banden.<br />

tätig, vorwiegend in Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und<br />

Mens<strong>ch</strong>enhandel, S<strong>ch</strong>utzgelderpressung, Fäls<strong>ch</strong>ungen<br />

aller Art, Kreditkartenbetrug, Drogenund<br />

Waffenhandel,illegale Kreditges<strong>ch</strong>äfte,Prostitution<br />

und illegales Glücksspiel. In der S<strong>ch</strong>weiz<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 55


Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und<br />

Kreditkartenbetrügereien<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

56<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

waren ethnis<strong>ch</strong>e Chinesen aus vers<strong>ch</strong>iedenen asiatis<strong>ch</strong>en<br />

Ländern unter anderem im Mens<strong>ch</strong>en-<br />

s<strong>ch</strong>muggel und als Drahtzieher<br />

von international organisiertenKreditkartenbetrügereien<br />

tätig. Dabei spielte die<br />

S<strong>ch</strong>weiz weiterhin vor allem<br />

als Transit- und ni<strong>ch</strong>t als Zielland <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>er<br />

Migranten eine Rolle.<br />

S<strong>ch</strong>leusungen<br />

Die grossen und in Europa zentral gelegenen<br />

S<strong>ch</strong>weizer Flughäfen dienten na<strong>ch</strong> wie vor als<br />

Transitpunkte für S<strong>ch</strong>leusungen. Na<strong>ch</strong>dem aber<br />

am Flughafen Züri<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>lepper <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>er<br />

Migranten festgenommen wurden, wählten die<br />

S<strong>ch</strong>lepper vermehrt andere Routen. S<strong>ch</strong>leusungen<br />

von Chinesen auf dem Landweg s<strong>ch</strong>einen in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz eher selten vorgekommen zu sein.<br />

Seit aber die S<strong>ch</strong>weiz offizielle Tourismusdestination<br />

Chinas geworden ist und somit <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e<br />

Reisegruppen ohne staatli<strong>ch</strong>e Ausreisegenehmigung<br />

die S<strong>ch</strong>weiz bereisen dürfen, wurden vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Missbräu<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e legal einreisenden<br />

Reisegruppen festgestellt.<br />

BEURTEILUNG<br />

Kaum bewältigbares<br />

Ausmass einzelner Fälle.<br />

Herausforderung für die<br />

S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgung<br />

Unter anderem weil <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e organisierte<br />

Kriminalität international in weit verzweigten<br />

Netzwerken organisiert ist,<br />

nehmen die Fälle fast immer<br />

ein für die S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgungsbehörden<br />

kaum zu<br />

bewältigendes Ausmass an.Dies dürfte neben den<br />

einfa<strong>ch</strong>en Zurückweisungen an der Grenze der<br />

LAGE<br />

Weltweite Aktivitäten<br />

Westafrikanis<strong>ch</strong>e kriminelle Gruppierungen<br />

waren 2005 weltweit aktiv und hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> an<br />

Drogenhandel, Betrugsdelikten, Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

und Dokumentenfäls<strong>ch</strong>ungen aller Art betei-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Hauptgrund dafür sein, dass kaum Fälle vor<br />

Geri<strong>ch</strong>t kommen. Andere Gründe dafür sind die<br />

Professionalität, die Dur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>ung legaler und<br />

illegaler Aktivitäten,die aufgrund internationaler<br />

Erfahrung wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>e Infiltration wi<strong>ch</strong>tiger<br />

Stellen dur<strong>ch</strong> Vertrauensbildung sowie mangelnde<br />

Kenntnisse über asiatis<strong>ch</strong>e Kriminalität auf<br />

Seiten der Behörden.<br />

Anpassungsfähigkeit und<br />

grosses Potenzial<br />

Die illegale <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Emigration ist weltweit<br />

ausserordentli<strong>ch</strong> gut organisiert. Illegal<br />

reisende <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Migranten müssen in aller<br />

Regel die Dienste von S<strong>ch</strong>lepperorganisationen<br />

nutzen, geraten dadur<strong>ch</strong> in finanzielle Abhängigkeit<br />

und verpfli<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong>, die Kosten mit<br />

S<strong>ch</strong>warzarbeit, Prostitution oder der Teilnahme<br />

an illegalen Aktivitäten abzuarbeiten. Die<br />

S<strong>ch</strong>lepperorganisationen verfügen über erhebli<strong>ch</strong>e<br />

finanzielle und logistis<strong>ch</strong>e Mittel und sind<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> bestens ausgerüstet. Sie reagieren ras<strong>ch</strong><br />

auf polizeili<strong>ch</strong>e Massnahmen und arbeiten je länger,<br />

desto weniger in ethnis<strong>ch</strong> homogenen und<br />

abgegrenzten Netzen.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Unbemerkte Etablierung<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz ist kein klassis<strong>ch</strong>es Zielland für<br />

<strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Migranten. Na<strong>ch</strong> der Erfahrung<br />

anderer westeuropäis<strong>ch</strong>er Länder spielt si<strong>ch</strong> die<br />

<strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Migration aber sehr diskret ab und<br />

wird somit lange Zeit kaum wahrgenommen.Sehr<br />

spät bemerkt, entstanden etwa in Frankrei<strong>ch</strong> und<br />

Italien S<strong>ch</strong>attenwirts<strong>ch</strong>aften, und <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e<br />

kriminelle Organisationen etablierten si<strong>ch</strong>.<br />

5.5. Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerkkriminalität<br />

ligt. In der S<strong>ch</strong>weiz dominierten sie den Klein-<br />

handel mit Kokain und waren<br />

an Betrugsdelikten,besonders<br />

an Vors<strong>ch</strong>ussbetrügereien beteiligt.<br />

Das aus Südamerika<br />

stammende Kokain gelangte<br />

vorwiegend über Holland und die Iberis<strong>ch</strong>e Halb-<br />

Drogenhandel, Betrugsdelikte,<br />

Mens<strong>ch</strong>enhandel und<br />

Dokumentenfäls<strong>ch</strong>ungen.


insel in die S<strong>ch</strong>weiz. Au<strong>ch</strong> Südafrika spielte in<br />

diesem Zusammenhang eine immer wi<strong>ch</strong>tigere<br />

Rolle, sei es als Transitland oder au<strong>ch</strong> als Herkunftsland<br />

der meist weissen Drogenkuriere.<br />

Die Drahtzieher im Kokainhandel sind meist<br />

nigerianis<strong>ch</strong>er Herkunft, sie kommen aber au<strong>ch</strong><br />

aus anderen Ländern wie beispielsweise Ghana<br />

oder Guinea. Sie sind in der Regel dur<strong>ch</strong> Einheirat<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz etabliert. Die S<strong>ch</strong>weizer<br />

Bots<strong>ch</strong>aft in Nigeria ist jährli<strong>ch</strong> mit einer grossen<br />

Anzahl Fälle mutmassli<strong>ch</strong> missbräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er binationaler<br />

Ehes<strong>ch</strong>lüsse konfrontiert.<br />

BEURTEILUNG<br />

Gut etablierte kriminelle Gruppen<br />

Westafrikanis<strong>ch</strong>e kriminelle Gruppierungen<br />

sind in der S<strong>ch</strong>weiz bereits gut etabliert. Die<br />

Merkmale westafrikanis<strong>ch</strong>er organisierter Kriminalität<br />

sind ausgespro<strong>ch</strong>ene Professionalität, glo-<br />

bal angelegte, netzwerkartige<br />

Strukturen, Innovation, Flexibilität<br />

und Opportunismus.<br />

Die Strafverfolgung gestaltet<br />

si<strong>ch</strong> meist s<strong>ch</strong>wierig und aufwändig: Die nötigen<br />

kantonalen Ressourcen können ni<strong>ch</strong>t immer<br />

aufgebra<strong>ch</strong>t werden. So stellen unter anderem die<br />

S<strong>ch</strong>wierige und aufwändige<br />

Strafverfolgung.<br />

5.6. Betäubungsmittel<br />

LAGE<br />

Heroin<br />

Im Heroinmarkt sind kaum Veränderungen<br />

zu beoba<strong>ch</strong>ten. Kriminelle Gruppen ethnis<strong>ch</strong>er<br />

Albaner und türkis<strong>ch</strong>e Händler beherrs<strong>ch</strong>ten ihn<br />

2005 weiterhin; au<strong>ch</strong> serbis<strong>ch</strong>e Händler waren<br />

hier aktiv. Die Balkanroute spielte immer no<strong>ch</strong><br />

eine Hauptrolle beim Import des Heroins in die<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Die türkis<strong>ch</strong>en Händler führten das<br />

Heroin per Kilogramm direkt aus der Türkei<br />

oder aber via Deuts<strong>ch</strong>land, die Niederlande oder<br />

Belgien ein.<br />

Kokain<br />

Der Kokainmarkt entwickelt si<strong>ch</strong> ständig;<br />

Händler mehrerer Nationalitäten waren hier<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und kulturellen Unters<strong>ch</strong>iede grosse<br />

Hindernisse dar, und die wahre Identität bleibt in<br />

aller Regel unbekannt. Vermehrt treffen Polizeikräfte<br />

in diesem Zusammenhang au<strong>ch</strong> auf si<strong>ch</strong><br />

illegal in der S<strong>ch</strong>weiz aufhaltende Personen,meist<br />

abgewiesene Asylbewerber.<br />

Erfolgrei<strong>ch</strong>e Aktionen in einigen Kantonen<br />

haben dazu geführt, dass der Drogenhandel an<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Orten von der Strasse weggedrängt<br />

wurde. Der Kleinhandel hat si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong><br />

teilweise verlagert und spielt si<strong>ch</strong> vermehrt im<br />

Versteckten ab, zum Beispiel in angemieteten<br />

Wohnungen.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Ras<strong>ch</strong>e Anpassungsfähigkeit<br />

Die unternehmeris<strong>ch</strong>e Ausri<strong>ch</strong>tung und die<br />

bekannte Flexibilität der westafrikanis<strong>ch</strong>en kriminellen<br />

Gruppierungen lässt sie immer neue,<br />

den Massnahmen der Strafverfolgungsbehörden,<br />

aber au<strong>ch</strong> den veränderten Marktbedingungen<br />

angepasste Ges<strong>ch</strong>äftsformen entwickeln. So wurden<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz zum Beispiel bereits einzelne<br />

Fälle bekannt, in denen Vertreter westafrikanis<strong>ch</strong>er<br />

krimineller Gruppierungen Heroin und<br />

Ecstasy handelten.<br />

2005 aktiv: Afrikaner, Dominikaner, Europäer<br />

unter anderem südosteuropäis<strong>ch</strong>er Herkunft,<br />

Südamerikaner, Libanesen,<br />

S<strong>ch</strong>weizer und Türken. West- Der Kokainmarkt<br />

afrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerke be- entwickelt si<strong>ch</strong> ständig.<br />

herrs<strong>ch</strong>ten na<strong>ch</strong> wie vor den<br />

Kleinhandel. Die Niederlande und die Iberis<strong>ch</strong>e<br />

Halbinsel blieben die Haupteinfallstore für das<br />

na<strong>ch</strong> Europa drängende Kokain.<br />

Die an der S<strong>ch</strong>weizer Grenze bes<strong>ch</strong>lagnahmten<br />

Mengen rei<strong>ch</strong>ten von einigen hundert<br />

Gramm bis zu mehreren Dutzend Kilogramm.<br />

Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerke, dominikanis<strong>ch</strong>e<br />

und libanesis<strong>ch</strong>e Händler waren im Kokains<strong>ch</strong>muggel<br />

mit Ziel S<strong>ch</strong>weiz am aktivsten. Die<br />

libanesis<strong>ch</strong>en Händler importierten Kokain aus<br />

Südamerika häufig mit europäis<strong>ch</strong>en Kurieren.<br />

Grossangelegte Ermittlungen des Landeskrimi-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 57


58<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

Si<strong>ch</strong>ergestelltes Kokain. Am Flughafen Züri<strong>ch</strong><br />

konnten 5,5 Kilogramm Kokain, versteckt in ausgehöhlten<br />

Maniokwurzeln, si<strong>ch</strong>ergestellt werden.<br />

nalamtes Nordrhein-Westfalen führten zur Aufdeckung<br />

einer aus der Bekaa-Ebene stammenden<br />

S<strong>ch</strong>mugglerbande, die seit Mitte der Neunzigerjahre<br />

Kokain in grossen Mengen hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land, aber au<strong>ch</strong> in die S<strong>ch</strong>weiz<br />

s<strong>ch</strong>muggelte.<br />

Die Kokainbes<strong>ch</strong>lagnahmungen im Passagierverkehr<br />

auf Flughäfen zeigen, dass der Luftweg<br />

von Südamerika, der Karibik und Westafrika aus<br />

immer no<strong>ch</strong> zu den bevorzugten Routen gehörte.<br />

Grenzübers<strong>ch</strong>reitende Züge aus den Niederlanden<br />

und Spanien wurden immer no<strong>ch</strong> zum<br />

Kokains<strong>ch</strong>muggel benutzt,aber der Transport mit<br />

Autos s<strong>ch</strong>eint wi<strong>ch</strong>tiger geworden zu sein. Die<br />

Zür<strong>ch</strong>er Kantonalpolizei deckte eine S<strong>ch</strong>mugglerbande<br />

auf, die als Handelsunternehmen getarnt<br />

Kokain aus Brasilien importierte. Der Fall<br />

zeigt, dass S<strong>ch</strong>muggel im Fra<strong>ch</strong>tgut von Bedeutung<br />

ist, au<strong>ch</strong> wenn Bes<strong>ch</strong>lagnahmungen hier selten<br />

blieben. Immerhin konnten die Zür<strong>ch</strong>er Ermittler<br />

aber 17 Kilogramm Kokain si<strong>ch</strong>erstellen.<br />

Kokain war 2005 in der Öffentli<strong>ch</strong>keit und im<br />

abendli<strong>ch</strong>en Ausgang sehr präsent. Die Zahl der<br />

Konsumenten wird auf etwa 100’000 ges<strong>ch</strong>ätzt,<br />

ein Zehntel von ihnen ist sü<strong>ch</strong>tig.<br />

Gemäss der Studie «Gesundheit<br />

und Lebensstil 16- bis<br />

20-Jähriger in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

(2002) – SMASH 2002» hat unter zwanzigjährigen<br />

männli<strong>ch</strong>en Lehrlingen bereits ein Fünftel<br />

Kokain konsumiert.<br />

Kokain ist in der<br />

Öffentli<strong>ch</strong>keit sehr präsent.<br />

Synthetis<strong>ch</strong>e Drogen<br />

Der Markt für synthetis<strong>ch</strong>e Drogen ist kaum<br />

strukturiert. Die Händler sind meist junge Kon-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

FOTO GWK<br />

sumenten, die si<strong>ch</strong> in den grossen Städten oder<br />

in den Niederlanden eindecken und im abendli<strong>ch</strong>en<br />

Ausgang den Stoff in kleinen Mengen<br />

weiterverkaufen. Mehrere Fälle belegen aber,<br />

dass au<strong>ch</strong> ein sol<strong>ch</strong>er Handel ni<strong>ch</strong>t verna<strong>ch</strong>lässigbare<br />

Mengen umsetzt. 2005 fanden die bedeutendsten<br />

Bes<strong>ch</strong>lagnahmungen synthetis<strong>ch</strong>er Drogen,<br />

besonders Amphetamine, statt. Involviert<br />

waren junge Händler, meist S<strong>ch</strong>weizer, die vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Substanzen verkauften – Marihuana<br />

oder Has<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>, Amphetamine, in kleineren<br />

Mengen andere synthetis<strong>ch</strong>e Drogen wie Ecstasy<br />

oder Gammahydroxybutyrat (GHB), aber au<strong>ch</strong><br />

Kokain.<br />

Der Markt für synthetis<strong>ch</strong>e Drogen bietet<br />

aber au<strong>ch</strong> kriminellen Gruppen Gewinnmögli<strong>ch</strong>keiten.<br />

Die Lausanner Stadtpolizei deckte ein<br />

Netz von Ecstasyhändlern aus dem ehemaligen<br />

Jugoslawien auf, das si<strong>ch</strong> mit Tiefstpreisen im<br />

Markt zu etablieren su<strong>ch</strong>te.<br />

Bisher wurden in der S<strong>ch</strong>weiz nur Labors entdeckt,<br />

die synthetis<strong>ch</strong>e Drogen in Kleinmengen<br />

herstellten. Au<strong>ch</strong> 2005 wurde Ecstasy bes<strong>ch</strong>lagnahmt,<br />

das si<strong>ch</strong> auf dem Weg von den Niederlanden<br />

in andere Länder, besonders Südafrika<br />

und Italien, befand.<br />

Synthetis<strong>ch</strong>e Drogen werden hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

im abendli<strong>ch</strong>en Ausgang und im Te<strong>ch</strong>nomilieu<br />

konsumiert; <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> ist der Konsum in<br />

Kombination mit anderen Substanzen. Vergiftungen<br />

mit GHB, meist verbunden mit anderen<br />

Wirkstoffen,besonders Alkohol,fielen speziell an<br />

der Lake Parade in Genf auf.<br />

Cannabisprodukte<br />

Seit etwa fünf Jahren wurden umfangrei<strong>ch</strong>e<br />

kantonale Polizeiaktionen gegen den Anbau und<br />

den Handel von Cannabis und seinen Derivaten<br />

dur<strong>ch</strong>geführt. Diese ri<strong>ch</strong>teten si<strong>ch</strong> insbesondere<br />

gegen grössere Produktionsstätten wie beispielsweise<br />

im Val-de-Travers. Dort konnte einer Personengruppe<br />

der gewerbs- und bandenmässige<br />

Handel von etwa 200 Kilogramm Drogenhanf<br />

na<strong>ch</strong>gewiesen werden. Die Haupttäter wurden<br />

erstinstanzli<strong>ch</strong> zu je 27 Monaten Gefängnis verurteilt.<br />

Als Reaktion auf diese Polizeiaktionen wird<br />

der Anbau diskreter betrieben und versteckt si<strong>ch</strong><br />

in ehemaligen Landwirts<strong>ch</strong>afts- und Industriege-<br />

bäuden oder in Wohngegenden.<br />

Zudem findet der Verkauf<br />

zunehmend verdeckt in<br />

Ges<strong>ch</strong>äften statt, die andere<br />

Güter wie zum Beispiel Sportartikel oder Platten<br />

Händler handeln zunehmend<br />

mehrere Substanzen.


anbieten. Diese Händler handeln zunehmend<br />

mehrere Substanzen wie Cannabisprodukte, synthetis<strong>ch</strong>e<br />

Drogen und Kokain.<br />

Der Markt für Cannabisprodukte ist lukrativ<br />

und zieht deswegen au<strong>ch</strong> kriminelle Organisationen,<br />

besonders Gruppen aus Südosteuropa und<br />

der Türkei, an. Der Gassenhandel mit Cannabisprodukten<br />

existiert weiterhin,hat si<strong>ch</strong> aber wegen<br />

der vers<strong>ch</strong>ärften Strafverfolgung ni<strong>ch</strong>t weiter ausgedehnt.<br />

Im Gegenzug zur Eindämmung einheimis<strong>ch</strong>er<br />

Produktion blüht der S<strong>ch</strong>muggel wieder auf. So<br />

konnten bei Bes<strong>ch</strong>lagnahmungen, besonders aus<br />

den Niederlanden, Importmengen von mehr als<br />

dreissig Kilogramm si<strong>ch</strong>ergestellt werden. Die<br />

Na<strong>ch</strong>frage bleibt erhebli<strong>ch</strong>.<br />

BEURTEILUNG<br />

Öffentli<strong>ch</strong>e Präsenz der Drogen<br />

Trotz des Fehlens offener Szenen im eigentli<strong>ch</strong>en<br />

Sinn bleiben Drogen auf der Gasse und<br />

in der Öffentli<strong>ch</strong>keit stark präsent. Die Konsumenten<br />

zeigen eine Tendenz zur Einnahme vers<strong>ch</strong>iedener<br />

Substanzen, im Gegenzug bieten die<br />

Händler mehrere Wirkstoffe an. Während der<br />

Heroinmarkt gut strukturiert ist, sind die anderen<br />

Drogenmärkte offener für Händler unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er<br />

Herkunft.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Heroin<br />

5.7. Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel<br />

LAGE<br />

Umrisse eines Lagebildes<br />

Das genaue Ausmass des Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />

in die S<strong>ch</strong>weiz lässt si<strong>ch</strong> derzeit ni<strong>ch</strong>t bestimmen,<br />

weil Massnahmen gegen Täter vielfa<strong>ch</strong> im<br />

Rahmen des Ausländergesetzes erfolgen und die<br />

Daten dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Behörden uneinheitli<strong>ch</strong><br />

erfasst werden.<br />

Eckwerte für S<strong>ch</strong>leusungsaktivitäten liefern<br />

die Aufgriffe illegal einreisender Personen und<br />

von S<strong>ch</strong>leppern an der Grenze. Indirekte Aufs<strong>ch</strong>lüsse<br />

geben au<strong>ch</strong> die Asylkennzahlen, da<br />

davon ausgegangen werden muss, dass viele Asylbewerber<br />

illegal einreisen.<br />

Gammahydroxybutyrat. GHB wird in der Szene<br />

au<strong>ch</strong> «Liquid Ecstasy» genannt, ist aber mit diesem<br />

<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verwandt. FOTO POLIZEI<br />

Seit mehreren Jahren sind die Heroinpreise<br />

relativ tief. Falls eine andere Konsummethode<br />

als die Spritzeninjektion, zum Beispiel das Rau<strong>ch</strong>en,<br />

si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>setzt, könnte dies neue Konsumenten<br />

auf den Heroinmarkt bringen, der kaum<br />

Neuzugänge verzei<strong>ch</strong>net. Eine sol<strong>ch</strong>e Entwicklung<br />

könnte das seit Jahren zu beoba<strong>ch</strong>tende<br />

S<strong>ch</strong>rumpfen des Marktes in Frage stellen.<br />

Wie bereits im Vorjahr ging die Zahl der<br />

Personen zurück, die bei der illegalen Einreise in<br />

die S<strong>ch</strong>weiz angehalten wurden. Im Jahr 2005<br />

registrierte das Grenzwa<strong>ch</strong>tkorps (GWK) 5’472<br />

illegale Grenzübertritte und Aufenthalte gegenüber<br />

6’943 im Jahr zuvor. Gegenüber 1’880 im<br />

Vorjahr stellte das GWK 2005 weniger, nämli<strong>ch</strong><br />

1’599 Ausweisfäls<strong>ch</strong>ungen fest. Die gefäls<strong>ch</strong>ten<br />

Papiere waren von guter bis exzellenter Qualität.<br />

Die Zahl der Asylgesu<strong>ch</strong>e sank gegenüber<br />

dem Vorjahr um 29,4 Prozent.<br />

10’061 Personen su<strong>ch</strong>ten um<br />

Asyl na<strong>ch</strong>;dies sind 4’187 weniger<br />

als im Vorjahr. Der Rückgang<br />

der Asylgesu<strong>ch</strong>e kann auf die getroffenen<br />

Massnahmen, unter anderem den Sozialhilfestopp<br />

Zahl der Asylgesu<strong>ch</strong>e<br />

weiter gesunken.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 59


S<strong>ch</strong>weiz bis heute vorwiegend<br />

Transitstaat für<br />

organisierte S<strong>ch</strong>leusungskriminalität.<br />

60<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

für Personen mit einem Ni<strong>ch</strong>teintretensents<strong>ch</strong>eid,<br />

die Bes<strong>ch</strong>leunigung des Asylverfahrens und die<br />

konsequente Vollzugspolitik zurückgeführt werden.<br />

Weder die Abnahme der vom GWK registrierten<br />

illegalen Grenzübertritte und Aufenthalte<br />

no<strong>ch</strong> die rückläufige Zahl der Asylgesu<strong>ch</strong>e<br />

geben direkten Aufs<strong>ch</strong>luss über S<strong>ch</strong>leusungsaktivitäten<br />

in und dur<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz. Die rückläufigen<br />

Zahlen bedeuten ni<strong>ch</strong>t, dass au<strong>ch</strong> die<br />

S<strong>ch</strong>leusungsaktivitäten abgenommen haben. Die<br />

S<strong>ch</strong>leuser verlagern ihre Aktivitäten auf immer<br />

s<strong>ch</strong>werer an der Grenze festzustellende Beihilfen<br />

zu illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt.<br />

Organisierte<br />

S<strong>ch</strong>leusungskriminalität<br />

Die S<strong>ch</strong>lepperbanden und ihre Klientel sind<br />

multinational zusammengesetzt. Aktivitäten und<br />

Verbindungspersonen wurden 2005 in vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Ländern inner- und ausserhalb der EU<br />

registriert. Für die organisierte<br />

S<strong>ch</strong>leusungskriminalität ist<br />

die S<strong>ch</strong>weiz bis heute vorwiegend<br />

Transitstaat, in dem illegale<br />

Migranten untertau<strong>ch</strong>en<br />

oder mit einer neuen Identität<br />

ausgestattet in die EU oder na<strong>ch</strong> Übersee weiterges<strong>ch</strong>leust<br />

werden. Kantonale und nationale<br />

Ermittlungen hatten bisher wenig Erfolg. Bislang<br />

konnte kein einziges Bundesverfahren<br />

wegen organisierter S<strong>ch</strong>leusungskriminalität eröffnet<br />

werden.<br />

Anpassungsfähigkeit<br />

der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggler<br />

Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggler passen ihre Modi Operandi<br />

den si<strong>ch</strong> ändernden Bestimmungen im<br />

Asyl- und Ausländerre<strong>ch</strong>t flexibel an. Sie wählten<br />

2005 vielfa<strong>ch</strong> Einreiseformen, die den S<strong>ch</strong>ein der<br />

Legalität wahrten, wie etwa S<strong>ch</strong>einehen oder die<br />

Einreise als Tourist oder Student. Au<strong>ch</strong> Visumsbefreiungen<br />

ma<strong>ch</strong>en Grenzs<strong>ch</strong>leusungen obsolet.<br />

Wo kein Visum verlangt wird und die Einreise auf<br />

einfa<strong>ch</strong>em, legalem Weg erfolgen kann, bedarf es<br />

der Hilfe eines S<strong>ch</strong>leppers ni<strong>ch</strong>t.<br />

Mit Verkauf und Verleih e<strong>ch</strong>ter, gültiger Papiere<br />

verdienten S<strong>ch</strong>lepper 2005 viel Geld. Der<br />

Verkauf eines ers<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>enen S<strong>ch</strong>weizervisums<br />

bra<strong>ch</strong>te bereits dreistellige Summen ein. In mehreren<br />

offiziellen S<strong>ch</strong>weizer Auslandsvertretungen<br />

kam in diesem Zusammenhang Korruptions-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

verda<strong>ch</strong>t auf. Mehrere registrierte Fälle von<br />

S<strong>ch</strong>einehen belegen die Betätigung von S<strong>ch</strong>lepperorganisationen<br />

in Ehe- und Partnervermitt-<br />

lungsges<strong>ch</strong>äften. Für kriminelle<br />

und terroristis<strong>ch</strong>e Akteure<br />

erwiesen si<strong>ch</strong> Ehes<strong>ch</strong>liessungen<br />

als besonders<br />

vorteilhaft. Na<strong>ch</strong> Erwerb der<br />

Niederlassung ist es kaum und na<strong>ch</strong> Erwerb des<br />

S<strong>ch</strong>weizer Bürgerre<strong>ch</strong>tes ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, die betreffende<br />

Person auszuweisen. Private Spra<strong>ch</strong>und<br />

Hotelleries<strong>ch</strong>ulen stellten ein zunehmend<br />

attraktives Feld für die <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>leusungskriminalität<br />

dar. Die S<strong>ch</strong>lepper profitieren hier<br />

davon, dass es na<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>em Re<strong>ch</strong>t sehr<br />

einfa<strong>ch</strong> ist, private, ni<strong>ch</strong>t öffentli<strong>ch</strong> subventionierte<br />

S<strong>ch</strong>ulen zu eröffnen.<br />

Wi<strong>ch</strong>tige Fälle 2005<br />

Verkauf und Verleih e<strong>ch</strong>ter,<br />

gültiger Papiere war 2005<br />

ein lukratives Ges<strong>ch</strong>äft.<br />

● S<strong>ch</strong>lepper versu<strong>ch</strong>ten wiederholt bei S<strong>ch</strong>weizer<br />

Auslandsvertretungen mit Beste<strong>ch</strong>ung,<br />

aber au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> physis<strong>ch</strong>en und psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Druck auf das Personal,Visa zu erlangen.Ende<br />

2004 und 2005 wurden in Peru, Russland,<br />

Oman, der Demokratis<strong>ch</strong>en Republik Kongo,<br />

Nigeria sowie Serbien und Montenegro Hunderte<br />

von Visa unre<strong>ch</strong>tmässig ausgestellt.<br />

● Im September wurden bei einem Einbru<strong>ch</strong> in<br />

die S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in Madrid mehrere<br />

Dutzend S<strong>ch</strong>weizer Blankopässe und Visaformulare<br />

gestohlen.<br />

● Im Kanton Glarus wurde eine S<strong>ch</strong>einehe zwis<strong>ch</strong>en<br />

einer S<strong>ch</strong>weizerin und einem Kosovo-<br />

Albaner aufgedeckt, der Kommandant der<br />

Befreiungsarmee von Presevo, Medveda und<br />

Bujanovac war. Die Ehe war 2003 vom damals<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz lebenden Bruder des Ehemannes<br />

arrangiert worden. Der S<strong>ch</strong>weizerin,<br />

einer Sozialhilfeempfängerin, wurden für die<br />

Ehes<strong>ch</strong>liessung Geldbeträge von bis zu 30’000<br />

Franken plus monatli<strong>ch</strong>e Zahlungen von 1’999<br />

Franken geboten, jedo<strong>ch</strong> nur zum Teil ausgezahlt.<br />

Die Familie des Gatten drohte der<br />

Frau zudem mit Gewalt,falls sie die S<strong>ch</strong>einehe<br />

denunziere.<br />

● Wiederholt reisten Chinesen in Gruppen von<br />

bis zu mehreren Dutzend Personen mit einem<br />

Touristenvisum in die S<strong>ch</strong>weiz ein und tau<strong>ch</strong>ten<br />

unter. Vermutli<strong>ch</strong> dient in diesen Fällen<br />

das Touristenvisum dazu, in die EU, vornehmli<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> Frankrei<strong>ch</strong> oder Grossbritannien,<br />

weiterzureisen und dort s<strong>ch</strong>warz zu arbeiten.<br />

Mit dem in den Na<strong>ch</strong>barstaaten der S<strong>ch</strong>weiz


verzei<strong>ch</strong>neten Anwa<strong>ch</strong>sen der <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>en<br />

Diaspora gewinnt die S<strong>ch</strong>weiz als Transitland<br />

an Bedeutung.<br />

● Es wurden zahlrei<strong>ch</strong>e Fälle aufgedeckt, in<br />

denen Studenten privater Hotellerie- und<br />

Spra<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen für den Erhalt einer Einreiseund<br />

Aufenthaltsbewilligung nur zum S<strong>ch</strong>ein<br />

einges<strong>ch</strong>rieben waren. Allein der Kanton<br />

Bern registrierte drei Fälle. In einem Fall<br />

eröffnete der S<strong>ch</strong>lepper selbst die S<strong>ch</strong>ule und<br />

täus<strong>ch</strong>te Lehrpläne und Unterri<strong>ch</strong>t vor. Er<br />

s<strong>ch</strong>leuste zwanzig Personen in die S<strong>ch</strong>weiz<br />

und kassierte pro Visum mehrere tausend<br />

Franken.<br />

BEURTEILUNG<br />

Bezüge zu anderen Delikten<br />

Internationale Organisationen gehen heute<br />

davon aus, dass Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

weltweit zu den gewinnträ<strong>ch</strong>tigsten<br />

Kriminalitätsformen gehören.<br />

Enge Bezüge bestehen zu<br />

Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Drogenhandel.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz ist von<br />

dieser Entwicklung ebenfalls<br />

betroffen. Obwohl auf der Basis der heutigen<br />

Informationslage in der S<strong>ch</strong>weiz keine grossen<br />

kriminellen Strukturen im Berei<strong>ch</strong> des Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />

erkennbar sind, dürfen die Aus-<br />

Weltweit eine der gewinnträ<strong>ch</strong>tigstenKriminalitätsformen.<br />

5.8. Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

LAGE<br />

Weltweit alarmierende Zunahme<br />

Aufgrund hoher Gewinnmargen bei geringem<br />

Risiko für die Täter nahm der Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

weltweit zu. Die Organisation für Si<strong>ch</strong>erheit und<br />

Zusammenarbeit in Europa s<strong>ch</strong>ätzt, dass mittlerweile<br />

der Umsatz des Mens<strong>ch</strong>enhandels den des<br />

Drogen- und Waffenhandels übertrifft und si<strong>ch</strong><br />

auf jährli<strong>ch</strong> 35 Milliarden US-Dollar beläuft. Die<br />

Internationale Organisation für Migration (IOM)<br />

geht davon aus,dass allein in Europa jährli<strong>ch</strong> über<br />

200’000 Mens<strong>ch</strong>en Opfer des Mens<strong>ch</strong>enhandels<br />

werden.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

wirkungen aller Formen des S<strong>ch</strong>muggels, also<br />

au<strong>ch</strong> von Einzeltätern oder Kleingruppen, ni<strong>ch</strong>t<br />

unters<strong>ch</strong>ätzt werden. Dies gerade au<strong>ch</strong>, weil enge<br />

Bezüge zu weiteren kriminellen Aktivitäten<br />

bestehen und der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel teilweise<br />

nur s<strong>ch</strong>wer vom Mens<strong>ch</strong>enhandel abgegrenzt werden<br />

kann.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Transnationales Delikt<br />

Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel ist ein transnationales<br />

Delikt. Angesi<strong>ch</strong>ts der weltweiten Entwicklung<br />

wird die S<strong>ch</strong>weiz zumindest<br />

mittelfristig ni<strong>ch</strong>t mit einem Mittelfristig ni<strong>ch</strong>t mit<br />

Rückgang dieses Kriminali- Rückgang des Mens<strong>ch</strong>entätsphänomens<br />

re<strong>ch</strong>nen köns<strong>ch</strong>muggels zu re<strong>ch</strong>nen.<br />

nen und muss ihre re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

und polizeili<strong>ch</strong>en Instrumente entspre<strong>ch</strong>end stärken.<br />

Dazu zählen au<strong>ch</strong> die 2005 bes<strong>ch</strong>lossene<br />

Assoziierung der S<strong>ch</strong>weiz zum S<strong>ch</strong>engener<br />

Abkommen und der Beitritt zu Europol, wel<strong>ch</strong>e<br />

die Bekämpfung des internationalen Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />

künftig erlei<strong>ch</strong>tern werden. Der<br />

Zugriff der S<strong>ch</strong>weiz auf gesamteuropäis<strong>ch</strong>e<br />

Fahndungs- und Personendatenbanken wird die<br />

Ermittlungen gegen die und Strafverfolgung der<br />

S<strong>ch</strong>leusungskriminalität unterstützen und zu<br />

einer engeren europäis<strong>ch</strong>en Zusammenarbeit<br />

führen.<br />

Registriert wurde 2005 eine weltweit zunehmende<br />

Brutalität in der Ausbeutung der<br />

Sexualität und der Arbeitskraft. Die Täter bra<strong>ch</strong>-<br />

ten die mit einwandfreien<br />

Papieren ausgestatteten Opfer<br />

vermehrt über offizielle<br />

Grenzübergänge. Eine sol<strong>ch</strong>e<br />

Einreise verringert das Auf-<br />

Weltweit zunehmende<br />

Brutalität im Mens<strong>ch</strong>enhandel.<br />

griffsrisiko für Täter und Opfer.Dur<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>einbare<br />

Legalität bleibt der Mens<strong>ch</strong>enhandel oft<br />

länger unbemerkt, während die Betroffenen über<br />

längere Zeit zu Prostitution und Arbeit gezwungen<br />

werden.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 61


Wa<strong>ch</strong>stum des Rotli<strong>ch</strong>tmilieus<br />

und zuehmende<br />

Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft<br />

62<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />

Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die weltweite Entwicklung widerspiegelt si<strong>ch</strong><br />

in der S<strong>ch</strong>weiz vor allem im Wa<strong>ch</strong>stum des Rotli<strong>ch</strong>tmilieus<br />

und einer zunehmenden Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig führten die verstärkten<br />

staatli<strong>ch</strong>en Anstrengungen im<br />

Kampf gegen den Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

zu einer Zunahme der<br />

Strafverfahren. Während es<br />

2004 zu zwei Verurteilungen<br />

wegen Mens<strong>ch</strong>enhandels gemäss Artikel 196<br />

StGB kam, ist für 2005 mit einem Mehrfa<strong>ch</strong>en<br />

davon zu re<strong>ch</strong>nen, was aber erst mit Vorliegen<br />

re<strong>ch</strong>tskräftiger Urteile abs<strong>ch</strong>liessend festgestellt<br />

werden kann. In zwei Fällen von s<strong>ch</strong>werem<br />

Mens<strong>ch</strong>enhandel wurden Freiheitsstrafen von<br />

mehreren Monaten bis zu zwei Jahren verhängt.<br />

Täter und Opfer stammten in beiden Fällen aus<br />

demselben osteuropäis<strong>ch</strong>en Staat. Unter den Tätern<br />

fanden si<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> viele Frauen wie Männer,<br />

die Opfer waren auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Frauen. Die Opfer<br />

waren in ihrer Heimat rekrutiert,mit dem Verspre<strong>ch</strong>en<br />

guter Verdienstmögli<strong>ch</strong>keiten in die<br />

S<strong>ch</strong>weiz ges<strong>ch</strong>leust und mit physis<strong>ch</strong>er und psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />

Gewalt zum Teil in mehreren Etablissements<br />

zur Prostitution gezwungen worden.<br />

In der gesamten S<strong>ch</strong>weiz nahm 2005 die Zahl<br />

der Prostituierten und eins<strong>ch</strong>lägiger Einri<strong>ch</strong>tungen<br />

zu. In Züri<strong>ch</strong> zum Beispiel stieg seit 2003 die<br />

Zahl der Prostituierten um beinahe zwanzig<br />

Prozent; im Kanton Basel Stadt eröffnete 2005<br />

im S<strong>ch</strong>nitt alle zwei Wo<strong>ch</strong>en ein neues Rotli<strong>ch</strong>tlokal.<br />

S<strong>ch</strong>weizweit wird der Erlös der Rotli<strong>ch</strong>tbran<strong>ch</strong>e<br />

auf jährli<strong>ch</strong> etwa 3,2 Milliarden Franken<br />

ges<strong>ch</strong>ätzt.<br />

Die Zahl der Personen, die Opfer des Mens<strong>ch</strong>enhandels<br />

wurden und ans<strong>ch</strong>liessend ein Asylgesu<strong>ch</strong><br />

stellten, ist bisher vers<strong>ch</strong>windend gering.<br />

BEURTEILUNG<br />

Vers<strong>ch</strong>iebungen im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu<br />

Wa<strong>ch</strong>stum und Gewinnsteigerung locken Kriminelle<br />

aus dem In- und Ausland an. Verteilungskämpfe<br />

und die au<strong>ch</strong> in der Öffentli<strong>ch</strong>keit wahrnehmbaren<br />

Vers<strong>ch</strong>iebungen im Markt destabilisieren<br />

die Bran<strong>ch</strong>e. Im Kanton Solothurn kam<br />

es 2005 zu S<strong>ch</strong>iessereien und Brandstiftung in<br />

diversen Etablissements. In Züri<strong>ch</strong> wurde eine<br />

einflussrei<strong>ch</strong>e Milieufigur ermordet. In mehreren<br />

Fällen wurden Opfer von Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

in engen Kellerverliesen aufgefunden, andere<br />

wurden zum Verkauf von Drogen und zu überhöhten<br />

Geldabgaben gezwungen. Vereinzelt<br />

wurde den Frauen massive Gewalt angetan; es<br />

wurden ihnen Verletzungen beigebra<strong>ch</strong>t, um sie<br />

gefügig zu ma<strong>ch</strong>en.<br />

Ausbeutung von Sexualität<br />

und Arbeitskraft<br />

Mens<strong>ch</strong>enhandel in der S<strong>ch</strong>weiz spielt si<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> wie vor überwiegend im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu ab.<br />

Die wi<strong>ch</strong>tigsten Tätergruppen<br />

gegen die 2005 Ermittlungsund<br />

Strafverfahren wegen<br />

Mens<strong>ch</strong>enhandels und Förderung<br />

der Prostitution eröffnet<br />

wurden, sowie ihre Opfer, stammen aus Südostund<br />

Osteuropa, der GUS, aus Südamerika und<br />

Asien. Im Trend liegt der Handel mit Frauen und<br />

Transvestiten aus Brasilien. Eins<strong>ch</strong>leusung und<br />

Platzierung der Opfer erfolgten mit grosser<br />

Professionalität. Im Einzelfall gab es 2005 au<strong>ch</strong><br />

Hinweise auf organisierte Kriminalität; in der<br />

Mehrzahl der Fälle wird jedo<strong>ch</strong> sexuelle Ausbeutung<br />

und Mens<strong>ch</strong>enhandel in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

weiterhin von Einzeltätern oder kleinen Gruppen<br />

organisiert.<br />

Fälle von Ausbeutung der Arbeitskraft sind<br />

marginal und wurden 2005 vor allem bei privaten<br />

Haushaltshilfen registriert. In Einzelfällen wurden<br />

ausländis<strong>ch</strong>e Minderjährige sowohl im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu<br />

wie in der Hauswirts<strong>ch</strong>aft Opfer von<br />

Ausbeutung.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Zunahme von Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />

wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>enhandel in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz überwiegend im<br />

Rotli<strong>ch</strong>tmilieu.<br />

Die Entwicklungen weltweit und in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz lassen eine Zunahme des Mens<strong>ch</strong>enhandels<br />

aus Südost- und Osteuropa als wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />

ers<strong>ch</strong>einen. Wie weit die Assoziierung zu<br />

S<strong>ch</strong>engen und Dublin hier korrigierend eingreift,<br />

lässt si<strong>ch</strong> aus heutiger Si<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>liessend<br />

beurteilen. Allerdings hat die Entwicklung in<br />

den Na<strong>ch</strong>barstaaten Deuts<strong>ch</strong>land und Italien<br />

gezeigt, dass Visumsbefreiung ni<strong>ch</strong>t zwangsläufig<br />

den Mens<strong>ch</strong>enhandel eindämmt. Die Gefahr, an<br />

Mens<strong>ch</strong>enhändler zu geraten, ist im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu<br />

trotz legaler Einreise und Aufenthalt für<br />

Prostituierte gross. ■


<strong>BERICHT</strong> 2005<br />

6. Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

und Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

6.1. Geldwäs<strong>ch</strong>erei 64<br />

6.2. Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität 65<br />

6.3. Korruption 66<br />

6.4. Fals<strong>ch</strong>geld 67


64<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />

6.1. Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

LAGE<br />

Zentrale Bedeutung für die S<strong>ch</strong>weiz<br />

In der internationalen Strafverfolgung und<br />

Re<strong>ch</strong>tshilfe bleibt das Delikt der Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

für die S<strong>ch</strong>weiz besonders im Zusammenhang mit<br />

Drogen- und Wirts<strong>ch</strong>aftsdelikten von zentraler<br />

Bedeutung. Die Ermittlungsverfahren, die auf<br />

Bundesebene geführt werden, haben mehrheitli<strong>ch</strong><br />

den Tatbestand der Geldwäs<strong>ch</strong>erei zum<br />

Gegenstand.<br />

Fall Adamov<br />

Evgenij Adamov<br />

an Russland ausgeliefert.<br />

Im Mai 2005 wurde der ehemalige russis<strong>ch</strong>e<br />

Atomminister Evgenij Adamov auf Ersu<strong>ch</strong>en<br />

der USA in der S<strong>ch</strong>weiz verhaftet. Die USA<br />

werfen ihm vor, in seiner Amtszeit Ende der<br />

Neunzigerjahre neun Millionen Dollar amerika-<br />

nis<strong>ch</strong>er Hilfsgelder veruntreut<br />

und in den USA gewas<strong>ch</strong>en zu<br />

haben. Adamov war im März<br />

2001 in Russland wegen Korruption<br />

und Abwicklung illegaler Ges<strong>ch</strong>äfte aus<br />

dem Amt entlassen worden; eine Strafuntersu<strong>ch</strong>ung<br />

wurde jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t eröffnet. Na<strong>ch</strong> der<br />

Verhaftung Adamovs in der S<strong>ch</strong>weiz und dem<br />

Eingang eines Auslieferungsersu<strong>ch</strong>ens aus den<br />

USA forderte au<strong>ch</strong> Russland seine Auslieferung.<br />

Im Dezember ents<strong>ch</strong>ied das Bundesgeri<strong>ch</strong>t zugunsten<br />

des russis<strong>ch</strong>en Gesu<strong>ch</strong>s. Er wurde no<strong>ch</strong><br />

im selben Monat ausgeliefert.<br />

Urteil des Bundesstrafgeri<strong>ch</strong>ts<br />

Im Juni 2005 erging am Bundesstrafgeri<strong>ch</strong>t<br />

das erste Geldwäs<strong>ch</strong>erei-Urteil im Zusammenhang<br />

mit den neuen Bundeskompetenzen in<br />

der Strafverfolgung. Ein ehemaliger S<strong>ch</strong>weizer<br />

Bots<strong>ch</strong>after in Luxemburg wurde in erster Instanz<br />

unter anderem wegen gewerbsmässiger Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

und Veruntreuung zu 42 Monaten<br />

Zu<strong>ch</strong>thaus verurteilt. Er hatte für einen international<br />

tätigen Drogenhändlerring rund 2,4 Millionen<br />

S<strong>ch</strong>weizer Franken unter anderem über sein<br />

eigenes Bankkonto gewas<strong>ch</strong>en. Das Urteil ist<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>tskräftig.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

BEURTEILUNG<br />

Abhängigkeit von Re<strong>ch</strong>tshilfe<br />

Die repressive Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />

fand 2005 in der S<strong>ch</strong>weiz weiterhin unter be-<br />

sonderen Vorzei<strong>ch</strong>en statt.<br />

Gerade in komplexen Fällen<br />

wurde die Vortat oft im Ausland<br />

begangen, und es wurde<br />

nur versu<strong>ch</strong>t, die Gewinne<br />

aus dem Verbre<strong>ch</strong>en hier zu<br />

platzieren. Die S<strong>ch</strong>weiz war daher in der Beweisführung<br />

in einem eigenen Strafverfahren auf<br />

die Zusammenarbeit mit dem Staat angewiesen,<br />

in dem die Vortat begangen worden war. Konnten<br />

ni<strong>ch</strong>t genügend Mittel zum Beweis der Vortat<br />

erhoben werden, s<strong>ch</strong>eiterte das Verfahren in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Zudem wurde eine grössere Anzahl von Fällen<br />

auf dem Re<strong>ch</strong>tshilfeweg erledigt oder aus<br />

prozesste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Gründen in einigen Fällen<br />

an das Land delegiert,in dem die Vortat begangen<br />

worden war. Die Strafurteilsstatistik zei<strong>ch</strong>net<br />

daher nur ein sehr begrenztes Bild der repressiven<br />

Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung. Die S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgungsbehörden<br />

lieferten oft wi<strong>ch</strong>tige Beiträge<br />

für die internationale Bekämpfung der<br />

Geldwäs<strong>ch</strong>erei, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zwingend in der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Urteilsstatistik nieders<strong>ch</strong>lagen.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Pragmatis<strong>ch</strong>e Lösungen mögli<strong>ch</strong><br />

Repressive Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />

findet in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz unter besonderen<br />

Vorzei<strong>ch</strong>en statt.<br />

Der Regulierungsdruck auf den Finanzplatz<br />

S<strong>ch</strong>weiz wird aufgrund der internationalen Entwicklungen<br />

wie der Totalrevision entlang der<br />

vierzig Empfehlungen der Financial Action Task<br />

Force und der dritten EU-Ri<strong>ch</strong>tlinie zur Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />

weiter ho<strong>ch</strong> bleiben. Die S<strong>ch</strong>weiz wird<br />

dabei aufgrund der internationalen Bedeutung<br />

des Finanzplatzes zusammen<br />

mit anderen Ländern besonders<br />

im Fokus stehen. Die<br />

internationalen Bestimmungen<br />

lassen aber si<strong>ch</strong>er Raum<br />

für pragmatis<strong>ch</strong>e Lösungen.<br />

Grundsätzli<strong>ch</strong> gilt, dass die S<strong>ch</strong>weiz weiterhin<br />

über ein griffiges Dispositiv zur Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />

verfügt und in Einklang mit eins<strong>ch</strong>lägigen<br />

internationalen Standards steht.<br />

S<strong>ch</strong>weiz zusammen mit anderen<br />

Ländern aufgrund der<br />

internationalen Bedeutung<br />

des Finanzplatzes im Fokus.


LAGE<br />

Zahlrei<strong>ch</strong>e Fälle<br />

von Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

Wie in den vorangehenden Jahren gab es au<strong>ch</strong><br />

2005 zahlrei<strong>ch</strong>e Fälle von Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz. Hier zu erwähnen sind zum Beispiel<br />

Anlagebetrügereien.<br />

S<strong>ch</strong>weizer Filiale<br />

einer türkis<strong>ch</strong>en Holding<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz hat die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />

2003 ein Strafverfahren des Kantons Basel Land<br />

übernommen und ein geri<strong>ch</strong>tspolizeili<strong>ch</strong>es Ermittlungsverfahren<br />

wegen Verda<strong>ch</strong>ts auf Betrug<br />

und Geldwäs<strong>ch</strong>erei eingeleitet. Die Untersu<strong>ch</strong>ung<br />

ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> gegen fünf Führungskräfte<br />

der S<strong>ch</strong>weizer Filiale einer in der Türkei niedergelassenen<br />

Holding. Diese werden verdä<strong>ch</strong>tigt,<br />

mehrere tausend Personen ges<strong>ch</strong>ädigt zu haben.<br />

In diesem Fall wird europaweit mehreren Anges<strong>ch</strong>uldigten<br />

unter anderem vorgeworfen, si<strong>ch</strong><br />

auf Kosten mehrerer hunderttausend Mitglieder,<br />

vorwiegend aus der türkis<strong>ch</strong>-islamis<strong>ch</strong>en Diaspora<br />

in Europa, hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land, berei<strong>ch</strong>ert<br />

zu haben. Diese sollen ihren Opfern angebli<strong>ch</strong><br />

mit dem Islam konforme und hohe Gewinne<br />

abwerfende Investitionen vorges<strong>ch</strong>lagen<br />

haben, die für die<br />

türkis<strong>ch</strong>e Industrie und zur<br />

S<strong>ch</strong>affung von Arbeitsplätzen<br />

in der Türkei wi<strong>ch</strong>tig seien.<br />

Die Gesamts<strong>ch</strong>adensumme wird auf mehrere<br />

Milliarden Euro ges<strong>ch</strong>ätzt.In vielen europäis<strong>ch</strong>en<br />

Ländern wurden Zivil- und Strafverfahren eröffnet.<br />

Internationales<br />

Firmen- und Fondsnetz<br />

Ende 2004 übernahm die S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft von den Kantonen Basel<br />

Stadt und Züri<strong>ch</strong> die Strafverfahren gegen a<strong>ch</strong>t<br />

Personen und eröffnete ein geri<strong>ch</strong>tspolizeili<strong>ch</strong>es<br />

Ermittlungsverfahren wegen Verda<strong>ch</strong>ts des Betruges<br />

und der Geldwäs<strong>ch</strong>erei.Die Anges<strong>ch</strong>uldigten<br />

bedienten si<strong>ch</strong> eines komplexen internationalen<br />

Firmen- und Fondsnetzes, das teilweise in Off-<br />

Shore-Finanzplätzen in der Karibik domiziliert ist<br />

und bei den Investoren Vertrauen erweckte. Das<br />

<strong>BERICHT</strong> 2004 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />

6.2. Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

Gesamts<strong>ch</strong>adensumme in<br />

Europa auf mehrere Milliarden<br />

Euro ges<strong>ch</strong>ätzt.<br />

Anlagesystem war angebli<strong>ch</strong> krisensi<strong>ch</strong>er und<br />

renditeträ<strong>ch</strong>tig. Die bisherigen Ermittlungen erhärteten<br />

den Verda<strong>ch</strong>t, dass Investorengelder<br />

ni<strong>ch</strong>t vereinbarungsgemäss verwendet wurden<br />

und ein beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Teil der Anlagen direkt in<br />

Form von Provisionen und Vergütungen an die<br />

Bes<strong>ch</strong>uldigten floss. Der S<strong>ch</strong>aden dürfte si<strong>ch</strong> auf<br />

mehrere hundert Millionen S<strong>ch</strong>weizer Franken<br />

belaufen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Langwierige Verfahren<br />

Die Verfahren im Berei<strong>ch</strong> Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

können lang dauern und bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Mittel<br />

der Polizei und Justiz binden. Dies geht vor allem<br />

auf die zahlrei<strong>ch</strong>en internationalen Re<strong>ch</strong>tshilfeersu<strong>ch</strong>en<br />

zurück, besonders wenn sie Off-<br />

Shore-Finanzzentren wie die Bahamas, British<br />

Virgin Islands oder Panama betreffen, mit denen<br />

keine Re<strong>ch</strong>tshilfeabkommen bestehen. Zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Beweiserhebungen im Ausland müssen<br />

auf dem langwierigen Re<strong>ch</strong>tshilfeweg getätigt<br />

werden.<br />

Keine Gefahr für die innere<br />

Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Ohne den Ergebnissen der laufenden Ermittlungen<br />

und den Strafverfahren vorzugreifen,<br />

kann allgemein festgehalten<br />

werden, dass die Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

für die S<strong>ch</strong>weiz<br />

keine grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedrohung<br />

der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />

darstellt. Sie gefährdet gegenwärtig<br />

au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t das Funktionieren der legalen<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft. Die Sensibilisierung der Öffentli<strong>ch</strong>keit<br />

für betrügeris<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften bleibt<br />

eines der wirksamsten Mittel der Betrugsbekämpfung.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Betrügereien mit Anlagefonds<br />

Sensibilisierung der<br />

Öffentli<strong>ch</strong>keit eines der<br />

wirksamsten Mittel der<br />

Betrugsbekämpfung<br />

Aufgrund der mögli<strong>ch</strong>en Gewinne wird die<br />

Anzahl Fälle von Betrügereien mit Anlagefonds<br />

in den nä<strong>ch</strong>sten Jahren wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aufhören<br />

anzusteigen.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

65


LAGE<br />

S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong> 2005 in<br />

der Spitzengruppe der am<br />

wenigsten korrupten<br />

Länder klassiert.<br />

66<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />

Prävention, Wa<strong>ch</strong>samkeit<br />

und Repression<br />

Die effektivsten Bekämpfungsformen von<br />

Betrug werden die öffentli<strong>ch</strong>e und private Vor-<br />

6.3. Korruption<br />

Das neue Korruptionsstrafre<strong>ch</strong>t<br />

Aufgrund des seit dem 1. Mai 2000 vers<strong>ch</strong>ärften<br />

Korruptionsstrafre<strong>ch</strong>ts wurden in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

bis Ende 2004 auf kantonaler Ebene 31 Urteile<br />

gefällt. Rund zwei Drittel der Verurteilten ma<strong>ch</strong>ten<br />

si<strong>ch</strong> der aktiven Beste<strong>ch</strong>ung von S<strong>ch</strong>weizer<br />

Amtsträgern s<strong>ch</strong>uldig. Ein einziges Urteil erging<br />

wegen Beste<strong>ch</strong>ung eines fremden Amtsträgers.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz gehört gemäss Transparency<br />

International (TI), einer Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisation,<br />

die si<strong>ch</strong> für die Einhaltung der international<br />

gültigen Grundsätze und Regeln im Kampf<br />

gegen die Korruption einsetzt, zu jener Staaten-<br />

gruppe, in der die Korruption<br />

von inländis<strong>ch</strong>en Amtsträgern<br />

als marginales Phänomen<br />

wahrgenommen wird. Gemäss<br />

Corruption Perceptions Index<br />

von TI war die S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong><br />

2005 in der Spitzengruppe der am wenigsten korrupten<br />

Länder klassiert. Denno<strong>ch</strong> treten in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz regelmässig Beste<strong>ch</strong>ungsfälle auf. Die<br />

Ans<strong>ch</strong>uldigungen gegen EDA-Mitarbeiter, für<br />

einen Aufpreis illegal Visa ausgestellt zu haben<br />

oder Verdä<strong>ch</strong>tigungen im Zusammenhang mit<br />

unter Marktpreisen verkauften Immobilien der<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Unfallversi<strong>ch</strong>erungsanstalt im<br />

Tessin benennen nur einige Fälle, in denen im<br />

Beri<strong>ch</strong>tsjahr Verfahren eröffnet wurden.<br />

Beste<strong>ch</strong>ung<br />

ausländis<strong>ch</strong>er Amtsträger<br />

Besonders s<strong>ch</strong>wierig ist die Eins<strong>ch</strong>ätzung des<br />

dur<strong>ch</strong> die Konvention der Organisation für Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(OECD) bekämpften und in der S<strong>ch</strong>weiz seit dem<br />

1. Mai 2000 unter Strafe stehenden Phänomens<br />

der Beste<strong>ch</strong>ung ausländis<strong>ch</strong>er Amtsträger. Unternehmen,<br />

die in Ländern mit systematis<strong>ch</strong>er<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

si<strong>ch</strong>t, sodann die Wa<strong>ch</strong>samkeit aller, die ges<strong>ch</strong>äftli<strong>ch</strong>e<br />

und finanzielle Verbindungen mit einem<br />

Partner, au<strong>ch</strong> aus der eigenen Gemeins<strong>ch</strong>aft, eingehen<br />

wollen, und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> eine konsequente<br />

Strafverfolgung bleiben.<br />

Korruption arbeiten, werden regelmässig ermuntert,<br />

si<strong>ch</strong> ungere<strong>ch</strong>tfertigte Vorteile zu erkaufen.<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Strafverfolgungsbehörden erhalten<br />

dur<strong>ch</strong> den Umstand, dass die Tat primär das<br />

Ausland betrifft, oft nur zufällig Kenntnis von<br />

Verfehlungen.<br />

Die Vorstellung, es handle si<strong>ch</strong> bei der Beste<strong>ch</strong>ung<br />

ausländis<strong>ch</strong>er Amtsträger um eine system-<br />

bedingte Notwendigkeit, geht<br />

langsam verloren, do<strong>ch</strong> zeigen<br />

Beispiele wie das UNO-Hilfsprogramm<br />

«Öl für Lebensmittel»<br />

die Korruptionsanfälligkeit<br />

au<strong>ch</strong> renommierter internationaler Unternehmen.<br />

Wie die unabhängige Untersu<strong>ch</strong>ungskommission<br />

aufgedeckt hat, besteht der Verda<strong>ch</strong>t,<br />

dass 139 der am Ölexport beteiligten Unternehmen<br />

und 2’253 Handelsfirmen dem irakis<strong>ch</strong>en<br />

Regime in einer Zeitspanne von zwei<br />

Jahren so genannte Kickbacks, also geheime<br />

Rückzahlungen oder Aufpreise, von insgesamt<br />

1,8 Milliarden Dollar überwiesen haben. Darunter<br />

befinden si<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weizer Firmen oder in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz ansässige Unternehmen. Die S<strong>ch</strong>weizer<br />

Justizbehörden werden im Einzelfall prüfen, ob<br />

der Straftatbestand der Korruption oder anderer<br />

Strafnormen erfüllt ist.<br />

Privatbeste<strong>ch</strong>ung<br />

Korruptionsanfälligkeit<br />

au<strong>ch</strong> renommierter internationaler<br />

Unternehmen.<br />

Bei Fällen von Privatbeste<strong>ch</strong>ung ist der angeri<strong>ch</strong>tete<br />

S<strong>ch</strong>aden auf den ersten Blick ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>tbar.<br />

Opfer im herkömmli<strong>ch</strong>en Sinn gibt es keine.<br />

Aufgedeckt werden Privatbeste<strong>ch</strong>ungen in der<br />

Regel nur aufgrund von Hinweisen und Anzeigen<br />

von Drittpersonen. Zahlrei<strong>ch</strong>e Unternehmen geben<br />

bei Befragungen an, von Beste<strong>ch</strong>ungsvorfällen<br />

betroffen zu sein, bes<strong>ch</strong>liessen aber aus Fur<strong>ch</strong>t<br />

vor Reputationss<strong>ch</strong>äden, die Verfehlungen ohne<br />

die Eins<strong>ch</strong>altung der Behörden zu ahnden.


BEURTEILUNG<br />

Hohe Dunkelziffer<br />

Aus der Anzahl von Verurteilungen kann<br />

ni<strong>ch</strong>t unbedingt auf den wirkli<strong>ch</strong>en Umfang von<br />

Korruption ges<strong>ch</strong>lossen werden. Da es si<strong>ch</strong> bei<br />

Korruption um Delikte mit einer Doppeltäters<strong>ch</strong>aft<br />

handelt und sowohl der Beste<strong>ch</strong>ende wie<br />

der Besto<strong>ch</strong>ene ein Interesse an der Vers<strong>ch</strong>leierung<br />

der Tat haben, muss von einer im Verglei<strong>ch</strong><br />

mit anderen Deliktsfeldern hohen Dunkelziffer<br />

ausgegangen werden. Verlässli<strong>ch</strong>e Studien hierzu<br />

liegen ni<strong>ch</strong>t vor.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Korruption si<strong>ch</strong>tbar ma<strong>ch</strong>en<br />

Die Entwicklung hängt massgebli<strong>ch</strong> davon ab,<br />

ob es gelingen wird, Korruptionsabläufe si<strong>ch</strong>tbar<br />

6.4. Fals<strong>ch</strong>geld<br />

LAGE<br />

Fäls<strong>ch</strong>ungen von Fremdwährungen<br />

Seit der Euro in Europa das wi<strong>ch</strong>tigste Zahlungsmittel<br />

ist, ist ein Rückgang der si<strong>ch</strong>ergestellten<br />

Fäls<strong>ch</strong>ungen von US-Dollar festzustellen.<br />

Für die S<strong>ch</strong>weiz waren 2005 deshalb vor allem<br />

Fäls<strong>ch</strong>ungen von Euro von Bedeutung.<br />

Immer mehr im Druckverfahren hergestellte,<br />

qualitativ ho<strong>ch</strong>wertige Eurofäls<strong>ch</strong>ungen tau<strong>ch</strong>ten<br />

auf. Die Fäls<strong>ch</strong>ungen wurden in erster Linie<br />

im S<strong>ch</strong>weizer Notenhandel si<strong>ch</strong>ergestellt und<br />

stammten vorwiegend aus Frankrei<strong>ch</strong>, Italien<br />

und Bulgarien. In der S<strong>ch</strong>weiz wurden Fäls<strong>ch</strong>ungen<br />

vielfa<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ausländis<strong>ch</strong>e Staatsangehörige<br />

überwiegend in Verkaufsges<strong>ch</strong>äften oder in Spielkasinos<br />

abgesetzt. Es wurden jedo<strong>ch</strong> 2005 keine<br />

grossen Fälle verzei<strong>ch</strong>net.<br />

Einzeltäter bei Frankenfäls<strong>ch</strong>ungen<br />

Frankenfäls<strong>ch</strong>ungen wurden vorwiegend von<br />

Einzeltätern im Kopierverfahren mit Laser- oder<br />

Tintenstrahldruckern hergestellt. In der Regel<br />

handelte es si<strong>ch</strong> um vor- und rückseitige Tintenstrahldrucke<br />

ohne Na<strong>ch</strong>ahmung von Si<strong>ch</strong>erheitsmerkmalen.<br />

Die Fäls<strong>ch</strong>ungen sind au<strong>ch</strong> für den<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />

zu ma<strong>ch</strong>en und damit die Aufdeckungsrate zu<br />

erhöhen. Allein dur<strong>ch</strong> die Ausweitung der strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Bestimmung wird dies ni<strong>ch</strong>t zu errei<strong>ch</strong>en<br />

sein. Aufgrund der minimalen Aufdeckungswahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />

wird kaum eine präventive<br />

Wirkung erzielt. Es ist daher wie bis anhin<br />

mit vereinzelt zufällig aufgedeckten publikums-<br />

wirksamen Beste<strong>ch</strong>ungsfällen<br />

zu re<strong>ch</strong>nen. Am wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>sten<br />

sind dabei Korruptionshandlungen<br />

in den von<br />

den Experten als besonders<br />

anfällig für Korruption und Preisabspra<strong>ch</strong>en<br />

bezei<strong>ch</strong>neten Bran<strong>ch</strong>en Bauwesen, Immobilienwirts<strong>ch</strong>aft,<br />

Versi<strong>ch</strong>erungswesen, Handel und Finanzdienstleistungen.<br />

Ni<strong>ch</strong>tfa<strong>ch</strong>mann lei<strong>ch</strong>t erkennbar. Bei einigen<br />

Fäls<strong>ch</strong>ungen wurde dur<strong>ch</strong> die Täters<strong>ch</strong>aft ledigli<strong>ch</strong><br />

der Fensterfaden oder das Kinegramm mit<br />

einem Silberstift na<strong>ch</strong>geahmt. Die S<strong>ch</strong>adenhöhe<br />

der fals<strong>ch</strong>en in Umlauf gebra<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>weizerwährung<br />

liegt bei rund 0,01 Promille des gesamten<br />

Notenumlaufs.<br />

Mehr Fälle – kleinere Summen<br />

Vereinzelt zufällig aufgedeckte<br />

publikumswirksame<br />

Beste<strong>ch</strong>ungsfälle.<br />

2005 wurde 50,4 Prozent weniger Fals<strong>ch</strong>geld<br />

si<strong>ch</strong>ergestellt als im Vorjahr. Eine gegenläufige<br />

Entwicklung ist wie s<strong>ch</strong>on 2004 (Zunahme von<br />

22 Prozent) bei den eingegangenen Anzeigen zu<br />

beoba<strong>ch</strong>ten, die um rund 0,6 Prozent zugenommen<br />

haben. Diese Steigerung beruht auf einer<br />

Zunahme von Anzeigen, die nur kleinere Summen<br />

betrafen. Vermehrt wurden die Fäls<strong>ch</strong>ungen<br />

von den Opfern erkannt und führten zur Verhaftung<br />

beziehungsweise Anhaltung der Täter<br />

dur<strong>ch</strong> die Polizei.<br />

Zu den positiven Entwicklungen zählt ebenfalls,<br />

dass der Anteil der Jugendli<strong>ch</strong>en, die mit<br />

Hilfe von Computern hergestellte Farbkopiefäls<strong>ch</strong>ungen<br />

in Umlauf bra<strong>ch</strong>ten, von 13,5 Prozent<br />

vor drei Jahren auf 7,4 (2004) beziehungsweise 6,4<br />

Prozent (2005) drastis<strong>ch</strong> gesunken ist.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 67


68<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />

Fals<strong>ch</strong>e Euronote. Die 125-Eurofäls<strong>ch</strong>ung konnte<br />

in einem Solothurner Ges<strong>ch</strong>äft erfolgrei<strong>ch</strong> abgesetzt<br />

werden. FOTO POLIZEI<br />

BEURTEILUNG<br />

Keine gravierende Störung<br />

Gemäss Polizeistatistik wurde in den letzten<br />

Jahren im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt Fals<strong>ch</strong>geld in Höhe von<br />

rund 300’000 S<strong>ch</strong>weizer Franken erfolgrei<strong>ch</strong><br />

abgesetzt. Verglei<strong>ch</strong>t man diese Summe mit dem<br />

dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en Notenumlaufvolumen von<br />

jährli<strong>ch</strong> rund 34 Milliarden S<strong>ch</strong>weizer Franken,<br />

so kann ges<strong>ch</strong>lossen werden, dass dies zu keinen<br />

gravierenden Störungen der S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft<br />

führte.<br />

Fals<strong>ch</strong>e Euronoten bei S<strong>ch</strong>weizer Finanzinstituten<br />

abzusetzen, ist na<strong>ch</strong> wie vor s<strong>ch</strong>wierig.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Kein neuer Trend<br />

Aufgrund der geografis<strong>ch</strong>en Lage der S<strong>ch</strong>weiz<br />

als Transitland wird Fals<strong>ch</strong>geld au<strong>ch</strong> in Zukunft<br />

eine Rolle spielen. Gegenwärtig<br />

sind keine neuen Trends Keine s<strong>ch</strong>werwiegende<br />

bezügli<strong>ch</strong> Tätergruppen oder Störung der S<strong>ch</strong>weizer<br />

Vorgehensweisen erkennbar, Wirts<strong>ch</strong>aft zu erwarten.<br />

was einen ähnli<strong>ch</strong>en Umfang<br />

von im Umlauf befindli<strong>ch</strong>em Fals<strong>ch</strong>geld und<br />

weiterhin keine s<strong>ch</strong>werwiegende Störung der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft erwarten lässt.


<strong>BERICHT</strong> 2005<br />

7. Weitere Aspekte der<br />

inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />

7.1. Allgemeine Kriminalität 70<br />

7.2. Jugend- und Gewaltkriminalität 70<br />

7.3. Hooliganismus 72<br />

7.4. Luftsi<strong>ch</strong>erheit 73<br />

7.5. Waffen, Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik 74<br />

7.6. Cyberkriminalität und Information Assurance 75<br />

7.7. Kinderpornografie 77<br />

7.8. Internationale Zusammenarbeit 80


70<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

7.1. Allgemeine Kriminalität<br />

LAGE<br />

Blitzeinbrü<strong>ch</strong>e<br />

Seit rund fünf Jahren sieht si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz mit<br />

dem Phänomen der so genannten Blitzeinbrü<strong>ch</strong>e<br />

in S<strong>ch</strong>muck- und Uhrenfa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfte konfrontiert.<br />

Gezielt werden dabei ho<strong>ch</strong>wertige Produkte<br />

gestohlen. Betroffen ist die gesamte S<strong>ch</strong>weiz,<br />

wobei grössere Ballungszentren Ziele der Einbre<strong>ch</strong>erbanden<br />

sind.<br />

Der Verkaufswert des gesamten Deliktsguts,<br />

ohne die verursa<strong>ch</strong>ten Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen etwa<br />

an Immobilien oder Fahrzeugen, bewegt si<strong>ch</strong> in<br />

zweistelliger Millionenhöhe. Die Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>äden<br />

betragen s<strong>ch</strong>ätzungsweise mehrere Millionen<br />

S<strong>ch</strong>weizer Franken.<br />

Von den zahlrei<strong>ch</strong>en gestohlenen Uhren, oftmals<br />

Luxusuhren, sind nur wenige, insgesamt<br />

weniger als fünf Prozent, wieder zum Vors<strong>ch</strong>ein<br />

gekommen. Ähnli<strong>ch</strong> verhält es si<strong>ch</strong> mit den in<br />

derselben Zeitspanne entwendeten S<strong>ch</strong>muckstücken.<br />

BEURTEILUNG<br />

Unbekannte Organisationsstruktur<br />

Bisher konnte keine übergeordnete Organisationsstruktur<br />

der vers<strong>ch</strong>iedenen Tätergruppen<br />

entdeckt werden. Die Erkenntnis, dass nur sehr<br />

wenige Teile des Deliktsguts wieder aufgefunden<br />

LAGE<br />

Aufsehen erregende Prozesse<br />

und Urteile<br />

Standen in den Vorjahren die unmittelbaren<br />

Taten im Mittelpunkt des medialen Interesses,<br />

sorgten 2005 hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Prozesse und Urteile<br />

gegen Minderjährige und junge Erwa<strong>ch</strong>sene für<br />

Aufsehen, die Gewaltdelikte begangen hatten.<br />

Die vier Gewaltstraftäter zum Beispiel, die beim<br />

Raubüberfall in der Postgasse in Bern im Jahr<br />

2003 das Opfer so brutal niederges<strong>ch</strong>lagen hatten,<br />

dass sie wegen versu<strong>ch</strong>ter vorsätzli<strong>ch</strong>er Tö-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

worden sind, lässt aber auf gut organisiere Ab-<br />

satzwege für das Diebesgut<br />

s<strong>ch</strong>liessen. Es ist ebenfalls<br />

davon auszugehen, dass zumindest<br />

Teile der gestohlenen<br />

S<strong>ch</strong>muckstücke wieder in den<br />

legalen Handel gelangen.<br />

Eine Konzentration zeigt si<strong>ch</strong> bei der Täters<strong>ch</strong>aft:<br />

Ein Grossteil stammt aus Südost- respektive<br />

Osteuropa. Neben der S<strong>ch</strong>weiz sind au<strong>ch</strong><br />

weitere europäis<strong>ch</strong>e Länder wie zum Beispiel<br />

Deuts<strong>ch</strong>land und Österrei<strong>ch</strong> von diesem Kriminalitätsphänomen<br />

betroffen.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Raubüberfälle statt Einbrü<strong>ch</strong>e<br />

Im Verglei<strong>ch</strong> zum Vorjahr waren 2005 die<br />

Blitzeinbrü<strong>ch</strong>e in Bijouterieges<strong>ch</strong>äfte rückläufig.<br />

Aus heutiger Si<strong>ch</strong>t dürfte dies auf zwei Faktoren<br />

zurückzuführen sein: auf bauli<strong>ch</strong>e Massnahmen<br />

zum besseren S<strong>ch</strong>utz der Bijouterien und auf die<br />

präventive Wirkung erfolgrei<strong>ch</strong>er polizeili<strong>ch</strong>er<br />

Ermittlungen mit der Festnahme mehrerer Täter.<br />

Aus Umfragen bei Na<strong>ch</strong>barstaaten wurde allerdings<br />

ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, dass verbesserte bauli<strong>ch</strong>e Massnahmen<br />

eine Verlagerung von Einbru<strong>ch</strong> zu Raub<br />

bewirkten. Dieser Trend könnte si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz manifestieren.<br />

7.2. Jugend- und Gewaltkriminalität<br />

tung unter Anklage standen, wurden zu elf, neun<br />

und se<strong>ch</strong>seinhalb Jahren Zu<strong>ch</strong>thaus verurteilt.<br />

Einer muss in eine Arbeitserziehungsanstalt. Die<br />

jungen Erwa<strong>ch</strong>senen, die 2003 in Yverdon einen<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en töteten, wurden vom Waadtländer<br />

Kreisgeri<strong>ch</strong>t zu 19 respektive 20 Jahren Zu<strong>ch</strong>thaus<br />

verurteilt.<br />

Trend zu mehr Gewalttätigkeit<br />

setzt si<strong>ch</strong> fort<br />

Bisher keine übergeordnete<br />

Organisationsstruktur der<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Tätergruppen<br />

entdeckt.<br />

Der seit längerem anhaltende Trend zu mehr<br />

Gewalttätigkeit bei Jugendli<strong>ch</strong>en setzte si<strong>ch</strong> fort.


Hohe Dunkelziffer bei<br />

s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren Formen von<br />

Gewaltdelikten.<br />

18 Prozent aller in der Polizeili<strong>ch</strong>en Kriminalstatistik<br />

(PKS) erfassten Anzeigen betrafen im<br />

Jahr 2004 minderjährige Täter und Täterinnen.<br />

Seit 1995 entspri<strong>ch</strong>t dies zwar einem Tiefststand.<br />

Wählt man jedo<strong>ch</strong> Anzeigen gegen Minderjährige<br />

zu Straftatbeständen gegen Leib und Leben<br />

(Tötungen, Körperverletzungen, Drohungen,<br />

Gewalt und Drohungen gegen Beamte und Behörden,<br />

Raub und Brandstiftung) und gegen die<br />

sexuelle Integrität aus, ma<strong>ch</strong>en diese zirka 23<br />

Prozent aller Anzeigen gegen Minderjährige aus.<br />

Ausser bei den Tötungs- und Raubdelikten sowie<br />

der Brandstiftung ist der Anteil Anzeigen gegen<br />

Minderjährige in allen diesen Delikten gegenüber<br />

dem Vorjahr angestiegen. Im Zehnjahresverglei<strong>ch</strong><br />

wird deutli<strong>ch</strong>, wie mehr oder weniger<br />

kontinuierli<strong>ch</strong> die Anzahl Anzeigen gegen Minderjährige<br />

bei den meisten Gewalt- und Sexualdelikten<br />

anstieg.<br />

Au<strong>ch</strong> die Entwicklung der Urteile gegen<br />

Minderjährige in den Jahren 1999 bis 2003 zeigt<br />

einen ansteigenden Trend. Zudem weist eine<br />

2005 an der Universität Lausanne dur<strong>ch</strong>geführte<br />

Befragung von Jugendli<strong>ch</strong>en darauf hin, dass im<br />

Verglei<strong>ch</strong> zu 1992 ni<strong>ch</strong>t nur eine effektive Zunahme<br />

der Anzahl jugendli<strong>ch</strong>er Täter feststellbar,<br />

sondern dass au<strong>ch</strong> die Anzahl verübter Delikte<br />

pro Person gestiegen ist.<br />

Einige Fa<strong>ch</strong>leute vertreten weiterhin die<br />

Meinung, der Anstieg sei vor allem auf eine<br />

gestiegene Sensibilität in der Gesells<strong>ch</strong>aft gegenüber<br />

Gewaltdelikten und auf eine dement-<br />

spre<strong>ch</strong>end erhöhte Anzeigebereits<strong>ch</strong>aft<br />

zurückzuführen.<br />

Andere Experten halten dem<br />

entgegen, dass gerade im Berei<strong>ch</strong><br />

der s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren Formen<br />

von Gewaltdelikten wie zum Beispiel Tätli<strong>ch</strong>keiten<br />

eine hohe Dunkelziffer vorhanden sei.<br />

Nur ein sehr kleiner Teil der Jugend<br />

kriminell auffällig<br />

Die Urteilsstatistik des Bundesamtes für Statistik<br />

für 2003 zeigt, dass nur zwei Promille der<br />

minderjährigen Wohnbevölkerung, das heisst der<br />

7- bis 18-Jährigen, wegen Gewaltdelikten verurteilt<br />

wurden. Dieser kleine Prozentsatz ma<strong>ch</strong>t<br />

zweierlei deutli<strong>ch</strong>: Die Anzahl Gewalttaten von<br />

Minderjährigen nahm zwar zu, und es sind Anzei<strong>ch</strong>en<br />

vorhanden, dass si<strong>ch</strong> die Gewalthandlungen<br />

in den letzten Jahren intensivierten, denno<strong>ch</strong><br />

wurde nur ein sehr kleiner Teil der Jugend kriminell<br />

auffällig. Zum anderen waren es aber gerade<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

die Gruppen von Intensivtätern, die über längere<br />

Zeit aktiv waren und immer s<strong>ch</strong>werer wiegende<br />

Gewalttaten verübten, die Polizeikräfte banden,<br />

Ängste in der Bevölkerung hervorriefen und<br />

anstiftend auf andere Jugendli<strong>ch</strong>e wirken konnten.<br />

Vor allem die Früherkennung, aber au<strong>ch</strong> angemessene<br />

präventive und repressive Reaktionen<br />

auf Gewalthandlungen dieser Risikogruppen<br />

können helfen, kriminelle Karrieren zu verhindern.<br />

BEURTEILUNG<br />

S<strong>ch</strong>wieriger Umgang<br />

mit Jugendgewalt<br />

Gewaltkriminalität von Jugendli<strong>ch</strong>en ist kein<br />

isoliertes Phänomen. Betra<strong>ch</strong>tet man die Entwicklung<br />

der Anzeigen gegen erwa<strong>ch</strong>sene Personen, ist<br />

der steigende Trend bei den<br />

Körperverletzungen und den<br />

Drohungen no<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>er als<br />

bei den Anzeigen gegen Minderjährige.<br />

Die jungen Erwa<strong>ch</strong>senen<br />

(18- bis 25-Jährige) können allerdings<br />

in der Anzeigestatistik ni<strong>ch</strong>t gesondert ausgewiesen<br />

werden. Gerade diese Altersklasse ist aber vor<br />

allem bei Gewaltdelikten eine bekannte Risikogruppe.<br />

Trotz dieser Uns<strong>ch</strong>ärfe lässt si<strong>ch</strong> aber festhalten:<br />

Der Verglei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Anzeigen gegen<br />

Minderjährige und gegen Erwa<strong>ch</strong>sene zeigt,<br />

dass die Zunahme der Gewaltdelikte bei Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

medial überzei<strong>ch</strong>net wird.<br />

Gemäss Expertenkreisen wurden mit den<br />

oben erwähnten hohen Freiheitsstrafen au<strong>ch</strong><br />

Exempel statuiert. Sie sind eine Reaktion auf die<br />

öffentli<strong>ch</strong>e Empörung gegenüber Jugendgewalt,<br />

und man erhofft si<strong>ch</strong> davon eine generalpräventive<br />

Wirkung.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Keine Unruhen von grösserer<br />

Tragweite zu befür<strong>ch</strong>ten<br />

Gewaltkriminalität von<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en ist kein<br />

isoliertes Phänomen.<br />

Grössere, ethnis<strong>ch</strong> geprägte Jugendunruhen<br />

wie etwa in Frankrei<strong>ch</strong> im Herbst 2005 sind in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz wenig wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>. Die Kleinflä<strong>ch</strong>igkeit<br />

der S<strong>ch</strong>weiz, die bis anhin relativ gute<br />

soziale Dur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>ung in den Quartieren, das<br />

Fehlen ghettoähnli<strong>ch</strong>er Vorstädte und die engmas<strong>ch</strong>igen<br />

sozialen Einri<strong>ch</strong>tungen gelten als protektive<br />

Faktoren gegen Jugendunruhen.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

71


72<br />

<strong>BERICHT</strong> 2004 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

7.3. Hooliganismus<br />

LAGE<br />

Gewaltproblem ungelöst<br />

Fussball- und Eishockeyspiele wurden in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz von mehreren hundert meist sehr jungen<br />

Personen als Plattform für Gewalt, Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />

und zum Teil au<strong>ch</strong> für politis<strong>ch</strong>en Extre-<br />

mismus missbrau<strong>ch</strong>t. Spiele<br />

der Klubmeisters<strong>ch</strong>aften wurden<br />

regelmässig von Gewalt<br />

übers<strong>ch</strong>attet, während Spiele<br />

der S<strong>ch</strong>weizer Nationalmanns<strong>ch</strong>aften<br />

jeweils fast gänzli<strong>ch</strong> ohne Zwis<strong>ch</strong>enfälle<br />

über die Bühne gingen. S<strong>ch</strong>auplätze der Gewalt<br />

waren die Stadien selbst, die Anmars<strong>ch</strong>wege zu<br />

den Stadien oder aber beliebige andere Orte.<br />

Spiele der Klubmeisters<strong>ch</strong>aften<br />

regelmässig von Gewalt<br />

übers<strong>ch</strong>attet.<br />

Neunzig Verletzte in einer Saison<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz wurden im Verlauf der Eishockey-<br />

und Fussballsaison 2004/2005 rund 570<br />

Personen festgenommen, die si<strong>ch</strong> an Gewalt im<br />

Zusammenhang mit Sportanlässen beteiligt hatten<br />

oder zu wenig von den Gewalttätern abgrenzbar<br />

waren. Rund neunzig Personen, darunter<br />

au<strong>ch</strong> Polizisten, Si<strong>ch</strong>erheitsangestellte der Stadienbetreiber<br />

und Unbeteiligte wurden verletzt.<br />

Während si<strong>ch</strong> im Eishockey im Verglei<strong>ch</strong> zu<br />

den Vorjahren die Lage lei<strong>ch</strong>t beruhigte, war die<br />

Entwicklung im Fussball negativ.<br />

Grenzübers<strong>ch</strong>reitende Beteiligung<br />

an Krawallen<br />

Gewaltbereite S<strong>ch</strong>weizer Fussballfans übers<strong>ch</strong>ritten<br />

auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Konfrontationen<br />

au<strong>ch</strong> die Landesgrenze. Am 8. April 2005 wurden<br />

im deuts<strong>ch</strong>en Neu-Ulm 28 Angehörige der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Hooliganszene na<strong>ch</strong> Randalen und<br />

Angriffen auf die Polizei festgenommen. S<strong>ch</strong>weizer<br />

Fans attackierten au<strong>ch</strong> am 15. September<br />

2005 in Kopenhagen die Polizei. Dabei wurden<br />

97 S<strong>ch</strong>weizer festgenommen und drei von ihnen<br />

im Ans<strong>ch</strong>luss zu Gefängnisstrafen von bis zu<br />

siebzig Tagen verurteilt.<br />

Au<strong>ch</strong> der «Krawall-Tourismus» ausländis<strong>ch</strong>er<br />

Gewalttäter in die S<strong>ch</strong>weiz nahm zu. S<strong>ch</strong>weizer<br />

Hooligangruppen unterhalten vornehmli<strong>ch</strong> mit<br />

deuts<strong>ch</strong>en Hooligans enge Verbindungen.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

BEURTEILUNG<br />

Problemgruppe von mehreren<br />

hundert Personen<br />

Der Kern von Personen,die gezielt Gewalt bei<br />

Sportveranstaltungen su<strong>ch</strong>ten, umfasste 2005 in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz rund vierhundert Personen. Weitere<br />

rund se<strong>ch</strong>shundert Personen beteiligten si<strong>ch</strong> in<br />

diesem Umfeld gelegentli<strong>ch</strong> an Gewaltauss<strong>ch</strong>reitungen<br />

und Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen. Die grössten<br />

Probleme bestehen in Basel,Züri<strong>ch</strong>,Bern,Luzern<br />

und Lugano, wobei si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in den Regionen<br />

Aarau, St. Gallen und Sitten kleinere Szenen<br />

gewaltbereiter Personen gebildet haben.<br />

Der harte Kern der Hooligans ist gut organisiert<br />

und su<strong>ch</strong>te hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die Auseinandersetzung<br />

mit Glei<strong>ch</strong>gesinnten. Eine bedeutendere<br />

Beeinträ<strong>ch</strong>tigung der öffentli<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheit ging<br />

2005 von unorganisierten Gruppen zumeist junger<br />

Personen aus, die gewalttätige Auseinandersetzungen<br />

mit gegneris<strong>ch</strong>en Fans, aber au<strong>ch</strong> mit<br />

Unbeteiligten und der Polizei su<strong>ch</strong>ten. Diese<br />

Gruppe zählt zum Teil zur Szene<br />

der Ultras, das heisst zu den<br />

fanatis<strong>ch</strong>en Fans. Na<strong>ch</strong> den<br />

Beoba<strong>ch</strong>tungen der Polizei<br />

nahm die Intensität der Gewalt zu, glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

sank das Alter der Täter. Zahlrei<strong>ch</strong>e Gewalttäter<br />

gehörten der Altersgruppe der 13- bis 16-Jährigen<br />

an.<br />

Plattform für politis<strong>ch</strong>en<br />

Extremismus<br />

Es gibt zum Teil Übers<strong>ch</strong>neidungen zwis<strong>ch</strong>en<br />

der Gruppe der jungen unorganisierten Gewalttäter<br />

und der Szene der Mitläufer bei Krawallen,<br />

die am Rande von Demonstrationen mit vornehmli<strong>ch</strong><br />

linksextremem Hintergrund stattfinden.<br />

Generell sind unter den gewaltbereiten Fans<br />

allerdings re<strong>ch</strong>tsextreme Ansi<strong>ch</strong>ten eher verbreitet.<br />

fedpol (DAP) geht davon aus, dass 10 bis 15<br />

Prozent der gewaltbereiten Szene Kontakte zum<br />

re<strong>ch</strong>tsextremen Milieu unterhalten.<br />

Aufhebung der Anonymität als Ziel<br />

Härte der Gewalt nimmt zu,<br />

und das Alter der Täter sinkt.<br />

Die grosse Zahl gewaltbereiter Störer und die<br />

mangelnde Ents<strong>ch</strong>lossenheit man<strong>ch</strong>er Fangruppierungen,<br />

si<strong>ch</strong> von Gewalttätern zu distanzieren,<br />

ma<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> bei gewöhnli<strong>ch</strong>en Fussballmeister-


s<strong>ch</strong>aftsspielen aufwändige und teure Einsätze der<br />

Polizei erforderli<strong>ch</strong>. Vermehrt wählen die zuständigen<br />

Polizeikorps eine Strategie des konsequenten<br />

Dur<strong>ch</strong>greifens gegen Fussballkrawalle<br />

und so genannte «Fan-Saubannerzüge». Ziel ist<br />

die Aufhebung der Anonymität Gewalt su<strong>ch</strong>ender<br />

Personen, die aus dem S<strong>ch</strong>utz grosser Gruppen<br />

heraus agieren.<br />

Zur Aufhebung der Anonymität trüge ein besserer<br />

interkantonaler Austaus<strong>ch</strong> von Informationen<br />

über polizeili<strong>ch</strong> bekannte Gewalttäter bei. In<br />

vielen Fällen ist dieser aber re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

zulässig.<br />

Handlungsbedarf<br />

auf Veranstalterseite<br />

Primär sind die Veranstalter für die Stadionsi<strong>ch</strong>erheit<br />

verantwortli<strong>ch</strong>. Die Polizei s<strong>ch</strong>reitet<br />

in den Stadien nur bei einer Eskalation ein.<br />

Zwis<strong>ch</strong>enfälle haben deutli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, dass Anpassungen<br />

bei den Si<strong>ch</strong>erheitsdispositiven der<br />

Stadionbetreiber nötig sind. Die Zutrittskontrollen<br />

müssen verbessert werden, um das gefährli<strong>ch</strong>e<br />

Abbrennen verbotener Feuerwerkskörper<br />

zu verhindern.<br />

Die Swiss Football League hat im Verlauf<br />

des Jahres 2005 neue Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen in<br />

Kraft gesetzt. Klubs haften neu au<strong>ch</strong> bei Auswärtsspielen<br />

für das Fehlverhalten ihrer Fans.<br />

Au<strong>ch</strong> wurden sämtli<strong>ch</strong>e Klubs verpfli<strong>ch</strong>tet, je<br />

einen Si<strong>ch</strong>erheits- und Fanverantwortli<strong>ch</strong>en einzusetzen.<br />

7.4. Luftsi<strong>ch</strong>erheit<br />

LAGE<br />

Terrorans<strong>ch</strong>lag auf spanis<strong>ch</strong>en<br />

Flughafen<br />

Die ETA bes<strong>ch</strong>oss im Mai 2005 den Flughafen<br />

von Saragossa mit zwei Mörsergranaten. Die Ges<strong>ch</strong>osse<br />

s<strong>ch</strong>lugen dreihundert Meter neben einer<br />

Abfertigungshalle ein und verursa<strong>ch</strong>ten einigen<br />

Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aden. Eine erneute Drohung gegen diesen<br />

Flughafen ging Ende Oktober 2005 ein.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2004 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

Festgenommene S<strong>ch</strong>weizer Fussballfans. Vor<br />

dem Spiel in Kopenhagen am 15. September 2005<br />

nahm die dänis<strong>ch</strong>e Polizei 97 S<strong>ch</strong>weizer Fussballfans<br />

fest. FOTO KEYSTONE<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Keine Entspannung in Si<strong>ch</strong>t<br />

Zurzeit deutet ni<strong>ch</strong>ts auf ein Abflauen der<br />

Gewalt bei Sportanlässen hin. Die Polizei beoba<strong>ch</strong>tet<br />

im Gegenteil eine Zunahme des Phänomens.<br />

Es ist davon auszugehen, dass während der<br />

UEFA EURO 2008 Hunderte bis Tausende gewaltbereite<br />

ausländis<strong>ch</strong>e Fussballfans versu<strong>ch</strong>en<br />

werden, in die S<strong>ch</strong>weiz zu reisen. Dies gilt es in<br />

Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeistellen<br />

in Europa zu verhindern. Im Ausland<br />

polizeili<strong>ch</strong> bekannte Gewalttäter sollen im Vorhinein<br />

an der Ausreise gehindert werden. Szenekundige<br />

ausländis<strong>ch</strong>e Polizeibeamte sollen während<br />

der UEFA EURO 2008 ihre S<strong>ch</strong>weizer<br />

Kollegen beim Erkennen und Anspre<strong>ch</strong>en potenziell<br />

gewalttätiger Fans unterstützen. Im Rahmen<br />

des Si<strong>ch</strong>erheitskonzepts werden umfangrei<strong>ch</strong>e<br />

Massnahmen getroffen.<br />

S<strong>ch</strong>ultergestützte<br />

Boden-Luft-Raketen<br />

Gemäss offiziell nie bestätigten Medienberi<strong>ch</strong>-<br />

ten soll im Oktober 2005 eine<br />

französis<strong>ch</strong>e Terrorzelle Boden-Luft-Raketen<br />

von ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enis<strong>ch</strong>en<br />

Rebellen erhalten<br />

haben. S<strong>ch</strong>ultergestützte<br />

Tausende von Manpads<br />

in Händen ni<strong>ch</strong>tstaatli<strong>ch</strong>er<br />

Akteure.<br />

Flugabwehrsysteme, so genannte Man Portable<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

73


74<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

Air Defence Systems (Manpads), stellen gemäss<br />

einer amerikanis<strong>ch</strong>en Studie eine immer grössere<br />

Bedrohung für die Zivilluftfahrt dar. Seit 1978<br />

sind rund dreissig Angriffe auf Zivilflugzeuge<br />

dur<strong>ch</strong> Manpads bekannt geworden.<br />

S<strong>ch</strong>ätzungen zufolge sollen seit 1950 weltweit<br />

etwa eine Million Boden-Luft-Raketen produziert<br />

worden sein; die Anzahl der in Händen<br />

ni<strong>ch</strong>tstaatli<strong>ch</strong>er Akteure befindli<strong>ch</strong>en soll in die<br />

Tausende gehen. Ausländis<strong>ch</strong>e Meldungen über<br />

Diebstähle oder Funde sol<strong>ch</strong>er Raketen häufen<br />

si<strong>ch</strong>. In Europa – au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz – befassen<br />

si<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden mit der<br />

Frage, wie die internationale Zivilluftfahrt gegen<br />

Manpads ges<strong>ch</strong>ützt werden kann.<br />

Vorfälle im Jahr 2005<br />

Im Jahr 2005 wurden fedpol (DAP) 78 (Vorjahr<br />

86) si<strong>ch</strong>erheitsrelevante Vorkommnisse im<br />

internationalen zivilen Luftverkehr bekannt. Dabei<br />

fanden 11 (Vorjahr 94) Personen den Tod.<br />

Vorfälle in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

● Im Zusammenhang mit dem WEF 05 musste<br />

die S<strong>ch</strong>weizer Luftwaffe se<strong>ch</strong>smal intervenieren:<br />

Die Flugzeuge wurden identifiziert,<br />

bevor sie in den gesperrten Luftraum eindrangen.<br />

● Ende Januar 2005 gingen innerhalb weniger<br />

Stunden vers<strong>ch</strong>iedene Bombendrohungen<br />

gegen zwei Fluggesells<strong>ch</strong>aften ein, die regelmässige<br />

Flugverbindungen ab Genf-Cointrin<br />

mit dem bena<strong>ch</strong>barten Ausland unterhalten.<br />

● Im März 2005 ging bei einer diplomatis<strong>ch</strong>en<br />

Vertretung im Ausland eine Warnung ein,<br />

wona<strong>ch</strong> zwei in Berlin wohnhafte Personen<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

mit angebli<strong>ch</strong>en Verbindungen zu Usama bin<br />

Laden die Entführung eines Flugzeuges der<br />

American Airlines auf dem Flug von Züri<strong>ch</strong>-<br />

Kloten na<strong>ch</strong> New York planten, um damit<br />

einen Terrorans<strong>ch</strong>lag zu verüben.<br />

● Im Juli wurde der S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in<br />

Berlin gemeldet, es sei eine Entführung einer<br />

Mas<strong>ch</strong>ine der Swiss auf dem Flug von Genf<br />

na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong> geplant.<br />

● Im Oktober 2005 ging auf dem Flughafen<br />

Züri<strong>ch</strong>-Kloten eine Bombendrohung gegen<br />

ein von Züri<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Istanbul fliegendes<br />

Flugzeug ein. Ein Flugzeug wurde deswegen<br />

zu einer Notlandung na<strong>ch</strong> Budapest umgeleitet,<br />

ein weiteres in Züri<strong>ch</strong>-Kloten dur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>t.<br />

In beiden Flugzeugen wurde kein Sprengstoff<br />

gefunden.<br />

In allen Fällen wurden die notwendigen Abklärungen<br />

und Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen getroffen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Steigende Bedrohung<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts der steigenden Bedrohungen müssen<br />

die Si<strong>ch</strong>erheitsdispositive weiterhin aufre<strong>ch</strong>terhalten<br />

werden.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Ans<strong>ch</strong>läge mögli<strong>ch</strong><br />

Terrorans<strong>ch</strong>läge auf Infrastruktureinri<strong>ch</strong>tungen<br />

eins<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Flughäfen und Flugzeuge sind<br />

trotz hohen Si<strong>ch</strong>erheitsstandards weiterhin mögli<strong>ch</strong>.<br />

7.5. Waffen, Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik<br />

LAGE<br />

Waffen<br />

Am 2. März 2005 erfolgten zeitglei<strong>ch</strong> in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz, Deuts<strong>ch</strong>land und Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ien Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ungen<br />

bei einem Waffenhersteller und<br />

zwei Waffenhändlern. Aufgrund des si<strong>ch</strong>ergestellten<br />

Materials und der Unterlagen konnte der<br />

Verda<strong>ch</strong>t auf illegale Umgehungsges<strong>ch</strong>äfte des<br />

KMG erhärtet werden. Die Akten wurden na<strong>ch</strong><br />

Abs<strong>ch</strong>luss des polizeili<strong>ch</strong>en Ermittlungsverfahrens<br />

der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft im August dem<br />

Eidgenössis<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>teramt übergeben.<br />

Die Anzahl Bewilligungen im Berei<strong>ch</strong> der<br />

Einfuhr von Waffen, wesentli<strong>ch</strong>en Waffenbestandteilen,<br />

Waffenzubehör, Munition und Munitionsbestandteilen<br />

bewegten si<strong>ch</strong> meist im Rah-


men des Vorjahrs: Während die Ausnahmebewil-<br />

ligungen um knapp zehn Prozent<br />

zunahmen,gingen die Bewilligungen<br />

für die gewerbsmässige<br />

Einfuhr dur<strong>ch</strong> Waffenhändler<br />

um mehr als zehn<br />

Prozent zurück. Hingegen nahm die ni<strong>ch</strong>t<br />

gewerbsmässige Einfuhr um gut ein Viertel zu.<br />

Anzahl Importbewilligungen<br />

bewegte si<strong>ch</strong> meist im<br />

Rahmen des Vorjahrs.<br />

Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />

2005 wurden 292 Fälle von Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />

dur<strong>ch</strong> handelsübli<strong>ch</strong>e Feuerwerkskörper, so<br />

genannte Bagatellfälle, gezählt, die insgesamt<br />

einen S<strong>ch</strong>aden von 420’920 Franken verursa<strong>ch</strong>ten.<br />

Diese Zahlen liegen höher als in den beiden<br />

Vorjahren, do<strong>ch</strong> bestätigen au<strong>ch</strong> sie den markanten<br />

Rückgang gegenüber den drei Jahren vor<br />

2003.<br />

Die von den vornehmli<strong>ch</strong> jugendli<strong>ch</strong>en Tätern<br />

bevorzugten Ziele sind vorwiegend Briefkasten<br />

und öffentli<strong>ch</strong>e Abfallkübel aller Art sowie Telefonkabinen,<br />

Waren- und Billettautomaten.<br />

Sprengstoffans<strong>ch</strong>läge<br />

Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> wurden in den vergangenen<br />

Jahren jeweils rund 17 Gewalttaten registriert, die<br />

mit Sprengstoff, Handgranaten oder unkonventionellen<br />

Spreng- oder Brandvorri<strong>ch</strong>tungen ver-<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

übt wurden. Mit zwölf Ans<strong>ch</strong>lägen, von denen<br />

die Hälfte mutmassli<strong>ch</strong> einen gewaltextremistis<strong>ch</strong>en<br />

Hintergrund hatte, blieb das Beri<strong>ch</strong>tsjahr<br />

deutli<strong>ch</strong> unter dem Mittelwert.<br />

BEURTEILUNG<br />

Anstrengungen belohnt<br />

Die andauernde Stabilisierung auf tiefem<br />

Niveau ist einerseits auf die Anstrengungen von<br />

fedpol (Zentralstelle Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik)<br />

im Zusammenhang mit der systematis<strong>ch</strong>en<br />

Erfassung, Prüfung und Zulassung von Feuerwerk<br />

und andererseits auf den Einsatz der für den<br />

Vollzug der Sprengstoffgesetzgebung verantwortli<strong>ch</strong>en<br />

Organe der Kantone zurückzuführen.<br />

Die feststellbare Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft ist in den<br />

wenigsten Fällen dur<strong>ch</strong> verbre<strong>ch</strong>eris<strong>ch</strong>e Absi<strong>ch</strong>t<br />

motiviert, sondern hat soziale und individuelle<br />

Ursa<strong>ch</strong>en.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Kein Trend erkennbar<br />

7.6. Cyberkriminalität<br />

und Information Assurance<br />

LAGE<br />

Bekämpfung der<br />

Internetkriminalität<br />

Der Meldungseingang bei der nationalen<br />

Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Inter-<br />

netkriminalität (Kobik) blieb<br />

konstant ho<strong>ch</strong>. Aus der Bevölkerung<br />

gingen wie in den<br />

Vorjahren monatli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong><br />

zwis<strong>ch</strong>en 500 und 600 Meldungen ein.<br />

Ausserdem generierte die verda<strong>ch</strong>tsunabhängige<br />

Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e von Kobik Verda<strong>ch</strong>tsdossiers, die in<br />

rund neunzig Prozent zur Strafverfolgung führten.<br />

Meldungseingang bei Kobik<br />

blieb konstant ho<strong>ch</strong>.<br />

Es wäre aufgrund der kleinen Fallzahlen voreilig,<br />

im deutli<strong>ch</strong>en Rückgang der Sprengstoffans<strong>ch</strong>läge<br />

seit 2003 einen Trend für die nä<strong>ch</strong>sten<br />

Jahre erkennen zu wollen.<br />

Verda<strong>ch</strong>tsmeldungen aus der Bevölkerung zu<br />

hartpornografis<strong>ch</strong>em Material nahmen zu, diejenigen<br />

zu Spam waren lei<strong>ch</strong>t rückläufig. Stark<br />

angestiegen sind Meldungen zu Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />

wie Betrügereien via Internet, Phishingversu<strong>ch</strong>e<br />

und Hinweise auf gefäls<strong>ch</strong>te Internetseiten<br />

von Bankinstituten oder Auktionshäusern.<br />

Informationssi<strong>ch</strong>erung<br />

Die Melde- und Analysestelle zur Informationssi<strong>ch</strong>erung<br />

S<strong>ch</strong>weiz (Melani) stellt seit dem<br />

1. Dezember 2004 auf ihrer Internetseite<br />

(www.melani.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>) Informationen zur Computersi<strong>ch</strong>erheit<br />

zur Verfügung.Das Angebot ri<strong>ch</strong>-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

75


76<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

tet si<strong>ch</strong> ebenso an private Nutzer wie an kleinere<br />

und mittlere Unternehmen.<br />

Melani-Net, das im Jahr 2005<br />

gestartet wurde, bietet darüber<br />

hinaus ausgewählten Betreibern<br />

kritis<strong>ch</strong>er Infrastrukturen<br />

Analysen zur Früherkennung von Attacken<br />

und dient bei Vorfällen als Koordinationsplattform.<br />

Die Internetseite von Melani erlaubt es, Vorfälle<br />

zu melden. Die meisten Meldungen betrafen<br />

Phishing und Spam. Im Gegensatz zur EU kann<br />

allerdings in der S<strong>ch</strong>weiz gegen Spam no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

viel unternommen werden, da die gesetzli<strong>ch</strong>en<br />

Spezialbestimmungen fehlen und die Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t weit gediehen ist.<br />

Angebot für private Nutzer<br />

und kleinere und mittlere<br />

Unternehmen.<br />

BEURTEILUNG<br />

Zunahme von Phishing<br />

Phishing bezei<strong>ch</strong>net den betrügeris<strong>ch</strong>en Versu<strong>ch</strong>,<br />

über Manipulationen an vertrauli<strong>ch</strong>e Daten<br />

von Internetnutzern zu gelangen. Während der<br />

letzten Monate des Jahres 2005 wurde weltweit<br />

eine Zunahme des Phishing festgestellt. Meistens<br />

sind Finanzdienstleister, Online-Versteigerungshäuser<br />

und Internetprovider betroffen. Der<br />

Grossteil dieser Versu<strong>ch</strong>e betrifft immer no<strong>ch</strong> die<br />

USA; die gezielten Attacken sind mittlerweile<br />

aber au<strong>ch</strong> in Europa häufig und kamen 2005 au<strong>ch</strong><br />

in der S<strong>ch</strong>weiz vor.<br />

Gezielter Einsatz von S<strong>ch</strong>adsoftware<br />

Der Trend setzt si<strong>ch</strong> fort, dass für die Entwickler<br />

von S<strong>ch</strong>adsoftware Berei<strong>ch</strong>erung das<br />

Hauptmotiv bildet. Zudem kann eine engere<br />

Verbindung zur organisierten Kriminalität, besonders<br />

aus Osteuropa,beoba<strong>ch</strong>tet werden.Diese<br />

dehnt ihre Betätigungsfelder wie Beste<strong>ch</strong>ung, Erpressung,<br />

Bedrohung und Betrug immer mehr in<br />

die virtuelle Welt aus.<br />

Viren dienen dabei immer mehr kommerziellen<br />

Absi<strong>ch</strong>ten: Das Angebot geht von Denial-of-<br />

Service-Attacken über das Versenden von Werbe-<br />

respektive Spam-Mails bis hin zum Ausspionieren<br />

von Daten. Die Bandbreite dieser ausspionierten<br />

Daten rei<strong>ch</strong>t vom E-Mail-Passwort über<br />

die Kreditkartennummer, die Zugangsdaten zum<br />

E-Banking-Konto bis hin zu sensiblen und vertrauli<strong>ch</strong>en<br />

Firmendaten. Die Spionagefälle mit<br />

gezielt eingesetzten Trojanis<strong>ch</strong>en Pferden in<br />

Grossbritannien und Israel belegen, dass diese<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Art der Spionage sowohl im privaten wie au<strong>ch</strong> im<br />

öffentli<strong>ch</strong>en Sektor eingesetzt wird. Eine Infektion<br />

ist mitunter s<strong>ch</strong>wer festzustellen und au<strong>ch</strong> in<br />

gut ges<strong>ch</strong>ützten Netzen kaum zu verhindern. Neben<br />

einem umfassenden te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utz ist<br />

eine gezielte S<strong>ch</strong>ulung und Sensibilisierung der<br />

Mitarbeiter im Umgang mit sensiblen Daten von<br />

grosser Bedeutung.<br />

S<strong>ch</strong>adsoftware-Autoren entdeckten vermehrt<br />

den deuts<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>raum. E-Mails mit infi-<br />

ziertem Anhang treten nun<br />

au<strong>ch</strong> in gutem Deuts<strong>ch</strong> auf.<br />

Deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>ige Internetnutzer<br />

öffnen sol<strong>ch</strong>e E-Mails<br />

häufiger. Mit Sober.I tau<strong>ch</strong>te die erste S<strong>ch</strong>adsoftware<br />

auf, die ihre Spra<strong>ch</strong>e dynamis<strong>ch</strong> anpassen<br />

kann.<br />

Botnetze<br />

Die Bedrohung dur<strong>ch</strong> Botnetze nimmt stetig<br />

zu. Botnetze sind logis<strong>ch</strong>e Computernetze aus<br />

kompromittierten Systemen, die meist via Internet-Relay-Chat<br />

kontrolliert werden, ohne dass<br />

die Besitzer dieser Systeme davon eine Ahnung<br />

haben. Mit der Zunahme von Breitbandverbindungen<br />

in Privathaushalten vergrössert si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

die Zahl infizierter Computersysteme rapide, da<br />

immer mehr Computersysteme konstant mit dem<br />

Internet verbunden bleiben. Erst wenn ein<br />

Grossteil der mit dem Internet verbundenen<br />

Re<strong>ch</strong>ner ausrei<strong>ch</strong>end ges<strong>ch</strong>ützt sein wird, wird<br />

das Wa<strong>ch</strong>stum der Botnetze eingedämmt werden<br />

können.<br />

Botnetze umfassen ni<strong>ch</strong>t selten mehr als zehntausend<br />

Computer, ihre Urheber sind s<strong>ch</strong>wer<br />

greifbar. Jeder Computer eines Botnetzes trägt<br />

seinen Teil zu einer neuen Spamflut oder einem<br />

Denial-of-Service-Angriff bei, einer koordinierten<br />

Flut von Anfragen an dasselbe Netz,das damit<br />

überlastet werden soll.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Kobik<br />

S<strong>ch</strong>adsoftware vermehrt<br />

in deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />

Weiterhin wird dem Kampf gegen die Kinderpornografie<br />

ein hoher Stellenwert eingeräumt<br />

werden, ni<strong>ch</strong>t zuletzt aufgrund der zurzeit laufenden,<br />

von der Konferenz der Kantonalen Justiz-<br />

und Polizeidirektorinnen und -direktoren<br />

(KKJPD) lancierten nationalen Kampagne der<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Kriminalprävention. Der von<br />

Kobik einges<strong>ch</strong>lagene Weg führt zu guten Ergeb-


Kampf gegen die Kinderpornografie<br />

hat weiterhin<br />

hohen Stellenwert.<br />

nissen im Kampf gegen die Internetkriminalität,<br />

besonders gegen die Kinderpornografie. Die<br />

Meldungen aus der Bevölkerung sind vielfa<strong>ch</strong> von<br />

hoher Qualität und widerspiegeln<br />

das gesteigerte Unre<strong>ch</strong>tsbewusstsein<br />

der Internetbenutzer.<br />

Die Hö<strong>ch</strong>stqualität bei<br />

der Erstellung der Verda<strong>ch</strong>tsdossiers<br />

aus verda<strong>ch</strong>tsunabhängiger Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e<br />

wird von den kantonalen Strafverfolgungsbehörden<br />

ges<strong>ch</strong>ätzt und findet ihren Nieders<strong>ch</strong>lag in der<br />

hohen Trefferquote bei den eröffneten Strafverfolgungen.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig muss au<strong>ch</strong> die Entwicklung im<br />

Berei<strong>ch</strong> der Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität beoba<strong>ch</strong>tet<br />

und analysiert werden, dies ni<strong>ch</strong>t zuletzt aufgrund<br />

der Tatsa<strong>ch</strong>e, dass eine allgemeine Kommerzialisierung<br />

und Professionalisierung im Berei<strong>ch</strong> der<br />

Internetkriminalität ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ist.<br />

Melani<br />

In allen Berei<strong>ch</strong>en der Internetkriminalität<br />

werden immer professionellere Methoden eingesetzt.Eine<br />

weitere Entwicklung im Berei<strong>ch</strong> Phish-<br />

7.7. Kinderpornografie<br />

LAGE<br />

Kleinere nationale und<br />

internationale Aktionen<br />

2005 fanden keine in der Grösse mit Genesis<br />

oder Falcon in den Jahren 2002 bis 2004 verglei<strong>ch</strong>baren<br />

Aktionen gegen Kinderpornografie<br />

statt. Das Kommissariat Pädophilie, Mens<strong>ch</strong>enhandel,<br />

Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel (PMM) bei fedpol<br />

(BKP) war mit der Koordination von vielen kleineren<br />

nationalen und internationalen Operationen<br />

und Fällen befasst. Die zahlrei<strong>ch</strong>en Aktionen<br />

aus dem Jahr 2004 bes<strong>ch</strong>äftigen die Polizei und<br />

besonders die Justiz der Kantone weiterhin.<br />

Urteile aus Genesis und Falcon<br />

Die in der S<strong>ch</strong>weiz bis anhin grössten Aktionen<br />

Genesis mit bis Ende 2005 rund 900 und<br />

Falcon mit über 250 juristis<strong>ch</strong> überprüften Personen<br />

führten bis Ende 2005 zu 289 bedingten<br />

Freiheitsstrafen, 313 Bussents<strong>ch</strong>eiden und 545<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

ing ist zum Beispiel die Manipulation des DNS-<br />

Eintrages respektive die Veränderung der Hostdatei<br />

mittels einges<strong>ch</strong>leustem Virus. Ans<strong>ch</strong>liessend<br />

wird trotz manueller und korrekter Eingabe<br />

der Adresse eine betrügeris<strong>ch</strong>e Seite angezeigt.<br />

Diese Methode, so genanntes Pharming, wird si-<br />

<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> in Zukunft vermehrt<br />

eine Rolle spielen. Au<strong>ch</strong><br />

S<strong>ch</strong>adprogramme, die gezielt<br />

gegen Personen oder Unternehmen<br />

eingesetzt werden,<br />

daher unentdeckt bleiben und<br />

in keiner Antiviren-Software-Signatur auftau<strong>ch</strong>en,<br />

werden vermehrt eingesetzt werden. Das<br />

Thema Industriespionage mit informationste<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en<br />

Mitteln wird au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz an<br />

Bedeutung gewinnen.<br />

Es wird eine weitere Zunahme der Anzahl und<br />

der Grösse der Botnetze erwartet. Unzählige<br />

Heimcomputer ma<strong>ch</strong>en ihre Besitzer unwissentli<strong>ch</strong><br />

zu Komplizen und stellen Strafverfolgung,<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste und IT-Spezialisten vor grosse<br />

Herausforderungen. Sol<strong>ch</strong>e Botnetze sind<br />

ni<strong>ch</strong>t auf ein Land bes<strong>ch</strong>ränkt; deshalb muss au<strong>ch</strong><br />

die Gegenwehr international abgestützt werden.<br />

Einstellungen. Die bedingten Freiheitsstrafen<br />

rei<strong>ch</strong>ten bis zu a<strong>ch</strong>t Monaten Gefängnis, die Bussenhöhe<br />

betrug maximal 25’000 S<strong>ch</strong>weizer Franken.<br />

Zwar wurde erst etwa die Hälfte der Verdä<strong>ch</strong>tigen<br />

aus der Aktion Falcon juristis<strong>ch</strong> beurteilt,<br />

aber es zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> bereits jetzt ab, dass<br />

prozentual mehr Personen verurteilt werden<br />

können als bei der Aktion Genesis.<br />

Folgeermittlungen<br />

zu Kindsmissbrau<strong>ch</strong><br />

Industriespionage mit informationste<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en<br />

Mitteln wird an Bedeutung<br />

gewinnen.<br />

International koordinierte Aktionen, kantonale<br />

Ermittlungen und Verda<strong>ch</strong>tsdossiers von<br />

Kobik zu Besitz, Einfuhr oder Verbreitung von<br />

Kinderpornografie führen immer<br />

öfter zu Folgeermittlungen,<br />

die Kindsmissbrau<strong>ch</strong><br />

oder die Produktion von Kinderpornografie<br />

zum Gegenstand<br />

haben. So wurde beispielsweise<br />

bei der Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ung eines ver-<br />

Immer öfter Folgeermittlungen<br />

wegen Kindsmissbrau<strong>ch</strong>s<br />

oder Produktion von<br />

Kinderpornografie.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 77


78<br />

dä<strong>ch</strong>tigen Kinderpornografiekonsumenten festgestellt,<br />

dass dieser zwar alleine wohnt und kinderlos<br />

ist, in der Wohnung aber auffallend viele<br />

Kinderfotos zu finden waren. Unter anderem aufgrund<br />

dieser Hinweise konnte der Verdä<strong>ch</strong>tige<br />

na<strong>ch</strong> weiteren Ermittlungen wegen sexuellen<br />

Missbrau<strong>ch</strong>s des zehnjährigen Sohnes seiner<br />

Freundin angeklagt werden.<br />

Kindersextourismus<br />

Verhaltenskodex bei hiesigen<br />

Reiseunternehmen erfolgrei<strong>ch</strong><br />

eingeführt.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

«Stopp Kinderpornografie im Internet». Die<br />

nationale Präventionskampagne der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Kriminalprävention will auf mittlere und längere Frist<br />

Pädokriminalität eindämmen. Sie informiert und<br />

sensibilisiert potenzielle Opfer und Täter sowie deren<br />

Umfeld. FOTO SPK<br />

Mit Hilfe der im Ausland, besonders in der<br />

Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Republik, Thailand und Brasilien<br />

stationierten Polizeiatta<strong>ch</strong>és von fedpol (BKP)<br />

konnten 2005 gegen mehrere verdä<strong>ch</strong>tige Kin-<br />

dersextouristen aus der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Ermittlungen aufgenommen<br />

werden. Im Berei<strong>ch</strong> Kindersextourismus<br />

hat die Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisation<br />

End Child<br />

Prostitution, Child Pornography and Trafficking<br />

of Children for Sexual Purposes (Ecpat) mit der<br />

Welttourismusorganisation und Touristikunternehmen<br />

einen Verhaltenskodex entwickelt und<br />

erfolgrei<strong>ch</strong> in der Bran<strong>ch</strong>e eingeführt. Heute wird<br />

dieser «Code of Conduct» bereits von über 240<br />

Reiseunternehmen, Hotelketten, Luftfahrtsgesells<strong>ch</strong>aften,Tourismusverbänden<br />

und -behörden<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

aus rund zwanzig Ländern umgesetzt. Ecpat<br />

S<strong>ch</strong>weiz hat unter anderem unter Mitarbeit von<br />

fedpol den Verhaltenskodex mit hiesigen Reiseunternehmen<br />

erfolgrei<strong>ch</strong> eingeführt.<br />

Präventionskampagne der<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Kriminalprävention<br />

Im Auftrag der KKJPD konnte im September<br />

2005 unter Federführung der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Kriminalprävention eine nationale dreijährige<br />

Präventionskampagne gegen Kinderpornografie<br />

und Pädokriminalität im Internet lanciert werden.<br />

Im September 2005 wurden die ersten an die<br />

Bevölkerung adressierten Initiativen gestartet. Im<br />

ersten Jahr der Kampagne soll verdeutli<strong>ch</strong>t werden,<br />

dass Kinderpornografie ein Verbre<strong>ch</strong>en ist<br />

und dass hinter jedem Bild ein Missbrau<strong>ch</strong> steht.<br />

BEURTEILUNG<br />

Zunahme des polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Aufwands<br />

Die Analyse der polizeili<strong>ch</strong>en Bearbeitung<br />

der Kinderpornografieaktionen in den letzten<br />

Jahren ma<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>, dass gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong><br />

das si<strong>ch</strong>ergestellte und auszuwertende Beweismaterial<br />

massiv zunimmt. Dies führt per se s<strong>ch</strong>on<br />

zu einem sehr hohen Bearbeitungsaufwand in den<br />

Kantonen. Zudem legen die<br />

meisten Kantone ein immer<br />

grösseres Gewi<strong>ch</strong>t auf die Entdeckung<br />

von Kindsmissbrau<strong>ch</strong>ern<br />

und Produzenten unter<br />

den Kinderpornografiekonsumenten, was zu einer<br />

Zunahme von Folgeermittlungen führt. Der<br />

quantitative und qualitative Mehraufwand ist im<br />

Sinne des Kinders<strong>ch</strong>utzes sehr begrüssenswert,<br />

führt aber zu Ressourcenproblemen bei der polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Arbeit.<br />

Auswirkungen der<br />

Bundesgeri<strong>ch</strong>tsurteile von 2004<br />

Folgeermittlungen<br />

im Sinne des Kinders<strong>ch</strong>utzes<br />

sehr begrüssenswert.<br />

Einzelne Kantone setzen die neue Bundesre<strong>ch</strong>tsspre<strong>ch</strong>ung<br />

aus dem Jahr 2004 bereits um<br />

und verurteilen jede Form von aktivem Herunterladen<br />

auf beliebige Datenträger als Herstellung<br />

von Kinderpornografie. Au<strong>ch</strong> der Straftatbestand<br />

der Einfuhr von Kinderpornografie<br />

wird vereinzelt angewendet, wenn Kinderpornografie<br />

von einem ausländis<strong>ch</strong>en Server heruntergeladen<br />

wird. Au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> in einzelnen Kan-


Verdeutli<strong>ch</strong>ung der<br />

Gefahren im Internet für<br />

Minderjährige.<br />

tonen das verhängte Strafmass für den Besitz von<br />

Kinderpornografie erhöhte, ist es no<strong>ch</strong> verfrüht,<br />

die Auswirkungen der Bundesgeri<strong>ch</strong>tsurteile aus<br />

dem Jahr 2004 gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong> zu beurteilen.<br />

Mittel- bis langfristig werden si<strong>ch</strong> aber wohl<br />

die kantonalen Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ungen zu Artikel 197<br />

StGB bezügli<strong>ch</strong> des Straftatbestandes und bezügli<strong>ch</strong><br />

des Strafmasses einander anglei<strong>ch</strong>en.<br />

Bundesgeri<strong>ch</strong>tsurteil von 2005<br />

Das Bundesgeri<strong>ch</strong>t fällte in einem Fall von<br />

sexueller Belästigung in einem Jugend<strong>ch</strong>at dur<strong>ch</strong><br />

einen Erwa<strong>ch</strong>senen mit ans<strong>ch</strong>liessendem Versu<strong>ch</strong>,<br />

si<strong>ch</strong> mit dem Minderjährigen zu treffen, ein<br />

Urteil und verminderte damit die auf diesem<br />

Gebiet herrs<strong>ch</strong>ende Re<strong>ch</strong>tsunsi<strong>ch</strong>erheit. Erstmals<br />

wurde damit die Grenze zwis<strong>ch</strong>en strafloser<br />

und strafbarer Vorbereitungshandlung in sol<strong>ch</strong>en<br />

Fällen definiert.<br />

Aufgrund des Urteils wurde aber au<strong>ch</strong> die<br />

Frage na<strong>ch</strong> ausrei<strong>ch</strong>endem S<strong>ch</strong>utz von Kindern<br />

vor sexuellen Belästigungen in speziell für Kinder<br />

eingeri<strong>ch</strong>teten Chatforen aufgeworfen.Eindeutig<br />

sexuell motivierte, erwa<strong>ch</strong>sene Teilnehmer in<br />

Chatforen für Kinder sind ohne reale Kontakte<br />

ni<strong>ch</strong>t per se re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> belangbar, au<strong>ch</strong> wenn ihre<br />

Chatbeiträge in einer unmissverständli<strong>ch</strong>en sexualisierten<br />

Spra<strong>ch</strong>e von starker Intensität sind.<br />

Pädosexuelle Kontaktaufnahmen in Chatforen<br />

mittels sexueller Belästigung, Versenden von<br />

pornografis<strong>ch</strong>en Darstellungen oder Versu<strong>ch</strong>en,<br />

die Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en zu treffen, werden<br />

von Präventions- und Polizeikreisen als relativ<br />

neue, ernsthafte Gefahr für Minderjährige bezei<strong>ch</strong>net.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Verstärkte Prävention<br />

Au<strong>ch</strong> wenn im Beri<strong>ch</strong>tsjahr keine grossen Aktionen<br />

gegen Kinderpornografie stattfanden, hat<br />

si<strong>ch</strong> das Problem der pornografis<strong>ch</strong>en Ausbeutung<br />

von Minderjährigen ni<strong>ch</strong>t verringert. Im<br />

Gegenteil sind die Strafverfolgungsbehörden mit<br />

neuen Phänomenen wie etwa<br />

Cam-to-Cam-Chat, dem Austaus<strong>ch</strong><br />

von (Video-)Dateien<br />

via Handy, der sexuellen Belästigung<br />

von Kindern via neue<br />

Internetdienste und Kommunikationsmittel und<br />

mit der wa<strong>ch</strong>senden Bedrohung dur<strong>ch</strong> pädosexuelle<br />

Nötigungen in Chatforen konfrontiert.<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

Die bereits genannten Massnahmen der polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Präventionskampagne sollten mittelbis<br />

langfristig zu einer erhöhten Sensibilität bei<br />

der Täters<strong>ch</strong>aft, den potenziellen Opfern und<br />

deren Umgebung führen. Mit dem Aufbau eines<br />

Beratungs- und Therapieangebots für Täter ist<br />

es im besten Falle mögli<strong>ch</strong>, Pädokriminelle von<br />

der S<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>keit ihres Tuns für die Opfer, aber<br />

au<strong>ch</strong> für si<strong>ch</strong> selbst, zu überzeugen und sie von<br />

weiteren pädosexuellen Handlungen abzuhalten.<br />

Die an Minderjährige geri<strong>ch</strong>teten Bots<strong>ch</strong>aften<br />

sollen diesen deutli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e Gefahren<br />

im Internet lauern und wie sie si<strong>ch</strong> mit einfa<strong>ch</strong>en<br />

Massnahmen davor s<strong>ch</strong>ützen können.<br />

Datenbanken mit<br />

kinderpornografis<strong>ch</strong>em Material<br />

Bei Interpol und in einigen Ländern Europas<br />

existieren Datenbanken, in die alle verfügbaren<br />

kinderpornografis<strong>ch</strong>en Materialien eingespiesen<br />

werden. Diese Datenbanken erlauben es, bereits<br />

identifizierte Opfer zu erkennen und dies den<br />

verfahrensführenden Dienststellen mitzuteilen,<br />

neue Bilder in bereits bekannte Serien einzuordnen,<br />

Täter zu identifizieren und über die<br />

Bildanalyse den Tatort einzukreisen und somit<br />

Länder zu bestimmen, die ein Verfahren eröffnen<br />

können.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz verfügt bis anhin weder über<br />

eine Bilddatenbank no<strong>ch</strong> über Personen, die si<strong>ch</strong><br />

sol<strong>ch</strong>en Ermittlungen widmen. Einzelne Ansätze<br />

werden von engagierten kantonalen Ermittlern<br />

und Ermittlerinnen weiterverfolgt, angesi<strong>ch</strong>ts<br />

der Fülle an Material besteht aber weiterer<br />

Handlungsbedarf. Ist die Aussage von Experten<br />

und Expertinnen ri<strong>ch</strong>tig,dass ein Grossteil der Bilder<br />

von Missbrau<strong>ch</strong>ssituationen aus dem sozialen<br />

Nahraum stammt, sollte si<strong>ch</strong> eine verstärkte Ermittlung<br />

über das Material lohnen. Eine erfolgrei<strong>ch</strong>e<br />

Opferidentifikation führt aufgrund dieser Tatsa<strong>ch</strong>e<br />

meist relativ s<strong>ch</strong>nell au<strong>ch</strong> zum Täter.<br />

Die G8-Länder haben eine Evaluationsstudie<br />

zum Ausbau einer internationalen Opferdatenbank<br />

ausgearbeitet, die au<strong>ch</strong> Bilder enthält und in<br />

der Verantwortung von Interpol stehen soll. Die<br />

Ermittlungsarbeit mithilfe dieser Datenbank ist<br />

am effizientesten, wenn mögli<strong>ch</strong>st viele Länder<br />

über eine nationale Opferdatenbank verfügen<br />

und die Resultate der nationalen Opferidentifikation<br />

in die internationale Datenbank eingespiesen<br />

werden können. Die S<strong>ch</strong>weiz sollte den Ans<strong>ch</strong>luss<br />

hierbei ni<strong>ch</strong>t verpassen.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 79


80<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

LAGE<br />

S<strong>ch</strong>engener Abkommen<br />

und Europol.<br />

7.8. Internationale Zusammenarbeit<br />

Allgemeine polizeili<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit<br />

In der Praxis der Strafverfolgung findet häufig<br />

bereits ein intensiver Informationsaustaus<strong>ch</strong> auf<br />

polizeili<strong>ch</strong>er Ebene statt, bevor ein Strafverfahren<br />

formell eröffnet und die Zusammenarbeit damit<br />

auf den Re<strong>ch</strong>tshilfeweg zwis<strong>ch</strong>en Justizbehörden<br />

verlagert wird. Die gegenwärtige internationale<br />

Zusammenarbeit der S<strong>ch</strong>weiz steht auf drei<br />

Pfeilern: der globalen, der regional-europäis<strong>ch</strong>en<br />

und der bilateralen Zusammenarbeit.<br />

Globale Zusammenarbeit<br />

Auf der globalen Ebene steht für den polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Informationsaustaus<strong>ch</strong> die Internationale<br />

Kriminalpolizeili<strong>ch</strong>e Organisation (Interpol) mit<br />

derzeit 184 Mitgliedern im Vordergrund. Die<br />

Hauptfunktionen der Organisation liegen in der<br />

Verbreitung von Personen- und Sa<strong>ch</strong>fahndungen<br />

und dem kriminalpolizeili<strong>ch</strong>en Informationsaustaus<strong>ch</strong>.<br />

Regional-europäis<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit<br />

Auf regional-europäis<strong>ch</strong>er Ebene wird die<br />

S<strong>ch</strong>weiz in absehbarer Zeit Zugang zu zwei neuen<br />

multilateralen Kooperationsplattformen erhalten.<br />

Es sind dies die Assoziierung an das S<strong>ch</strong>engener<br />

Abkommen sowie das Kooperationsabkommen<br />

vom 24. September 2004 mit dem Europäi-<br />

s<strong>ch</strong>en Polizeiamt (Europol).<br />

Das S<strong>ch</strong>engener Abkommen<br />

wurde am 5. Juni 2005 vom<br />

S<strong>ch</strong>weizer Volk gutgeheissen.<br />

S<strong>ch</strong>engen ermögli<strong>ch</strong>t der S<strong>ch</strong>weiz eine Intensivierung<br />

der Polizeizusammenarbeit mit vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

europäis<strong>ch</strong>en Staaten. Kernelement des Abkommens<br />

aus polizeili<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t ist das europaweite<br />

Fahndungssystem (S<strong>ch</strong>engener Informationssystem<br />

2. Generation, SIS II). Dank einer<br />

speziellen SIS-Auss<strong>ch</strong>reibungskategorie wird es<br />

unter anderem mögli<strong>ch</strong> sein, Reisewege und -ziele<br />

von mutmassli<strong>ch</strong>en Terroristen besser zu verfolgen.<br />

Das Kooperationsabkommen mit Europol wurde<br />

2005 vom S<strong>ch</strong>weizer Parlament ratifiziert und<br />

trat am 1. März 2006 in Kraft. Aufgabe von Euro-<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

pol ist die Unterstützung der beteiligten Staaten bei<br />

der Verhütung und Bekämpfung der internationalen<br />

organisierten S<strong>ch</strong>werstkriminalität, darunter<br />

au<strong>ch</strong> des Terrorismus. Das Kooperationsabkommen<br />

ermögli<strong>ch</strong>t der S<strong>ch</strong>weiz den Austaus<strong>ch</strong> operativer<br />

Informationen mit dem Polizeiamt.<br />

Bilaterale Zusammenarbeit<br />

Im Berei<strong>ch</strong> der bilateralen Kooperation hat<br />

die S<strong>ch</strong>weiz Abkommen mit allen Na<strong>ch</strong>barstaaten<br />

abges<strong>ch</strong>lossen und in Kraft gesetzt. Die inhaltli<strong>ch</strong><br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ausgestalteten Abkommen<br />

verstärken die Zusammenarbeit in allen Kriminalitätsberei<strong>ch</strong>en<br />

in Bezug auf den Informationsaustaus<strong>ch</strong><br />

und bei gemeinsamen Massnahmen<br />

an der Grenze. In Chiasso und Genf sind gestützt<br />

auf diese Abkommen gemeinsame Centres<br />

de coopération policière et douanière (CCPD) erri<strong>ch</strong>tet<br />

worden und laufen auf Ho<strong>ch</strong>touren. Se<strong>ch</strong>s<br />

weitere Abkommen wurden mit Slowenien, Lettland,<br />

Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ien, Rumänien, Albanien und Mazedonien<br />

unterzei<strong>ch</strong>net, einer für die Bekämpfung<br />

der organisierten Kriminalität wi<strong>ch</strong>tigen Region.<br />

Der Abs<strong>ch</strong>luss weiterer Abkommen mit<br />

Ländern aus dieser Region ist vorgesehen.<br />

Polizeiatta<strong>ch</strong>és<br />

Zu einer Steigerung der Effizienz der internationalen<br />

Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung<br />

trägt das – im internationalen Verglei<strong>ch</strong><br />

eher kleine – Netz von S<strong>ch</strong>weizer Polizeiatta<strong>ch</strong>és<br />

bei. Polizeiatta<strong>ch</strong>és als vorgelagertes<br />

Element im Dispositiv<br />

der Strafverfolgung haben die<br />

Aufgabe, ein persönli<strong>ch</strong>es, vertrauenswürdiges<br />

Kontaktnetz aufzubauen sowie<br />

Informationsquellen zu ers<strong>ch</strong>liessen. Informelle<br />

Abklärungen über die Polizeiatta<strong>ch</strong>és sind effizienter<br />

und s<strong>ch</strong>neller als der Weg über Interpol.<br />

Damit können Ermittlungsverfahren in Bundeswie<br />

in Kantonskompetenz optimal unterstützt werden.<br />

Dieses Netz bewährte si<strong>ch</strong> im Rahmen laufender<br />

Ermittlungen im Jahr 2005 wiederum.<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit<br />

Vorgelagertes Element im<br />

Dispositiv der Strafverfolgung.<br />

Für die Verhinderung von Terrorans<strong>ch</strong>lägen<br />

ist die Arbeit der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste besonders


wi<strong>ch</strong>tig. Die Information der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />

muss mögli<strong>ch</strong>st frühzeitig erfolgen, was das<br />

zeitgere<strong>ch</strong>te Erkennen terroristis<strong>ch</strong>er Netzwerke<br />

und die Verhinderung eins<strong>ch</strong>lägiger Aktivitäten<br />

voraussetzt. Die Prävention muss deshalb einsetzen,<br />

bevor die Bedrohungen konkret und<br />

unmittelbar ers<strong>ch</strong>einen. Aber au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einem<br />

erfolgten Terrorans<strong>ch</strong>lag sind die polizeili<strong>ch</strong>en<br />

Ermittlungen auf eine enge Zusammenarbeit mit<br />

den Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendiensten angewiesen.<br />

Bei fedpol nimmt der DAP als S<strong>ch</strong>weizer<br />

Inlandna<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst die Verbindungen zu<br />

ausländis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden wahr, die<br />

dieselben Aufgaben wie er erfüllen,und er vertritt<br />

die S<strong>ch</strong>weiz in internationalen Gremien. Die<br />

Prävention des Terrorismus ma<strong>ch</strong>t heute den<br />

überwiegenden Teil des internationalen na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />

Informationsaustaus<strong>ch</strong>es aus.<br />

Im Einzelnen pflegt der DAP einen kontinuierli<strong>ch</strong>en<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenaustaus<strong>ch</strong> mit rund neunzig<br />

Partnerdiensten aus vers<strong>ch</strong>iedenen Staaten oder<br />

ausländis<strong>ch</strong>en Organisationen wie zum Beispiel<br />

der UNO und der EU. Der DAP ist au<strong>ch</strong> Mitglied<br />

in vier informellen multilateralen Gremien:<br />

● in der «Counter-Terrorism Group» (CTG),<br />

zusammengesetzt aus je einem Dienst aus<br />

jedem EU-Staat sowie aus Norwegen und der<br />

S<strong>ch</strong>weiz,<br />

● im «Club de Berne», der Dienste aus 21 Ländern<br />

vereinigt,<br />

● in der «Middle European Conference»<br />

(MEC), bestehend aus Diensten aus 20 Ländern<br />

mit S<strong>ch</strong>wergewi<strong>ch</strong>t im südosteuropäis<strong>ch</strong>en<br />

Raum und<br />

● in der «Police Working Group on Terrorism»<br />

(PWGT) der polizeili<strong>ch</strong>en Anti-Terroreinheiten<br />

aus 28 Ländern.<br />

Als Voraussetzung für einen na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />

Informationsaustaus<strong>ch</strong> mit dem «Situation<br />

Center» der EU s<strong>ch</strong>loss die S<strong>ch</strong>weiz ein<br />

Abkommen über die Si<strong>ch</strong>erheitsverfahren für<br />

den Austaus<strong>ch</strong> von Vers<strong>ch</strong>lusssa<strong>ch</strong>en.<br />

Die Mitglieds<strong>ch</strong>aft in den genannten multilateralen<br />

Gremien ers<strong>ch</strong>loss der S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong><br />

2005 für ihre Si<strong>ch</strong>erheit wi<strong>ch</strong>tige Informationen.<br />

Dies gilt ni<strong>ch</strong>t zuletzt für die Lagebeurteilung<br />

na<strong>ch</strong> den Attentaten von London im Juli 2005.<br />

BEURTEILUNG<br />

Polizeili<strong>ch</strong>e Zusammenarbeit<br />

Interpol ist die einzige Organisation, die einen<br />

weltweiten Austaus<strong>ch</strong> von polizeili<strong>ch</strong>en Informa-<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

tionen erlaubt. Für die S<strong>ch</strong>weizer Polizeibehörden<br />

ist diese Organisation deshalb von ents<strong>ch</strong>eidender<br />

Bedeutung. Im Berei<strong>ch</strong> der bilateralen<br />

Kontakte haben si<strong>ch</strong> die Abkommen mit den<br />

Na<strong>ch</strong>barstaaten als unerlässli<strong>ch</strong>es Instrument zur<br />

Intensivierung der Zusammenarbeit herausgestellt,<br />

sowohl im Berei<strong>ch</strong> des Informationsaustaus<strong>ch</strong>es<br />

wie au<strong>ch</strong> der Dur<strong>ch</strong>führung von gemeinsamen<br />

Massnahmen an der Grenze. Auf der<br />

europäis<strong>ch</strong>en Ebene verläuft die Entwicklung im<br />

Berei<strong>ch</strong> Justiz und Inneres sehr dynamis<strong>ch</strong>, vor<br />

allem seit den Ans<strong>ch</strong>lägen vom 11. September<br />

2001. Die künftige Zusammenarbeit mit Europol<br />

und im Rahmen von S<strong>ch</strong>engen bringt der S<strong>ch</strong>weiz<br />

eine weitere Stärkung im Kampf gegen transnationale<br />

Kriminalität.<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit<br />

Der na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Zusammenarbeit<br />

kommt bei der Früherkennung von Gefahren<br />

und Gewaltakten oder der Verhinderung von<br />

terroristis<strong>ch</strong>en Aktivitäten ents<strong>ch</strong>eidende Bedeutung<br />

zu. Der DAP unterhält seit langem<br />

regelmässige Beziehungen zu ausländis<strong>ch</strong>en<br />

Si<strong>ch</strong>erheits-, Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten- und Polizeidiensten.<br />

Anfang der 70er-Jahre führte der immer breiteren<br />

Raum einnehmende Informationsaustaus<strong>ch</strong><br />

zu einem engeren Zusammens<strong>ch</strong>luss der westeuropäis<strong>ch</strong>en<br />

Si<strong>ch</strong>erheitsdienste und zur Einri<strong>ch</strong>tung<br />

eines gemeinsamen si<strong>ch</strong>eren Übermittlungssystems.<br />

Der bilaterale Aus-<br />

taus<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>erheitsrelevanter<br />

Informationen wurde laufend<br />

ausgebaut und intensiviert.<br />

Die Kontakte und der Informationsaustaus<strong>ch</strong><br />

mit ausländis<strong>ch</strong>en<br />

Diensten sind für<br />

die Si<strong>ch</strong>erheitsinteressen der<br />

S<strong>ch</strong>weiz von vitaler Bedeutung. Ohne sie wäre<br />

eine Erfolg verspre<strong>ch</strong>ende Staatss<strong>ch</strong>utztätigkeit<br />

im Interesse der Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz undenkbar.<br />

MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />

Handlungsbedarf<br />

Erfolg verspre<strong>ch</strong>ende<br />

Staatss<strong>ch</strong>utztätigkeit ohne<br />

na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit<br />

undenkbar.<br />

Im Berei<strong>ch</strong> der globalen Zusammenarbeit<br />

können die Kooperationsmögli<strong>ch</strong>keiten von Interpol,<br />

namentli<strong>ch</strong> der Zugang zu weiteren Datenbanken,<br />

optimal ausges<strong>ch</strong>öpft werden. Bei der<br />

europäis<strong>ch</strong>-regionalen Zusammenarbeit steht die<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 81


82<br />

<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />

ras<strong>ch</strong>e und effiziente Umsetzung der Abkommen<br />

mit Europol und von S<strong>ch</strong>engen im Vordergrund.<br />

Im bilateralen Berei<strong>ch</strong> wird es darum gehen,<br />

die neu verhandelten Abkommen konsequent<br />

umzusetzen sowie die Anwendung der bereits in<br />

Kraft getretenen Abkommen weiter zu optimieren.<br />

Weiter sollen mit ausgewählten Staaten, die<br />

einen besonderen Einfluss auf die Kriminalitätsentwicklung<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz haben, neue Abkommen<br />

ges<strong>ch</strong>lossen werden.Überdies gilt es,die vorgesehene,<br />

aber aus Ressourcengründen nur ansatzweise<br />

umgesetzte Stationierung von weiteren<br />

Polizeiatta<strong>ch</strong>és im Ausland konsequent weiter zu<br />

verfolgen.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />

Der Kreis der na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Partner<br />

des DAP entspri<strong>ch</strong>t den aktuellen Bedürfnissen<br />

der S<strong>ch</strong>weiz bei der Bekämpfung von Terrorismus<br />

und organisierter Kriminalität. Kann jedo<strong>ch</strong><br />

die Zusammenarbeit mit dem Ausland<br />

wegen begrenzten gesetzli<strong>ch</strong>en Handlungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

nur ungenügend wahrgenommen werden,<br />

droht die S<strong>ch</strong>weiz, von Informationen aus<br />

dem Ausland abges<strong>ch</strong>nitten zu werden. Im Rahmen<br />

der Revision BWIS II werden deshalb neue<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenbes<strong>ch</strong>affungsmittel geprüft, die der<br />

heutigen Situation besser angepasst sind. ■


REPORT 2005<br />

DOMESTIC<br />

SECURITY REPORT<br />

SWITZERLAND<br />

2005<br />

Summary<br />

Focal points 2005 84<br />

Overall assessment 85<br />

Measures 86


Europe – The new arena<br />

for Islamist terrorism.<br />

84<br />

REPORT 2005 SUMMARY<br />

Switzerland – An integral<br />

part of the European<br />

field of operation.<br />

Threat to local safety<br />

requires deployment of<br />

greater police forces.<br />

Focal points 2005<br />

Attacks by Islamist terrorists<br />

in London<br />

On 7 July 2005, four suicide bombers blew<br />

themselves up on London’s public transport network.They<br />

killed 48 passengers and injured more<br />

than 500 people. Together with the bombings in<br />

Madrid, the attacks confirmed the new force of<br />

the threat to Europe by Islamist terrorism. In<br />

many places, small cells of violent jihad activists<br />

are evolving,whi<strong>ch</strong> owing to their limited capacity<br />

are only able to select targets in their vicinity.<br />

Up until the attacks in Madrid in 2004, most of<br />

the violent Islamist activists considered Europe a<br />

region of retreat and a place<br />

for planning the logistical support<br />

of attacks, rather than an<br />

area of terrorist operations.<br />

However, especially since the attacks in London,<br />

Europe has also become an arena for Islamist terrorism.<br />

Islamist activities in Switzerland<br />

Switzerland was not a target of Islamist terrorism<br />

in 2005. However, it must be assumed that<br />

jihadis could be residing in the<br />

country. In view of recent developments<br />

in jihadi ideology,<br />

terrorist attacks in Switzerland<br />

– an integral part of the<br />

European field of operation – are becoming an<br />

increasing possibility.<br />

Right-wing extremism<br />

There were 111 incidents in 2005 that were motivated<br />

by right-wing extremism. Also, the number<br />

of right-wing concerts has particularly increased<br />

over the past few years.<br />

Parts of the extreme right have renounced violence.<br />

However, the damage caused by rightwing<br />

activists, especially injury caused to people,<br />

is considerable. Appearances<br />

by right-wing extremists su<strong>ch</strong><br />

as on 1 August on the “Rütli”,<br />

or confrontation with opposing<br />

groups, required the deployment<br />

of greater police forces and in some instances<br />

and places endangered public law and order<br />

in Switzerland. However, su<strong>ch</strong> incidents did<br />

DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />

not pose a threat to national security on the whole;<br />

but the number of right-wing motivated attacks<br />

against asylum facilities and foreigners slightly<br />

increased in 2005. The threat right-wing activism<br />

poses thus persists.<br />

Violence by left-wing activists<br />

Once again left-wing activists showed greater<br />

preparedness to use violence; their willingness<br />

at least to inflict bodily harm, especially on the<br />

security forces, has risen.<br />

Left-wing extremists have lost their most important<br />

platform through their self-inflicted isolation<br />

within the globalisation movement and as<br />

a result of consistent intervention by the police,<br />

especially at unauthorised events. Their reaction<br />

has been to increase, and place new emphasis on,<br />

their demands, and to <strong>ch</strong>ange their tactics. The<br />

left-wing scene has devised a two-fold strategy: on<br />

the one hand their criticism of the globalisation<br />

process,especially of the World Economic Forum,<br />

is now no longer limited to<br />

certain events but expressed<br />

the whole year round. On the<br />

other hand, old and new issues<br />

are increasingly being pushed<br />

into the foreground, su<strong>ch</strong> as the renewed emphasis<br />

on the ”Fight against Fascism” and alleged<br />

police repression.<br />

In some instances and places, left-wing violence<br />

endangered public law and order,but did not<br />

pose a threat to Switzerland’s domestic security.<br />

Proliferation<br />

Focus on the “Fight against<br />

Fascism” and alleged police<br />

repression.<br />

In 2004, the Service for Analysis and Prevention<br />

(SAP) at the Federal Office of Police<br />

(fedpol) started investigating Swiss involvement<br />

in Dr. Abdul Qadeer Khan’s nuclear te<strong>ch</strong>nology<br />

network. Dr. Khan is considered the father of the<br />

Pakistani atomic bomb. The investigations were<br />

especially focused on Swiss exports in connection<br />

with Libya’s nuclear programme. The Office<br />

of the Attorney General of<br />

Switzerland began proceedings<br />

in October 2004 on suspected<br />

violation of the Goods<br />

Control Act and the War Materials Act. The investigations<br />

resulted in the arrest of three members<br />

of one and the same family.<br />

Ongoing investigations<br />

into the Khan network.


In October 2005,the State Secretariat for Economic<br />

Affairs (seco) laid a further <strong>ch</strong>arge with the<br />

Attorney General’s Office for violations of the<br />

Goods Control Act and the War Materials Act.<br />

The <strong>ch</strong>arge involved a Swiss company that exported,<br />

or attempted to export, goods to proliferation-relevant<br />

pur<strong>ch</strong>asers in a Middle-Eastern<br />

country.<br />

Organised crime<br />

Criminal groups from south-eastern Europe,<br />

especially from Macedonia, Albania and Kosovo,<br />

continued to play a significant part in the evolution<br />

of crime in Switzerland. The significance of<br />

Serbian groups – a trend that has been consistent<br />

in the last two to three years – continued to grow.<br />

Furthermore, criminal groups from the Commonwealth<br />

of Independent States remained a serious<br />

threat to Switzerland’s economy, its financial centre<br />

and its democratic institutions.<br />

Hooliganism<br />

In 2005, there were approximately 400 people<br />

in Switzerland known to have intentionally<br />

caused violence at sporting events. A further 600<br />

were occasionally involved in violent confrontations<br />

and in damage to property.<br />

The hard core of the hooligan scene is wellorganised<br />

and sought confrontation mainly with<br />

people of the same conviction. A more significant<br />

threat to public security was posed in 2005 by or-<br />

A general picture of Switzerland’s<br />

domestic security<br />

According to the annual survey by the Swiss<br />

Federal Institute of Te<strong>ch</strong>nology in Zuri<strong>ch</strong><br />

released in spring 2005, the Swiss invariably feel<br />

safe in their country; the attacks<br />

in Madrid in Mar<strong>ch</strong> of<br />

the previous year had done little<br />

to <strong>ch</strong>ange this. This feeling<br />

is not unrealistic because the Swiss, even in 2005,<br />

still lived in a comparatively safe environment.<br />

Nevertheless, it must be said that negative trends<br />

could not be halted: youth violence continues to<br />

Switzerland – A comparatively<br />

safe environment.<br />

Overall assessment<br />

ganised groups consisting mostly of young people<br />

who sought violent confrontation not only with<br />

opposing supporters but also with innocent bystanders<br />

and the police. According to the observations<br />

of the police, the brutality of the violence<br />

has increased and the perpetrators have become<br />

younger.<br />

Money laundering<br />

Once again the repressive fight against money<br />

laundering in Switzerland in 2005 took place<br />

under special circumstances: the more complex<br />

cases especially revealed that the predicate offence<br />

was often committed abroad, and Switzer-<br />

land was only used to deposit<br />

the crime proceeds. In presenting<br />

evidence during criminal<br />

proceedings, Switzerland<br />

therefore largely relied on the<br />

cooperation of the country in<br />

REPORT 2005 SUMMARY<br />

Repressive means for fighting<br />

money laundering – Special<br />

circumstances in Switzerland.<br />

whi<strong>ch</strong> the predicate offence has been committed.<br />

If evidence of the predicate offence was insufficient,<br />

the proceedings in Switzerland collapsed.<br />

Moreover, many cases were dealt with by means<br />

of mutual legal assistance, or for te<strong>ch</strong>nical reasons<br />

were delegated to the state in whi<strong>ch</strong> the predicate<br />

offence had been carried out. As a result of this,<br />

the statistics on convictions are not truly representative<br />

of the repressive fight against money<br />

laundering. Switzerland’s law enforcement agencies<br />

often make an important contribution to the<br />

international fight against money laundering.<br />

be on the increase,and there is a growing tendency<br />

towards violence in the right and left-wing<br />

scene, in the area of hooliganism and in human<br />

trafficking.<br />

Islamist terrorism<br />

The trend to smaller independent Islamist<br />

terrorist cells continued in 2005. One su<strong>ch</strong> cell<br />

was responsible for the attacks in London, whi<strong>ch</strong><br />

from a terrorist’s point of view were successful.<br />

There has been no hard evidence up to now to<br />

suggest that terrorist acts have been planned in<br />

Switzerland. However, it is assumed that there are<br />

DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND 85


REPORT 2005 SUMMARY<br />

Islamist activists in Switzerland who aspire to su<strong>ch</strong><br />

acts. The threat situation can <strong>ch</strong>ange quickly and<br />

at any time.<br />

The trend towards smaller independent cells<br />

and the attacks in London illustrate that never before<br />

has it been more difficult to trace terrorists<br />

before an attack is laun<strong>ch</strong>ed. It is not surprising,<br />

therefore, that since 2005 the<br />

debate over the instruments<br />

liberal democracies and constitutional<br />

states may use for<br />

combating su<strong>ch</strong> threats has<br />

grown fiercer. The objective is to find a practicable<br />

solution; on the one hand the state must have<br />

sufficient and efficient instruments at its disposal<br />

to ensure the safety of its citizens; on the other<br />

hand these instruments should not betray a state’s<br />

a<strong>ch</strong>ievements, its principles and its ideals, if one<br />

Islamist terrorists – Largely<br />

free to act and make<br />

decisions independently.<br />

86<br />

Measures<br />

Further ban on Al Qaeda<br />

At the end of November 2005, the Federal<br />

Council extended the ban on the terror organisation<br />

Al Qaeda and its associate organisations for a<br />

further three years until 31 December, 2008. The<br />

ban includes not only all activities by the organisation<br />

itself, but also all activities in support of<br />

the organisation.<br />

Preventive measures against<br />

extremist prea<strong>ch</strong>ers<br />

Fedpol systematically imposes entry bans on<br />

Islamist extremists. The bans apply to activists<br />

who have been convicted abroad, to suspected<br />

members of terrorist groups and to hate-prea<strong>ch</strong>ers;<br />

for example an Egyptian cleric who wanted<br />

to participate in the annual conference of the<br />

Muslim umbrella organisation “Swiss Muslims<br />

League” in September 2005 was prevented from<br />

taking part when the Swiss authorities imposed a<br />

ban on his entering the country.<br />

Furthermore, the refusal of work permits for<br />

imams from abroad who want to carry out their<br />

duties in religious centres in Switzerland serves<br />

as a means of preventing the dissemination of<br />

extremist Islamist propaganda. A work permit<br />

DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />

wants to avoid playing into the hands of its opponents.<br />

Organised crime in Europe<br />

National security agencies still face the <strong>ch</strong>allenge<br />

of focussing the necessary attention on, and<br />

directing their efforts at, the threat organised<br />

crime represents to domestic security. There is<br />

increasing evidence of links<br />

between terrorist groups and<br />

other areas of crime su<strong>ch</strong> as<br />

petty crime as well as organised<br />

crime. In view of the<br />

transnational <strong>ch</strong>aracter of<br />

National and international<br />

cooperation – The key to<br />

fighting organised crime<br />

successfully.<br />

these forms of crime, national and international<br />

cooperation remains the key to success in combating<br />

organised crime.<br />

may be refused not only on account of the background<br />

of the applicant, but – as of recently – also<br />

if the position of the centre<br />

is generally extremist. In November<br />

2005, the Federal<br />

Court upheld a decision by<br />

the canton of Geneva to refuse<br />

a work permit to a Turkish imam who had<br />

been employed by an Islamic centre, the reason<br />

being the unconstitutional remarks made by the<br />

centre’s director. In su<strong>ch</strong> matters regarding work<br />

permits, the security authorities are consulted.<br />

Changing circumstances<br />

in the fight against terrorism<br />

Keeping extremist<br />

prea<strong>ch</strong>ers from working<br />

and out of the country.<br />

The current ideological tendency of Islamist<br />

terrorists to conduct violent jihad individually on<br />

the local level means principally that terrorist<br />

attacks can be carried out possibly anywhere,<br />

including Switzerland. The<br />

more independently jihadis<br />

act, the more difficult it becomes<br />

to identify them before the act is committed.<br />

Identifying jihadis before they strike requires<br />

what most European countries have done in the<br />

last few years; that is to extend the means of intelligence<br />

to anticipate su<strong>ch</strong> acts.<br />

Domestic Security Act II.


If Switzerland does not follow this development,<br />

it will not only lose its credibility towards its<br />

partners in the international fight against terrorism,but<br />

it also risks turning from an area of retreat<br />

into an area of agitation for Islamist extremism<br />

and terrorism. The current amendment of the<br />

Federal Act on Measures for Safeguarding Domestic<br />

Security (known as the Domestic Security<br />

Act II, for short) takes these <strong>ch</strong>anging circumstances<br />

into account. The Federal Council plans<br />

to put forward its draft legislation to the Federal<br />

Parliament in 2006.<br />

Measures against violence<br />

at sporting events and violent<br />

propaganda<br />

Currently there is nothing to suggest that violence<br />

at sporting events – mainly in football and<br />

hockey games – has decreased; rather, the police<br />

have noticed an upsurge in violence. The amendment<br />

of the Federal Act on Measures for Safeguarding<br />

Domestic Security (Domestic Security<br />

Act I), whi<strong>ch</strong> is to be passed by the Federal<br />

Parliament in spring 2006, should bring remedial<br />

action. The revised legislation should provide<br />

the cantonal security agencies with additional tools<br />

su<strong>ch</strong> as exclusion orders, exit restrictions, registration<br />

orders and preventive detention to help prevent<br />

violence at sporting events. Furthermore,<br />

hooligans that are known to the police for causing<br />

violence at sporting events will be registered in a<br />

newly-established national database.<br />

The amendment of the Domestic Security Act<br />

I also includes a further clause on confiscating<br />

propaganda material that incites to violence. As<br />

a preventive measure, it is planned that su<strong>ch</strong><br />

material be confiscated,regardless of the quantity,<br />

by means of an <strong>admin</strong>istrative order.<br />

Measures regarding<br />

UEFA EURO 2008<br />

In June 2008, the European football <strong>ch</strong>ampionship<br />

UEFA EURO 2008 will take place in Austria<br />

and Switzerland. To this end, a Swiss-Austrian<br />

working group on security was established in<br />

Mar<strong>ch</strong> 2004. Identical project groups in both<br />

countries are working on a national security plan<br />

that is based on a framework concept drawn up by<br />

Switzerland and Austria. This concept should<br />

guarantee uniform safety standards in all areas.<br />

The draft was passed on a ministerial level at the<br />

end of September 2005.<br />

REPORT 2005 SUMMARY<br />

The national security plan in Switzerland is<br />

being devised jointly by the federal, cantonal and<br />

municipal authorities, and should be implemented<br />

in keeping with the original fields of compe-<br />

tence of the different governmental<br />

levels. Basically, the<br />

cantons and the cities where<br />

the football mat<strong>ch</strong>es will be<br />

taking place are responsible<br />

for implementing the security<br />

measures. The organiser of the event is responsible<br />

for safety inside the stadiums. In addition to<br />

their responsibilities in the field of domestic security,the<br />

federal authorities will also be responsible<br />

for coordinating the measures.<br />

During the course of 2006, the Federal Parliament<br />

will deliberate a <strong>ch</strong>ange to the decision on<br />

the contributions by the federal government to<br />

the UEFA EURO 2008. This bill will regulate,<br />

amongst other issues, the financing of the security<br />

measures by the federal government, the cantonal<br />

authorities and the municipalities where the<br />

mat<strong>ch</strong>es will be taking place.<br />

Right-wing extremism<br />

in the Swiss army<br />

In August 2005, the Swiss army’s specialised<br />

unit for extremism was removed from the Federal<br />

Department of Defence, Civil Protection and<br />

Sports and incorporated into the Service for<br />

Combating Racism.This contact and coordination<br />

unit investigates extremist-motivated incidents<br />

within the army. It also conducts work in the fields<br />

of prevention, communication and awareness.<br />

The Federal Police Information<br />

Systems Act<br />

The Swiss federal government,<br />

the cantons and the<br />

cities pledge to guarantee<br />

security.<br />

The purpose of the Federal Police Information<br />

Systems Act (FPI) is to unify the legal frameworks<br />

of the federal police databases. A police index<br />

should in future allow authorised offices to<br />

<strong>ch</strong>eck the database for persons who are known to<br />

the federal or cantonal police and, in the affirmative,<br />

to find out whi<strong>ch</strong> police<br />

authority is involved.This is an Legal basis for federal<br />

improvement over the current police databases.<br />

system whi<strong>ch</strong> requires ea<strong>ch</strong><br />

authority to be individually contacted for any information<br />

on a person. During the consultation<br />

procedure the reaction to the first draft of the new<br />

FPI was mostly positive; the idea of a police index<br />

was especially welcomed.<br />

DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />

87


88<br />

REPORT 2005 SUMMARY<br />

Non-proliferation<br />

Prophylax – A successful<br />

prevention and awareness<br />

programme.<br />

Switzerland has ratified all international<br />

agreements on weapons of mass destruction and is<br />

a member of all four export control regimes,<br />

whose objective is to control the use of goods<br />

that have a civilian and military purpose. These<br />

regimes are: the Nuclear Suppliers Group, the<br />

Australia Group (on biological<br />

and <strong>ch</strong>emical weapons),<br />

the Missile Te<strong>ch</strong>nology Control<br />

Regime, and the Wassenaar<br />

Arrangement on Export<br />

Controls for Conventional and Dual-Use Goods<br />

and Te<strong>ch</strong>nologies. In 2005, the seco refused authorisation<br />

for 15 export applications, a threefold<br />

increase over 2004. Around two-thirds of these<br />

applications involved so-called cat<strong>ch</strong>-all-cases;<br />

that is goods that are not subject to authorisation<br />

but were registered with the seco because they<br />

were intended for a high-risk end user.<br />

In autumn 2004, fedpol (SAP) started visiting<br />

Swiss companies as part of its prevention and<br />

awareness programme called Prophylax.The purpose<br />

of Prophylax is to systematically approa<strong>ch</strong><br />

and open a dialogue with Swiss companies that<br />

manufacture sensitive products su<strong>ch</strong> as tool ma<strong>ch</strong>ines,<br />

measuring instruments or <strong>ch</strong>emical products<br />

that could be exported to high-risk countries.<br />

By December 2005, fedpol had visited 150 companies<br />

throughout Switzerland.<br />

Organised crime<br />

In October 2005, the Federal Council put forward<br />

its draft legislation on the ratification of the<br />

United Nations Convention against Transnational<br />

Organised Crime and both additional protocols<br />

against the trafficking of persons and smuggling<br />

of migrants. These agreements represent a further<br />

important development in international criminal<br />

law and a milestone in international cooperation<br />

against transnational organised crime.<br />

The creation of minimum standards in regulations<br />

and measures is a significant precondition for<br />

strengthening international cooperation. The signatory<br />

states have committed themselves to outlawing<br />

the participation in a criminal organisation<br />

and money laundering. Moreover, they must examine<br />

whether the act of corrupting foreign officials,<br />

actively or passively, should be punishable.<br />

A further point of the convention is the criminal,<br />

civil or <strong>admin</strong>istrative prosecution of companies,<br />

and the confiscation of illegally acquired assets.<br />

DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />

Fighting corruption<br />

Switzerland’s measures for fighting corruption<br />

compare favourably internationally; in fact,<br />

they are above average and oriented towards<br />

international agreements and standards. Moreover,<br />

the appropriate regulations are currently<br />

being expanded accordingly. Another step to-<br />

wards increased prevention<br />

and repression has also been<br />

made with the legislative implementation<br />

of the Council of<br />

Europe’s Criminal Law Con-<br />

vention on Corruption.From 1 July,2006,not only<br />

active corruption, but also passive corruption by<br />

private persons (Article 4a Federal Act against<br />

Unfair Competition) and the passive corruption<br />

of foreign and international officials (Article<br />

322septies Swiss Criminal Code) will be considered<br />

illegal. Finally, corporate liability will be extended<br />

to include private sector participation in<br />

corruption (Article 100quater paragraph 2 Swiss<br />

Criminal Code).<br />

However, new legislation on its own is not sufficient<br />

to prevent corruption. Combating corruption<br />

successfully requires police and judicial<br />

authorities who are familiar with the issues, the<br />

necessary personnel resources to conclude the<br />

often time-consuming and lengthy investigations,<br />

and also the protection of employees and other<br />

individuals who report corrupt practices.<br />

Human trafficking<br />

Prevention and repression –<br />

Improving the fight against<br />

corruption.<br />

In 2005 Switzerland took a number of crucial<br />

steps to combat human trafficking and a<strong>ch</strong>ieved<br />

some success on the cantonal and national level.<br />

On 11 Mar<strong>ch</strong>, 2005, the Federal Council put forward<br />

its draft legislation on the ratification of the<br />

Optional Protocol to the Convention on the<br />

Rights of the Child, on the Sale of Children, Child<br />

Prostitution and Child Pornography. The draft<br />

legislation is currently being debated by the Federal<br />

Assembly.At the same time,Article 196 of the<br />

Swiss Criminal Code on human trafficking is being<br />

amended. Besides trafficking for the purpose<br />

of sexual exploitation, the new legislation will<br />

also make trafficking to exploit labour and the<br />

removal of human organs punishable offences.<br />

Moreover, a one-time offender will also be liable<br />

for punishment for human trafficking. And the<br />

new law on foreign nationals will include a clause<br />

granting residence permits to victims of human<br />

trafficking.


New legislation on foreign nationals<br />

Under Article 116 of the new legislation on foreign<br />

nationals (Aliens Act) human trafficking will<br />

qualify as a felony. Human trafficking will also be<br />

listed as a felony in the Federal Act on the Surveillance<br />

of Post and Telecommunications and in<br />

the Federal Act on Covert Investigations. Elevating<br />

human trafficking to the status of a felony<br />

means that in future law enforcement agencies<br />

will have greater investigating and prosecuting<br />

competence.<br />

Increasing the penalty for smuggling on a<br />

commercial basis is expected to have a preventive<br />

effect. Furthermore, incorporating new offences<br />

su<strong>ch</strong> as illegal transit, transit smuggling, bogus<br />

marriages or deception of officials, will help<br />

combat forms of smuggling that are more difficult<br />

to detect.<br />

Electronic communication networks<br />

The year 2005 saw the completion of the consultation<br />

procedure on the report and preliminary<br />

drafts for the revision of the Swiss Criminal Code<br />

and the Military Criminal Code. The drafts under<br />

review regard the criminal responsibility of<br />

providers (Preliminary Draft A) and federal<br />

jurisdiction in prosecuting crimes committed by<br />

means of electronic communication networks<br />

(Preliminary Draft B). The Federal Department<br />

of Justice and Police (FDJP) intends to submit the<br />

results of the consultation proceedings and new<br />

draft legislation pertaining to Article 344 of the<br />

Swiss Criminal Code (electronic communication<br />

networks) to the Federal Council in 2006. Under<br />

the new legislation, the Office of the Attorney<br />

General of Switzerland and the Federal Criminal<br />

Police would thus be empowered to conduct initial<br />

investigations into criminal offences committed<br />

by means of electronic communication<br />

networks in su<strong>ch</strong> cases where it is has not yet been<br />

determined whi<strong>ch</strong> canton is responsible. Regarding<br />

Preliminary Draft A, the Federal Council has<br />

yet to decide on the further course of procedure.<br />

Weapons Act<br />

Switzerland’s joining of the S<strong>ch</strong>engen Agreement<br />

means that the Weapons Act needs to be<br />

extended in a number of essential respects; thus,<br />

the unauthorised possession of firearms becomes<br />

a punishable offence, the trading of firearms<br />

between private individuals requires a certificate<br />

REPORT 2005 SUMMARY<br />

of pur<strong>ch</strong>ase as is the case in commercial trading,<br />

and firearms imported into Switzerland or manufactured<br />

in the country have to be marked so<br />

they can be traced back to the original source.<br />

Finally, the licensing practice will be standardised<br />

throughout Switzerland.<br />

Apart from these <strong>ch</strong>anges, whi<strong>ch</strong> have already<br />

been agreed upon, the Federal Council has proposed<br />

further reforms. Under these reforms,<br />

imitation guns, air guns, blank cartridge guns and<br />

airsoft guns are to be placed in the same category<br />

as normal weapons and would<br />

therefore be subject to the<br />

same legal regulations. However,<br />

this only applies if the<br />

weapon has endangering potential; for example<br />

if it could be mistaken for a real one or if it has a<br />

certain muzzle power. Likewise, selling weapons<br />

anonymously, for instance over the Internet or<br />

through advertisement, would become illegal<br />

under new legislation. It has further been proposed<br />

to prohibit the improper carrying of dangerous<br />

objects. It would thus be possible for state<br />

security forces to confiscate baseball bats, metal<br />

pipes, bicycle <strong>ch</strong>ains and other objects carried in<br />

public before they can be used to injure people or<br />

commit offences. However, this would only apply<br />

if it is obvious that su<strong>ch</strong> objects are meant for use<br />

as weapons.<br />

The draft also includes legislation on the<br />

ex<strong>ch</strong>ange of data between fedpol and the army.<br />

Under proposed legislation, fedpol would be<br />

responsible for establishing a national office to<br />

evaluate tracing data on firearms. The amendment<br />

under review does not contain any reforms<br />

limiting hunting or shooting sports, however.<br />

Cooperation between<br />

intelligence services<br />

Weapons Act substantially<br />

amended and improved.<br />

When planning for the years 2003 through<br />

2007, the Federal Council defined its ninth objective<br />

– safeguarding security – in some detail:<br />

accordingly, Switzerland’s security policy instruments<br />

must fully interact with ea<strong>ch</strong> other and be<br />

flexible.Besides,the instruments for safeguarding<br />

domestic security were further strengthened in<br />

2005 with the introduction of<br />

numerous police and judicial<br />

measures. One of these measures<br />

was the decision taken by<br />

the Federal Council on 22 June 2005 that in future<br />

the Strategic Intelligence Service (SIS) at the<br />

Federal Department of Defence, Civil Protection<br />

SAP and SIS – Joint evaluation<br />

and analysis forums.<br />

DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />

89


90<br />

and Sports, and fedpol’s SAP (FDJP) should<br />

work together more closely in the fields of terrorism,<br />

organised crime and nonproliferation.<br />

To this end, three joint evaluation and analysis<br />

forums were established at the beginning of 2006.<br />

At the same time the Federal Council also decided<br />

to implement a project that had been aimed<br />

at establishing the staff of the Federal Council Security<br />

Committee. The purpose of this staff is to<br />

strengthen the leadership of the Confederation in<br />

security policy matters. The staff began work on<br />

1 October, 2005.<br />

International cooperation<br />

In the popular vote on 5 June, 2005, the Swiss<br />

people agreed to Switzerland’s joining of the<br />

S<strong>ch</strong>engen and Dublin Agreements. The Federal<br />

Council has strengthened international police<br />

cooperation through a series of agreements. The<br />

parliamentary draft on cooperation with Europol<br />

was passed by the Federal Council in January<br />

2005 and subsequently ratified by Parliament<br />

before coming into force on 1 Mar<strong>ch</strong>, 2006. By<br />

approval of the Federal Council, several bilateral<br />

police cooperation agreements have been signed<br />

with Latvia, the Cze<strong>ch</strong> Republic, Romania, Slovenia,Macedonia<br />

and Albania.These agreements<br />

form the legal basis for consolidating and further<br />

improving certain areas of cooperation that already<br />

exist through Interpol, su<strong>ch</strong> as the ex<strong>ch</strong>ange<br />

of police intelligence, the coordination of operational<br />

measures, the establishment of joint working<br />

groups and joint training modules while at the<br />

same time taking into account data protection<br />

regulations.<br />

Furthermore, in April 2005 the Federal Council<br />

passed the parliamentary draft on an agreement<br />

with Lie<strong>ch</strong>tenstein on cooperation in con-<br />

nection with Swiss information systems for fingerprinting<br />

and DNA profiling.<br />

Preventing the misuse of lost<br />

and stolen passports<br />

All over the globe, lost and stolen passports<br />

or other documents are used time and again to<br />

commit offences or to avoid law enforcement.<br />

An Interpol database should put a stop to this.<br />

Switzerland was one of the first countries to take<br />

advantage of the automated document comparison<br />

facility in December 2005: Linking up its<br />

national database to Interpol’s database makes<br />

it possible to immediately <strong>ch</strong>eck and compare<br />

document numbers. The system, whi<strong>ch</strong> was developed<br />

under the overall leadership of fedpol,<br />

can be used by authorised offices in Switzerland<br />

and can considerably curb the misuse of travel<br />

documents.<br />

Biometric data in the Swiss passport<br />

International factors have made the introduction<br />

– initially as a pilot project – of biometric<br />

data in Swiss passports necessary in order to<br />

guarantee the freedom of travel to Swiss citizens<br />

and to ensure the high security standard of the<br />

Swiss passport as compared internationally. The<br />

facial photograph and the fingerprints of the holder<br />

are among the main biometric information.The<br />

Ordinance on Documents for Swiss Nationals is<br />

currently being revised. It will serve as a basis for<br />

incorporating the electronic photograph into<br />

Swiss passports within the framework of a pilot<br />

s<strong>ch</strong>eme. By decision of the Federal Council dated<br />

15 September 2004, the revision only concerns the<br />

project phase and is limited to a period of five<br />

years. ■


IMPRESSUM<br />

REDAKTION<br />

Dienst für Analyse und Prävention,<br />

Abteilung Analyse<br />

REDAKTIONSSCHLUSS<br />

Ende Januar 2006<br />

KONTAKTADRESSE<br />

Bundesamt für Polizei<br />

Nussbaumstrasse 29<br />

CH-3003 Bern<br />

E-Mail: info@fedpol.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

Telefon 031 323 11 23<br />

www.fedpol.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

KONZEPTION, GESTALTUNG<br />

Martin Sommer, Romano Hänni, Basel<br />

DIGITALER UMBRUCH<br />

Werner Druck AG, Basel<br />

VERTRIEB<br />

BBL, Verkauf Bundespublikationen, CH-3003 Bern<br />

Art.-Nr. 410.111.d<br />

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WEITERFÜHRENDE <strong>BERICHT</strong>E<br />

UND INFORMATIONEN<br />

Website des Bundesamtes für Polizei:<br />

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COPYRIGHT<br />

Bundesamt für Polizei 2006.<br />

Auszugsweiser Na<strong>ch</strong>druck der Texte mit<br />

Quellenangabe gestattet.<br />

<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005 91

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