BERICHT INNERE SICHERHEIT DER SCHWEIZ ... - EJPD - admin.ch

34
BERICHT 2005 2. GEWALTTÄTIGER EXTREMISMUS UND TERRORISMUS
Islam aus Saudi-Arabien, zu verbreiten. Auch in
der Schweiz verfügt die AIO über einzelne Exponenten,
allerdings nicht wie in anderen europäi-
schen Ländern über eine gefestigteOrganisationsstruktur.
Die Schweizer AIO-Aktivisten
sind vor allem propagandistisch
aktiv. So wurden
in der und über die Schweiz wahhabitische Schriften,
Kassetten radikaler Prediger und Bücher
über die islamische Kindererziehung vertrieben.
Die Bewegung nutzte einen Schweizer Internetauftritt
und organisierte Treffen in islamischen
Zentren, an denen auch ausländische Anhänger
der AIO teilnahmen.
Umgekehrt nahmen Vertreter aus der
Schweiz an AIO-Treffen im Ausland teil, wo diese
auch schon durch extremistische Stellungnahmen
wie die Aufforderung zum bewaffneten
Dschihad auffielen. Weiter zeichnen sich bestimmte
AIO-Anhänger durch ihre streng nach
dem Vorbild des Propheten ausgerichtete Lebensweise
aus, die sie ihrem Umfeld aufzuzwingen
suchen. Allerdings hatten sie damit in der aus
dem Balkan stammenden Muslimgemeinschaft,
die – wenn überhaupt – eine apolitische und volkstümliche
Praxis des Islam verfolgt, bisher nur geringen
Erfolg. Im Gegenteil: AIO-Aktivisten
stiessen in der Schweiz bei Praktizierenden auf
offenen Widerstand und wurden aus Islamzentren
gewiesen.
Einzelne Exponenten, aber
keine gefestigte Strukturen
in der Schweiz.
Auswirkungen
des Tschetschenienkriegs
Der zweite Tschetschenienkrieg wurde auch
im sechsten Jahr mit unverminderter Härte geführt.Die
Islamisten unter Schamil Bassaev haben
an Einfluss gewonnen. Gerade die junge Generation,
der Lebensperspektiven weitgehend fehlen,
zeigte sich offen für radikales Gedankengut.
In der Schweiz leben gegenwärtig etwas mehr
als 500 Tschetschenen, die meisten davon als
Asylsuchende oder anerkannte Flüchtlinge. Im
Gegensatz zu Frankreich konnte hierzulande
bisher nicht beobachtet werden, dass unter tschetschenischen
Einwanderern eine politische Radikalisierung
stattgefunden hat. Wie in anderen
Ländern wurde aber auch in der Schweiz Geld
für Tschetschenien gesammelt. Bisher konnte
nicht festgestellt werden, dass solche Gelder zu
Gunsten gewaltextremistischer Gruppierungen
oder für terroristische Aktivitäten aus der
Schweiz nach Tschetschenien geflossen sind.
BERICHT INNERE SICHERHEIT DER SCHWEIZ
BEURTEILUNG
Das dschihadistische Operationsfeld
Europa umfasst auch die Schweiz
Aus den Aussagen von gewaltbereiten Islamisten
lässt sich nicht schliessen, dass die Schweiz ein
primäres Angriffsziel darstellte. Es ist jedoch davon
auszugehen, dass sich auch in der Schweiz
dschihadistische Terroristen aufhalten könnten.
In Anbetracht der jüngsten Entwicklung der
dschihadistischen Ideologie liegen terroristische
Anschläge in der Schweiz als
Teil des europäischen Operationsfeldes
zudem zunehmend
im Bereich des Möglichen,
und es gibt Vermutungen, dass es in der Schweiz
Islamisten gibt, welche die Durchführung solcher
Taten anstreben. Sie könnten durch falsche Anschuldigungen
wie die des ehemaligen ägyptischen
Polizeiobersten in ihren Absichten noch
bestärkt werden.
Das Beispiel der Anschläge von London zeigt,
dass terroristische Attentäter, wenn sie individuell
und unabhängig von einer grösseren Organisationsstruktur
handeln, schwerer denn je im
Vorfeld ermittelbar sind.Parallel zu diesem Trend
hin zu kleineren, selbstständig agierenden Zellen
islamistischer Terroristen wurden 2005 auch die
ideologischen Rechtfertigungen von Terroranschlägen
überall auf der Welt vorangetrieben.
Dschihadistische Terroristen können, trotz weitgehender
Entscheidungs- und Handlungsautonomie,
auf ein weit verzweigtes transnationales
Unterstützernetzwerk zählen, das auch zahlreiche
Nahtstellen in der Schweiz aufweist. Die aktuellen
Beispiele bestätigen die bereits bekannte
Bedeutung der Schweiz wie Europas insgesamt
als Logistik-, Propaganda- und Ruheraum für
islamistische Aktivisten. Konkrete Vorbereitungshandlungen
zu terroristischen Taten wurden
in der Schweiz bisher zwar nicht endgültig nachgewiesen.
Die Bedrohungslage kann aber rasch
und jederzeit ändern.
Radikalisierung der
muslimischen Gemeinschaft
Schweiz als Teil des europäischen
Operationsfelds.
Neben der terroristischen Gefahr, die von der
sich aus der Gemeinschaft ausgrenzenden und als
Elite wähnenden Minderheit der Dschihadisten
ausgeht, repräsentieren Islamisten, die die muslimische
Gemeinschaft zu radikalisieren suchen,
eine weitere Gefährdung der inneren Sicherheit.
Besonders die wahhabitische Variante des Islam,