BERICHT INNERE SICHERHEIT DER SCHWEIZ ... - EJPD - admin.ch
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<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong><br />
<strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005
<strong>BERICHT</strong> 20 0 5<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Mai 2006<br />
PUBLIKATION DES BUNDESAMTES FÜR POLIZEI,<br />
<strong>EJPD</strong>
INHALT<br />
1. Überblick<br />
Editorial 7<br />
1.1. Brennpunkte 2005 10<br />
1.2. Gesamteins<strong>ch</strong>ätzung 11<br />
1.3. Massnahmen 12<br />
2. Gewalttätiger Extremismus und Terrorismus<br />
2.1. Re<strong>ch</strong>tsextremismus 20<br />
2.2. Linksextremismus 23<br />
2.3. Islamistis<strong>ch</strong>en Grupppen zuges<strong>ch</strong>riebene Terrorakte 26<br />
2.4. Naher Osten 30<br />
2.5. Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz 31<br />
2.6. Terrorismus in Europa 35<br />
2.7. Ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e Gruppen 36<br />
2.8. Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen 37<br />
2.9. Tamilis<strong>ch</strong>er Gewaltextremismus 39<br />
2.10. Terrorismus- und Extremismusfinanzierung 40<br />
3. Verbotener Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst 44 – 45<br />
4. Proliferation 48 – 50<br />
5. Organisierte Kriminalität<br />
5.1. Kriminelle Gruppen aus Italien 52<br />
5.2. Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa 53<br />
5.3. Kriminelle Gruppen aus der GUS 54<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005
5.4. Chinesis<strong>ch</strong>e organisierte Kriminalität 55<br />
5.5. Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerkkriminalität 56<br />
5.6. Betäubungsmittel 57<br />
5.7. Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel 59<br />
5.8. Mens<strong>ch</strong>enhandel 61<br />
6. Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
6.1. Geldwäs<strong>ch</strong>erei 64<br />
6.2. Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität 65<br />
6.3. Korruption 66<br />
6.4. Fals<strong>ch</strong>geld 67<br />
7. Weitere Aspekte der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />
7.1. Allgemeine Kriminalität 70<br />
7.2. Jugend- und Gewaltkriminalität 70<br />
7.3. Hooliganismus 72<br />
7.4. Luftsi<strong>ch</strong>erheit 73<br />
7.5. Waffen, Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik 74<br />
7.6. Cyberkriminalität und Information Assurance 75<br />
7.7. Kinderpornografie 77<br />
7.8. Internationale Zusammenarbeit 80<br />
Summary<br />
Domestic Security Report Switzerland 2005 84<br />
Impressum 91<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005
EDITORIAL<br />
Nü<strong>ch</strong>terne Analyse<br />
Jean-Luc Vez<br />
Direktor Bundesamt für Polizei (fedpol)<br />
Am 9. Dezember 2005 beförderte zum<br />
letzten Mal ein Routemaster-Bus Passagiere<br />
dur<strong>ch</strong> London. Die Busse werden unvergessen<br />
bleiben. Genauso wie das Bild jenes Busses, der am 7. Juli 2005 in<br />
London dur<strong>ch</strong> ein Selbstmordattentat zerstört wurde. So markant sol<strong>ch</strong>e<br />
Bilder und Erinnerungen au<strong>ch</strong> sein mögen, ihre Bedeutung ers<strong>ch</strong>liesst si<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t von selbst. Nü<strong>ch</strong>terne Analyse tut Not. Und in Bezug auf die Bedrohung<br />
dur<strong>ch</strong> islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus muss man heute, na<strong>ch</strong> den Ans<strong>ch</strong>lägen<br />
von London – bei nü<strong>ch</strong>terner Betra<strong>ch</strong>tung – festhalten: Der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e<br />
Kampf wird von einzelnen, wenigen Individuen au<strong>ch</strong> in Europa<br />
vorangetrieben. Betra<strong>ch</strong>ten wir die S<strong>ch</strong>weiz als Teil eines europäis<strong>ch</strong>en<br />
Operationsfeldes islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen, müssen wir uns eingestehen,<br />
dass Ans<strong>ch</strong>läge au<strong>ch</strong> hierzulande im Berei<strong>ch</strong> des Mögli<strong>ch</strong>en liegen. Konkrete<br />
Vorbereitungshandlungen für sol<strong>ch</strong>e Taten konnten bis heute zwar ni<strong>ch</strong>t<br />
endgültig na<strong>ch</strong>gewiesen werden. Dies kann si<strong>ch</strong> aber ras<strong>ch</strong> und jederzeit<br />
ändern.<br />
Der vorliegende Beri<strong>ch</strong>t blickt zurück auf das Jahr 2005, bes<strong>ch</strong>reibt<br />
die Lage, beurteilt das Ges<strong>ch</strong>ehen und zeigt mögli<strong>ch</strong>e Entwicklungen auf,<br />
sei es beim Terrorismus, beim gewalttätigen Extremismus, beim verbotenen<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst oder etwa beim Mens<strong>ch</strong>enhandel. Das Bild der Realität,<br />
das er zei<strong>ch</strong>net, bildet den Hintergrund, vor dem in nä<strong>ch</strong>ster Zeit über<br />
gesetzgeberis<strong>ch</strong>e Projekte diskutiert wird: Die laufenden Revisionen des<br />
Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />
etwa, die Revision des Waffenre<strong>ch</strong>ts sowie die Vorhaben zur Bekämpfung<br />
der Netzwerkkriminalität und des Mens<strong>ch</strong>enhandels. Wenn dieser Beri<strong>ch</strong>t<br />
zur notwendigen Sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit in diesen Diskussionen beiträgt, so hat er<br />
ein wi<strong>ch</strong>tiges Ziel errei<strong>ch</strong>t.<br />
I<strong>ch</strong> danke all jenen, die zu seiner Entstehung beigetragen haben<br />
und allen, die si<strong>ch</strong> beim Bund und bei<br />
den Kantonen für die innere Si<strong>ch</strong>erheit der<br />
S<strong>ch</strong>weiz einsetzen.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 2005 7
<strong>BERICHT</strong> 2005<br />
1. Überblick<br />
1.1. Brennpunkte 2005 10<br />
1.2. Gesamteins<strong>ch</strong>ätzung 11<br />
1.3. Massnahmen 12
10<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
1.1. Brennpunkte 2005<br />
Islamistis<strong>ch</strong>e Ans<strong>ch</strong>läge in London<br />
Am 7. Juli sprengten si<strong>ch</strong> in London in öffentli<strong>ch</strong>en<br />
Verkehrsmitteln vier Attentäter in die<br />
Luft, rissen 48 Passagiere in den Tod und verletzten<br />
über fünfhundert weitere Personen. Na<strong>ch</strong><br />
Madrid bestätigte si<strong>ch</strong> damit die neue Dimension<br />
der Bedrohung Europas dur<strong>ch</strong> den islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Terrorismus. Vielerorts entstehen kleine Zellen<br />
gewaltbereiter Islamisten respektive Ds<strong>ch</strong>ihadisten,<br />
die aufgrund ihrer bes<strong>ch</strong>ränkten Kapazitäten<br />
nur Ans<strong>ch</strong>lagsziele in ihrer Umgebung<br />
wählen können.<br />
Bis zu den Sprengstoffans<strong>ch</strong>lägen in Madrid<br />
im Jahr 2004 galt Europa den meisten gewaltbereiten<br />
Islamisten eher als Rückzugsgebiet und<br />
als Raum zur logistis<strong>ch</strong>en<br />
Vorbereitung von Ans<strong>ch</strong>lägen,<br />
ni<strong>ch</strong>t jedo<strong>ch</strong> als Raum für<br />
terroristis<strong>ch</strong>e Operationen.<br />
Vor allem seit den Londoner Ans<strong>ch</strong>lägen ist au<strong>ch</strong><br />
Europa zur Arena des islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus<br />
geworden.<br />
Europa als neue Arena des<br />
islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus.<br />
S<strong>ch</strong>weiz als Teil des europäis<strong>ch</strong>en<br />
Operationsfelds.<br />
Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz war 2005 wiederum kein Ziel<br />
des islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus. Es ist jedo<strong>ch</strong> davon<br />
auszugehen, dass si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Terroristen aufhalten könnten.<br />
In Anbetra<strong>ch</strong>t der jüngsten<br />
Entwicklung der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en<br />
Ideologie liegen terroristis<strong>ch</strong>e<br />
Ans<strong>ch</strong>läge in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz als Teil des europäis<strong>ch</strong>en Operationsfelds<br />
zunehmend im Berei<strong>ch</strong> des Mögli<strong>ch</strong>en.<br />
Re<strong>ch</strong>tsextremismus<br />
Im Jahr 2005 kam es zu 111 Vorfällen mit<br />
re<strong>ch</strong>tsextremem Hintergrund. Bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zugenommen<br />
hat in den letzten Jahren vor allem die<br />
Anzahl Konzerte in der re<strong>ch</strong>tsextremen Szene.<br />
Teile der extremen Re<strong>ch</strong>ten verzi<strong>ch</strong>teten auf<br />
Gewalt. Die von re<strong>ch</strong>tsextremen Exponenten<br />
verursa<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>äden, vor allem gegen Personen,<br />
sind aber ho<strong>ch</strong>.Auftritte von Re<strong>ch</strong>tsextremen wie<br />
zum Beispiel am 1. August auf dem Rütli oder bei<br />
Auseinandersetzungen mit gegneris<strong>ch</strong>en Gruppen<br />
erforderten zunehmend den Einsatz stärke-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
rer Polizeikräfte und gefährdeten teils punktuell,<br />
teils lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung der<br />
S<strong>ch</strong>weiz. Sie stellten aber keine<br />
Bedrohung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />
der S<strong>ch</strong>weiz in ihrer<br />
Gesamtheit dar. Re<strong>ch</strong>tsextrem<br />
motivierte Angriffe gegen<br />
Einri<strong>ch</strong>tungen des Asylwesens und gegen<br />
Ausländer stiegen 2005 lei<strong>ch</strong>t an, diese Bedrohung<br />
blieb demna<strong>ch</strong> bestehen.<br />
Linksextreme Gewalt<br />
Die Hemms<strong>ch</strong>welle zur Gewaltanwendung<br />
sank in der linksextremen Szene weiter. Die Bereits<strong>ch</strong>aft,<br />
Körperverletzungen zumindest in<br />
Kauf zu nehmen, stieg besonders gegenüber<br />
Si<strong>ch</strong>erheitskräften.<br />
Die Linksextremen haben mit ihrer selbst<br />
verursa<strong>ch</strong>ten Isolation innerhalb der Globalisierungsbewegung<br />
und dur<strong>ch</strong> das konsequente<br />
Dur<strong>ch</strong>greifen der Polizei besonders bei ni<strong>ch</strong>t<br />
bewilligten Anlässen ihre wi<strong>ch</strong>tigste Plattform<br />
verloren. Die Reaktion darauf bestand in einer<br />
Erweiterung und Neuakzentuierung der Anliegen<br />
sowie in taktis<strong>ch</strong>en Veränderungen. Die<br />
linksextreme Szene hat eine Doppelstrategie<br />
entwickelt: Einerseits wurde die Globalisierungskritik<br />
vor allem gegen das<br />
World Economic Forum neu<br />
ni<strong>ch</strong>t nur anlassbezogen, sondern<br />
das ganze Jahr über thematisiert.<br />
Andererseits wurden<br />
alte und neue Themen<br />
vermehrt in den Vordergrund<br />
gerückt. Dazu gehört etwa die<br />
erneute S<strong>ch</strong>werpunktsetzung auf den «Kampf<br />
gegen den Fas<strong>ch</strong>ismus», aber au<strong>ch</strong> gegen die<br />
vermeintli<strong>ch</strong>e Polizeirepression.<br />
Die linksextreme Gewalt gefährdete punktuell<br />
oder lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung,<br />
stellte aber keine Bedrohung der inneren<br />
Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz dar.<br />
Proliferation<br />
Lokale Gefährdung der<br />
Si<strong>ch</strong>erheit erforderte den Einsatz<br />
stärkerer Polizeikräfte.<br />
S<strong>ch</strong>werpunktsetzung<br />
auf den «Kampf gegen<br />
den Fas<strong>ch</strong>ismus» und gegen<br />
die vermeintli<strong>ch</strong>e Polizeirepression.<br />
Der Dienst für Analyse und Prävention<br />
(DAP) im Bundesamt für Polizei (fedpol) klärte<br />
2004 präventiv S<strong>ch</strong>weizer Verwicklungen ins<br />
Netzwerk des «Vaters» der pakistanis<strong>ch</strong>en Atombombe,<br />
Dr. Abdul Qadeer Khan, ab, besonders
hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Exporten zugunsten des libys<strong>ch</strong>en<br />
Nuklearprogramms. Im Oktober 2004 eröffnete<br />
die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft ein<br />
Ermittlungsverfahren wegen<br />
Verda<strong>ch</strong>ts der Widerhandlungen<br />
gegen das Güterkontrollgesetz<br />
(GKG) und das Kriegsmaterialgesetz<br />
(KMG).Die Untersu<strong>ch</strong>ung dauert<br />
seit 2004 an und führte zur Verhaftung dreier<br />
Mitglieder einer Familie.<br />
Im Oktober 2005 deponierte das Staatssekretariat<br />
für Wirts<strong>ch</strong>aft (seco) eine weitere Anzeige<br />
wegen Verda<strong>ch</strong>ts auf Widerhandlungen gegen das<br />
GKG und KMG bei der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft. Es<br />
geht dabei um ein S<strong>ch</strong>weizer Unternehmen,<br />
das mehrfa<strong>ch</strong> Güter an proliferationsrelevante<br />
Empfänger in einem mittelöstli<strong>ch</strong>en Land exportiert<br />
oder zu exportieren versu<strong>ch</strong>t hatte.<br />
Fortgang der Ermittlungen<br />
zum Netzwerk<br />
Abdul Qadeer Khans.<br />
Organisierte Kriminalität<br />
Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa, besonders<br />
aus Mazedonien, Albanien und dem Kosovo,<br />
spielten in der Kriminalitätsentwicklung der<br />
S<strong>ch</strong>weiz unverändert eine bedeutende Rolle. Der<br />
si<strong>ch</strong> seit etwa zwei bis drei Jahren abzei<strong>ch</strong>nende<br />
Trend, dass die Bedeutung serbis<strong>ch</strong>er Gruppen<br />
zunimmt, hielt unvermindert an. Kriminelle Organisationen<br />
aus der Gemeins<strong>ch</strong>aft Unabhängiger<br />
Staaten blieben eine ernste Bedrohung für die<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft, die re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>en Institutionen sowie<br />
für den Finanzplatz der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Hooliganismus<br />
Die Gruppe von Personen, die gezielt Gewalt<br />
bei Sportveranstaltungen su<strong>ch</strong>ten, umfasste 2005<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz rund vierhundert Personen.Weitere<br />
rund se<strong>ch</strong>shundert Personen beteiligten si<strong>ch</strong> in<br />
1.2. Gesamteins<strong>ch</strong>ätzung<br />
Innere Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz<br />
generell<br />
Im Frühjahr 2005 belegte die jährli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einende<br />
Studie der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule in Züri<strong>ch</strong> das unverändert gute Si<strong>ch</strong>erheitsgefühl<br />
der S<strong>ch</strong>weizerinnen und S<strong>ch</strong>weizer.<br />
An diesem hatten die Ans<strong>ch</strong>läge von Madrid<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
diesem Umfeld gelegentli<strong>ch</strong> an Gewaltauss<strong>ch</strong>reitungen<br />
und Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen.<br />
Der harte Kern der Hooligans ist gut organisiert<br />
und su<strong>ch</strong>te hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die Auseinandersetzung<br />
mit Glei<strong>ch</strong>gesinnten. Eine bedeutendere<br />
Beeinträ<strong>ch</strong>tigung der öffentli<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheit ging<br />
2005 von unorganisierten Gruppen zumeist<br />
junger Personen aus, die gewalttätige Auseinandersetzungen<br />
mit gegneris<strong>ch</strong>en Fans, aber au<strong>ch</strong><br />
mit Unbeteiligten und der Polizei su<strong>ch</strong>ten. Na<strong>ch</strong><br />
den Beoba<strong>ch</strong>tungen der Polizei nahm die Intensität<br />
der Gewalt zu, glei<strong>ch</strong>zeitig sank das Alter<br />
der Täter.<br />
Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
Die repressive Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz fand 2005 weiterhin unter besonderen<br />
Vorzei<strong>ch</strong>en statt.Gerade in komplexen Fällen<br />
wurde die Vortat oft im Ausland<br />
begangen, und es wurde<br />
nur versu<strong>ch</strong>t, die Gewinne aus<br />
dem Verbre<strong>ch</strong>en hier zu platzieren.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz war daher<br />
in der Beweisführung in einem eigenen Strafverfahren<br />
auf die Zusammenarbeit mit dem Staat angewiesen,<br />
in dem die Vortat begangen wurde.<br />
Konnten ni<strong>ch</strong>t genügend Mittel zum Beweis der<br />
Vortat erhoben werden, s<strong>ch</strong>eiterte das Verfahren<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz.Zudem wurden viele Fälle auf dem<br />
Re<strong>ch</strong>tshilfeweg erledigt oder aus prozesste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Gründen an das Land delegiert, in dem die<br />
Vortat begangen worden war. Die Strafurteilsstatistik<br />
zei<strong>ch</strong>net daher nur ein sehr begrenztes Bild<br />
der repressiven Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung. Die<br />
S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgungsbehörden lieferten oft<br />
wi<strong>ch</strong>tige Beiträge für die internationale Bekämpfung<br />
der Geldwäs<strong>ch</strong>erei.<br />
Besondere Vorzei<strong>ch</strong>en der<br />
repressiven Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
im März des Vorjahres wenig geändert. Dieses<br />
Gefühl ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong>keitsfremd, lebten<br />
die S<strong>ch</strong>weizerinnen und<br />
S<strong>ch</strong>weiz ein relativ wenig<br />
bedrohtes Umfeld.<br />
S<strong>ch</strong>weizer do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> 2005 in<br />
einem verhältnismässig wenig<br />
bedrohten Umfeld. Trotzdem<br />
muss festgehalten werden, dass die negativen<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
11
12<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
Trends ni<strong>ch</strong>t gebro<strong>ch</strong>en werden konnten. Weiterhin<br />
nimmt Jugendgewalt zu, und der Trend zur<br />
Gewalt ist au<strong>ch</strong> in den Berei<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ts- und<br />
Linksextremismus, Hooliganismus oder im Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
feststellbar.<br />
Islamistis<strong>ch</strong>er Terrorismus<br />
Der Trend zu kleineren, selbstständig agierenden<br />
Zellen islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen bestätigte<br />
si<strong>ch</strong> 2005. Eine sol<strong>ch</strong>e war für die aus terroristis<strong>ch</strong>er<br />
Si<strong>ch</strong>t gelungenen Ans<strong>ch</strong>läge in London<br />
verantwortli<strong>ch</strong>. In der S<strong>ch</strong>weiz<br />
wurden bisher zwar keine konkretenVorbereitungshandlungen<br />
zu terroristis<strong>ch</strong>en Taten<br />
endgültig na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />
Es gibt aber Vermutungen,<br />
dass es in der S<strong>ch</strong>weiz Islamisten gibt, wel<strong>ch</strong>e die<br />
Dur<strong>ch</strong>führung sol<strong>ch</strong>er Taten anstreben. Die Bedrohungslage<br />
kann ras<strong>ch</strong> und jederzeit ändern.<br />
Der hier bes<strong>ch</strong>riebene Trend und das Beispiel<br />
der Attentate von London zeigen, dass terroristis<strong>ch</strong>e<br />
Attentäter heute s<strong>ch</strong>werer denn je im Vorfeld<br />
einer Tat ermittelbar sind. Ni<strong>ch</strong>t erstaunli<strong>ch</strong><br />
ist deshalb, dass si<strong>ch</strong> 2005 die weltweite Debatte<br />
darüber vers<strong>ch</strong>ärfte, wel<strong>ch</strong>e Mittel liberalen<br />
Demokratien und Re<strong>ch</strong>tsstaaten zur Verfügung<br />
Weitgehende Ents<strong>ch</strong>eidungsundHandlungsautonomie<br />
der islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Terroristen.<br />
1.3. Massnahmen<br />
Verbot der Al Qaïda<br />
Ende November 2005 verlängerte der Bundesrat<br />
das Verbot der Terrororganisation Al<br />
Qaïda und verwandter Organisationen.Verboten<br />
sind ni<strong>ch</strong>t nur sämtli<strong>ch</strong>e Aktivitäten der Organisation<br />
selber, sondern au<strong>ch</strong> alle Aktionen, die<br />
deren Unterstützung dienen. Der Bundesratsbes<strong>ch</strong>luss<br />
verlängerte das Verbot um weitere<br />
drei Jahre bis zum 31. Dezember 2008.<br />
Präventive Massnahmen<br />
gegen extremistis<strong>ch</strong>e Prediger<br />
fedpol verhängt systematis<strong>ch</strong> Einreisesperren<br />
gegen islamistis<strong>ch</strong>e Extremisten. Darunter fallen<br />
im Ausland verurteilte Aktivisten, mutmassli<strong>ch</strong>e<br />
Angehörige terroristis<strong>ch</strong>er Gruppierungen und<br />
bekannt gewordene so genannte Hassprediger.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
stehen,um sol<strong>ch</strong>en Bedrohungen zu begegnen.Es<br />
gilt einen gangbaren Weg zu finden: Einerseits<br />
sollen dem Staat genügend und effiziente Mittel<br />
zur Verfügung stehen, um die Si<strong>ch</strong>erheit seiner<br />
Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.Andererseits<br />
dürfen dabei die eigenen Errungens<strong>ch</strong>aften,<br />
Prinzipien und Ideale ni<strong>ch</strong>t verraten werden,<br />
will man ni<strong>ch</strong>t dem Gegner in die Hände arbeiten.<br />
Organisierte Kriminalität in Europa<br />
Weiterhin stellt si<strong>ch</strong> den nationalen Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden<br />
die Aufgabe, Bedrohungen der<br />
inneren Si<strong>ch</strong>erheit dur<strong>ch</strong> die organisierte Kriminalität<br />
die nötige Aufmerksamkeit zu s<strong>ch</strong>enken<br />
und Massnahmen au<strong>ch</strong> hierauf auszuri<strong>ch</strong>ten. Zunehmend<br />
konnte festgestellt<br />
werden,dass es Verbindungen<br />
terroristis<strong>ch</strong>er Gruppierungen<br />
zu anderen Kriminalitätsfeldern,<br />
teils zur Kleinkriminalität,<br />
teils aber au<strong>ch</strong> zur organisierten<br />
Kriminalität, gibt.<br />
Angesi<strong>ch</strong>ts des transnationa-<br />
Nationale und internationale<br />
Zusammenarbeit der<br />
S<strong>ch</strong>lüssel zum Erfolg bei<br />
Bekämpfung organisierter<br />
Kriminalität.<br />
len Charakters dieser Kriminalitätsformen bleibt<br />
die nationale und internationale Zusammenarbeit<br />
der S<strong>ch</strong>lüssel zum Erfolg bei der Bekämpfung<br />
organisierter Kriminalität.<br />
So wurde zum Beispiel ein ägyptis<strong>ch</strong>er Prediger,<br />
der im September 2005 an der Jahreskonferenz<br />
des Muslimda<strong>ch</strong>verbands Liga der Muslime der<br />
S<strong>ch</strong>weiz hatte teilnehmen wollen, mit einer Einreisesperre<br />
belegt.<br />
Die Verweigerung von Arbeitsbewilligungen<br />
an aus dem Ausland stammende Imame, die in<br />
S<strong>ch</strong>weizer Zentren ihr Amt ausüben wollen, dient<br />
der Unterbindung extremistis<strong>ch</strong>er<br />
islamis<strong>ch</strong>er Propaganda.<br />
Neu kann ni<strong>ch</strong>t allein der Hintergrund<br />
des kandidierenden<br />
Vorbeters Grund hierfür sein,<br />
sondern au<strong>ch</strong> eine allgemein extremistis<strong>ch</strong>e Haltung<br />
des Zentrums. Im November 2005 bestätigte<br />
das Bundesgeri<strong>ch</strong>t einen Ents<strong>ch</strong>eid des Kantons<br />
Genf: Dieser hatte dem Islamis<strong>ch</strong>en Zentrum<br />
wegen der verfassungswidrigen Äusserungen seines<br />
Leiters die Anstellung eines Imams aus der<br />
Einreisesperren und<br />
Verweigerung von<br />
Arbeitsbewilligungen.
BWIS II<br />
BWIS I<br />
Türkei verweigert. Die Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden werden<br />
für sol<strong>ch</strong>e Arbeitsbewilligungen konsultiert.<br />
Veränderte Voraussetzungen<br />
im Antiterrorkampf<br />
Die gegenwärtig feststellbare ideologis<strong>ch</strong>e<br />
Tendenz islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen, den gewalttätigen<br />
Ds<strong>ch</strong>ihad auf lokaler Ebene mögli<strong>ch</strong>st<br />
individuell zu führen, ma<strong>ch</strong>t islamistis<strong>ch</strong>e Terrorans<strong>ch</strong>läge<br />
prinzipiell überall mögli<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz. Je individueller Ds<strong>ch</strong>ihadisten zudem<br />
handeln, desto s<strong>ch</strong>wieriger wird ihre Identifikation<br />
vor einer Tat. Dies bedingt einen entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Ausbau der gegen sol<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften<br />
geri<strong>ch</strong>teten na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Mittel,<br />
wie er in den meisten europäis<strong>ch</strong>en Ländern in<br />
den letzten Jahren vorangetrieben wurde.<br />
Wenn die S<strong>ch</strong>weiz diese Entwicklungen ni<strong>ch</strong>t<br />
verfolgt, verliert sie ni<strong>ch</strong>t nur die Glaubwürdigkeit<br />
gegenüber ihren Partnern im internationalen<br />
Kampf gegen Terrorismus, sondern riskiert au<strong>ch</strong>,<br />
vom Ruheraum zum bevorzugten Agitationsraum<br />
des islamistis<strong>ch</strong>en Extremismus und Terrorismus<br />
zu werden. Die eingeleitete Revision des<br />
Bundesgesetzes über Massnahmen<br />
zur Wahrung der inneren<br />
Si<strong>ch</strong>erheit (BWIS II) trägt<br />
diesen veränderten Rahmenbedingungen Re<strong>ch</strong>nung.<br />
Der Bundesrat wird seine Bots<strong>ch</strong>aft zuhanden<br />
des Parlaments no<strong>ch</strong> im Jahr 2006 verabs<strong>ch</strong>ieden.<br />
Massnahmen gegen Gewalt<br />
bei Sportveranstaltungen und<br />
Gewaltpropaganda<br />
Zurzeit deutet ni<strong>ch</strong>ts auf ein Abflauen der<br />
Gewalt bei Sportanlässen, hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Fussball-<br />
und Eishockeyspielen, hin. Die Polizei beoba<strong>ch</strong>tet<br />
im Gegenteil eine Zunahme des Phänomens.<br />
Abhilfe s<strong>ch</strong>affen sollte die im Frühjahr<br />
2006 von den Eidgenössis<strong>ch</strong>en Räten verabs<strong>ch</strong>iedete<br />
Revision des Bundesgesetzes über Massnahmen<br />
zur Wahrung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit der<br />
S<strong>ch</strong>weiz (BWIS I). Mit der<br />
Revision sollen den kantonalen<br />
Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden zusätzli<strong>ch</strong>e<br />
Mittel wie Rayonverbote, Ausreisebes<strong>ch</strong>ränkungen,<br />
Meldeauflagen und präventiver<br />
Gewahrsam zur Verfügung gestellt werden, um<br />
Gewaltauss<strong>ch</strong>reitungen an Sportveranstaltungen<br />
zu verhindern.Polizeili<strong>ch</strong> bekannte Hooligans bei<br />
Sportanlässen sollen in einer neu zu s<strong>ch</strong>affenden<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
nationalen Datenbank registriert werden können.<br />
Im Rahmen der Gesetzesrevision BWIS I ist<br />
weiter eine Bestimmung zur Bes<strong>ch</strong>lagnahme von<br />
Propagandamaterial vorgesehen, mit dem zu<br />
Gewalt aufgerufen wird. Sol<strong>ch</strong>es Propagandamaterial<br />
soll ungea<strong>ch</strong>tet der Menge präventiv auf<br />
verwaltungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>em Weg si<strong>ch</strong>ergestellt werden<br />
können.<br />
Massnahmen hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
UEFA EURO 2008<br />
Im Juni 2008 wird in Österrei<strong>ch</strong> und der<br />
S<strong>ch</strong>weiz die Fussballeuropameisters<strong>ch</strong>aft UEFA<br />
EURO 2008 dur<strong>ch</strong>geführt. Im März 2004 wurde<br />
eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>-österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheitsarbeitsgruppe<br />
gegründet. Identis<strong>ch</strong>e Projektorganisationen<br />
in beiden Staaten arbeiten die<br />
nationalen Si<strong>ch</strong>erheitskonzepte aus. Als Basis für<br />
diese Si<strong>ch</strong>erheitskonzepte erstellten die S<strong>ch</strong>weiz<br />
und Österrei<strong>ch</strong> ein Rahmenkonzept, das einheitli<strong>ch</strong>e<br />
Si<strong>ch</strong>erheitsstandards in allen Berei<strong>ch</strong>en<br />
gewährleisten soll. Dieses wurde Ende September<br />
2005 auf Ministerebene verabs<strong>ch</strong>iedet.<br />
Das nationale Si<strong>ch</strong>erheitskonzept wird von<br />
Bund, Kantonen und Städten<br />
gemeinsam erarbeitet und unter<br />
Wahrung der originären<br />
Zuständigkeiten umgesetzt<br />
werden. Grundsätzli<strong>ch</strong> liegt<br />
die Verantwortung für die<br />
Dur<strong>ch</strong>führung der Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen bei<br />
den Kantonen und den Austragungsorten.Für die<br />
Si<strong>ch</strong>erheit in den Stadien ist der Ausri<strong>ch</strong>ter verantwortli<strong>ch</strong>.Der<br />
Bund nimmt zusätzli<strong>ch</strong> zu seinen<br />
eigenen Zuständigkeiten im Berei<strong>ch</strong> der inneren<br />
Si<strong>ch</strong>erheit eine Koordinationsfunktion wahr.<br />
Die Eidgenössis<strong>ch</strong>en Räte werden im Laufe<br />
des Jahres 2006 die Änderung des Bundesbes<strong>ch</strong>lusses<br />
über Beiträge und Leistungen des<br />
Bundes an die UEFA EURO 2008 behandeln.<br />
Mit dieser Vorlage wird unter anderem die partners<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Finanzierung der Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen<br />
dur<strong>ch</strong> Bund, Kantone und Austragungsorte<br />
geregelt.<br />
Re<strong>ch</strong>tsextremismus in der Armee<br />
Bund, Kantone und Städte<br />
tragen Projekt Si<strong>ch</strong>erheit<br />
UEFA EURO 2008<br />
gemeinsam.<br />
Im August 2005 wurde die Fa<strong>ch</strong>stelle Extremismus<br />
in der Armee aus dem Departement für<br />
Bevölkerungss<strong>ch</strong>utz, Verteidigung und Sport<br />
(VBS) herausgelöst und der Fa<strong>ch</strong>stelle für Rassismusbekämpfung<br />
angegliedert. Diese Anlauf- und<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
13
Koordinationsstelle untersu<strong>ch</strong>t in der Armee<br />
Vorfälle mit extremistis<strong>ch</strong>em Hintergrund und ist<br />
au<strong>ch</strong> in den Berei<strong>ch</strong>en Prävention, Kommunikation<br />
und Sensibilisierung aktiv.<br />
Bundesgesetz über die polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Informationssysteme des Bundes<br />
Im Bundesgesetz über die polizeili<strong>ch</strong>en Informationssysteme<br />
des Bundes (BPI) sollen die<br />
gesetzli<strong>ch</strong>en Grundlagen für die polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Datenbanken des Bundes zusammengefasst wer-<br />
den. Ein Polizei-Index soll<br />
als eine Art elektronis<strong>ch</strong>es<br />
Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis den bere<strong>ch</strong>tigten<br />
Stellen erlauben,<br />
mit einer automatisierten Abfrage<br />
zu klären, ob und von wel<strong>ch</strong>er polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Behörde beim Bund oder bei den Kantonen über<br />
eine bestimmte Person Daten bearbeitet werden.<br />
Heute muss dazu jede Behörde einzeln angefragt<br />
werden. In der Vernehmlassung fielen die Reaktionen<br />
auf den ersten Entwurf des BPI mehrheitli<strong>ch</strong><br />
positiv aus. Besonders die Idee eines Polizei-<br />
Indexes wurde unterstützt.<br />
Gesetzli<strong>ch</strong>e Grundlagen<br />
für die polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Datenbanken des Bundes.<br />
Erfolg des Präventions-<br />
und Sensibilisierungsprogramms<br />
Prophylax.<br />
14<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
Nonproliferation<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz hat sämtli<strong>ch</strong>e internationalen<br />
Verträge im Berei<strong>ch</strong> der Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen<br />
ratifiziert und ist Mitglied aller vier Exportkontrollregime,<br />
deren Ziel insbesondere die<br />
Kontrolle zivil und militäris<strong>ch</strong> verwendbarer<br />
Güter ist: der Gruppe der Nuklearlieferländer,<br />
der Australiengruppe (zum Berei<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er<br />
und biologis<strong>ch</strong>er Waffen), des Raketenkontrollregimes<br />
und der Wassenaar-Vereinbarung im<br />
Berei<strong>ch</strong> konventioneller Waffen. 2005 lehnte das<br />
seco 15 Ausfuhren ab, das Dreifa<strong>ch</strong>e des Vorjahres.<br />
Davon entfielen zwei Drittel auf so genannte<br />
Cat<strong>ch</strong>-all-Fälle, das heisst auf ni<strong>ch</strong>t bewilligungspfli<strong>ch</strong>tige<br />
Güter, die dem seco gemeldet wurden,<br />
weil sie für einen heiklen Endempfänger bestimmt<br />
waren.<br />
Im Herbst 2004 begann fedpol (DAP) im Rahmen<br />
eines Präventions- und Sensibilisierungsprogramms<br />
namens Prophylax, S<strong>ch</strong>weizer Unterneh-<br />
men zu besu<strong>ch</strong>en. Prophylax<br />
erlaubt es, systematis<strong>ch</strong> auf<br />
Unternehmen zuzugehen, die<br />
in heiklen Berei<strong>ch</strong>en wie etwa<br />
der Herstellung von Werkzeugmas<strong>ch</strong>inen,<br />
Messgeräten oder <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en<br />
Produkten tätig sind und diese in Risikoländer ex-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
portieren könnten. Bis Ende 2005 wurden 150<br />
Unternehmen in der gesamten S<strong>ch</strong>weiz besu<strong>ch</strong>t.<br />
Organisierte Kriminalität<br />
Der Bundesrat verabs<strong>ch</strong>iedete im Oktober<br />
2005 die Bots<strong>ch</strong>aft zur Ratifikation des UNO-<br />
Übereinkommens gegen grenzübers<strong>ch</strong>reitende<br />
organisierte Kriminalität und der beiden Zusatzprotokolle<br />
gegen Mens<strong>ch</strong>enhandel und Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel.<br />
Diese verkörpern eine wi<strong>ch</strong>tige<br />
Weiterentwicklung des internationalen Strafre<strong>ch</strong>ts<br />
und bilden einen Meilenstein in der internationalen<br />
Zusammenarbeit gegen grenzübers<strong>ch</strong>reitende<br />
organisierte Kriminalität. Die S<strong>ch</strong>affung<br />
eines Mindeststandards von Vors<strong>ch</strong>riften<br />
und Massnahmen bildet eine wesentli<strong>ch</strong>e Voraussetzung,<br />
um die internationale Zusammenarbeit<br />
zu verstärken. Die Vertragsstaaten des Übereinkommens<br />
verpfli<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong>, die Beteiligung an<br />
einer kriminellen Organisation sowie die Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
für strafbar zu erklären. Sie müssen<br />
zudem prüfen, ob die aktive und passive Korruption<br />
von ausländis<strong>ch</strong>en Amtsträgern bestraft<br />
werden soll. Weiter sollen juristis<strong>ch</strong>e Personen<br />
strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, zivilre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> oder <strong>admin</strong>istrativ<br />
belangt werden können. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist die Einziehung<br />
von deliktis<strong>ch</strong> erlangten Vermögenswerten<br />
si<strong>ch</strong>erzustellen.<br />
Korruptionsbekämpfung<br />
Das s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Instrumentarium zur Korruptionsbekämpfung<br />
ist im internationalen Verglei<strong>ch</strong><br />
überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> und orientiert si<strong>ch</strong> an<br />
entspre<strong>ch</strong>enden internationalen Übereinkommen<br />
und Standards; in diesem Sinn wird zurzeit<br />
ein Ausbau der Regelungen<br />
vorgenommen. Ein weiterer<br />
S<strong>ch</strong>ritt zur Stärkung der Prävention<br />
und Repression ist mit<br />
der Umsetzung des Europaratsübereinkommens<br />
über die<br />
strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Bekämpfung der Korruption gesetzgeberis<strong>ch</strong><br />
bereits abges<strong>ch</strong>lossen. Auf den<br />
1. Juli 2006 wird neben der aktiven au<strong>ch</strong> die passive<br />
Privatbeste<strong>ch</strong>ung (Artikel 4a Bundesgesetz<br />
gegen den unlauteren Wettbewerb) sowie die passive<br />
Beste<strong>ch</strong>ung von ausländis<strong>ch</strong>en und internationalen<br />
Amtsträgern (Artikel 322 septies zweites<br />
und drittes Lemma Strafgesetzbu<strong>ch</strong> / StGB) für<br />
strafbar erklärt. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wird die Unternehmungshaftung<br />
auf die aktive Privatbeste<strong>ch</strong>ung<br />
ausgedehnt (Artikel 100 quater Absatz 2 StGB).<br />
Weitere S<strong>ch</strong>ritte zur<br />
Stärkung der Prävention<br />
und Repression bei der<br />
Korruptionsbekämpfung.
Neue Gesetzesartikel allein vermögen Korruptionshandlungen<br />
jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einzudämmen.<br />
Zum erfolgrei<strong>ch</strong>en Kampf gegen Korruption<br />
brau<strong>ch</strong>t es mit der Materie vertraute Polizei- und<br />
Justizbehörden, die nötigen Personalressourcen,<br />
um die oftmals aufwändigen und langwierigen<br />
Ermittlungsverfahren erfolgrei<strong>ch</strong> abs<strong>ch</strong>liessen zu<br />
können, sowie den S<strong>ch</strong>utz von Mitarbeitern und<br />
anderen Personen, die korrupte Verhaltensweisen<br />
intern oder extern melden.<br />
Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz unternahm 2005 wi<strong>ch</strong>tige S<strong>ch</strong>ritte<br />
im Kampf gegen den Mens<strong>ch</strong>enhandel und<br />
erzielte einige Erfolge auf kantonaler und nationaler<br />
Ebene. Der Bundesrat verabs<strong>ch</strong>iedete am<br />
11. März 2005 die Bots<strong>ch</strong>aft zur Ratifizierung des<br />
Fakultativprotokolls zur Kinderre<strong>ch</strong>tskonvention<br />
betreffend Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution<br />
und die Kinderpornografie; das<br />
Ges<strong>ch</strong>äft ist in parlamentaris<strong>ch</strong>er Beratung. In<br />
diesem Rahmen wird au<strong>ch</strong> Artikel 196 StGB<br />
(Mens<strong>ch</strong>enhandel) revidiert. Neben dem Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung<br />
sollen die Tatbestände des Handels<br />
zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft<br />
sowie der Entnahme von Körperorganen unter<br />
Strafe gestellt werden. Neu soll zudem au<strong>ch</strong> ein<br />
Einmaltäter wegen Mens<strong>ch</strong>enhandels bestraft<br />
werden können. Das neue Ausländergesetz soll<br />
im Rahmen der Ausnahmebestimmungen die<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit bieten, Aufenthaltsbewilligungen<br />
für Mens<strong>ch</strong>enhandelsopfer zu gewähren.<br />
Neues Ausländergesetz<br />
Mit der geplanten Qualifikation des Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />
als Verbre<strong>ch</strong>en in Artikel 116<br />
des neuen Ausländergesetzes (AuG) sowie mit<br />
der glei<strong>ch</strong>zeitig vorgesehenen Aufnahme des Tatbestandes<br />
in den Deliktkatalog des Bundesgesetzes<br />
betreffend die Überwa<strong>ch</strong>ung des Post- und<br />
Fernmeldeverkehrs und des Bundesgesetzes über<br />
die verdeckte Ermittlung wird die Ermittlungsund<br />
Strafverfolgungskompetenz der Behörden<br />
künftig erweitert. Der Erhöhung des Strafmasses<br />
für gewerbsmässige S<strong>ch</strong>lepperei wird eine präventive<br />
Wirkung zugespro<strong>ch</strong>en. Die vorgesehene<br />
Aufnahme neuer Straftatbestände wie illegaler<br />
Transit, Transits<strong>ch</strong>lepperei, S<strong>ch</strong>einehe oder Täus<strong>ch</strong>ung<br />
der Behörden wird es ermögli<strong>ch</strong>en, au<strong>ch</strong><br />
die s<strong>ch</strong>werer zu erfassenden S<strong>ch</strong>leusungsmodi<br />
besser zu bekämpfen.<br />
Elektronis<strong>ch</strong>e<br />
Kommunikationsnetze<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
Das Vernehmlassungsverfahren zum Beri<strong>ch</strong>t<br />
und zu den Vorentwürfen zur Änderung des<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Strafgesetzbu<strong>ch</strong>es und des Militärstrafgesetzes<br />
betreffend die strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Verantwortli<strong>ch</strong>keit der Provider (Vorentwurf A)<br />
und die Kompetenzen des Bundes bei der Verfolgung<br />
strafbarer Handlungen mittels elektronis<strong>ch</strong>er<br />
Kommunikationsnetze (Vorentwurf B)<br />
wurde 2005 abges<strong>ch</strong>lossen. Das Eidgenössis<strong>ch</strong>e<br />
Justiz- und Polizeidepartement (<strong>EJPD</strong>) beabsi<strong>ch</strong>tigt,dem<br />
Bundesrat 2006 die Vernehmlassungsergebnisse<br />
zur Kenntnis zu bringen sowie in Bezug<br />
auf Vorentwurf B einen Bots<strong>ch</strong>aftsentwurf zu<br />
einem neuen Artikel 344 StGB zu unterbreiten.<br />
Bei dieser Vorlage geht es darum, dass bei strafbaren<br />
Handlungen mittels elektronis<strong>ch</strong>er Kommunikationsnetze,<br />
bei denen no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>net<br />
werden kann, wel<strong>ch</strong>er Kanton für die Strafverfolgung<br />
zuständig ist, die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
und die Bundeskriminalpolizei (BKP) erste dringend<br />
notwendige Ermittlungen dur<strong>ch</strong>führen können.<br />
Bezügli<strong>ch</strong> Vorentwurf A wird der Bundesrat<br />
über das weitere Vorgehen ents<strong>ch</strong>eiden.<br />
Waffengesetz<br />
Mit der Assoziierung der S<strong>ch</strong>weiz zum S<strong>ch</strong>engener<br />
Abkommen wird das Waffengesetz um<br />
einige wesentli<strong>ch</strong>e Punkte ergänzt. Der unbe-<br />
re<strong>ch</strong>tigte Besitz von S<strong>ch</strong>usswaffen<br />
wird unter Strafe gestellt.<br />
Im Handel unter Privaten<br />
verlangt das Gesetz nun<br />
wie im kommerziellen Handel<br />
einen Erwerbs<strong>ch</strong>ein. Importierte oder in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz hergestellte S<strong>ch</strong>usswaffen müssen zur<br />
einfa<strong>ch</strong>eren Rückverfolgbarkeit markiert sein.<br />
S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wird die Bewilligungspraxis s<strong>ch</strong>weizweit<br />
vereinheitli<strong>ch</strong>t.<br />
Neben diesen bereits bes<strong>ch</strong>lossenen Änderungen<br />
s<strong>ch</strong>lägt der Bundesrat weitere Neuerungen<br />
vor.So sollen Imitations-,Druckluft-,S<strong>ch</strong>recks<strong>ch</strong>uss-<br />
und so genannte Soft-Air-Waffen den normalen<br />
Waffen glei<strong>ch</strong>gestellt werden und somit<br />
den Bestimmungen des Gesetzes unterstehen.<br />
Dies gilt jedo<strong>ch</strong> nur, sofern sie ein Gefährdungspotenzial<br />
haben, also etwa mit e<strong>ch</strong>ten Waffen verwe<strong>ch</strong>selt<br />
werden können oder eine gewisse Mündungsenergie<br />
haben. Verboten werden soll au<strong>ch</strong><br />
der anonyme Verkauf von Waffen, etwa über das<br />
Internet oder über Inserate. Ausserdem wird vor-<br />
Das Waffengesetz wird<br />
um einige wesentli<strong>ch</strong>e<br />
Punkte ergänzt.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 15
Plattformen des DAP<br />
und des SND.<br />
16<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
ges<strong>ch</strong>lagen, das missbräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Tragen von gefährli<strong>ch</strong>en<br />
Gegenständen zu verbieten. Damit<br />
soll den staatli<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsorganen die<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit gegeben werden, in der Öffentli<strong>ch</strong>keit<br />
getragene Baseballs<strong>ch</strong>läger, Metallrohre,Veloketten<br />
und andere Gegenstände einzuziehen,<br />
bevor damit Personen gefährdet oder Straftaten<br />
begangen werden können.Dies gilt allerdings nur,<br />
wenn die Gegenstände offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> als Waffen<br />
missbrau<strong>ch</strong>t werden sollen. Der Entwurf sieht zudem<br />
eine gesetzli<strong>ch</strong>e Grundlage für den Austaus<strong>ch</strong><br />
von Daten zwis<strong>ch</strong>en fedpol und der Armee<br />
vor, und fedpol soll neu au<strong>ch</strong> damit beauftragt<br />
werden, eine nationale Stelle zur Auswertung von<br />
S<strong>ch</strong>usswaffenspuren zu führen. Die aktuelle Revision<br />
enthält keine Neuerungen, wel<strong>ch</strong>e die<br />
Ausübung der Jagd oder des S<strong>ch</strong>iesssports eins<strong>ch</strong>ränken.<br />
Kooperation<br />
der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />
Der Bundesrat ums<strong>ch</strong>rieb in der Legislaturplanung<br />
für die Jahre 2003 bis 2007 sein neuntes<br />
Ziel «Die Si<strong>ch</strong>erheit gewährleisten» damit,<br />
dass die si<strong>ch</strong>erheitspolitis<strong>ch</strong>en Instrumente der<br />
S<strong>ch</strong>weiz umfassend und flexibel zusammenwirken<br />
müssen. Dieses Netzwerk innere Si<strong>ch</strong>erheit<br />
konnte 2005 dank einer Vielzahl von Massnahmen<br />
in den Berei<strong>ch</strong>en Polizei und Justiz weiter<br />
verstärkt werden.<br />
Der Bundesrat bes<strong>ch</strong>loss namentli<strong>ch</strong> am<br />
22. Juni 2005, dass der Strategis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst<br />
(SND) im VBS und der DAP bei fedpol<br />
im <strong>EJPD</strong> bei der Bearbeitung der Themenbe-<br />
rei<strong>ch</strong>e Terrorismus, organisierte<br />
Kriminalität und Proliferation<br />
enger kooperieren.<br />
Zu diesem Zweck wurden auf<br />
Anfang 2006 in diesen Berei<strong>ch</strong>en drei gemeinsame<br />
Auswertungs- und Analyseplattformen ges<strong>ch</strong>affen.<br />
Glei<strong>ch</strong>zeitig bes<strong>ch</strong>loss der Bundesrat,<br />
das Projekt zur S<strong>ch</strong>affung des Stabs Si<strong>ch</strong>erheitsauss<strong>ch</strong>uss<br />
des Bundesrates umzusetzen, der die<br />
si<strong>ch</strong>erheitspolitis<strong>ch</strong>e Führung des Bundes verstärkt.<br />
Der Stab hat am 1. Oktober 2005 seine<br />
Arbeit aufgenommen.<br />
Internationale Zusammenarbeit<br />
Das S<strong>ch</strong>weizer Volk hat in der Volksabstimmung<br />
vom 5. Juni 2005 die Assoziierungsabkommen<br />
S<strong>ch</strong>engen und Dublin gutgeheissen. Auf<br />
internationaler Ebene hat der Bundesrat mit<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
einer Reihe von Verträgen die polizeili<strong>ch</strong>e<br />
Kooperation verbessert. Im Januar 2005 verabs<strong>ch</strong>iedete<br />
er die Bots<strong>ch</strong>aft zum Abkommen mit<br />
Europol, das Parlament ratifizierte das Abkommen,<br />
und am 1. März 2006 trat es in Kraft. Im<br />
Berei<strong>ch</strong> der bilateralen Polizeikooperationsabkommen<br />
wurden na<strong>ch</strong> Genehmigung dur<strong>ch</strong><br />
den Bundesrat Abkommen mit Lettland, Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ien,<br />
Rumänien, Slowenien, Mazedonien und<br />
Albanien unterzei<strong>ch</strong>net. Diese Abkommen bilden<br />
die re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Basis, um die bestehende, im<br />
Rahmen von Interpol dur<strong>ch</strong>geführte Zusammenarbeit<br />
zu konsolidieren und punktuell weiter zu<br />
verbessern, und zwar in den Berei<strong>ch</strong>en polizeili<strong>ch</strong>er<br />
Informationsaustaus<strong>ch</strong>, Koordinierung<br />
operativer Massnahmen, Bildung gemeinsamer<br />
Arbeitsgruppen sowie Aus- und Weiterbildung<br />
unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung datens<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er<br />
Bestimmungen.<br />
Zudem verabs<strong>ch</strong>iedete der Bundesrat im<br />
April 2005 die Bots<strong>ch</strong>aft zu einem Vertrag mit<br />
Lie<strong>ch</strong>tenstein über die Zusammenarbeit im Rahmen<br />
der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Informationssysteme<br />
für Fingerabdrücke und DNS-Profile.<br />
Kontrolle gestohlener und<br />
verlorener Pässe<br />
Weltweit werden immer wieder gestohlene<br />
und verlorene Pässe und andere Ausweise dazu<br />
verwendet, illegale Handlungen zu begehen oder<br />
der Strafverfolgung zu entgehen. Eine Interpol-<br />
Datenbank soll hier einen Riegel s<strong>ch</strong>ieben. Als<br />
eines der ersten Länder nahm die S<strong>ch</strong>weiz im<br />
Dezember 2005 einen automatisierten Abglei<strong>ch</strong><br />
von Ausweisnummern zwis<strong>ch</strong>en der nationalen<br />
Datenbank und jener von Interpol in Betrieb. Die<br />
Vernetzung ermögli<strong>ch</strong>t einen sofortigen Verglei<strong>ch</strong><br />
der Ausweisnummern. Das unter der<br />
Federführung von fedpol entwickelte System<br />
kann von den zuständigen S<strong>ch</strong>weizer Stellen<br />
genutzt werden und ers<strong>ch</strong>wert erhebli<strong>ch</strong> die missbräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
Verwendung von Reisedokumenten.<br />
Biometris<strong>ch</strong>e Daten<br />
im S<strong>ch</strong>weizer Pass<br />
Aufgrund der internationalen Gegebenheiten<br />
ist die Einführung von biometris<strong>ch</strong>en Daten im<br />
Pass, vorerst im Rahmen eines Pilotprojekts, eine<br />
Notwendigkeit, um die Reisefreiheit von S<strong>ch</strong>weizer<br />
Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten<br />
und den hohen Si<strong>ch</strong>erheitsstandard des S<strong>ch</strong>weizer<br />
Passes im internationalen Verglei<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er-
zustellen. Die biometris<strong>ch</strong>en Daten sind namentli<strong>ch</strong><br />
ein elektronis<strong>ch</strong> gespei<strong>ch</strong>ertes Gesi<strong>ch</strong>tsbild<br />
und elektronis<strong>ch</strong> gespei<strong>ch</strong>erte Fingerabdrücke.<br />
Derzeit läuft die Revision der Verordnung über<br />
die Ausweise für S<strong>ch</strong>weizer Staatsangehörige<br />
(VAwG). Diese Revision soll die Grundlagen<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 1. ÜBERBLICK<br />
s<strong>ch</strong>affen, um im Rahmen eines Pilotprojekts<br />
ein elektronis<strong>ch</strong> gespei<strong>ch</strong>ertes Gesi<strong>ch</strong>tsbild im<br />
S<strong>ch</strong>weizer Pass einzuführen. Diese Revision betrifft<br />
allein die Projektphase, die gemäss dem Bes<strong>ch</strong>luss<br />
des Bundesrates vom 15. September 2004<br />
auf maximal fünf Jahre befristet sein wird. ■<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
17
<strong>BERICHT</strong> 2005<br />
2. Gewalttätiger<br />
Extremismus und<br />
Terrorismus<br />
2.1. Re<strong>ch</strong>tsextremismus 20<br />
2.2. Linksextremismus 23<br />
2.3. Islamistis<strong>ch</strong>en Gruppen zuges<strong>ch</strong>riebene Terrorakte 26<br />
2.4. Naher Osten 30<br />
2.5. Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz 31<br />
2.6. Terrorismus in Europa 35<br />
2.7. Ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e Gruppen 36<br />
2.8. Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen 37<br />
2.9. Tamilis<strong>ch</strong>er Gewaltextremismus 39<br />
2.10. Terrorismus- und Extremismusfinanzierung 40
20<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
2.1. Re<strong>ch</strong>tsextremismus<br />
LAGE<br />
Lage allgemein<br />
Im Jahr 2005 kam es zu 111 Vorfällen mit<br />
re<strong>ch</strong>tsextremem Hintergrund. Bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zugenommen<br />
hat in den letzten Jahren vor allem die<br />
Anzahl Konzerte in der re<strong>ch</strong>tsextremen Szene:<br />
2003 fanden fünf, im Jahr darauf zwölf und im<br />
Beri<strong>ch</strong>tsjahr a<strong>ch</strong>t Konzerte statt. Festgestellt<br />
werden konnte, dass die Zahl der Mitglieder der<br />
re<strong>ch</strong>tsextremen Szene um rund 200 auf 1’200<br />
Personen zugenommen hat. Zu diesem harten<br />
Kern stiessen hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> frühere Mitläufer und<br />
Sympathisanten, deren Zahl im Gegenzug von 700<br />
auf 600 abnahm. Gesamthaft waren 2005 also der<br />
re<strong>ch</strong>tsextremen Szene und ihrem weiteren Umfeld<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz rund 1’800 Personen zuzure<strong>ch</strong>nen.<br />
Insgesamt bestätigte si<strong>ch</strong> die Entwicklung der<br />
letzten Jahre im re<strong>ch</strong>tsextremen Berei<strong>ch</strong>: Re<strong>ch</strong>tsextreme<br />
su<strong>ch</strong>ten den Einstieg in die institutionel-<br />
le Politik, übten aber immer<br />
no<strong>ch</strong> Gewalt aus. Na<strong>ch</strong> wie<br />
vor gefährdeten au<strong>ch</strong> die Auseinandersetzungen<br />
zwis<strong>ch</strong>en<br />
Re<strong>ch</strong>ts- und Linksextremen<br />
die öffentli<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheit und erforderten zum<br />
Teil ein massives Polizeiaufgebot. Dabei ging die<br />
Initiative zur Gewaltanwendung sowohl von<br />
re<strong>ch</strong>ts- wie linksextremer Seite aus. Innerhalb der<br />
re<strong>ch</strong>ten Szene kam es in Einzelfällen zu gewaltsamen<br />
Auseinandersetzungen. Etablierte Gruppierungen<br />
und lose Kamerads<strong>ch</strong>aften erhoben<br />
Führungsansprü<strong>ch</strong>e und ma<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> gegenseitig<br />
den Rang streitig.<br />
Einstieg in die institutionelle<br />
Politik, fortdauernde<br />
Gewaltausübung.<br />
Partei<br />
National Orientierter S<strong>ch</strong>weizer<br />
Am 24.April 2005 wurde ein Mitglied der Partei<br />
National Orientierter S<strong>ch</strong>weizer (PNOS) in<br />
den Gemeinderat von Günsberg gewählt. S<strong>ch</strong>on<br />
im Vorjahr war ein Vertreter der PNOS in Langenthal<br />
in den Stadtrat gewählt worden. Diese<br />
politis<strong>ch</strong>en Erfolge haben das Selbstvertrauen<br />
der PNOS gestärkt. In Langenthal und Solothurn<br />
gründete die PNOS im Februar respektive April<br />
2005 je eine Sektion. Damit verfügt die Partei<br />
über se<strong>ch</strong>s Sektionen.<br />
Der Präsident sowie drei Vorsitzende der<br />
PNOS wurden im Juli 2005 wegen eines Verstos-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
ses gegen die Rassismusstrafnorm zu Geldbussen<br />
von 300 bis 500 Franken verurteilt. Das Bezirksamt<br />
Aarau hielt in seinem Urteil fest, das Parteiprogramm<br />
der PNOS sowie eines ihrer Wahlplakate<br />
aus dem Jahr 2003 seien rassistis<strong>ch</strong>. Drei<br />
der vier erstinstanzli<strong>ch</strong> Verurteilten legten gegen<br />
das Urteil Rekurs ein.<br />
Nationale<br />
ausserparlamentaris<strong>ch</strong>e Opposition<br />
Na<strong>ch</strong>dem es zwei Jahre ruhig um die Nationale<br />
ausserparlamentaris<strong>ch</strong>e Opposition (NAPO)<br />
gewesen war, trat sie 2005 wieder in Ers<strong>ch</strong>einung.<br />
Am 12. März veranstaltete sie in S<strong>ch</strong>affhausen<br />
einen Fackelmars<strong>ch</strong>.Am 30.April,dem Vorabend<br />
des Tages der Arbeit, fand erneut ein Aufmars<strong>ch</strong><br />
der NAPO statt, an dem ihr ideologis<strong>ch</strong>er Kopf<br />
eine Rede hielt, die au<strong>ch</strong> von einzelnen Medien<br />
aufgenommen wurde.<br />
Die in Zellen organisierten Mitglieder der<br />
NAPO stammen fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> aus der<br />
re<strong>ch</strong>tsextremen Skinheadszene. Sie organisierten<br />
hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Aufmärs<strong>ch</strong>e, Treffen und Flugblattaktionen.<br />
Der interne Kampf zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Gruppen um die Führungsrolle wurde<br />
wieder aufgenommen. Zwis<strong>ch</strong>en einzelnen Aktivisten<br />
bestehen offene Feinds<strong>ch</strong>aften. Gemäss<br />
polizeili<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>tungen hat die NAPO<br />
zwis<strong>ch</strong>en a<strong>ch</strong>tzig und hundert Mitglieder.<br />
Re<strong>ch</strong>tsextreme Musik<br />
In Deuts<strong>ch</strong>land verteilten Re<strong>ch</strong>tsextreme unter<br />
dem Titel «Projekt S<strong>ch</strong>ulhof» Musik-CDs auf<br />
Pausenplätzen. So sollten ni<strong>ch</strong>t zur Szene gehörende<br />
Jugendli<strong>ch</strong>e angespro<strong>ch</strong>en und über die<br />
Musik Interesse für re<strong>ch</strong>tsextreme Ideologie geweckt<br />
werden. Die Aktion griff 2005 au<strong>ch</strong> auf die<br />
S<strong>ch</strong>weiz über. In den Kantonen Aargau, Luzern,<br />
Bern und Glarus verteilten Personen aus dem<br />
re<strong>ch</strong>tsextremen Umfeld Musik-CDs auf Pausenplätzen<br />
oder legten sie anonym in Briefkästen.<br />
Im Kanton Aargau bes<strong>ch</strong>lagnahmte die Polizei<br />
zweihundert dieser CDs. Na<strong>ch</strong> einer Vorprüfung<br />
dur<strong>ch</strong> fedpol (DAP) prüfen kantonale Strafuntersu<strong>ch</strong>ungsbehörden,<br />
ob die Liedtexte gegen die<br />
Rassismusstrafnorm verstossen.<br />
Der Musik und besonders den Konzerten<br />
kommen für die Rekrutierung der re<strong>ch</strong>tsextre-
140|1400<br />
130|1300<br />
120|1200<br />
110 |1100<br />
100|1000<br />
90 | 900<br />
80 | 800<br />
70 | 700<br />
60 | 600<br />
50 | 500<br />
40 | 400<br />
30 | 300<br />
20 | 200<br />
10 |100<br />
0 | 0<br />
men Szene eine hohe Bedeutung zu; der Besu<strong>ch</strong><br />
von Skinheadkonzerten dient vielfa<strong>ch</strong> als Ein-<br />
stieg in die Szene. An Konzerten<br />
spielen meistens nebst<br />
S<strong>ch</strong>weizer au<strong>ch</strong> Bands aus dem<br />
Ausland. fedpol (DAP) verfügte<br />
und eröffnete au<strong>ch</strong> 2005<br />
wieder Einreisesperren gegen ausländis<strong>ch</strong>e Bandmitglieder<br />
und verhinderte so ihre Teilnahme an<br />
Konzerten. Seit 2003 stieg in der S<strong>ch</strong>weiz die jährli<strong>ch</strong>e<br />
Anzahl gut besu<strong>ch</strong>ter Skinheadkonzerte an;<br />
ebenso haben si<strong>ch</strong> neue S<strong>ch</strong>weizer Bands etabliert.<br />
Einstieg in die re<strong>ch</strong>tsextreme<br />
Szene über Musik<br />
und Konzerte.<br />
Re<strong>ch</strong>tsextremismus in der S<strong>ch</strong>weiz:<br />
Vorfälle und Mitgliederzahl<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
Total Vorfälle Total Mitglieder (ges<strong>ch</strong>ätzt)<br />
Re<strong>ch</strong>tsextremismus in der Armee<br />
Im August 2005 wurden zwei Unteroffiziere<br />
und zwei Rekruten aus der Rekrutens<strong>ch</strong>ule in<br />
Isone entlassen, weil sie si<strong>ch</strong> rassistis<strong>ch</strong> geäussert<br />
und in der Gruppe mit Hitlergruss gegrüsst<br />
hatten. Im September geriet ein Offizier wegen<br />
seiner Kontakte zur re<strong>ch</strong>tsextremen Szene in<br />
die S<strong>ch</strong>lagzeilen. Im November wurde seine Verurteilung<br />
wegen Landfriedensbru<strong>ch</strong>s und Widerhandlung<br />
gegen das Waffengesetz im Zusammen-<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
9<br />
200<br />
38<br />
175<br />
88<br />
250<br />
49<br />
150<br />
15<br />
300<br />
23<br />
400<br />
21<br />
500<br />
15<br />
350<br />
23<br />
275<br />
27<br />
550<br />
41<br />
650<br />
134<br />
850<br />
110<br />
950<br />
117<br />
950<br />
101<br />
1000<br />
111<br />
1000<br />
111<br />
1200<br />
Vorfälle und Mitgliederzahl. fedpol gemeldete re<strong>ch</strong>tsextremistis<strong>ch</strong>e Vorfälle (ohne S<strong>ch</strong>mierereien) aus<br />
den vergangenen 17 Jahren. GRAFIK FEDPOL<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
hang mit dem Angriff Re<strong>ch</strong>tsextremer auf eine<br />
«antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e» Kundgebung in Willisau im<br />
Oktober 2004 re<strong>ch</strong>tskräftig.<br />
Rolle des Internets<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
Viele bekannte re<strong>ch</strong>tsextreme Gruppierungen<br />
verfügen über einen eigenen Internetauftritt.<br />
fedpol (Koordinationsstelle zur Bekämpfung der<br />
Internetkriminalität / Kobik) prüft laufend Propagandamaterial<br />
auf mögli<strong>ch</strong>e strafbare Inhalte.<br />
Aufgrund dieser Abklärungen erstatteten die zuständigen<br />
Kantonsbehörden bereits mehrfa<strong>ch</strong><br />
Strafanzeige. Die Internetseite der PNOS wurde<br />
2005 ohne behördli<strong>ch</strong>e Veranlassung dur<strong>ch</strong> die<br />
Provider wiederholt vom Internet genommen,<br />
do<strong>ch</strong> gelang es der PNOS immer wieder, sie bei<br />
einem anderen Provider aufzus<strong>ch</strong>alten. Das Internet<br />
spielte, neben dem Mobiltelefon, eine<br />
wi<strong>ch</strong>tige Rolle bei der Mobilisierung für Anlässe<br />
der Re<strong>ch</strong>tsextremen; auf eins<strong>ch</strong>lägigen Seiten<br />
wurden Veranstaltungen angekündigt.<br />
Das Internet wurde au<strong>ch</strong> immer wieder für<br />
den Versand re<strong>ch</strong>textremen Propagandamate-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 21
Propaganda<br />
und Mobilisierung.<br />
22<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Demonstrationszug dur<strong>ch</strong> Brunnen am 1.<br />
August 2005. Na<strong>ch</strong> der Teilnahme an der Nationalfeier<br />
auf dem Rütli mars<strong>ch</strong>ierten die Re<strong>ch</strong>tsextremen<br />
zurück zum Bahnhof. FOTO POLIZEI<br />
rials missbrau<strong>ch</strong>t. Der Wurm Sober.Q versandte<br />
ab Mitte Mai Spam-Mails mit Propaganda. Dabei<br />
wurden die Betreffzeilen mit Links auf re<strong>ch</strong>tsextreme<br />
Internetseiten kombiniert. Sober.Q<br />
beinhaltete kein strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
relevantes Material. Es war<br />
bereits der zweite grössere<br />
Fall von Propaganda-Spam,<br />
na<strong>ch</strong>dem im April und Mai 2004 Sober.G und<br />
Sober.H für Aufsehen gesorgt hatten. Dur<strong>ch</strong> sie<br />
waren zum Zeitpunkt der EU-Parlamentswahlen<br />
re<strong>ch</strong>tsextreme Texte versandt worden.<br />
Wi<strong>ch</strong>tige Vorfälle 2005<br />
● Am 1. Mai 2005 mars<strong>ch</strong>ierten Re<strong>ch</strong>tsextreme<br />
in Solothurn und Aarau auf.In Solothurn löste<br />
die Polizei die unbewilligte Kundgebung von<br />
120 Personen auf. Dabei wurden 46 Re<strong>ch</strong>tsextreme<br />
festgenommen. Die dabei verübten,<br />
in dieser Form bisher unübli<strong>ch</strong>en Gewalttätigkeiten<br />
der Re<strong>ch</strong>tsextremen gegenüber der<br />
Polizei belegen das vorhandene Gewaltpotenzial.<br />
● Am 9. Juli kam es am Rande einer unbewilligten<br />
G8-Demonstration in Thun zu einer<br />
S<strong>ch</strong>iesserei. Ein Aktivist aus der linken Szene<br />
wurde dabei von einem Re<strong>ch</strong>tsextremen am<br />
Bein verletzt. Die Behörden ermitteln gegen<br />
den Täter wegen versu<strong>ch</strong>ter vorsätzli<strong>ch</strong>er<br />
Tötung.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
● An der offiziellen Nationalfeier auf dem Rütli<br />
am 1. August 2005 nahmen insgesamt 2’000<br />
Besu<strong>ch</strong>er teil, darunter rund 600 Re<strong>ch</strong>tsextreme.<br />
Diese störten die Rede von Bundespräsident<br />
S<strong>ch</strong>mid wiederholt mit lauten<br />
Zwis<strong>ch</strong>enrufen. Die Polizei führte im ganzen<br />
Raum Brunnen (S<strong>ch</strong>wyz) präventive Kontrollen<br />
dur<strong>ch</strong>. Na<strong>ch</strong> dem Festakt mars<strong>ch</strong>ierten<br />
die Re<strong>ch</strong>tsextremen in Brunnen, wie von<br />
ihnen angekündigt, vom S<strong>ch</strong>iffssteg zum<br />
Bahnhof. Die Polizei sperrte den Abs<strong>ch</strong>nitt<br />
für kurze Zeit ab. In den Kantonen Solothurn<br />
und Luzern fanden am 30. und 31. Juli 2005<br />
zwei Skinheadkonzerte statt. Daran nahmen<br />
insgesamt über 200 Personen teil. Anlässli<strong>ch</strong><br />
des Konzerts im Kanton Solothurn kam es<br />
zu einer kleineren Auseinandersetzung zwis<strong>ch</strong>en<br />
Konzertbesu<strong>ch</strong>ern und zufällig vorbeikommenden<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en.<br />
● Am 17. September 2005 fand in Gamsen/Brig<br />
ein grösseres Skinheadkonzert statt. Es nahmen<br />
rund 400 Leute daran teil. Die Veranstaltung<br />
wurde wie übli<strong>ch</strong> konspirativ organisiert,<br />
indem ledigli<strong>ch</strong> ein Treffpunkt bekannt gegeben<br />
wurde. Die Mobilisierung erfolgte per<br />
Internet und per SMS. Der wirkli<strong>ch</strong>e Veranstaltungsort<br />
wurde erst wenige Stunden vor<br />
Konzertbeginn bekannt. Grössere Konzerte<br />
fanden 2005 au<strong>ch</strong> in Hindelbank,Ammerzwil,<br />
Neuenkir<strong>ch</strong> und Steinhuserberg statt.<br />
● In der Na<strong>ch</strong>t vom 3. auf den 4. Dezember kam<br />
es in Gren<strong>ch</strong>en (Solothurn) zu Auseinandersetzungen<br />
zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tsextremen und<br />
Ausländern. Es gelang der Gren<strong>ch</strong>ner Polizei<br />
nur mit Unterstützung dur<strong>ch</strong> Polizeipatrouillen<br />
aus Solothurn und dem Kanton Bern, die<br />
beiden Lager auseinander zu halten.<br />
BEURTEILUNG<br />
Intensivierung der Gewalt<br />
Teile der extremen Re<strong>ch</strong>ten verzi<strong>ch</strong>teten auf<br />
Gewalt. Die von re<strong>ch</strong>tsextremen Exponenten<br />
verursa<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>äden gegen Personen sind aber<br />
ho<strong>ch</strong>. Auftritte von Re<strong>ch</strong>tsextremen wie zum<br />
Beispiel am 1. August auf<br />
dem Rütli oder bei Auseinandersetzungen<br />
mit gegneris<strong>ch</strong>en<br />
Gruppen erforderten<br />
zunehmend den Einsatz stär-<br />
Nur teilweiser Gewaltverzi<strong>ch</strong>t<br />
der re<strong>ch</strong>tsextremen<br />
Szene.<br />
kerer Polizeikräfte und gefährdeten teils punktuell,<br />
teils lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung.Sie<br />
stellten aber keine namhafte Bedrohung
der inneren Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz in ihrer Gesamtheit<br />
dar. Re<strong>ch</strong>tsextrem motivierte Angriffe<br />
gegen Einri<strong>ch</strong>tungen des Asylwesens und gegen<br />
Ausländer stiegen von 14 im Vorjahr auf 16 im<br />
Jahr 2005 lei<strong>ch</strong>t an. Die Vorfälle wie der Brandans<strong>ch</strong>lag<br />
auf eine Asylunterkunft in Kappel<br />
(Solothurn) im Januar zeigen, dass diese Bedrohung<br />
bestehen bleibt. Die re<strong>ch</strong>tsextreme Szene<br />
pflegt, vor allem über Musik, internationale<br />
Kontakte.<br />
Konkurrenz zwis<strong>ch</strong>en<br />
Re<strong>ch</strong>ts- und Linksextremen<br />
Re<strong>ch</strong>ts- und linksextreme Gruppen mars<strong>ch</strong>ierten<br />
zunehmend an wi<strong>ch</strong>tigen Anlässen der<br />
Gegenseite auf. Sie konkurrierten damit einerseits<br />
um Aufmerksamkeit, andererseits versu<strong>ch</strong>ten<br />
sie so, die Gegengruppe zu provozieren und<br />
deren Anlässe zu stören.<br />
2.2. Linksextremismus<br />
LAGE<br />
Zunahme der Gewalt<br />
Die Hemms<strong>ch</strong>welle zur Gewaltanwendung<br />
sank in der linksextremen Szene weiter. Die<br />
Bereits<strong>ch</strong>aft, Körperverletzungen zumindest in<br />
Kauf zu nehmen, stieg besonders gegenüber<br />
Si<strong>ch</strong>erheitskräften. Vor allem<br />
so genannte Autonome su<strong>ch</strong>ten<br />
gezielt die Auseinandersetzung<br />
mit Re<strong>ch</strong>tsextremen<br />
und mit der Polizei. Die Beteiligung<br />
apolitis<strong>ch</strong>er Mitläufer an Gewaltakten im<br />
Umfeld von Demonstrationen blieb weiterhin<br />
ho<strong>ch</strong>.<br />
Auseinandersetzung mit<br />
Re<strong>ch</strong>tsextremen und mit der<br />
Polizei wurde gesu<strong>ch</strong>t.<br />
Wi<strong>ch</strong>tige Vorfälle 2005<br />
● Das Weltwirts<strong>ch</strong>aftsforum (WEF) in Davos<br />
verlief 2005 so ruhig wie seit 1999 ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />
Grössere Auss<strong>ch</strong>reitungen konnten dur<strong>ch</strong><br />
effiziente Polizeiarbeit, starke Präsenz der<br />
Si<strong>ch</strong>erheitskräfte und deren konsequentes<br />
Eingreifen verhindert werden. Au<strong>ch</strong> hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
Vorfeld- und Begleitaktionen verlief<br />
das WEF 2005 ruhiger als in den Vorjahren.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Anwa<strong>ch</strong>sen der Szene<br />
Spannungen in der S<strong>ch</strong>weizer Re<strong>ch</strong>tsextremenszene<br />
zwis<strong>ch</strong>en einem gewaltbereiten Lager<br />
von vorwiegend Jugendli<strong>ch</strong>en und einem auf die<br />
institutionelle Politik ausgeri<strong>ch</strong>teten Lager der<br />
s<strong>ch</strong>on älteren Generation sind ni<strong>ch</strong>t erkennbar.<br />
Dur<strong>ch</strong> die intensiven Rekrutierungsversu<strong>ch</strong>e<br />
von Re<strong>ch</strong>tsextremen über Musik zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> ein<br />
Anwa<strong>ch</strong>sen der Szene ab. Die Gefahr steigt damit,<br />
dass während des ganzen Jahres die Vorfälle<br />
zunehmen, und dass es häufiger zu Gewalttaten<br />
insbesondere gegen Personen sowie zu Auseinandersetzungen<br />
zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ts- und Linksextremen<br />
kommt.<br />
Ausnahmen bildeten der Brandans<strong>ch</strong>lag vom<br />
8. Januar auf die Ausbildungsanlage der Zür-<br />
<strong>ch</strong>er Kantonspolizei in<br />
Elgg, der einen Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aden<br />
von 250’000 Franken<br />
verursa<strong>ch</strong>te, und der Knallraketenans<strong>ch</strong>lag<br />
vom 26. Januar auf die Nationalbank<br />
in Züri<strong>ch</strong>.<br />
● Der 1. Mai 2005 mobilisierte etwa 650 Linksextreme<br />
in Züri<strong>ch</strong>, Aarau, Luzern, Winterthur,<br />
Bern, Solothurn und Basel. Die unbewilligte<br />
Luzerner Kundgebung wurde von der<br />
Polizei aufgelöst. Grössere Bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />
in der Höhe von 220’000 Franken waren indessen<br />
in Züri<strong>ch</strong> zu vermelden, wo am 16. Mai<br />
erneut S<strong>ch</strong>aden von einer halben Million<br />
Franken entstand, als mutmassli<strong>ch</strong> Autonome<br />
ein Gebäude verwüsteten, das anstelle einer<br />
besetzten Liegens<strong>ch</strong>aft erri<strong>ch</strong>tet worden war.<br />
● Der 1. August 2005 wurde wie s<strong>ch</strong>on im Vorjahr<br />
von der extremen Linken zu Kundgebungen<br />
gegen den Re<strong>ch</strong>tsextremismus genutzt. In<br />
Luzern demonstrierten etwa 800 Personen,<br />
wobei ein vermeintli<strong>ch</strong>er Re<strong>ch</strong>tsextremer<br />
verletzt wurde; in Winterthur musste die<br />
Polizei eins<strong>ch</strong>reiten, na<strong>ch</strong>dem ein Gebäude<br />
WEF 2005 ruhiger<br />
als in den Vorjahren.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 23
Attacken gegen<br />
polizeili<strong>ch</strong>e Infrastruktur.<br />
24<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Si<strong>ch</strong>ergestelltes Megafon. Ein 2005 si<strong>ch</strong>ergestelltes<br />
Megafon mit dem Symbol der Anar<strong>ch</strong>isten<br />
und dem rot-s<strong>ch</strong>warz geteilten Stern der Anar<strong>ch</strong>osyndikalisten.<br />
FOTO POLIZEI<br />
der Stadtpolizei mit Feuerwerk angegriffen<br />
worden war.Ohnehin war 2005 eine markante<br />
Zunahme linksextrem motivierter Attacken<br />
gegen polizeili<strong>ch</strong>e Infrastruk-<br />
turen zu verzei<strong>ch</strong>nen. Neben<br />
den genannten Fällen kam es<br />
im Februar in Bremgarten<br />
(Bern), im Juni in St. Gallen sowie an Neujahr<br />
und im Juni in Winterthur zu weiteren<br />
Brandstiftungen.<br />
● Am 22. Oktober 2005 wurde abermals in<br />
Züri<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Linksautonome Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aden<br />
angeri<strong>ch</strong>tet. Der Vorfall ist insofern von besonderer<br />
Bedeutung, als die Mobilisierung<br />
ni<strong>ch</strong>t über Internet, Flugblätter oder Radio,<br />
sondern konspirativ erfolgte, und die Polizei<br />
der in vers<strong>ch</strong>iedenen Gruppen agierenden<br />
Chaoten ni<strong>ch</strong>t habhaft werden konnte.<br />
● Im Verglei<strong>ch</strong> zu den Vorjahren kam es in<br />
der Bundesstadt und im übrigen Bernbiet zu<br />
weniger Auss<strong>ch</strong>reitungen. Na<strong>ch</strong> einer polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Intervention am Bahnhof verlief<br />
der «Se<strong>ch</strong>ste Antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e Abendspaziergang»<br />
in Bern ruhig, während der<br />
«Dritte Antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e Abendspaziergang»<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
in Thun dur<strong>ch</strong> die Si<strong>ch</strong>erheitskräfte verhindert<br />
wurde. Am 29. Oktober kam es in Bern<br />
na<strong>ch</strong> einer unbewilligten Demonstration zu<br />
Auss<strong>ch</strong>reitungen, in deren Verlauf die Polizei<br />
ni<strong>ch</strong>t nur mit Flas<strong>ch</strong>en, Petarden und Leu<strong>ch</strong>traketen,<br />
sondern au<strong>ch</strong> mit Stahlkugeln aus<br />
einer Ho<strong>ch</strong>leistungss<strong>ch</strong>leuder bes<strong>ch</strong>ossen<br />
wurde. Am 4. Dezember wurden vor der<br />
Berner Reits<strong>ch</strong>ule Polizei und Feuerwehr von<br />
Chaoten angegriffen. Die Auseinandersetzungen<br />
wurden in der Reits<strong>ch</strong>ule selbst<br />
fortgesetzt, wo es erstmals au<strong>ch</strong> zu Handgreifli<strong>ch</strong>keiten<br />
zwis<strong>ch</strong>en den Chaoten und Reits<strong>ch</strong>ulebesu<strong>ch</strong>ern<br />
kam.<br />
● In der Romandie waren keine grösseren<br />
Zwis<strong>ch</strong>enfälle zu verzei<strong>ch</strong>nen. Einzig in La<br />
Chaux-de-Fonds kam es am 8. Januar 2005 zu<br />
Auss<strong>ch</strong>reitungen, als rund<br />
250 Personen, unter ihnen<br />
etwa hundert Gewaltbereite<br />
aus dem linksautonomen<br />
Umfeld, versu<strong>ch</strong>ten,<br />
die Delegiertenversammlung der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Volkspartei zu stören. Der Vorfall weist<br />
darauf hin, dass au<strong>ch</strong> in der Wests<strong>ch</strong>weiz ein<br />
beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es linksextremes Mobilisierungspotenzial<br />
besteht.<br />
Aktionsfeld<br />
Antiglobalisierungsbewegung<br />
Aktuelle Themen können s<strong>ch</strong>nell in die Antiglobalisierungsbewegung<br />
hinein getragen werden,und<br />
erfahrungsgemäss wird dadur<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />
Mobilisierung stark beeinflusst.So vermo<strong>ch</strong>te der<br />
G8-Gipfel im s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Gleneagles anfangs<br />
Juli bis zu 200’000 Globalisierungsgegner zu<br />
mobilisieren, wobei es vers<strong>ch</strong>iedentli<strong>ch</strong> zu Auss<strong>ch</strong>reitungen<br />
kam. Unter den Festgenommenen<br />
befanden si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> elf S<strong>ch</strong>weizer Staatsbürger,<br />
was der hiesigen linksextremen Szene als Anlass<br />
für einige kleinere spontane Protestaktionen<br />
diente. Linksextreme repräsentieren den bedeutendsten<br />
Teil der gewalttätigen Globalisierungsgegner,<br />
und die Globalisierungskritik stellte die<br />
wi<strong>ch</strong>tigste öffentli<strong>ch</strong>e Plattform der Linksextremen<br />
dar.<br />
Interne Ri<strong>ch</strong>tungskämpfe<br />
Beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es linksextremes<br />
Mobilisierungspotenzial in<br />
der Romandie.<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz ist die kleine Gruppe der gewalttätigen<br />
Globalisierungsgegner dur<strong>ch</strong> ihre<br />
Gewalttätigkeit weitgehend von der ni<strong>ch</strong>t gewaltbereiten<br />
Mehrheit isoliert worden. Innerhalb
Verlagerung von Aktionen<br />
weg von den grossen<br />
Ballungszentren.<br />
der linksextremen Kreise waren Ri<strong>ch</strong>tungskämpfe<br />
die Folge, die si<strong>ch</strong> besonders um die thematis<strong>ch</strong>e<br />
Orientierung, Aktionsformen und speziell<br />
um den Einsatz von Gewalt drehten.<br />
Gerade bei Provokationen zwis<strong>ch</strong>en linksund<br />
re<strong>ch</strong>tsextremen Gruppen, die 2005 erneut zu<br />
zahlrei<strong>ch</strong>en Auseinandersetzungen führten, vers<strong>ch</strong>ärfte<br />
si<strong>ch</strong> die Lage, na<strong>ch</strong>dem am 9. Juli ein<br />
linker Aktivist in Thun anges<strong>ch</strong>ossen worden war.<br />
Glei<strong>ch</strong>zeitig setzte si<strong>ch</strong> die Tendenz zur Verlagerung<br />
von Aktionen weg von den grossen Ballungszentren<br />
in kleinere Orts<strong>ch</strong>aften fort. Davon<br />
betroffen waren besonders Winterthur und Thun,<br />
aber au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>affhausen, die<br />
Region St. Gallen, Olten, Solothurn<br />
und Luzern. Die örtli<strong>ch</strong>e<br />
Vers<strong>ch</strong>iebung ers<strong>ch</strong>wert<br />
die Kontrolle dur<strong>ch</strong> die Si<strong>ch</strong>erheitskräfte<br />
und bringt weitere Bevölkerungskreise<br />
in direkten Kontakt mit den Anliegen der<br />
Aktivisten. Dazu dienen seit Ende September<br />
au<strong>ch</strong> die lokal begrenzten so genannten Freitagsaktionen,<br />
die indessen zumeist als unproblematis<strong>ch</strong><br />
einzustufen sind.<br />
BEURTEILUNG<br />
Krise der<br />
Antiglobalisierungsbewegung<br />
Es wäre verfrüht, aus der Krise der Antiglobalisierungsbewegung<br />
s<strong>ch</strong>on ihr baldiges Ende<br />
ableiten zu wollen. Die Krise zeigte si<strong>ch</strong> in Mobilisierungsmüdigkeit,<br />
Uneinigkeit und Orientierungslosigkeit.<br />
Eine der Hauptursa<strong>ch</strong>en dafür<br />
liegt in der Heterogenität der Bewegung. Als<br />
einigendes Band dienten der nur s<strong>ch</strong>wer zu umreissende<br />
Kampf gegen den Neoliberalismus<br />
sowie kurzzeitig der Krieg im Irak. Klare Zielsetzungen<br />
fehlten weitgehend. Zudem stiessen<br />
mit dem Erfolg während der Neunzigerjahre<br />
immer neue Gruppierungen mit oft stark abwei<strong>ch</strong>enden<br />
Zielen und neuen Themen wie Sozialabbau,<br />
Garantie der Freiheitsre<strong>ch</strong>te angesi<strong>ch</strong>ts<br />
der Terrorgefahr oder der Umgang mit dem Islam<br />
dazu, was die inneren Widersprü<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> verstärkte.<br />
Zu diesen neuen Gruppierungen gehörten<br />
au<strong>ch</strong> linksextreme Gruppen und ihre Mitläufer,<br />
obwohl für sie die Globalisierungskritik ursprüngli<strong>ch</strong><br />
kein Thema gewesen war. Na<strong>ch</strong>dem<br />
die linksextremen Gruppen das enorme Mobilisierungs-<br />
und Rekrutierungspotenzial erkannt<br />
hatten, begannen sie zusehends die Anliegen der<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Masse der ni<strong>ch</strong>t gewalttätigen Kritiker für si<strong>ch</strong><br />
zu vereinnahmen und zu radikalisieren. Als<br />
Trittbrettfahrer instrumentalisierten sie die Be-<br />
wegung zunehmend für ihre<br />
eigenen Ziele und missbrau<strong>ch</strong>ten<br />
die Veranstaltungen<br />
zur Ausübung von Gewalt.<br />
Dies diente hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
der Selbstdarstellung, vers<strong>ch</strong>affte den Globalisierungsgegnern<br />
aber au<strong>ch</strong> jene Publizität,<br />
der sie erst ihren Erfolg verdankten.<br />
In dieser Situation trugen die Auss<strong>ch</strong>reitungen<br />
und Ans<strong>ch</strong>läge vor allem 2003 während des<br />
WEF in Bern und während des G8-Gipfels von<br />
Evian in Genf und Lausanne wesentli<strong>ch</strong> zum<br />
Niedergang der Bewegung bei: In den S<strong>ch</strong>weizer<br />
Medien liess der Themenkreis Auss<strong>ch</strong>reitungen<br />
und staatli<strong>ch</strong>e Gegenmassnahmen die eigentli<strong>ch</strong>en<br />
Anliegen der Globalisierungskritiker immer<br />
stärker in den Hintergrund treten, diskreditierte<br />
so die Bewegung insgesamt, förderte die<br />
Zerrissenheit und führte zu einer umfassenden<br />
Ernü<strong>ch</strong>terung sowie zu einer Selbstbes<strong>ch</strong>ränkung<br />
auf selbst ges<strong>ch</strong>affene Anlässe.<br />
Neuakzentuierung<br />
des Linksextremismus<br />
Die Linksextremen haben dur<strong>ch</strong> ihre selbst<br />
verursa<strong>ch</strong>te Isolation innerhalb der Antiglobalisierungsbewegung<br />
und wegen des konsequenten<br />
Dur<strong>ch</strong>greifens der Polizei besonders bei ni<strong>ch</strong>t<br />
bewilligten Anlässen ihre wi<strong>ch</strong>tigste Plattform<br />
verloren. Die Szene geriet dadur<strong>ch</strong> in eine Krise.<br />
Die Reaktion darauf bestand in einer Erweiterung<br />
und Neuakzentuierung der Anliegen<br />
sowie in taktis<strong>ch</strong>en Veränderungen, die letztli<strong>ch</strong><br />
allesamt auf eine Wiederherstellung der alten<br />
Stosskraft,die Rekrutierung neuer Anhänger und<br />
ganz besonders auf die Wiedergewinnung der<br />
Medienpräsenz abzielen.<br />
Doppelstrategie<br />
Instrumentalisierung der<br />
Bewegung dur<strong>ch</strong> gewalttätigen<br />
Linksextremismus.<br />
Zurzeit verfolgt die linksextreme Szene eine<br />
Doppelstrategie: Einerseits wurde die Globalisierungskritik<br />
vor allem gegen das WEF neu ni<strong>ch</strong>t<br />
nur anlassbezogen, sondern das ganze Jahr über<br />
thematisiert. Die Aktionen zielten auf eine erneute<br />
Massenmobilisierung und damit auf die<br />
Wiedergewinnung der verlorenen Aktionsplattform<br />
ab.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 25
Globalisierungskritik<br />
und «Kampf gegen den<br />
Fas<strong>ch</strong>ismus».<br />
26<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Andererseits wurden alte und neue Themen<br />
vermehrt in den Vordergrund gerückt. Dazu gehört<br />
etwa die erneute S<strong>ch</strong>werpunktsetzung auf<br />
den unverfängli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einenden «Kampf gegen<br />
den Fas<strong>ch</strong>ismus», seit dem WEF 2004 aber au<strong>ch</strong><br />
gegen die vermeintli<strong>ch</strong>e Polizeirepression.<br />
Die beiden<br />
Ziele sind im Bewusstsein<br />
der Aktivisten eng verknüpft.<br />
So werden der Staat, seine<br />
Vertreter, besonders die Polizei, und Massnahmen<br />
wie die vers<strong>ch</strong>iedenenorts erlassenen<br />
Wegweisungsartikel grundsätzli<strong>ch</strong> als fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong><br />
und der Re<strong>ch</strong>tsextremismus als Produkt des<br />
kapitalistis<strong>ch</strong>en Systems wahrgenommen.<br />
Das Ziel der Forcierung der beiden zentralen<br />
Themen dur<strong>ch</strong> eine steigende Anzahl von Kundgebungen<br />
und anderen Aktionen war dabei ni<strong>ch</strong>t<br />
nur die Mobilisierung und damit die Medienpräsenz.<br />
Sie sollte zuglei<strong>ch</strong> der Rekrutierung<br />
neuer Aktivisten dienen, auf die bei späteren<br />
Anlässen wieder zurückgegriffen werden kann.<br />
Die zweigleisige Strategie zielte somit auf eine<br />
thematis<strong>ch</strong>e Neuorientierung bei glei<strong>ch</strong>zeitiger<br />
Rückgewinnung von verlorenem Terrain und der<br />
Werbung weiterer Mitläufer ab. Es ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>,<br />
dass diese neuen Mitglieder potenziell<br />
zum Gewalt befürwortenden Flügel innerhalb<br />
der traditionell von starken personellen Fluktuationen<br />
gekennzei<strong>ch</strong>neten Szene zu zählen sind.<br />
Die linksextreme Gewalt gefährdete punktuell<br />
oder lokal die öffentli<strong>ch</strong>e Ruhe und Ordnung,<br />
stellte aber keine Bedrohung der inneren<br />
Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz dar.<br />
LAGE<br />
Ans<strong>ch</strong>läge ausserhalb Europas<br />
Ausserhalb Europas waren im Jahr 2005 neben<br />
den Konfliktzonen im Irak, in Afghanistan<br />
und Pakistan, Israel und Palästina sowie im Kaukasus<br />
vor allem wieder verstärkt Ägypten und der<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Unsi<strong>ch</strong>ere Lage<br />
2.3. Islamistis<strong>ch</strong>en Gruppen<br />
zuges<strong>ch</strong>riebene Terrorakte<br />
Dur<strong>ch</strong> die Orientierungss<strong>ch</strong>wierigkeiten innerhalb<br />
der globalisierungskritis<strong>ch</strong>en und das<br />
Taktieren der gewaltbereiten Kreise ist eine von<br />
zahlrei<strong>ch</strong>en Unsi<strong>ch</strong>erheiten geprägte Situation<br />
entstanden. Zuglei<strong>ch</strong> ist eine Radikalisierung<br />
der linksextremen Szene feststellbar, die si<strong>ch</strong><br />
besonders in der gehäuften Gewaltanwendung<br />
gegen die Polizei und ihre Institutionen offenbart.<br />
Generell hat die Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft des harten<br />
Kerns der linken Extremisten zugenommen. Eine<br />
Veränderung dieser Tendenz ist kurzfristig ni<strong>ch</strong>t<br />
zu erwarten.<br />
Der Aktivismus und die Steigerung der szeneeigenen<br />
Anlässe 2005 dienten aber hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
dazu, Präsenz zu markieren und ideologis<strong>ch</strong> die<br />
eigene Existenz zu re<strong>ch</strong>tfertigen. Sie sind im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />
aus der aktuellen Krisensituation zu<br />
verstehen.<br />
Es ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass sowohl die Konfrontationen<br />
mit den Si<strong>ch</strong>erheitskräften wie au<strong>ch</strong><br />
mit Anhängern der re<strong>ch</strong>tsextremen Szene weiter<br />
zunehmen. Mögli<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> ein Ansteigen der<br />
anlassbezogenen Vorfeld- und Begleitaktionen.<br />
Hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die Zahl der<br />
Konfrontationen mit<br />
Si<strong>ch</strong>erheitskräften und mit<br />
Anhängern der re<strong>ch</strong>tsextremen<br />
Szene werden<br />
wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> zunehmen.<br />
spontanen, szeneeigenen Veranstaltungen<br />
dürfte weiter<br />
zunehmen. Gerade der zweifelhafte<br />
Erfolg dur<strong>ch</strong> den<br />
taktis<strong>ch</strong>en We<strong>ch</strong>sel hin zu<br />
konspirativ organisierten Anlässen<br />
dürfte die Szene zu<br />
weiteren derartigen Aktionen ermutigen und die<br />
Arbeit der Si<strong>ch</strong>erheitsorgane künftig erhebli<strong>ch</strong><br />
ers<strong>ch</strong>weren. Dabei sind zunehmend Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />
zu erwarten.<br />
süd- und südostasiatis<strong>ch</strong>e Raum von islamistis<strong>ch</strong>em<br />
Terrorismus betroffen. Im April und Juli<br />
war die ägyptis<strong>ch</strong>e Tourismusindustrie in Kairo<br />
beziehungsweise auf der Sinai-Halbinsel Ziel von<br />
islamistis<strong>ch</strong>en Terrorakten, wobei die koordinierten<br />
Sprengstoffans<strong>ch</strong>läge von Sharm el-Sheikh<br />
mehr Mens<strong>ch</strong>en töteten als der Ans<strong>ch</strong>lag mit
Handfeuerwaffen 1997 in Luxor. Die Ans<strong>ch</strong>läge<br />
auf einen touristis<strong>ch</strong>en Markt und ein Museum in<br />
Kairo forderten, obwohl das Werk von Selbstmordattentätern,<br />
weniger Opfer.<br />
Jordanien erlebte am 10. November den<br />
s<strong>ch</strong>wersten Terrorans<strong>ch</strong>lag seiner Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te.<br />
Selbstmordattentäter sprengten si<strong>ch</strong> in drei westli<strong>ch</strong>en<br />
Hotels in der Hauptstadt Amman in die<br />
Luft, töteten dabei über se<strong>ch</strong>zig Gäste und verletzten<br />
über hundert. Die aus dem Irak stammenden<br />
Attentäter handelten im Namen der irakis<strong>ch</strong>en<br />
Terrorgruppe um Abu Musab az-Zarqawi,<br />
weil das si<strong>ch</strong>ere Amman regional und internatio-<br />
nal als wi<strong>ch</strong>tigste Drehs<strong>ch</strong>eibe<br />
für Beziehungen mit dem<br />
kriegsversehrten Irak gilt. Im<br />
Emirat Katar am arabis<strong>ch</strong>en<br />
Golf war ebenfalls eine von<br />
aus dem Westen stammenden<br />
Personen besu<strong>ch</strong>te Einri<strong>ch</strong>tung Ziel des islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Terrorismus, als ein Selbstmordattentäter<br />
mit einem Fahrzeugsprengsatz eine Theatervorstellung<br />
attackierte.<br />
Im Oktober war in Südostasien erneut die<br />
Tourismusindustrie von islamistis<strong>ch</strong>em Terrorismus<br />
betroffen,als Selbstmordattentäter auf der<br />
indonesis<strong>ch</strong>en Ferieninsel Bali den Terrorakt von<br />
2002 wiederholten. Im selben Monat verwüstete<br />
au<strong>ch</strong> in Indien eine Ans<strong>ch</strong>lagserie neben anderen<br />
Zielen den Markt eines Touristenviertels in Neu-<br />
Delhi. S<strong>ch</strong>on im August waren in Bangladesh<br />
landesweit innert kürzester Zeit mehrere hundert<br />
Sprengsätze detoniert. Au<strong>ch</strong> auf den Philippinen<br />
griffen Islamisten im Verlauf des Jahres mehrmals<br />
mit Sprengsätzen öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen wie<br />
Restaurants, Märkte und Transportmittel an.<br />
Angriffe auf Tourismusindustrie<br />
und auf Einri<strong>ch</strong>tungen<br />
für aus dem Westen<br />
stammende Personen.<br />
Selbstmordattentat einer<br />
zum Islam konvertierten<br />
Belgierin.<br />
Selbstmordterrorismus im Irak<br />
Die Terrorgruppe des Jordaniers az-Zarqawi<br />
verübte als Teil des breiteren irakis<strong>ch</strong>en Widerstandes<br />
gegen die ausländis<strong>ch</strong>en Truppen au<strong>ch</strong> im<br />
Jahr 2005 die meisten Selbstmordans<strong>ch</strong>läge, bei<br />
denen wie im Vorjahr hunderte irakis<strong>ch</strong>e Zivilisten<br />
starben. Eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Anzahl der Selbst-<br />
mordattentäter stammte aus<br />
dem nahen und fernen arabis<strong>ch</strong>en<br />
Ausland, do<strong>ch</strong> waren einige<br />
unter ihnen erwiesenermassen<br />
au<strong>ch</strong> aus europäis<strong>ch</strong>en<br />
Ländern in den Irak eingesickert. Unter ihnen<br />
sorgte eine zum Islam konvertierte Belgierin für<br />
Aufsehen, die si<strong>ch</strong> Anfang November bei einem<br />
Ans<strong>ch</strong>lag auf einen US-Militärkonvoi in die Luft<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Zerstörter Bus in London. Am 7. Juli 2005 zündeten<br />
vier Selbstmordattentäter in drei U-Bahnzügen<br />
und einem Bus Bomben. Das Bild zeigt den nahe<br />
dem Tavistock Square zerstörten Bus am Tag dana<strong>ch</strong>.<br />
FOTO KEYSTONE<br />
sprengte. Wie im Vorjahr waren neben Ausländern<br />
die irakis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>iiten im Allgemeinen und<br />
die irakis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitskräfte im Speziellen<br />
Hauptangriffsziele, da beide Gruppen der<br />
Terrorgruppe um az-Zarqawi als Kollaborateure<br />
der Koalitionstruppen gelten. Au<strong>ch</strong> die<br />
Entführung von Ausländern dur<strong>ch</strong> Widerstandsgruppen<br />
hielt an.<br />
Die Londoner Selbstmordans<strong>ch</strong>läge<br />
Na<strong>ch</strong> den Ans<strong>ch</strong>lägen in Madrid am 11. März<br />
2004 erlangte die Bedrohung Europas dur<strong>ch</strong><br />
den islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus im Juli 2005 in<br />
London eine neue Dimension.<br />
London wurde das erste europäis<strong>ch</strong>e<br />
Ziel eines islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Selbstmordattentats:<br />
Am 7. Juli sprengten si<strong>ch</strong> in öffentli<strong>ch</strong>en Verkehrsmitteln<br />
vier Attentäter in die Luft, rissen 48<br />
Passagiere in den Tod und verletzten über fünfhundert<br />
weitere Personen. Genau zwei Wo<strong>ch</strong>en<br />
später, am 21. Juli, wollte eine weitere Gruppe<br />
von vier Attentätern den Ans<strong>ch</strong>lag imitieren,do<strong>ch</strong><br />
hielten si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>äden dank der unvollständigen<br />
Neue Dimension der<br />
Bedrohung Europas.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 27
Erfolgrei<strong>ch</strong>e Fahndung<br />
in mehreren europäis<strong>ch</strong>en<br />
Ländern.<br />
28<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Belgis<strong>ch</strong>e Selbstmordattentäterin im Irak. Die<br />
konvertierte Muslimin sprengte si<strong>ch</strong> am 9. November<br />
2005 in Bakuba im Irak in die Luft und tötete<br />
dabei fünf irakis<strong>ch</strong>e Polizisten. FOTO KEYSTONE<br />
Detonation der Sprengsätze in Grenzen, und<br />
kein Passagier wurde getötet. Ob es si<strong>ch</strong> bei den<br />
Tätern vom 21. Juli wirkli<strong>ch</strong> um Selbstmordattentäter<br />
handelte, ist Gegenstand laufender<br />
Ermittlungen.<br />
Die internationale<br />
Terrorismusbekämpfung<br />
Alle ges<strong>ch</strong>eiterten Attentäter vom 21. Juli<br />
konnten bereits in den Wo<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> der Tat in<br />
Grossbritannien und Italien festgenommen werden.<br />
Am 3. Oktober nahmen die britis<strong>ch</strong>en Behörden<br />
zudem fünf ranghohe Mitglieder der<br />
Groupe Islamique Combattant Libyen in Aus-<br />
s<strong>ch</strong>affungshaft. Erfolgrei<strong>ch</strong><br />
waren au<strong>ch</strong> Fahndungen na<strong>ch</strong><br />
gewaltbereiten Islamisten in<br />
mehreren europäis<strong>ch</strong>en Ländern.<br />
Die ausgehobenen Netzwerke<br />
planten entweder Ans<strong>ch</strong>läge vor Ort oder<br />
organisierten die Anwerbung und Infiltration von<br />
Selbstmordattentätern aus diesen Ländern in den<br />
Irak.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Vielfa<strong>ch</strong> auf Unverständnis in der Bevölkerung<br />
stiess der Freispru<strong>ch</strong> von erwiesenermassen<br />
gewaltbereiten Islamisten in Italien, Deuts<strong>ch</strong>land<br />
und den Niederlanden.In Italien unters<strong>ch</strong>ied eine<br />
Ri<strong>ch</strong>terin zugunsten des Angeklagten zwis<strong>ch</strong>en<br />
illegalem Terrorismus und legitimem Guerrillakampf,<br />
während in den Niederlanden die Gesetzeslage<br />
eine Verurteilung verunmögli<strong>ch</strong>te. In<br />
Deuts<strong>ch</strong>land wurde ein Mitglied des harten Kerns<br />
um Muhammad Atta vollständig freigespro<strong>ch</strong>en,<br />
ein weiteres vom Vorwurf, Beihilfe zu 3’000fa<strong>ch</strong>em<br />
Mord geleistet zu haben.<br />
Im Gefangenenlager von Guantánamo auf<br />
Kuba wie au<strong>ch</strong> in Afghanistan waren 2005 dutzende<br />
mutmassli<strong>ch</strong>er Terroristen in spezieller<br />
US-amerikanis<strong>ch</strong>er Militärhaft. Bei Gefangenentransporten<br />
soll angebli<strong>ch</strong> der Luftraum und<br />
damit die Souveränität zahlrei<strong>ch</strong>er Staaten missa<strong>ch</strong>tet<br />
worden sein. In diesem Zusammenhang<br />
eröffnete die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
ein Verfahren gegen unbekannt wegen Verda<strong>ch</strong>ts<br />
auf verbotene Handlungen für einen fremden<br />
Staat.<br />
BEURTEILUNG<br />
Al Qaïda und der globale<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadismus<br />
Al Qaïda hat si<strong>ch</strong> wegen der Zerstörung ihrer<br />
Zuflu<strong>ch</strong>tstätten in Afghanistan und des auf sie<br />
ausgeübten Drucks zu einer transnationalen<br />
Ideologie des militanten Islamismus gewandelt.<br />
Für ihre Verbreitung und Entwicklung spielt das<br />
Internet mit eins<strong>ch</strong>lägigen Seiten und Foren eine<br />
zunehmend wi<strong>ch</strong>tige Rolle. Usama bin Laden war<br />
im gesamten Beri<strong>ch</strong>tsjahr in den Medien abwesend,<br />
weshalb über seinen Tod oder gar seine Entma<strong>ch</strong>tung<br />
spekuliert wurde. Sein Stellvertreter<br />
Ayman az-Zawahiri trat hingegen mit mehreren<br />
Deklarationen in Ers<strong>ch</strong>einung, so au<strong>ch</strong> in einem<br />
Video zu den Londoner Selbstmordans<strong>ch</strong>lägen.<br />
Die Festnahme Abu Farads<strong>ch</strong> al-Libis bedeutete<br />
na<strong>ch</strong> derjenigen Khalid Sheikh Muhammads im<br />
Jahr 2003 eine weitere massive S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung der<br />
Al-Qaïda-Führung.<br />
Vielerorts entstehen kleine Zellen gewaltbereiter<br />
Islamisten respektive Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />
oder gewaltbereiter Muslime,<br />
die keine personelle Verbindung<br />
zur übrig gebliebenen<br />
Al-Qaïda-Führung haben. Sie<br />
sind aber bereit,ihren Ds<strong>ch</strong>ihadismus<br />
in die Tat umzusetzen.<br />
Kleine Zellen gewaltbereiter<br />
Islamisten ohne personelle<br />
Verbindung zur Al-Qaïda-<br />
Führung.
Da diese Zellen aufgrund ihrer bes<strong>ch</strong>ränkten Kapazitäten<br />
nur lokal operieren können, wählen sie<br />
si<strong>ch</strong> Ans<strong>ch</strong>lagziele in ihrer Umgebung und aufgrund<br />
ihrer Mögli<strong>ch</strong>keiten aus.<br />
Die islamistis<strong>ch</strong>en Terrorakte in Ägypten und<br />
Katar entspra<strong>ch</strong>en diesem Trend, während in<br />
Süd- und Südostasien etablierte Gruppen mit<br />
losen Verbindungen zur ehemaligen Al-Qaïda-<br />
Struktur für die Ans<strong>ch</strong>läge verantwortli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en<br />
sind. Einige der süd- und südostasiatis<strong>ch</strong>en<br />
Gruppen verbinden die islamistis<strong>ch</strong>en Ziele des<br />
Terrors mit territorialen Forderungen. Dies ist<br />
au<strong>ch</strong> in anderen Konfliktzonen wie im Kaukasus<br />
sowie in Israel und Palästina der Fall. Langfristig<br />
verfolgen sowohl die etablierten Gruppen als<br />
au<strong>ch</strong> die neuen Zellen als Ziel die Erri<strong>ch</strong>tung einer<br />
Staatsordnung auf der Grundlage des islamis<strong>ch</strong>en<br />
Re<strong>ch</strong>ts.<br />
Der erste islamistis<strong>ch</strong>e<br />
Selbstmordans<strong>ch</strong>lag in Europa<br />
Bis zu den Sprengstoffans<strong>ch</strong>lägen in Madrid<br />
galt Europa den meisten gewaltbereiten Islamisten<br />
eher als Rückzugsgebiet und als Raum zur<br />
logistis<strong>ch</strong>en Vorbereitung von Attentaten, ni<strong>ch</strong>t<br />
jedo<strong>ch</strong> als Raum für terroristis<strong>ch</strong>e Operationen.<br />
Vor allem seit den Londoner Ans<strong>ch</strong>lägen ist Europa<br />
aber au<strong>ch</strong> zur Arena islamistis<strong>ch</strong>er Terrorans<strong>ch</strong>läge<br />
geworden. Die Ans<strong>ch</strong>läge von Madrid<br />
und London gelten in der Logik des Terrors als<br />
gelungen, da sie völlig überras<strong>ch</strong>end erfolgten,<br />
genau koordiniert waren, mögli<strong>ch</strong>st viele Men-<br />
s<strong>ch</strong>en töteten, sofort in den<br />
Medien präsent waren und<br />
jeweils zu einem politis<strong>ch</strong><br />
symbolis<strong>ch</strong>en Zeitpunkt stattfanden.<br />
Die Terrorakte in Grossbritannien hatten<br />
zwar ni<strong>ch</strong>t die glei<strong>ch</strong>en politis<strong>ch</strong>en Konsequenzen<br />
wie die in Spanien, do<strong>ch</strong> zeigten sie die hohe Effektivität<br />
sol<strong>ch</strong>er Ans<strong>ch</strong>läge. Au<strong>ch</strong> haben sie<br />
einmal mehr verdeutli<strong>ch</strong>t, wie lei<strong>ch</strong>t verwundbar<br />
die liberalen Demokratien Europas sind.<br />
Sowohl die Ans<strong>ch</strong>läge am 7. Juli in London<br />
als au<strong>ch</strong> der ges<strong>ch</strong>eiterte Imitationsversu<strong>ch</strong> zwei<br />
Wo<strong>ch</strong>en dana<strong>ch</strong> haben gezeigt, dass au<strong>ch</strong> in<br />
Europa potenzielle Selbstmordattentäter leben.<br />
Diese europäis<strong>ch</strong>en Ds<strong>ch</strong>ihadisten formieren si<strong>ch</strong><br />
selbstständig in Zellen und verinnerli<strong>ch</strong>en die<br />
Ideologie des globalen Ds<strong>ch</strong>ihad. Sie stammen<br />
vor allem aus der muslimis<strong>ch</strong>en Diaspora; sie sind<br />
in Europa aufgewa<strong>ch</strong>sen und sozialisiert worden,<br />
bei einigen handelt es si<strong>ch</strong> um Konvertiten.<br />
Der Prozess der Radikalisierung vom potenziel-<br />
Hohe Effektivität<br />
von Selbstmordans<strong>ch</strong>lägen.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
len Ds<strong>ch</strong>ihadisten zum tatbereiten Terroristen<br />
s<strong>ch</strong>eint teilweise erstaunli<strong>ch</strong> kurz. Die operative<br />
Kapazität und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
dieser europäis<strong>ch</strong>en<br />
Zellen sind im Gegensatz zur<br />
alten Al Qaïda einges<strong>ch</strong>ränkt,<br />
was aber die Effektivität von Ans<strong>ch</strong>lägen ni<strong>ch</strong>t<br />
mindern muss.<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadismus als<br />
ausformulierte Ideologie<br />
Seit Anfang 2005 zirkuliert in islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Kreisen die über tausendseitige Enzyklopädie<br />
des Ende 2005 in Pakistan festgenommenen syris<strong>ch</strong>en<br />
Ds<strong>ch</strong>ihad-Ideologen Mustafa Sitmariam<br />
Nassar alias Abu Mussab as-Suri mit dem Titel<br />
«Aufruf zum weltweiten islamis<strong>ch</strong>en Widerstand».<br />
Diese bisher umfangrei<strong>ch</strong>ste Abhandlung<br />
zur ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Ideologie<br />
und Strategie ruft weltweit<br />
alle Muslime zu Terrorakten<br />
gegen europäis<strong>ch</strong>e Staaten<br />
auf, die in ihrer Politik gegenüber dem arabis<strong>ch</strong>islamis<strong>ch</strong>en<br />
Raum mit den USA, Grossbritannien<br />
oder Israel kooperieren.<br />
Ausgehend von ihrer komplexen islamre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Argumentation lässt si<strong>ch</strong> eine taktis<strong>ch</strong>e<br />
Weiterentwicklung der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Strategie<br />
feststellen. Demna<strong>ch</strong> sollen tatbereite<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadisten keine festen und erkennbaren<br />
Gruppenstrukturen mehr bilden, sondern im<br />
Idealfall individuell oder in Kleingruppen zur<br />
Tat s<strong>ch</strong>reiten. Sie müssen in kein Kampfgebiet<br />
wie zum Beispiel den Irak auswandern, sondern<br />
sollen vor Ort zus<strong>ch</strong>lagen. Sie brau<strong>ch</strong>en keine<br />
Ausbildung zum Terroristen mehr zu dur<strong>ch</strong>laufen,<br />
sondern sollen ihren Fähigkeiten entspre<strong>ch</strong>end<br />
so s<strong>ch</strong>nell wie mögli<strong>ch</strong> angreifen. 2005<br />
entspra<strong>ch</strong>en mehrere der in Europa geplanten<br />
oder ausgeführten Terrorans<strong>ch</strong>läge dieser neuen<br />
Taktik.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Islamistis<strong>ch</strong>er Terrorismus<br />
in der islamis<strong>ch</strong>en Welt<br />
Erstaunli<strong>ch</strong> kurze<br />
Radikalisierungsphase.<br />
«Aufruf zum weltweiten<br />
islamis<strong>ch</strong>en Widerstand».<br />
Die Verbindung von Islamismus und Separatismus<br />
ist besonders konfliktträ<strong>ch</strong>tig, weshalb<br />
Konfliktzonen in Süd- und Südostasien, Nahost<br />
und im Kaukasus au<strong>ch</strong> in Zukunft vom islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Terrorismus betroffen sein werden. In Südund<br />
Südostasien verlangen viele Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 29
30<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
eine Gesells<strong>ch</strong>aftsreform auf islamis<strong>ch</strong>er Grundlage<br />
und sind bereit, dies mit terroristis<strong>ch</strong>en Mitteln<br />
von den jeweiligen Staatseliten zu erzwingen.<br />
Glei<strong>ch</strong>es gilt au<strong>ch</strong> für die arabis<strong>ch</strong>e Welt, do<strong>ch</strong><br />
sind dort Ds<strong>ch</strong>ihadisten aufgrund staatli<strong>ch</strong>er<br />
Repression in ihrem Handeln stärker einges<strong>ch</strong>ränkt.<br />
Die Ausnahme hierzu bildet der Irak,<br />
der seit dem Sturz der Diktatur zum wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
neuen Ausbildungs- und Operationsfeld für islamistis<strong>ch</strong>e<br />
Terroristen geworden ist.<br />
London als Präzedenzfall<br />
Europa könnte in naher Zukunft zur Arena<br />
einer neuen Generation von europäis<strong>ch</strong>en Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />
werden. Die Rückkehr von Europäern,<br />
die zurzeit im irakis<strong>ch</strong>en Widerstand den urbanen<br />
Terrorismus erlernen, könnte diese Entwicklung<br />
bes<strong>ch</strong>leunigen. In Europa aktive potenzielle<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadisten werden au<strong>ch</strong> in Zukunft bevorzugt<br />
so genannte wei<strong>ch</strong>e Ziele wie öffentli<strong>ch</strong> zugängli<strong>ch</strong>e<br />
Orte mit grossen Mens<strong>ch</strong>enansammlungen<br />
oder unges<strong>ch</strong>ützte Personen für ihre Terrorakte<br />
auswählen. Selbstmordattentate könnten au<strong>ch</strong><br />
in Europa die zeit- oder ferngesteuerten Sprengsätze<br />
ergänzen oder mit der Zeit sogar ersetzen.<br />
Neben der Strategie zur Maximierung der<br />
Toten könnten in Zukunft vermehrt au<strong>ch</strong> Einzel-<br />
2.4. Naher Osten<br />
LAGE<br />
Israel und Palästina<br />
Au<strong>ch</strong> 2005 kam es zu Gewaltanwendung zwis<strong>ch</strong>en<br />
den Konfliktparteien in Israel und Palästina.<br />
Die Zahl der Selbstmordattentate hat dank<br />
einer Waffenstillstandsvereinbarung weiter abgenommen,<br />
aber au<strong>ch</strong>, weil die israelis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden<br />
sie vers<strong>ch</strong>iedentli<strong>ch</strong> vereiteln<br />
konnten. Die israelis<strong>ch</strong>e Armee setzte ihrerseits<br />
weiter auf gezielte Tötungen von palästinensis<strong>ch</strong>en<br />
Extremisten. Der unilateral bes<strong>ch</strong>lossene<br />
Rückzug Israels aus dem Gazastreifen führte<br />
ni<strong>ch</strong>t zu einer Entspannung der Si<strong>ch</strong>erheitslage,<br />
nahm der Bes<strong>ch</strong>uss Israels mit Qassam-Raketen<br />
aus Gaza do<strong>ch</strong> zu. Dieser forderte jedo<strong>ch</strong> keine<br />
Mens<strong>ch</strong>enleben.<br />
Die Lage in Israel und Palästina war 2005 geprägt<br />
von einer Zunahme und teilweisen Verlage-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
personen von gewalttätigen Islamisten gezielt<br />
getötet werden. Besonders Muslime, die in der<br />
Öffentli<strong>ch</strong>keit den Islam oder seine Politisierung<br />
kritisieren, sind für potenzielle Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />
legitime Angriffsziele. Glei<strong>ch</strong>es gilt für Einri<strong>ch</strong>tungen,<br />
die islamkritis<strong>ch</strong> sind oder aus ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>er<br />
Si<strong>ch</strong>t mit der so genannten «zionistis<strong>ch</strong>kreuzzügleris<strong>ch</strong>en<br />
Aggression gegen den Islam»<br />
in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t werden können.<br />
Bedeutung für die<br />
innere Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die Transformation Westeuropas von einem<br />
Ruhe- und Unterstützungsraum in ein Operationsfeld<br />
der Ds<strong>ch</strong>ihadisten betrifft unmittelbar<br />
au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz. Glei<strong>ch</strong>es gilt für die Erneuerung<br />
der ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Methode, wona<strong>ch</strong> der<br />
gewaltbereite Islamist ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr nur aus dem Ausland<br />
kommt, sondern unsi<strong>ch</strong>tbar<br />
und unerwartet im Inland operiert.<br />
Sollten si<strong>ch</strong> in Zukunft<br />
Transformation Westeuropas<br />
zu einem Operationsfeld der<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadisten.<br />
beide Entwicklungen ausprägen, würde das die<br />
Terrorismusbedrohung der S<strong>ch</strong>weiz als westeuropäis<strong>ch</strong>em<br />
Land mit einer aktiven islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Szene erhöhen.<br />
rung der Aufmerksamkeit auf interne Konflikte<br />
beider Parteien. In Israel kam es im August zu<br />
teils heftigen Protestdemonstrationen und ver-<br />
einzelten Gewaltakten extremistis<strong>ch</strong>er<br />
Siedler gegen die<br />
Räumung des Gaza-Streifens.<br />
Auf der anderen Seite gelang<br />
Interne Konflikte beider<br />
Parteien.<br />
es der palästinensis<strong>ch</strong>en Autonomiebehörde<br />
ni<strong>ch</strong>t, die bereits unter Arafat aufgetretenen<br />
Spannungen zwis<strong>ch</strong>en ihren Fraktionen zu überwinden<br />
und glei<strong>ch</strong>zeitig die gewalttätigen Widerstandsorganisationen<br />
Hamas und Ds<strong>ch</strong>ihad zu<br />
neutralisieren. Vielmehr kam es wiederholt zu<br />
bewaffneten Auseinandersetzungen. Um ihre<br />
Positionen dur<strong>ch</strong>zusetzen, entführten Fraktionen<br />
wiederholt au<strong>ch</strong> Ausländer; so wurde im August<br />
au<strong>ch</strong> ein S<strong>ch</strong>weizer UNO-Mitarbeiter für wenige<br />
Stunden als Geisel genommen.
Libanon<br />
Am 14. Februar 2005 wurde in Beirut der ehemalige<br />
libanesis<strong>ch</strong>e Ministerpräsident Rafiq Hariri<br />
bei einem Selbstmordans<strong>ch</strong>lag ermordet; weitere<br />
Attentate auf Vertreter antisyris<strong>ch</strong>er Positionen<br />
folgten, so zuletzt im Dezember die Ermordung<br />
des Journalisten und Abgeordneten Gibran<br />
Tuéni. Internationaler Druck zwang Syrien Ende<br />
April, seine seit 29 Jahren im Libanon stationierten<br />
Truppen vollständig zurückzuziehen.<br />
Im Rahmen der UNO-Ermittlungen um das<br />
Hariri-Attentat waren au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weizer im Libanon<br />
engagiert. Fünf Polizeiexperten nahmen im März<br />
2005 te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Abklärungen am Tatort in Beirut<br />
vor und lieferten Erkenntnisse<br />
zum Tathergang. Zudem waren<br />
auf Ersu<strong>ch</strong>en der UNO<br />
eine Expertin und ein Experte<br />
von fedpol in der Ermittlungsmanns<strong>ch</strong>aft<br />
des deuts<strong>ch</strong>en Staatsanwalts im Libanon<br />
tätig. Ein weiterer unterstützte die Ermittlungen<br />
na<strong>ch</strong> Abs<strong>ch</strong>luss des Einsatzes vor Ort. Die<br />
S<strong>ch</strong>weizer Einsätze, die Mitte Dezember abges<strong>ch</strong>lossen<br />
waren, verliefen ohne Zwis<strong>ch</strong>enfälle;<br />
die S<strong>ch</strong>weizer Vertreter waren weder während<br />
des Einsatzes im Libanon no<strong>ch</strong> im Na<strong>ch</strong>hinein<br />
Bedrohungen oder Anfeindungen ausgesetzt.<br />
Im Herbst war die S<strong>ch</strong>weiz zudem zeitweilig<br />
Gastland für Treffen libanesis<strong>ch</strong>er und syris<strong>ch</strong>er<br />
Politiker. Zurückzuführen war dies namentli<strong>ch</strong><br />
auf den Umstand, dass si<strong>ch</strong> der libanesis<strong>ch</strong>e Verteidigungsminister<br />
aus medizinis<strong>ch</strong>en Gründen in<br />
Genf aufhielt.<br />
Beteiligung von S<strong>ch</strong>weizer<br />
Experten an den UNO-<br />
Ermittlungen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Kaum Reaktionen in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die Entwicklung im Nahen Osten hat in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz 2005 kaum zu Reaktionen geführt. Erwähnenswert<br />
ist nur das Entrollen pro-palästi-<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
nensis<strong>ch</strong>er Transparente dur<strong>ch</strong> vier das Spielfeld<br />
stürmende linksextreme Aktivisten während des<br />
Fussballspiels S<strong>ch</strong>weiz-Israel am 3. September in<br />
Basel. Die von S<strong>ch</strong>weizer Islam-Konvertiten geführte<br />
Organisation PRO-PLO S<strong>ch</strong>weiz trat ni<strong>ch</strong>t<br />
in Ers<strong>ch</strong>einung, was ihre im Dezember 2004 verkündete<br />
Selbstauflösung zu bestätigen s<strong>ch</strong>eint.<br />
Im extremistis<strong>ch</strong>en islamistis<strong>ch</strong>en Diskurs ist<br />
das Palästinaproblem zwar weiterhin als ideologis<strong>ch</strong>er<br />
Topos allgegenwärtig, faktis<strong>ch</strong> wird es<br />
jedo<strong>ch</strong> vom alles dominierenden Konflikt im Irak<br />
verdrängt.<br />
Rolle der UNO<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz spielte im Bezug auf die Ereignisse<br />
in Libanon und Syrien eine verglei<strong>ch</strong>sweise<br />
bes<strong>ch</strong>eidene Rolle. Die innere Si<strong>ch</strong>erheit wurde<br />
dadur<strong>ch</strong> jedenfalls ni<strong>ch</strong>t gefährdet. Einer potenziellen<br />
Bedrohung ist hingegen die UNO ausge-<br />
setzt, wel<strong>ch</strong>e die Ermittlungen<br />
im Hariri-Mord führt und aufgrund<br />
der Ergebnisse Sanktionen<br />
gegen Syrien einfordert<br />
und dur<strong>ch</strong>setzt. Die allgemeine Gefährdung der<br />
UNO wird au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Entführung eines<br />
S<strong>ch</strong>weizer UNO-Mitarbeiters im August 2005<br />
bezeugt.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Potenzielle Bedrohung<br />
der UNO.<br />
UNO als mögli<strong>ch</strong>es Ziel von Gewalt<br />
Je stärker die UNO im Nahen Osten engagiert<br />
ist, desto wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>er wird es, dass es in Genf<br />
zu Protesten und bei einer allfälligen Eskalation<br />
gar zu gewalttätigen Aktionen kommen könnte.<br />
Anzei<strong>ch</strong>en für sol<strong>ch</strong>e Aktionen gibt es bisher jedo<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t. Die Si<strong>ch</strong>erheitsorgane des Bundes,<br />
des Kantons Genf und der UNO beurteilen laufend<br />
die Entwicklung der Lage.<br />
2.5. Islamistis<strong>ch</strong>e Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
LAGE<br />
Haltlose Ans<strong>ch</strong>uldigungen eines<br />
Islamisten gegen die S<strong>ch</strong>weiz<br />
Ein ehemaliger ägyptis<strong>ch</strong>er Polizeioberst und<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz anerkannter Flü<strong>ch</strong>tling wurde am<br />
15. Februar 2005 in Genf verhaftet, wegen Mordversu<strong>ch</strong>s<br />
und Drohung angeklagt und glei<strong>ch</strong>entags<br />
dur<strong>ch</strong> die zuständige Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>terin<br />
in Haft genommen. Er hatte eine Person senegalesis<strong>ch</strong>er<br />
Herkunft mit dem Messer angegriffen<br />
und blieb deswegen bis zum 22. Juni 2005 in<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 31
Indirekte Drohungen<br />
gegen die S<strong>ch</strong>weiz.<br />
32<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungshaft. Während und na<strong>ch</strong> seiner<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungshaft erhob er haltlose Vorwürfe<br />
gegen die S<strong>ch</strong>weiz und ihre Behörden.<br />
Er behauptete unter anderem, er sei inhaftiert<br />
worden, weil er si<strong>ch</strong> geweigert habe, mit dem<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst zu kooperieren und Landsleute<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz auszuspionieren. Man habe<br />
ihn als Agent in die Al Qaïda eins<strong>ch</strong>leusen wollen<br />
und ihm deswegen Geld und Frauen angeboten.<br />
Weiter will er während seiner Haft psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />
und physis<strong>ch</strong>er Gewalt ausgesetzt gewesen und<br />
mehr als einen Monat in Isolation gehalten<br />
worden sein, worauf er aus Protest in den Hungerstreik<br />
getreten sei. Na<strong>ch</strong> den Ans<strong>ch</strong>lägen in<br />
London vom 7. Juli ri<strong>ch</strong>tete er indirekte Drohungen<br />
gegen die S<strong>ch</strong>weiz – Genf sei nä<strong>ch</strong>stes Ziel<br />
eines Al-Qaïda-Ans<strong>ch</strong>lags – und<br />
bezei<strong>ch</strong>nete das S<strong>ch</strong>weizer Volk<br />
als «Feind des Islam». Einer seiner<br />
Internetartikel trug den Titel<br />
«Die S<strong>ch</strong>weiz, der niederträ<strong>ch</strong>tigste Feind des<br />
Islam». Das Pamphlet enthält den unverhohlenen<br />
Aufruf an die Muslime, endli<strong>ch</strong> zu reagieren,<br />
wobei eine mögli<strong>ch</strong>e Muds<strong>ch</strong>aheddin-Attacke<br />
gegen die S<strong>ch</strong>weiz, die «verdeckte Zentrale der<br />
kreuzzügleris<strong>ch</strong>-zionistis<strong>ch</strong>en Front», zuglei<strong>ch</strong> im<br />
Voraus legitimiert wird.<br />
Der Mann ri<strong>ch</strong>tete seine Bes<strong>ch</strong>werden zunä<strong>ch</strong>st<br />
an vers<strong>ch</strong>iedene Bundesräte, eine Genfer<br />
Staatsrätin,Amtsstellen und internationale Organisationen;<br />
E-Mails gingen au<strong>ch</strong> an Parlamentarier.<br />
Über Dritte gelangten die Ans<strong>ch</strong>uldigungen<br />
in die Medien, so etwa in die international bedeutende<br />
arabis<strong>ch</strong>e Tageszeitung «ash-Sharq al-Awsat».<br />
Überdies sind seine Texte mehrfa<strong>ch</strong> im Internet<br />
abrufbar, unter anderem auf eins<strong>ch</strong>lägigen<br />
ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Seiten. Dort findet er ein ihm<br />
wohlgesinntes Publikum, wie zahlrei<strong>ch</strong>e Kommentare<br />
verdeutli<strong>ch</strong>en. Ein Kommentator beteuert<br />
zum Beispiel, dass man bald angreifen werde.<br />
Islamistis<strong>ch</strong>e Gewaltpropaganda<br />
im Internet<br />
Bereits 2004 ermittelte fedpol (BKP) gegen<br />
die Betreiber von in der S<strong>ch</strong>weiz gehosteten,<br />
inzwis<strong>ch</strong>en gesperrten Internetplattformen wie<br />
etwa www.islamic-minbar.com, die der Verbreitung<br />
ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>er Propaganda dienten. Im<br />
Rahmen des geri<strong>ch</strong>tspolizeili<strong>ch</strong>en Ermittlungsverfahrens<br />
führte fedpol (BKP), unterstützt<br />
dur<strong>ch</strong> kantonale Polizeikräfte, am 22. Februar<br />
2005 Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ungen dur<strong>ch</strong> und nahm fünf<br />
Personen vorübergehend fest. Die Auswertung<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
des si<strong>ch</strong>ergestellten Materials lässt unter anderem<br />
einen Bezug der Bes<strong>ch</strong>uldigten zur islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Hizb ut-Tahrir (Partei<br />
der Befreiung) erkennen. Diese<br />
revolutionäre islamistis<strong>ch</strong>e<br />
Bewegung strebt die Erri<strong>ch</strong>tung<br />
eines weltweiten Kalifats an und s<strong>ch</strong>liesst<br />
dazu Gewaltanwendung zumindest ni<strong>ch</strong>t aus.<br />
Unter den si<strong>ch</strong> legal in der S<strong>ch</strong>weiz aufhaltenden<br />
Festgenommenen befand si<strong>ch</strong> neben dem<br />
Hauptbetreiber der Foren au<strong>ch</strong> dessen aktuelle<br />
Lebensgefährtin. Sie ist die Witwe eines der beiden<br />
Männer, die den afghanis<strong>ch</strong>en Kriegsherrn<br />
Ahmad S<strong>ch</strong>ah Massud zwei Tage vor den Ans<strong>ch</strong>lägen<br />
vom 11. September 2001 mit einem<br />
Selbstmordans<strong>ch</strong>lag töteten. Die selbsternannte<br />
Ds<strong>ch</strong>ihad-Veteranin aus Afghanistan drohte na<strong>ch</strong><br />
ihrer Freilassung in der Presse, das angebli<strong>ch</strong><br />
demütigende Verhalten von Polizei und Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
werde dur<strong>ch</strong> «Muds<strong>ch</strong>aheddin-<br />
Löwen» gerä<strong>ch</strong>t werden.<br />
Ende 2005 übergab die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
das wegen Verda<strong>ch</strong>ts auf öffentli<strong>ch</strong>e Aufforderung<br />
zu Verbre<strong>ch</strong>en oder zur Gewalttätigkeit<br />
und auf Unterstützung einer terroristis<strong>ch</strong> tätigen<br />
kriminellen Organisation eröffnete Verfahren<br />
dem Eidgenössis<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>teramt.<br />
Unterdessen ist im Internet unter neuer Adresse<br />
eine identis<strong>ch</strong>e Internetseite in Betrieb, die jedo<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t in der S<strong>ch</strong>weiz gehostet wird. Die<br />
Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft hat per Re<strong>ch</strong>tshilfe die<br />
S<strong>ch</strong>liessung der Internetseite beantragt.Auf einer<br />
anderen von der obgenannten Frau betriebenen<br />
und ebenfalls im Ausland gehosteten islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Internetseite wurde im Dezember 2005 ein<br />
Video Ayman az-Zawahiris mit französis<strong>ch</strong>en<br />
Untertiteln verbreitet.<br />
Ein zweiter Fall islamistis<strong>ch</strong>er<br />
Gewaltpropaganda im Internet<br />
Starker Bezug zur islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Hizb ut-Tahrir.<br />
Ab Mitte August 2005 wurde unter Verwendung<br />
des Passworts einer Studentin über den<br />
Zentralre<strong>ch</strong>ner der Universität Genf islamisti-<br />
s<strong>ch</strong>es Propagandamaterial im<br />
Internet weiterverbreitet. Dabei<br />
handelte es si<strong>ch</strong> nebst ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en<br />
Kampfaufrufen um Anleitungen<br />
zum Bau von Waffen und Videos von<br />
Hinri<strong>ch</strong>tungen, Verstümmelungen und Kriegsszenen<br />
im Irak. Na<strong>ch</strong> dem Hinweis eines privaten<br />
Internetfahnders rei<strong>ch</strong>te die Leitung der Universität<br />
Genf am 25. Oktober Strafanzeige gegen<br />
unbekannt ein.<br />
Verwendung des Passworts<br />
einer Studentin.
Geplanter Ans<strong>ch</strong>lag auf<br />
irakis<strong>ch</strong>en Ministerpräsidenten<br />
im Jahr 2004.<br />
Am 27. und 28. Oktober konnte die Genfer<br />
Kantonspolizei zwei Verdä<strong>ch</strong>tige verhaften. Die<br />
beiden Islamisten maghrebinis<strong>ch</strong>er Herkunft, die<br />
den Besu<strong>ch</strong> extremistis<strong>ch</strong>er Seiten, ni<strong>ch</strong>t jedo<strong>ch</strong><br />
die Weiterverbreitung des Materials zugaben,<br />
hielten si<strong>ch</strong> illegal in der S<strong>ch</strong>weiz auf. Die beiden<br />
wurden anfangs 2006 aus der Untersu<strong>ch</strong>ungshaft<br />
entlassen.<br />
S<strong>ch</strong>weizer Bezüge in den Jemen<br />
Im März 2005 teilte die S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in<br />
Saudi-Arabien mit, die Behörden im Jemen hätten<br />
einen Prozess gegen a<strong>ch</strong>t Terrorverdä<strong>ch</strong>tige<br />
eröffnet. Diese sollen Attentate gegen Bots<strong>ch</strong>aften<br />
und andere ausländis<strong>ch</strong>e Interessen in der<br />
Hauptstadt Sanaa geplant haben; einer der Angeklagten<br />
sei irakis<strong>ch</strong>-s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er Doppelbürger.Abklärungen<br />
von fedpol ergaben jedo<strong>ch</strong>,dass<br />
die Person weder S<strong>ch</strong>weizer Bürger ist no<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong><br />
je in der S<strong>ch</strong>weiz aufgehalten hat. Seine Mutter<br />
hingegen lebt in der S<strong>ch</strong>weiz. Sie ist liiert mit einem<br />
der Verdä<strong>ch</strong>tigen in den Ermittlungen, die<br />
im Ans<strong>ch</strong>luss an die Ans<strong>ch</strong>läge im saudi-arabis<strong>ch</strong>en<br />
Riad im Mai 2004 von der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
geführt werden. Er wird verdä<strong>ch</strong>tigt, als<br />
Mitglied eines S<strong>ch</strong>mugglernetzwerks Personen<br />
mit Bezügen zum islamistis<strong>ch</strong>en Terrorismus logistis<strong>ch</strong>e<br />
Unterstützung angeboten und mehrere<br />
Personen in oder dur<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz ges<strong>ch</strong>leust zu<br />
haben. Überdies vers<strong>ch</strong>ob die Gruppe bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Geldsummen, die teils aus ihren eigenen<br />
illegalen Aktivitäten stammten, mit unbekanntem<br />
Verwendungszweck in den Nahen Osten.<br />
S<strong>ch</strong>weizer Bezug zu Ansar al-Islam<br />
Vier mutmassli<strong>ch</strong>e Mitglieder der kurdis<strong>ch</strong>-islamistis<strong>ch</strong>en<br />
Terrororganisation Ansar al-Islam<br />
befinden si<strong>ch</strong> unter Terrorverda<strong>ch</strong>t in deuts<strong>ch</strong>er<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungshaft, weil sie 2004 einen Ans<strong>ch</strong>lag<br />
auf den damaligen irakis<strong>ch</strong>en Ministerpräsidenten<br />
Allawi geplant haben sollen.Sie standen in engem<br />
Kontakt zu einem irakis<strong>ch</strong>en Kurden in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz. In einer mit dem<br />
Landeskriminalamt Baden-<br />
Württemberg koordinierten<br />
Aktion wurde im Juni 2005 in<br />
dessen Wohnung umfangrei<strong>ch</strong>es<br />
islamistis<strong>ch</strong>es Propagandamaterial si<strong>ch</strong>ergestellt.<br />
Die Ermittlungen ergaben, dass der irakis<strong>ch</strong>e<br />
Kurde über weit verzweigte Kontakte zu<br />
Personen in der S<strong>ch</strong>weiz, Europa und dem Mittleren<br />
Osten verfügt, von denen mehrere terroristi-<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Propaganda auf S<strong>ch</strong>weizer<br />
Webseite. Fotografie der französis<strong>ch</strong> untertitelten<br />
Videobots<strong>ch</strong>aft Ayman az-Zawahiris. FOTO POLIZEI<br />
s<strong>ch</strong>e Bezüge aufweisen. Darunter befindet si<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> Mullah Krekar, der in Norwegen als Flü<strong>ch</strong>tling<br />
lebende Führer der Ansar al-Islam. Au<strong>ch</strong><br />
wenn der in der S<strong>ch</strong>weiz lebende Verdä<strong>ch</strong>tige<br />
ni<strong>ch</strong>t aktiv in die Planung des Attentats gegen<br />
Allawi verwickelt war,besteht der dringende Verda<strong>ch</strong>t<br />
der Mitglieds<strong>ch</strong>aft bei Ansar al-Islam.<br />
Fall A<strong>ch</strong>raf<br />
Na<strong>ch</strong> Hinweisen der spanis<strong>ch</strong>en Partnerdienste<br />
identifizierte fedpol (DAP) einen als Mohammed<br />
A<strong>ch</strong>raf bekannten angebli<strong>ch</strong>en Algerier,<br />
der einen Ans<strong>ch</strong>lag auf ein Geri<strong>ch</strong>tsgebäude in<br />
Madrid geplant haben soll. Ermittlungen der<br />
Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft ergaben, dass A<strong>ch</strong>raf in<br />
Wirkli<strong>ch</strong>keit ein marokkanis<strong>ch</strong>er Staatsbürger<br />
namens Abderrahmane Tahiri ist. Die spanis<strong>ch</strong>en<br />
Verda<strong>ch</strong>tsmomente bezügli<strong>ch</strong> seiner Aktivitäten<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz konnten ihm hier ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>gewiesen<br />
werden. Insbesondere gibt es keinen<br />
Hinweis, dass er in die S<strong>ch</strong>weiz gereist sei, um<br />
Mittel zum Erwerb grosser Mengen Sprengstoff<br />
zu generieren. Nur einige geringfügige Diebstahlsdelikte<br />
gehen auf ihn zurück. Am 22. April<br />
2005 wurde Tahiri an Spanien ausgeliefert.<br />
Radikalisierung dur<strong>ch</strong> bosnis<strong>ch</strong>e<br />
Wahhabiten<br />
Die bosnis<strong>ch</strong>e Organisation Aktive Islamis<strong>ch</strong>e<br />
Jugend (AIO) bemüht si<strong>ch</strong> seit mehreren<br />
Jahren, über ein Netz kultureller Zentren in der<br />
Muslimgemeins<strong>ch</strong>aft des Balkans den Wahhabismus,<br />
eine puritanis<strong>ch</strong>e radikale Variante des<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 33
34<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Islam aus Saudi-Arabien, zu verbreiten. Au<strong>ch</strong> in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz verfügt die AIO über einzelne Exponenten,<br />
allerdings ni<strong>ch</strong>t wie in anderen europäi-<br />
s<strong>ch</strong>en Ländern über eine gefestigteOrganisationsstruktur.<br />
Die S<strong>ch</strong>weizer AIO-Aktivisten<br />
sind vor allem propagandistis<strong>ch</strong><br />
aktiv. So wurden<br />
in der und über die S<strong>ch</strong>weiz wahhabitis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riften,<br />
Kassetten radikaler Prediger und Bü<strong>ch</strong>er<br />
über die islamis<strong>ch</strong>e Kindererziehung vertrieben.<br />
Die Bewegung nutzte einen S<strong>ch</strong>weizer Internetauftritt<br />
und organisierte Treffen in islamis<strong>ch</strong>en<br />
Zentren, an denen au<strong>ch</strong> ausländis<strong>ch</strong>e Anhänger<br />
der AIO teilnahmen.<br />
Umgekehrt nahmen Vertreter aus der<br />
S<strong>ch</strong>weiz an AIO-Treffen im Ausland teil, wo diese<br />
au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on dur<strong>ch</strong> extremistis<strong>ch</strong>e Stellungnahmen<br />
wie die Aufforderung zum bewaffneten<br />
Ds<strong>ch</strong>ihad auffielen. Weiter zei<strong>ch</strong>nen si<strong>ch</strong> bestimmte<br />
AIO-Anhänger dur<strong>ch</strong> ihre streng na<strong>ch</strong><br />
dem Vorbild des Propheten ausgeri<strong>ch</strong>tete Lebensweise<br />
aus, die sie ihrem Umfeld aufzuzwingen<br />
su<strong>ch</strong>en. Allerdings hatten sie damit in der aus<br />
dem Balkan stammenden Muslimgemeins<strong>ch</strong>aft,<br />
die – wenn überhaupt – eine apolitis<strong>ch</strong>e und volkstümli<strong>ch</strong>e<br />
Praxis des Islam verfolgt, bisher nur geringen<br />
Erfolg. Im Gegenteil: AIO-Aktivisten<br />
stiessen in der S<strong>ch</strong>weiz bei Praktizierenden auf<br />
offenen Widerstand und wurden aus Islamzentren<br />
gewiesen.<br />
Einzelne Exponenten, aber<br />
keine gefestigte Strukturen<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Auswirkungen<br />
des Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enienkriegs<br />
Der zweite Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enienkrieg wurde au<strong>ch</strong><br />
im se<strong>ch</strong>sten Jahr mit unverminderter Härte geführt.Die<br />
Islamisten unter S<strong>ch</strong>amil Bassaev haben<br />
an Einfluss gewonnen. Gerade die junge Generation,<br />
der Lebensperspektiven weitgehend fehlen,<br />
zeigte si<strong>ch</strong> offen für radikales Gedankengut.<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz leben gegenwärtig etwas mehr<br />
als 500 Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enen, die meisten davon als<br />
Asylsu<strong>ch</strong>ende oder anerkannte Flü<strong>ch</strong>tlinge. Im<br />
Gegensatz zu Frankrei<strong>ch</strong> konnte hierzulande<br />
bisher ni<strong>ch</strong>t beoba<strong>ch</strong>tet werden, dass unter ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enis<strong>ch</strong>en<br />
Einwanderern eine politis<strong>ch</strong>e Radikalisierung<br />
stattgefunden hat. Wie in anderen<br />
Ländern wurde aber au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz Geld<br />
für Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enien gesammelt. Bisher konnte<br />
ni<strong>ch</strong>t festgestellt werden, dass sol<strong>ch</strong>e Gelder zu<br />
Gunsten gewaltextremistis<strong>ch</strong>er Gruppierungen<br />
oder für terroristis<strong>ch</strong>e Aktivitäten aus der<br />
S<strong>ch</strong>weiz na<strong>ch</strong> Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enien geflossen sind.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
BEURTEILUNG<br />
Das ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Operationsfeld<br />
Europa umfasst au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz<br />
Aus den Aussagen von gewaltbereiten Islamisten<br />
lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>liessen, dass die S<strong>ch</strong>weiz ein<br />
primäres Angriffsziel darstellte. Es ist jedo<strong>ch</strong> davon<br />
auszugehen, dass si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Terroristen aufhalten könnten.<br />
In Anbetra<strong>ch</strong>t der jüngsten Entwicklung der<br />
ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>en Ideologie liegen terroristis<strong>ch</strong>e<br />
Ans<strong>ch</strong>läge in der S<strong>ch</strong>weiz als<br />
Teil des europäis<strong>ch</strong>en Operationsfeldes<br />
zudem zunehmend<br />
im Berei<strong>ch</strong> des Mögli<strong>ch</strong>en,<br />
und es gibt Vermutungen, dass es in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Islamisten gibt, wel<strong>ch</strong>e die Dur<strong>ch</strong>führung sol<strong>ch</strong>er<br />
Taten anstreben. Sie könnten dur<strong>ch</strong> fals<strong>ch</strong>e Ans<strong>ch</strong>uldigungen<br />
wie die des ehemaligen ägyptis<strong>ch</strong>en<br />
Polizeiobersten in ihren Absi<strong>ch</strong>ten no<strong>ch</strong><br />
bestärkt werden.<br />
Das Beispiel der Ans<strong>ch</strong>läge von London zeigt,<br />
dass terroristis<strong>ch</strong>e Attentäter, wenn sie individuell<br />
und unabhängig von einer grösseren Organisationsstruktur<br />
handeln, s<strong>ch</strong>werer denn je im<br />
Vorfeld ermittelbar sind.Parallel zu diesem Trend<br />
hin zu kleineren, selbstständig agierenden Zellen<br />
islamistis<strong>ch</strong>er Terroristen wurden 2005 au<strong>ch</strong> die<br />
ideologis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tfertigungen von Terrorans<strong>ch</strong>lägen<br />
überall auf der Welt vorangetrieben.<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>e Terroristen können, trotz weitgehender<br />
Ents<strong>ch</strong>eidungs- und Handlungsautonomie,<br />
auf ein weit verzweigtes transnationales<br />
Unterstützernetzwerk zählen, das au<strong>ch</strong> zahlrei<strong>ch</strong>e<br />
Nahtstellen in der S<strong>ch</strong>weiz aufweist. Die aktuellen<br />
Beispiele bestätigen die bereits bekannte<br />
Bedeutung der S<strong>ch</strong>weiz wie Europas insgesamt<br />
als Logistik-, Propaganda- und Ruheraum für<br />
islamistis<strong>ch</strong>e Aktivisten. Konkrete Vorbereitungshandlungen<br />
zu terroristis<strong>ch</strong>en Taten wurden<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz bisher zwar ni<strong>ch</strong>t endgültig na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />
Die Bedrohungslage kann aber ras<strong>ch</strong><br />
und jederzeit ändern.<br />
Radikalisierung der<br />
muslimis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />
S<strong>ch</strong>weiz als Teil des europäis<strong>ch</strong>en<br />
Operationsfelds.<br />
Neben der terroristis<strong>ch</strong>en Gefahr, die von der<br />
si<strong>ch</strong> aus der Gemeins<strong>ch</strong>aft ausgrenzenden und als<br />
Elite wähnenden Minderheit der Ds<strong>ch</strong>ihadisten<br />
ausgeht, repräsentieren Islamisten, die die muslimis<strong>ch</strong>e<br />
Gemeins<strong>ch</strong>aft zu radikalisieren su<strong>ch</strong>en,<br />
eine weitere Gefährdung der inneren Si<strong>ch</strong>erheit.<br />
Besonders die wahhabitis<strong>ch</strong>e Variante des Islam,
die in ihrem unübersehbaren Einheits- und<br />
Dominanzanspru<strong>ch</strong> gegen jegli<strong>ch</strong>e ideelle und<br />
soziale Pluralität der islamis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz vorzugehen<br />
su<strong>ch</strong>t, stellt ein Problem dar.<br />
Verstärkt wird der Einfluss<br />
des Wahhabismus dur<strong>ch</strong> seine<br />
rei<strong>ch</strong>en finanziellen Mittel, ist er do<strong>ch</strong> weiterhin<br />
staatli<strong>ch</strong> geförderte Doktrin in Saudi-Arabien.<br />
Wie das Beispiel der AIO zeigt, sind entgegen der<br />
landläufigen Meinung ni<strong>ch</strong>t nur arabis<strong>ch</strong>e Muslime<br />
Radikalisierungsversu<strong>ch</strong>en ausgesetzt.<br />
Wahhabistis<strong>ch</strong>e Variante des<br />
Islam stellt ein Problem dar.<br />
LAGE<br />
ETA<br />
Mehrere Attentate vorwiegend<br />
gegen öffentli<strong>ch</strong>e<br />
Einri<strong>ch</strong>tungen.<br />
2.6. Terrorismus in Europa<br />
Wie in den vergangenen Jahren drohte die<br />
Euzkadi ta Azkatasuna (ETA) mit Ans<strong>ch</strong>lägen<br />
gegen die Tourismusindustrie. Sie verübte meh-<br />
rere Attentate vorwiegend<br />
gegen öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen.<br />
Am 17. Mai spra<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong><br />
das spanis<strong>ch</strong>e Parlament für<br />
Verhandlungen mit der ETA<br />
aus, sofern die baskis<strong>ch</strong>en Separatisten auf den<br />
gewaltsamen Kampf verzi<strong>ch</strong>teten. Na<strong>ch</strong> diesem<br />
Ents<strong>ch</strong>eid wurden an vers<strong>ch</strong>iedenen Orten in<br />
Spanien über ein Dutzend Ans<strong>ch</strong>läge verübt;<br />
während des gesamten Jahres waren es weit<br />
über zwanzig.<br />
IRA<br />
Die Irish Republican Army (IRA) kündete<br />
Ende Juli 2005 das Ende des bewaffneten<br />
Kampfes an. Sie hatte in ihrem Kampf Sprengsätze,<br />
Minenwerfer, Raketen und S<strong>ch</strong>usswaffen<br />
eingesetzt. Sie stellte selbst Bomben her; ihre<br />
Te<strong>ch</strong>niker entwickelten Waffen und Zünder. Am<br />
26. September 2005 erklärte die internationale<br />
Entwaffnungskommission die IRA für entwaffnet.<br />
Die IRA geriet seit 2004 dur<strong>ch</strong> ihre kriminellen<br />
Aktivitäten in Verruf. Die IRA finanzierte<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Veränderte Voraussetzungen<br />
im Antiterrorkampf<br />
Es ist davon auszugehen, dass si<strong>ch</strong> die gegenwärtig<br />
feststellbare ideologis<strong>ch</strong>e Tendenz des<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadismus als eines auf lokaler Ebene mögli<strong>ch</strong>st<br />
individuell zu führenden, eigentli<strong>ch</strong> aber<br />
global-zeitlosen Kampfes dur<strong>ch</strong>setzt. Diese Dezentralisierung<br />
ermögli<strong>ch</strong>t islamistis<strong>ch</strong>e Terrorans<strong>ch</strong>läge<br />
prinzipiell überall, au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
als Teil des europäis<strong>ch</strong>en Operationsfelds. Je individueller<br />
und rein an ihren Mögli<strong>ch</strong>keiten ausgeri<strong>ch</strong>tet<br />
Ds<strong>ch</strong>ihadisten zudem handeln, desto<br />
s<strong>ch</strong>wieriger wird ihre Identifizierung vor der beabsi<strong>ch</strong>tigten<br />
Tat.<br />
si<strong>ch</strong> bisher dur<strong>ch</strong> Spenden, Raubüberfälle,<br />
S<strong>ch</strong>muggel, Drogen- und Rohstoffhandel und<br />
führte Pubs, Clubs, Taxi- und Bauunternehmen.<br />
Na<strong>ch</strong> Eins<strong>ch</strong>ätzung der italienis<strong>ch</strong>en Staatsanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
bestehen im Berei<strong>ch</strong> der organisierten<br />
Kriminalität der IRA, namentli<strong>ch</strong> beim Zigarettens<strong>ch</strong>muggel,<br />
Verbindungen in die S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Neue Rote Brigaden<br />
2005 standen mehrere Mitglieder der Neuen<br />
Roten Brigaden wegen Mordes an Massimo<br />
D’Antona und Marco Biagi in Rom und Bologna<br />
vor Geri<strong>ch</strong>t. Sie wurden zu lebenslängli<strong>ch</strong>en<br />
respektive langjährigen Haftstrafen verurteilt.<br />
Eine Frau hat zusätzli<strong>ch</strong> zu 16 Jahren Haft eine<br />
Ents<strong>ch</strong>ädigung von einer Million Euro an die<br />
Angehörigen Biagis zu zahlen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Vers<strong>ch</strong>iedene Entwicklungen im<br />
Terrorismus europäis<strong>ch</strong>er Herkunft<br />
Sozialrevolutionären oder nationalistis<strong>ch</strong>en<br />
Terrorgruppen in Europa sind die materiellen<br />
Grundlagen weitgehend entzogen.<br />
Die Neuen Roten Brigaden in Italien wurden<br />
dur<strong>ch</strong> erneute Festnahmen weiter ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t.<br />
Die ETA in Spanien ist trotz Fahndungserfolgen<br />
und zahlrei<strong>ch</strong>en Verhaftungen dur<strong>ch</strong> die fran-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 35
Kriminelle Aktivitäten<br />
der bewaffneten Gruppen<br />
in Nordirland.<br />
36<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
Ans<strong>ch</strong>lag mit Autobombe. Am 25. Juni 2005<br />
explodierte eine Autobombe auf einem Parkplatz<br />
des olympis<strong>ch</strong>en Peineta Stadions in Madrid. Es gab<br />
keine Verletzten; im Namen der ETA war zuvor eine<br />
telefonis<strong>ch</strong>e Warnung erfolgt. FOTO KEYSTONE<br />
zösis<strong>ch</strong>e und spanis<strong>ch</strong>e Polizei ni<strong>ch</strong>t zers<strong>ch</strong>lagen.<br />
Trotz mehrmals verkündetem Verzi<strong>ch</strong>t, stehen<br />
einige ETA-Aktivisten ni<strong>ch</strong>t von Gewalt ab,<br />
obwohl die ETA anstrebt, die Unabhängigkeit<br />
des Baskenlandes auf dem Verhandlungsweg zu<br />
errei<strong>ch</strong>en.<br />
In Nordirland sind die kriminellen Aktivitä-<br />
LAGE<br />
Status des Kosovo<br />
ten der bewaffneten Gruppen<br />
auf katholis<strong>ch</strong>er und protestantis<strong>ch</strong>er<br />
Seite ein Haupthindernis<br />
auf dem Weg zu Frieden<br />
Die Verhandlungen über den künftigen Status<br />
des Kosovo und ihr Ausgang haben einen wi<strong>ch</strong>tigen<br />
Einfluss auf die Stabilität in der Region.<br />
Gewaltsame Zwis<strong>ch</strong>enfälle<br />
gab es im Vorfeld der Verhandlungen;<br />
die Lage blieb<br />
aber insgesamt relativ ruhig. Nebst der Klärung<br />
der Statusfrage könnten andere wi<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eide<br />
wie das Referendum über die Unabhängigkeit<br />
Montenegros das Konfliktpotenzial in der<br />
Region weiter erhöhen.<br />
Die kosovo-albanis<strong>ch</strong>e Bevölkerung wüns<strong>ch</strong>t<br />
die baldige Unabhängigkeit und wird si<strong>ch</strong> nur<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
und Si<strong>ch</strong>erheit. Eine Kehrtwende der IRA dürfte<br />
vor allem auf Druck der Sympathisanten und<br />
Geldgeber aus den USA und Irland sowie dur<strong>ch</strong><br />
die internationale politis<strong>ch</strong>e Ä<strong>ch</strong>tung der Sinn<br />
Fein erfolgen.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Kein Ende der Gewalt<br />
Verfügen Organisationen – wie zum Beispiel<br />
die ETA – na<strong>ch</strong> wie vor über personell und logistis<strong>ch</strong><br />
intakte Strukturen, so sind gezielte Angriffe<br />
auf öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen weiterhin wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>.<br />
Angesi<strong>ch</strong>ts abnehmender finanzieller<br />
Mittel sind eine Intensivierung erpresseris<strong>ch</strong>er<br />
Kampagnen und Ans<strong>ch</strong>läge au<strong>ch</strong> auf private<br />
Unternehmen wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>. Erklären si<strong>ch</strong> Organisationen<br />
– wie die IRA – zu einem endgültigen<br />
Gewaltverzi<strong>ch</strong>t bereit, so können denno<strong>ch</strong><br />
Splittergruppen weitere Gewaltakte verüben –<br />
viellei<strong>ch</strong>t unter politis<strong>ch</strong>em Vorwand, aber letztli<strong>ch</strong><br />
aus kriminellen Motiven.<br />
S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist es mögli<strong>ch</strong>, dass ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>te<br />
Terrorzellen versu<strong>ch</strong>en werden, ihre Lücken<br />
dur<strong>ch</strong> Zusammenarbeit mit Gruppierungen zu<br />
füllen, die ihnen ideologis<strong>ch</strong> nahe stehen. Dies<br />
wäre im Falle der Neuen Roten Brigaden denkbar,<br />
die den S<strong>ch</strong>ulters<strong>ch</strong>luss mit italienis<strong>ch</strong>en und<br />
ausländis<strong>ch</strong>en Anar<strong>ch</strong>isten su<strong>ch</strong>en könnten.<br />
2.7. Ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />
Lage insgesamt relativ ruhig.<br />
s<strong>ch</strong>wer mit Kompromissen zufrieden geben. Serbiens<br />
Regierung hat ihre Vorstellungen zur Lösung<br />
des Konfliktes vorgelegt. Serbien und Montenegro<br />
will über alles ausser einer vollständigen<br />
Unabhängigkeit des Kosovo verhandeln und<br />
beharrt auf der Unantastbarkeit seiner Grenzen;<br />
Pristina akzeptiert dies ni<strong>ch</strong>t und beharrt auf der<br />
bedingungslosen Unabhängigkeit des Kosovo.<br />
Falls der kosovo-albanis<strong>ch</strong>en Bevölkerung<br />
keine klaren Perspektiven geboten werden,könnten<br />
Extremisten Auftrieb erhalten, wel<strong>ch</strong>e die<br />
Unabhängigkeit notfalls au<strong>ch</strong> mit Waffengewalt<br />
dur<strong>ch</strong>setzen wollen. Im Kosovo gibt es eine Vielzahl<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Gruppen: Das Spektrum<br />
rei<strong>ch</strong>t von Bewegungen, die gewaltfrei die sofortige<br />
Unabhängigkeit des Kosovo ohne Verhand-
lungen fordern und si<strong>ch</strong> dabei auf das Selbstbestimmungsre<strong>ch</strong>t<br />
der Völker berufen, bis hin zu<br />
militanten Gruppen, wel<strong>ch</strong>e die Vereinigung aller<br />
albanis<strong>ch</strong>en Siedlungsgebiete mit Albanien verlangen.<br />
Daneben gibt es die Na<strong>ch</strong>folgeorganisationen<br />
der UÇK wie die Kriegsveteranenvereine<br />
oder das Kosovo S<strong>ch</strong>utzkorps. Als paramilitäris<strong>ch</strong>e<br />
Gruppen könnten sie ihren Interessen mit<br />
Gewalt Na<strong>ch</strong>druck verleihen.<br />
Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Spannungen<br />
im Kosovo einen direkten Einfluss auf das<br />
Verhalten der Diaspora haben<br />
und den Aktivitäten extremistis<strong>ch</strong>er<br />
Gruppen in die Hände<br />
spielen. Allerdings verhielten<br />
si<strong>ch</strong> sowohl die ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>e<br />
wie die serbis<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz während der Unruhen im März 2004 sehr<br />
zurückhaltend.<br />
Die insgesamt relativ ruhige Lage im Kosovo<br />
erklärt zum einen, weshalb si<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
vertretene Gruppen gegenwärtig ruhig und<br />
zurückhaltend verhalten; 2005 fielen in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz keine gewaltextremistis<strong>ch</strong>en ethnis<strong>ch</strong>albanis<strong>ch</strong>en<br />
Gruppen auf. Zum andern erweisen<br />
si<strong>ch</strong> die seit 2003 getroffenen Administrativmassnahmen<br />
wie etwa Fernhaltemassnahmen gegen<br />
Führungspersonen als wirkungsvoll.<br />
Lage im Kosovo hat direkten<br />
Einfluss auf das Verhalten<br />
der Diaspora.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
BEURTEILUNG<br />
Südosteuropäis<strong>ch</strong>er Extremismus<br />
Die Entwicklung auf politis<strong>ch</strong>er Ebene wird<br />
das Verhalten der gewaltextremistis<strong>ch</strong>en Gruppen<br />
ethnis<strong>ch</strong>er Albaner massgebli<strong>ch</strong> bestimmen.<br />
Neben diesen sind im Kosovo au<strong>ch</strong> serbis<strong>ch</strong>e<br />
Gruppen aktiv. Diese könnten mit Unterstützung<br />
aus Belgrad versu<strong>ch</strong>t sein, den Unabhängigkeitsprozess<br />
zu stören oder bei einer allfälligen Unabhängigkeit<br />
des Kosovo den jungen Staat zu destabilisieren.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Keine direkte Bedrohung<br />
Aufgrund der starren Positionen Belgrads<br />
und Pristinas ist nur dur<strong>ch</strong> starken Druck der<br />
internationalen Staatengemeins<strong>ch</strong>aft mit ras<strong>ch</strong>en<br />
Resultaten zu re<strong>ch</strong>nen. Eine Blockade der Verhandlungen<br />
und der Ausbru<strong>ch</strong> von Gewalt sind<br />
mögli<strong>ch</strong>. Die S<strong>ch</strong>weiz müsste<br />
im Falle von Gewaltausbrü<strong>ch</strong>en<br />
zumindest kurzfristig mit<br />
erhöhter Einwanderung aus<br />
der Region re<strong>ch</strong>nen. Gewaltextremistis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />
ethnis<strong>ch</strong>er Albaner könnten logistis<strong>ch</strong>e oder<br />
politis<strong>ch</strong>e Aktivitäten wie Waffens<strong>ch</strong>muggel und<br />
Geldbes<strong>ch</strong>affung respektive Demonstrationen<br />
aufnehmen. Eine direkte Bedrohung der inneren<br />
Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz ist au<strong>ch</strong> dann als gering<br />
einzustufen.<br />
2.8. Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />
LAGE<br />
Attentate und Entführungen<br />
der PKK in der Türkei<br />
Seit April 2005 benutzt die Kongra-Gel wieder<br />
vermehrt ihren alten Namen Kurdis<strong>ch</strong>e Arbeiterpartei<br />
(PKK). Sowohl die Strukturen wie<br />
au<strong>ch</strong> die Ziele der Gruppierung sind jedo<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong><br />
geblieben. In der Türkei kam es seit der Aufhebung<br />
des einseitigen Waffenstillstands dur<strong>ch</strong> die<br />
PKK im Juni 2004 immer wieder zu Kämpfen mit<br />
Si<strong>ch</strong>erheitskräften. Am 17. April 2005 drohte die<br />
PKK, Ans<strong>ch</strong>läge gegen Wirts<strong>ch</strong>aftseinri<strong>ch</strong>tungen<br />
in türkis<strong>ch</strong>en Grossstädten und in Städten der<br />
Ausbru<strong>ch</strong> von Gewalt in<br />
Südosteuropa ist mögli<strong>ch</strong>.<br />
Westtürkei dur<strong>ch</strong>zuführen;im Frühjahr und Sommer<br />
wurden in mehreren Städten Bombenatten-<br />
tate mit Toten und Verletzten<br />
verübt. Mit Çeçme, Kuçadası,<br />
Antalya und Istanbul wurden<br />
Tourismuszentren zu Zielen.<br />
2005 entführte die PKK in der<br />
Türkei wieder Mens<strong>ch</strong>en.S<strong>ch</strong>weizer Bürgerinnen<br />
und Bürger waren ni<strong>ch</strong>t betroffen.<br />
Ruhe in Westeuropa<br />
In mehreren Städten<br />
Bombenattentate mit Toten<br />
und Verletzten.<br />
In Westeuropa war die Lage ruhig. Die hier lebenden<br />
Kurden veranstalteten zwar Demonstra-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 37
Verhaftungen<br />
in Lie<strong>ch</strong>tenstein.<br />
38<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
tionen und andere Aktionen, mit denen sie vor<br />
allem auf die Lage in der Türkei aufmerksam<br />
ma<strong>ch</strong>en wollten. Die Aktionen wie etwa zum Jahrestag<br />
des Friedens von 1923 in Lausanne oder der<br />
Verhaftung Öcalans verlaufen in der Regel friedli<strong>ch</strong><br />
und gewaltfrei. Es gibt bis anhin keine Anzei<strong>ch</strong>en,<br />
dass si<strong>ch</strong> Aktivisten der PKK in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
am bewaffneten Kampf beteiligen. Das Gewaltpotenzial<br />
der PKK gegen aussen und für interne<br />
Auseinandersetzungen aufgrund der Spaltung im<br />
Vorjahr ist jedo<strong>ch</strong> weiterhin vorhanden.<br />
Türkis<strong>ch</strong>e extremistis<strong>ch</strong>e<br />
und islamistis<strong>ch</strong>e Gruppierungen<br />
Die vers<strong>ch</strong>iedenen linksextremen türkis<strong>ch</strong>en<br />
Gruppen zeigen si<strong>ch</strong> seit Jahren nur no<strong>ch</strong> zu bestimmten<br />
Anlässen. Weder sie no<strong>ch</strong> ihr Pendant<br />
auf der re<strong>ch</strong>tsextremen Seite, die Grauen Wölfe,<br />
traten 2005 in der S<strong>ch</strong>weiz gewalttätig auf. Dagegen<br />
nahm die Bedeutung türkis<strong>ch</strong>-islamistis<strong>ch</strong>er<br />
Gruppierungen in den letzten zwei Jahren zu. Einige<br />
dieser Gruppen unterhalten Verbindungen<br />
zur global agierenden Ds<strong>ch</strong>ihadbewegung. In der<br />
S<strong>ch</strong>weiz sind vor allem die Türkis<strong>ch</strong>e Hizbullah<br />
und die Stürmerfront des Grossen Islamis<strong>ch</strong>en<br />
Ostens (IBDA-C) bekannt.<br />
IBDA-C<br />
In Lie<strong>ch</strong>tenstein wurden im Dezember 2005<br />
drei türkis<strong>ch</strong>e Staatsbürger festgenommen, die<br />
bes<strong>ch</strong>uldigt werden, die IBDA-C finanziell und<br />
logistis<strong>ch</strong> unterstützt zu haben.<br />
Die IBDA-C hat in der<br />
Türkei bereits mehrere Ans<strong>ch</strong>läge<br />
verübt, unter anderem<br />
bekannte sie si<strong>ch</strong> zu den Selbstmordans<strong>ch</strong>lägen in<br />
Istanbul vom November 2003. Die in Lie<strong>ch</strong>tenstein<br />
festgenommenen IBDA-C-Exponenten frequentierten<br />
eine Mos<strong>ch</strong>ee in Bu<strong>ch</strong>s (St. Gallen),<br />
standen sonst jedo<strong>ch</strong> in keiner Verbindung zu<br />
Personen in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Im Mai 2005 wurde in der Mos<strong>ch</strong>ee in Bu<strong>ch</strong>s<br />
eine Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ung dur<strong>ch</strong>geführt, bei der<br />
extremistis<strong>ch</strong>es Material bes<strong>ch</strong>lagnahmt wurde.<br />
BEURTEILUNG<br />
Aktuell keine Bedrohung<br />
Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e gewaltextremistis<strong>ch</strong>e<br />
Gruppen bedrohen aktuell die innere Si<strong>ch</strong>erheit<br />
der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t. Die PKK ist logistis<strong>ch</strong><br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
auf das Ausland angewiesen, weshalb Ans<strong>ch</strong>läge<br />
oder Gewaltaktionen in Westeuropa zwar mögli<strong>ch</strong>,<br />
aber unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> sind.<br />
Die Mehrheit der kurdis<strong>ch</strong>en Bevölkerung<br />
steht ni<strong>ch</strong>t hinter der PKK. Sie wüns<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> eine<br />
friedli<strong>ch</strong>e Lösung, befürwortet die Aufnahme der<br />
Türkei in die EU und erhofft si<strong>ch</strong> Verbesserungen<br />
von den geplanten Reformen.<br />
Gegen eine Verbindung mit Europa sind hingegen<br />
die türkis<strong>ch</strong>en Islamistengruppierungen<br />
wie die IBDA-C. Antiwestli<strong>ch</strong>es und antisemitis<strong>ch</strong>es<br />
Propagandamaterial, das von ihnen in<br />
Umlauf gebra<strong>ch</strong>t wird, birgt ein Hass- und Gewaltpotenzial<br />
in si<strong>ch</strong>, das zu einer Bedrohung der<br />
inneren Si<strong>ch</strong>erheit au<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>weiz werden<br />
könnte. Die Islamisten missbrau<strong>ch</strong>en für ihre<br />
Zwecke die Netzwerke mystis<strong>ch</strong>er Gruppierungen,<br />
die über weit rei<strong>ch</strong>ende Verbindungen in<br />
der Türkei und ihrer Diaspora verfügen.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Kurdis<strong>ch</strong>e und türkis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />
Hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> gewaltextremistis<strong>ch</strong>er kurdis<strong>ch</strong>er<br />
und türkis<strong>ch</strong>er Gruppen gibt es keine An-<br />
zei<strong>ch</strong>en, dass si<strong>ch</strong> die ruhige<br />
Lage in der S<strong>ch</strong>weiz vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern<br />
wird. Im Gegenteil<br />
ist mit weiteren Verbesserungen<br />
zu re<strong>ch</strong>nen, da die<br />
Türkei im Zuge der Integrationsbemühungen in<br />
die EU zahlrei<strong>ch</strong>e Anstrengungen unternimmt,<br />
ihre innerstaatli<strong>ch</strong>en Konflikte zu lösen.<br />
Islamistis<strong>ch</strong>e Gruppen<br />
aus der Türkei<br />
Konflikt in der Türkei<br />
wird si<strong>ch</strong> voraussi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
entspannen.<br />
Die Entwicklung der islamistis<strong>ch</strong>en Strömungen<br />
in der Türkei hängt ebenfalls davon ab, wie<br />
der Prozess der Annäherung an die EU weiter<br />
verläuft. Einerseits könnte eine weitere Annäherung<br />
dazu führen, dass si<strong>ch</strong> die antiwestli<strong>ch</strong>en<br />
Positionen dieser Strömungen festigen.<br />
Andererseits könnten diese potenzielle Mitglieder<br />
verlieren, wenn gemässigte islamis<strong>ch</strong>e Organisationen<br />
wie mystis<strong>ch</strong>e Bruders<strong>ch</strong>aften, die<br />
heute in der streng laizistis<strong>ch</strong>en Türkei verboten<br />
sind, infolge der EU-Integration wieder zugelassen<br />
und so aus der Illegalität geführt würden, die<br />
eine Radikalisierung fördert.
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
2.9. Tamilis<strong>ch</strong>er Gewaltextremismus<br />
LAGE<br />
Hinweise auf Gewalt<br />
gegen säumige Zahler bei<br />
Geldsammlungen.<br />
Gefährdeter Friedensprozess<br />
Die Lage auf Sri Lanka blieb kritis<strong>ch</strong> und<br />
hat si<strong>ch</strong> seit der Ermordung des sri-lankis<strong>ch</strong>en<br />
Aussenministers im August 2005 sowie na<strong>ch</strong> der<br />
Wahl des neuen Präsidenten im November 2005<br />
no<strong>ch</strong> weiter angespannt. Die 2002 vereinbarte<br />
Waffenruhe wurde 2005 mehrmals verletzt; die<br />
Kämpfe nahmen im Norden und Osten des Landes<br />
merkli<strong>ch</strong> zu.Laut dem UNO-Kinderhilfswerk<br />
Unicef vers<strong>ch</strong>leppten tamilis<strong>ch</strong>e Rebellen na<strong>ch</strong><br />
der Tsunami-Katastrophe zahlrei<strong>ch</strong>e Kinder aus<br />
Flü<strong>ch</strong>tlingslagern und rekrutierten sie als Soldaten.<br />
Todesopfer forderten au<strong>ch</strong> die ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>lassenden<br />
Auseinandersetzungen unter rivalisierenden<br />
Gruppen der Liberation Tigers of Tamil<br />
Eelam (LTTE).<br />
Die EU liess am 26. September 2005 verlauten,<br />
sie ziehe in Betra<strong>ch</strong>t, die LTTE formal als<br />
terroristis<strong>ch</strong>e Organisation einzustufen, und<br />
vereinbarte, die Mitgliedsländer dürften keine<br />
Delegationen der LTTE und mit ihr verbundener<br />
Organisationen mehr empfangen.<br />
Aktivitäten in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die LTTE führt na<strong>ch</strong> wie vor Geldsammlungen<br />
dur<strong>ch</strong>. Die Spendengelder werden jedo<strong>ch</strong><br />
diskreter eingezogen als früher. Es gibt Hinweise<br />
auf Gewalt gegen säumige Zahler. Ein Teil der<br />
Gelder dürfte dur<strong>ch</strong> tamilis<strong>ch</strong>e Unternehmen<br />
über asiatis<strong>ch</strong>e Finanzzentren<br />
na<strong>ch</strong> Sri Lanka transferiert<br />
werden. Seit Mitte des Jahres<br />
2005 führte die LTTE in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz mittels eines Fragebogens<br />
eine Datenerhebung unter den Tamilen<br />
dur<strong>ch</strong>. Ziel der Befragung war offenbar die Verstärkung<br />
der Geldsammlung. Als Gegenleistung<br />
wurde den an der Befragung teilnehmenden<br />
Tamilen eine Identitätskarte der LTTE in Aussi<strong>ch</strong>t<br />
gestellt. Der Fragebogen wurde der Strafverfolgungsbehörde<br />
übergeben, die prüft, ob dem<br />
Verhalten der LTTE strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Relevanz<br />
beizumessen ist.<br />
Na<strong>ch</strong> der Tsunami-Katastrophe vom 26. Dezember<br />
2004 sammelte die Tamil Rehabilitations<br />
Organisation (TRO) in der S<strong>ch</strong>weiz Geld. Es gibt<br />
Hinweise auf Kontakte zwis<strong>ch</strong>en TRO- und<br />
LTTE-Leuten, do<strong>ch</strong> fehlen bislang konkrete Hinweise,<br />
dass Spendengelder au<strong>ch</strong> in die Kriegskasse<br />
der LTTE flossen.<br />
Bei Grossanlässen in der S<strong>ch</strong>weiz waren jeweils<br />
deutli<strong>ch</strong> die Fahnen mit dem Tiger-Abbild<br />
und LTTE-Embleme zu erkennen.Am 18.August<br />
fanden si<strong>ch</strong> fünfhundert Tamilinnen und Tamilen<br />
auf dem Bundesplatz in Bern zu einer bewilligten<br />
Kundgebung ein. Neben grossen S<strong>ch</strong>rifttafeln mit<br />
der Aufforderung zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen<br />
in Sri Lanka wurde au<strong>ch</strong> das<br />
Portrait von LTTE-Führer Velupillai Prabhakaran<br />
und Tiger-Fahnen mitgeführt. Der Bundesrat<br />
wurde aufgefordert, si<strong>ch</strong> für eine Lösung des<br />
Konflikts auf Sri Lanka einzusetzen.<br />
Der traditionelle Anlass zum Heroes-Day,<br />
der am 27. November 2005 in Freiburg stattfand,<br />
verlief wie in den vorangegangenen Jahren<br />
störungsfrei. Wie übli<strong>ch</strong> wurde<br />
die LTTE-Fahne gehisst.<br />
In der Eröffnungsanspra<strong>ch</strong>e<br />
wurde zu Geldspenden für<br />
den Kampf auf Sri Lanka auf-<br />
gerufen. Die Rede verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>te zudem die<br />
zusehends mangelnde Bereits<strong>ch</strong>aft der Tamilen,<br />
den Konflikt auf Sri Lanka auf friedli<strong>ch</strong>em Weg<br />
zu lösen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Entwicklung auf Sri Lanka<br />
massgebend<br />
Na<strong>ch</strong>lassende Bereits<strong>ch</strong>aft<br />
der Tamilen zur friedli<strong>ch</strong>en<br />
Konfliktlösung.<br />
Norwegen bemüht si<strong>ch</strong>, den Friedensprozess<br />
auf Sri Lanka weiterzuführen. Die Regierung und<br />
die tamilis<strong>ch</strong>en Rebellen zeigten si<strong>ch</strong> immerhin<br />
zu Gesprä<strong>ch</strong>en bereit. Das Verhalten und die<br />
Aktivitäten der tamilis<strong>ch</strong>en Bevölkerung in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz bleiben von den LTTE beeinflusst und<br />
hängen weitgehend von der Entwicklung auf Sri<br />
Lanka ab. Im Februar 2006 fanden in Genf unter<br />
der Vermittlung Norwegens Gesprä<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en<br />
der sri-lankis<strong>ch</strong>en Regierung und der LTTE statt.<br />
Die Parteien einigten si<strong>ch</strong> darauf, das Waffenstillstandsabkommen<br />
einzuhalten und alle Massnahmen<br />
zu ergreifen, um jegli<strong>ch</strong>e Gewalttaten, Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terungen,<br />
Entführungen und Tötungen zu<br />
vermeiden.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 39
40<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Internationale Massnahmen<br />
gegen die LTTE<br />
Dur<strong>ch</strong> die Aufnahme der LTTE auf die EU-<br />
Liste der Terrororganisationen könnten die Aktivitäten,<br />
darunter au<strong>ch</strong> Geldsammlungen, der<br />
LTTE, ihrer Exponenten und ihr verbundener<br />
2.10. Terrorismus- und<br />
Extremismusfinanzierung<br />
LAGE<br />
Weltweit wenig Urteile<br />
Die Eindämmung von Geldflüssen an terroristis<strong>ch</strong>e<br />
Organisationen und Gruppierungen ist<br />
ein Bestandteil der internationalen Terrorismusbekämpfung.<br />
Es hat si<strong>ch</strong> aber gezeigt, dass si<strong>ch</strong><br />
die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung<br />
in der strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Praxis aufgrund der komplexen<br />
Beweisführung und der internationalen<br />
Bezüge sehr s<strong>ch</strong>wierig gestaltet.Es gibt denn au<strong>ch</strong><br />
weltweit erst wenige Urteile im Zusammenhang<br />
mit Terrorismusfinanzierung.<br />
Wi<strong>ch</strong>tige Verfahren 2005<br />
● In den USA verurteilte ein Geri<strong>ch</strong>t einen<br />
Geistli<strong>ch</strong>en aus dem Jemen wegen Terrorismusfinanzierung<br />
zu einer Haftstrafe von 75<br />
Jahren. Er soll sowohl das Netzwerk der Al<br />
Qaïda wie au<strong>ch</strong> die palästinensis<strong>ch</strong>e Hamas<br />
mit mehreren Millionen Dollar finanziell<br />
unterstützt haben.<br />
● In S<strong>ch</strong>weden wurden zwei Iraker zu mehrjährigen<br />
Haftstrafen verurteilt, weil sie unter anderem<br />
mit mehreren tausend Euro ein Selbstmordattentat<br />
im Irak mitfinanziert haben sollen.<br />
Zudem unterstützten sie die terroristis<strong>ch</strong>e<br />
Organisation Ansar al-Islam im Irak finanziell.<br />
● In der S<strong>ch</strong>weiz wurde das Verfahren gegen die<br />
Finanzgesells<strong>ch</strong>aft Nada Management Organization<br />
(ehemals Al Taqwa) eingestellt.<br />
● Der Fall eines saudi-arabis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>äftsmannes,<br />
der als ehemaliger Vorsitzender der<br />
Muwafaq-Wohltätigkeitsstiftung Gelder an<br />
Personen über die S<strong>ch</strong>weiz vers<strong>ch</strong>oben haben<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Organisationen in Europa einges<strong>ch</strong>ränkt werden.<br />
Im Rahmen von Sanktionen der UNO respektive<br />
der EU wäre die S<strong>ch</strong>weiz gehalten, diese mitzutragen<br />
und Gelder einzelner Organisationen zu<br />
blockieren. Die Verhandlungen der sri-lankis<strong>ch</strong>en<br />
Regierung und der LTTE in Genf haben<br />
wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> keine direkten Auswirkungen auf<br />
die Si<strong>ch</strong>erheitslage in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
soll, die der Al Qaïda nahe stehen, wurde an<br />
das Eidgenössis<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>teramt<br />
überwiesen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Konsequenzen aus der<br />
Mikrofinanzierung<br />
Die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung<br />
verspri<strong>ch</strong>t nur Erfolg, wenn sie si<strong>ch</strong> auf<br />
vers<strong>ch</strong>iedene Säulen stützt. Präventive Elemente<br />
wie Sorgfaltspfli<strong>ch</strong>ten der Finanzintermediäre<br />
und Sensibilisierungskampagnen bei Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen<br />
müssen mit <strong>admin</strong>istrativen<br />
Massnahmen wie Kontosperren sowie na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />
und strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Mitteln<br />
kombiniert werden.<br />
Weiterhin ist aber ein Trend zur Mikrofinanzierung<br />
zu beoba<strong>ch</strong>ten, bei der si<strong>ch</strong> kleine Netzwerke<br />
oft über kriminelle Aktivitäten selber<br />
finanzieren und si<strong>ch</strong> so präventiven<br />
und <strong>admin</strong>istrativen<br />
Abwehrmassnahmen entziehen.<br />
Eine detaillierte Untersu<strong>ch</strong>ung<br />
zu den Ans<strong>ch</strong>lägen in Madrid vom<br />
11. März 2004 beziffert die Kosten inklusive aller<br />
logistis<strong>ch</strong>en Ausgaben auf 93’000 Euro.Dieser Betrag<br />
setzt si<strong>ch</strong> aus den vielen kleinen Ausgaben zusammen,<br />
die einzeln kaum als Terrorismusfinanzierung<br />
zu erkennen sind. In sol<strong>ch</strong>en Fällen verspre<strong>ch</strong>en<br />
nur ausgezei<strong>ch</strong>nete na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />
und polizeili<strong>ch</strong>e Kenntnisse des Milieus, in<br />
der si<strong>ch</strong> die Zellen bewegen, Aussi<strong>ch</strong>t auf Erfolg.<br />
Ers<strong>ch</strong>werend kommt dazu, dass internationale<br />
Geldüberweisungen in kleineren Stückelun-<br />
Mikrofinanzierung<br />
s<strong>ch</strong>wer zu erkennen.
gen au<strong>ch</strong> über das so genannte Underground<br />
Banking oder Hawala abgewickelt werden können.<br />
Da die an sol<strong>ch</strong>en Überweisungen beteiligten<br />
Personen s<strong>ch</strong>wer zu identifizieren sind, ist<br />
es beinahe unmögli<strong>ch</strong>, die Geldflüsse na<strong>ch</strong>zuvollziehen.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Stärkung der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />
und der Polizei<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz ist ni<strong>ch</strong>t nur der Finanzplatz<br />
potenziell gefährdet, für Terrorismusfinanzierung<br />
missbrau<strong>ch</strong>t zu werden. Es könnten au<strong>ch</strong> logistis<strong>ch</strong>e<br />
Unterstützerzellen besonders aus dem<br />
islamistis<strong>ch</strong>en Milieu in der Mikrofinanzierung<br />
aktiv werden. Das Abwehrsystem muss daher<br />
ni<strong>ch</strong>t nur in präventiver und <strong>admin</strong>istrativer Hinsi<strong>ch</strong>t,<br />
sondern au<strong>ch</strong> auf der na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />
und polizeili<strong>ch</strong>en Ebene genügend ausgebaut<br />
sein, um sol<strong>ch</strong>e Aktivitäten zu verhindern.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
41
<strong>BERICHT</strong> 2005<br />
3. Verbotener<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst
44<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 3. VERBOTENER NACHRICHTENDIENST<br />
LAGE<br />
Sensitive Informationen<br />
aus Wissens<strong>ch</strong>aft und Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
Ausländis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste interessierten<br />
si<strong>ch</strong> 2005 für sensitive Informationen aus Wirts<strong>ch</strong>aft,<br />
Fors<strong>ch</strong>ung und Te<strong>ch</strong>nik, aber au<strong>ch</strong> aus<br />
Militär und Politik. Im Brennpunkt der Abwehranstrengungen<br />
standen immer mehr die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenbes<strong>ch</strong>affungen<br />
der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste eines<br />
asiatis<strong>ch</strong>en Staates. Diese Dienste agierten meist<br />
unter dem S<strong>ch</strong>utz diplomatis<strong>ch</strong>er Immunität.<br />
Wie in anderen Ländern Europas war au<strong>ch</strong><br />
in der S<strong>ch</strong>weiz ein markanter Anstieg des diplomatis<strong>ch</strong>en<br />
Personals dieses Staates und ein deutli<strong>ch</strong>er<br />
Anstieg von Delegationen mit Wissens<strong>ch</strong>afts-<br />
und Wirts<strong>ch</strong>aftsspezialisten aus diesem<br />
Land festzustellen. Zur Informationsbes<strong>ch</strong>affung<br />
bedienten sie si<strong>ch</strong> neben klassis<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />
Methoden au<strong>ch</strong> der systematis<strong>ch</strong>en<br />
Auswertung offener Quellen.<br />
Sie versu<strong>ch</strong>ten über Studenten<br />
an Universitäten, Ges<strong>ch</strong>äftsleute,<br />
pensionierte Manager<br />
oder Wissens<strong>ch</strong>after, Beamte<br />
in europäis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsorganisationen,<br />
Jointventures sowie Beteiligungen<br />
an oder Übernahmen von kleineren und mittleren<br />
Unternehmen an Informationen zu gelangen,<br />
die für sie von besonderem Interesse sind.<br />
Klassis<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />
Methoden und<br />
systematis<strong>ch</strong>e Auswertung<br />
offener Quellen.<br />
Ausfors<strong>ch</strong>ung der Emigration<br />
Angehörige ausländis<strong>ch</strong>er Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />
unter diplomatis<strong>ch</strong>er Tarnung fors<strong>ch</strong>ten in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz ansässige ausländis<strong>ch</strong>e oppositionelle<br />
Gruppen aus. In einem Fall zitierte das Eidgenössis<strong>ch</strong>e<br />
Departement für Auswärtige Angelegenheiten<br />
(EDA) den Ges<strong>ch</strong>äftsträger des betreffenden<br />
Landes in Bern und protestierte gegen die<br />
wiederholte Ausfors<strong>ch</strong>ung der Opposition dur<strong>ch</strong><br />
Angehörige seiner Bots<strong>ch</strong>aft in Bern.<br />
Im März 2005 fand in Bern die diesjährige<br />
zentrale Kundgebung der Tibeter in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
zum Gedenken an den Volksaufstand statt. An<br />
dieser Kundgebung beteiligten si<strong>ch</strong> über vierhundert<br />
Personen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> tibetis<strong>ch</strong>er Herkunft.<br />
Dabei wurde die Polizei auf zwei Personen<br />
aufmerksam, wel<strong>ch</strong>e die Kundgebung überwa<strong>ch</strong>ten<br />
und die Teilnehmer ausfors<strong>ch</strong>ten. Bei der polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Kontrolle gab si<strong>ch</strong> einer der beiden<br />
Männer als Bots<strong>ch</strong>aftsfunktionär in Bern zu<br />
erkennen und verliess, unter Hinweis auf seine<br />
diplomatis<strong>ch</strong>e Immunität, den Kundgebungsort.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Gezielte Spionageangriffe<br />
Im Jahr 2005 fanden via Internet vers<strong>ch</strong>iedene<br />
gezielte Spionageangriffe mit so genannten<br />
Trojanis<strong>ch</strong>en Pferden gegen Computersysteme<br />
von Unternehmen und staatli<strong>ch</strong>en Einri<strong>ch</strong>tungen<br />
statt. Es erfolgten spezialisierte Angriffe auf<br />
ein bestimmtes Opfer mit spezifis<strong>ch</strong> für diesen<br />
Zweck entwickelter Spionagesoftware. Infolge<br />
der gezielten Verbreitung blieb der S<strong>ch</strong>ädling<br />
den Herstellern von Antiviren-Software unbekannt,<br />
so dass er über längere Zeit unerkannt eingesetzt<br />
werden konnte.<br />
Bei den bekannt gewordenen Fällen wurden<br />
jeweils raffinierte Social-Engineering-Methoden<br />
angewandt, um S<strong>ch</strong>ädlinge in einem System zu<br />
installieren. Dazu war vorgängig gezielte Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e<br />
nötig. So wurden zum Beispiel Mitarbeiter,<br />
die vertrauli<strong>ch</strong>e Daten bearbeiteten, direkt kontaktiert.<br />
Diese Mitarbeiter erhielten auf ihre<br />
persönli<strong>ch</strong>en Interessen zuges<strong>ch</strong>nittene<br />
E-Mails, die Links<br />
auf präparierte Internetseiten<br />
oder Dokumente enthielten.<br />
Ein Spionagefall gegen Unternehmen<br />
in Israel zog seine Kreise bis zu einer<br />
Firma im Raum Züri<strong>ch</strong>, wo dasselbe Programm<br />
für eine privat motivierte Spionage eingesetzt<br />
wurde.<br />
BEURTEILUNG<br />
Konsequenzen aus Ausfors<strong>ch</strong>ung<br />
Na<strong>ch</strong> Feststellungen von fedpol (DAP) halten<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e Aktivitäten<br />
unvermindert an; die Ziele der Informationsbes<strong>ch</strong>affung<br />
blieben die glei<strong>ch</strong>en. Eine Zunahme<br />
kann beim politis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst verzei<strong>ch</strong>net<br />
werden.<br />
Die aktuellen Fälle der Ausfors<strong>ch</strong>ung von<br />
Emigranten belegen, dass bei Kundgebungen,<br />
die si<strong>ch</strong> gegen Zustände in einem anderen<br />
Land ri<strong>ch</strong>ten, mit na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Handlungen<br />
dur<strong>ch</strong> fremde Staaten gere<strong>ch</strong>net werden<br />
muss. Eine strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verfolgung wegen<br />
verbotenen politis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendiensts<br />
(Artikel 272<br />
StGB) wird dur<strong>ch</strong> den diplomatis<strong>ch</strong>en<br />
Status der mutmassli<strong>ch</strong>en<br />
Täter ers<strong>ch</strong>wert.<br />
Für die ausgefors<strong>ch</strong>ten Perso-<br />
Spionagefall mit elektronis<strong>ch</strong>en<br />
Mitteln zieht Kreise bis<br />
in den Raum Züri<strong>ch</strong>.<br />
Strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verfolgung<br />
dur<strong>ch</strong> diplomatis<strong>ch</strong>en Status<br />
der mutmassli<strong>ch</strong>en Täter<br />
ers<strong>ch</strong>wert.<br />
nen können diese Handlungen Konsequenzen<br />
na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ziehen, sei es bei einer allfälligen Rück-
eise in die Heimat, sei es für ihre dort lebenden<br />
Familienangehörigen.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
S<strong>ch</strong>weiz für ausländis<strong>ch</strong>e<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste von Bedeutung<br />
Rückstände in Fors<strong>ch</strong>ung und Entwicklung<br />
begründen au<strong>ch</strong> weiterhin das Interesse an<br />
Informationen aus Wirts<strong>ch</strong>aft, Wissens<strong>ch</strong>aft und<br />
Te<strong>ch</strong>nik. Die S<strong>ch</strong>weiz als Sitz internationaler<br />
Organisationen, als wi<strong>ch</strong>tiger Handelsplatz und<br />
Standort vieler Unternehmen der Spitzente<strong>ch</strong>nologie<br />
sowie als Finanzzentrum wird für Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />
von grosser Bedeutung bleiben.<br />
Es muss au<strong>ch</strong> vermehrt mit der Ausfors<strong>ch</strong>ung<br />
ausländis<strong>ch</strong>er oppositioneller Gruppen beziehungsweise<br />
na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Aktivitäten<br />
im Sinne des Artikels 272 StGB gere<strong>ch</strong>net werden.<br />
■<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 3. VERBOTENER NACHRICHTENDIENST<br />
Ausfors<strong>ch</strong>ung oppositioneller Emigranten.<br />
Das Bild stammt aus einem von der Polizei bes<strong>ch</strong>lagnahmten<br />
Video. FOTO POLIZEI<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
45
<strong>BERICHT</strong> 2005<br />
4. Proliferation
48<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 4. PROLIFERATION<br />
LAGE<br />
Installation eines globalen<br />
Si<strong>ch</strong>erheitssystems.<br />
Erfolge und S<strong>ch</strong>eitern<br />
internationaler Bemühungen<br />
Erfolge sind im weltweiten Kampf gegen die<br />
Proliferation selten. Erwähnenswert sind die<br />
Annahme der Internationalen Konvention zur<br />
Verhinderung von nuklearem Terrorismus dur<strong>ch</strong><br />
die UN-Vollversammlung im April 2005 und die<br />
Revision des Übereinkommens über den physis<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>utz von Kernmaterial im Juli 2005.<br />
Zwei wi<strong>ch</strong>tige Versammlungen s<strong>ch</strong>eiterten aber.<br />
Im Mai gingen die Teilnehmer einer Konferenz<br />
zum Atomwaffensperrvertrag auseinander, ohne<br />
einen Konsens für ein substanzielles Abs<strong>ch</strong>lussdokument<br />
gefunden zu haben. Im anlässli<strong>ch</strong> des Gipfeltreffens<br />
im September 2005 verabs<strong>ch</strong>iedeten<br />
Kompromiss zur Reform der UNO werden Abrüstung<br />
und Nonproliferation ni<strong>ch</strong>t einmal erwähnt.<br />
Im Oktober wurde der Internationalen Atomenergiebehörde<br />
(IAEA) und ihrem kurz zuvor<br />
wieder gewählten Direktor, dem Ägypter Mohammed<br />
El Baradei, für ihren Kampf gegen die<br />
Proliferation von Atomwaffen der Friedensnobelpreis<br />
zuerkannt. Ende Oktober 2005 nahm<br />
El Baradei anlässli<strong>ch</strong> der Präsentation des IAEA-<br />
Jahresberi<strong>ch</strong>ts eine offensivere<br />
Haltung ein. Er spra<strong>ch</strong><br />
si<strong>ch</strong> für die Installation eines<br />
globalen Si<strong>ch</strong>erheitssystems<br />
aus, das mit dem Ziel, die Proliferation zu<br />
bremsen, den Zugang zu sensiblen Te<strong>ch</strong>nologien<br />
sperren soll.<br />
Das Atomprogramm Irans<br />
Während des gesamten Jahres 2005 wurden<br />
die Verhandlungen zwis<strong>ch</strong>en dem Iran und den<br />
drei europäis<strong>ch</strong>en Ländern Frankrei<strong>ch</strong>, Deuts<strong>ch</strong>land<br />
und Grossbritannien fortgesetzt. Der Iran<br />
hält seit je an seinem unveräusserli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t<br />
auf zivile Nutzung der Nuklearenergie fest. Seit<br />
Januar künden die USA an, kein Mittel auszus<strong>ch</strong>liessen,<br />
um den Fall Iran zu lösen. Im August<br />
s<strong>ch</strong>eiterten die Verhandlungen mit den drei<br />
europäis<strong>ch</strong>en Ländern, und der Iran nahm seine<br />
Aktivitäten in der Uranumwandlungsanlage in<br />
Isfahan wieder auf. Diese Tätigkeiten hatte er<br />
im November 2004 freiwillig eingestellt. Der<br />
Konfrontationskurs Teherans erlaubte es Ende<br />
September der IAEA, eine europäis<strong>ch</strong>e Resolution<br />
anzunehmen, wel<strong>ch</strong>e die Aktivitäten Irans<br />
im Atomberei<strong>ch</strong> verurteilt und es ermögli<strong>ch</strong>t, den<br />
Fall an den UNO-Si<strong>ch</strong>erheitsrat weiterzuziehen.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Auf pakistanis<strong>ch</strong>er Ausrüstung konnten Spuren<br />
von im Iran entdecktem ho<strong>ch</strong>angerei<strong>ch</strong>ertem<br />
Uran na<strong>ch</strong>gewiesen werden. Diese Ausrüstung<br />
war unter bisher ungeklärten Umständen auf dem<br />
Umweg über das Netzwerk Dr. Abdul Qadeer<br />
Khans auf dem S<strong>ch</strong>warzmarkt verkauft worden.<br />
Ausserdem testete der Iran im Mai 2005 eine<br />
Rakete mit über zweitausend Kilometern Rei<strong>ch</strong>weite.<br />
Nordkorea<br />
Gesprä<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en Nord- und Südkorea,den<br />
USA, China, Russland und Japan sollen die im<br />
Oktober 2002 entstandene Krise um das nordkoreanis<strong>ch</strong>e<br />
Nuklearprogramm beseitigen. Im<br />
Januar 2005 erklärte si<strong>ch</strong> Pjöngjang bereit, die<br />
seit November 2004 verweigerten Se<strong>ch</strong>s-Parteien-Gesprä<strong>ch</strong>e<br />
fortzusetzen, gab aber im Februar<br />
den Besitz von Atomwaffen zu und widerrief<br />
seine Verhandlungsbereits<strong>ch</strong>aft. Die IAEA bestätigte<br />
im Mai, Nordkorea verfüge über das<br />
nötige Know-how und über genügend Plutonium,<br />
um mindestens se<strong>ch</strong>s bis a<strong>ch</strong>t Atombomben herstellen<br />
zu können. Glei<strong>ch</strong>zeitig behaupteten die<br />
USA, das Land plane einen unterirdis<strong>ch</strong>en Atomtest,<br />
was Pjöngjang aber dementierte. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
wurden im Juli, September und November die<br />
Gesprä<strong>ch</strong>e fortgesetzt. Im September führten die<br />
Se<strong>ch</strong>s-Parteien-Gesprä<strong>ch</strong>e zur Annahme einer<br />
gemeinsamen Erklärung. Nordkorea sagte zu,<br />
auf alle Nuklearprogramme zu verzi<strong>ch</strong>ten sowie<br />
so s<strong>ch</strong>nell als mögli<strong>ch</strong> dem Atomwaffensperrvertrag<br />
und dem Garantiesystem der IAEA wie-<br />
der beizutreten. Im Gegenzug<br />
bestätigten die USA, ni<strong>ch</strong>t die<br />
Absi<strong>ch</strong>t zu hegen, Nordkorea<br />
anzugreifen, und akzeptierten<br />
zusammen mit ihren vier Part-<br />
Hoffnung Nordkoreas<br />
auf zivile Nutzung der<br />
Atomenergie.<br />
nern, zu gegebener Zeit über ein ziviles Atomprogramm<br />
Nordkoreas zu diskutieren. Die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Parteien konnten si<strong>ch</strong> bisher aber<br />
ni<strong>ch</strong>t auf einen Plan verständigen, der die Umsetzung<br />
der gemeinsamen Erklärung erlaubte. Die<br />
im Dezember auferlegten US-amerikanis<strong>ch</strong>en<br />
Sanktionen gegen mehrere mit der Regierung in<br />
Pjöngjang verbundene Firmen, die im Drogenhandel,<br />
in der Geldwäs<strong>ch</strong>erei und im S<strong>ch</strong>muggel<br />
von US-Dollar wie au<strong>ch</strong> in der Proliferation von<br />
Raketen und Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen tätig<br />
sind, ma<strong>ch</strong>en die ras<strong>ch</strong>e Wiederaufnahme der<br />
Verhandlungen unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>.<br />
Der pakistanis<strong>ch</strong>e Präsident Musharraf liess<br />
überdies im August verlauten, das Khan-Netz-
werk habe die nordkoreanis<strong>ch</strong>en Zentrifugen<br />
geliefert. Damit bestätigte si<strong>ch</strong> offiziell der Verda<strong>ch</strong>t,<br />
das Khan-Netzwerk habe bei der Bes<strong>ch</strong>affung<br />
von Nuklearte<strong>ch</strong>nologie sowohl den Iran wie<br />
au<strong>ch</strong> Nordkorea beliefert.<br />
Andere Länder<br />
Wenn au<strong>ch</strong> in geringerem Ausmass, so beunruhigten<br />
do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die drei Atommä<strong>ch</strong>te Israel,<br />
Indien und Pakistan, die den Atomwaffensperrvertrag<br />
ni<strong>ch</strong>t unterzei<strong>ch</strong>net haben, die internationale<br />
Gemeins<strong>ch</strong>aft. Indien und Pakistan führten<br />
ihre Raketentests weiter, aber au<strong>ch</strong> ihren<br />
Dialog, gerade was die gegenseitige Information<br />
über sol<strong>ch</strong>e Tests betrifft. Zwis<strong>ch</strong>en Indien, den<br />
USA, Grossbritannien, Frankrei<strong>ch</strong> und Kanada<br />
laufen Zusammenarbeitsprojekte im Nuklearsektor.<br />
Syrien versu<strong>ch</strong>te trotz Tests mit Scud-Raketen,<br />
si<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>st bedeckt zu halten und<br />
beteuerte, keine Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen zu<br />
besitzen. Libyen steht seit dem Ausstieg aus seinen<br />
Programmen für Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr im internationalen Rampenli<strong>ch</strong>t. Der<br />
S<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t der Iraq Survey Group, des amerikanis<strong>ch</strong>en<br />
Inspektionsteams für die irakis<strong>ch</strong>e<br />
Bewaffnung, hat endgültig gezeigt, dass der Irak<br />
ni<strong>ch</strong>t über Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen verfügt<br />
und dass es vor dem Einmars<strong>ch</strong> im März 2003<br />
keine Waffenvers<strong>ch</strong>iebungen na<strong>ch</strong> Syrien gegeben<br />
hatte.<br />
Die USA kündeten im Oktober an, die Arbeiten<br />
an einem Programm zur Herstellung kleiner,<br />
Bunker bre<strong>ch</strong>ender Nuklearwaffen auszusetzen.<br />
Ferner setzten sie gemeinsam mit Russland die<br />
Abrüstung <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er und<br />
nuklearer Waffen fort. Ziel ist<br />
es,dass beide Länder Ende des<br />
Jahres 2012 ni<strong>ch</strong>t über mehr<br />
als 2’200 nukleare Gefe<strong>ch</strong>tsköpfe<br />
verfügen. Obwohl si<strong>ch</strong> bei den fünf anerkannten<br />
Atommä<strong>ch</strong>ten, USA, Russland, China,<br />
Grossbritannien und Frankrei<strong>ch</strong>, Bestrebungen<br />
erkennen lassen, fehlt zur vollständigen Abrüstung<br />
der ents<strong>ch</strong>eidende S<strong>ch</strong>ritt.<br />
Zur Abrüstung der anerkannten<br />
Atommä<strong>ch</strong>te fehlt<br />
der ents<strong>ch</strong>eidende S<strong>ch</strong>ritt.<br />
S<strong>ch</strong>mutzige Bomben und<br />
Bioterrorismus<br />
Au<strong>ch</strong> wenn es bis heute keinen Ans<strong>ch</strong>lag mit<br />
einer so genannten s<strong>ch</strong>mutzigen Bombe, also mit<br />
einem Sprengkörper mit radioaktiver Ummante-<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 4. PROLIFERATION<br />
lung, gab, bleibt das Interesse ds<strong>ch</strong>ihadistis<strong>ch</strong>er<br />
Terroristen an sol<strong>ch</strong>en Waffen bestehen. In den<br />
westli<strong>ch</strong>en Ländern wurden Präventionsmassnahmen<br />
ergriffen und gross angelegte Übungen<br />
abgehalten. Au<strong>ch</strong> wenn ni<strong>ch</strong>t wie Ende des Jahres<br />
2001 Fur<strong>ch</strong>t vor Anthrax aufkam, erhielten<br />
do<strong>ch</strong> Bots<strong>ch</strong>aften in Dänemark, Australien und<br />
Malaysia verdä<strong>ch</strong>tige Briefe.<br />
Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
fedpol (DAP) klärte 2004 präventiv S<strong>ch</strong>weizer<br />
Verwicklungen ins Khan-Netzwerk ab, besonders<br />
hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Exporte zugunsten des libys<strong>ch</strong>en<br />
Nuklearprogramms. Im Oktober 2004 eröffnete<br />
die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft ein Ermittlungsverfahren<br />
wegen Verda<strong>ch</strong>ts der Widerhandlungen<br />
gegen das Güterkontrollgesetz (GKG) und<br />
das Kriegsmaterialgesetz (KMG). Die Ermitt-<br />
lungen dauerten 2005 an und<br />
führten 2004 respektive 2005<br />
zur Verhaftung dreier Mitglieder<br />
einer Familie. Ähnli<strong>ch</strong>e<br />
Verfahren gegen Personen des Khan-Netzwerks<br />
sind in mehreren Ländern im Gang, so etwa in<br />
Deuts<strong>ch</strong>land, Grossbritannien, den Niederlanden,<br />
Südafrika, der Türkei, Spanien und Japan. In<br />
den Niederlanden erfolgte im Dezember 2005<br />
erstmals eine Verurteilung. Ein niederländis<strong>ch</strong>er<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsmann, den eine langjährige Freunds<strong>ch</strong>aft<br />
mit Khan verband, wurde zu einer zwölfmonatigen<br />
Haftstrafe, davon a<strong>ch</strong>t Monate bedingt,<br />
und einer hohen Geldbusse verurteilt. Er<br />
hatte zwis<strong>ch</strong>en 1999 und 2002 unerlaubt militäris<strong>ch</strong><br />
und zivil verwendbare Nuklearte<strong>ch</strong>nologie<br />
na<strong>ch</strong> Pakistan exportiert.<br />
Im Oktober 2005 rei<strong>ch</strong>te das Staatssekretariat<br />
für Wirts<strong>ch</strong>aft (seco) bei der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
eine weitere Anzeige wegen Verda<strong>ch</strong>ts der<br />
Widerhandlungen gegen das GKG und KMG ein.<br />
Es geht dabei um ein S<strong>ch</strong>weizer Unternehmen,<br />
das mehrfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bewilligungspfli<strong>ch</strong>tige Güter<br />
an heikle Empfänger in ein mittelöstli<strong>ch</strong>es Land<br />
exportierte oder zu exportieren versu<strong>ch</strong>te, ohne<br />
dies dem seco zu melden. Die<br />
Empfänger waren als Bes<strong>ch</strong>affungsorgane<br />
des Raketenprogramms<br />
dieses Landes bekannt.<br />
Als zum Beispiel im<br />
Fortsetzung der Verfahren<br />
im Fall Khan.<br />
Mutmassli<strong>ch</strong>e Proliferation<br />
zugunsten eines<br />
mittelöstli<strong>ch</strong>en Landes.<br />
Sommer 2003 dem Unternehmen die Ablehnung<br />
einer dem seco gemeldeten Ausfuhr eröffnet<br />
wurde, lieferte es nur wenige Tage dana<strong>ch</strong> die betroffenen<br />
Güter in mehreren Etappen trotzdem<br />
an einen anderen proliferationsrelevanten Emp-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
49
50<br />
fänger.Im Januar 2005 wollte dasselbe Unternehmen<br />
heikle Produkte an einen weiteren fedpol<br />
(DAP) bekannten Empfänger liefern. Als das<br />
seco zusätzli<strong>ch</strong>e Angaben zum Empfänger verlangte,<br />
stoppte das Unternehmen den Fortgang<br />
des Ges<strong>ch</strong>äfts. Dagegen meldete es im April erneut<br />
eine Ausfuhr zugunsten eines anderen Empfängers,<br />
wel<strong>ch</strong>e das seco aber ablehnte.<br />
BEURTEILUNG<br />
Interesse der Terroristen<br />
vorhanden.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 4. PROLIFERATION<br />
Risiko neuer Atommä<strong>ch</strong>te<br />
Falls der Iran oder Nordkorea si<strong>ch</strong> als neue<br />
Atommä<strong>ch</strong>te etablieren, ist es wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>,<br />
dass dies bei ihren direkten Na<strong>ch</strong>barländern<br />
einen Na<strong>ch</strong>ahmungseffekt auslöst. Saudi-Arabien,Ägypten,Syrien<br />
und die Türkei könnten si<strong>ch</strong><br />
unter Berufung auf dieselben Si<strong>ch</strong>erheitsargumente<br />
zum nuklearen Abenteuer verlocken lassen.<br />
Japan, Südkorea und Taiwan könnten ein<br />
ähnli<strong>ch</strong>es Militärprogramm starten, weil sie über<br />
die nötigen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Mittel verfügen.<br />
Terrorans<strong>ch</strong>läge mit<br />
unkonventionellen Waffen<br />
Die Terrorbedrohung, die von der Verwendung<br />
einer s<strong>ch</strong>mutzigen Bombe, der Freisetzung<br />
von Giftgas oder der Verwendung eines virulenten<br />
biologis<strong>ch</strong>en Stoffes ausgeht, bleibt aktuell.<br />
Die Vorstellung eines so genannten totalen<br />
Ds<strong>ch</strong>ihad unter Verwendung<br />
von Massenverni<strong>ch</strong>tungswaffen<br />
wird in man<strong>ch</strong>en Extremistenkreisen<br />
aufre<strong>ch</strong>t erhalten.<br />
Attentatspläne mit Rizin, einem tödli<strong>ch</strong>en<br />
Nervengift, wurden bereits vor Jahren in Europa<br />
aufgedeckt. Die Wirkungsma<strong>ch</strong>t konventioneller<br />
Attentate bedeutet ni<strong>ch</strong>t, dass kein Interesse der<br />
Terroristen an anderen Mitteln bestünde. Im<br />
Gegenteil s<strong>ch</strong>eint es, als sei ein Attentat mit<br />
kleinen unkonventionellen Waffen nur eine<br />
Frage der Zeit. Gegenwärtig verhindern hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wierigkeiten die Umsetzung.<br />
So müssen si<strong>ch</strong> allfällige Attentäter Zugang<br />
zum Material vers<strong>ch</strong>affen, Spezialisten rekrutie-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
ren und selbst die Fur<strong>ch</strong>t vor dem Umgang mit<br />
giftigen Stoffen überwinden. Ausserdem müssen<br />
sie geeignete Orte finden, ihre Produktionsmethoden<br />
perfektionieren und wirksame Mittel<br />
auftreiben, um das verwendete Produkt zu verbreiten.<br />
Unveränderte Attraktivität von<br />
S<strong>ch</strong>weizer Te<strong>ch</strong>nik<br />
S<strong>ch</strong>weizerprodukte bleiben Qualitätswaren.<br />
Die Proliferationsstaaten ziehen es weiterhin vor,<br />
einen hohen Preis zu bezahlen,als dass sie si<strong>ch</strong> mit<br />
qualitativ tiefer stehender und billigerer Ware<br />
begnügten, selbst wenn diese einfa<strong>ch</strong>er zu bes<strong>ch</strong>affen<br />
wäre. Deshalb werden die S<strong>ch</strong>weizer<br />
Exportkontrollen im Einklang mit internationalen<br />
Vereinbarungen weiterhin strikt angewandt.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Bedrohungen bleiben bestehen<br />
Die mit der Exportkontrolle betrauten Behörden<br />
müssen gegenüber dem Erfindungsrei<strong>ch</strong>tum<br />
von Bes<strong>ch</strong>affungsorganen aufmerksam bleiben,<br />
die zugunsten der Proliferationsstaaten handeln.<br />
Diese entwickeln ihre mittlerweile bekannten<br />
Methoden weiter, was ras<strong>ch</strong>e und wirkungsvolle<br />
Antworten erfordert.<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit von Ans<strong>ch</strong>lägen<br />
mit ni<strong>ch</strong>t konventionellen Waffen<br />
bleibt real<br />
Die Frage na<strong>ch</strong> dem Bioterrorismus und der<br />
s<strong>ch</strong>mutzigen Bombe stellt si<strong>ch</strong> allein hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
der realen Mögli<strong>ch</strong>keiten man<strong>ch</strong>er Terrorgruppen.<br />
Au<strong>ch</strong> wenn es 2005 keine sol<strong>ch</strong>en Angriffe<br />
gab, so muss in Zukunft die Mögli<strong>ch</strong>keit eines Angriffs<br />
mit radioaktiven, <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en oder biologis<strong>ch</strong>en<br />
Mitteln gegen westli<strong>ch</strong>e Symbole oder gegen<br />
die Bevölkerung westli<strong>ch</strong> orientierter Länder<br />
ins Bedrohungsbild mit aufgenommen werden. In<br />
allen betroffenen Ländern bleiben die Behörden<br />
deswegen wa<strong>ch</strong>sam.
<strong>BERICHT</strong> 2005<br />
5. Organisierte<br />
Kriminalität<br />
5.1. Kriminelle Gruppen aus Italien 52<br />
5.2. Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa 53<br />
5.3. Kriminelle Gruppen aus der GUS 54<br />
5.4. Chinesis<strong>ch</strong>e organisierte Kriminalität 55<br />
5.5. Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerkkriminalität 56<br />
5.6. Betäubungsmittel 57<br />
5.7. Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel 59<br />
5.8. Mens<strong>ch</strong>enhandel 61
52<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
LAGE<br />
Internationale Lage<br />
Die fünf grossen mafiösen kriminellen Organisationen<br />
stammen aus dem Süden Italiens, die<br />
Cosa Nostra aus Sizilien, die Stidda aus Südsizilien,<br />
die ’Ndrangheta aus Kalabrien, die Camorra<br />
aus Kampanien und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> die Sacra Corona<br />
Unita aus Apulien. Ihre Präsenz in einem grossen<br />
Teil Italiens und in über vierzig Ländern ist belegt.<br />
Diese Organisationen müssen einerseits als<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftsunternehmen verstanden werden,<br />
deren primäres Ziel die Kapitalakkumulation ist.<br />
Mafiöse Organisationen greifen hierzu regel-<br />
mässig au<strong>ch</strong> zu illegalen Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften.<br />
Es ist andererseits<br />
aber au<strong>ch</strong> notwendig, sie<br />
als politis<strong>ch</strong>e Gruppierungen<br />
zu begreifen, deren Zweck die<br />
Herrs<strong>ch</strong>aft und Kontrolle über ein Gebiet ist.<br />
Dieser Zweck soll ebenfalls mit Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terung,<br />
Drohung und Mord, erpressten Leistungen und<br />
Wu<strong>ch</strong>er sowie über die Infiltration politis<strong>ch</strong>er,<br />
<strong>admin</strong>istrativer und ökonomis<strong>ch</strong>er Einri<strong>ch</strong>tungen<br />
errei<strong>ch</strong>t werden.<br />
Seit 2004 kosteten blutige Auseinandersetzungen<br />
zwis<strong>ch</strong>en den Angehörigen des Di-Lauro-<br />
Clans und den so genannten Sezessionisten in<br />
Neapel über 130 Mens<strong>ch</strong>en das Leben. International<br />
wurde die Camorra dur<strong>ch</strong> diese Morde zur<br />
si<strong>ch</strong>tbarsten mafiösen Organisation Italiens. Die<br />
italienis<strong>ch</strong>en Behörden konnten zwar im September<br />
2005 den Clan<strong>ch</strong>ef Paolo Di Lauro verhaften,<br />
die Morde gingen jedo<strong>ch</strong> weiter.<br />
Trotz einiger si<strong>ch</strong>tbarer Aktionen wie der<br />
Ermordung des kalabris<strong>ch</strong>en Vizepräsidenten im<br />
Oktober 2005 fällt die ’Ndrangheta weniger auf.<br />
Wie 2004 blieb sie aber die gefährli<strong>ch</strong>ste und<br />
mä<strong>ch</strong>tigste italienis<strong>ch</strong>e kriminelle Organisation.<br />
Sie ist s<strong>ch</strong>wer zu infiltrieren, hält si<strong>ch</strong> streng an<br />
das Gesetz des S<strong>ch</strong>weigens, und ihre Familienstruktur<br />
verhindert,dass es allzu viele so genannte<br />
Reuige gibt, die der Justiz helfen. Während der<br />
letzten 15 Jahre hat sie si<strong>ch</strong> auf dem Kokainmarkt<br />
etabliert und handelt direkt mit Repräsentanten<br />
kolumbianis<strong>ch</strong>er Kartelle.<br />
Kapitalakkumulation und<br />
Kontrolle über ein Gebiet<br />
als Ziele.<br />
5.1. Kriminelle Gruppen aus Italien<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
BEURTEILUNG<br />
Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Gemäss polizeili<strong>ch</strong>er Erkenntnis ist die<br />
’Ndrangheta auf S<strong>ch</strong>weizer Boden in eine ganze<br />
Reihe von Aktivitäten verwickelt, besonders in<br />
den Kokain- und Waffenhandel,<br />
Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Betrug.<br />
Sie zeigt au<strong>ch</strong> ein immer<br />
deutli<strong>ch</strong>eres Interesse für einzelne<br />
Sektoren der legalen<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft. Kalabris<strong>ch</strong>e Clans investieren in<br />
Immobilien, Restaurants und hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ins<br />
Baugewerbe, einer Vorliebe der ’Ndrangheta in<br />
Süditalien. Die ’Ndrangheta ist besonders in den<br />
S<strong>ch</strong>weizer Grenzkantonen aktiv.<br />
Die Cosa Nostra ist gemäss polizeili<strong>ch</strong>er Erkenntnis<br />
auf S<strong>ch</strong>weizer Boden im Drogenhandel<br />
und in der Geldwäs<strong>ch</strong>erei tätig. Das gewas<strong>ch</strong>ene<br />
Geld stammt aus dem Betäubungsmittelhandel,<br />
der zwis<strong>ch</strong>en Lateinamerika und Europa betrieben<br />
wird. Die Camorra wiederum ist in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz mit Betrug, Geldwäs<strong>ch</strong>erei und S<strong>ch</strong>muggel<br />
vers<strong>ch</strong>iedener Güter, besonders gefäls<strong>ch</strong>ter<br />
Textilprodukte, vertreten. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>muggelt<br />
die Sacra Corona Unita wie einige Clans der Camorra<br />
mit S<strong>ch</strong>weizer Bürgern und in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
niedergelassenen Landsleuten Zigaretten und<br />
handelt mit Waffen und Betäubungsmitteln. Ein<br />
Netz von in der S<strong>ch</strong>weiz domizilierten Firmen<br />
dient einerseits dem Einkauf und Transport der<br />
Zigaretten und andererseits der Geldwäs<strong>ch</strong>erei.<br />
Was die Stidda angeht, so liegen fedpol nur wenige<br />
Erkenntnisse über eine Präsenz in der S<strong>ch</strong>weiz vor.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Interessen<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Kalabris<strong>ch</strong>e Clans investieren<br />
ins Baugewerbe, in<br />
Immobilien und Restaurants.<br />
Im Gegensatz zu Süditalien bes<strong>ch</strong>ränken si<strong>ch</strong><br />
die Bestrebungen der italienis<strong>ch</strong>en kriminellen<br />
Organisationen hierzulande hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> auf die<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft. Zwar wurden Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terungsversu<strong>ch</strong>e<br />
gegenüber Einzelpersonen beoba<strong>ch</strong>tet, die<br />
mutmassli<strong>ch</strong> Verbindungen zu italienis<strong>ch</strong>en Mafiaorganisationen<br />
unterhalten, do<strong>ch</strong> aufgrund<br />
ihrer s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Intensität wäre es zu früh, dahinter<br />
Ambitionen zur Herrs<strong>ch</strong>aft über ein Gebiet zu<br />
vermuten. Darüber hinaus konnte fedpol Erpressung<br />
und Wu<strong>ch</strong>er gegenüber der in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
etablierten italienis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft feststellen.
<strong>BERICHT</strong> 2004 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
5.2. Kriminelle Gruppen aus Südosteuropa<br />
LAGE<br />
Nur s<strong>ch</strong>wer zu dur<strong>ch</strong>bre<strong>ch</strong>ender<br />
Teufelskreis.<br />
Lage in Südosteuropa<br />
Die seit Jahren beoba<strong>ch</strong>tete Entwicklung in<br />
Südosteuropa hielt unvermindert an: Die organisierte<br />
Kriminalität profitierte au<strong>ch</strong> 2005 von<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>er beziehungsweise fehlender Re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>keit<br />
in vielen Staaten der Region und<br />
förderte ihrerseits dur<strong>ch</strong> systematis<strong>ch</strong>e Unterwanderung<br />
die Instabilität und S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e dieser<br />
Staaten. Ein Teufelskreis, der nur s<strong>ch</strong>wer zu<br />
dur<strong>ch</strong>bre<strong>ch</strong>en ist. Die Massnahmen<br />
der Regierungen zur<br />
Bekämpfung der organisierten<br />
Kriminalität erweisen si<strong>ch</strong><br />
vielfa<strong>ch</strong> als wirkungslos. So haben si<strong>ch</strong> die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Entwicklung und die demokratis<strong>ch</strong>e<br />
Konsolidierung in Albanien, Bosnien und Herzegowina,<br />
Mazedonien sowie in Serbien und Montenegro<br />
mitsamt dem Kosovo weiter verlangsamt.<br />
Kriminelle Gruppen<br />
ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>er Herkunft<br />
Speziell im Kosovo profitierte die organisierte<br />
Kriminalität von der offenen Statusfrage und<br />
der unter anderem daraus resultierenden S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e<br />
re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>er Strukturen.Führende kriminelle<br />
Akteure bekleiden zwar häufig kein politis<strong>ch</strong>es<br />
Amt, stehen aber an der Spitze eines<br />
flexiblen Beziehungsgefle<strong>ch</strong>ts von Personen in<br />
offizieller Funktion. Davon ni<strong>ch</strong>t ausgenommen<br />
sind die Polizei, Si<strong>ch</strong>erheitsfirmen, paramilitäris<strong>ch</strong>e<br />
Gebilde, Parteien und Medien. Dur<strong>ch</strong> die<br />
zunehmende Kontrolle der Infrastruktur stärken<br />
sie ihren Einfluss auf Politik und Gesells<strong>ch</strong>aft.Die<br />
ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und<br />
die teilweise fehlende Gegenwehr dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e<br />
oder internationale Institutionen gaben<br />
ihnen oft freie Hand für kriminelle Aktivitäten.<br />
Kriminelle Gruppen<br />
serbis<strong>ch</strong>er Herkunft<br />
Der serbis<strong>ch</strong>en organisierten Kriminalität<br />
kam 2005 aufgrund ihrer Struktur, ihres Organisationsgrads<br />
und Beziehungsnetzes eine ni<strong>ch</strong>t zu<br />
unters<strong>ch</strong>ätzende Bedeutung zu. Die kriminellen<br />
Gruppen besitzen oft aus der Zeit des Milosevic-<br />
Regimes stammende direkte Kontakte zu politis<strong>ch</strong>en<br />
Behörden und Institutionen. Der Umfang<br />
dieser Beziehungen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
s<strong>ch</strong>wer abzus<strong>ch</strong>ätzen. Es bestätigte si<strong>ch</strong><br />
2005 erneut, dass das politis<strong>ch</strong>-kriminelle Gefle<strong>ch</strong>t<br />
um Milosevic und seine Getreuen weiter<br />
über Einfluss verfügt. Verbindungen zwis<strong>ch</strong>en<br />
Personen des politis<strong>ch</strong>en Lebens und der orga-<br />
nisierten Kriminalität ist au<strong>ch</strong><br />
in Zukunft eine besondere Bedeutung<br />
beizumessen. Darüber<br />
hinaus ers<strong>ch</strong>werte die all-<br />
gegenwärtige Korruption in Serbien den Kampf<br />
gegen die organisierte Kriminalität. Dies illustrieren<br />
zum Beispiel die Verhaftungen eines Ri<strong>ch</strong>ters<br />
des Obersten Geri<strong>ch</strong>ts Serbiens sowie des<br />
Stellvertretenden Sonderstaatsanwalts für<br />
organisiertes Verbre<strong>ch</strong>en wegen Korruptionsverda<strong>ch</strong>ts.<br />
Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Kriminelle Gruppen aus der Region, besonders<br />
aus Mazedonien, Albanien und dem<br />
Kosovo spielten in der Kriminalitätsentwicklung<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz unverändert eine bedeutende<br />
Rolle. Der si<strong>ch</strong> seit etwa zwei bis drei Jahren<br />
abzei<strong>ch</strong>nende Trend, dass die Bedeutung serbi-<br />
s<strong>ch</strong>er Gruppen zunimmt, hielt<br />
unvermindert an. Dies zeigte<br />
si<strong>ch</strong> im illegalen Betäubungsmittelhandel<br />
vor allem mit<br />
Kokain. Die Gruppen waren<br />
aber au<strong>ch</strong> in Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
Allgegenwärtige Korruption<br />
in Serbien.<br />
Bedeutung südosteuropäis<strong>ch</strong>er<br />
krimineller<br />
Gruppierungen<br />
unverändert.<br />
involviert, im Mens<strong>ch</strong>enhandel und -s<strong>ch</strong>muggel<br />
tätig und begingen Delikte in den Berei<strong>ch</strong>en Eigentum,<br />
Zuhälterei und S<strong>ch</strong>utzgelderpressung.<br />
Einbrü<strong>ch</strong>e und Diebstähle, etwa die grosse Anzahl<br />
von Serieneinbrü<strong>ch</strong>en serbis<strong>ch</strong>er Banden in<br />
Bijouterien,bildeten ein weiteres S<strong>ch</strong>wergewi<strong>ch</strong>t.<br />
Spielt bei den kriminellen Gruppen ethnis<strong>ch</strong>er<br />
Albaner die Familienzugehörigkeit eine bedeutende<br />
Rolle, so wird diese bei den serbis<strong>ch</strong>en<br />
kriminellen Gruppen dur<strong>ch</strong> das Gewi<strong>ch</strong>t eines<br />
gemeinsamen Herkunftsorts überlagert. In einigen<br />
Berei<strong>ch</strong>en wie im Drogenhandel war die<br />
S<strong>ch</strong>weiz 2005 Endmarkt, während sie bei anderen<br />
Delikten,etwa im Berei<strong>ch</strong> illegale Migration au<strong>ch</strong><br />
Transitland war.<br />
Die Aktivitäten krimineller Gruppen ethnis<strong>ch</strong>er<br />
Albaner haben si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>eidend<br />
verändert. Deren Netzwerke dominierten den gesamten<br />
S<strong>ch</strong>weizer Heroinmarkt und versu<strong>ch</strong>ten,<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
53
54<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
ihre kriminellen Aktivitäten weiter zu diversifizieren.<br />
So wurde neben Heroin und Kokain au<strong>ch</strong><br />
mit synthetis<strong>ch</strong>en Drogen gehandelt. Darüber<br />
hinaus versu<strong>ch</strong>ten die Gruppen, im lukrativen<br />
Rotli<strong>ch</strong>tmilieu weitere Marktanteile zu gewinnen.<br />
Hinweise lassen darauf s<strong>ch</strong>liessen, dass ihr<br />
Einfluss im Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und etwas einges<strong>ch</strong>ränkter<br />
im Mens<strong>ch</strong>enhandel weiter zunehmen<br />
dürfte. Südosteuropa ist eine der wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
Transitregionen beim Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel na<strong>ch</strong><br />
Westeuropa. Dabei spielen albanis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>leuserorganisationen<br />
eine bedeutende Rolle. Dur<strong>ch</strong><br />
den Drogenhandel sind die ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en<br />
kriminellen Gruppen bereits exzellent transnational<br />
vernetzt und können so von ihren Erfahrungen<br />
und Kontakten profitieren.<br />
BEURTEILUNG<br />
Lage in Südosteuropa<br />
Die kriminellen Gruppen aus Südosteuropa<br />
sind flexible, anpassungsfähige Netzwerke mit<br />
internationalen Verbindungen. Sie beruhen auf<br />
familiären – besonders stark bei ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en<br />
Gruppen – oder auf geografis<strong>ch</strong>en Bindungen<br />
wie bei den serbis<strong>ch</strong>en Gruppen.<br />
Die Überlagerung vers<strong>ch</strong>iedener krimineller<br />
Aktivitäten ist typis<strong>ch</strong> für alle Formen der modernen<br />
transnationalen und globalisierten Kriminalität.<br />
Die kriminellen Gruppierungen sind auf<br />
Gewinnmaximierung ausgeri<strong>ch</strong>tet und reagieren<br />
ras<strong>ch</strong> auf Veränderungen der illegalen Märkte.<br />
Auswirkungen für die S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die Netze südosteuropäis<strong>ch</strong>er Kriminalität<br />
ziehen si<strong>ch</strong> über grosse Teile des westli<strong>ch</strong>en<br />
Europas, au<strong>ch</strong> über die S<strong>ch</strong>weiz. Die serbis<strong>ch</strong>e<br />
LAGE<br />
Weit verbreitete Korruption<br />
In vielen Staaten der Gemeins<strong>ch</strong>aft Unabhängiger<br />
Staaten (GUS) war Kriminalität und Korruption<br />
im Jahr 2005 immer no<strong>ch</strong> allgegenwärtig.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Kriminalität errei<strong>ch</strong>t in der S<strong>ch</strong>weiz no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
die Di<strong>ch</strong>te und den Einfluss krimineller Gruppen<br />
ethnis<strong>ch</strong>er Albaner, verfügt jedo<strong>ch</strong> über erheb-<br />
li<strong>ch</strong>es Entwicklungspotenzial.<br />
Die ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en wie<br />
die serbis<strong>ch</strong>en kriminellen<br />
Gruppen sind au<strong>ch</strong> gegenüber<br />
polizeili<strong>ch</strong>en Einsatztaktiken<br />
anpassungsfähig. Die Ermittlungsarbeit ist wegen<br />
der teils sehr guten Organisation und der Abs<strong>ch</strong>ottung<br />
der Tätergruppen sehr s<strong>ch</strong>wierig. Strafvollzug<br />
und Ausweisung krimineller Ausländer<br />
s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en die kriminellen Gruppen kaum, weil<br />
die einzelnen Mitglieder ersetzt werden können.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Langfristige Besserung<br />
Kriminelle Gruppen anpassungsfähig<br />
gegenüber polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Einsatztaktiken.<br />
Erst langfristig, mit der Stärkung der staatli<strong>ch</strong>en<br />
Strukturen und der Verbesserung der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Lage in den jeweiligen Ländern der<br />
Region, wird die Zers<strong>ch</strong>lagung krimineller Gruppen<br />
mögli<strong>ch</strong> sein. Die Integration des Westbalkans<br />
in die euro-atlantis<strong>ch</strong>en Strukturen könnte<br />
für ein erfolgrei<strong>ch</strong>es Eindämmen der organisierten<br />
Kriminalität wi<strong>ch</strong>tig sein. Somit werden die<br />
serbis<strong>ch</strong>en und ethnis<strong>ch</strong>-albanis<strong>ch</strong>en Gruppen<br />
aus den Übergangs- und Aufbauprozessen in der<br />
Region Nutzen ziehen können und es verstehen,<br />
si<strong>ch</strong> we<strong>ch</strong>selnden Situationen anzupassen. Kurzund<br />
mittelfristig ist bei einer allfälligen Unabhängigkeit<br />
des Kosovo oder allenfalls Montenegros<br />
mit einer Zunahme der Aktivitäten krimineller<br />
Gruppen, besonders im Kosovo, zu re<strong>ch</strong>nen.<br />
Mittelfristig kann kaum mit einem Rückgang der<br />
Aktivitäten krimineller Akteure aus dem südosteuropäis<strong>ch</strong>en<br />
Raum in der S<strong>ch</strong>weiz gere<strong>ch</strong>net<br />
werden.<br />
5.3. Kriminelle Gruppen aus der GUS<br />
Die Regierungswe<strong>ch</strong>sel in der Ukraine und in Kirgisien<br />
führten ni<strong>ch</strong>t zur Beruhigung der Kriminalitätslage.<br />
In Russland war die Korruption gemäss<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Studien so ho<strong>ch</strong> wie nie zuvor.<br />
Na<strong>ch</strong> Eins<strong>ch</strong>ätzung des russis<strong>ch</strong>en Innenministeriums<br />
sind kriminelle Organisationen in
Russland zu den wi<strong>ch</strong>tigsten Ressorts der Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
und Industrie vorgedrungen und kontrollieren<br />
ungefähr fünfhundert Unternehmen.<br />
Legalisierung illegaler Einkünfte<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz wurde bisher von kriminellen Organisationen<br />
aus der GUS vor allem zur Legalisierung<br />
und Anlage krimineller Einkünfte genutzt.<br />
Rohstoffges<strong>ch</strong>äfte zum Beispiel bieten<br />
zahlrei<strong>ch</strong>e Mögli<strong>ch</strong>keiten zur Vers<strong>ch</strong>leierung von<br />
Geldströmen, zum Abs<strong>ch</strong>luss fiktiver Ges<strong>ch</strong>äfte<br />
und zur Anlage krimineller Gelder in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz. Die S<strong>ch</strong>weiz ist einer der bedeutendsten<br />
Ölhandelsplätze der Welt: Allein in Genf wird<br />
nahezu ein Viertel der Weltproduktion<br />
gehandelt. Au<strong>ch</strong><br />
viele russis<strong>ch</strong>e Öl- und Rohstoffhandelsfirmen<br />
sind in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz und profitieren<br />
von der niedrigen Holdingbesteuerung,<br />
von guten Kreditbedingungen der<br />
Banken und wohl au<strong>ch</strong> von der Tatsa<strong>ch</strong>e, dass<br />
Rohstoffges<strong>ch</strong>äfte in eigenem Namen ni<strong>ch</strong>t unter<br />
das Geldwäs<strong>ch</strong>ereigesetz fallen.<br />
Rohstoffges<strong>ch</strong>äfte in<br />
eigenem Namen fallen in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t unter das<br />
Geldwäs<strong>ch</strong>ereigesetz.<br />
Geldwäs<strong>ch</strong>ereiermittlungen<br />
gegen drei Russen<br />
Bei Geldwäs<strong>ch</strong>ereiermittlungen gegen drei<br />
Russen im Wallis konnten im Juni zwei verhaftet<br />
werden. Aus den Ermittlungen geht hervor, dass<br />
die im Wallis investierten Gelder zum Teil beim<br />
Bau einer Moskauer Umfahrungsstrasse Ende<br />
der Neunzigerjahre abgezweigt worden waren.<br />
Bandenkriminalität in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Aktuell bleibt das Phänomen der Bandenkriminalität:<br />
Asylsu<strong>ch</strong>ende aus der GUS, vor allem<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
aus dem Kaukasus, erbeuteten dur<strong>ch</strong> Diebstahl<br />
und Einbru<strong>ch</strong> grosse Warenmengen,<br />
die sie dann auf<br />
dem osteuropäis<strong>ch</strong>en Markt<br />
absetzten.Der hohe Organisationsgrad<br />
dieser Banden lässt<br />
darauf s<strong>ch</strong>liessen, dass hier kriminelle Organisationen<br />
im Hintergrund stehen.<br />
In Deuts<strong>ch</strong>land und Österrei<strong>ch</strong> sind ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enis<strong>ch</strong>e<br />
kriminelle Banden ein Problem. Sie<br />
traten zum Teil äusserst gewalttätig auf oder führten<br />
in Asylzentren heftige Auseinandersetzungen<br />
mit Angehörigen anderer Ethnien.In der S<strong>ch</strong>weiz<br />
sind Ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enen bislang ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> eine<br />
markante Kriminalität aufgefallen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Ernste Bedrohung<br />
dur<strong>ch</strong> kriminelle Organisationen<br />
Kriminelle Kreise aus der GUS verfügen in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz über ein wohl organisiertes Netzwerk:<br />
Es ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass S<strong>ch</strong>weizer Anwälte<br />
und Treuhänder an den illegalen Ges<strong>ch</strong>äften<br />
beteiligt sind. Es bestehen au<strong>ch</strong> Kontakte zu<br />
S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aftsvertretern und Amtspersonen,<br />
wie au<strong>ch</strong> zu russis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendiensten.<br />
Kriminelle Organisationen der GUS blieben<br />
2005 eine ernste Bedrohung für die Wirts<strong>ch</strong>aft,<br />
die re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>en Institutionen sowie für den<br />
Finanzplatz der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Bedrohung wird bestehen bleiben<br />
Kriminelle Organisationen haben vor allem in<br />
Russland an Einfluss gewonnen. Es muss davon<br />
ausgegangen werden, dass die S<strong>ch</strong>weiz weiterhin<br />
mit Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Investition krimineller<br />
Gelder aus der GUS konfrontiert bleiben wird.<br />
5.4. Chinesis<strong>ch</strong>e organisierte Kriminalität<br />
LAGE<br />
Weltweit grosse Deliktspalette<br />
Chinesis<strong>ch</strong>e kriminelle Gruppierungen waren<br />
2005 weltweit in vers<strong>ch</strong>iedenen Deliktsberei<strong>ch</strong>en<br />
Diebstahl grosser Warenmengen<br />
dur<strong>ch</strong> kriminelle<br />
Banden.<br />
tätig, vorwiegend in Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und<br />
Mens<strong>ch</strong>enhandel, S<strong>ch</strong>utzgelderpressung, Fäls<strong>ch</strong>ungen<br />
aller Art, Kreditkartenbetrug, Drogenund<br />
Waffenhandel,illegale Kreditges<strong>ch</strong>äfte,Prostitution<br />
und illegales Glücksspiel. In der S<strong>ch</strong>weiz<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 55
Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und<br />
Kreditkartenbetrügereien<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
56<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
waren ethnis<strong>ch</strong>e Chinesen aus vers<strong>ch</strong>iedenen asiatis<strong>ch</strong>en<br />
Ländern unter anderem im Mens<strong>ch</strong>en-<br />
s<strong>ch</strong>muggel und als Drahtzieher<br />
von international organisiertenKreditkartenbetrügereien<br />
tätig. Dabei spielte die<br />
S<strong>ch</strong>weiz weiterhin vor allem<br />
als Transit- und ni<strong>ch</strong>t als Zielland <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>er<br />
Migranten eine Rolle.<br />
S<strong>ch</strong>leusungen<br />
Die grossen und in Europa zentral gelegenen<br />
S<strong>ch</strong>weizer Flughäfen dienten na<strong>ch</strong> wie vor als<br />
Transitpunkte für S<strong>ch</strong>leusungen. Na<strong>ch</strong>dem aber<br />
am Flughafen Züri<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>lepper <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>er<br />
Migranten festgenommen wurden, wählten die<br />
S<strong>ch</strong>lepper vermehrt andere Routen. S<strong>ch</strong>leusungen<br />
von Chinesen auf dem Landweg s<strong>ch</strong>einen in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz eher selten vorgekommen zu sein.<br />
Seit aber die S<strong>ch</strong>weiz offizielle Tourismusdestination<br />
Chinas geworden ist und somit <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e<br />
Reisegruppen ohne staatli<strong>ch</strong>e Ausreisegenehmigung<br />
die S<strong>ch</strong>weiz bereisen dürfen, wurden vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Missbräu<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e legal einreisenden<br />
Reisegruppen festgestellt.<br />
BEURTEILUNG<br />
Kaum bewältigbares<br />
Ausmass einzelner Fälle.<br />
Herausforderung für die<br />
S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgung<br />
Unter anderem weil <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e organisierte<br />
Kriminalität international in weit verzweigten<br />
Netzwerken organisiert ist,<br />
nehmen die Fälle fast immer<br />
ein für die S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgungsbehörden<br />
kaum zu<br />
bewältigendes Ausmass an.Dies dürfte neben den<br />
einfa<strong>ch</strong>en Zurückweisungen an der Grenze der<br />
LAGE<br />
Weltweite Aktivitäten<br />
Westafrikanis<strong>ch</strong>e kriminelle Gruppierungen<br />
waren 2005 weltweit aktiv und hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> an<br />
Drogenhandel, Betrugsdelikten, Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
und Dokumentenfäls<strong>ch</strong>ungen aller Art betei-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Hauptgrund dafür sein, dass kaum Fälle vor<br />
Geri<strong>ch</strong>t kommen. Andere Gründe dafür sind die<br />
Professionalität, die Dur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>ung legaler und<br />
illegaler Aktivitäten,die aufgrund internationaler<br />
Erfahrung wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>e Infiltration wi<strong>ch</strong>tiger<br />
Stellen dur<strong>ch</strong> Vertrauensbildung sowie mangelnde<br />
Kenntnisse über asiatis<strong>ch</strong>e Kriminalität auf<br />
Seiten der Behörden.<br />
Anpassungsfähigkeit und<br />
grosses Potenzial<br />
Die illegale <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Emigration ist weltweit<br />
ausserordentli<strong>ch</strong> gut organisiert. Illegal<br />
reisende <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Migranten müssen in aller<br />
Regel die Dienste von S<strong>ch</strong>lepperorganisationen<br />
nutzen, geraten dadur<strong>ch</strong> in finanzielle Abhängigkeit<br />
und verpfli<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong>, die Kosten mit<br />
S<strong>ch</strong>warzarbeit, Prostitution oder der Teilnahme<br />
an illegalen Aktivitäten abzuarbeiten. Die<br />
S<strong>ch</strong>lepperorganisationen verfügen über erhebli<strong>ch</strong>e<br />
finanzielle und logistis<strong>ch</strong>e Mittel und sind<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> bestens ausgerüstet. Sie reagieren ras<strong>ch</strong><br />
auf polizeili<strong>ch</strong>e Massnahmen und arbeiten je länger,<br />
desto weniger in ethnis<strong>ch</strong> homogenen und<br />
abgegrenzten Netzen.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Unbemerkte Etablierung<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz ist kein klassis<strong>ch</strong>es Zielland für<br />
<strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Migranten. Na<strong>ch</strong> der Erfahrung<br />
anderer westeuropäis<strong>ch</strong>er Länder spielt si<strong>ch</strong> die<br />
<strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Migration aber sehr diskret ab und<br />
wird somit lange Zeit kaum wahrgenommen.Sehr<br />
spät bemerkt, entstanden etwa in Frankrei<strong>ch</strong> und<br />
Italien S<strong>ch</strong>attenwirts<strong>ch</strong>aften, und <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e<br />
kriminelle Organisationen etablierten si<strong>ch</strong>.<br />
5.5. Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerkkriminalität<br />
ligt. In der S<strong>ch</strong>weiz dominierten sie den Klein-<br />
handel mit Kokain und waren<br />
an Betrugsdelikten,besonders<br />
an Vors<strong>ch</strong>ussbetrügereien beteiligt.<br />
Das aus Südamerika<br />
stammende Kokain gelangte<br />
vorwiegend über Holland und die Iberis<strong>ch</strong>e Halb-<br />
Drogenhandel, Betrugsdelikte,<br />
Mens<strong>ch</strong>enhandel und<br />
Dokumentenfäls<strong>ch</strong>ungen.
insel in die S<strong>ch</strong>weiz. Au<strong>ch</strong> Südafrika spielte in<br />
diesem Zusammenhang eine immer wi<strong>ch</strong>tigere<br />
Rolle, sei es als Transitland oder au<strong>ch</strong> als Herkunftsland<br />
der meist weissen Drogenkuriere.<br />
Die Drahtzieher im Kokainhandel sind meist<br />
nigerianis<strong>ch</strong>er Herkunft, sie kommen aber au<strong>ch</strong><br />
aus anderen Ländern wie beispielsweise Ghana<br />
oder Guinea. Sie sind in der Regel dur<strong>ch</strong> Einheirat<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz etabliert. Die S<strong>ch</strong>weizer<br />
Bots<strong>ch</strong>aft in Nigeria ist jährli<strong>ch</strong> mit einer grossen<br />
Anzahl Fälle mutmassli<strong>ch</strong> missbräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er binationaler<br />
Ehes<strong>ch</strong>lüsse konfrontiert.<br />
BEURTEILUNG<br />
Gut etablierte kriminelle Gruppen<br />
Westafrikanis<strong>ch</strong>e kriminelle Gruppierungen<br />
sind in der S<strong>ch</strong>weiz bereits gut etabliert. Die<br />
Merkmale westafrikanis<strong>ch</strong>er organisierter Kriminalität<br />
sind ausgespro<strong>ch</strong>ene Professionalität, glo-<br />
bal angelegte, netzwerkartige<br />
Strukturen, Innovation, Flexibilität<br />
und Opportunismus.<br />
Die Strafverfolgung gestaltet<br />
si<strong>ch</strong> meist s<strong>ch</strong>wierig und aufwändig: Die nötigen<br />
kantonalen Ressourcen können ni<strong>ch</strong>t immer<br />
aufgebra<strong>ch</strong>t werden. So stellen unter anderem die<br />
S<strong>ch</strong>wierige und aufwändige<br />
Strafverfolgung.<br />
5.6. Betäubungsmittel<br />
LAGE<br />
Heroin<br />
Im Heroinmarkt sind kaum Veränderungen<br />
zu beoba<strong>ch</strong>ten. Kriminelle Gruppen ethnis<strong>ch</strong>er<br />
Albaner und türkis<strong>ch</strong>e Händler beherrs<strong>ch</strong>ten ihn<br />
2005 weiterhin; au<strong>ch</strong> serbis<strong>ch</strong>e Händler waren<br />
hier aktiv. Die Balkanroute spielte immer no<strong>ch</strong><br />
eine Hauptrolle beim Import des Heroins in die<br />
S<strong>ch</strong>weiz. Die türkis<strong>ch</strong>en Händler führten das<br />
Heroin per Kilogramm direkt aus der Türkei<br />
oder aber via Deuts<strong>ch</strong>land, die Niederlande oder<br />
Belgien ein.<br />
Kokain<br />
Der Kokainmarkt entwickelt si<strong>ch</strong> ständig;<br />
Händler mehrerer Nationalitäten waren hier<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und kulturellen Unters<strong>ch</strong>iede grosse<br />
Hindernisse dar, und die wahre Identität bleibt in<br />
aller Regel unbekannt. Vermehrt treffen Polizeikräfte<br />
in diesem Zusammenhang au<strong>ch</strong> auf si<strong>ch</strong><br />
illegal in der S<strong>ch</strong>weiz aufhaltende Personen,meist<br />
abgewiesene Asylbewerber.<br />
Erfolgrei<strong>ch</strong>e Aktionen in einigen Kantonen<br />
haben dazu geführt, dass der Drogenhandel an<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Orten von der Strasse weggedrängt<br />
wurde. Der Kleinhandel hat si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong><br />
teilweise verlagert und spielt si<strong>ch</strong> vermehrt im<br />
Versteckten ab, zum Beispiel in angemieteten<br />
Wohnungen.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Ras<strong>ch</strong>e Anpassungsfähigkeit<br />
Die unternehmeris<strong>ch</strong>e Ausri<strong>ch</strong>tung und die<br />
bekannte Flexibilität der westafrikanis<strong>ch</strong>en kriminellen<br />
Gruppierungen lässt sie immer neue,<br />
den Massnahmen der Strafverfolgungsbehörden,<br />
aber au<strong>ch</strong> den veränderten Marktbedingungen<br />
angepasste Ges<strong>ch</strong>äftsformen entwickeln. So wurden<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz zum Beispiel bereits einzelne<br />
Fälle bekannt, in denen Vertreter westafrikanis<strong>ch</strong>er<br />
krimineller Gruppierungen Heroin und<br />
Ecstasy handelten.<br />
2005 aktiv: Afrikaner, Dominikaner, Europäer<br />
unter anderem südosteuropäis<strong>ch</strong>er Herkunft,<br />
Südamerikaner, Libanesen,<br />
S<strong>ch</strong>weizer und Türken. West- Der Kokainmarkt<br />
afrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerke be- entwickelt si<strong>ch</strong> ständig.<br />
herrs<strong>ch</strong>ten na<strong>ch</strong> wie vor den<br />
Kleinhandel. Die Niederlande und die Iberis<strong>ch</strong>e<br />
Halbinsel blieben die Haupteinfallstore für das<br />
na<strong>ch</strong> Europa drängende Kokain.<br />
Die an der S<strong>ch</strong>weizer Grenze bes<strong>ch</strong>lagnahmten<br />
Mengen rei<strong>ch</strong>ten von einigen hundert<br />
Gramm bis zu mehreren Dutzend Kilogramm.<br />
Westafrikanis<strong>ch</strong>e Netzwerke, dominikanis<strong>ch</strong>e<br />
und libanesis<strong>ch</strong>e Händler waren im Kokains<strong>ch</strong>muggel<br />
mit Ziel S<strong>ch</strong>weiz am aktivsten. Die<br />
libanesis<strong>ch</strong>en Händler importierten Kokain aus<br />
Südamerika häufig mit europäis<strong>ch</strong>en Kurieren.<br />
Grossangelegte Ermittlungen des Landeskrimi-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 57
58<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
Si<strong>ch</strong>ergestelltes Kokain. Am Flughafen Züri<strong>ch</strong><br />
konnten 5,5 Kilogramm Kokain, versteckt in ausgehöhlten<br />
Maniokwurzeln, si<strong>ch</strong>ergestellt werden.<br />
nalamtes Nordrhein-Westfalen führten zur Aufdeckung<br />
einer aus der Bekaa-Ebene stammenden<br />
S<strong>ch</strong>mugglerbande, die seit Mitte der Neunzigerjahre<br />
Kokain in grossen Mengen hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land, aber au<strong>ch</strong> in die S<strong>ch</strong>weiz<br />
s<strong>ch</strong>muggelte.<br />
Die Kokainbes<strong>ch</strong>lagnahmungen im Passagierverkehr<br />
auf Flughäfen zeigen, dass der Luftweg<br />
von Südamerika, der Karibik und Westafrika aus<br />
immer no<strong>ch</strong> zu den bevorzugten Routen gehörte.<br />
Grenzübers<strong>ch</strong>reitende Züge aus den Niederlanden<br />
und Spanien wurden immer no<strong>ch</strong> zum<br />
Kokains<strong>ch</strong>muggel benutzt,aber der Transport mit<br />
Autos s<strong>ch</strong>eint wi<strong>ch</strong>tiger geworden zu sein. Die<br />
Zür<strong>ch</strong>er Kantonalpolizei deckte eine S<strong>ch</strong>mugglerbande<br />
auf, die als Handelsunternehmen getarnt<br />
Kokain aus Brasilien importierte. Der Fall<br />
zeigt, dass S<strong>ch</strong>muggel im Fra<strong>ch</strong>tgut von Bedeutung<br />
ist, au<strong>ch</strong> wenn Bes<strong>ch</strong>lagnahmungen hier selten<br />
blieben. Immerhin konnten die Zür<strong>ch</strong>er Ermittler<br />
aber 17 Kilogramm Kokain si<strong>ch</strong>erstellen.<br />
Kokain war 2005 in der Öffentli<strong>ch</strong>keit und im<br />
abendli<strong>ch</strong>en Ausgang sehr präsent. Die Zahl der<br />
Konsumenten wird auf etwa 100’000 ges<strong>ch</strong>ätzt,<br />
ein Zehntel von ihnen ist sü<strong>ch</strong>tig.<br />
Gemäss der Studie «Gesundheit<br />
und Lebensstil 16- bis<br />
20-Jähriger in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
(2002) – SMASH 2002» hat unter zwanzigjährigen<br />
männli<strong>ch</strong>en Lehrlingen bereits ein Fünftel<br />
Kokain konsumiert.<br />
Kokain ist in der<br />
Öffentli<strong>ch</strong>keit sehr präsent.<br />
Synthetis<strong>ch</strong>e Drogen<br />
Der Markt für synthetis<strong>ch</strong>e Drogen ist kaum<br />
strukturiert. Die Händler sind meist junge Kon-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
FOTO GWK<br />
sumenten, die si<strong>ch</strong> in den grossen Städten oder<br />
in den Niederlanden eindecken und im abendli<strong>ch</strong>en<br />
Ausgang den Stoff in kleinen Mengen<br />
weiterverkaufen. Mehrere Fälle belegen aber,<br />
dass au<strong>ch</strong> ein sol<strong>ch</strong>er Handel ni<strong>ch</strong>t verna<strong>ch</strong>lässigbare<br />
Mengen umsetzt. 2005 fanden die bedeutendsten<br />
Bes<strong>ch</strong>lagnahmungen synthetis<strong>ch</strong>er Drogen,<br />
besonders Amphetamine, statt. Involviert<br />
waren junge Händler, meist S<strong>ch</strong>weizer, die vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Substanzen verkauften – Marihuana<br />
oder Has<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>, Amphetamine, in kleineren<br />
Mengen andere synthetis<strong>ch</strong>e Drogen wie Ecstasy<br />
oder Gammahydroxybutyrat (GHB), aber au<strong>ch</strong><br />
Kokain.<br />
Der Markt für synthetis<strong>ch</strong>e Drogen bietet<br />
aber au<strong>ch</strong> kriminellen Gruppen Gewinnmögli<strong>ch</strong>keiten.<br />
Die Lausanner Stadtpolizei deckte ein<br />
Netz von Ecstasyhändlern aus dem ehemaligen<br />
Jugoslawien auf, das si<strong>ch</strong> mit Tiefstpreisen im<br />
Markt zu etablieren su<strong>ch</strong>te.<br />
Bisher wurden in der S<strong>ch</strong>weiz nur Labors entdeckt,<br />
die synthetis<strong>ch</strong>e Drogen in Kleinmengen<br />
herstellten. Au<strong>ch</strong> 2005 wurde Ecstasy bes<strong>ch</strong>lagnahmt,<br />
das si<strong>ch</strong> auf dem Weg von den Niederlanden<br />
in andere Länder, besonders Südafrika<br />
und Italien, befand.<br />
Synthetis<strong>ch</strong>e Drogen werden hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
im abendli<strong>ch</strong>en Ausgang und im Te<strong>ch</strong>nomilieu<br />
konsumiert; <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> ist der Konsum in<br />
Kombination mit anderen Substanzen. Vergiftungen<br />
mit GHB, meist verbunden mit anderen<br />
Wirkstoffen,besonders Alkohol,fielen speziell an<br />
der Lake Parade in Genf auf.<br />
Cannabisprodukte<br />
Seit etwa fünf Jahren wurden umfangrei<strong>ch</strong>e<br />
kantonale Polizeiaktionen gegen den Anbau und<br />
den Handel von Cannabis und seinen Derivaten<br />
dur<strong>ch</strong>geführt. Diese ri<strong>ch</strong>teten si<strong>ch</strong> insbesondere<br />
gegen grössere Produktionsstätten wie beispielsweise<br />
im Val-de-Travers. Dort konnte einer Personengruppe<br />
der gewerbs- und bandenmässige<br />
Handel von etwa 200 Kilogramm Drogenhanf<br />
na<strong>ch</strong>gewiesen werden. Die Haupttäter wurden<br />
erstinstanzli<strong>ch</strong> zu je 27 Monaten Gefängnis verurteilt.<br />
Als Reaktion auf diese Polizeiaktionen wird<br />
der Anbau diskreter betrieben und versteckt si<strong>ch</strong><br />
in ehemaligen Landwirts<strong>ch</strong>afts- und Industriege-<br />
bäuden oder in Wohngegenden.<br />
Zudem findet der Verkauf<br />
zunehmend verdeckt in<br />
Ges<strong>ch</strong>äften statt, die andere<br />
Güter wie zum Beispiel Sportartikel oder Platten<br />
Händler handeln zunehmend<br />
mehrere Substanzen.
anbieten. Diese Händler handeln zunehmend<br />
mehrere Substanzen wie Cannabisprodukte, synthetis<strong>ch</strong>e<br />
Drogen und Kokain.<br />
Der Markt für Cannabisprodukte ist lukrativ<br />
und zieht deswegen au<strong>ch</strong> kriminelle Organisationen,<br />
besonders Gruppen aus Südosteuropa und<br />
der Türkei, an. Der Gassenhandel mit Cannabisprodukten<br />
existiert weiterhin,hat si<strong>ch</strong> aber wegen<br />
der vers<strong>ch</strong>ärften Strafverfolgung ni<strong>ch</strong>t weiter ausgedehnt.<br />
Im Gegenzug zur Eindämmung einheimis<strong>ch</strong>er<br />
Produktion blüht der S<strong>ch</strong>muggel wieder auf. So<br />
konnten bei Bes<strong>ch</strong>lagnahmungen, besonders aus<br />
den Niederlanden, Importmengen von mehr als<br />
dreissig Kilogramm si<strong>ch</strong>ergestellt werden. Die<br />
Na<strong>ch</strong>frage bleibt erhebli<strong>ch</strong>.<br />
BEURTEILUNG<br />
Öffentli<strong>ch</strong>e Präsenz der Drogen<br />
Trotz des Fehlens offener Szenen im eigentli<strong>ch</strong>en<br />
Sinn bleiben Drogen auf der Gasse und<br />
in der Öffentli<strong>ch</strong>keit stark präsent. Die Konsumenten<br />
zeigen eine Tendenz zur Einnahme vers<strong>ch</strong>iedener<br />
Substanzen, im Gegenzug bieten die<br />
Händler mehrere Wirkstoffe an. Während der<br />
Heroinmarkt gut strukturiert ist, sind die anderen<br />
Drogenmärkte offener für Händler unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er<br />
Herkunft.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Heroin<br />
5.7. Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel<br />
LAGE<br />
Umrisse eines Lagebildes<br />
Das genaue Ausmass des Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />
in die S<strong>ch</strong>weiz lässt si<strong>ch</strong> derzeit ni<strong>ch</strong>t bestimmen,<br />
weil Massnahmen gegen Täter vielfa<strong>ch</strong> im<br />
Rahmen des Ausländergesetzes erfolgen und die<br />
Daten dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Behörden uneinheitli<strong>ch</strong><br />
erfasst werden.<br />
Eckwerte für S<strong>ch</strong>leusungsaktivitäten liefern<br />
die Aufgriffe illegal einreisender Personen und<br />
von S<strong>ch</strong>leppern an der Grenze. Indirekte Aufs<strong>ch</strong>lüsse<br />
geben au<strong>ch</strong> die Asylkennzahlen, da<br />
davon ausgegangen werden muss, dass viele Asylbewerber<br />
illegal einreisen.<br />
Gammahydroxybutyrat. GHB wird in der Szene<br />
au<strong>ch</strong> «Liquid Ecstasy» genannt, ist aber mit diesem<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verwandt. FOTO POLIZEI<br />
Seit mehreren Jahren sind die Heroinpreise<br />
relativ tief. Falls eine andere Konsummethode<br />
als die Spritzeninjektion, zum Beispiel das Rau<strong>ch</strong>en,<br />
si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>setzt, könnte dies neue Konsumenten<br />
auf den Heroinmarkt bringen, der kaum<br />
Neuzugänge verzei<strong>ch</strong>net. Eine sol<strong>ch</strong>e Entwicklung<br />
könnte das seit Jahren zu beoba<strong>ch</strong>tende<br />
S<strong>ch</strong>rumpfen des Marktes in Frage stellen.<br />
Wie bereits im Vorjahr ging die Zahl der<br />
Personen zurück, die bei der illegalen Einreise in<br />
die S<strong>ch</strong>weiz angehalten wurden. Im Jahr 2005<br />
registrierte das Grenzwa<strong>ch</strong>tkorps (GWK) 5’472<br />
illegale Grenzübertritte und Aufenthalte gegenüber<br />
6’943 im Jahr zuvor. Gegenüber 1’880 im<br />
Vorjahr stellte das GWK 2005 weniger, nämli<strong>ch</strong><br />
1’599 Ausweisfäls<strong>ch</strong>ungen fest. Die gefäls<strong>ch</strong>ten<br />
Papiere waren von guter bis exzellenter Qualität.<br />
Die Zahl der Asylgesu<strong>ch</strong>e sank gegenüber<br />
dem Vorjahr um 29,4 Prozent.<br />
10’061 Personen su<strong>ch</strong>ten um<br />
Asyl na<strong>ch</strong>;dies sind 4’187 weniger<br />
als im Vorjahr. Der Rückgang<br />
der Asylgesu<strong>ch</strong>e kann auf die getroffenen<br />
Massnahmen, unter anderem den Sozialhilfestopp<br />
Zahl der Asylgesu<strong>ch</strong>e<br />
weiter gesunken.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 59
S<strong>ch</strong>weiz bis heute vorwiegend<br />
Transitstaat für<br />
organisierte S<strong>ch</strong>leusungskriminalität.<br />
60<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
für Personen mit einem Ni<strong>ch</strong>teintretensents<strong>ch</strong>eid,<br />
die Bes<strong>ch</strong>leunigung des Asylverfahrens und die<br />
konsequente Vollzugspolitik zurückgeführt werden.<br />
Weder die Abnahme der vom GWK registrierten<br />
illegalen Grenzübertritte und Aufenthalte<br />
no<strong>ch</strong> die rückläufige Zahl der Asylgesu<strong>ch</strong>e<br />
geben direkten Aufs<strong>ch</strong>luss über S<strong>ch</strong>leusungsaktivitäten<br />
in und dur<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz. Die rückläufigen<br />
Zahlen bedeuten ni<strong>ch</strong>t, dass au<strong>ch</strong> die<br />
S<strong>ch</strong>leusungsaktivitäten abgenommen haben. Die<br />
S<strong>ch</strong>leuser verlagern ihre Aktivitäten auf immer<br />
s<strong>ch</strong>werer an der Grenze festzustellende Beihilfen<br />
zu illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt.<br />
Organisierte<br />
S<strong>ch</strong>leusungskriminalität<br />
Die S<strong>ch</strong>lepperbanden und ihre Klientel sind<br />
multinational zusammengesetzt. Aktivitäten und<br />
Verbindungspersonen wurden 2005 in vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Ländern inner- und ausserhalb der EU<br />
registriert. Für die organisierte<br />
S<strong>ch</strong>leusungskriminalität ist<br />
die S<strong>ch</strong>weiz bis heute vorwiegend<br />
Transitstaat, in dem illegale<br />
Migranten untertau<strong>ch</strong>en<br />
oder mit einer neuen Identität<br />
ausgestattet in die EU oder na<strong>ch</strong> Übersee weiterges<strong>ch</strong>leust<br />
werden. Kantonale und nationale<br />
Ermittlungen hatten bisher wenig Erfolg. Bislang<br />
konnte kein einziges Bundesverfahren<br />
wegen organisierter S<strong>ch</strong>leusungskriminalität eröffnet<br />
werden.<br />
Anpassungsfähigkeit<br />
der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggler<br />
Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggler passen ihre Modi Operandi<br />
den si<strong>ch</strong> ändernden Bestimmungen im<br />
Asyl- und Ausländerre<strong>ch</strong>t flexibel an. Sie wählten<br />
2005 vielfa<strong>ch</strong> Einreiseformen, die den S<strong>ch</strong>ein der<br />
Legalität wahrten, wie etwa S<strong>ch</strong>einehen oder die<br />
Einreise als Tourist oder Student. Au<strong>ch</strong> Visumsbefreiungen<br />
ma<strong>ch</strong>en Grenzs<strong>ch</strong>leusungen obsolet.<br />
Wo kein Visum verlangt wird und die Einreise auf<br />
einfa<strong>ch</strong>em, legalem Weg erfolgen kann, bedarf es<br />
der Hilfe eines S<strong>ch</strong>leppers ni<strong>ch</strong>t.<br />
Mit Verkauf und Verleih e<strong>ch</strong>ter, gültiger Papiere<br />
verdienten S<strong>ch</strong>lepper 2005 viel Geld. Der<br />
Verkauf eines ers<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>enen S<strong>ch</strong>weizervisums<br />
bra<strong>ch</strong>te bereits dreistellige Summen ein. In mehreren<br />
offiziellen S<strong>ch</strong>weizer Auslandsvertretungen<br />
kam in diesem Zusammenhang Korruptions-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
verda<strong>ch</strong>t auf. Mehrere registrierte Fälle von<br />
S<strong>ch</strong>einehen belegen die Betätigung von S<strong>ch</strong>lepperorganisationen<br />
in Ehe- und Partnervermitt-<br />
lungsges<strong>ch</strong>äften. Für kriminelle<br />
und terroristis<strong>ch</strong>e Akteure<br />
erwiesen si<strong>ch</strong> Ehes<strong>ch</strong>liessungen<br />
als besonders<br />
vorteilhaft. Na<strong>ch</strong> Erwerb der<br />
Niederlassung ist es kaum und na<strong>ch</strong> Erwerb des<br />
S<strong>ch</strong>weizer Bürgerre<strong>ch</strong>tes ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, die betreffende<br />
Person auszuweisen. Private Spra<strong>ch</strong>und<br />
Hotelleries<strong>ch</strong>ulen stellten ein zunehmend<br />
attraktives Feld für die <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>leusungskriminalität<br />
dar. Die S<strong>ch</strong>lepper profitieren hier<br />
davon, dass es na<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>em Re<strong>ch</strong>t sehr<br />
einfa<strong>ch</strong> ist, private, ni<strong>ch</strong>t öffentli<strong>ch</strong> subventionierte<br />
S<strong>ch</strong>ulen zu eröffnen.<br />
Wi<strong>ch</strong>tige Fälle 2005<br />
Verkauf und Verleih e<strong>ch</strong>ter,<br />
gültiger Papiere war 2005<br />
ein lukratives Ges<strong>ch</strong>äft.<br />
● S<strong>ch</strong>lepper versu<strong>ch</strong>ten wiederholt bei S<strong>ch</strong>weizer<br />
Auslandsvertretungen mit Beste<strong>ch</strong>ung,<br />
aber au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> physis<strong>ch</strong>en und psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />
Druck auf das Personal,Visa zu erlangen.Ende<br />
2004 und 2005 wurden in Peru, Russland,<br />
Oman, der Demokratis<strong>ch</strong>en Republik Kongo,<br />
Nigeria sowie Serbien und Montenegro Hunderte<br />
von Visa unre<strong>ch</strong>tmässig ausgestellt.<br />
● Im September wurden bei einem Einbru<strong>ch</strong> in<br />
die S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in Madrid mehrere<br />
Dutzend S<strong>ch</strong>weizer Blankopässe und Visaformulare<br />
gestohlen.<br />
● Im Kanton Glarus wurde eine S<strong>ch</strong>einehe zwis<strong>ch</strong>en<br />
einer S<strong>ch</strong>weizerin und einem Kosovo-<br />
Albaner aufgedeckt, der Kommandant der<br />
Befreiungsarmee von Presevo, Medveda und<br />
Bujanovac war. Die Ehe war 2003 vom damals<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz lebenden Bruder des Ehemannes<br />
arrangiert worden. Der S<strong>ch</strong>weizerin,<br />
einer Sozialhilfeempfängerin, wurden für die<br />
Ehes<strong>ch</strong>liessung Geldbeträge von bis zu 30’000<br />
Franken plus monatli<strong>ch</strong>e Zahlungen von 1’999<br />
Franken geboten, jedo<strong>ch</strong> nur zum Teil ausgezahlt.<br />
Die Familie des Gatten drohte der<br />
Frau zudem mit Gewalt,falls sie die S<strong>ch</strong>einehe<br />
denunziere.<br />
● Wiederholt reisten Chinesen in Gruppen von<br />
bis zu mehreren Dutzend Personen mit einem<br />
Touristenvisum in die S<strong>ch</strong>weiz ein und tau<strong>ch</strong>ten<br />
unter. Vermutli<strong>ch</strong> dient in diesen Fällen<br />
das Touristenvisum dazu, in die EU, vornehmli<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong> Frankrei<strong>ch</strong> oder Grossbritannien,<br />
weiterzureisen und dort s<strong>ch</strong>warz zu arbeiten.<br />
Mit dem in den Na<strong>ch</strong>barstaaten der S<strong>ch</strong>weiz
verzei<strong>ch</strong>neten Anwa<strong>ch</strong>sen der <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>en<br />
Diaspora gewinnt die S<strong>ch</strong>weiz als Transitland<br />
an Bedeutung.<br />
● Es wurden zahlrei<strong>ch</strong>e Fälle aufgedeckt, in<br />
denen Studenten privater Hotellerie- und<br />
Spra<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen für den Erhalt einer Einreiseund<br />
Aufenthaltsbewilligung nur zum S<strong>ch</strong>ein<br />
einges<strong>ch</strong>rieben waren. Allein der Kanton<br />
Bern registrierte drei Fälle. In einem Fall<br />
eröffnete der S<strong>ch</strong>lepper selbst die S<strong>ch</strong>ule und<br />
täus<strong>ch</strong>te Lehrpläne und Unterri<strong>ch</strong>t vor. Er<br />
s<strong>ch</strong>leuste zwanzig Personen in die S<strong>ch</strong>weiz<br />
und kassierte pro Visum mehrere tausend<br />
Franken.<br />
BEURTEILUNG<br />
Bezüge zu anderen Delikten<br />
Internationale Organisationen gehen heute<br />
davon aus, dass Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel und Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
weltweit zu den gewinnträ<strong>ch</strong>tigsten<br />
Kriminalitätsformen gehören.<br />
Enge Bezüge bestehen zu<br />
Geldwäs<strong>ch</strong>erei und Drogenhandel.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz ist von<br />
dieser Entwicklung ebenfalls<br />
betroffen. Obwohl auf der Basis der heutigen<br />
Informationslage in der S<strong>ch</strong>weiz keine grossen<br />
kriminellen Strukturen im Berei<strong>ch</strong> des Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />
erkennbar sind, dürfen die Aus-<br />
Weltweit eine der gewinnträ<strong>ch</strong>tigstenKriminalitätsformen.<br />
5.8. Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
LAGE<br />
Weltweit alarmierende Zunahme<br />
Aufgrund hoher Gewinnmargen bei geringem<br />
Risiko für die Täter nahm der Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
weltweit zu. Die Organisation für Si<strong>ch</strong>erheit und<br />
Zusammenarbeit in Europa s<strong>ch</strong>ätzt, dass mittlerweile<br />
der Umsatz des Mens<strong>ch</strong>enhandels den des<br />
Drogen- und Waffenhandels übertrifft und si<strong>ch</strong><br />
auf jährli<strong>ch</strong> 35 Milliarden US-Dollar beläuft. Die<br />
Internationale Organisation für Migration (IOM)<br />
geht davon aus,dass allein in Europa jährli<strong>ch</strong> über<br />
200’000 Mens<strong>ch</strong>en Opfer des Mens<strong>ch</strong>enhandels<br />
werden.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
wirkungen aller Formen des S<strong>ch</strong>muggels, also<br />
au<strong>ch</strong> von Einzeltätern oder Kleingruppen, ni<strong>ch</strong>t<br />
unters<strong>ch</strong>ätzt werden. Dies gerade au<strong>ch</strong>, weil enge<br />
Bezüge zu weiteren kriminellen Aktivitäten<br />
bestehen und der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel teilweise<br />
nur s<strong>ch</strong>wer vom Mens<strong>ch</strong>enhandel abgegrenzt werden<br />
kann.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Transnationales Delikt<br />
Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel ist ein transnationales<br />
Delikt. Angesi<strong>ch</strong>ts der weltweiten Entwicklung<br />
wird die S<strong>ch</strong>weiz zumindest<br />
mittelfristig ni<strong>ch</strong>t mit einem Mittelfristig ni<strong>ch</strong>t mit<br />
Rückgang dieses Kriminali- Rückgang des Mens<strong>ch</strong>entätsphänomens<br />
re<strong>ch</strong>nen köns<strong>ch</strong>muggels zu re<strong>ch</strong>nen.<br />
nen und muss ihre re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
und polizeili<strong>ch</strong>en Instrumente entspre<strong>ch</strong>end stärken.<br />
Dazu zählen au<strong>ch</strong> die 2005 bes<strong>ch</strong>lossene<br />
Assoziierung der S<strong>ch</strong>weiz zum S<strong>ch</strong>engener<br />
Abkommen und der Beitritt zu Europol, wel<strong>ch</strong>e<br />
die Bekämpfung des internationalen Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggels<br />
künftig erlei<strong>ch</strong>tern werden. Der<br />
Zugriff der S<strong>ch</strong>weiz auf gesamteuropäis<strong>ch</strong>e<br />
Fahndungs- und Personendatenbanken wird die<br />
Ermittlungen gegen die und Strafverfolgung der<br />
S<strong>ch</strong>leusungskriminalität unterstützen und zu<br />
einer engeren europäis<strong>ch</strong>en Zusammenarbeit<br />
führen.<br />
Registriert wurde 2005 eine weltweit zunehmende<br />
Brutalität in der Ausbeutung der<br />
Sexualität und der Arbeitskraft. Die Täter bra<strong>ch</strong>-<br />
ten die mit einwandfreien<br />
Papieren ausgestatteten Opfer<br />
vermehrt über offizielle<br />
Grenzübergänge. Eine sol<strong>ch</strong>e<br />
Einreise verringert das Auf-<br />
Weltweit zunehmende<br />
Brutalität im Mens<strong>ch</strong>enhandel.<br />
griffsrisiko für Täter und Opfer.Dur<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>einbare<br />
Legalität bleibt der Mens<strong>ch</strong>enhandel oft<br />
länger unbemerkt, während die Betroffenen über<br />
längere Zeit zu Prostitution und Arbeit gezwungen<br />
werden.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 61
Wa<strong>ch</strong>stum des Rotli<strong>ch</strong>tmilieus<br />
und zuehmende<br />
Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft<br />
62<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 5. ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
Situation in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die weltweite Entwicklung widerspiegelt si<strong>ch</strong><br />
in der S<strong>ch</strong>weiz vor allem im Wa<strong>ch</strong>stum des Rotli<strong>ch</strong>tmilieus<br />
und einer zunehmenden Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft.<br />
Glei<strong>ch</strong>zeitig führten die verstärkten<br />
staatli<strong>ch</strong>en Anstrengungen im<br />
Kampf gegen den Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
zu einer Zunahme der<br />
Strafverfahren. Während es<br />
2004 zu zwei Verurteilungen<br />
wegen Mens<strong>ch</strong>enhandels gemäss Artikel 196<br />
StGB kam, ist für 2005 mit einem Mehrfa<strong>ch</strong>en<br />
davon zu re<strong>ch</strong>nen, was aber erst mit Vorliegen<br />
re<strong>ch</strong>tskräftiger Urteile abs<strong>ch</strong>liessend festgestellt<br />
werden kann. In zwei Fällen von s<strong>ch</strong>werem<br />
Mens<strong>ch</strong>enhandel wurden Freiheitsstrafen von<br />
mehreren Monaten bis zu zwei Jahren verhängt.<br />
Täter und Opfer stammten in beiden Fällen aus<br />
demselben osteuropäis<strong>ch</strong>en Staat. Unter den Tätern<br />
fanden si<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> viele Frauen wie Männer,<br />
die Opfer waren auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Frauen. Die Opfer<br />
waren in ihrer Heimat rekrutiert,mit dem Verspre<strong>ch</strong>en<br />
guter Verdienstmögli<strong>ch</strong>keiten in die<br />
S<strong>ch</strong>weiz ges<strong>ch</strong>leust und mit physis<strong>ch</strong>er und psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />
Gewalt zum Teil in mehreren Etablissements<br />
zur Prostitution gezwungen worden.<br />
In der gesamten S<strong>ch</strong>weiz nahm 2005 die Zahl<br />
der Prostituierten und eins<strong>ch</strong>lägiger Einri<strong>ch</strong>tungen<br />
zu. In Züri<strong>ch</strong> zum Beispiel stieg seit 2003 die<br />
Zahl der Prostituierten um beinahe zwanzig<br />
Prozent; im Kanton Basel Stadt eröffnete 2005<br />
im S<strong>ch</strong>nitt alle zwei Wo<strong>ch</strong>en ein neues Rotli<strong>ch</strong>tlokal.<br />
S<strong>ch</strong>weizweit wird der Erlös der Rotli<strong>ch</strong>tbran<strong>ch</strong>e<br />
auf jährli<strong>ch</strong> etwa 3,2 Milliarden Franken<br />
ges<strong>ch</strong>ätzt.<br />
Die Zahl der Personen, die Opfer des Mens<strong>ch</strong>enhandels<br />
wurden und ans<strong>ch</strong>liessend ein Asylgesu<strong>ch</strong><br />
stellten, ist bisher vers<strong>ch</strong>windend gering.<br />
BEURTEILUNG<br />
Vers<strong>ch</strong>iebungen im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu<br />
Wa<strong>ch</strong>stum und Gewinnsteigerung locken Kriminelle<br />
aus dem In- und Ausland an. Verteilungskämpfe<br />
und die au<strong>ch</strong> in der Öffentli<strong>ch</strong>keit wahrnehmbaren<br />
Vers<strong>ch</strong>iebungen im Markt destabilisieren<br />
die Bran<strong>ch</strong>e. Im Kanton Solothurn kam<br />
es 2005 zu S<strong>ch</strong>iessereien und Brandstiftung in<br />
diversen Etablissements. In Züri<strong>ch</strong> wurde eine<br />
einflussrei<strong>ch</strong>e Milieufigur ermordet. In mehreren<br />
Fällen wurden Opfer von Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
in engen Kellerverliesen aufgefunden, andere<br />
wurden zum Verkauf von Drogen und zu überhöhten<br />
Geldabgaben gezwungen. Vereinzelt<br />
wurde den Frauen massive Gewalt angetan; es<br />
wurden ihnen Verletzungen beigebra<strong>ch</strong>t, um sie<br />
gefügig zu ma<strong>ch</strong>en.<br />
Ausbeutung von Sexualität<br />
und Arbeitskraft<br />
Mens<strong>ch</strong>enhandel in der S<strong>ch</strong>weiz spielt si<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong> wie vor überwiegend im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu ab.<br />
Die wi<strong>ch</strong>tigsten Tätergruppen<br />
gegen die 2005 Ermittlungsund<br />
Strafverfahren wegen<br />
Mens<strong>ch</strong>enhandels und Förderung<br />
der Prostitution eröffnet<br />
wurden, sowie ihre Opfer, stammen aus Südostund<br />
Osteuropa, der GUS, aus Südamerika und<br />
Asien. Im Trend liegt der Handel mit Frauen und<br />
Transvestiten aus Brasilien. Eins<strong>ch</strong>leusung und<br />
Platzierung der Opfer erfolgten mit grosser<br />
Professionalität. Im Einzelfall gab es 2005 au<strong>ch</strong><br />
Hinweise auf organisierte Kriminalität; in der<br />
Mehrzahl der Fälle wird jedo<strong>ch</strong> sexuelle Ausbeutung<br />
und Mens<strong>ch</strong>enhandel in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
weiterhin von Einzeltätern oder kleinen Gruppen<br />
organisiert.<br />
Fälle von Ausbeutung der Arbeitskraft sind<br />
marginal und wurden 2005 vor allem bei privaten<br />
Haushaltshilfen registriert. In Einzelfällen wurden<br />
ausländis<strong>ch</strong>e Minderjährige sowohl im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu<br />
wie in der Hauswirts<strong>ch</strong>aft Opfer von<br />
Ausbeutung.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Zunahme von Mens<strong>ch</strong>enhandel<br />
wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />
Mens<strong>ch</strong>enhandel in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz überwiegend im<br />
Rotli<strong>ch</strong>tmilieu.<br />
Die Entwicklungen weltweit und in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz lassen eine Zunahme des Mens<strong>ch</strong>enhandels<br />
aus Südost- und Osteuropa als wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />
ers<strong>ch</strong>einen. Wie weit die Assoziierung zu<br />
S<strong>ch</strong>engen und Dublin hier korrigierend eingreift,<br />
lässt si<strong>ch</strong> aus heutiger Si<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>liessend<br />
beurteilen. Allerdings hat die Entwicklung in<br />
den Na<strong>ch</strong>barstaaten Deuts<strong>ch</strong>land und Italien<br />
gezeigt, dass Visumsbefreiung ni<strong>ch</strong>t zwangsläufig<br />
den Mens<strong>ch</strong>enhandel eindämmt. Die Gefahr, an<br />
Mens<strong>ch</strong>enhändler zu geraten, ist im Rotli<strong>ch</strong>tmilieu<br />
trotz legaler Einreise und Aufenthalt für<br />
Prostituierte gross. ■
<strong>BERICHT</strong> 2005<br />
6. Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
und Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
6.1. Geldwäs<strong>ch</strong>erei 64<br />
6.2. Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität 65<br />
6.3. Korruption 66<br />
6.4. Fals<strong>ch</strong>geld 67
64<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />
6.1. Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
LAGE<br />
Zentrale Bedeutung für die S<strong>ch</strong>weiz<br />
In der internationalen Strafverfolgung und<br />
Re<strong>ch</strong>tshilfe bleibt das Delikt der Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
für die S<strong>ch</strong>weiz besonders im Zusammenhang mit<br />
Drogen- und Wirts<strong>ch</strong>aftsdelikten von zentraler<br />
Bedeutung. Die Ermittlungsverfahren, die auf<br />
Bundesebene geführt werden, haben mehrheitli<strong>ch</strong><br />
den Tatbestand der Geldwäs<strong>ch</strong>erei zum<br />
Gegenstand.<br />
Fall Adamov<br />
Evgenij Adamov<br />
an Russland ausgeliefert.<br />
Im Mai 2005 wurde der ehemalige russis<strong>ch</strong>e<br />
Atomminister Evgenij Adamov auf Ersu<strong>ch</strong>en<br />
der USA in der S<strong>ch</strong>weiz verhaftet. Die USA<br />
werfen ihm vor, in seiner Amtszeit Ende der<br />
Neunzigerjahre neun Millionen Dollar amerika-<br />
nis<strong>ch</strong>er Hilfsgelder veruntreut<br />
und in den USA gewas<strong>ch</strong>en zu<br />
haben. Adamov war im März<br />
2001 in Russland wegen Korruption<br />
und Abwicklung illegaler Ges<strong>ch</strong>äfte aus<br />
dem Amt entlassen worden; eine Strafuntersu<strong>ch</strong>ung<br />
wurde jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t eröffnet. Na<strong>ch</strong> der<br />
Verhaftung Adamovs in der S<strong>ch</strong>weiz und dem<br />
Eingang eines Auslieferungsersu<strong>ch</strong>ens aus den<br />
USA forderte au<strong>ch</strong> Russland seine Auslieferung.<br />
Im Dezember ents<strong>ch</strong>ied das Bundesgeri<strong>ch</strong>t zugunsten<br />
des russis<strong>ch</strong>en Gesu<strong>ch</strong>s. Er wurde no<strong>ch</strong><br />
im selben Monat ausgeliefert.<br />
Urteil des Bundesstrafgeri<strong>ch</strong>ts<br />
Im Juni 2005 erging am Bundesstrafgeri<strong>ch</strong>t<br />
das erste Geldwäs<strong>ch</strong>erei-Urteil im Zusammenhang<br />
mit den neuen Bundeskompetenzen in<br />
der Strafverfolgung. Ein ehemaliger S<strong>ch</strong>weizer<br />
Bots<strong>ch</strong>after in Luxemburg wurde in erster Instanz<br />
unter anderem wegen gewerbsmässiger Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
und Veruntreuung zu 42 Monaten<br />
Zu<strong>ch</strong>thaus verurteilt. Er hatte für einen international<br />
tätigen Drogenhändlerring rund 2,4 Millionen<br />
S<strong>ch</strong>weizer Franken unter anderem über sein<br />
eigenes Bankkonto gewas<strong>ch</strong>en. Das Urteil ist<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>tskräftig.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
BEURTEILUNG<br />
Abhängigkeit von Re<strong>ch</strong>tshilfe<br />
Die repressive Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />
fand 2005 in der S<strong>ch</strong>weiz weiterhin unter be-<br />
sonderen Vorzei<strong>ch</strong>en statt.<br />
Gerade in komplexen Fällen<br />
wurde die Vortat oft im Ausland<br />
begangen, und es wurde<br />
nur versu<strong>ch</strong>t, die Gewinne<br />
aus dem Verbre<strong>ch</strong>en hier zu<br />
platzieren. Die S<strong>ch</strong>weiz war daher in der Beweisführung<br />
in einem eigenen Strafverfahren auf<br />
die Zusammenarbeit mit dem Staat angewiesen,<br />
in dem die Vortat begangen worden war. Konnten<br />
ni<strong>ch</strong>t genügend Mittel zum Beweis der Vortat<br />
erhoben werden, s<strong>ch</strong>eiterte das Verfahren in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Zudem wurde eine grössere Anzahl von Fällen<br />
auf dem Re<strong>ch</strong>tshilfeweg erledigt oder aus<br />
prozesste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Gründen in einigen Fällen<br />
an das Land delegiert,in dem die Vortat begangen<br />
worden war. Die Strafurteilsstatistik zei<strong>ch</strong>net<br />
daher nur ein sehr begrenztes Bild der repressiven<br />
Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung. Die S<strong>ch</strong>weizer Strafverfolgungsbehörden<br />
lieferten oft wi<strong>ch</strong>tige Beiträge<br />
für die internationale Bekämpfung der<br />
Geldwäs<strong>ch</strong>erei, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zwingend in der<br />
S<strong>ch</strong>weizer Urteilsstatistik nieders<strong>ch</strong>lagen.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Pragmatis<strong>ch</strong>e Lösungen mögli<strong>ch</strong><br />
Repressive Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />
findet in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz unter besonderen<br />
Vorzei<strong>ch</strong>en statt.<br />
Der Regulierungsdruck auf den Finanzplatz<br />
S<strong>ch</strong>weiz wird aufgrund der internationalen Entwicklungen<br />
wie der Totalrevision entlang der<br />
vierzig Empfehlungen der Financial Action Task<br />
Force und der dritten EU-Ri<strong>ch</strong>tlinie zur Geldwäs<strong>ch</strong>erei<br />
weiter ho<strong>ch</strong> bleiben. Die S<strong>ch</strong>weiz wird<br />
dabei aufgrund der internationalen Bedeutung<br />
des Finanzplatzes zusammen<br />
mit anderen Ländern besonders<br />
im Fokus stehen. Die<br />
internationalen Bestimmungen<br />
lassen aber si<strong>ch</strong>er Raum<br />
für pragmatis<strong>ch</strong>e Lösungen.<br />
Grundsätzli<strong>ch</strong> gilt, dass die S<strong>ch</strong>weiz weiterhin<br />
über ein griffiges Dispositiv zur Geldwäs<strong>ch</strong>ereibekämpfung<br />
verfügt und in Einklang mit eins<strong>ch</strong>lägigen<br />
internationalen Standards steht.<br />
S<strong>ch</strong>weiz zusammen mit anderen<br />
Ländern aufgrund der<br />
internationalen Bedeutung<br />
des Finanzplatzes im Fokus.
LAGE<br />
Zahlrei<strong>ch</strong>e Fälle<br />
von Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
Wie in den vorangehenden Jahren gab es au<strong>ch</strong><br />
2005 zahlrei<strong>ch</strong>e Fälle von Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz. Hier zu erwähnen sind zum Beispiel<br />
Anlagebetrügereien.<br />
S<strong>ch</strong>weizer Filiale<br />
einer türkis<strong>ch</strong>en Holding<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz hat die Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
2003 ein Strafverfahren des Kantons Basel Land<br />
übernommen und ein geri<strong>ch</strong>tspolizeili<strong>ch</strong>es Ermittlungsverfahren<br />
wegen Verda<strong>ch</strong>ts auf Betrug<br />
und Geldwäs<strong>ch</strong>erei eingeleitet. Die Untersu<strong>ch</strong>ung<br />
ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> gegen fünf Führungskräfte<br />
der S<strong>ch</strong>weizer Filiale einer in der Türkei niedergelassenen<br />
Holding. Diese werden verdä<strong>ch</strong>tigt,<br />
mehrere tausend Personen ges<strong>ch</strong>ädigt zu haben.<br />
In diesem Fall wird europaweit mehreren Anges<strong>ch</strong>uldigten<br />
unter anderem vorgeworfen, si<strong>ch</strong><br />
auf Kosten mehrerer hunderttausend Mitglieder,<br />
vorwiegend aus der türkis<strong>ch</strong>-islamis<strong>ch</strong>en Diaspora<br />
in Europa, hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land, berei<strong>ch</strong>ert<br />
zu haben. Diese sollen ihren Opfern angebli<strong>ch</strong><br />
mit dem Islam konforme und hohe Gewinne<br />
abwerfende Investitionen vorges<strong>ch</strong>lagen<br />
haben, die für die<br />
türkis<strong>ch</strong>e Industrie und zur<br />
S<strong>ch</strong>affung von Arbeitsplätzen<br />
in der Türkei wi<strong>ch</strong>tig seien.<br />
Die Gesamts<strong>ch</strong>adensumme wird auf mehrere<br />
Milliarden Euro ges<strong>ch</strong>ätzt.In vielen europäis<strong>ch</strong>en<br />
Ländern wurden Zivil- und Strafverfahren eröffnet.<br />
Internationales<br />
Firmen- und Fondsnetz<br />
Ende 2004 übernahm die S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />
Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft von den Kantonen Basel<br />
Stadt und Züri<strong>ch</strong> die Strafverfahren gegen a<strong>ch</strong>t<br />
Personen und eröffnete ein geri<strong>ch</strong>tspolizeili<strong>ch</strong>es<br />
Ermittlungsverfahren wegen Verda<strong>ch</strong>ts des Betruges<br />
und der Geldwäs<strong>ch</strong>erei.Die Anges<strong>ch</strong>uldigten<br />
bedienten si<strong>ch</strong> eines komplexen internationalen<br />
Firmen- und Fondsnetzes, das teilweise in Off-<br />
Shore-Finanzplätzen in der Karibik domiziliert ist<br />
und bei den Investoren Vertrauen erweckte. Das<br />
<strong>BERICHT</strong> 2004 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />
6.2. Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
Gesamts<strong>ch</strong>adensumme in<br />
Europa auf mehrere Milliarden<br />
Euro ges<strong>ch</strong>ätzt.<br />
Anlagesystem war angebli<strong>ch</strong> krisensi<strong>ch</strong>er und<br />
renditeträ<strong>ch</strong>tig. Die bisherigen Ermittlungen erhärteten<br />
den Verda<strong>ch</strong>t, dass Investorengelder<br />
ni<strong>ch</strong>t vereinbarungsgemäss verwendet wurden<br />
und ein beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Teil der Anlagen direkt in<br />
Form von Provisionen und Vergütungen an die<br />
Bes<strong>ch</strong>uldigten floss. Der S<strong>ch</strong>aden dürfte si<strong>ch</strong> auf<br />
mehrere hundert Millionen S<strong>ch</strong>weizer Franken<br />
belaufen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Langwierige Verfahren<br />
Die Verfahren im Berei<strong>ch</strong> Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
können lang dauern und bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Mittel<br />
der Polizei und Justiz binden. Dies geht vor allem<br />
auf die zahlrei<strong>ch</strong>en internationalen Re<strong>ch</strong>tshilfeersu<strong>ch</strong>en<br />
zurück, besonders wenn sie Off-<br />
Shore-Finanzzentren wie die Bahamas, British<br />
Virgin Islands oder Panama betreffen, mit denen<br />
keine Re<strong>ch</strong>tshilfeabkommen bestehen. Zahlrei<strong>ch</strong>e<br />
Beweiserhebungen im Ausland müssen<br />
auf dem langwierigen Re<strong>ch</strong>tshilfeweg getätigt<br />
werden.<br />
Keine Gefahr für die innere<br />
Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Ohne den Ergebnissen der laufenden Ermittlungen<br />
und den Strafverfahren vorzugreifen,<br />
kann allgemein festgehalten<br />
werden, dass die Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
für die S<strong>ch</strong>weiz<br />
keine grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedrohung<br />
der inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />
darstellt. Sie gefährdet gegenwärtig<br />
au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t das Funktionieren der legalen<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft. Die Sensibilisierung der Öffentli<strong>ch</strong>keit<br />
für betrügeris<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften bleibt<br />
eines der wirksamsten Mittel der Betrugsbekämpfung.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Betrügereien mit Anlagefonds<br />
Sensibilisierung der<br />
Öffentli<strong>ch</strong>keit eines der<br />
wirksamsten Mittel der<br />
Betrugsbekämpfung<br />
Aufgrund der mögli<strong>ch</strong>en Gewinne wird die<br />
Anzahl Fälle von Betrügereien mit Anlagefonds<br />
in den nä<strong>ch</strong>sten Jahren wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aufhören<br />
anzusteigen.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
65
LAGE<br />
S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong> 2005 in<br />
der Spitzengruppe der am<br />
wenigsten korrupten<br />
Länder klassiert.<br />
66<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />
Prävention, Wa<strong>ch</strong>samkeit<br />
und Repression<br />
Die effektivsten Bekämpfungsformen von<br />
Betrug werden die öffentli<strong>ch</strong>e und private Vor-<br />
6.3. Korruption<br />
Das neue Korruptionsstrafre<strong>ch</strong>t<br />
Aufgrund des seit dem 1. Mai 2000 vers<strong>ch</strong>ärften<br />
Korruptionsstrafre<strong>ch</strong>ts wurden in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
bis Ende 2004 auf kantonaler Ebene 31 Urteile<br />
gefällt. Rund zwei Drittel der Verurteilten ma<strong>ch</strong>ten<br />
si<strong>ch</strong> der aktiven Beste<strong>ch</strong>ung von S<strong>ch</strong>weizer<br />
Amtsträgern s<strong>ch</strong>uldig. Ein einziges Urteil erging<br />
wegen Beste<strong>ch</strong>ung eines fremden Amtsträgers.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz gehört gemäss Transparency<br />
International (TI), einer Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisation,<br />
die si<strong>ch</strong> für die Einhaltung der international<br />
gültigen Grundsätze und Regeln im Kampf<br />
gegen die Korruption einsetzt, zu jener Staaten-<br />
gruppe, in der die Korruption<br />
von inländis<strong>ch</strong>en Amtsträgern<br />
als marginales Phänomen<br />
wahrgenommen wird. Gemäss<br />
Corruption Perceptions Index<br />
von TI war die S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong><br />
2005 in der Spitzengruppe der am wenigsten korrupten<br />
Länder klassiert. Denno<strong>ch</strong> treten in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz regelmässig Beste<strong>ch</strong>ungsfälle auf. Die<br />
Ans<strong>ch</strong>uldigungen gegen EDA-Mitarbeiter, für<br />
einen Aufpreis illegal Visa ausgestellt zu haben<br />
oder Verdä<strong>ch</strong>tigungen im Zusammenhang mit<br />
unter Marktpreisen verkauften Immobilien der<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Unfallversi<strong>ch</strong>erungsanstalt im<br />
Tessin benennen nur einige Fälle, in denen im<br />
Beri<strong>ch</strong>tsjahr Verfahren eröffnet wurden.<br />
Beste<strong>ch</strong>ung<br />
ausländis<strong>ch</strong>er Amtsträger<br />
Besonders s<strong>ch</strong>wierig ist die Eins<strong>ch</strong>ätzung des<br />
dur<strong>ch</strong> die Konvention der Organisation für Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(OECD) bekämpften und in der S<strong>ch</strong>weiz seit dem<br />
1. Mai 2000 unter Strafe stehenden Phänomens<br />
der Beste<strong>ch</strong>ung ausländis<strong>ch</strong>er Amtsträger. Unternehmen,<br />
die in Ländern mit systematis<strong>ch</strong>er<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
si<strong>ch</strong>t, sodann die Wa<strong>ch</strong>samkeit aller, die ges<strong>ch</strong>äftli<strong>ch</strong>e<br />
und finanzielle Verbindungen mit einem<br />
Partner, au<strong>ch</strong> aus der eigenen Gemeins<strong>ch</strong>aft, eingehen<br />
wollen, und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> eine konsequente<br />
Strafverfolgung bleiben.<br />
Korruption arbeiten, werden regelmässig ermuntert,<br />
si<strong>ch</strong> ungere<strong>ch</strong>tfertigte Vorteile zu erkaufen.<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Strafverfolgungsbehörden erhalten<br />
dur<strong>ch</strong> den Umstand, dass die Tat primär das<br />
Ausland betrifft, oft nur zufällig Kenntnis von<br />
Verfehlungen.<br />
Die Vorstellung, es handle si<strong>ch</strong> bei der Beste<strong>ch</strong>ung<br />
ausländis<strong>ch</strong>er Amtsträger um eine system-<br />
bedingte Notwendigkeit, geht<br />
langsam verloren, do<strong>ch</strong> zeigen<br />
Beispiele wie das UNO-Hilfsprogramm<br />
«Öl für Lebensmittel»<br />
die Korruptionsanfälligkeit<br />
au<strong>ch</strong> renommierter internationaler Unternehmen.<br />
Wie die unabhängige Untersu<strong>ch</strong>ungskommission<br />
aufgedeckt hat, besteht der Verda<strong>ch</strong>t,<br />
dass 139 der am Ölexport beteiligten Unternehmen<br />
und 2’253 Handelsfirmen dem irakis<strong>ch</strong>en<br />
Regime in einer Zeitspanne von zwei<br />
Jahren so genannte Kickbacks, also geheime<br />
Rückzahlungen oder Aufpreise, von insgesamt<br />
1,8 Milliarden Dollar überwiesen haben. Darunter<br />
befinden si<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weizer Firmen oder in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz ansässige Unternehmen. Die S<strong>ch</strong>weizer<br />
Justizbehörden werden im Einzelfall prüfen, ob<br />
der Straftatbestand der Korruption oder anderer<br />
Strafnormen erfüllt ist.<br />
Privatbeste<strong>ch</strong>ung<br />
Korruptionsanfälligkeit<br />
au<strong>ch</strong> renommierter internationaler<br />
Unternehmen.<br />
Bei Fällen von Privatbeste<strong>ch</strong>ung ist der angeri<strong>ch</strong>tete<br />
S<strong>ch</strong>aden auf den ersten Blick ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>tbar.<br />
Opfer im herkömmli<strong>ch</strong>en Sinn gibt es keine.<br />
Aufgedeckt werden Privatbeste<strong>ch</strong>ungen in der<br />
Regel nur aufgrund von Hinweisen und Anzeigen<br />
von Drittpersonen. Zahlrei<strong>ch</strong>e Unternehmen geben<br />
bei Befragungen an, von Beste<strong>ch</strong>ungsvorfällen<br />
betroffen zu sein, bes<strong>ch</strong>liessen aber aus Fur<strong>ch</strong>t<br />
vor Reputationss<strong>ch</strong>äden, die Verfehlungen ohne<br />
die Eins<strong>ch</strong>altung der Behörden zu ahnden.
BEURTEILUNG<br />
Hohe Dunkelziffer<br />
Aus der Anzahl von Verurteilungen kann<br />
ni<strong>ch</strong>t unbedingt auf den wirkli<strong>ch</strong>en Umfang von<br />
Korruption ges<strong>ch</strong>lossen werden. Da es si<strong>ch</strong> bei<br />
Korruption um Delikte mit einer Doppeltäters<strong>ch</strong>aft<br />
handelt und sowohl der Beste<strong>ch</strong>ende wie<br />
der Besto<strong>ch</strong>ene ein Interesse an der Vers<strong>ch</strong>leierung<br />
der Tat haben, muss von einer im Verglei<strong>ch</strong><br />
mit anderen Deliktsfeldern hohen Dunkelziffer<br />
ausgegangen werden. Verlässli<strong>ch</strong>e Studien hierzu<br />
liegen ni<strong>ch</strong>t vor.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Korruption si<strong>ch</strong>tbar ma<strong>ch</strong>en<br />
Die Entwicklung hängt massgebli<strong>ch</strong> davon ab,<br />
ob es gelingen wird, Korruptionsabläufe si<strong>ch</strong>tbar<br />
6.4. Fals<strong>ch</strong>geld<br />
LAGE<br />
Fäls<strong>ch</strong>ungen von Fremdwährungen<br />
Seit der Euro in Europa das wi<strong>ch</strong>tigste Zahlungsmittel<br />
ist, ist ein Rückgang der si<strong>ch</strong>ergestellten<br />
Fäls<strong>ch</strong>ungen von US-Dollar festzustellen.<br />
Für die S<strong>ch</strong>weiz waren 2005 deshalb vor allem<br />
Fäls<strong>ch</strong>ungen von Euro von Bedeutung.<br />
Immer mehr im Druckverfahren hergestellte,<br />
qualitativ ho<strong>ch</strong>wertige Eurofäls<strong>ch</strong>ungen tau<strong>ch</strong>ten<br />
auf. Die Fäls<strong>ch</strong>ungen wurden in erster Linie<br />
im S<strong>ch</strong>weizer Notenhandel si<strong>ch</strong>ergestellt und<br />
stammten vorwiegend aus Frankrei<strong>ch</strong>, Italien<br />
und Bulgarien. In der S<strong>ch</strong>weiz wurden Fäls<strong>ch</strong>ungen<br />
vielfa<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ausländis<strong>ch</strong>e Staatsangehörige<br />
überwiegend in Verkaufsges<strong>ch</strong>äften oder in Spielkasinos<br />
abgesetzt. Es wurden jedo<strong>ch</strong> 2005 keine<br />
grossen Fälle verzei<strong>ch</strong>net.<br />
Einzeltäter bei Frankenfäls<strong>ch</strong>ungen<br />
Frankenfäls<strong>ch</strong>ungen wurden vorwiegend von<br />
Einzeltätern im Kopierverfahren mit Laser- oder<br />
Tintenstrahldruckern hergestellt. In der Regel<br />
handelte es si<strong>ch</strong> um vor- und rückseitige Tintenstrahldrucke<br />
ohne Na<strong>ch</strong>ahmung von Si<strong>ch</strong>erheitsmerkmalen.<br />
Die Fäls<strong>ch</strong>ungen sind au<strong>ch</strong> für den<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />
zu ma<strong>ch</strong>en und damit die Aufdeckungsrate zu<br />
erhöhen. Allein dur<strong>ch</strong> die Ausweitung der strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Bestimmung wird dies ni<strong>ch</strong>t zu errei<strong>ch</strong>en<br />
sein. Aufgrund der minimalen Aufdeckungswahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />
wird kaum eine präventive<br />
Wirkung erzielt. Es ist daher wie bis anhin<br />
mit vereinzelt zufällig aufgedeckten publikums-<br />
wirksamen Beste<strong>ch</strong>ungsfällen<br />
zu re<strong>ch</strong>nen. Am wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>sten<br />
sind dabei Korruptionshandlungen<br />
in den von<br />
den Experten als besonders<br />
anfällig für Korruption und Preisabspra<strong>ch</strong>en<br />
bezei<strong>ch</strong>neten Bran<strong>ch</strong>en Bauwesen, Immobilienwirts<strong>ch</strong>aft,<br />
Versi<strong>ch</strong>erungswesen, Handel und Finanzdienstleistungen.<br />
Ni<strong>ch</strong>tfa<strong>ch</strong>mann lei<strong>ch</strong>t erkennbar. Bei einigen<br />
Fäls<strong>ch</strong>ungen wurde dur<strong>ch</strong> die Täters<strong>ch</strong>aft ledigli<strong>ch</strong><br />
der Fensterfaden oder das Kinegramm mit<br />
einem Silberstift na<strong>ch</strong>geahmt. Die S<strong>ch</strong>adenhöhe<br />
der fals<strong>ch</strong>en in Umlauf gebra<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>weizerwährung<br />
liegt bei rund 0,01 Promille des gesamten<br />
Notenumlaufs.<br />
Mehr Fälle – kleinere Summen<br />
Vereinzelt zufällig aufgedeckte<br />
publikumswirksame<br />
Beste<strong>ch</strong>ungsfälle.<br />
2005 wurde 50,4 Prozent weniger Fals<strong>ch</strong>geld<br />
si<strong>ch</strong>ergestellt als im Vorjahr. Eine gegenläufige<br />
Entwicklung ist wie s<strong>ch</strong>on 2004 (Zunahme von<br />
22 Prozent) bei den eingegangenen Anzeigen zu<br />
beoba<strong>ch</strong>ten, die um rund 0,6 Prozent zugenommen<br />
haben. Diese Steigerung beruht auf einer<br />
Zunahme von Anzeigen, die nur kleinere Summen<br />
betrafen. Vermehrt wurden die Fäls<strong>ch</strong>ungen<br />
von den Opfern erkannt und führten zur Verhaftung<br />
beziehungsweise Anhaltung der Täter<br />
dur<strong>ch</strong> die Polizei.<br />
Zu den positiven Entwicklungen zählt ebenfalls,<br />
dass der Anteil der Jugendli<strong>ch</strong>en, die mit<br />
Hilfe von Computern hergestellte Farbkopiefäls<strong>ch</strong>ungen<br />
in Umlauf bra<strong>ch</strong>ten, von 13,5 Prozent<br />
vor drei Jahren auf 7,4 (2004) beziehungsweise 6,4<br />
Prozent (2005) drastis<strong>ch</strong> gesunken ist.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 67
68<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 6. GELDWÄSCHEREI UND WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT<br />
Fals<strong>ch</strong>e Euronote. Die 125-Eurofäls<strong>ch</strong>ung konnte<br />
in einem Solothurner Ges<strong>ch</strong>äft erfolgrei<strong>ch</strong> abgesetzt<br />
werden. FOTO POLIZEI<br />
BEURTEILUNG<br />
Keine gravierende Störung<br />
Gemäss Polizeistatistik wurde in den letzten<br />
Jahren im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt Fals<strong>ch</strong>geld in Höhe von<br />
rund 300’000 S<strong>ch</strong>weizer Franken erfolgrei<strong>ch</strong><br />
abgesetzt. Verglei<strong>ch</strong>t man diese Summe mit dem<br />
dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en Notenumlaufvolumen von<br />
jährli<strong>ch</strong> rund 34 Milliarden S<strong>ch</strong>weizer Franken,<br />
so kann ges<strong>ch</strong>lossen werden, dass dies zu keinen<br />
gravierenden Störungen der S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
führte.<br />
Fals<strong>ch</strong>e Euronoten bei S<strong>ch</strong>weizer Finanzinstituten<br />
abzusetzen, ist na<strong>ch</strong> wie vor s<strong>ch</strong>wierig.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Kein neuer Trend<br />
Aufgrund der geografis<strong>ch</strong>en Lage der S<strong>ch</strong>weiz<br />
als Transitland wird Fals<strong>ch</strong>geld au<strong>ch</strong> in Zukunft<br />
eine Rolle spielen. Gegenwärtig<br />
sind keine neuen Trends Keine s<strong>ch</strong>werwiegende<br />
bezügli<strong>ch</strong> Tätergruppen oder Störung der S<strong>ch</strong>weizer<br />
Vorgehensweisen erkennbar, Wirts<strong>ch</strong>aft zu erwarten.<br />
was einen ähnli<strong>ch</strong>en Umfang<br />
von im Umlauf befindli<strong>ch</strong>em Fals<strong>ch</strong>geld und<br />
weiterhin keine s<strong>ch</strong>werwiegende Störung der<br />
S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft erwarten lässt.
<strong>BERICHT</strong> 2005<br />
7. Weitere Aspekte der<br />
inneren Si<strong>ch</strong>erheit<br />
7.1. Allgemeine Kriminalität 70<br />
7.2. Jugend- und Gewaltkriminalität 70<br />
7.3. Hooliganismus 72<br />
7.4. Luftsi<strong>ch</strong>erheit 73<br />
7.5. Waffen, Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik 74<br />
7.6. Cyberkriminalität und Information Assurance 75<br />
7.7. Kinderpornografie 77<br />
7.8. Internationale Zusammenarbeit 80
70<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
7.1. Allgemeine Kriminalität<br />
LAGE<br />
Blitzeinbrü<strong>ch</strong>e<br />
Seit rund fünf Jahren sieht si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz mit<br />
dem Phänomen der so genannten Blitzeinbrü<strong>ch</strong>e<br />
in S<strong>ch</strong>muck- und Uhrenfa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfte konfrontiert.<br />
Gezielt werden dabei ho<strong>ch</strong>wertige Produkte<br />
gestohlen. Betroffen ist die gesamte S<strong>ch</strong>weiz,<br />
wobei grössere Ballungszentren Ziele der Einbre<strong>ch</strong>erbanden<br />
sind.<br />
Der Verkaufswert des gesamten Deliktsguts,<br />
ohne die verursa<strong>ch</strong>ten Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen etwa<br />
an Immobilien oder Fahrzeugen, bewegt si<strong>ch</strong> in<br />
zweistelliger Millionenhöhe. Die Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>äden<br />
betragen s<strong>ch</strong>ätzungsweise mehrere Millionen<br />
S<strong>ch</strong>weizer Franken.<br />
Von den zahlrei<strong>ch</strong>en gestohlenen Uhren, oftmals<br />
Luxusuhren, sind nur wenige, insgesamt<br />
weniger als fünf Prozent, wieder zum Vors<strong>ch</strong>ein<br />
gekommen. Ähnli<strong>ch</strong> verhält es si<strong>ch</strong> mit den in<br />
derselben Zeitspanne entwendeten S<strong>ch</strong>muckstücken.<br />
BEURTEILUNG<br />
Unbekannte Organisationsstruktur<br />
Bisher konnte keine übergeordnete Organisationsstruktur<br />
der vers<strong>ch</strong>iedenen Tätergruppen<br />
entdeckt werden. Die Erkenntnis, dass nur sehr<br />
wenige Teile des Deliktsguts wieder aufgefunden<br />
LAGE<br />
Aufsehen erregende Prozesse<br />
und Urteile<br />
Standen in den Vorjahren die unmittelbaren<br />
Taten im Mittelpunkt des medialen Interesses,<br />
sorgten 2005 hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Prozesse und Urteile<br />
gegen Minderjährige und junge Erwa<strong>ch</strong>sene für<br />
Aufsehen, die Gewaltdelikte begangen hatten.<br />
Die vier Gewaltstraftäter zum Beispiel, die beim<br />
Raubüberfall in der Postgasse in Bern im Jahr<br />
2003 das Opfer so brutal niederges<strong>ch</strong>lagen hatten,<br />
dass sie wegen versu<strong>ch</strong>ter vorsätzli<strong>ch</strong>er Tö-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
worden sind, lässt aber auf gut organisiere Ab-<br />
satzwege für das Diebesgut<br />
s<strong>ch</strong>liessen. Es ist ebenfalls<br />
davon auszugehen, dass zumindest<br />
Teile der gestohlenen<br />
S<strong>ch</strong>muckstücke wieder in den<br />
legalen Handel gelangen.<br />
Eine Konzentration zeigt si<strong>ch</strong> bei der Täters<strong>ch</strong>aft:<br />
Ein Grossteil stammt aus Südost- respektive<br />
Osteuropa. Neben der S<strong>ch</strong>weiz sind au<strong>ch</strong><br />
weitere europäis<strong>ch</strong>e Länder wie zum Beispiel<br />
Deuts<strong>ch</strong>land und Österrei<strong>ch</strong> von diesem Kriminalitätsphänomen<br />
betroffen.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Raubüberfälle statt Einbrü<strong>ch</strong>e<br />
Im Verglei<strong>ch</strong> zum Vorjahr waren 2005 die<br />
Blitzeinbrü<strong>ch</strong>e in Bijouterieges<strong>ch</strong>äfte rückläufig.<br />
Aus heutiger Si<strong>ch</strong>t dürfte dies auf zwei Faktoren<br />
zurückzuführen sein: auf bauli<strong>ch</strong>e Massnahmen<br />
zum besseren S<strong>ch</strong>utz der Bijouterien und auf die<br />
präventive Wirkung erfolgrei<strong>ch</strong>er polizeili<strong>ch</strong>er<br />
Ermittlungen mit der Festnahme mehrerer Täter.<br />
Aus Umfragen bei Na<strong>ch</strong>barstaaten wurde allerdings<br />
ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, dass verbesserte bauli<strong>ch</strong>e Massnahmen<br />
eine Verlagerung von Einbru<strong>ch</strong> zu Raub<br />
bewirkten. Dieser Trend könnte si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz manifestieren.<br />
7.2. Jugend- und Gewaltkriminalität<br />
tung unter Anklage standen, wurden zu elf, neun<br />
und se<strong>ch</strong>seinhalb Jahren Zu<strong>ch</strong>thaus verurteilt.<br />
Einer muss in eine Arbeitserziehungsanstalt. Die<br />
jungen Erwa<strong>ch</strong>senen, die 2003 in Yverdon einen<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en töteten, wurden vom Waadtländer<br />
Kreisgeri<strong>ch</strong>t zu 19 respektive 20 Jahren Zu<strong>ch</strong>thaus<br />
verurteilt.<br />
Trend zu mehr Gewalttätigkeit<br />
setzt si<strong>ch</strong> fort<br />
Bisher keine übergeordnete<br />
Organisationsstruktur der<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Tätergruppen<br />
entdeckt.<br />
Der seit längerem anhaltende Trend zu mehr<br />
Gewalttätigkeit bei Jugendli<strong>ch</strong>en setzte si<strong>ch</strong> fort.
Hohe Dunkelziffer bei<br />
s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren Formen von<br />
Gewaltdelikten.<br />
18 Prozent aller in der Polizeili<strong>ch</strong>en Kriminalstatistik<br />
(PKS) erfassten Anzeigen betrafen im<br />
Jahr 2004 minderjährige Täter und Täterinnen.<br />
Seit 1995 entspri<strong>ch</strong>t dies zwar einem Tiefststand.<br />
Wählt man jedo<strong>ch</strong> Anzeigen gegen Minderjährige<br />
zu Straftatbeständen gegen Leib und Leben<br />
(Tötungen, Körperverletzungen, Drohungen,<br />
Gewalt und Drohungen gegen Beamte und Behörden,<br />
Raub und Brandstiftung) und gegen die<br />
sexuelle Integrität aus, ma<strong>ch</strong>en diese zirka 23<br />
Prozent aller Anzeigen gegen Minderjährige aus.<br />
Ausser bei den Tötungs- und Raubdelikten sowie<br />
der Brandstiftung ist der Anteil Anzeigen gegen<br />
Minderjährige in allen diesen Delikten gegenüber<br />
dem Vorjahr angestiegen. Im Zehnjahresverglei<strong>ch</strong><br />
wird deutli<strong>ch</strong>, wie mehr oder weniger<br />
kontinuierli<strong>ch</strong> die Anzahl Anzeigen gegen Minderjährige<br />
bei den meisten Gewalt- und Sexualdelikten<br />
anstieg.<br />
Au<strong>ch</strong> die Entwicklung der Urteile gegen<br />
Minderjährige in den Jahren 1999 bis 2003 zeigt<br />
einen ansteigenden Trend. Zudem weist eine<br />
2005 an der Universität Lausanne dur<strong>ch</strong>geführte<br />
Befragung von Jugendli<strong>ch</strong>en darauf hin, dass im<br />
Verglei<strong>ch</strong> zu 1992 ni<strong>ch</strong>t nur eine effektive Zunahme<br />
der Anzahl jugendli<strong>ch</strong>er Täter feststellbar,<br />
sondern dass au<strong>ch</strong> die Anzahl verübter Delikte<br />
pro Person gestiegen ist.<br />
Einige Fa<strong>ch</strong>leute vertreten weiterhin die<br />
Meinung, der Anstieg sei vor allem auf eine<br />
gestiegene Sensibilität in der Gesells<strong>ch</strong>aft gegenüber<br />
Gewaltdelikten und auf eine dement-<br />
spre<strong>ch</strong>end erhöhte Anzeigebereits<strong>ch</strong>aft<br />
zurückzuführen.<br />
Andere Experten halten dem<br />
entgegen, dass gerade im Berei<strong>ch</strong><br />
der s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren Formen<br />
von Gewaltdelikten wie zum Beispiel Tätli<strong>ch</strong>keiten<br />
eine hohe Dunkelziffer vorhanden sei.<br />
Nur ein sehr kleiner Teil der Jugend<br />
kriminell auffällig<br />
Die Urteilsstatistik des Bundesamtes für Statistik<br />
für 2003 zeigt, dass nur zwei Promille der<br />
minderjährigen Wohnbevölkerung, das heisst der<br />
7- bis 18-Jährigen, wegen Gewaltdelikten verurteilt<br />
wurden. Dieser kleine Prozentsatz ma<strong>ch</strong>t<br />
zweierlei deutli<strong>ch</strong>: Die Anzahl Gewalttaten von<br />
Minderjährigen nahm zwar zu, und es sind Anzei<strong>ch</strong>en<br />
vorhanden, dass si<strong>ch</strong> die Gewalthandlungen<br />
in den letzten Jahren intensivierten, denno<strong>ch</strong><br />
wurde nur ein sehr kleiner Teil der Jugend kriminell<br />
auffällig. Zum anderen waren es aber gerade<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
die Gruppen von Intensivtätern, die über längere<br />
Zeit aktiv waren und immer s<strong>ch</strong>werer wiegende<br />
Gewalttaten verübten, die Polizeikräfte banden,<br />
Ängste in der Bevölkerung hervorriefen und<br />
anstiftend auf andere Jugendli<strong>ch</strong>e wirken konnten.<br />
Vor allem die Früherkennung, aber au<strong>ch</strong> angemessene<br />
präventive und repressive Reaktionen<br />
auf Gewalthandlungen dieser Risikogruppen<br />
können helfen, kriminelle Karrieren zu verhindern.<br />
BEURTEILUNG<br />
S<strong>ch</strong>wieriger Umgang<br />
mit Jugendgewalt<br />
Gewaltkriminalität von Jugendli<strong>ch</strong>en ist kein<br />
isoliertes Phänomen. Betra<strong>ch</strong>tet man die Entwicklung<br />
der Anzeigen gegen erwa<strong>ch</strong>sene Personen, ist<br />
der steigende Trend bei den<br />
Körperverletzungen und den<br />
Drohungen no<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>er als<br />
bei den Anzeigen gegen Minderjährige.<br />
Die jungen Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
(18- bis 25-Jährige) können allerdings<br />
in der Anzeigestatistik ni<strong>ch</strong>t gesondert ausgewiesen<br />
werden. Gerade diese Altersklasse ist aber vor<br />
allem bei Gewaltdelikten eine bekannte Risikogruppe.<br />
Trotz dieser Uns<strong>ch</strong>ärfe lässt si<strong>ch</strong> aber festhalten:<br />
Der Verglei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Anzeigen gegen<br />
Minderjährige und gegen Erwa<strong>ch</strong>sene zeigt,<br />
dass die Zunahme der Gewaltdelikte bei Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
medial überzei<strong>ch</strong>net wird.<br />
Gemäss Expertenkreisen wurden mit den<br />
oben erwähnten hohen Freiheitsstrafen au<strong>ch</strong><br />
Exempel statuiert. Sie sind eine Reaktion auf die<br />
öffentli<strong>ch</strong>e Empörung gegenüber Jugendgewalt,<br />
und man erhofft si<strong>ch</strong> davon eine generalpräventive<br />
Wirkung.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Keine Unruhen von grösserer<br />
Tragweite zu befür<strong>ch</strong>ten<br />
Gewaltkriminalität von<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en ist kein<br />
isoliertes Phänomen.<br />
Grössere, ethnis<strong>ch</strong> geprägte Jugendunruhen<br />
wie etwa in Frankrei<strong>ch</strong> im Herbst 2005 sind in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz wenig wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>. Die Kleinflä<strong>ch</strong>igkeit<br />
der S<strong>ch</strong>weiz, die bis anhin relativ gute<br />
soziale Dur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>ung in den Quartieren, das<br />
Fehlen ghettoähnli<strong>ch</strong>er Vorstädte und die engmas<strong>ch</strong>igen<br />
sozialen Einri<strong>ch</strong>tungen gelten als protektive<br />
Faktoren gegen Jugendunruhen.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
71
72<br />
<strong>BERICHT</strong> 2004 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
7.3. Hooliganismus<br />
LAGE<br />
Gewaltproblem ungelöst<br />
Fussball- und Eishockeyspiele wurden in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz von mehreren hundert meist sehr jungen<br />
Personen als Plattform für Gewalt, Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />
und zum Teil au<strong>ch</strong> für politis<strong>ch</strong>en Extre-<br />
mismus missbrau<strong>ch</strong>t. Spiele<br />
der Klubmeisters<strong>ch</strong>aften wurden<br />
regelmässig von Gewalt<br />
übers<strong>ch</strong>attet, während Spiele<br />
der S<strong>ch</strong>weizer Nationalmanns<strong>ch</strong>aften<br />
jeweils fast gänzli<strong>ch</strong> ohne Zwis<strong>ch</strong>enfälle<br />
über die Bühne gingen. S<strong>ch</strong>auplätze der Gewalt<br />
waren die Stadien selbst, die Anmars<strong>ch</strong>wege zu<br />
den Stadien oder aber beliebige andere Orte.<br />
Spiele der Klubmeisters<strong>ch</strong>aften<br />
regelmässig von Gewalt<br />
übers<strong>ch</strong>attet.<br />
Neunzig Verletzte in einer Saison<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz wurden im Verlauf der Eishockey-<br />
und Fussballsaison 2004/2005 rund 570<br />
Personen festgenommen, die si<strong>ch</strong> an Gewalt im<br />
Zusammenhang mit Sportanlässen beteiligt hatten<br />
oder zu wenig von den Gewalttätern abgrenzbar<br />
waren. Rund neunzig Personen, darunter<br />
au<strong>ch</strong> Polizisten, Si<strong>ch</strong>erheitsangestellte der Stadienbetreiber<br />
und Unbeteiligte wurden verletzt.<br />
Während si<strong>ch</strong> im Eishockey im Verglei<strong>ch</strong> zu<br />
den Vorjahren die Lage lei<strong>ch</strong>t beruhigte, war die<br />
Entwicklung im Fussball negativ.<br />
Grenzübers<strong>ch</strong>reitende Beteiligung<br />
an Krawallen<br />
Gewaltbereite S<strong>ch</strong>weizer Fussballfans übers<strong>ch</strong>ritten<br />
auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Konfrontationen<br />
au<strong>ch</strong> die Landesgrenze. Am 8. April 2005 wurden<br />
im deuts<strong>ch</strong>en Neu-Ulm 28 Angehörige der<br />
S<strong>ch</strong>weizer Hooliganszene na<strong>ch</strong> Randalen und<br />
Angriffen auf die Polizei festgenommen. S<strong>ch</strong>weizer<br />
Fans attackierten au<strong>ch</strong> am 15. September<br />
2005 in Kopenhagen die Polizei. Dabei wurden<br />
97 S<strong>ch</strong>weizer festgenommen und drei von ihnen<br />
im Ans<strong>ch</strong>luss zu Gefängnisstrafen von bis zu<br />
siebzig Tagen verurteilt.<br />
Au<strong>ch</strong> der «Krawall-Tourismus» ausländis<strong>ch</strong>er<br />
Gewalttäter in die S<strong>ch</strong>weiz nahm zu. S<strong>ch</strong>weizer<br />
Hooligangruppen unterhalten vornehmli<strong>ch</strong> mit<br />
deuts<strong>ch</strong>en Hooligans enge Verbindungen.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
BEURTEILUNG<br />
Problemgruppe von mehreren<br />
hundert Personen<br />
Der Kern von Personen,die gezielt Gewalt bei<br />
Sportveranstaltungen su<strong>ch</strong>ten, umfasste 2005 in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz rund vierhundert Personen. Weitere<br />
rund se<strong>ch</strong>shundert Personen beteiligten si<strong>ch</strong> in<br />
diesem Umfeld gelegentli<strong>ch</strong> an Gewaltauss<strong>ch</strong>reitungen<br />
und Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen. Die grössten<br />
Probleme bestehen in Basel,Züri<strong>ch</strong>,Bern,Luzern<br />
und Lugano, wobei si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in den Regionen<br />
Aarau, St. Gallen und Sitten kleinere Szenen<br />
gewaltbereiter Personen gebildet haben.<br />
Der harte Kern der Hooligans ist gut organisiert<br />
und su<strong>ch</strong>te hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die Auseinandersetzung<br />
mit Glei<strong>ch</strong>gesinnten. Eine bedeutendere<br />
Beeinträ<strong>ch</strong>tigung der öffentli<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheit ging<br />
2005 von unorganisierten Gruppen zumeist junger<br />
Personen aus, die gewalttätige Auseinandersetzungen<br />
mit gegneris<strong>ch</strong>en Fans, aber au<strong>ch</strong> mit<br />
Unbeteiligten und der Polizei su<strong>ch</strong>ten. Diese<br />
Gruppe zählt zum Teil zur Szene<br />
der Ultras, das heisst zu den<br />
fanatis<strong>ch</strong>en Fans. Na<strong>ch</strong> den<br />
Beoba<strong>ch</strong>tungen der Polizei<br />
nahm die Intensität der Gewalt zu, glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
sank das Alter der Täter. Zahlrei<strong>ch</strong>e Gewalttäter<br />
gehörten der Altersgruppe der 13- bis 16-Jährigen<br />
an.<br />
Plattform für politis<strong>ch</strong>en<br />
Extremismus<br />
Es gibt zum Teil Übers<strong>ch</strong>neidungen zwis<strong>ch</strong>en<br />
der Gruppe der jungen unorganisierten Gewalttäter<br />
und der Szene der Mitläufer bei Krawallen,<br />
die am Rande von Demonstrationen mit vornehmli<strong>ch</strong><br />
linksextremem Hintergrund stattfinden.<br />
Generell sind unter den gewaltbereiten Fans<br />
allerdings re<strong>ch</strong>tsextreme Ansi<strong>ch</strong>ten eher verbreitet.<br />
fedpol (DAP) geht davon aus, dass 10 bis 15<br />
Prozent der gewaltbereiten Szene Kontakte zum<br />
re<strong>ch</strong>tsextremen Milieu unterhalten.<br />
Aufhebung der Anonymität als Ziel<br />
Härte der Gewalt nimmt zu,<br />
und das Alter der Täter sinkt.<br />
Die grosse Zahl gewaltbereiter Störer und die<br />
mangelnde Ents<strong>ch</strong>lossenheit man<strong>ch</strong>er Fangruppierungen,<br />
si<strong>ch</strong> von Gewalttätern zu distanzieren,<br />
ma<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> bei gewöhnli<strong>ch</strong>en Fussballmeister-
s<strong>ch</strong>aftsspielen aufwändige und teure Einsätze der<br />
Polizei erforderli<strong>ch</strong>. Vermehrt wählen die zuständigen<br />
Polizeikorps eine Strategie des konsequenten<br />
Dur<strong>ch</strong>greifens gegen Fussballkrawalle<br />
und so genannte «Fan-Saubannerzüge». Ziel ist<br />
die Aufhebung der Anonymität Gewalt su<strong>ch</strong>ender<br />
Personen, die aus dem S<strong>ch</strong>utz grosser Gruppen<br />
heraus agieren.<br />
Zur Aufhebung der Anonymität trüge ein besserer<br />
interkantonaler Austaus<strong>ch</strong> von Informationen<br />
über polizeili<strong>ch</strong> bekannte Gewalttäter bei. In<br />
vielen Fällen ist dieser aber re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
zulässig.<br />
Handlungsbedarf<br />
auf Veranstalterseite<br />
Primär sind die Veranstalter für die Stadionsi<strong>ch</strong>erheit<br />
verantwortli<strong>ch</strong>. Die Polizei s<strong>ch</strong>reitet<br />
in den Stadien nur bei einer Eskalation ein.<br />
Zwis<strong>ch</strong>enfälle haben deutli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, dass Anpassungen<br />
bei den Si<strong>ch</strong>erheitsdispositiven der<br />
Stadionbetreiber nötig sind. Die Zutrittskontrollen<br />
müssen verbessert werden, um das gefährli<strong>ch</strong>e<br />
Abbrennen verbotener Feuerwerkskörper<br />
zu verhindern.<br />
Die Swiss Football League hat im Verlauf<br />
des Jahres 2005 neue Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen in<br />
Kraft gesetzt. Klubs haften neu au<strong>ch</strong> bei Auswärtsspielen<br />
für das Fehlverhalten ihrer Fans.<br />
Au<strong>ch</strong> wurden sämtli<strong>ch</strong>e Klubs verpfli<strong>ch</strong>tet, je<br />
einen Si<strong>ch</strong>erheits- und Fanverantwortli<strong>ch</strong>en einzusetzen.<br />
7.4. Luftsi<strong>ch</strong>erheit<br />
LAGE<br />
Terrorans<strong>ch</strong>lag auf spanis<strong>ch</strong>en<br />
Flughafen<br />
Die ETA bes<strong>ch</strong>oss im Mai 2005 den Flughafen<br />
von Saragossa mit zwei Mörsergranaten. Die Ges<strong>ch</strong>osse<br />
s<strong>ch</strong>lugen dreihundert Meter neben einer<br />
Abfertigungshalle ein und verursa<strong>ch</strong>ten einigen<br />
Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aden. Eine erneute Drohung gegen diesen<br />
Flughafen ging Ende Oktober 2005 ein.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2004 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
Festgenommene S<strong>ch</strong>weizer Fussballfans. Vor<br />
dem Spiel in Kopenhagen am 15. September 2005<br />
nahm die dänis<strong>ch</strong>e Polizei 97 S<strong>ch</strong>weizer Fussballfans<br />
fest. FOTO KEYSTONE<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Keine Entspannung in Si<strong>ch</strong>t<br />
Zurzeit deutet ni<strong>ch</strong>ts auf ein Abflauen der<br />
Gewalt bei Sportanlässen hin. Die Polizei beoba<strong>ch</strong>tet<br />
im Gegenteil eine Zunahme des Phänomens.<br />
Es ist davon auszugehen, dass während der<br />
UEFA EURO 2008 Hunderte bis Tausende gewaltbereite<br />
ausländis<strong>ch</strong>e Fussballfans versu<strong>ch</strong>en<br />
werden, in die S<strong>ch</strong>weiz zu reisen. Dies gilt es in<br />
Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeistellen<br />
in Europa zu verhindern. Im Ausland<br />
polizeili<strong>ch</strong> bekannte Gewalttäter sollen im Vorhinein<br />
an der Ausreise gehindert werden. Szenekundige<br />
ausländis<strong>ch</strong>e Polizeibeamte sollen während<br />
der UEFA EURO 2008 ihre S<strong>ch</strong>weizer<br />
Kollegen beim Erkennen und Anspre<strong>ch</strong>en potenziell<br />
gewalttätiger Fans unterstützen. Im Rahmen<br />
des Si<strong>ch</strong>erheitskonzepts werden umfangrei<strong>ch</strong>e<br />
Massnahmen getroffen.<br />
S<strong>ch</strong>ultergestützte<br />
Boden-Luft-Raketen<br />
Gemäss offiziell nie bestätigten Medienberi<strong>ch</strong>-<br />
ten soll im Oktober 2005 eine<br />
französis<strong>ch</strong>e Terrorzelle Boden-Luft-Raketen<br />
von ts<strong>ch</strong>ets<strong>ch</strong>enis<strong>ch</strong>en<br />
Rebellen erhalten<br />
haben. S<strong>ch</strong>ultergestützte<br />
Tausende von Manpads<br />
in Händen ni<strong>ch</strong>tstaatli<strong>ch</strong>er<br />
Akteure.<br />
Flugabwehrsysteme, so genannte Man Portable<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
73
74<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
Air Defence Systems (Manpads), stellen gemäss<br />
einer amerikanis<strong>ch</strong>en Studie eine immer grössere<br />
Bedrohung für die Zivilluftfahrt dar. Seit 1978<br />
sind rund dreissig Angriffe auf Zivilflugzeuge<br />
dur<strong>ch</strong> Manpads bekannt geworden.<br />
S<strong>ch</strong>ätzungen zufolge sollen seit 1950 weltweit<br />
etwa eine Million Boden-Luft-Raketen produziert<br />
worden sein; die Anzahl der in Händen<br />
ni<strong>ch</strong>tstaatli<strong>ch</strong>er Akteure befindli<strong>ch</strong>en soll in die<br />
Tausende gehen. Ausländis<strong>ch</strong>e Meldungen über<br />
Diebstähle oder Funde sol<strong>ch</strong>er Raketen häufen<br />
si<strong>ch</strong>. In Europa – au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz – befassen<br />
si<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden mit der<br />
Frage, wie die internationale Zivilluftfahrt gegen<br />
Manpads ges<strong>ch</strong>ützt werden kann.<br />
Vorfälle im Jahr 2005<br />
Im Jahr 2005 wurden fedpol (DAP) 78 (Vorjahr<br />
86) si<strong>ch</strong>erheitsrelevante Vorkommnisse im<br />
internationalen zivilen Luftverkehr bekannt. Dabei<br />
fanden 11 (Vorjahr 94) Personen den Tod.<br />
Vorfälle in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
● Im Zusammenhang mit dem WEF 05 musste<br />
die S<strong>ch</strong>weizer Luftwaffe se<strong>ch</strong>smal intervenieren:<br />
Die Flugzeuge wurden identifiziert,<br />
bevor sie in den gesperrten Luftraum eindrangen.<br />
● Ende Januar 2005 gingen innerhalb weniger<br />
Stunden vers<strong>ch</strong>iedene Bombendrohungen<br />
gegen zwei Fluggesells<strong>ch</strong>aften ein, die regelmässige<br />
Flugverbindungen ab Genf-Cointrin<br />
mit dem bena<strong>ch</strong>barten Ausland unterhalten.<br />
● Im März 2005 ging bei einer diplomatis<strong>ch</strong>en<br />
Vertretung im Ausland eine Warnung ein,<br />
wona<strong>ch</strong> zwei in Berlin wohnhafte Personen<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
mit angebli<strong>ch</strong>en Verbindungen zu Usama bin<br />
Laden die Entführung eines Flugzeuges der<br />
American Airlines auf dem Flug von Züri<strong>ch</strong>-<br />
Kloten na<strong>ch</strong> New York planten, um damit<br />
einen Terrorans<strong>ch</strong>lag zu verüben.<br />
● Im Juli wurde der S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in<br />
Berlin gemeldet, es sei eine Entführung einer<br />
Mas<strong>ch</strong>ine der Swiss auf dem Flug von Genf<br />
na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong> geplant.<br />
● Im Oktober 2005 ging auf dem Flughafen<br />
Züri<strong>ch</strong>-Kloten eine Bombendrohung gegen<br />
ein von Züri<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Istanbul fliegendes<br />
Flugzeug ein. Ein Flugzeug wurde deswegen<br />
zu einer Notlandung na<strong>ch</strong> Budapest umgeleitet,<br />
ein weiteres in Züri<strong>ch</strong>-Kloten dur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>t.<br />
In beiden Flugzeugen wurde kein Sprengstoff<br />
gefunden.<br />
In allen Fällen wurden die notwendigen Abklärungen<br />
und Si<strong>ch</strong>erheitsmassnahmen getroffen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Steigende Bedrohung<br />
Angesi<strong>ch</strong>ts der steigenden Bedrohungen müssen<br />
die Si<strong>ch</strong>erheitsdispositive weiterhin aufre<strong>ch</strong>terhalten<br />
werden.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Ans<strong>ch</strong>läge mögli<strong>ch</strong><br />
Terrorans<strong>ch</strong>läge auf Infrastruktureinri<strong>ch</strong>tungen<br />
eins<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Flughäfen und Flugzeuge sind<br />
trotz hohen Si<strong>ch</strong>erheitsstandards weiterhin mögli<strong>ch</strong>.<br />
7.5. Waffen, Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik<br />
LAGE<br />
Waffen<br />
Am 2. März 2005 erfolgten zeitglei<strong>ch</strong> in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz, Deuts<strong>ch</strong>land und Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ien Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ungen<br />
bei einem Waffenhersteller und<br />
zwei Waffenhändlern. Aufgrund des si<strong>ch</strong>ergestellten<br />
Materials und der Unterlagen konnte der<br />
Verda<strong>ch</strong>t auf illegale Umgehungsges<strong>ch</strong>äfte des<br />
KMG erhärtet werden. Die Akten wurden na<strong>ch</strong><br />
Abs<strong>ch</strong>luss des polizeili<strong>ch</strong>en Ermittlungsverfahrens<br />
der Bundesanwalts<strong>ch</strong>aft im August dem<br />
Eidgenössis<strong>ch</strong>en Untersu<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>teramt übergeben.<br />
Die Anzahl Bewilligungen im Berei<strong>ch</strong> der<br />
Einfuhr von Waffen, wesentli<strong>ch</strong>en Waffenbestandteilen,<br />
Waffenzubehör, Munition und Munitionsbestandteilen<br />
bewegten si<strong>ch</strong> meist im Rah-
men des Vorjahrs: Während die Ausnahmebewil-<br />
ligungen um knapp zehn Prozent<br />
zunahmen,gingen die Bewilligungen<br />
für die gewerbsmässige<br />
Einfuhr dur<strong>ch</strong> Waffenhändler<br />
um mehr als zehn<br />
Prozent zurück. Hingegen nahm die ni<strong>ch</strong>t<br />
gewerbsmässige Einfuhr um gut ein Viertel zu.<br />
Anzahl Importbewilligungen<br />
bewegte si<strong>ch</strong> meist im<br />
Rahmen des Vorjahrs.<br />
Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />
2005 wurden 292 Fälle von Sa<strong>ch</strong>bes<strong>ch</strong>ädigungen<br />
dur<strong>ch</strong> handelsübli<strong>ch</strong>e Feuerwerkskörper, so<br />
genannte Bagatellfälle, gezählt, die insgesamt<br />
einen S<strong>ch</strong>aden von 420’920 Franken verursa<strong>ch</strong>ten.<br />
Diese Zahlen liegen höher als in den beiden<br />
Vorjahren, do<strong>ch</strong> bestätigen au<strong>ch</strong> sie den markanten<br />
Rückgang gegenüber den drei Jahren vor<br />
2003.<br />
Die von den vornehmli<strong>ch</strong> jugendli<strong>ch</strong>en Tätern<br />
bevorzugten Ziele sind vorwiegend Briefkasten<br />
und öffentli<strong>ch</strong>e Abfallkübel aller Art sowie Telefonkabinen,<br />
Waren- und Billettautomaten.<br />
Sprengstoffans<strong>ch</strong>läge<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> wurden in den vergangenen<br />
Jahren jeweils rund 17 Gewalttaten registriert, die<br />
mit Sprengstoff, Handgranaten oder unkonventionellen<br />
Spreng- oder Brandvorri<strong>ch</strong>tungen ver-<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
übt wurden. Mit zwölf Ans<strong>ch</strong>lägen, von denen<br />
die Hälfte mutmassli<strong>ch</strong> einen gewaltextremistis<strong>ch</strong>en<br />
Hintergrund hatte, blieb das Beri<strong>ch</strong>tsjahr<br />
deutli<strong>ch</strong> unter dem Mittelwert.<br />
BEURTEILUNG<br />
Anstrengungen belohnt<br />
Die andauernde Stabilisierung auf tiefem<br />
Niveau ist einerseits auf die Anstrengungen von<br />
fedpol (Zentralstelle Sprengstoff und Pyrote<strong>ch</strong>nik)<br />
im Zusammenhang mit der systematis<strong>ch</strong>en<br />
Erfassung, Prüfung und Zulassung von Feuerwerk<br />
und andererseits auf den Einsatz der für den<br />
Vollzug der Sprengstoffgesetzgebung verantwortli<strong>ch</strong>en<br />
Organe der Kantone zurückzuführen.<br />
Die feststellbare Gewaltbereits<strong>ch</strong>aft ist in den<br />
wenigsten Fällen dur<strong>ch</strong> verbre<strong>ch</strong>eris<strong>ch</strong>e Absi<strong>ch</strong>t<br />
motiviert, sondern hat soziale und individuelle<br />
Ursa<strong>ch</strong>en.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Kein Trend erkennbar<br />
7.6. Cyberkriminalität<br />
und Information Assurance<br />
LAGE<br />
Bekämpfung der<br />
Internetkriminalität<br />
Der Meldungseingang bei der nationalen<br />
Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Inter-<br />
netkriminalität (Kobik) blieb<br />
konstant ho<strong>ch</strong>. Aus der Bevölkerung<br />
gingen wie in den<br />
Vorjahren monatli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong><br />
zwis<strong>ch</strong>en 500 und 600 Meldungen ein.<br />
Ausserdem generierte die verda<strong>ch</strong>tsunabhängige<br />
Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e von Kobik Verda<strong>ch</strong>tsdossiers, die in<br />
rund neunzig Prozent zur Strafverfolgung führten.<br />
Meldungseingang bei Kobik<br />
blieb konstant ho<strong>ch</strong>.<br />
Es wäre aufgrund der kleinen Fallzahlen voreilig,<br />
im deutli<strong>ch</strong>en Rückgang der Sprengstoffans<strong>ch</strong>läge<br />
seit 2003 einen Trend für die nä<strong>ch</strong>sten<br />
Jahre erkennen zu wollen.<br />
Verda<strong>ch</strong>tsmeldungen aus der Bevölkerung zu<br />
hartpornografis<strong>ch</strong>em Material nahmen zu, diejenigen<br />
zu Spam waren lei<strong>ch</strong>t rückläufig. Stark<br />
angestiegen sind Meldungen zu Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität<br />
wie Betrügereien via Internet, Phishingversu<strong>ch</strong>e<br />
und Hinweise auf gefäls<strong>ch</strong>te Internetseiten<br />
von Bankinstituten oder Auktionshäusern.<br />
Informationssi<strong>ch</strong>erung<br />
Die Melde- und Analysestelle zur Informationssi<strong>ch</strong>erung<br />
S<strong>ch</strong>weiz (Melani) stellt seit dem<br />
1. Dezember 2004 auf ihrer Internetseite<br />
(www.melani.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>) Informationen zur Computersi<strong>ch</strong>erheit<br />
zur Verfügung.Das Angebot ri<strong>ch</strong>-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
75
76<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
tet si<strong>ch</strong> ebenso an private Nutzer wie an kleinere<br />
und mittlere Unternehmen.<br />
Melani-Net, das im Jahr 2005<br />
gestartet wurde, bietet darüber<br />
hinaus ausgewählten Betreibern<br />
kritis<strong>ch</strong>er Infrastrukturen<br />
Analysen zur Früherkennung von Attacken<br />
und dient bei Vorfällen als Koordinationsplattform.<br />
Die Internetseite von Melani erlaubt es, Vorfälle<br />
zu melden. Die meisten Meldungen betrafen<br />
Phishing und Spam. Im Gegensatz zur EU kann<br />
allerdings in der S<strong>ch</strong>weiz gegen Spam no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
viel unternommen werden, da die gesetzli<strong>ch</strong>en<br />
Spezialbestimmungen fehlen und die Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t weit gediehen ist.<br />
Angebot für private Nutzer<br />
und kleinere und mittlere<br />
Unternehmen.<br />
BEURTEILUNG<br />
Zunahme von Phishing<br />
Phishing bezei<strong>ch</strong>net den betrügeris<strong>ch</strong>en Versu<strong>ch</strong>,<br />
über Manipulationen an vertrauli<strong>ch</strong>e Daten<br />
von Internetnutzern zu gelangen. Während der<br />
letzten Monate des Jahres 2005 wurde weltweit<br />
eine Zunahme des Phishing festgestellt. Meistens<br />
sind Finanzdienstleister, Online-Versteigerungshäuser<br />
und Internetprovider betroffen. Der<br />
Grossteil dieser Versu<strong>ch</strong>e betrifft immer no<strong>ch</strong> die<br />
USA; die gezielten Attacken sind mittlerweile<br />
aber au<strong>ch</strong> in Europa häufig und kamen 2005 au<strong>ch</strong><br />
in der S<strong>ch</strong>weiz vor.<br />
Gezielter Einsatz von S<strong>ch</strong>adsoftware<br />
Der Trend setzt si<strong>ch</strong> fort, dass für die Entwickler<br />
von S<strong>ch</strong>adsoftware Berei<strong>ch</strong>erung das<br />
Hauptmotiv bildet. Zudem kann eine engere<br />
Verbindung zur organisierten Kriminalität, besonders<br />
aus Osteuropa,beoba<strong>ch</strong>tet werden.Diese<br />
dehnt ihre Betätigungsfelder wie Beste<strong>ch</strong>ung, Erpressung,<br />
Bedrohung und Betrug immer mehr in<br />
die virtuelle Welt aus.<br />
Viren dienen dabei immer mehr kommerziellen<br />
Absi<strong>ch</strong>ten: Das Angebot geht von Denial-of-<br />
Service-Attacken über das Versenden von Werbe-<br />
respektive Spam-Mails bis hin zum Ausspionieren<br />
von Daten. Die Bandbreite dieser ausspionierten<br />
Daten rei<strong>ch</strong>t vom E-Mail-Passwort über<br />
die Kreditkartennummer, die Zugangsdaten zum<br />
E-Banking-Konto bis hin zu sensiblen und vertrauli<strong>ch</strong>en<br />
Firmendaten. Die Spionagefälle mit<br />
gezielt eingesetzten Trojanis<strong>ch</strong>en Pferden in<br />
Grossbritannien und Israel belegen, dass diese<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Art der Spionage sowohl im privaten wie au<strong>ch</strong> im<br />
öffentli<strong>ch</strong>en Sektor eingesetzt wird. Eine Infektion<br />
ist mitunter s<strong>ch</strong>wer festzustellen und au<strong>ch</strong> in<br />
gut ges<strong>ch</strong>ützten Netzen kaum zu verhindern. Neben<br />
einem umfassenden te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utz ist<br />
eine gezielte S<strong>ch</strong>ulung und Sensibilisierung der<br />
Mitarbeiter im Umgang mit sensiblen Daten von<br />
grosser Bedeutung.<br />
S<strong>ch</strong>adsoftware-Autoren entdeckten vermehrt<br />
den deuts<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>raum. E-Mails mit infi-<br />
ziertem Anhang treten nun<br />
au<strong>ch</strong> in gutem Deuts<strong>ch</strong> auf.<br />
Deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>ige Internetnutzer<br />
öffnen sol<strong>ch</strong>e E-Mails<br />
häufiger. Mit Sober.I tau<strong>ch</strong>te die erste S<strong>ch</strong>adsoftware<br />
auf, die ihre Spra<strong>ch</strong>e dynamis<strong>ch</strong> anpassen<br />
kann.<br />
Botnetze<br />
Die Bedrohung dur<strong>ch</strong> Botnetze nimmt stetig<br />
zu. Botnetze sind logis<strong>ch</strong>e Computernetze aus<br />
kompromittierten Systemen, die meist via Internet-Relay-Chat<br />
kontrolliert werden, ohne dass<br />
die Besitzer dieser Systeme davon eine Ahnung<br />
haben. Mit der Zunahme von Breitbandverbindungen<br />
in Privathaushalten vergrössert si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
die Zahl infizierter Computersysteme rapide, da<br />
immer mehr Computersysteme konstant mit dem<br />
Internet verbunden bleiben. Erst wenn ein<br />
Grossteil der mit dem Internet verbundenen<br />
Re<strong>ch</strong>ner ausrei<strong>ch</strong>end ges<strong>ch</strong>ützt sein wird, wird<br />
das Wa<strong>ch</strong>stum der Botnetze eingedämmt werden<br />
können.<br />
Botnetze umfassen ni<strong>ch</strong>t selten mehr als zehntausend<br />
Computer, ihre Urheber sind s<strong>ch</strong>wer<br />
greifbar. Jeder Computer eines Botnetzes trägt<br />
seinen Teil zu einer neuen Spamflut oder einem<br />
Denial-of-Service-Angriff bei, einer koordinierten<br />
Flut von Anfragen an dasselbe Netz,das damit<br />
überlastet werden soll.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Kobik<br />
S<strong>ch</strong>adsoftware vermehrt<br />
in deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />
Weiterhin wird dem Kampf gegen die Kinderpornografie<br />
ein hoher Stellenwert eingeräumt<br />
werden, ni<strong>ch</strong>t zuletzt aufgrund der zurzeit laufenden,<br />
von der Konferenz der Kantonalen Justiz-<br />
und Polizeidirektorinnen und -direktoren<br />
(KKJPD) lancierten nationalen Kampagne der<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Kriminalprävention. Der von<br />
Kobik einges<strong>ch</strong>lagene Weg führt zu guten Ergeb-
Kampf gegen die Kinderpornografie<br />
hat weiterhin<br />
hohen Stellenwert.<br />
nissen im Kampf gegen die Internetkriminalität,<br />
besonders gegen die Kinderpornografie. Die<br />
Meldungen aus der Bevölkerung sind vielfa<strong>ch</strong> von<br />
hoher Qualität und widerspiegeln<br />
das gesteigerte Unre<strong>ch</strong>tsbewusstsein<br />
der Internetbenutzer.<br />
Die Hö<strong>ch</strong>stqualität bei<br />
der Erstellung der Verda<strong>ch</strong>tsdossiers<br />
aus verda<strong>ch</strong>tsunabhängiger Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e<br />
wird von den kantonalen Strafverfolgungsbehörden<br />
ges<strong>ch</strong>ätzt und findet ihren Nieders<strong>ch</strong>lag in der<br />
hohen Trefferquote bei den eröffneten Strafverfolgungen.<br />
Glei<strong>ch</strong>zeitig muss au<strong>ch</strong> die Entwicklung im<br />
Berei<strong>ch</strong> der Wirts<strong>ch</strong>aftskriminalität beoba<strong>ch</strong>tet<br />
und analysiert werden, dies ni<strong>ch</strong>t zuletzt aufgrund<br />
der Tatsa<strong>ch</strong>e, dass eine allgemeine Kommerzialisierung<br />
und Professionalisierung im Berei<strong>ch</strong> der<br />
Internetkriminalität ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ist.<br />
Melani<br />
In allen Berei<strong>ch</strong>en der Internetkriminalität<br />
werden immer professionellere Methoden eingesetzt.Eine<br />
weitere Entwicklung im Berei<strong>ch</strong> Phish-<br />
7.7. Kinderpornografie<br />
LAGE<br />
Kleinere nationale und<br />
internationale Aktionen<br />
2005 fanden keine in der Grösse mit Genesis<br />
oder Falcon in den Jahren 2002 bis 2004 verglei<strong>ch</strong>baren<br />
Aktionen gegen Kinderpornografie<br />
statt. Das Kommissariat Pädophilie, Mens<strong>ch</strong>enhandel,<br />
Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>muggel (PMM) bei fedpol<br />
(BKP) war mit der Koordination von vielen kleineren<br />
nationalen und internationalen Operationen<br />
und Fällen befasst. Die zahlrei<strong>ch</strong>en Aktionen<br />
aus dem Jahr 2004 bes<strong>ch</strong>äftigen die Polizei und<br />
besonders die Justiz der Kantone weiterhin.<br />
Urteile aus Genesis und Falcon<br />
Die in der S<strong>ch</strong>weiz bis anhin grössten Aktionen<br />
Genesis mit bis Ende 2005 rund 900 und<br />
Falcon mit über 250 juristis<strong>ch</strong> überprüften Personen<br />
führten bis Ende 2005 zu 289 bedingten<br />
Freiheitsstrafen, 313 Bussents<strong>ch</strong>eiden und 545<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
ing ist zum Beispiel die Manipulation des DNS-<br />
Eintrages respektive die Veränderung der Hostdatei<br />
mittels einges<strong>ch</strong>leustem Virus. Ans<strong>ch</strong>liessend<br />
wird trotz manueller und korrekter Eingabe<br />
der Adresse eine betrügeris<strong>ch</strong>e Seite angezeigt.<br />
Diese Methode, so genanntes Pharming, wird si-<br />
<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> in Zukunft vermehrt<br />
eine Rolle spielen. Au<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>adprogramme, die gezielt<br />
gegen Personen oder Unternehmen<br />
eingesetzt werden,<br />
daher unentdeckt bleiben und<br />
in keiner Antiviren-Software-Signatur auftau<strong>ch</strong>en,<br />
werden vermehrt eingesetzt werden. Das<br />
Thema Industriespionage mit informationste<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en<br />
Mitteln wird au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz an<br />
Bedeutung gewinnen.<br />
Es wird eine weitere Zunahme der Anzahl und<br />
der Grösse der Botnetze erwartet. Unzählige<br />
Heimcomputer ma<strong>ch</strong>en ihre Besitzer unwissentli<strong>ch</strong><br />
zu Komplizen und stellen Strafverfolgung,<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste und IT-Spezialisten vor grosse<br />
Herausforderungen. Sol<strong>ch</strong>e Botnetze sind<br />
ni<strong>ch</strong>t auf ein Land bes<strong>ch</strong>ränkt; deshalb muss au<strong>ch</strong><br />
die Gegenwehr international abgestützt werden.<br />
Einstellungen. Die bedingten Freiheitsstrafen<br />
rei<strong>ch</strong>ten bis zu a<strong>ch</strong>t Monaten Gefängnis, die Bussenhöhe<br />
betrug maximal 25’000 S<strong>ch</strong>weizer Franken.<br />
Zwar wurde erst etwa die Hälfte der Verdä<strong>ch</strong>tigen<br />
aus der Aktion Falcon juristis<strong>ch</strong> beurteilt,<br />
aber es zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> bereits jetzt ab, dass<br />
prozentual mehr Personen verurteilt werden<br />
können als bei der Aktion Genesis.<br />
Folgeermittlungen<br />
zu Kindsmissbrau<strong>ch</strong><br />
Industriespionage mit informationste<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en<br />
Mitteln wird an Bedeutung<br />
gewinnen.<br />
International koordinierte Aktionen, kantonale<br />
Ermittlungen und Verda<strong>ch</strong>tsdossiers von<br />
Kobik zu Besitz, Einfuhr oder Verbreitung von<br />
Kinderpornografie führen immer<br />
öfter zu Folgeermittlungen,<br />
die Kindsmissbrau<strong>ch</strong><br />
oder die Produktion von Kinderpornografie<br />
zum Gegenstand<br />
haben. So wurde beispielsweise<br />
bei der Hausdur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ung eines ver-<br />
Immer öfter Folgeermittlungen<br />
wegen Kindsmissbrau<strong>ch</strong>s<br />
oder Produktion von<br />
Kinderpornografie.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 77
78<br />
dä<strong>ch</strong>tigen Kinderpornografiekonsumenten festgestellt,<br />
dass dieser zwar alleine wohnt und kinderlos<br />
ist, in der Wohnung aber auffallend viele<br />
Kinderfotos zu finden waren. Unter anderem aufgrund<br />
dieser Hinweise konnte der Verdä<strong>ch</strong>tige<br />
na<strong>ch</strong> weiteren Ermittlungen wegen sexuellen<br />
Missbrau<strong>ch</strong>s des zehnjährigen Sohnes seiner<br />
Freundin angeklagt werden.<br />
Kindersextourismus<br />
Verhaltenskodex bei hiesigen<br />
Reiseunternehmen erfolgrei<strong>ch</strong><br />
eingeführt.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
«Stopp Kinderpornografie im Internet». Die<br />
nationale Präventionskampagne der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Kriminalprävention will auf mittlere und längere Frist<br />
Pädokriminalität eindämmen. Sie informiert und<br />
sensibilisiert potenzielle Opfer und Täter sowie deren<br />
Umfeld. FOTO SPK<br />
Mit Hilfe der im Ausland, besonders in der<br />
Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Republik, Thailand und Brasilien<br />
stationierten Polizeiatta<strong>ch</strong>és von fedpol (BKP)<br />
konnten 2005 gegen mehrere verdä<strong>ch</strong>tige Kin-<br />
dersextouristen aus der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Ermittlungen aufgenommen<br />
werden. Im Berei<strong>ch</strong> Kindersextourismus<br />
hat die Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisation<br />
End Child<br />
Prostitution, Child Pornography and Trafficking<br />
of Children for Sexual Purposes (Ecpat) mit der<br />
Welttourismusorganisation und Touristikunternehmen<br />
einen Verhaltenskodex entwickelt und<br />
erfolgrei<strong>ch</strong> in der Bran<strong>ch</strong>e eingeführt. Heute wird<br />
dieser «Code of Conduct» bereits von über 240<br />
Reiseunternehmen, Hotelketten, Luftfahrtsgesells<strong>ch</strong>aften,Tourismusverbänden<br />
und -behörden<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
aus rund zwanzig Ländern umgesetzt. Ecpat<br />
S<strong>ch</strong>weiz hat unter anderem unter Mitarbeit von<br />
fedpol den Verhaltenskodex mit hiesigen Reiseunternehmen<br />
erfolgrei<strong>ch</strong> eingeführt.<br />
Präventionskampagne der<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Kriminalprävention<br />
Im Auftrag der KKJPD konnte im September<br />
2005 unter Federführung der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Kriminalprävention eine nationale dreijährige<br />
Präventionskampagne gegen Kinderpornografie<br />
und Pädokriminalität im Internet lanciert werden.<br />
Im September 2005 wurden die ersten an die<br />
Bevölkerung adressierten Initiativen gestartet. Im<br />
ersten Jahr der Kampagne soll verdeutli<strong>ch</strong>t werden,<br />
dass Kinderpornografie ein Verbre<strong>ch</strong>en ist<br />
und dass hinter jedem Bild ein Missbrau<strong>ch</strong> steht.<br />
BEURTEILUNG<br />
Zunahme des polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Aufwands<br />
Die Analyse der polizeili<strong>ch</strong>en Bearbeitung<br />
der Kinderpornografieaktionen in den letzten<br />
Jahren ma<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>, dass gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong><br />
das si<strong>ch</strong>ergestellte und auszuwertende Beweismaterial<br />
massiv zunimmt. Dies führt per se s<strong>ch</strong>on<br />
zu einem sehr hohen Bearbeitungsaufwand in den<br />
Kantonen. Zudem legen die<br />
meisten Kantone ein immer<br />
grösseres Gewi<strong>ch</strong>t auf die Entdeckung<br />
von Kindsmissbrau<strong>ch</strong>ern<br />
und Produzenten unter<br />
den Kinderpornografiekonsumenten, was zu einer<br />
Zunahme von Folgeermittlungen führt. Der<br />
quantitative und qualitative Mehraufwand ist im<br />
Sinne des Kinders<strong>ch</strong>utzes sehr begrüssenswert,<br />
führt aber zu Ressourcenproblemen bei der polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Arbeit.<br />
Auswirkungen der<br />
Bundesgeri<strong>ch</strong>tsurteile von 2004<br />
Folgeermittlungen<br />
im Sinne des Kinders<strong>ch</strong>utzes<br />
sehr begrüssenswert.<br />
Einzelne Kantone setzen die neue Bundesre<strong>ch</strong>tsspre<strong>ch</strong>ung<br />
aus dem Jahr 2004 bereits um<br />
und verurteilen jede Form von aktivem Herunterladen<br />
auf beliebige Datenträger als Herstellung<br />
von Kinderpornografie. Au<strong>ch</strong> der Straftatbestand<br />
der Einfuhr von Kinderpornografie<br />
wird vereinzelt angewendet, wenn Kinderpornografie<br />
von einem ausländis<strong>ch</strong>en Server heruntergeladen<br />
wird. Au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> in einzelnen Kan-
Verdeutli<strong>ch</strong>ung der<br />
Gefahren im Internet für<br />
Minderjährige.<br />
tonen das verhängte Strafmass für den Besitz von<br />
Kinderpornografie erhöhte, ist es no<strong>ch</strong> verfrüht,<br />
die Auswirkungen der Bundesgeri<strong>ch</strong>tsurteile aus<br />
dem Jahr 2004 gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong> zu beurteilen.<br />
Mittel- bis langfristig werden si<strong>ch</strong> aber wohl<br />
die kantonalen Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ungen zu Artikel 197<br />
StGB bezügli<strong>ch</strong> des Straftatbestandes und bezügli<strong>ch</strong><br />
des Strafmasses einander anglei<strong>ch</strong>en.<br />
Bundesgeri<strong>ch</strong>tsurteil von 2005<br />
Das Bundesgeri<strong>ch</strong>t fällte in einem Fall von<br />
sexueller Belästigung in einem Jugend<strong>ch</strong>at dur<strong>ch</strong><br />
einen Erwa<strong>ch</strong>senen mit ans<strong>ch</strong>liessendem Versu<strong>ch</strong>,<br />
si<strong>ch</strong> mit dem Minderjährigen zu treffen, ein<br />
Urteil und verminderte damit die auf diesem<br />
Gebiet herrs<strong>ch</strong>ende Re<strong>ch</strong>tsunsi<strong>ch</strong>erheit. Erstmals<br />
wurde damit die Grenze zwis<strong>ch</strong>en strafloser<br />
und strafbarer Vorbereitungshandlung in sol<strong>ch</strong>en<br />
Fällen definiert.<br />
Aufgrund des Urteils wurde aber au<strong>ch</strong> die<br />
Frage na<strong>ch</strong> ausrei<strong>ch</strong>endem S<strong>ch</strong>utz von Kindern<br />
vor sexuellen Belästigungen in speziell für Kinder<br />
eingeri<strong>ch</strong>teten Chatforen aufgeworfen.Eindeutig<br />
sexuell motivierte, erwa<strong>ch</strong>sene Teilnehmer in<br />
Chatforen für Kinder sind ohne reale Kontakte<br />
ni<strong>ch</strong>t per se re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> belangbar, au<strong>ch</strong> wenn ihre<br />
Chatbeiträge in einer unmissverständli<strong>ch</strong>en sexualisierten<br />
Spra<strong>ch</strong>e von starker Intensität sind.<br />
Pädosexuelle Kontaktaufnahmen in Chatforen<br />
mittels sexueller Belästigung, Versenden von<br />
pornografis<strong>ch</strong>en Darstellungen oder Versu<strong>ch</strong>en,<br />
die Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en zu treffen, werden<br />
von Präventions- und Polizeikreisen als relativ<br />
neue, ernsthafte Gefahr für Minderjährige bezei<strong>ch</strong>net.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Verstärkte Prävention<br />
Au<strong>ch</strong> wenn im Beri<strong>ch</strong>tsjahr keine grossen Aktionen<br />
gegen Kinderpornografie stattfanden, hat<br />
si<strong>ch</strong> das Problem der pornografis<strong>ch</strong>en Ausbeutung<br />
von Minderjährigen ni<strong>ch</strong>t verringert. Im<br />
Gegenteil sind die Strafverfolgungsbehörden mit<br />
neuen Phänomenen wie etwa<br />
Cam-to-Cam-Chat, dem Austaus<strong>ch</strong><br />
von (Video-)Dateien<br />
via Handy, der sexuellen Belästigung<br />
von Kindern via neue<br />
Internetdienste und Kommunikationsmittel und<br />
mit der wa<strong>ch</strong>senden Bedrohung dur<strong>ch</strong> pädosexuelle<br />
Nötigungen in Chatforen konfrontiert.<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
Die bereits genannten Massnahmen der polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Präventionskampagne sollten mittelbis<br />
langfristig zu einer erhöhten Sensibilität bei<br />
der Täters<strong>ch</strong>aft, den potenziellen Opfern und<br />
deren Umgebung führen. Mit dem Aufbau eines<br />
Beratungs- und Therapieangebots für Täter ist<br />
es im besten Falle mögli<strong>ch</strong>, Pädokriminelle von<br />
der S<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>keit ihres Tuns für die Opfer, aber<br />
au<strong>ch</strong> für si<strong>ch</strong> selbst, zu überzeugen und sie von<br />
weiteren pädosexuellen Handlungen abzuhalten.<br />
Die an Minderjährige geri<strong>ch</strong>teten Bots<strong>ch</strong>aften<br />
sollen diesen deutli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e Gefahren<br />
im Internet lauern und wie sie si<strong>ch</strong> mit einfa<strong>ch</strong>en<br />
Massnahmen davor s<strong>ch</strong>ützen können.<br />
Datenbanken mit<br />
kinderpornografis<strong>ch</strong>em Material<br />
Bei Interpol und in einigen Ländern Europas<br />
existieren Datenbanken, in die alle verfügbaren<br />
kinderpornografis<strong>ch</strong>en Materialien eingespiesen<br />
werden. Diese Datenbanken erlauben es, bereits<br />
identifizierte Opfer zu erkennen und dies den<br />
verfahrensführenden Dienststellen mitzuteilen,<br />
neue Bilder in bereits bekannte Serien einzuordnen,<br />
Täter zu identifizieren und über die<br />
Bildanalyse den Tatort einzukreisen und somit<br />
Länder zu bestimmen, die ein Verfahren eröffnen<br />
können.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz verfügt bis anhin weder über<br />
eine Bilddatenbank no<strong>ch</strong> über Personen, die si<strong>ch</strong><br />
sol<strong>ch</strong>en Ermittlungen widmen. Einzelne Ansätze<br />
werden von engagierten kantonalen Ermittlern<br />
und Ermittlerinnen weiterverfolgt, angesi<strong>ch</strong>ts<br />
der Fülle an Material besteht aber weiterer<br />
Handlungsbedarf. Ist die Aussage von Experten<br />
und Expertinnen ri<strong>ch</strong>tig,dass ein Grossteil der Bilder<br />
von Missbrau<strong>ch</strong>ssituationen aus dem sozialen<br />
Nahraum stammt, sollte si<strong>ch</strong> eine verstärkte Ermittlung<br />
über das Material lohnen. Eine erfolgrei<strong>ch</strong>e<br />
Opferidentifikation führt aufgrund dieser Tatsa<strong>ch</strong>e<br />
meist relativ s<strong>ch</strong>nell au<strong>ch</strong> zum Täter.<br />
Die G8-Länder haben eine Evaluationsstudie<br />
zum Ausbau einer internationalen Opferdatenbank<br />
ausgearbeitet, die au<strong>ch</strong> Bilder enthält und in<br />
der Verantwortung von Interpol stehen soll. Die<br />
Ermittlungsarbeit mithilfe dieser Datenbank ist<br />
am effizientesten, wenn mögli<strong>ch</strong>st viele Länder<br />
über eine nationale Opferdatenbank verfügen<br />
und die Resultate der nationalen Opferidentifikation<br />
in die internationale Datenbank eingespiesen<br />
werden können. Die S<strong>ch</strong>weiz sollte den Ans<strong>ch</strong>luss<br />
hierbei ni<strong>ch</strong>t verpassen.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 79
80<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
LAGE<br />
S<strong>ch</strong>engener Abkommen<br />
und Europol.<br />
7.8. Internationale Zusammenarbeit<br />
Allgemeine polizeili<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit<br />
In der Praxis der Strafverfolgung findet häufig<br />
bereits ein intensiver Informationsaustaus<strong>ch</strong> auf<br />
polizeili<strong>ch</strong>er Ebene statt, bevor ein Strafverfahren<br />
formell eröffnet und die Zusammenarbeit damit<br />
auf den Re<strong>ch</strong>tshilfeweg zwis<strong>ch</strong>en Justizbehörden<br />
verlagert wird. Die gegenwärtige internationale<br />
Zusammenarbeit der S<strong>ch</strong>weiz steht auf drei<br />
Pfeilern: der globalen, der regional-europäis<strong>ch</strong>en<br />
und der bilateralen Zusammenarbeit.<br />
Globale Zusammenarbeit<br />
Auf der globalen Ebene steht für den polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Informationsaustaus<strong>ch</strong> die Internationale<br />
Kriminalpolizeili<strong>ch</strong>e Organisation (Interpol) mit<br />
derzeit 184 Mitgliedern im Vordergrund. Die<br />
Hauptfunktionen der Organisation liegen in der<br />
Verbreitung von Personen- und Sa<strong>ch</strong>fahndungen<br />
und dem kriminalpolizeili<strong>ch</strong>en Informationsaustaus<strong>ch</strong>.<br />
Regional-europäis<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit<br />
Auf regional-europäis<strong>ch</strong>er Ebene wird die<br />
S<strong>ch</strong>weiz in absehbarer Zeit Zugang zu zwei neuen<br />
multilateralen Kooperationsplattformen erhalten.<br />
Es sind dies die Assoziierung an das S<strong>ch</strong>engener<br />
Abkommen sowie das Kooperationsabkommen<br />
vom 24. September 2004 mit dem Europäi-<br />
s<strong>ch</strong>en Polizeiamt (Europol).<br />
Das S<strong>ch</strong>engener Abkommen<br />
wurde am 5. Juni 2005 vom<br />
S<strong>ch</strong>weizer Volk gutgeheissen.<br />
S<strong>ch</strong>engen ermögli<strong>ch</strong>t der S<strong>ch</strong>weiz eine Intensivierung<br />
der Polizeizusammenarbeit mit vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
europäis<strong>ch</strong>en Staaten. Kernelement des Abkommens<br />
aus polizeili<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t ist das europaweite<br />
Fahndungssystem (S<strong>ch</strong>engener Informationssystem<br />
2. Generation, SIS II). Dank einer<br />
speziellen SIS-Auss<strong>ch</strong>reibungskategorie wird es<br />
unter anderem mögli<strong>ch</strong> sein, Reisewege und -ziele<br />
von mutmassli<strong>ch</strong>en Terroristen besser zu verfolgen.<br />
Das Kooperationsabkommen mit Europol wurde<br />
2005 vom S<strong>ch</strong>weizer Parlament ratifiziert und<br />
trat am 1. März 2006 in Kraft. Aufgabe von Euro-<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
pol ist die Unterstützung der beteiligten Staaten bei<br />
der Verhütung und Bekämpfung der internationalen<br />
organisierten S<strong>ch</strong>werstkriminalität, darunter<br />
au<strong>ch</strong> des Terrorismus. Das Kooperationsabkommen<br />
ermögli<strong>ch</strong>t der S<strong>ch</strong>weiz den Austaus<strong>ch</strong> operativer<br />
Informationen mit dem Polizeiamt.<br />
Bilaterale Zusammenarbeit<br />
Im Berei<strong>ch</strong> der bilateralen Kooperation hat<br />
die S<strong>ch</strong>weiz Abkommen mit allen Na<strong>ch</strong>barstaaten<br />
abges<strong>ch</strong>lossen und in Kraft gesetzt. Die inhaltli<strong>ch</strong><br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ausgestalteten Abkommen<br />
verstärken die Zusammenarbeit in allen Kriminalitätsberei<strong>ch</strong>en<br />
in Bezug auf den Informationsaustaus<strong>ch</strong><br />
und bei gemeinsamen Massnahmen<br />
an der Grenze. In Chiasso und Genf sind gestützt<br />
auf diese Abkommen gemeinsame Centres<br />
de coopération policière et douanière (CCPD) erri<strong>ch</strong>tet<br />
worden und laufen auf Ho<strong>ch</strong>touren. Se<strong>ch</strong>s<br />
weitere Abkommen wurden mit Slowenien, Lettland,<br />
Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ien, Rumänien, Albanien und Mazedonien<br />
unterzei<strong>ch</strong>net, einer für die Bekämpfung<br />
der organisierten Kriminalität wi<strong>ch</strong>tigen Region.<br />
Der Abs<strong>ch</strong>luss weiterer Abkommen mit<br />
Ländern aus dieser Region ist vorgesehen.<br />
Polizeiatta<strong>ch</strong>és<br />
Zu einer Steigerung der Effizienz der internationalen<br />
Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung<br />
trägt das – im internationalen Verglei<strong>ch</strong><br />
eher kleine – Netz von S<strong>ch</strong>weizer Polizeiatta<strong>ch</strong>és<br />
bei. Polizeiatta<strong>ch</strong>és als vorgelagertes<br />
Element im Dispositiv<br />
der Strafverfolgung haben die<br />
Aufgabe, ein persönli<strong>ch</strong>es, vertrauenswürdiges<br />
Kontaktnetz aufzubauen sowie<br />
Informationsquellen zu ers<strong>ch</strong>liessen. Informelle<br />
Abklärungen über die Polizeiatta<strong>ch</strong>és sind effizienter<br />
und s<strong>ch</strong>neller als der Weg über Interpol.<br />
Damit können Ermittlungsverfahren in Bundeswie<br />
in Kantonskompetenz optimal unterstützt werden.<br />
Dieses Netz bewährte si<strong>ch</strong> im Rahmen laufender<br />
Ermittlungen im Jahr 2005 wiederum.<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit<br />
Vorgelagertes Element im<br />
Dispositiv der Strafverfolgung.<br />
Für die Verhinderung von Terrorans<strong>ch</strong>lägen<br />
ist die Arbeit der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste besonders
wi<strong>ch</strong>tig. Die Information der Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienste<br />
muss mögli<strong>ch</strong>st frühzeitig erfolgen, was das<br />
zeitgere<strong>ch</strong>te Erkennen terroristis<strong>ch</strong>er Netzwerke<br />
und die Verhinderung eins<strong>ch</strong>lägiger Aktivitäten<br />
voraussetzt. Die Prävention muss deshalb einsetzen,<br />
bevor die Bedrohungen konkret und<br />
unmittelbar ers<strong>ch</strong>einen. Aber au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einem<br />
erfolgten Terrorans<strong>ch</strong>lag sind die polizeili<strong>ch</strong>en<br />
Ermittlungen auf eine enge Zusammenarbeit mit<br />
den Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendiensten angewiesen.<br />
Bei fedpol nimmt der DAP als S<strong>ch</strong>weizer<br />
Inlandna<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienst die Verbindungen zu<br />
ausländis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitsbehörden wahr, die<br />
dieselben Aufgaben wie er erfüllen,und er vertritt<br />
die S<strong>ch</strong>weiz in internationalen Gremien. Die<br />
Prävention des Terrorismus ma<strong>ch</strong>t heute den<br />
überwiegenden Teil des internationalen na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />
Informationsaustaus<strong>ch</strong>es aus.<br />
Im Einzelnen pflegt der DAP einen kontinuierli<strong>ch</strong>en<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenaustaus<strong>ch</strong> mit rund neunzig<br />
Partnerdiensten aus vers<strong>ch</strong>iedenen Staaten oder<br />
ausländis<strong>ch</strong>en Organisationen wie zum Beispiel<br />
der UNO und der EU. Der DAP ist au<strong>ch</strong> Mitglied<br />
in vier informellen multilateralen Gremien:<br />
● in der «Counter-Terrorism Group» (CTG),<br />
zusammengesetzt aus je einem Dienst aus<br />
jedem EU-Staat sowie aus Norwegen und der<br />
S<strong>ch</strong>weiz,<br />
● im «Club de Berne», der Dienste aus 21 Ländern<br />
vereinigt,<br />
● in der «Middle European Conference»<br />
(MEC), bestehend aus Diensten aus 20 Ländern<br />
mit S<strong>ch</strong>wergewi<strong>ch</strong>t im südosteuropäis<strong>ch</strong>en<br />
Raum und<br />
● in der «Police Working Group on Terrorism»<br />
(PWGT) der polizeili<strong>ch</strong>en Anti-Terroreinheiten<br />
aus 28 Ländern.<br />
Als Voraussetzung für einen na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en<br />
Informationsaustaus<strong>ch</strong> mit dem «Situation<br />
Center» der EU s<strong>ch</strong>loss die S<strong>ch</strong>weiz ein<br />
Abkommen über die Si<strong>ch</strong>erheitsverfahren für<br />
den Austaus<strong>ch</strong> von Vers<strong>ch</strong>lusssa<strong>ch</strong>en.<br />
Die Mitglieds<strong>ch</strong>aft in den genannten multilateralen<br />
Gremien ers<strong>ch</strong>loss der S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong><br />
2005 für ihre Si<strong>ch</strong>erheit wi<strong>ch</strong>tige Informationen.<br />
Dies gilt ni<strong>ch</strong>t zuletzt für die Lagebeurteilung<br />
na<strong>ch</strong> den Attentaten von London im Juli 2005.<br />
BEURTEILUNG<br />
Polizeili<strong>ch</strong>e Zusammenarbeit<br />
Interpol ist die einzige Organisation, die einen<br />
weltweiten Austaus<strong>ch</strong> von polizeili<strong>ch</strong>en Informa-<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
tionen erlaubt. Für die S<strong>ch</strong>weizer Polizeibehörden<br />
ist diese Organisation deshalb von ents<strong>ch</strong>eidender<br />
Bedeutung. Im Berei<strong>ch</strong> der bilateralen<br />
Kontakte haben si<strong>ch</strong> die Abkommen mit den<br />
Na<strong>ch</strong>barstaaten als unerlässli<strong>ch</strong>es Instrument zur<br />
Intensivierung der Zusammenarbeit herausgestellt,<br />
sowohl im Berei<strong>ch</strong> des Informationsaustaus<strong>ch</strong>es<br />
wie au<strong>ch</strong> der Dur<strong>ch</strong>führung von gemeinsamen<br />
Massnahmen an der Grenze. Auf der<br />
europäis<strong>ch</strong>en Ebene verläuft die Entwicklung im<br />
Berei<strong>ch</strong> Justiz und Inneres sehr dynamis<strong>ch</strong>, vor<br />
allem seit den Ans<strong>ch</strong>lägen vom 11. September<br />
2001. Die künftige Zusammenarbeit mit Europol<br />
und im Rahmen von S<strong>ch</strong>engen bringt der S<strong>ch</strong>weiz<br />
eine weitere Stärkung im Kampf gegen transnationale<br />
Kriminalität.<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit<br />
Der na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Zusammenarbeit<br />
kommt bei der Früherkennung von Gefahren<br />
und Gewaltakten oder der Verhinderung von<br />
terroristis<strong>ch</strong>en Aktivitäten ents<strong>ch</strong>eidende Bedeutung<br />
zu. Der DAP unterhält seit langem<br />
regelmässige Beziehungen zu ausländis<strong>ch</strong>en<br />
Si<strong>ch</strong>erheits-, Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten- und Polizeidiensten.<br />
Anfang der 70er-Jahre führte der immer breiteren<br />
Raum einnehmende Informationsaustaus<strong>ch</strong><br />
zu einem engeren Zusammens<strong>ch</strong>luss der westeuropäis<strong>ch</strong>en<br />
Si<strong>ch</strong>erheitsdienste und zur Einri<strong>ch</strong>tung<br />
eines gemeinsamen si<strong>ch</strong>eren Übermittlungssystems.<br />
Der bilaterale Aus-<br />
taus<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>erheitsrelevanter<br />
Informationen wurde laufend<br />
ausgebaut und intensiviert.<br />
Die Kontakte und der Informationsaustaus<strong>ch</strong><br />
mit ausländis<strong>ch</strong>en<br />
Diensten sind für<br />
die Si<strong>ch</strong>erheitsinteressen der<br />
S<strong>ch</strong>weiz von vitaler Bedeutung. Ohne sie wäre<br />
eine Erfolg verspre<strong>ch</strong>ende Staatss<strong>ch</strong>utztätigkeit<br />
im Interesse der Si<strong>ch</strong>erheit der S<strong>ch</strong>weiz undenkbar.<br />
MÖGLICHE ENTWICKLUNG<br />
Handlungsbedarf<br />
Erfolg verspre<strong>ch</strong>ende<br />
Staatss<strong>ch</strong>utztätigkeit ohne<br />
na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit<br />
undenkbar.<br />
Im Berei<strong>ch</strong> der globalen Zusammenarbeit<br />
können die Kooperationsmögli<strong>ch</strong>keiten von Interpol,<br />
namentli<strong>ch</strong> der Zugang zu weiteren Datenbanken,<br />
optimal ausges<strong>ch</strong>öpft werden. Bei der<br />
europäis<strong>ch</strong>-regionalen Zusammenarbeit steht die<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong> 81
82<br />
<strong>BERICHT</strong> 2005 7. WEITERE ASPEKTE <strong>DER</strong> <strong>INNERE</strong>N <strong>SICHERHEIT</strong><br />
ras<strong>ch</strong>e und effiziente Umsetzung der Abkommen<br />
mit Europol und von S<strong>ch</strong>engen im Vordergrund.<br />
Im bilateralen Berei<strong>ch</strong> wird es darum gehen,<br />
die neu verhandelten Abkommen konsequent<br />
umzusetzen sowie die Anwendung der bereits in<br />
Kraft getretenen Abkommen weiter zu optimieren.<br />
Weiter sollen mit ausgewählten Staaten, die<br />
einen besonderen Einfluss auf die Kriminalitätsentwicklung<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz haben, neue Abkommen<br />
ges<strong>ch</strong>lossen werden.Überdies gilt es,die vorgesehene,<br />
aber aus Ressourcengründen nur ansatzweise<br />
umgesetzte Stationierung von weiteren<br />
Polizeiatta<strong>ch</strong>és im Ausland konsequent weiter zu<br />
verfolgen.<br />
<strong>BERICHT</strong> <strong>INNERE</strong> <strong>SICHERHEIT</strong> <strong>DER</strong> <strong>SCHWEIZ</strong><br />
Der Kreis der na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tendienstli<strong>ch</strong>en Partner<br />
des DAP entspri<strong>ch</strong>t den aktuellen Bedürfnissen<br />
der S<strong>ch</strong>weiz bei der Bekämpfung von Terrorismus<br />
und organisierter Kriminalität. Kann jedo<strong>ch</strong><br />
die Zusammenarbeit mit dem Ausland<br />
wegen begrenzten gesetzli<strong>ch</strong>en Handlungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
nur ungenügend wahrgenommen werden,<br />
droht die S<strong>ch</strong>weiz, von Informationen aus<br />
dem Ausland abges<strong>ch</strong>nitten zu werden. Im Rahmen<br />
der Revision BWIS II werden deshalb neue<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenbes<strong>ch</strong>affungsmittel geprüft, die der<br />
heutigen Situation besser angepasst sind. ■
REPORT 2005<br />
DOMESTIC<br />
SECURITY REPORT<br />
SWITZERLAND<br />
2005<br />
Summary<br />
Focal points 2005 84<br />
Overall assessment 85<br />
Measures 86
Europe – The new arena<br />
for Islamist terrorism.<br />
84<br />
REPORT 2005 SUMMARY<br />
Switzerland – An integral<br />
part of the European<br />
field of operation.<br />
Threat to local safety<br />
requires deployment of<br />
greater police forces.<br />
Focal points 2005<br />
Attacks by Islamist terrorists<br />
in London<br />
On 7 July 2005, four suicide bombers blew<br />
themselves up on London’s public transport network.They<br />
killed 48 passengers and injured more<br />
than 500 people. Together with the bombings in<br />
Madrid, the attacks confirmed the new force of<br />
the threat to Europe by Islamist terrorism. In<br />
many places, small cells of violent jihad activists<br />
are evolving,whi<strong>ch</strong> owing to their limited capacity<br />
are only able to select targets in their vicinity.<br />
Up until the attacks in Madrid in 2004, most of<br />
the violent Islamist activists considered Europe a<br />
region of retreat and a place<br />
for planning the logistical support<br />
of attacks, rather than an<br />
area of terrorist operations.<br />
However, especially since the attacks in London,<br />
Europe has also become an arena for Islamist terrorism.<br />
Islamist activities in Switzerland<br />
Switzerland was not a target of Islamist terrorism<br />
in 2005. However, it must be assumed that<br />
jihadis could be residing in the<br />
country. In view of recent developments<br />
in jihadi ideology,<br />
terrorist attacks in Switzerland<br />
– an integral part of the<br />
European field of operation – are becoming an<br />
increasing possibility.<br />
Right-wing extremism<br />
There were 111 incidents in 2005 that were motivated<br />
by right-wing extremism. Also, the number<br />
of right-wing concerts has particularly increased<br />
over the past few years.<br />
Parts of the extreme right have renounced violence.<br />
However, the damage caused by rightwing<br />
activists, especially injury caused to people,<br />
is considerable. Appearances<br />
by right-wing extremists su<strong>ch</strong><br />
as on 1 August on the “Rütli”,<br />
or confrontation with opposing<br />
groups, required the deployment<br />
of greater police forces and in some instances<br />
and places endangered public law and order<br />
in Switzerland. However, su<strong>ch</strong> incidents did<br />
DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />
not pose a threat to national security on the whole;<br />
but the number of right-wing motivated attacks<br />
against asylum facilities and foreigners slightly<br />
increased in 2005. The threat right-wing activism<br />
poses thus persists.<br />
Violence by left-wing activists<br />
Once again left-wing activists showed greater<br />
preparedness to use violence; their willingness<br />
at least to inflict bodily harm, especially on the<br />
security forces, has risen.<br />
Left-wing extremists have lost their most important<br />
platform through their self-inflicted isolation<br />
within the globalisation movement and as<br />
a result of consistent intervention by the police,<br />
especially at unauthorised events. Their reaction<br />
has been to increase, and place new emphasis on,<br />
their demands, and to <strong>ch</strong>ange their tactics. The<br />
left-wing scene has devised a two-fold strategy: on<br />
the one hand their criticism of the globalisation<br />
process,especially of the World Economic Forum,<br />
is now no longer limited to<br />
certain events but expressed<br />
the whole year round. On the<br />
other hand, old and new issues<br />
are increasingly being pushed<br />
into the foreground, su<strong>ch</strong> as the renewed emphasis<br />
on the ”Fight against Fascism” and alleged<br />
police repression.<br />
In some instances and places, left-wing violence<br />
endangered public law and order,but did not<br />
pose a threat to Switzerland’s domestic security.<br />
Proliferation<br />
Focus on the “Fight against<br />
Fascism” and alleged police<br />
repression.<br />
In 2004, the Service for Analysis and Prevention<br />
(SAP) at the Federal Office of Police<br />
(fedpol) started investigating Swiss involvement<br />
in Dr. Abdul Qadeer Khan’s nuclear te<strong>ch</strong>nology<br />
network. Dr. Khan is considered the father of the<br />
Pakistani atomic bomb. The investigations were<br />
especially focused on Swiss exports in connection<br />
with Libya’s nuclear programme. The Office<br />
of the Attorney General of<br />
Switzerland began proceedings<br />
in October 2004 on suspected<br />
violation of the Goods<br />
Control Act and the War Materials Act. The investigations<br />
resulted in the arrest of three members<br />
of one and the same family.<br />
Ongoing investigations<br />
into the Khan network.
In October 2005,the State Secretariat for Economic<br />
Affairs (seco) laid a further <strong>ch</strong>arge with the<br />
Attorney General’s Office for violations of the<br />
Goods Control Act and the War Materials Act.<br />
The <strong>ch</strong>arge involved a Swiss company that exported,<br />
or attempted to export, goods to proliferation-relevant<br />
pur<strong>ch</strong>asers in a Middle-Eastern<br />
country.<br />
Organised crime<br />
Criminal groups from south-eastern Europe,<br />
especially from Macedonia, Albania and Kosovo,<br />
continued to play a significant part in the evolution<br />
of crime in Switzerland. The significance of<br />
Serbian groups – a trend that has been consistent<br />
in the last two to three years – continued to grow.<br />
Furthermore, criminal groups from the Commonwealth<br />
of Independent States remained a serious<br />
threat to Switzerland’s economy, its financial centre<br />
and its democratic institutions.<br />
Hooliganism<br />
In 2005, there were approximately 400 people<br />
in Switzerland known to have intentionally<br />
caused violence at sporting events. A further 600<br />
were occasionally involved in violent confrontations<br />
and in damage to property.<br />
The hard core of the hooligan scene is wellorganised<br />
and sought confrontation mainly with<br />
people of the same conviction. A more significant<br />
threat to public security was posed in 2005 by or-<br />
A general picture of Switzerland’s<br />
domestic security<br />
According to the annual survey by the Swiss<br />
Federal Institute of Te<strong>ch</strong>nology in Zuri<strong>ch</strong><br />
released in spring 2005, the Swiss invariably feel<br />
safe in their country; the attacks<br />
in Madrid in Mar<strong>ch</strong> of<br />
the previous year had done little<br />
to <strong>ch</strong>ange this. This feeling<br />
is not unrealistic because the Swiss, even in 2005,<br />
still lived in a comparatively safe environment.<br />
Nevertheless, it must be said that negative trends<br />
could not be halted: youth violence continues to<br />
Switzerland – A comparatively<br />
safe environment.<br />
Overall assessment<br />
ganised groups consisting mostly of young people<br />
who sought violent confrontation not only with<br />
opposing supporters but also with innocent bystanders<br />
and the police. According to the observations<br />
of the police, the brutality of the violence<br />
has increased and the perpetrators have become<br />
younger.<br />
Money laundering<br />
Once again the repressive fight against money<br />
laundering in Switzerland in 2005 took place<br />
under special circumstances: the more complex<br />
cases especially revealed that the predicate offence<br />
was often committed abroad, and Switzer-<br />
land was only used to deposit<br />
the crime proceeds. In presenting<br />
evidence during criminal<br />
proceedings, Switzerland<br />
therefore largely relied on the<br />
cooperation of the country in<br />
REPORT 2005 SUMMARY<br />
Repressive means for fighting<br />
money laundering – Special<br />
circumstances in Switzerland.<br />
whi<strong>ch</strong> the predicate offence has been committed.<br />
If evidence of the predicate offence was insufficient,<br />
the proceedings in Switzerland collapsed.<br />
Moreover, many cases were dealt with by means<br />
of mutual legal assistance, or for te<strong>ch</strong>nical reasons<br />
were delegated to the state in whi<strong>ch</strong> the predicate<br />
offence had been carried out. As a result of this,<br />
the statistics on convictions are not truly representative<br />
of the repressive fight against money<br />
laundering. Switzerland’s law enforcement agencies<br />
often make an important contribution to the<br />
international fight against money laundering.<br />
be on the increase,and there is a growing tendency<br />
towards violence in the right and left-wing<br />
scene, in the area of hooliganism and in human<br />
trafficking.<br />
Islamist terrorism<br />
The trend to smaller independent Islamist<br />
terrorist cells continued in 2005. One su<strong>ch</strong> cell<br />
was responsible for the attacks in London, whi<strong>ch</strong><br />
from a terrorist’s point of view were successful.<br />
There has been no hard evidence up to now to<br />
suggest that terrorist acts have been planned in<br />
Switzerland. However, it is assumed that there are<br />
DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND 85
REPORT 2005 SUMMARY<br />
Islamist activists in Switzerland who aspire to su<strong>ch</strong><br />
acts. The threat situation can <strong>ch</strong>ange quickly and<br />
at any time.<br />
The trend towards smaller independent cells<br />
and the attacks in London illustrate that never before<br />
has it been more difficult to trace terrorists<br />
before an attack is laun<strong>ch</strong>ed. It is not surprising,<br />
therefore, that since 2005 the<br />
debate over the instruments<br />
liberal democracies and constitutional<br />
states may use for<br />
combating su<strong>ch</strong> threats has<br />
grown fiercer. The objective is to find a practicable<br />
solution; on the one hand the state must have<br />
sufficient and efficient instruments at its disposal<br />
to ensure the safety of its citizens; on the other<br />
hand these instruments should not betray a state’s<br />
a<strong>ch</strong>ievements, its principles and its ideals, if one<br />
Islamist terrorists – Largely<br />
free to act and make<br />
decisions independently.<br />
86<br />
Measures<br />
Further ban on Al Qaeda<br />
At the end of November 2005, the Federal<br />
Council extended the ban on the terror organisation<br />
Al Qaeda and its associate organisations for a<br />
further three years until 31 December, 2008. The<br />
ban includes not only all activities by the organisation<br />
itself, but also all activities in support of<br />
the organisation.<br />
Preventive measures against<br />
extremist prea<strong>ch</strong>ers<br />
Fedpol systematically imposes entry bans on<br />
Islamist extremists. The bans apply to activists<br />
who have been convicted abroad, to suspected<br />
members of terrorist groups and to hate-prea<strong>ch</strong>ers;<br />
for example an Egyptian cleric who wanted<br />
to participate in the annual conference of the<br />
Muslim umbrella organisation “Swiss Muslims<br />
League” in September 2005 was prevented from<br />
taking part when the Swiss authorities imposed a<br />
ban on his entering the country.<br />
Furthermore, the refusal of work permits for<br />
imams from abroad who want to carry out their<br />
duties in religious centres in Switzerland serves<br />
as a means of preventing the dissemination of<br />
extremist Islamist propaganda. A work permit<br />
DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />
wants to avoid playing into the hands of its opponents.<br />
Organised crime in Europe<br />
National security agencies still face the <strong>ch</strong>allenge<br />
of focussing the necessary attention on, and<br />
directing their efforts at, the threat organised<br />
crime represents to domestic security. There is<br />
increasing evidence of links<br />
between terrorist groups and<br />
other areas of crime su<strong>ch</strong> as<br />
petty crime as well as organised<br />
crime. In view of the<br />
transnational <strong>ch</strong>aracter of<br />
National and international<br />
cooperation – The key to<br />
fighting organised crime<br />
successfully.<br />
these forms of crime, national and international<br />
cooperation remains the key to success in combating<br />
organised crime.<br />
may be refused not only on account of the background<br />
of the applicant, but – as of recently – also<br />
if the position of the centre<br />
is generally extremist. In November<br />
2005, the Federal<br />
Court upheld a decision by<br />
the canton of Geneva to refuse<br />
a work permit to a Turkish imam who had<br />
been employed by an Islamic centre, the reason<br />
being the unconstitutional remarks made by the<br />
centre’s director. In su<strong>ch</strong> matters regarding work<br />
permits, the security authorities are consulted.<br />
Changing circumstances<br />
in the fight against terrorism<br />
Keeping extremist<br />
prea<strong>ch</strong>ers from working<br />
and out of the country.<br />
The current ideological tendency of Islamist<br />
terrorists to conduct violent jihad individually on<br />
the local level means principally that terrorist<br />
attacks can be carried out possibly anywhere,<br />
including Switzerland. The<br />
more independently jihadis<br />
act, the more difficult it becomes<br />
to identify them before the act is committed.<br />
Identifying jihadis before they strike requires<br />
what most European countries have done in the<br />
last few years; that is to extend the means of intelligence<br />
to anticipate su<strong>ch</strong> acts.<br />
Domestic Security Act II.
If Switzerland does not follow this development,<br />
it will not only lose its credibility towards its<br />
partners in the international fight against terrorism,but<br />
it also risks turning from an area of retreat<br />
into an area of agitation for Islamist extremism<br />
and terrorism. The current amendment of the<br />
Federal Act on Measures for Safeguarding Domestic<br />
Security (known as the Domestic Security<br />
Act II, for short) takes these <strong>ch</strong>anging circumstances<br />
into account. The Federal Council plans<br />
to put forward its draft legislation to the Federal<br />
Parliament in 2006.<br />
Measures against violence<br />
at sporting events and violent<br />
propaganda<br />
Currently there is nothing to suggest that violence<br />
at sporting events – mainly in football and<br />
hockey games – has decreased; rather, the police<br />
have noticed an upsurge in violence. The amendment<br />
of the Federal Act on Measures for Safeguarding<br />
Domestic Security (Domestic Security<br />
Act I), whi<strong>ch</strong> is to be passed by the Federal<br />
Parliament in spring 2006, should bring remedial<br />
action. The revised legislation should provide<br />
the cantonal security agencies with additional tools<br />
su<strong>ch</strong> as exclusion orders, exit restrictions, registration<br />
orders and preventive detention to help prevent<br />
violence at sporting events. Furthermore,<br />
hooligans that are known to the police for causing<br />
violence at sporting events will be registered in a<br />
newly-established national database.<br />
The amendment of the Domestic Security Act<br />
I also includes a further clause on confiscating<br />
propaganda material that incites to violence. As<br />
a preventive measure, it is planned that su<strong>ch</strong><br />
material be confiscated,regardless of the quantity,<br />
by means of an <strong>admin</strong>istrative order.<br />
Measures regarding<br />
UEFA EURO 2008<br />
In June 2008, the European football <strong>ch</strong>ampionship<br />
UEFA EURO 2008 will take place in Austria<br />
and Switzerland. To this end, a Swiss-Austrian<br />
working group on security was established in<br />
Mar<strong>ch</strong> 2004. Identical project groups in both<br />
countries are working on a national security plan<br />
that is based on a framework concept drawn up by<br />
Switzerland and Austria. This concept should<br />
guarantee uniform safety standards in all areas.<br />
The draft was passed on a ministerial level at the<br />
end of September 2005.<br />
REPORT 2005 SUMMARY<br />
The national security plan in Switzerland is<br />
being devised jointly by the federal, cantonal and<br />
municipal authorities, and should be implemented<br />
in keeping with the original fields of compe-<br />
tence of the different governmental<br />
levels. Basically, the<br />
cantons and the cities where<br />
the football mat<strong>ch</strong>es will be<br />
taking place are responsible<br />
for implementing the security<br />
measures. The organiser of the event is responsible<br />
for safety inside the stadiums. In addition to<br />
their responsibilities in the field of domestic security,the<br />
federal authorities will also be responsible<br />
for coordinating the measures.<br />
During the course of 2006, the Federal Parliament<br />
will deliberate a <strong>ch</strong>ange to the decision on<br />
the contributions by the federal government to<br />
the UEFA EURO 2008. This bill will regulate,<br />
amongst other issues, the financing of the security<br />
measures by the federal government, the cantonal<br />
authorities and the municipalities where the<br />
mat<strong>ch</strong>es will be taking place.<br />
Right-wing extremism<br />
in the Swiss army<br />
In August 2005, the Swiss army’s specialised<br />
unit for extremism was removed from the Federal<br />
Department of Defence, Civil Protection and<br />
Sports and incorporated into the Service for<br />
Combating Racism.This contact and coordination<br />
unit investigates extremist-motivated incidents<br />
within the army. It also conducts work in the fields<br />
of prevention, communication and awareness.<br />
The Federal Police Information<br />
Systems Act<br />
The Swiss federal government,<br />
the cantons and the<br />
cities pledge to guarantee<br />
security.<br />
The purpose of the Federal Police Information<br />
Systems Act (FPI) is to unify the legal frameworks<br />
of the federal police databases. A police index<br />
should in future allow authorised offices to<br />
<strong>ch</strong>eck the database for persons who are known to<br />
the federal or cantonal police and, in the affirmative,<br />
to find out whi<strong>ch</strong> police<br />
authority is involved.This is an Legal basis for federal<br />
improvement over the current police databases.<br />
system whi<strong>ch</strong> requires ea<strong>ch</strong><br />
authority to be individually contacted for any information<br />
on a person. During the consultation<br />
procedure the reaction to the first draft of the new<br />
FPI was mostly positive; the idea of a police index<br />
was especially welcomed.<br />
DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />
87
88<br />
REPORT 2005 SUMMARY<br />
Non-proliferation<br />
Prophylax – A successful<br />
prevention and awareness<br />
programme.<br />
Switzerland has ratified all international<br />
agreements on weapons of mass destruction and is<br />
a member of all four export control regimes,<br />
whose objective is to control the use of goods<br />
that have a civilian and military purpose. These<br />
regimes are: the Nuclear Suppliers Group, the<br />
Australia Group (on biological<br />
and <strong>ch</strong>emical weapons),<br />
the Missile Te<strong>ch</strong>nology Control<br />
Regime, and the Wassenaar<br />
Arrangement on Export<br />
Controls for Conventional and Dual-Use Goods<br />
and Te<strong>ch</strong>nologies. In 2005, the seco refused authorisation<br />
for 15 export applications, a threefold<br />
increase over 2004. Around two-thirds of these<br />
applications involved so-called cat<strong>ch</strong>-all-cases;<br />
that is goods that are not subject to authorisation<br />
but were registered with the seco because they<br />
were intended for a high-risk end user.<br />
In autumn 2004, fedpol (SAP) started visiting<br />
Swiss companies as part of its prevention and<br />
awareness programme called Prophylax.The purpose<br />
of Prophylax is to systematically approa<strong>ch</strong><br />
and open a dialogue with Swiss companies that<br />
manufacture sensitive products su<strong>ch</strong> as tool ma<strong>ch</strong>ines,<br />
measuring instruments or <strong>ch</strong>emical products<br />
that could be exported to high-risk countries.<br />
By December 2005, fedpol had visited 150 companies<br />
throughout Switzerland.<br />
Organised crime<br />
In October 2005, the Federal Council put forward<br />
its draft legislation on the ratification of the<br />
United Nations Convention against Transnational<br />
Organised Crime and both additional protocols<br />
against the trafficking of persons and smuggling<br />
of migrants. These agreements represent a further<br />
important development in international criminal<br />
law and a milestone in international cooperation<br />
against transnational organised crime.<br />
The creation of minimum standards in regulations<br />
and measures is a significant precondition for<br />
strengthening international cooperation. The signatory<br />
states have committed themselves to outlawing<br />
the participation in a criminal organisation<br />
and money laundering. Moreover, they must examine<br />
whether the act of corrupting foreign officials,<br />
actively or passively, should be punishable.<br />
A further point of the convention is the criminal,<br />
civil or <strong>admin</strong>istrative prosecution of companies,<br />
and the confiscation of illegally acquired assets.<br />
DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />
Fighting corruption<br />
Switzerland’s measures for fighting corruption<br />
compare favourably internationally; in fact,<br />
they are above average and oriented towards<br />
international agreements and standards. Moreover,<br />
the appropriate regulations are currently<br />
being expanded accordingly. Another step to-<br />
wards increased prevention<br />
and repression has also been<br />
made with the legislative implementation<br />
of the Council of<br />
Europe’s Criminal Law Con-<br />
vention on Corruption.From 1 July,2006,not only<br />
active corruption, but also passive corruption by<br />
private persons (Article 4a Federal Act against<br />
Unfair Competition) and the passive corruption<br />
of foreign and international officials (Article<br />
322septies Swiss Criminal Code) will be considered<br />
illegal. Finally, corporate liability will be extended<br />
to include private sector participation in<br />
corruption (Article 100quater paragraph 2 Swiss<br />
Criminal Code).<br />
However, new legislation on its own is not sufficient<br />
to prevent corruption. Combating corruption<br />
successfully requires police and judicial<br />
authorities who are familiar with the issues, the<br />
necessary personnel resources to conclude the<br />
often time-consuming and lengthy investigations,<br />
and also the protection of employees and other<br />
individuals who report corrupt practices.<br />
Human trafficking<br />
Prevention and repression –<br />
Improving the fight against<br />
corruption.<br />
In 2005 Switzerland took a number of crucial<br />
steps to combat human trafficking and a<strong>ch</strong>ieved<br />
some success on the cantonal and national level.<br />
On 11 Mar<strong>ch</strong>, 2005, the Federal Council put forward<br />
its draft legislation on the ratification of the<br />
Optional Protocol to the Convention on the<br />
Rights of the Child, on the Sale of Children, Child<br />
Prostitution and Child Pornography. The draft<br />
legislation is currently being debated by the Federal<br />
Assembly.At the same time,Article 196 of the<br />
Swiss Criminal Code on human trafficking is being<br />
amended. Besides trafficking for the purpose<br />
of sexual exploitation, the new legislation will<br />
also make trafficking to exploit labour and the<br />
removal of human organs punishable offences.<br />
Moreover, a one-time offender will also be liable<br />
for punishment for human trafficking. And the<br />
new law on foreign nationals will include a clause<br />
granting residence permits to victims of human<br />
trafficking.
New legislation on foreign nationals<br />
Under Article 116 of the new legislation on foreign<br />
nationals (Aliens Act) human trafficking will<br />
qualify as a felony. Human trafficking will also be<br />
listed as a felony in the Federal Act on the Surveillance<br />
of Post and Telecommunications and in<br />
the Federal Act on Covert Investigations. Elevating<br />
human trafficking to the status of a felony<br />
means that in future law enforcement agencies<br />
will have greater investigating and prosecuting<br />
competence.<br />
Increasing the penalty for smuggling on a<br />
commercial basis is expected to have a preventive<br />
effect. Furthermore, incorporating new offences<br />
su<strong>ch</strong> as illegal transit, transit smuggling, bogus<br />
marriages or deception of officials, will help<br />
combat forms of smuggling that are more difficult<br />
to detect.<br />
Electronic communication networks<br />
The year 2005 saw the completion of the consultation<br />
procedure on the report and preliminary<br />
drafts for the revision of the Swiss Criminal Code<br />
and the Military Criminal Code. The drafts under<br />
review regard the criminal responsibility of<br />
providers (Preliminary Draft A) and federal<br />
jurisdiction in prosecuting crimes committed by<br />
means of electronic communication networks<br />
(Preliminary Draft B). The Federal Department<br />
of Justice and Police (FDJP) intends to submit the<br />
results of the consultation proceedings and new<br />
draft legislation pertaining to Article 344 of the<br />
Swiss Criminal Code (electronic communication<br />
networks) to the Federal Council in 2006. Under<br />
the new legislation, the Office of the Attorney<br />
General of Switzerland and the Federal Criminal<br />
Police would thus be empowered to conduct initial<br />
investigations into criminal offences committed<br />
by means of electronic communication<br />
networks in su<strong>ch</strong> cases where it is has not yet been<br />
determined whi<strong>ch</strong> canton is responsible. Regarding<br />
Preliminary Draft A, the Federal Council has<br />
yet to decide on the further course of procedure.<br />
Weapons Act<br />
Switzerland’s joining of the S<strong>ch</strong>engen Agreement<br />
means that the Weapons Act needs to be<br />
extended in a number of essential respects; thus,<br />
the unauthorised possession of firearms becomes<br />
a punishable offence, the trading of firearms<br />
between private individuals requires a certificate<br />
REPORT 2005 SUMMARY<br />
of pur<strong>ch</strong>ase as is the case in commercial trading,<br />
and firearms imported into Switzerland or manufactured<br />
in the country have to be marked so<br />
they can be traced back to the original source.<br />
Finally, the licensing practice will be standardised<br />
throughout Switzerland.<br />
Apart from these <strong>ch</strong>anges, whi<strong>ch</strong> have already<br />
been agreed upon, the Federal Council has proposed<br />
further reforms. Under these reforms,<br />
imitation guns, air guns, blank cartridge guns and<br />
airsoft guns are to be placed in the same category<br />
as normal weapons and would<br />
therefore be subject to the<br />
same legal regulations. However,<br />
this only applies if the<br />
weapon has endangering potential; for example<br />
if it could be mistaken for a real one or if it has a<br />
certain muzzle power. Likewise, selling weapons<br />
anonymously, for instance over the Internet or<br />
through advertisement, would become illegal<br />
under new legislation. It has further been proposed<br />
to prohibit the improper carrying of dangerous<br />
objects. It would thus be possible for state<br />
security forces to confiscate baseball bats, metal<br />
pipes, bicycle <strong>ch</strong>ains and other objects carried in<br />
public before they can be used to injure people or<br />
commit offences. However, this would only apply<br />
if it is obvious that su<strong>ch</strong> objects are meant for use<br />
as weapons.<br />
The draft also includes legislation on the<br />
ex<strong>ch</strong>ange of data between fedpol and the army.<br />
Under proposed legislation, fedpol would be<br />
responsible for establishing a national office to<br />
evaluate tracing data on firearms. The amendment<br />
under review does not contain any reforms<br />
limiting hunting or shooting sports, however.<br />
Cooperation between<br />
intelligence services<br />
Weapons Act substantially<br />
amended and improved.<br />
When planning for the years 2003 through<br />
2007, the Federal Council defined its ninth objective<br />
– safeguarding security – in some detail:<br />
accordingly, Switzerland’s security policy instruments<br />
must fully interact with ea<strong>ch</strong> other and be<br />
flexible.Besides,the instruments for safeguarding<br />
domestic security were further strengthened in<br />
2005 with the introduction of<br />
numerous police and judicial<br />
measures. One of these measures<br />
was the decision taken by<br />
the Federal Council on 22 June 2005 that in future<br />
the Strategic Intelligence Service (SIS) at the<br />
Federal Department of Defence, Civil Protection<br />
SAP and SIS – Joint evaluation<br />
and analysis forums.<br />
DOMESTIC SECURITY REPORT SWITZERLAND<br />
89
90<br />
and Sports, and fedpol’s SAP (FDJP) should<br />
work together more closely in the fields of terrorism,<br />
organised crime and nonproliferation.<br />
To this end, three joint evaluation and analysis<br />
forums were established at the beginning of 2006.<br />
At the same time the Federal Council also decided<br />
to implement a project that had been aimed<br />
at establishing the staff of the Federal Council Security<br />
Committee. The purpose of this staff is to<br />
strengthen the leadership of the Confederation in<br />
security policy matters. The staff began work on<br />
1 October, 2005.<br />
International cooperation<br />
In the popular vote on 5 June, 2005, the Swiss<br />
people agreed to Switzerland’s joining of the<br />
S<strong>ch</strong>engen and Dublin Agreements. The Federal<br />
Council has strengthened international police<br />
cooperation through a series of agreements. The<br />
parliamentary draft on cooperation with Europol<br />
was passed by the Federal Council in January<br />
2005 and subsequently ratified by Parliament<br />
before coming into force on 1 Mar<strong>ch</strong>, 2006. By<br />
approval of the Federal Council, several bilateral<br />
police cooperation agreements have been signed<br />
with Latvia, the Cze<strong>ch</strong> Republic, Romania, Slovenia,Macedonia<br />
and Albania.These agreements<br />
form the legal basis for consolidating and further<br />
improving certain areas of cooperation that already<br />
exist through Interpol, su<strong>ch</strong> as the ex<strong>ch</strong>ange<br />
of police intelligence, the coordination of operational<br />
measures, the establishment of joint working<br />
groups and joint training modules while at the<br />
same time taking into account data protection<br />
regulations.<br />
Furthermore, in April 2005 the Federal Council<br />
passed the parliamentary draft on an agreement<br />
with Lie<strong>ch</strong>tenstein on cooperation in con-<br />
nection with Swiss information systems for fingerprinting<br />
and DNA profiling.<br />
Preventing the misuse of lost<br />
and stolen passports<br />
All over the globe, lost and stolen passports<br />
or other documents are used time and again to<br />
commit offences or to avoid law enforcement.<br />
An Interpol database should put a stop to this.<br />
Switzerland was one of the first countries to take<br />
advantage of the automated document comparison<br />
facility in December 2005: Linking up its<br />
national database to Interpol’s database makes<br />
it possible to immediately <strong>ch</strong>eck and compare<br />
document numbers. The system, whi<strong>ch</strong> was developed<br />
under the overall leadership of fedpol,<br />
can be used by authorised offices in Switzerland<br />
and can considerably curb the misuse of travel<br />
documents.<br />
Biometric data in the Swiss passport<br />
International factors have made the introduction<br />
– initially as a pilot project – of biometric<br />
data in Swiss passports necessary in order to<br />
guarantee the freedom of travel to Swiss citizens<br />
and to ensure the high security standard of the<br />
Swiss passport as compared internationally. The<br />
facial photograph and the fingerprints of the holder<br />
are among the main biometric information.The<br />
Ordinance on Documents for Swiss Nationals is<br />
currently being revised. It will serve as a basis for<br />
incorporating the electronic photograph into<br />
Swiss passports within the framework of a pilot<br />
s<strong>ch</strong>eme. By decision of the Federal Council dated<br />
15 September 2004, the revision only concerns the<br />
project phase and is limited to a period of five<br />
years. ■
IMPRESSUM<br />
REDAKTION<br />
Dienst für Analyse und Prävention,<br />
Abteilung Analyse<br />
REDAKTIONSSCHLUSS<br />
Ende Januar 2006<br />
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