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125 Jahre Linde - The Linde Group

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Zwischen Tradition und Moderne: Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle imCarl-von-<strong>Linde</strong>-Hörsaal der Technischen Universität München.Und auch dabei können wir noch immer von Carl von <strong>Linde</strong>sPrinzipien der technischen Ingenieurwissenschaften lernenund uns wie er fragen: „Wie geht es besser?“ Diese Frage unddie Antworten darauf beziehen sich nicht nur auf technischeErrungenschaften, sondern ebenso auf unsere Organisation,unsere Arbeitseffizienz und unseren persönlichen Einsatz. Umständig besser zu werden, brauchen wir Vorbilder. Und diefinden wir in der langen Geschichte der <strong>Linde</strong> AG, auf die alleMitarbeiter, die diese Erfolgsgeschichte entscheidend bestimmthaben, stolz sein können.Technologie, Innovation und Erfindergeist haben das Unternehmenvon Beginn an geprägt, dies werden Sie in dervorliegenden, reich bebilderten Chronik nacherleben können.Technologie, Innovation und Erfindergeist bleiben auch weiterhindie treibenden Kräfte für <strong>Linde</strong>. Denn nur so werden wirunseren hohen Anspruch, ein in jeder Hinsicht führender, weltweittätiger Technologiekonzern zu sein, nachhaltig erfüllen.Dr.-Ing. Wolfgang ReitzleVorsitzender des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG3


1960 1980 2000Idee N o 2290 – 63851935 – 1974 Kriegswirtschaft,Zusammenbruch und Wirtschaftswunder1975 – 2004 Aufstieg zum Global PlayerWachstum in Zeiten des Krieges 41<strong>Linde</strong> und der Nationalsozialismus 44Kriegsende und Neubeginn 48Wirtschaftswunder: Nicht alle Bereiche profitierten 49Hydrostatik – am Anfang stand das Hydrocar 52Generationswechsel: Beginn der Strategiedebatte 60PersönlichkeitenRudolf Wucherer 45Dr.-Ing. Richard <strong>Linde</strong> 46Dr.-Ing. Hugo Ombeck 49Dr.-Ing. Johannes Wucherer 57Prof. Dr. Hermann <strong>Linde</strong> 60Mit Akquisitionen auf Expansionskurs 63Stärkung der Marktposition in der Kältetechnik 64Technische Gase: Ausbau und Internationalisierung 67Gezielter Ausbau des Geschäfts mit Flurförderzeugen 70Stärkung des Anlagenbaus 71Strategische Weichenstellungen im Konzern 77Von Dr. Hans Meinhardt über Gerhard Full zuDr. Wolfgang Reitzle 78Weltweite Präsenz 79AGA – ein starker Partner für <strong>Linde</strong> 81PersönlichkeitenDr. rer. pol. Hans Meinhardt 65Gerhard Full 82Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle 84<strong>125</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Linde</strong> – Meilensteine 86Impressum 88Allen in dieser Chronik aufgeführten Ideen liegen Patente zugrunde.Ausgenommen sind hiervon lediglich einige der Ideen in Kapitel 1 – für dieseZeit ist leider keine vollständige Dokumentation der Patente erhalten. DieNummerierung ist chronologisch und steht in keinem Bezug zu den Patentnummern.5


1879Idee N o 0001 – 00601879 – 1890 Vom Kältepionierzum internationalen Technologieführer


1880Vollendung des Kölner Doms nach insgesamt 632 <strong>Jahre</strong>n Bauzeit.Von der ersten Kältemaschine zum eigenenUnternehmenIn einem zum Teil atemberaubenden Tempo und mit höchsterExperimentierfreude schuf Carl von <strong>Linde</strong> binnen wenigerJahrzehnte einen neuen Industriezweig: die Kältetechnik. DasIngenieurunternehmen Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinenzeichnete sich von Beginn an durch Innovationsfreudigkeitund Kundennähe aus.Carl von <strong>Linde</strong>, Professor an der Technischen Hochschule inMünchen (siehe auch Seite 12), war auf das ForschungsgebietKältetechnik durch ein Preisausschreiben für eine Kühlanlagezum Auskristallisieren von Paraffin gestoßen. „Es erfasste michsofort der Gedanke, dass hier eine noch ungeklärte Aufgabe dermechanischen Wärmelehre vorliege“, beschreibt er selbst inseinen 1916 veröffentlichten Erinnerungen „Aus meinem Lebenund von meiner Arbeit“ die in ihm geweckte Neugierde.Sofort machte sich v. <strong>Linde</strong> daran, die theoretische Grundlagefür eine „verbesserte Eis- und Kühlmaschine“ zu legen. Beiseinen Berechnungen der calorischen Wirkungsgrade war v. <strong>Linde</strong>zu dem Schluss gekommen, dass die Kaltdampfmaschine – imVergleich zur Absorptionsmaschine und zur Kaltluftmaschine –die höchste Kälteausbeute versprach. Das von ihm konzipierteVerfahren sollte mit möglichst geringen Temperaturunterschiedenarbeiten und als Kältemittel Methyläther verwenden.Mit ihrer Hilfe sollten v. <strong>Linde</strong>s Ideen in der Praxis erprobt werden,um anschließend eine Kühlanlage für die Drehersche Brauerei,die größte Brauerei Österreichs, im feuchtwarmen Triest zu installieren.Bau der ersten <strong>Linde</strong>-EismaschineDie Konstruktionspläne waren schließlich im Januar 1873 fertigund konnten zum Patent angemeldet werden. Das bayerischePatent setzte allerdings voraus, dass die Maschine binnen eines<strong>Jahre</strong>s in Gang gesetzt wurde. Deshalb beauftragten Carl v. <strong>Linde</strong>und Sedlmayr noch im Januar 1873 die Maschinenfabrik Augsburgmit dem Bau. Und mit einiger Mühe konnte der für das Patentwichtige Termin des Betriebsstarts Ende Januar 1874 eingehaltenwerden. Doch die erste Maschine hatte ihre Tücken.Das Hauptproblem: Von <strong>Linde</strong>s Quecksilber-Dichtung funktioniertenicht, der zur Kühlung eingesetzte Methyläther trat ausdem Kompressor aus. Von <strong>Linde</strong> konstatierte: „Diese Bauart konntefür die Erfordernisse der Praxis nicht als geeignete Lösung gelten.So erschien mir der Bau einer zweiten Maschine dringend wünschenswert.“Erste Kontakte mit BrauereienNachdem v. <strong>Linde</strong> seine Erkenntnisse 1870 und 1871 in demvon ihm redigierten „Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt“des Polytechnischen Vereins veröffentlicht hatte, kam eine Entwicklungins Rollen, die seinen gesamten Lebensweg bestimmensollte. Denn die kältetechnischen Abhandlungen weckten dasInteresse von Brauern, die für die Gärung und Lagerung ihresBieres nach einem ganzjährig zuverlässigen Kältebetrieb suchten.Im Sommer 1871 vereinbarten v. <strong>Linde</strong>, der österreichischeGroßbrauer August Deiglmayr (Brauerei Dreher) und derMünchener Brauer Gabriel Sedlmayr, in der Spaten-Brauereieine Versuchsmaschine nach v. <strong>Linde</strong>s Entwurf aufzustellen.Skizzen und Erläuterungen aus frühen Vorlesungskonzepten Carl von <strong>Linde</strong>swährend seiner Lehrtätigkeit (1868 –1879) an der polytechnischen Schulein München (heute TU München).7


1881Ermordung des russischen Zaren Alexander II.N o 0001 Die ersteKälteerzeugungsmaschine mit Methylätherals Kühlmittel.Die erste verkaufte <strong>Linde</strong>-Kältemaschine, eine Weiterentwicklungdes Ursprungsmodells von 1873, kam 1877 bei der DreherschenBrauerei in Triest (Italien) zum Einsatz.


N o 0003 Kälteerzeugungsmaschinemit liegendem Ammoniakverdichter.Für deren Finanzierung trat v. <strong>Linde</strong> einen Teil der Patentrechtean Sedlmayr, an den Eisenbahnbauer Georg Krauss und an denDirektor der Maschinenfabrik Augsburg, Heinrich von Buz, ab.Im Gegenzug beschafften sie die notwendigen Mittel für Entwicklung,Bau und Erprobung einer neuen Kältemaschine.Bau der zweiten KältemaschineMit seinem Schüler und Assistenten Friedrich Schipper konstruiertev. <strong>Linde</strong> einen neuen Kompressor, der sich vor allem durcheine wesentlich einfachere und wirkungsvolle Dichtung auszeichnete.Als Dichtungsmittel in der neu konstruierten Stopfbuchsenkonstruktionverwendete er Glyzerin und als Kühlmitteldas wirkungsvollere Ammoniak. Die neue Maschine wog undkostete nur halb so viel wie ihre Vorgängerin.Im Frühjahr 1875 bestellte v. <strong>Linde</strong> den neuen Kompressor beider Maschinenfabrik Augsburg und meldete die neue Kältemaschinezum bayerischen Patent an, das am 25. März 1876 für zehn <strong>Jahre</strong>erteilt wurde; die deutschen Reichspatente erhielt v. <strong>Linde</strong> imAugust 1877.„Schon die ersten Versuche mit diesem zweiten Kompressor“,so v. <strong>Linde</strong> nicht ohne Stolz, „zeigten völlig befriedigende Ergebnisse.“Die Maschine wurde im September 1876 an die BrauereiDreher in Triest verkauft, unter Leitung von Schipper aufgebautund im Frühjahr 1877 in Gang gesetzt. Sie sorgte bis zum Jahr1908 für Kühlung und Lufttrocknung.Technischer DurchbruchDoch trotz dieses Erfolgs machte sich v. <strong>Linde</strong> sofort nach Einbauder Maschine bei Dreher an eine dritte Konstruktion, wobei ersich an den bereits gebräuchlichen Gaspumpen orientierte. Diesedritte, horizontal arbeitende Bauform erwies sich – gemessenam Preis-Leistungs-Verhältnis – als die beste Kaltdampfmaschineam Markt und wurde für Jahrzehnte zum Standardtyp der <strong>Linde</strong>-Kompressoren.Während der mehr als sechsjährigen Entwicklungs- undExperimentierphase musste auch für die Verteilung der erzeugtenKälte eine zuverlässige Lösung gefunden werden. Nach langenVersuchen entwickelte v. <strong>Linde</strong> im Rahmen eines Auftrags fürLiegender zweistufiger Ammoniak-Verdichter von Carl von <strong>Linde</strong>,die traditionelle Bauform für Großkälteanlagen (um 1900).die Heineken-Brauerei in Rotterdam die Zirkulation von kalterSalzwassersole in einem Rohrkühlsystem („stille Kühlung“),das an der Decke der Kühlräume angebracht war.Eintritt in den KühlmarktNachdem v. <strong>Linde</strong> gemeinsam mit befreundeten Brauern einzuverlässig funktionierendes und wirtschaftlich arbeitendes Kältesystementwickelt hatte, galt es, gemeinsam mit seinen Lizenznehmern,der Maschinenfabrik Augsburg und der SchweizerFirma Gebrüder Sulzer sowie den Vertretungen Satre & Averly inLyon, Carels Frères in Gent und Morton in Großbritannien, einengrößeren Kundenkreis zu erschließen.Bei vielen europäischen Brauern fanden sie offene Türen:Weil in warmen Wintern die Brauereien nicht genügend Natureisfür die Gärung und die Kühlung der Keller bekamen, wardas Interesse für die leistungsfähigen Kältemaschinen v. <strong>Linde</strong>sschnell groß. Neben den Eismaschinen lieferte v. <strong>Linde</strong> baldauch Anlagen für eine direkte Luftkühlung, ohne den Umwegüber das Stangeneis. Zugleich arbeitete v. <strong>Linde</strong>, allerdings ohneletztlich durchschlagenden Erfolg, an der Herstellung von kristallklaremKunsteis.9


1882Erste elektrische Straßenbeleuchtung in Berlin.N o 0006 VerbesserteKonstruktion der Stopfbuchse.N o 0010 Zirkulation kalter Salzwassersolein Kühlrohren zur direkten Kühlung von Gär- undLagerkellern, die so genannte stille Kühlung.Erste Kunden und Partner: die BrauerViele kontinentaleuropäische Brauereienstellten ab 1840 auf die untergärige Lagerbier-Herstellung(im Gegensatz zum„englischen“ obergärigen Braunbier) um,denn das Bier blieb länger frisch undschmeckte den meisten Kunden besser.Die Eismaschine, die v. <strong>Linde</strong> beschriebenhatte, schien geeignet, um die dafür erforderlichentieferen Temperaturen zuerreichen und ein genaue Regelung derKühlung zu gewährleisten. Kein Wunderalso, dass einige Großbrauer großes Interessean dieser Erfindung zeigten.Gabriel Sedlmayr von der MünchenerSpaten-Brauerei erklärte sich Anfang der1870er <strong>Jahre</strong> bereit, v. <strong>Linde</strong> in seinerBrauerei mit einer ersten Kältemaschineexperimentieren zu lassen. Die erste Anlagefunktionierte zwar leidlich, war aberzu groß und hatte etliche Mängel. An diezweite Variante mit deutlich kleineren Ausmaßenund guten Leistungen legte Sedlmayrsogar selbst Hand an, wie die zumPatent eingereichten Zeichnungen zeigen.Diese Anlage wurde an die Triester BrauereiDreher zur Luftkühlung geliefert.Auf Vermittlung Sedlmayrs bestellte1877 die Rotterdamer Heineken-Brauereiunter ihrem Direktor Feldmann bei <strong>Linde</strong>eine Eismaschine zur Eiserzeugung. Inder Zusammenarbeit mit der Heineken-Brauerei entwickelte <strong>Linde</strong> die „stilleKühlung“ mit einem unter der Kellerdeckeverlegten Kühlrohrsystem. Feldmannwiederum brachte v. <strong>Linde</strong> in Kontakt mitJ. C. Jacobsen, Chef der Carlsberg-Brauereiin Kopenhagen, der 1878 eine großeKälteanlage bestellte.Eine bedeutende Rolle in der Gründungsphaseder Gesellschaft für <strong>Linde</strong>´sEismaschinen spielte auch Karl Lang,technischer Berater und Aufsichtsrat mehrererrheinischer Brauereien. Er brachte<strong>Linde</strong> mit deren Direktor Gustav Jung inVerbindung, der nicht nur eine Kühlanlagebestellte, sondern zusammen mit Langund dem Bankier Moritz von Hirsch Gesellschafterund Aufsichtsrat der Gesellschaft<strong>Linde</strong> wurde.Die Verbindung der Brauereidirektorenzur Gesellschaft <strong>Linde</strong> blieb zum Teil übermehrere Generationen hinweg erhalten.So übernahm Gustav Jung nach dem Todvon Karl Lang (1894) den Vorsitz imAufsichtsrat. Sohn Adolf Jung folgte 1886nach. Carl Sedlmayr nahm für seinenVater Gabriel den Sitz im Aufsichtsrat ein,und ab 1915 folgte mit Anton Sedlmayrdie dritte Generation dieser Familie. DieFamilien Jung und Sedlmayr behielten ihreAufsichtsratssitze bis nach dem ZweitenWeltkrieg.Noch vor der Gründung der Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s EismaschinenAktiengesellschaft hatte v. <strong>Linde</strong> 20 Kälteanlagen inEuropa ausgeliefert. Der Professor beschloss bereits 1878, seineAktivitäten in einem Unternehmen zu bündeln und sich ganzauf die Vermarktung und technische Weiterentwicklung seinerKältemaschinen zu konzentrieren. Dafür riskierte er es, sich ausder sicheren Beamtenposition zu verabschieden.Entscheidender Auslöser dafür waren Auftragsverhandlungenmit Karl Lang, dem technischen Berater und Aufsichtsrat mehrererrheinischer Brauereien. Er riet Carl von <strong>Linde</strong> 1878, die Lehrtätigkeitaufzugeben und an die Spitze eines neu zu gründendenUnternehmens zu treten.Der Schritt ins UnternehmertumNach einiger Bedenkzeit entschied v. <strong>Linde</strong>, seine gesicherteBeamtenposition als Hochschullehrer aufzugeben und sich insriskante Unternehmertum zu stürzen. Mit Lang und dem jüdischenBankier Moritz von Hirsch, der den größten Teil des Kapitals fürdas junge Unternehmen einbrachte, einigte sich v. <strong>Linde</strong> auf einefinanzielle Absicherung im Alter und bei Berufsunfähigkeit – imGegenzug trat er an sie Patentrechte ab. Neben Lang, v. Hirschund v. <strong>Linde</strong> zeichneten auch dessen bisherige Partner Gabrielund Johann Sedlmayr, der Lokomotivenfabrikant Georg Krauss undHeinrich von Buz, Direktor der Maschinenfabrik Augsburg, Aktiender jungen Gesellschaft für <strong>Linde</strong>´s Eismaschinen. Schließlichbeteiligte sich im Mai 1879 auch noch Gustav Jung, Besitzer derMainzer Aktienbrauerei, an der Gesellschaft mit Sitz in Wiesbaden.Das junge Unternehmen wurde finanziell zunächst kurz gehalten.Entgegen v. <strong>Linde</strong>s Forderungen, die Gesellschaft miteinem Gründungskapital von 400.000 Mark auszustatten, bestandenv. Hirsch und Lang darauf, nur 200.000 Mark einzusetzen –und auch das nicht in bar, sondern durch Einlage der Patente.Dem Aufsichtsrat gehörten bei Gründung der Gesellschaft am21. Juni 1879 Lang (Vorsitzender), Sedlmayr, Krauss, v. Buz undJung an.Der Start des Unternehmens fiel auch personell bescheidenaus: Ein Vorstandsmitglied und ein Zeichner bildeten die gesamteBelegschaft. Und geschäftlich herrschte zunächst einmal Flaute.Gärkeller einer Brauerei mit so genannter stiller Kühlung.10


1883Der deutsche Arzt Robert Koch entdeckt die Cholera-Erreger.Von <strong>Linde</strong> notierte in seinen Erinnerungen: „Unser stiller Anfangwurde während der ersten Monate durch eine fast bedrückendeRuhe in dem Fortgang von Verhandlungen und Aufträgen fürdie Lieferung von Kälteanlagen beantwortet, so dass der Eindruckentstand, als sei das erste dringende Bedürfnis bereits befriedigt.“Doch das sollte sich schnell ändern. Das kleine Ingenieurbürostand vor einer stürmischen Entwicklung, die es bald überdie deutschen Grenzen hinaus zum bedeutendsten Anbieter vonKältetechnik machen sollte. <strong>Linde</strong> fertigte nicht selbst, sondernließ in Lizenz bauen. Dadurch war das Unternehmen so schnellwachstumsfähig.Erfolgreicher Start in schwierigem UmfeldDabei sahen die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschlandin den siebziger und achtziger <strong>Jahre</strong>n des 19. Jahrhundertsgar nicht rosig aus. Nach dem kurzen Gründerboom von 1871 bis1873 war die Konjunktur im jungen Kaiserreich dramatisch eingebrochen.Die „Große Depression“ der Bismarckzeit hatte ihrenTiefpunkt 1879 zwar durchschritten, die Wirtschaftsflaute setztesich jedoch bis ins Jahr 1894 in abgeschwächter Form fort.Doch der deutsche Kompressoren- und Kältemaschinenbauerlebte eine Sonderkonjunktur und eroberte ab 1880 rasch eineinternational führende Position. Von dieser dynamischen Entwicklungprofitierte die Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinenbesonders, da sie durch konsequent internationale Ausrichtungvon Anfang an in vielen Märkten vertreten war und die leistungsfähigstenProdukte anbieten konnte.Wetter als VerbündeterDie wichtigsten Kunden der Kältemaschinenbauer blieben biszur Wende zum 20. Jahrhundert die Brauereien. Hatte sich dieKühlung der Gärkeller und Gärbottiche mit künstlichem Eis beiden Brauern rasch durchgesetzt, so musste das Wetter nachhelfen,um die direkte Kühlung in die Lagerkeller zu bringen.Der erste Aufsichtsrat der Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinen:Oben: Der Vorsitzende Karl Lang, darunter von links: Carl Sedlmayr,Georg Krauss, Heinrich von Buz und Gustav Jung.11


Carl von <strong>Linde</strong> – begnadeter Ingenieur und UnternehmerAls Carl von <strong>Linde</strong> am 11. Juni 1842 imlutherisch-evangelischen Pfarrhaus vonBerndorf in Oberfranken geboren wurde,war ihm keine Karriere als angesehenerWissenschaftler, begnadeter Erfinder underfolgreicher Unternehmer in die Wiegegelegt worden. Vielmehr hätte es seinVater Friedrich gern gesehen, wenn ihmsein drittes von neun Kindern in denBeruf des Seelsorgers gefolgt wäre.Doch der Umzug der Familie nachKempten, wo der Vater eine Pfarrei übernahm,und der spätere Besuch des dortigenGymnasiums brachten Carl von <strong>Linde</strong>in engere Verbindung mit der Familie desDirektors der AktienbaumwollspinnereiKempten. Die häufigen Besuche in derFabrik mit ihren mächtigen Kraftmaschinenweckten das Interesse des Jungen ander Technik und den Wunsch, Ingenieurwissenschaftenzu studieren.Trotz der materiell beengten Verhältnissedes vielköpfigen Pfarrhaushaltskonnte von <strong>Linde</strong> seinen Vater davon überzeugen,an der führenden technischenHochschule jener Zeit, dem Polytechnikumin Zürich, Maschinenbau studieren zudürfen. Seine wichtigsten Lehrer wurdenCarl von <strong>Linde</strong> im Alter von 83 <strong>Jahre</strong>n (1925).dort, so berichtete <strong>Linde</strong> in seinen Erinnerungen„Aus meinem Leben und vonmeiner Arbeit“, Zeuner (Mechanik undtheoretische Maschinenlehre), Reuleaux(Maschinenbaukunde) und Clausius(Physik). Zeuner und Reuleaux waren esauch, die von <strong>Linde</strong> mit persönlichenEmpfehlungsschreiben ausstatteten, alser nach einem Studentenprotest dasPolytechnikum ohne offizielles Abschlusszeugnisverlassen musste.Seine erste praktische Ausbildungerhielt von <strong>Linde</strong> zunächst als Volontär inder mechanischen Werkstatt der BaumwollspinnereiKottern bei Kempten, dannbei Borsig in Berlin. Ab August 1865arbeitete er im Zeichenbüro von Borsigals Ingenieur.Ende 1865 bewarb sich Carl von<strong>Linde</strong> als Vorstand des technischen Bürosbei der in Gründung stehenden LokomotivenfabrikKrauss & Co. in München.Am 20. Februar des darauf folgenden<strong>Jahre</strong>s erhielt er diese Stelle und feiertenoch vor seiner Abreise aus Berlin am26. Februar Verlobung mit Helene Grimm.Die Hochzeit folgte am 17. Septemberin Kempten. Im Laufe ihrer 53-jährigenEhe hatte das Ehepaar <strong>Linde</strong> sechsKinder: Maria (1867–1954), Franziska(1868 –1966), Friedrich (1870–1965),Anna (1873 –1949), Richard (1876 –1961)und Elisabeth (1880 –1959).Doch der junge v. <strong>Linde</strong>, damals nochnicht einmal 25 <strong>Jahre</strong> alt, strebte ausdem Zeichenbüro hinaus in die Wissenschaftund Lehre. Auf Empfehlung desGründungsrektors der PolytechnischenSchule in München (später TechnischeHochschule) wurde er am 24. August1868 zum außerordentlichen und am24. Dezember 1872 zum ordentlichenProfessor der Maschinenlehre ernannt.In seinen Lehrplan schloss er auch die<strong>The</strong>orie der Kältemaschinen ein.Damit er seinen Studenten auch praktischenUnterricht geben konnte, genehmigteihm die Bayerische Regierung70.000 Gulden für die Einrichtung einesMaschinenlaboratoriums – das ersteseiner Art in Deutschland. Es sollte derAusgangspunkt seiner bahnbrechendenEntwicklungen in der Kältetechnik werden.12


1884Der Längengrad von Greenwich wird internationaler Nullmeridian.N o 0016 Apparate zur Verdunstungund zum direkten Austausch von Wärme zwischen einertropfbaren Flüssigkeit und einem Gas.Schon während seiner ersten Lehrphasevon 1868 bis 1879 engagierte sichder rastlose von <strong>Linde</strong> in diversen technischenVereinen – eine Tätigkeit, dienach Ablauf der Vorstandstätigkeit bei derGesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinenim Jahr 1890 und seiner Rückkehr nachMünchen einen beträchtlichen Teil seinerZeit in Anspruch nehmen sollte.So gehörte Professor von <strong>Linde</strong> zuden Gründungsvätern des BayerischenDampfkesselrevisionsvereins und derMünchener Heizversuchsstation. Im PolytechnischenVerein begutachtete er Anträgeauf ein bayerisches Patent undarbeitete in der Berliner Kommission mit,die das deutsche Patentrecht reformierte.Zurück in München und mit einerHonorarprofessur ausgestattet (sie wurde1900 in eine ordentliche Professur ohneLehrauftrag umgewandelt), übernahm von<strong>Linde</strong> 1892 den bayerischen Bezirksvorsitzdes Vereins Deutscher Ingenieure und ließsich zum Vorsitzenden des BayerischenDampfkesselrevisionsvereins (TÜV) wählen.1895 wurde er ins Kuratorium der Physikalisch-TechnischenReichsanstalt berufen,ein Jahr später in die Bayerische Akademieder Wissenschaften.1898 trat er derGöttinger Vereinigung für angewandtePhysik und Mathematik bei, ein geistigerVorläufer der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaftund schließlich der Max-Planck-Gesellschaft.In den <strong>Jahre</strong>n 1904 und 1905 bekleideteer das Amt des VDI-Präsidenten,und schon im Jahr 1903 stürzte er sichmit Oskar von Miller in die Gründung desDeutschen Museums in München. Carl von<strong>Linde</strong> blieb dem Vorstand des Museumsbis zu seinem 80. Lebensjahr treu.Sein Hauptaugenmerk galt aber nachwie vor der Gesellschaft <strong>Linde</strong> und ihrenTochtergesellschaften. Seine praktischenArbeiten in der Kältetechnik sowie späterin der Luftverflüssigung und -trennung zeigenden Unternehmer-Ingenieur v. <strong>Linde</strong> –und damit seine wahre Berufung.Seine unternehmerische Ader warauch in vielen Aufsichtsräten gefragt –von eigenen Tochtergesellschaften ebensowie von der Lokomotivenfabrik Krauss& Co., der Mainzer Aktienbrauerei, derElektrizitätsgesellschaft Trieberg, derMotorenfabrik Güldner und der MaschinenfabrikSürth.Dieses vielseitige und vielfältigeEngagement setzte eine rege Reisetätigkeitvoraus. Da auch seine leitenden Ingenieuresehr oft unterwegs waren, umbei Kunden Anlagen in Gang zu setzen,entwickelte sich in der Gesellschaft <strong>Linde</strong>eine einzigartige Korrespondenz-Kultur.Allein 3.010 persönlich geschriebeneGeschäftsbriefe v. <strong>Linde</strong>s aus den <strong>Jahre</strong>n1876 bis 1929 sind in elf Kopierbüchernerhalten geblieben.Wenngleich sich von <strong>Linde</strong> ab 1910mehr und mehr aus dem aktiven Arbeitslebenzurückzog, behielt er einen Teilseiner Aufsichts- und Beratungstätigkeitbis zu seinem Lebensende bei. SeinLebenswerk setzten seine beiden SöhneFriedrich und Richard sowie sein SchwiegersohnRudolf Wucherer (er war mitder jüngsten <strong>Linde</strong>-Tochter Elisabethverheiratet) fort. Zwei seiner vier Töchterheirateten Pastoren, die älteste denPsychiater Dr. Karl Ranke, der zeitweiseauch dem Aufsichtsrat der Gesellschaftangehörte.Carl von <strong>Linde</strong> verstarb im Jahr 1934im Alter von 92 <strong>Jahre</strong>n. Im Laufe seinesLebens wurde er mit drei Ehrendoktorwürden,dem Bayerischen Verdienstorden,mit der Erhebung in den persönlichenAdelsstand und zahlreichen anderen Auszeichnungengeehrt.Carl von <strong>Linde</strong> (vorne links) begutachtet das Baugelände des DeutschenMuseums in München gemeinsam mit den Architekten und den Herren desBauausschusses (um 1910).Carl von <strong>Linde</strong> (sitzend, 2. v. r.) mit seinen Söhnen und Töchternsowie deren Ehegatten.13


1885Pastor Friedrich von Bodelschwingh gründetdie erste Bausparkasse in Deutschland.N o 0023Apparat zur Erzeugung von Blockeis.1892 eröffnete die Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinen in Hamburgein großes Werk für Lebensmittelkühlung und Eiserzeugung.Als nämlich im warmen Winter 1883/84 der Nachschubvon Natureis ausblieb, fielen die letzten Vorbehalte hinsichtlichder Zuverlässigkeit künstlicher Kälte. Deshalb brach über dieGesellschaft <strong>Linde</strong> und die mit ihr kooperierenden Maschinenbauereine „förmliche Sturmflut“ (v. <strong>Linde</strong>) von Aufträgenherein. Zum Glück hatte v. <strong>Linde</strong> genügend Eismaschinen dergängigen Größen auf Vorrat produzieren lassen, so dass derBedarf rasch und dennoch qualitativ zuverlässig gedeckt werdenkonnte.Bis zum Ende der 1880er <strong>Jahre</strong> rüstete die Gesellschaft für<strong>Linde</strong>’s Eismaschinen 445 Brauereien mit 747 Kältemaschinenaus. Dank ganzjährig gesicherter Kühlung konnten die Brauereiennun auch im Sommer untergäriges Bier brauen und somit ihreWirtschaftlichkeit deutlich steigern.Eisfabriken in eigener RegieAls während der ersten Monate nach der offiziellen Firmengründungkeine Aufträge für Kältemaschinen eingingen, sah sichv. <strong>Linde</strong> gezwungen, Eiswerke auf eigene Rechnung zu bauen.Zweck dieser Musteranlagen war es vor allem, deren Effizienzund Wirtschaftlichkeit zu demonstrieren. Die erste eigene Eisfabrikentstand in Elberfeld-Barmen zwischen zwei Brauereien,die sich verpflichtet hatten, größere Mengen des künstlicherzeugten Eises abzunehmen. Gleichzeitig ließ der Finanzierv. Hirsch, der v. <strong>Linde</strong>s Patentrechte für Frankreich erworbenhatte, in Paris eine Eisfabrik errichten. Und schließlich entwarfv. <strong>Linde</strong> parallel dazu ein kleineres Eiswerk für eine 1880 inDüsseldorf stattfindende Ausstellung.Bis 1881 eröffnete die <strong>Linde</strong>-Gesellschaft neben Elberfeld-Barmen weitere Eiswerke in Stuttgart, München und Straßburg.Jede stellte täglich bis zu 1.000 Zentner Eis her – und zwarzum ausgesprochen wettbewerbsfähigen Preis von 70 Pfennigje 100 Kilogramm. Nachdem die Eiswerke ihre Wirtschaftlichkeitbewiesen hatten, wurden sie bis 1890 „mit erheblichem Überschusseüber ihren Buchwert verkauft“ (v. <strong>Linde</strong>). Erst nach 1896entschloss sich die Gesellschaft für <strong>Linde</strong>´s Eismaschinen – wohlwegen des rückläufigen Maschinenabsatzes und zur Kapitalanlage– wieder, eigene Eiswerke und Kühlhäuser in Nürnberg (1896),Leipzig (1910), Königsberg (1914) und Magdeburg (1937) zubauen.Absatzmarkt KühlhäuserMit dem gesetzlich initiierten Aufbau von kommunalen Schlachthöfenwährend des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts entstandauch zunehmender Bedarf an Kühlhäusern für die Lagerungvon Fleisch und anderen Lebensmitteln – ein weiterer Absatzimpulsfür Kältemaschinen. Die erste Fleischkühlanlage entstand1882 in Bremen, wobei v. <strong>Linde</strong> als Berater eingeschaltet wurde.Ein Jahr später rüstete v. <strong>Linde</strong> das städtische Schlachthausin Wiesbaden aus und löste dabei die komplexe Aufgabe, nichtnur die Kälte zu erzeugen, sondern gleichzeitig die Luft zu trocknenund zu reinigen.Als dann zu Beginn der 1890er <strong>Jahre</strong> infolge geänderterGesetzgebung fast alle größeren Gemeinden in Deutschland ihreSchlachthöfe mit Kühlräumen ausstatteten und Kühlhäuser bauten,entwickelte sich dieser Bereich rasch zum zweitgrößten Marktfür Kälteanlagen.14


1886Erster benzingetriebener Kraftwagen der deutschenIngenieure Gottlieb Daimler und Carl Benz.N o 0028Verfahren und Einrichtung zur Darstellungdestillierten und luftfreien Wassers für die Kristalleis-Erzeugung bei Compressions-Kältemaschinen.Erster Apparat zur Herstellung von Klareis.15


N o 0032 Erste künstlicheEisbahn mit <strong>Linde</strong>-Kühlung in Nürnberg.Zusätzliche AbsatzmärkteAuf der Bayerischen Landes-Industrie- und Gewerbeausstellung inNürnberg wurde eine künstliche Eisbahn mit <strong>Linde</strong>-Kühlung gezeigt.Um die Abhängigkeit vom Geschäft mit Brauereien weiter zuverringern, suchten und fanden v. <strong>Linde</strong> und seine leitendenIngenieure für die junge Kältetechnik weitere Einsatzgebiete:Eisbahnen zum Schlittschuhlaufen, Kühl- und Gefrieranlagenfür Schiffe und Eisenbahnwagons, ja sogar Kälteanlagen fürbewohnte Räume. So fertigte Carl von <strong>Linde</strong> beispielsweise diekompletten Baupläne samt „Einrichtungen für die Entfeuchtungund Temperierung der Luft in den Wohn- und Schlafräumen“eines geplanten Hotels im indischen Kalkutta. Daraus ist jedochnichts geworden, weil die Finanzierung des Projekts scheiterte.Weitaus größere wirtschaftliche Bedeutung erlangten Verfahrenfür die Rübenentzuckerung, für die Milchkühlung in Molkereienund die Kühlung in Schokoladenfabriken. Dazu kameneine Prozesskühlung für die Anilinfabrikation, Kältesysteme für dieKristallisation aus Laugen und für die Benzolextraktion sowie Kältemaschinenfür die Kohlensäure- und die Chlorverflüssigung –und schließlich auch noch ein Spargelgefrierverfahren. Dievielen neuen Absatzfelder für die Kältetechnik sicherten auchdann noch steigende Auftragseingänge, als der Absatzboom inder Brauereiwirtschaft wegen weitgehender Marktsättigungnach 1890 abflaute.So zog das Unternehmen zum 50-jährigen Jubiläum Bilanz:Bis Ende 1929 verkaufte die Gesellschaft für <strong>Linde</strong>´s Eismaschinen6.599 Großkältemaschinen, davon 2.057 an Brauereien,1.865 für die Lebensmittelkühlung, 727 an Eisfabriken, aberauch 14 Anlagen an Bergwerke für die Schachtabteufung imgefrorenen Untergrund und drei für die Pelzkühlung, um nureinige zu nennen. Insgesamt listet die Chronik zum 50-jährigenJubiläum 17 Kundenländer bzw. -regionen für Kältemaschinenauf – von Argentinien über China, Japan und Russland bisnach Zentralamerika.1883 rüstete die Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinen den SchlachthofWiesbaden als ersten Schlachthof mit einer Kältemaschinenanlage aus.16


1887Der Deutsche Emil Berliner erfindet das Grammophon.Kaiserliches Patent für Carl von <strong>Linde</strong> für seineerste Kälteerzeugungsmaschine (1877).17


1888Wilhelm II. wird Kaiser des Deutschen Reichs.N o 0043 Kältesystemefür die Kristallisation aus Laugen.N o 0037 Verfahren und Vorrichtungzum Abtauen von Luftkühlrohren.Geschäftsmodell und frühzeitige Internationalisierung:die ErfolgsfaktorenDass Carl v. <strong>Linde</strong> das junge Unternehmen innerhalb von zehn<strong>Jahre</strong>n zum international führenden deutschen Anbieter vonKältemaschinen entwickeln konnte, liegt an einer Reihe vonErfolgsfaktoren:Das Geschäftsmodell. Als Unternehmer stützte sich Carl von <strong>Linde</strong>von Beginn an auf die enge Zusammenarbeit mit potenziellenAnwendern seiner Technologie, vor allem auf die Bierbrauer.Bei der Produktion wiederum vertraute er auf einige wenigeMaschinenbauunternehmen. Dabei behielt sich v. <strong>Linde</strong> vor,dass ausschließlich seine Ingenieure und Monteure beim Kundendie Maschinen installierten und in Betrieb setzten. Damit sicherteer sich den direkten und exklusiven Kontakt zum Kunden.Ingenieur Richard <strong>Linde</strong>, die zusammen mit ihrem SchwagerRudolf Wucherer die Geschicke des Unternehmens bis in dieMitte des 20. Jahrhunderts maßgeblich bestimmten (sieheauch Seite 45).Die Entlohnung. Um die Leistungsträger möglichst fest an dasUnternehmen zu binden, zahlte v. <strong>Linde</strong> ihnen überdurchschnittlicheGehälter. Leitende Ingenieure konnten in den 1890er <strong>Jahre</strong>neinschließlich Gewinnbeteiligung zwischen 15.000 und 20.000Mark im Jahr verdienen. Im Gegensatz zu den Ingenieuren spieltendie kaufmännischen Mitarbeiter im Unternehmen lange keineherausragende Rolle. Bezeichnend ist, dass vor dem ZweitenWeltkrieg kein Kaufmann in den Vorstand des Unternehmensberufen wurde.Frühzeitige InternationalisierungDie Loyalität. Zu den engsten Vertrauten v. <strong>Linde</strong>s zählte Heinrichvon Buz, der Direktor der Maschinenfabrik Augsburg (später MAN).Während der rund 50-jährigen Geschäftsfreundschaft saß v. Buz39 <strong>Jahre</strong> lang im Aufsichtsrat der <strong>Linde</strong>-Gesellschaft. Darüberhinaus fand v. <strong>Linde</strong> in den Gebrüdern Sulzer höchst kompetenteGesprächspartner für technische Problemlösungen. Der Verbindungmit Sulzer verdankt v. <strong>Linde</strong> auch, dass sich seine Gesellschaftzum wichtigsten Lieferanten von Kältemaschinen für die Fleischindustriein Argentinien entwickelte.Die Personalpolitik. Über viele <strong>Jahre</strong> hinweg bevorzugte v. <strong>Linde</strong>Absolventen der Technischen Hochschule München, die erpersönlich kannte oder die ihm sein Lehrstuhl-Nachfolger MoritzSchröter empfahl. So waren unter anderen Friedrich Schipper,Robert Banfield, Rudolf Diesel (siehe auch Seite 38), Karl Heimpel,Hermann Reuther, August Krebs und Alexius Negele Absolventender TH München. Außerdem stützte sich v. <strong>Linde</strong> gern aufFamilienmitglieder. Zwei seiner Brüder waren in den Anfangsjahrenebenso für die Gesellschaft <strong>Linde</strong> tätig wie ein Schwagerseines Bruders. Es folgten zwei Neffen, zwei Schwiegersöhneund seine zwei eigenen Söhne: der Physiker Friedrich und derZwar blieben seine ersten Kooperationspartner wie die MaschinenfabrikAugsburg und die Gebrüder Sulzer im schweizerischenWinterthur über Jahrzehnte hinweg v. <strong>Linde</strong>s wichtigste Produktionspartner.Wegen landestypischer rechtlicher Patentregelungen,wegen der Marktgröße, aber auch aus Vorsicht, nicht inallzu enge Abhängigkeit zu geraten, stieg die Zahl der in- undausländischen Lizenzpartner jedoch rasch an – nicht immer zurFreude der wichtigsten Geschäftsfreunde.FrankreichIn Frankreich trat v. <strong>Linde</strong> 1877 nach einigen Umwegen mitder Lyoneser Firma Satre & Averly in Verbindung, die auch dieerste Maschine baute, um das französische Patent zu sichern.Doch nach Gründung der Gesellschaft <strong>Linde</strong> übernahm der MitaktionärMoritz von Hirsch die <strong>Linde</strong>schen Patente in Frankreichund gründete die „Société pour la production de glace et d’airfroid d’après le système <strong>Linde</strong>“. Doch die Geschäfte liefen nichtzufrieden stellend, so dass v. <strong>Linde</strong> seinem Großaktionär 1890die Lizenzrechte wieder abkaufte und sie an das UnternehmenCAIL vergab.18


1889Die im Jahr 1888 in München errichtete Versuchsstation für Kältemaschinen.Sie war außerdem Schauplatz der ersten Versuche zur Luftverflüssigung.Im Vordergrund: zwei kleine Luftverflüssiger.GroßbritannienIn England begann v. <strong>Linde</strong> 1876 eine Kooperation mit demBrauereianlagenhersteller Robert Morton, der aber bald zu einemWettbewerbsprodukt wechselte. Nach fruchtlosen Vereinbarungenmit anderen Partnern kam es schließlich zur Gründung desGemeinschaftsunternehmens „<strong>Linde</strong> British Refrigeration Corp.“in London, an dem sich die Austro-Bavarian Lagerbeer Brewery,die Atlas Engine Works und die Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinenbeteiligten. Die Leitung des Unternehmens, dasab 1892 <strong>Linde</strong>-Maschinen in England baute, übernahm der englischeKältepionier T. B. Lightfoot.Belgien / NiederlandeOhne Probleme gelang auch der Einstieg in den belgisch-niederländischenMarkt nicht. Schließlich gründete die <strong>Linde</strong>-Gesellschaft1886 mit einigen holländischen und belgischen Geschäftsfreundenin Antwerpen das Kühlhallenunternehmen „SociétéAnonyme des Frigorifères d’Anvers“, das gleichzeitig als „Stützpunktfür das sich bedeutend entwickelnde Liefergeschäft nachBelgien und Holland“ (v. <strong>Linde</strong>) diente.Österreich-UngarnAuch die Lizenzvergabe nach Österreich-Ungarn gestaltete sichals Stafettenlauf, bis sich 1881 v. <strong>Linde</strong>s Mitarbeiter Karl Heimpelals selbstständiger Vertreter in Wien niederließ. Nach 1890nahmen schließlich in kurzen zeitlichen Abständen gleich vierMaschinenfabriken in Österreich-Ungarn die Produktion von<strong>Linde</strong>-Maschinen auf. (Erst im Jahr 1913 beendete eine kartellähnlicheMarktaufteilung die Konkurrenz zwischen den österreichischenMaschinenbauern.)Vereinigte Staaten von AmerikaEinen guten Start hatte v. <strong>Linde</strong> in den USA: Die 1879 begonneneZusammenarbeit mit dem deutschsprachigen BrauereianlagenherstellerFred Wolf aus Chicago entwickelte sich problemlos.Zunächst importierte Wolf Kälte- und Dampfmaschinen vonSulzer, ab Mitte der 1880er <strong>Jahre</strong> startete er eine eigene Produktionvon Kältemaschinen (siehe auch Seite 35).Wettbewerbsumfeld in der KältetechnikDer rasche Erfolg Carl von <strong>Linde</strong>s rief natürlich bald Wettbewerberauf den Plan, die am boomenden Kältemarkt partizipierenwollten. Zu den ernsthaftesten Wettbewerbern stiegen die traditionellenMaschinenbauer auf. Dabei kamen ihnen ihr Knowhowzum Bau von Dampfmaschinen, Pumpen und Gasmotorensowie ihr Vertriebsnetz zugute.19


1890Der deutsche Mediziner Emil von Behringentwickelt Seren gegen Diphtherie und Tetanus.N o 0055 Verfahren zurRegelung drei- oder mehrstufiger Kältemaschinenfür niedrige Temperaturen.Kontinuierliche technische Weiterentwicklung der <strong>Linde</strong>-Kältemaschinen.Im Bild ein Modell aus der Zeit um 1900.21


1891 1892Gründung der General Electric Company in den USA.Idee N o 0061– 07691891 – 1934 Von der Luftverflüssigungzur Luftzerlegung


1893 1894 1895Der schwedische Physiker Anders Ångström misstdie Gesamtintensität der Sonnenstrahlung.Der deutsche Ingenieur Rudolph Dieselstellt den nach ihm benannten Motor vor.Luftverflüssigung, „<strong>Linde</strong>-Luft“, Rektifikation: mitneuen Forschungsergebnissen in neue MärkteMit der Verflüssigung der Luft schuf Carl von <strong>Linde</strong> die Voraussetzung,durch tiefe Temperaturen reine Gase wie Sauerstoff,Stickstoff, aber auch Wasserstoff und Edelgase herzustellen –eine Technologie, deren Zukunft erst begonnen hat.Den konkreten Anstoß zu den Arbeiten an tiefen Temperaturenbekam v. <strong>Linde</strong> 1892 durch einen Auftrag der Guinness-Brauereiin Dublin, eine Kohlensäureverflüssigungsanlage zu entwickelnund zu installieren. Carl von <strong>Linde</strong> hatte das Projekt angenommen,obwohl sein Unternehmen noch keine derartige Anlagegebaut hatte. Auf Basis der Erkenntnisse bei der Kohlensäureverflüssigungbegann v. <strong>Linde</strong> 1894 mit der Entwicklung einerersten Luftverflüssigungsmaschine. Dabei ging er von der Ideeaus, die Luft selbst als Kältemedium zu verwenden, indemsich die beim Ausströmen der Luft von einem höheren auf einenniedrigeren Druck entstehende Kälte für die weitere Kühlungnutzen ließ. Diesen Effekt hatten die Forscher Thomson und Joulebereits 1862 beschrieben.Das VerfahrenBereits im Jahr 1896 war auf der Bayerischen Landes-Industrie- undGewerbeausstellung in Nürnberg eine kleine Luftverflüssigungsanlagevon <strong>Linde</strong> zu sehen.Je stärker die Luft komprimiert wird, desto mehr Kälte entstehtbei der Expansion. Dieser Kälteeffekt potenziert sich, wenndie Luft vorgekühlt wird. Aber die zur Verflüssigung der Luft notwendigeTemperatur von rund minus 190 Grad Celsius konntev. <strong>Linde</strong> durch Entspannung von hohem auf niedrigen Druck unddurch Vorkühlung allein nicht erreichen. Dafür bedurfte es einesKreislaufs, in dem die Entspannungskälte im Gegenstrom aufdie komprimierte, vorgekühlte Luft übertragen wurde. In einemkontinuierlichen Prozess sollte sich die je Umlauf abgegebeneKälte addieren, bis flüssige Luft entstand und in einem Sammelgefäßaufgefangen werden konnte.Während für Kompression und Vorkühlung auf erprobte Technologiezurückgegriffen werden konnte, bestand die Herausforderungfür v. <strong>Linde</strong> und seinen nach der Promotion im Fach Physikin der Kälte-Versuchsstation tätigen Sohn Friedrich darin, einengeeigneten Gegenstromapparat zu entwickeln. Sie entschiedensich für ein 100 Meter langes Doppelrohr aus Stahl, das zu einerSpirale gewunden und gut isoliert mit einem Holzmantel verkleidetwurde.Erster Versuch, erster ErfolgIm Mai startete dann der erste Versuch. In seinen Erinnerungen„Aus meinem Leben und von meiner Arbeit“ schreibt Carl von<strong>Linde</strong>: „Mit freudiger Spannung sahen wir die Temperatur nachdem von Thomson und Joule angegebenen gesetzmäßigenVerlaufe sinken, auch nachdem die Grenzen weit überschrittenwaren, innerhalb welcher jene Forscher gearbeitet hatten.“23


1896 1897In Athen finden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt.Carl Zeiss baut das erste Stereo-Mikroskop.N o 0082 Verfahrenzur Verflüssigung atmosphärischer Luftoder anderer Gase.Schema der ersten Luftverflüssigungsanlage von 1895.24


1898 1899Erste Kathoden-Strahl-Leuchtschirm-Röhre von Ferdinand Braun.Der Chemiekonzern Bayer bringtAspirin auf den Markt.N o 0087Vorrichtung zur Rückführungder aus der Saugeleitung einer Kältemaschine abgeschiedenenKühlflüssigkeit.Allerdings: Die Abkühlung in dem 1.300 Kilogramm schwerenApparat gelang nicht an einem Tag. Und während der Nachtging ein Teil der gewonnenen Kälte wieder verloren. Aber amdritten Tag, dem 29. Mai 1895, war es dann so weit: „Zwischenaufsteigenden Wolken ließen wir die schöne bläuliche Flüssigkeitin einen großen Blecheimer sich ergießen. Die stündlicheAusbeute betrug ungefähr drei Liter. Zum ersten Mal war insolcher Größenordnung Luft verflüssigt worden, und dies mitHilfsmitteln, welche gegenüber den bisher gebrauchten vonverblüffender Einfachheit waren“, schwärmte v. <strong>Linde</strong> noch20 <strong>Jahre</strong> später.Luftverflüssigung erst der AnfangFür v. <strong>Linde</strong> bedeutete die Luftverflüssigung aber nur einen erstenSchritt zur wirtschaftlichen Nutzung seiner Erfindung. Sein Zielwar es, die flüssige Luft beim Wiederverdampfen in ihre Bestandteilezu zerlegen, denn nur sie, vor allem Sauerstoff und Stickstoff,versprachen industrielles Potenzial.Zunächst ging er aber daran, den langwierigen Kühl- undVerflüssigungsprozess zu beschleunigen. Dafür verdichtete er dieLuft im Kompressor auf 200 Atmosphären und baute den Gegenströmeraus leichten, dünnwandigen Kupferrohren.Bauweise die Abkühlzeit bis zur Verflüssigung von ursprünglich15 Stunden auf eine Stunde verkürzt hatte. Nach weiterenVerbesserungen dauerte der Prozess nur noch 15 Minuten.<strong>Jahre</strong> der GeduldDoch ein wirtschaftlich brauchbares Verfahren zur Trennung vonSauerstoff aus flüssiger Luft sollte noch auf sich warten lassen.Zunächst versuchte es v. <strong>Linde</strong> mit der so genannten „Fraktionierung“:Da Sauerstoff bei minus 183 Grad Celsius, Stickstoff beiminus 196 Grad Celsius siedet, der Stickstoff also beim Erwärmenvon flüssiger Luft um 13 Grad Celsius früher verdampft alsSauerstoff, kann der Stickstoff vom übrigen Gasgemisch getrennt –„fraktioniert“ – werden.Wegen der geringen Temperaturdifferenz entwich beimFraktionierungsverfahren jedoch nicht der gesamte Stickstoff, vielmehrblieb ein beträchtlicher Teil im anschließend verdampfendenSauerstoff zurück. Auf diesem Weg ließ sich wirtschaftlichnur ein 50:50-Gemisch erzeugen – die „<strong>Linde</strong>-Luft“.Luftverflüssiger für die ForschungBald lieferte die Gesellschaft 72 kleine Verflüssigungsanlagenan wissenschaftliche Einrichtungen und setzte sie für öffentlicheDemonstrationen ein. Bei der „II. Kraft- und Arbeitsmaschinenausstellung“in München 1898 zeigte v. <strong>Linde</strong> eine kleine Anlageim Diesel-Pavillon, die von einem 10-PS-Dieselmotor angetriebenwurde – eine beeindruckende Demonstration der beiden größtenErrungenschaften der damaligen Zeit auf dem Gebiet derWärmetechnik. Und bei der Weltausstellung 1900 in Paris erhielt<strong>Linde</strong>s Luftverflüssiger den Grand Prix, den begehrtesten Preisder Ausstellung. Die öffentlichen Vorführungen – in Berlin kamsogar Kaiser Wilhelm II. – waren möglich, weil sich mit der neuen<strong>Linde</strong>-Luftverflüssigungsanlage auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900.25


1900 1901 1902Erste Fahrt des Luftschiffs von Ferdinand Graf von Zeppelin.Der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen erhält den erstenPhysik-Nobelpreis für die Entdeckung der Röntgenstrahlen.Physik-Nobelpreis für die Entdeckung derRadioaktivität für Henri A. Becquerel unddas Ehepaar Marie und Pierre Curie.


1903 1904In München gründen unter anderem Oskar von Miller undCarl von <strong>Linde</strong> das Deutsche Museum (für Technik).Im Jahr 1900 baute der Erfinder Paulus Heylandt (Seite 38) den erstenKesselwagen für Flüssigsauerstoff, genannt „Laubfrosch“.


1905 1906 1907Fertigstellung des Simplon-Tunnels, mit 19,6 Kilometernder längste Gebirgstunnel der Welt.San Francisco wird durch ein Erbebenund Feuer fast völlig zerstört.N o 0112 Verfahren zurErzeugung so genannter <strong>Linde</strong>-Luft –Sauerstoff und Stickstoff im Verhältnis 50:50.Blick ins Technische Büro in Höllriegelskreuth bei München (1910),wo zu dieser Zeit weitere Einsatzmöglichkeiten für das Verfahren derLuftverflüssigung (Rektifikation) geprüft wurden.28


1908 1909Der Deutsche Hans Köppen gewinnt das internationale Autorennen„rund um die Erde“ von New York nach Paris in 165 Tagen.Dem deutschen Chemiker Fritz Hofmann gelingtdie synthetische Herstellung von Kautschuk.Zunächst sah es so aus, als gäbe es für die „<strong>Linde</strong>-Luft“ einenaussichtsreichen Markt, vor allem in der chemischen Industrie.Zusätzliche Absatzchancen versprach sich v. <strong>Linde</strong> vom Einsatzder „<strong>Linde</strong>-Luft“ als Sprengstoff. Entsprechende Probesprengungenbeim Bau des Schweizer Simplon-Tunnels verstärkten dieseHoffnung. Doch nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese Aktivitäteingestellt.Steigender Bedarf an reinem SauerstoffDie Nachfrage der Industrie nach sauerstoffreichen Gasgemischenbrach jedoch schnell ein. Dagegen stieg der Bedarf an reinemSauerstoff sprunghaft an, da sich in der Metallverarbeitung dasautogene Schweißen und Schneiden durchzusetzen begann.Um auf diesem viel versprechenden Markt nicht den Anschlusszu verlieren, forcierte v. <strong>Linde</strong> die Suche nach einem neuenTrennverfahren zur Herstellung von reinem Sauerstoff.Jetzt ließ er sich endlich von seinem Sohn Friedrich undvon Chemieprofessor Hempel davon überzeugen, es mit der„Rektifikation“ zu versuchen. Dabei handelte es sich um ein inder Chemie längst praktiziertes Verfahren, mit dem Alkohol undWasser voneinander getrennt wurden: Die vergorene Maischewird so weit erhitzt, bis der Alkohol verdampft. Durch Wasserkühlungwird dem Alkoholdampf Wärme entzogen, so dasser kondensiert (Rektifikationsvorgang) und als Flüssigkeit aufgefangenwerden kann.Technologischer DurchbruchEinen vergleichbaren Prozess setzten Carl von <strong>Linde</strong> und seineMitarbeiter in Gang, indem sie in der so genannten Rektifikationssäuleflüssige Luft herunterrieseln ließen, während der Sauerstoffdampfentgegenströmte. Im fortlaufenden Prozess von Verflüssigungund Verdampfung entstand nahezu reiner Sauerstoff.Die erste Rektifikationssäule bestand auf Vorschlag von Prof.Hempel aus einem mit Glasperlen gefüllten Stahlrohr. Dieserschwere Apparat mit langer Abkühlzeit wurde bald durch eineleichtere Variante mit löchrigen Böden statt Glasperlen ersetzt.Die <strong>Linde</strong>-Werksanlagen in Höllriegelskreuth bei Münchenim <strong>Jahre</strong> 1909 (oben) und 1929 (unten).Außerdem fassten v. <strong>Linde</strong> und seine Mitarbeiter die Verflüssigungs-und Zerlegungsanlage in einer Apparatur zusammen.„Damit war der Weg eröffnet, auf welchem die Technik der tiefenTemperaturen mit endgültigem Erfolge in die Industrie eingezogenist“, schrieb v. <strong>Linde</strong> über diesen sensationellen Durchbruch.Eine erste Produktionsanlage, die viele <strong>Jahre</strong> lang zur Gaserzeugunggenutzt wurde, ging 1903 in Höllriegelskreuth beiMünchen in Betrieb.StickstoffgewinnungDie Veröffentlichung dieses neuen Verfahrens im Jahr 1902 riefnicht nur eine Reihe von Nachahmern auf den Plan, sondernweckte auch das Interesse der chemischen Industrie an reinemStickstoff. Denn Stickstoffverbindungen (Calciumcyanamid,Ammoniak) gewannen als Düngemittel zunehmende Bedeutung.In einem abgewandelten Rektifikationsverfahren gelang demTeam in Höllriegelskreuth bei München 1903 denn auch dieReinigung von Stickstoff. Die erste entsprechende Anlage lieferte<strong>Linde</strong> 1905 nach Italien. Und bis 1910 entwickelte sein Teamunter Federführung von Friedrich <strong>Linde</strong> und Rudolf Wucherereinen „Zweisäulenapparat“, der gleichzeitig reinen Sauerstoffund reinen Stickstoff zu niedrigeren Kosten lieferte.29


1910 1911Elektrische Waschmaschinen kommen in Gebrauch.Der Norweger Roald Amundsen erreicht als Erster den Südpol.N o 0123 Verfahren und Einrichtung zurBenutzung flüssiger Luft in Verbrennungskraftmaschinen.Dr. phil. Friedrich <strong>Linde</strong> (1870–1965)Weitere Einsatzmöglichkeiten der RektifikationDr. phil. Friedrich <strong>Linde</strong>, Vorsitzender desVorstands von 1924 bis 1946.Der ältere der beiden Söhne Carl von<strong>Linde</strong>s baute die Abteilung B (Gasverflüssigungund -zerlegung) zur tragendenSäule der Gesellschaft aus und führte ab1924 das gesamte Unternehmen als Vorstandsvorsitzenderdurch die turbulentenZeiten der 1920er <strong>Jahre</strong>, der Nazizeit, desZweiten Weltkriegs und des Wiederaufbausnach 1945.Friedrich <strong>Linde</strong> studierte in Straßburgund Berlin Physik und promovierte 1895.Im gleichen Jahr ging er nach Münchenund begann mit seinem Vater die bahnbrechendenVersuche zur Luftverflüssigungin der <strong>Linde</strong>-Versuchsstation.Gemeinsam mit seinem Vater leiteteFriedrich <strong>Linde</strong> ab 1897 die Abteilung Bin Höllriegelskreuth bei München und entwickeltezuerst Geräte für die Herstellungkleiner Luftverflüssgungsmaschinen fürwissenschaftliche Laboratorien. Zugleicharbeitete Friedrich <strong>Linde</strong> an der Zerlegungder verflüssigten Luft. Ihm gelang als erstemWissenschaftler die Gewinnung vonreinem Sauerstoff durch Rektifikation.Im Jahr 1903 erhielt er Prokura in derGesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinen undübernahm ab 1908 als Vorstandsmitgliedder Gesellschaft <strong>Linde</strong> die Leitung derAbteilung B. 1924 wurde ihm der Vorstandsvorsitzübertragen, 1929 erhielt erden Titel Generaldirektor.Friedrich <strong>Linde</strong> gelangen entscheidendeunternehmerische Erfolge. So brachte erein Kartell mit der mächtigen IG-Farben-Industrie für den Bereich der technischenGase zustande (1932), in dem die Gesellschaft<strong>Linde</strong> als gleichberechtigter Partnerfungierte. Vor allem aber steuerte er dasUnternehmen durch die Wirtschafts- undFinanzkrisen der Zwischenkriegszeit, durchden Krieg sowie die <strong>Jahre</strong> des Neuaufbausnach dem Zweiten Weltkrieg. 1952,im Alter von 81 <strong>Jahre</strong>n, gab er den Vorstandsvorsitzan seinen Schwager RudolfWucherer ab, blieb aber bis 1961 im Aufsichtsrat.Friedrich <strong>Linde</strong> starb im Jahr 1965.Ein weiteres interessantes Arbeitsgebiet eröffnete sich mit dementstehenden Bedarf der Glühlampenindustrie an Edelgasenals Füllung von Glühbirnen. Vor allem das Edelgas Argon konntemit dem entsprechend modifizierten Trennverfahren ab 1912gewonnen werden.Ab 1906 befassten sich die Rektifikationsexperten außerdemin einer Studiengemeinschaft mit Prof. Adolf Frank und HeinrichCaro mit der Zerlegung von Wassergas in seine BestandteileWasserstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Stickstoff und Methan.Nach längeren Versuchsarbeiten in den <strong>Jahre</strong>n 1909 und1910 gelang in Höllriegelskreuth bei München die Herstellungvon reinem Wasserstoff. Die Mitglieder der Studiengemeinschaftschlossen sich zu einer Verwertungsgesellschaft für das „<strong>Linde</strong>-Frank-Caro-Verfahren“ zusammen, wobei sich <strong>Linde</strong> die exklusivenVertriebsrechte sicherte. Eine erste Anlage mit einer Stundenleistungvon 2.000 Kubikmeter Wasserstoff und 700 KubikmeterStickstoff kaufte die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) fürdie synthetische Herstellung von Ammoniak. Weitere Anlagenorderten Margarinefabriken zur Fetthärtung mit Wasserstoff.Die Erfahrungen mit der Wassergaszerlegung führten in den1920er <strong>Jahre</strong>n zur Koksgaszerlegung durch Tieftemperatur indie wertvollen Bestandteile Wasserstoff, Stickstoff, Methan undEthylen. Dabei spielte die Rektifikation eine herausragende Rolle.Das Know-how für die komplizierte Koksgaszerlegung bildeteschließlich auch die Grundlage für die Ethylengewinnung ausErdgas und Öl – eine wesentliche Voraussetzung für die Kunststoffherstellungnach dem Zweiten Weltkrieg.Das Geschäft mit dem SauerstoffZunächst galt es aber, den blühenden Sauerstoffmarkt möglichstexklusiv zu bedienen. Deshalb schloss sich die Gesellschaft <strong>Linde</strong>1904 mit den beiden potenziellen deutschen Wettbewerbern,die Sauerstoff chemisch erzeugten, in der „Vereinigte SauerstoffwerkeGmbH“ (VSW) zusammen. Diese Gesellschaft erhielt30


1912 1913 1914Passagierschiff „Titanic“ sinkt nach Zusammenstoßmit einem Eisberg.Henry Ford führt das erste Fließband inder industriellen Produktion ein.Beginn des Ersten Weltkriegs.N o 0247 Verfahrenund Vorrichtung zur Herstellung von Sauerstoffvon beliebiger Reinheit.das alleinige Recht, den in den Werken der Gesellschafter produziertenSauerstoff zu einem vereinbarten Preis zu vermarkten.Bis zum Jahr 1910 übernahm die Gesellschaft <strong>Linde</strong> sukzessivealle Anteile an der VSW und brachte sie in die SauerstoffwerkeGmbH in Berlin ein.Da die Transportkosten niedrig gehalten werden mussten,baute <strong>Linde</strong> in den <strong>Jahre</strong>n ab 1904 in wichtigen regionalenZentren der Eisenindustrie eigene Sauerstoffwerke – oft direktauf dem Gelände von Großkunden oder neben firmeneigenenKühlhäusern. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs hatte <strong>Linde</strong>allein in Deutschland 20 eigene Sauerstoffwerke errichtet. Dazukamen Anlagen, die von Großkunden bestellt worden waren.Diese Kunden mussten sich verpflichten, den über den eigenenBedarf hinaus produzierten Sauerstoff ausschließlich an die monopolistischeHandelsgesellschaft zu verkaufen.PatentstreitigkeitenDas Aufsehen erregende Verfahren zur Luftzerlegung rief natürlichWettbewerber und Trittbrettfahrer auf den Plan, was zu teilweiselangwierigen Rechtsstreitigkeiten führte. Der erste gerichtlicheZusammenstoß fand 1907 in England zwischen dem <strong>Linde</strong>-PatenthalterBritish Oxygen Co. und der französischen Gesellschaft AirLiquide statt. British Oxygen siegte in allen drei Instanzen. Balddarauf einigten sich <strong>Linde</strong> und Air Liquide auf die gemeinsameweltweite Markterschließung und -aufteilung.1908 einigte sich die Gesellschaft <strong>Linde</strong> auch mit demdeutschen Verwerter der Air-Liquide-Patente, der chemischenFabrik Griesheim-Elektron, über eine Aufteilung des deutschenIndustriegasmarktes.Klage führte v. <strong>Linde</strong> auch gegen eine Patentverletzungvon Prof. Dr. Raoul Pictet und dessen deutschen Patentverwerter„Sauerstoff-Industrie AG“. In einem Vergleich verzichtete die„Sauerstoff-Industrie AG“ auf die Lieferung von Sauerstoffmaschinenund Sauerstoff in Deutschland. Drei <strong>Jahre</strong> spätergingen dann die gesamten Aktivitäten des Unternehmens auf<strong>Linde</strong> und Griesheim-Elektron über.Weltweit erste Anlage zur Gewinnung von Edelgasen(Sauerstoff-Argon-Apparat, 1913).31


1915 1916Chemie-Nobelpreis an Richard Willstätter für Arbeitenüber Chlorophyll und andere Pflanzenfarbstoffe.Der 1902 begonnene Bau der Transsibirischen Eisenbahnvon Moskau nach Wladiwostok wird fertig gestellt.N o 0325 Verfahren zur Gewinnung vonWasserstoff aus Wasserstoff enthaltenden Gasgemischen.Sauerstoffwerk Untermaubach (westlich von Köln; um 1920).Einen langjährigen Kampf mit Folgen für die spätere Entwicklungder Gesellschaft <strong>Linde</strong> führte v. <strong>Linde</strong> ab 1908 gegendas Unternehmen „Nürnberglicht“. Das Unternehmen hatte einevon <strong>Linde</strong> gelieferte Sauerstoffmaschine kopiert und machte mitdem Plagiat prächtige Geschäfte.Den Klagen v. <strong>Linde</strong>s konnte sich der Konkurrent durchständige Änderung der Besitz- und Gesellschaftsverhältnisse solange entziehen, bis <strong>Linde</strong>s Patentrechte ausgelaufen waren.Schließlich übernahmen <strong>Linde</strong> und Griesheim-Elektron 1916die inzwischen als Deutsche Oxydric (DOAG) firmierende Aktiengesellschaft,deren Vermögen dann 1920 zwischen beidenAufkäufern geteilt wurde. Dabei fiel der Gesellschaft <strong>Linde</strong> eherzufällig ihre erste produzierende Tochtergesellschaft zu: dieMaschinenfabrik Sürth (siehe auch Seite 33).Auslandsgeschäfte mit SauerstoffFür den schnellen Aufbau einer Sauerstoff-Infrastruktur im Auslandgründete die Gesellschaft <strong>Linde</strong> in den wichtigsten Abnehmerländernmit lokalen Partnern Gemeinschaftsunternehmen.Außerdem sollte die „Internationale Sauerstoffgesellschaft“ (ISG)in Berlin für die weltweite Verbreitung der Sauerstofftechnologiesamt Produktionsanlagen sorgen.Doch während die in eigener Regie gegründeten Auslandsfirmen(unter anderem in Frankreich, Großbritannien, Italien,Spanien, Österreich, Ungarn, USA) schnell erfolgreich arbeiteten,kam die ISG nie so recht aus den Startlöchern. Nach fünf <strong>Jahre</strong>nihres Bestehens übernahm die Gesellschaft <strong>Linde</strong> die ISG ganzund integrierte sie ins Unternehmen.Zum Erfolg im Ausland trug dagegen die Zusammenarbeit mitdem französischen Konkurrenten Air Liquide bei, mit dem sichdie Gesellschaft für <strong>Linde</strong>´s Eismaschinen ab 1908 in engerAbsprache die Märkte teilte. Als Dritter im Bund fungierte die<strong>Linde</strong>-Beteiligungsgesellschaft British Oxygen Works, die nebenEngland und Schottland auch das britische Empire belieferte.Nachdem die Patentrechte zur Sauerstoff- und Stickstoffherstellungauch nach China und Japan verkauft waren, hatte das<strong>Linde</strong>-Verfahren 19 Länder erobert, wobei die Gesellschaft <strong>Linde</strong>an 13 Unternehmen beteiligt war.Ein besonders spannendes Kapitel schrieb v. <strong>Linde</strong> in denVereinigten Staaten von Amerika, einem damals potenziellenSauerstoffmarkt der unbegrenzten Möglichkeiten (siehe auchSeite 35). Die im Januar 1907 gegründete <strong>Linde</strong> Air Productsentwickelte sich unter amerikanischer Dominanz so dynamisch,dass sie die deutsche Muttergesellschaft bis zum Ersten Weltkriegan Größe überflügelte.Erster Weltkrieg und Depression:mit Innovationen zurück zu alter StärkeMit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 brach dasGeschäft der Abteilung B (Gasverflüssigung und -zerlegung)zunächst fast völlig zusammen. Zudem wurde ein Großteil derBelegschaft zum Kriegsdienst eingezogen. Friedrich <strong>Linde</strong> meldetesich freiwillig bei seinem alten Artillerieregiment und kämpftezuerst in Frankreich, dann in Galizien und Russland. Im Herbst1915 wurde er allerdings vom Kriegsdienst freigestellt, weil erdringend in Höllriegelskreuth bei München gebraucht wurde.32


1917 1918Oktoberrevolution in Russland – Wladimir Iljitsch Leninübernimmt die Macht.Philipp Scheidemann, SPD, ruft die deutsche Republik aus.N o 0384 Verfahren zur Zerlegungvon Luft oder anderen Gasgemischen (Sauerstoff-Argon-Apparat).Maschinenfabrik Sürth und G. H. Walb & Co.:Sorgenkind HaushaltskühlgeräteDort konnten sich die Ingenieure und Facharbeiter nämlichnach kurzer Pause kaum vor Arbeit retten. Mit dem Ausfall derLieferungen von Chilesalpeter entstand dringender Bedarf anStickstoffverbindungen für die Herstellung von Sprengstoff undKunstdünger. Für das Verfahren der Salpetersäuregewinnungaus Kalkstickstoff wurden große Stickstoffanlagen gebraucht –und zwar schnell: Um die <strong>Jahre</strong>swende 1914/15 erhielt dieAbteilung B den Auftrag für den Bau von vier großen Stickstoffanlagenmit einer Gesamtleistung von 14.000 Kubikmetern proStunde. Lieferung binnen acht und zehn Monaten. Mit diesenLeistungsanforderungen stieß die Gesellschaft <strong>Linde</strong> in völligneue Größenordnungen vor. Da die vier Anlagen identisch waren,konnte aber in den 1913 deutlich erweiterten Werkstätten inHöllriegelskreuth bei München eine Art Serienfertigung organisiertwerden.In kurzen Abständen folgten weitere Aufträge für Stickstoffanlagen,die letzten gingen noch 1918 von der „Badischen AnilinundSodafabrik“ (heute: BASF) für die Leunawerke ein. Dazukamen Anfragen für den Bau großer und mittelgroßer Sauerstoffanlagen,die zur direkten Salpeterherstellung beziehungsweisezur Metallbearbeitung – vor allem im Flugzeugbau – benötigtwurden. Darüber hinaus gewann flüssiger Sauerstoff als Sprengstoff„Oxyliquid“ im Bergbau eine gewisse Bedeutung. Die Gesamtnachfragenach flüssigem Sauerstoff für das Schweißenstieg derart dramatisch an, dass die Gesellschaft <strong>Linde</strong> Lizenzenan bisherige Wettbewerber vergeben musste, obwohl in Höllriegelskreuthbei München an sieben Tagen in der Woche biszu je zwölf Stunden gearbeitet wurde.Aber auch die Abteilung A (Kältemaschinen) in Wiesbadensowie die Kühlhausgesellschaft standen während des Kriegesunter extremer Anspannung. So mussten die Kälteleistungen inden Kühl- und Gefrieranlagen gesteigert und zusätzliche Kühlhäusergebaut werden, um Nahrungsmittelreserven konservierenzu können. Ab Frühjahr 1915 kamen Aufträge zur Lieferung vonEismaschinen für Feldlazarette hinzu.Die Maschinenfabrik Sürth im Jahr 1920, als sie von der Gesellschaft <strong>Linde</strong> erworben wurde.Das erste produzierende Tochterunternehmen– von der Fertigung für den An-Wasser halten. Nicht nur aus diesemkriegsbeschädigten Lokomotiven überlagenbau in Höllriegelskreuth bei Münchenabgesehen – kam im Jahr 1920 zur Zentrale, in den wachsenden Markt fürGrund entschied sich die WiesbadenerGesellschaft <strong>Linde</strong>: die Maschinenfabrik Kleinkälteanlagen (für Fleischereien,Sürth bei Köln. Das Unternehmen war als Bäckereien etc.) und für Kühlschränke zuHersteller von Kohlensäure- und Luftverflüssigungsanlagen1871 gegründet Kleinkälteprojekte nach Sürth, wo in-investieren. Sie verlagerte deshalb ihreund nach einem Konkurs 1908 vom zwischen mit der „Rheinland“-Kleinkältemaschineein echter Renner auf demManagement unter der Leitung von ErnstVolland (später <strong>Linde</strong>-Vorstandsmitglied) Markt entwickelt worden war.zusammen mit den Mannesmann-Röhrenwerkenweiter betrieben worden. Nach fabrik Sürth im Kühlschrankbereich aberDa die Absatzerfolge der Maschinen-mehreren Veränderungen in der Gesellschafterstrukturging die Maschinenfabrik zielt weiteres Know-how hinzu und über-nur mäßig waren, kaufte <strong>Linde</strong> 1926 ge-Sürth 1916 in der Deutschen Oxydric AG nahm die Eisschrankfabrik G. H. Walb & Co.(DOAG) auf und fertigte im Auftrag der in Mainz-Kostheim. Ein wesentlicherneuen Muttergesellschaft Rektifikationsanlagenin Konkurrenz zu <strong>Linde</strong> sowie Walb war ihr deutschlandweites Ver-Aktivposten der 1876 gegründeten FirmaKompressoren. Im gleichen Jahr wurde die triebsnetz für Eisschränke.DOAG von <strong>Linde</strong> und Griesheim-Elektron Doch nach großen Erfolgen in denübernommen, 1920 integrierte <strong>Linde</strong> die 1950er <strong>Jahre</strong>n rutschte das Geschäft mitMaschinenfabrik Sürth in die Wiesbadener den Kühlschränken in den 1960er <strong>Jahre</strong>nAbteilung A (Kältemaschinen).wieder in die Verlustzone. Deshalb gliederte<strong>Linde</strong> 1965 diesen Bereich in dieUnmittelbar nach dem Ersten Weltkriegmusste sich die neue Tochtergesellschaftvor allem mit der Reparatur von kaufte ihn an die„<strong>Linde</strong> Hausgeräte GmbH“ aus und ver-AEG.33


1919 1920 1921Friedensvertrag von Versailles zwischen denAlliierten und dem Deutschen Reich.Chemie-Nobelpreis an Walther H. Nernst für drittenHauptsatz der <strong>The</strong>rmodynamik.Physik-Nobelpreis an Albert Einstein für die <strong>The</strong>orie desphotoelektrischen Effekts (Lichtquantenhypothese).N o 0507 Apparatus and methodfor separating the constituents of air or other gaseousmixtures (US-Patent).N o 0546 Verfahren zur Aufspeicherung ungesättigtergasförmiger Kohlenwasserstoffe, wie Acetylen.GenerationswechselDie Verantwortung für Projektierung, Produktion und Unternehmensführungder Abteilung B war bereits in den <strong>Jahre</strong>n vor demErsten Weltkrieg schrittweise von Carl von <strong>Linde</strong> auf seine SöhneFriedrich und Richard sowie auf seinen Schwiegersohn RudolfWucherer übergegangen, nachdem sich der Firmengründer undAufsichtsratsvorsitzende ab 1910 von der operativen Arbeit zurückzuziehenbegann und er die Leitung in Höllriegelskreuth beiMünchen Friedrich <strong>Linde</strong> übertragen hatte.Während sich Friedrich <strong>Linde</strong> zunehmend mehr auf die Organisationdes Unternehmens konzentrierte und 1924 den Vorstandsvorsitzvon Friedrich Schipper übernahm, kümmerte sichWucherer vor allem um den Auf- und Ausbau der eigenenSauerstoff- und Acetylenwerke. Zwischen 1914 und 1929 ließer an 13 Orten neue Sauerstoffwerke mit 25 neuen Anlagenaufstellen. Dadurch vervierfachte sich die Sauerstoffproduktionzwischen 1914 und 1929, die Acetylenproduktion verdreifachtesich. Gleichzeitig etablierte er regionale Monopole im Flaschengeschäft.Damit kann Rudolf Wucherer als der eigentliche Gründerdes Unternehmensbereichs Gas gelten. 1928 wurde er in denVorstand der Gesellschaft <strong>Linde</strong> berufen, 1952 übernahm erden Vorsitz.Richard <strong>Linde</strong> organisierte während des Krieges als Oberingenieurvor allem die Installation und Inbetriebnahme dervielen neuen Anlagen. Ab den 1920er <strong>Jahre</strong>n profilierte er sichzunehmend als führender technischer Kopf des MünchenerUnternehmensbereichs und Leiter des Anlagenbaus.NachkriegsentwicklungIn den <strong>Jahre</strong>n nach dem Ersten Weltkrieg, der zum Verlust dermeisten Auslandsgesellschaften geführt hatte, litt die deutscheWirtschaft unter einer Hyperinflation, der Besetzung des Rheinlandsund den drückenden Reparationslasten. Doch schon baldkonnte die Gesellschaft <strong>Linde</strong> dank Innovationskraft an alteStärken anknüpfen.Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinenim Jahr 1932. In der Mitte Carl von <strong>Linde</strong> im Alter von 90 <strong>Jahre</strong>n.


1924 1925Deutsche Chemiker entdecken den Polyvinylalkohol,Grundlage zur Herstellung von Kunstfasern und -folien.Werner Karl Heisenberg stellt seine <strong>The</strong>orieder Quantenmechanik vor.N o 0658 Verfahren zur Zerlegungvon Koksofengas durch Tiefkühlung.N o 0667 Verfahren undEinrichtung zur Kondensation von in Luftund anderen Gasen enthaltenen Dämpfendurch Kühlung.Güldner Motoren-Gesellschaft mbH:von Dieselmotoren über Traktoren zu GabelstaplernHugo Güldner, Mitbegründer und Namensgeberder Güldner Motoren-Gesellschaft mbHDie schrittweise Übernahme der GüldnerMotoren-Gesellschaft mbH in Aschaffenburgbis 1929 löste bei der Gesellschaft<strong>Linde</strong> einen tief greifenden Wandel aus:Das Ingenieurbüro wuchs damit zu einemmaßgeblichen Maschinenbauer heran,der sich seit den 1960er <strong>Jahre</strong>n aufmachte,den Weltmarkt für Flurförderzeuge, speziellGabelstapler, zu erschließen.Die Verbindung <strong>Linde</strong> – Güldner reichtauf das Jahr 1904 zurück, als Carl von<strong>Linde</strong> mit Hugo Güldner und anderenPartnern die Güldner Motoren-Gesellschaft(mbH) gründete und ein Aufsichtsratsmandat,später auch den Vorsitz, übernahm.1908 beteiligte sich die Gesellschaft <strong>Linde</strong>erstmals an diesem Unternehmen. AlsGüldner ab 1925 in wirtschaftlicheSchwierigkeiten geriet, erwarb die Gesellschaft<strong>Linde</strong> weitere Anteile, in der Weltwirtschaftskrisevon 1929 ging Güldnerganz in <strong>Linde</strong>-Besitz über.Zur wichtigsten Produktgruppe nebenMotoren stiegen ab den späten 1930er<strong>Jahre</strong>n Ackerschlepper auf. Doch ab 1952fuhr der Traktorenbau in die roten Zahlen.Daran änderte auch die Einführung vonluftgekühlten Dieselmotoren ab 1954nichts. Einen Technologiesprung in dieZukunft schaffte Güldner 1955 mit demstufenlosen hydrostatischen Getriebe,das zunächst in den Transportwagen„Güldner-Hydrocar“ eingebaut wurde.Im Jahr 1969 stellte <strong>Linde</strong> die Traktoren-und Dieselmotorenproduktion ein,um sich ganz auf die WachstumsspartenFlurförderzeuge und Hydraulik zu konzentrieren.Dieser Geschäftsbereich entwickeltesich in den Folgejahren zu einerertrags- und umsatzstarken Säule im<strong>Linde</strong> Konzern.Eher belastend wirkte sich dabei allerdings zunächst derEinstieg in den Maschinenbau aus. Um die wirtschaftlicheSituation der 1920 übernommenen Maschinenfabrik Sürth zuverbessern, erwarb die Gesellschaft <strong>Linde</strong> 1926 die KühlmöbelfabrikG. H. Walb & Co. in Mainz-Kostheim, die zunächst mitdem Vertrieb von Kleinkältemaschinen von Sürth beauftragt war.1922 beteiligte sich die Gesellschaft <strong>Linde</strong> auch an derHeylandt Gesellschaft für Apparatebau in Berlin und erwarbderen Patente auf dem Gebiet der Tieftemperatur- und Verfahrenstechnik(siehe auch Seite 38).Schließlich kaufte die Gesellschaft <strong>Linde</strong> 1929 auch alleAnteile an der 1904 von Carl von <strong>Linde</strong> mitbegründeten GüldnerMotoren-Gesellschaft mbH, deren Sitz später nach Aschaffenburgverlegt wurde (siehe auch Seite 52). Dieser eigentlich ehersozial motivierte Schritt sollte sich rückblickend als ein Meilensteinerweisen, schuf er doch die Voraussetzung für den späterenEinstieg in den Bau von Traktoren – und bedeutender noch:Güldner wurde die Keimzelle für den heutigen UnternehmensbereichMaterial Handling.Modernisierung und InnovationDie schwierigen <strong>Jahre</strong> der Nachkriegszeit nutzten Friedrich <strong>Linde</strong>und besonders sein Schwager Rudolf Wucherer, um die Gasbetriebezu modernisieren und die Organisation zu straffen. Gleichzeitigsorgte Richard <strong>Linde</strong> in der Abteilung B (Gasverflüssigungund -zerlegung) für die technologische Optimierung der <strong>Linde</strong>-Verfahren. So steigerten die Ingenieure den Reinheitsgrad vonSauerstoff aus <strong>Linde</strong>-Anlagen von 98 auf 99 Prozent, den desStickstoffs auf 99,999 Prozent. Gleichzeitig reduzierten sie denEnergieverbrauch der Anlagen.Außerdem entwickelten sie ein Verfahren zur Zerlegung vonKoksofengas, um für die Ammoniaksynthese ein Gemisch vonWasserstoff und Stickstoff zu gewinnen. Eine erste Anlage dieserArt lieferte <strong>Linde</strong> 1924 nach Belgien. In den Folgejahren bis1928 hatte die Gesellschaft 47 derartige Anlagen unterschiedlicherGröße verkauft oder in den Auftragsbüchern.36


1926 1927 1928Paulus Heylandt (links) in seinem Berliner Labor, ca. 1935. Vorne rechts dasSchnittmodell eines vom ihm entwickelten Transportgefäßes für flüssige Luft.Weltweite DepressionDie Krise nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte imOktober 1929 traf die Gesellschaft <strong>Linde</strong> erst 1931 mit vollerWucht: In der Abteilung A (Kältemaschinen) brachen die Umsätzeauf weniger als 60 Prozent des Vorjahres ein. Im darauffolgenden Jahr sanken sie noch einmal um rund ein Drittel. Entlassungenund Arbeitszeitverkürzungen waren unvermeidlich.Auch in der Abteilung B blieben ab der zweiten <strong>Jahre</strong>shälfte1931 die Aufträge aus. Um Stellenabbau in größerem Umfangzu vermeiden, wurde in den Werkstätten in Höllriegelskreuthbei München nur noch in zwei Schichten zu je 26 Stundenwöchentlich gearbeitet – mit entsprechenden Lohnkürzungen.Das „sonst übliche Fest“ zum 25-jährigen Dienstjubiläum Richard<strong>Linde</strong>s „unterblieb mit Rücksicht auf die trüben Zeiten“, schriebder Jubilar an seine Schwestern. Auch im Jahr 1932 blieb dieAuftragslage in der Gasverflüssigung und -zerlegung sehr schwach.Der Geschäftszweig „Technische Gase“ hatte ebenfalls unterder allgemeinen Wirtschaftskrise zu leiden. Der Absatz vonSauerstoff und Acetylen ging so stark zurück, dass Personal abgebautund das Sauerstoffwerk in Mülheim an der Ruhr zeitweiseganz stillgelegt werden musste. Dank dieser Einschränkungenund durch „äußerste Sparsamkeit“ (Geschäftsbericht 1932)konnte dennoch in der Abteilung B sowie bei den SauerstoffundAcetylenwerken ein „leidlich befriedigender Gewinn“ erzieltwerden.Dagegen waren bei der Maschinenfabrik Sürth und derGüldner Motoren-Gesellschaft Verluste nicht zu vermeiden.Im Geschäftsbericht 1932 berichtete der Vorstand, dass dieAbteilung C (Maschinenfabrik Sürth) von allen Werken desUnternehmens „von der Krise am schärfsten erfasst“ wordensei. „Trotz aller Sparmaßnahmen“ konnten nicht einmal dielaufenden Kosten erwirtschaftet werden.Als Carl von <strong>Linde</strong> im Jahr 1934 im Alter von 92 <strong>Jahre</strong>n starb,war die wirtschaftliche Depression der Nachkriegsjahre überwunden.Aufgrund der ab 1933 wieder anspringenden Konjunkturim In- und Ausland, unterstützt auch von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmender nun regierenden Nationalsozialisten, steuertedas Unternehmen in eine neue Wachstumsphase – allerdingsunter den Bedingungen der zunehmenden Kriegswirtschaft.37


1931 1932 1933


1934 1935Ferdinand Porsche stellt den Prototyp desVolkswagens VW Käfer vor.Idee N o 0770 – 22891935 – 1974 Kriegswirtschaft, Zusammenbruchund Wirtschaftswunder


1936 1937Olympische Spiele in Berlin.Der Zeppelin „Hindenburg“ explodiertim amerikanischen Lakehurst.N o 0838 Einrichtung zumschnellen Gefrieren von Lebensmitteln.Wachstum in Zeiten des KriegesWenngleich kein direkter Rüstungslieferant, erlebte die Gesellschaft<strong>Linde</strong> während der Nazizeit ein stürmisches Wachstum.Denn die gesamte Produktpalette – von Gaszerlegernüber Industriegase bis zu Motoren und fahrbaren Reparaturwerkstätten– galt als kriegswichtig. Trotz starker Zerstörungen gelangdem Unternehmen nach dem Krieg schnell die Rückkehrauf die angestammten Märkte – mit einigen Veränderungen.Auch nach dem Tod Carl von <strong>Linde</strong>s blieb die Gesellschaft weiterhinvon seinen Werten geprägt. Trotz eigener Fertigungsbetriebestanden die Ingenieurleistung und Entwicklungsarbeit unverändertim Vordergrund. Allerdings: Carl von <strong>Linde</strong>s professionelleVielseitigkeit hatte sich seit 1900 im Unternehmen auf dreiPersonen verteilt: Friedrich <strong>Linde</strong> übernahm den Part des Unternehmers,Rudolf Wucherer den des General Managers, undRichard <strong>Linde</strong> blieb zeit seines Lebens der begnadete Entwicklerund Techniker.Das <strong>Linde</strong>-Kühlhaus in München (ca. 1938).„Machtübernahme“ und AufschwungMit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten im Januar1933 veränderte sich das wirtschaftliche Umfeld innerhalbweniger <strong>Jahre</strong>: Der Anteil der Wehrausgaben an den Gesamtausgabender öffentlichen Hand stieg von vier Prozent im Jahr1933 auf 50 Prozent im Jahr 1938, die Exportbedingungenverschlechterten sich zunehmend, Autarkiebestrebungen undDevisenmangel erschwerten die Rohstoffbeschaffung undverschoben die Investitionsschwerpunkte.Know-how und Produkte der Gesellschaft <strong>Linde</strong> warenwährend des „Dritten Reiches“ in allen Arbeitsgebieten gefragt.So lieferte die Abteilung B zwischen 1935 und 1941 insgesamt37 Luftzerlegungsanlagen allein für die neu entstehendenAnlagen zur Produktion synthetischer Treibstoffe aus Kohleund zur Herstellung von künstlichem Gummi. Zu den größtenKunden zählten Tochtergesellschaften der IG Farben.Auch die Gaswerke der Gesellschaft <strong>Linde</strong> profitierten vomWirtschaftsaufschwung nach 1933. Schon 1934 lieferten die24 <strong>Linde</strong>-eigenen Anlagen in Deutschland fast so viel Sauerstoffwie in den Spitzenjahren 1928 und 1929; die Acetylen-Lieferungenstiegen sogar deutlich stärker an.Um die starke Nachfrage nach verdichteten Gasen befriedigenzu können, stockte <strong>Linde</strong> zuerst den Flaschenpark auf, dannverlagerte und erweiterte die Gesellschaft die Sauerstoffwerkein Nürnberg und Dresden. 1938 gingen die seit <strong>Jahre</strong>n stillgelegtenWerke in Hamburg-Wilhelmsburg und Mülheim an derRuhr wieder in Betrieb. Schließlich baute <strong>Linde</strong> auch nochdie Werke in Untermaubach bei Köln, Düsseldorf-Reisholz undBraunschweig aus.41


1938 1939Konrad Zuse stellt mit der binären RechenmaschineZ1 den ersten Computer fertig.Beginn des Zweiten Weltkriegs.N o 0875 Verfahren zum Aufschmelzenvon Metallen auf elektrisch leitfähige Körper, insbesonderezum elektrischen Schweißen.N o 0895 Verfahren zumVerdampfen von flüssigem Sauerstoff.Kühlhäuser und EisproduktionAuch die Kühlhäuser der Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinenerlebten auf Grund der Autarkiepolitik der Nationalsozialisteneine neue Blütezeit. Verbuchte das Unternehmen in diesemGeschäftsfeld 1933 noch Verluste, so verbesserte sich ab 1934die wirtschaftliche Situation der Kühlhäuser und Eisfabrikendeutlich. Von „erheblichem Einfluss“ darauf waren „Maßnahmender Reichsregierung zur Erhaltung der Erzeugnisse der Landwirtschaftund zur Regelung des Marktes bei diesen Produkten“,schrieb der Vorstand im Geschäftsbericht für das Jahr 1934.Die Tiefkühllagerung von Lebensmitteln bedeutete für dieKältetechnik ein neues Arbeitsgebiet. Deshalb gründete Prof.Rudolf Plank, der wichtigste deutsche Kältetechniker nach Carlvon <strong>Linde</strong>, in Karlsruhe das Reichsinstitut für Lebensmittelfrischhaltung,und in München entstand das „Institut für Lebensmittelforschung“.Für beide Institute lieferte <strong>Linde</strong> die Versuchsanlagen.Bald folgten zahlreiche Schnellgefriereinrichtungenfür die Vorratshaltung.Wegen der starken Nachfrage nach Kühlraum baute <strong>Linde</strong>ab Mitte der 1930er <strong>Jahre</strong> nach langer Pause sogar wieder eigeneneue Kühlhäuser: Ein seit <strong>Jahre</strong>n geplantes Projekt in Müncheneröffnete <strong>Linde</strong> 1935, eine zweite Anlage entstand 1937 inZusammenarbeit mit der Stadt Magdeburg.Geschäfte mit EislaufbahnenUnd noch ein Einsatzgebiet der Eis-Technologie erlebte ab Mitteder 1930er <strong>Jahre</strong> eine Blütezeit: Kunsteisbahnen. Diesen Absatzmarkthatte Carl von <strong>Linde</strong> schon in den ersten <strong>Jahre</strong>n desBestehens der Gesellschaft ins Auge gefasst, als er 1882 auf derDeutschen Patent- und Gebrauchsmuster-Ausstellung in Frankfurtam Main die erste Kunsteisbahn der Welt vorstellte. Eine weitereEisbahn entstand wenig später in Nürnberg. Damals blieb derDurchbruch jedoch aus.Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 in Berlin und gefördertvon staatlicher Propaganda, hatte sich dann in Deutschlandeine breite Sportbegeisterung entwickelt, die <strong>Linde</strong> 1935 zumBau des <strong>Linde</strong>-Stadions in Nürnberg veranlasste. Diese in eigenerRegie betriebene Sportanlage mit einer Freiluftkunsteisbahnund einem Freibad diente in erster Linie Werbezwecken – mitErfolg: Schon 1936 erhielt die Gesellschaft <strong>Linde</strong> Aufträge fürKunsteisbahnen aus Hamburg, München, Krefeld, Dortmund undKöln. Von den in den 1930er <strong>Jahre</strong>n in Deutschland errichtetenzwölf Kunsteisbahnen – zehn Freiluftbahnen und zwei Hallenbahnen– rüstete <strong>Linde</strong> sieben aus.Nach dem Zweiten Weltkrieg kurbelten Eisrevuen die Nachfragewieder an. Zunächst baute <strong>Linde</strong> eine kleine Eisbahn fürEiskunstlaufvorführungen in einem Varieté für amerikanischeSoldaten, bald folgten transportable Eisbahnen – zum Beispiel1950 für das berühmte deutsche Eislaufpaar Maxi und Ernst Baier.Güldner Motoren-Gesellschaft mbHDie wirtschaftliche Lage der Aschaffenburger Produktion vonDieselmotoren unterschiedlicher Größe und Bauart sowie vonKompressorenteilen für Kältemaschinen blieb trotz steigenderStückzahlen und Umsätze angespannt. Vor allem der Absatzvon Großmotoren ging zu Beginn der 1930er <strong>Jahre</strong> stark zurück.Dafür nahm die Güldner Motoren-Gesellschaft die Fertigungvon Kleindieselmotoren ins Programm auf und errichtete 1935eine zusätzliche Werkshalle, um der steigenden Nachfrage gerechtzu werden. Diese Produktreihe mit Leistungen von 20 bis120 PS stieß vor allem beim Landmaschinenbau auf starkesInteresse. Ab 1938 nahm Güldner schließlich selbst den Bau vonAckerschleppern auf. Dieses Geschäft entwickelte sich in den1950er <strong>Jahre</strong>n für einige Zeit zum wichtigsten Umsatzträger derWerksgruppe Güldner.Bild rechts: Traktorenproduktion der Güldner Motoren-Gesellschaft mbH42


1940


1941 1942Japanischer Luftangriff auf Pearl Harbour, USA.Dem Italiener Enrico Fermi gelingt erstefortlaufende Erzeugung von Atomenergie.N o 0915 Process for the separationof air by liquefaction and rectification (US-Patent).Firmennamen am 20. Januar 1938 von Marx & Traube in MATRA-Werke. Auf diese Weise blieben die Namen der Gründer alsAnagramm erhalten. Nach dem Krieg hat Erich Marx mit derGesellschaft <strong>Linde</strong> einen langjährigen Rechtsstreit um Rückgabeder Geschäftsanteile geführt.Ab Mitte der 1930er <strong>Jahre</strong> lieferte MATRA vor allem an dieWehrmacht und an die Luftwaffe fahrbare Autoreparaturwerkstätten.Für die umfangreichen Aufträge errichtete MATRA nochvor dem Zweiten Weltkrieg eine zusätzliche Fertigung in Kahlam Main.<strong>Linde</strong> und der NationalsozialismusAbbildung von Erich Marx aufeiner Produktbroschüre der FirmaMarx & Traube (1932–1935).Marx & Traube GmbH (MATRA-Werke GmbH)Güldner in Aschaffenburg sowie das Werk in Mainz-Kostheimarbeiteten auch für die Marx & Traube GmbH. Dieser Zuliefererder Automobilindustrie war auf Werkzeugsets und Werkzeugmaschinenfür die Kraftfahrzeuginstandhaltung spezialisiert, dieer zum Teil selbst herstellte, aber auch aus den USA importierte.Die Gesellschaft <strong>Linde</strong> hatte sich 1931 zu 50 Prozent andiesem Unternehmen beteiligt und 1935 von Erich Marx, der alsjüdischer Unternehmer emigrieren musste, auch dessen Hälfteam Unternehmen übernommen. Als 1937 gesetzlich verlangtwurde, die Namen (ehem.) jüdischer Besitzer aus den Unternehmensbezeichnungenzu streichen, veränderte <strong>Linde</strong> denWenngleich die Gesellschaft <strong>Linde</strong> von der Autarkiepolitik undder Aufrüstung wirtschaftlich erheblich profitierte, blieb dasVerhältnis des Vorstands, vor allem das der Familienmitglieder,zum Regime distanziert.Friedrich <strong>Linde</strong> konnte als Generaldirektor am wenigstenden Kontakt zu den staatlichen Institutionen meiden, wollte erdoch die geschäftlichen Gelegenheiten für das Unternehmennutzen. Das erklärt auch seine Bereitschaft, sich zu einem „Wehrwirtschaftsführer“ernennen zu lassen. Mit diesem Titel gewannFriedrich <strong>Linde</strong> allerdings auch die Autorität, das Unternehmenvor staatlichen Übergriffen zu schützen.Nach Kriegsende wurden beide <strong>Linde</strong>-Brüder von den Amerikanernverhaftet. Friedrich <strong>Linde</strong> saß zwischen Juli und November1945 im Gefängnis Stadelheim in Einzelhaft. Außerdem untersagtenihm die Besatzungsbehörden vorübergehend die Betätigungim Unternehmen.Einer der engsten Mitarbeiter Friedrich <strong>Linde</strong>s, der Betriebsleiterin Höllriegelskreuth bei München, bekannte sich dagegenostentativ zu Partei und Regime: Dr. Alfred Hess, Onkel vonRudolf Hess, dem „Stellvertreter“ Adolf Hitlers. Seit 1936 leiteteAlfred Hess auch die Werkzeitschrift der Gesellschaft <strong>Linde</strong>,die neben betriebsinternen Informationen nationalsozialistischePropaganda – vor allem von der Deutschen Arbeitsfront – veröffentlichte.Hess trat 1942 nach dem Englandflug seines Neffenin den Ruhestand.44


1943 1944Wilhelm Emil Messerschmitt fertigt serienmäßig erste Düsenflugzeuge.Landung der Alliierten in der Normandie.Rudolf Wucherer (1875 –1966)Richard <strong>Linde</strong> hatte die Gefährlichkeit der Nazis schon vorderen „Machtergreifung“ erkannt und übernahm während derenHerrschaft keine öffentlichen Ämter. Deshalb lehnte er 1936 auchden Vorsitz im Deutschen Kältetechnischen Verein ab. Lediglichdie Funktion „Sonderringleiter für Schweiß- und Schneidetechnik“innerhalb der „Organisation Speer“ konnte er nicht verweigern.Die zwei ältesten Söhne Richard <strong>Linde</strong>s, Helmut und Werner,starben im Krieg. Sein dritter Sohn beging in der NS-Zeit Selbstmord,sein vierter Sohn Hermann wurde 1940 in Frankreichschwer verwundet. Er überlebte den Krieg jedoch wie sein jüngsterBruder Gerhard.Rudolf Wucherer konnte sich im „Dritten Reich“ von jeglicherpolitischen Betätigung und Einvernahme fern halten. Sein einziges„Amt“ war das eines Luftschutzwarts.Jüdische Mitarbeiter bei <strong>Linde</strong>Seit 1933 wuchs unablässig der politische Druck auf die jüdischenMitbürger. Bei <strong>Linde</strong> gab es im Umkreis von Richard <strong>Linde</strong> mehrerejüdische Mitarbeiter in leitenden Funktionen, unter anderemden Leiter der Montageabteilung Philipp Borchardt, den Leiterdes chemischen Labors Dr. Franz Pollitzer und dessen enge MitarbeiterDr. Paul Schuftan und Dr. Lothar Meyer. Schuftan undMeyer waren bereits Mitte der 1930er <strong>Jahre</strong> emigriert, Borchardtund Pollitzer wurden nach der so genannten „Reichskristallnacht“verhaftet, in das Konzentrationslager Dachau verschleppt undmisshandelt.Zwar kamen sie nach massiver Intervention Richard <strong>Linde</strong>swieder frei, kehrten aber nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück.Um sie in Sicherheit zu bringen, verschaffte ihnen Richard<strong>Linde</strong> Arbeitsplätze im Ausland: Pollitzer ging zu Air Liquide nachParis und Borchardt zur British Oxygen nach London.In einem Brief vom 7. Dezember 1938 an seine Schwesternschreibt Richard <strong>Linde</strong> dazu: „In den letzten Wochen habe ichreichlich zu tun gehabt, weil meine zwei nächsten MitarbeiterRudolf Wucherer, Vorstandsvorsitzendervon 1952 bis 1954.Der mit Carl von <strong>Linde</strong>s jüngster TochterElisabeth verheiratete Maschinenbauingenieurarbeitete nach dem Studiuman der Technischen Hochschule Münchenzunächst als Konstrukteur in der LokomotivenfabrikKrauss & Co. in München.Am 1. Juni 1905 wechselte er in dieAbteilung B der Gesellschaft <strong>Linde</strong> undverantwortete die Inbetriebnahme größererAnlagen. 1914 erhielt er Prokuraund leitete die Sauerstoff- und Acetylenwerkeder Gesellschaft. Wucherer legtedamit den Grundstein für das bis heutedauerhaft ertragsstärkste Geschäftsfeld der<strong>Linde</strong> AG. Zwischen dem Ausbruch desErsten Weltkriegs und 1928 vervierfachte<strong>Linde</strong> unter Wucherers Leitung die Sauerstoffproduktiongegenüber 1914 undsicherte dem Unternehmen regionaleMonopole im Flaschengeschäft. 1928wurde Rudolf Wucherer in den Vorstandder Gesellschaft <strong>Linde</strong> berufen.Auf Wucherers Initiative geht auchdie Gründung der Abteilung Ellira (Elektro-<strong>Linde</strong>-Rapidschweißung) in Höllriegelskreuthbei München zurück. Die Lizenz fürdas Verfahren des Unterpulverschweißensund des Schutzgasschweißens erwarb<strong>Linde</strong> von der ehemaligen Tochtergesellschaft<strong>Linde</strong> Air Products in New York.Rudolf Wucherer übernahm 1952 denVorsitz im Vorstand und wechselte 1955in den Aufsichtsrat. Dieses Amt legte er1965 nieder, ein Jahr später starb RudolfWucherer in München.45


1945 1946Bedingungslose Kapitulation Deutschlands.Beginn der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse.Dr.-Ing. Richard <strong>Linde</strong> (1876–1961)Dr.-Ing. Richard <strong>Linde</strong> im Alter von 53 <strong>Jahre</strong>n (1929).Der zweite Sohn Carl von <strong>Linde</strong>s studiertebis 1900 an der Technischen HochschuleMünchen Maschinenbau und promovierte1904 zum Doktor der Technischen Wissenschaftenam Laboratorium für TechnischePhysik an der TH München. Nach einerrund zweijährigen Tätigkeit bei der MaschinenfabrikAugsburg Nürnberg (MAN)wechselte er zur Abteilung B der Gesellschaft<strong>Linde</strong> nach Höllriegelskreuth beiMünchen. Dort arbeitete er zunächst mitseinem Vater an der Entwicklung vonApparaten zur Luftverflüssigung und zurTrennung von Gasen. Anfangs noch gemeinsammit seinem Schwager RudolfWucherer und später mit verschiedenenMitarbeitern gelang ihm die Entwicklungvon vielen neuen Trennverfahren undRektifikationskolonnen.1914 erhielt er Prokura und die Verantwortungfür den Apparatebau und dasgesamte Geschäft der Lieferung von Anlagenzur Gasverflüssigung und -trennung,das vor allem während der Kriegszeitenhöchsten Einsatz erforderte.1928 wurdeRichard <strong>Linde</strong> in den Vorstand berufenund blieb bis 1949 oberster Entwicklerund Techniker der Abteilung B.In der NS-Zeit verlor Richard <strong>Linde</strong>drei seiner fünf Söhne. Der älteste Helmutund der zweitälteste Werner fielen. Beidewaren nach Studium und Promotion fürdie Gesellschaft <strong>Linde</strong> tätig gewesen. Derdritte Sohn Gustav beging 1935 auf demFeriensitz der Familie bei BerchtesgadenSelbstmord. Der seit 1948 in der Gesellschafttätige Sohn Dr. Hermann <strong>Linde</strong>wurde 1961 in den Vorstand berufen undwirkte von 1972 bis 1976 als dessenSprecher. Der jüngste Sohn Gerhard war fürdie Gesellschaft <strong>Linde</strong> in Höllriegelskreuthbei München als Vertriebsleiter tätig.Richard <strong>Linde</strong> wechselte 1949 in denAufsichtsrat der Gesellschaft und gab seinMandat 1955 ab. Er starb am 16. Januar1961 in München.als Nichtarier festgenommen waren. Der eine ist seit 10 Tagenwieder heraus, musste sich aber erst wieder etwas erholen unddarf auch nicht wieder ins Büro hinaus, sondern kann nur zuHause für uns tätig sein. Der andere kommt hoffentlich morgenheraus. Über diese Angelegenheit kann man nicht schreibenoder sprechen, sonst kommt einem die Galle hoch.“Borchardt kehrte 1946 nach Höllriegelskreuth bei Münchenzurück und arbeitete wie vor 1938 als technischer Direktor mitProkura für Verhandlungen und Vertragsabschlüsse im Ausland.Pollitzer dagegen wurde 1940 von der Gestapo in Paris gefasstund 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.Otto Hippenmeyer, seit 1929 Vorstandsmitglied der Gesellschaft<strong>Linde</strong>, überlebte als so genannter „Halbjude“ mit Hilfeder Familie <strong>Linde</strong> und der Gesellschaft <strong>Linde</strong> in Deutschland.Krieg und ZusammenbruchZwar lieferte keines der <strong>Linde</strong>-Unternehmen Rüstungsgüter imengeren Sinne, alle Abteilungen waren jedoch in die Rüstungsproduktioneingebunden. So belieferten die Sauerstoffwerke dieLuftwaffe, über die Heylandt-Gesellschaft für Apparatebau inBerlin war <strong>Linde</strong> auch in das Raketenprogramm (V1/V2) eingebunden.Das Kühlmöbelwerk in Mainz-Kostheim richtete währenddes Zweiten Weltkriegs für MATRA Werkstattwagen undkomplette Reparaturzüge ein.Auch die Werksgruppe Güldner fertigte für MATRA u.a. Zylinderbohrmaschinenund hydraulische Pressen. Später lieferteGüldner auch Motoren mit Holzvergaser, z. B. für Ackerschlepper.Die 1937 in Höllriegelskreuth bei München gegründeteAbteilung für elektrische Schweißsysteme Ellira (Elektro-<strong>Linde</strong>-Rapidschweißung) war während des Krieges fast ausschließlichmit Lieferungen von Schweißapparaten für die Erzeugnisse derRüstungsindustrie beschäftigt.Zu den dunklen Punkten in der <strong>Linde</strong>-Geschichte zählt sicherdie Verwicklung des Unternehmens in den Bau von Produktionsanlagender IG Farben im Umfeld des KonzentrationslagersAuschwitz. Dort ließ das zur IG Farben gehörende AmmoniakwerkMerseburg GmbH von Insassen des KZ-AußenlagersAuschwitz II ab Frühjahr 1941 ein Werk zur Herstellung von46


1947 1948Die USA verkünden den „Marshall-Plan“ zumwirtschaftlichen Wiederaufbau Europas.Jüdischer Staat Israel in Palästina gegründet.N o 0930 Anordnung zurAnreicherung von radioaktiven Zerfallsproduktenin festen fetthaltigen Stoffen.synthetischem Kautschuk errichten, für das <strong>Linde</strong> vier Sauerstoffundzwei Heliumanlagen baute und installierte. Zwei weitere fürAuschwitz bestellte Anlagen konnten kriegsbedingt nicht mehrgefertigt werden.Fremd- und Zwangsarbeiter bei <strong>Linde</strong>Um den für die Kriegswirtschaft wichtigen Betrieb aufrechtzuerhalten,beschäftigten auch die Werke der Gesellschaft <strong>Linde</strong>Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Die Zahlenschwankten in den einzelnen Kriegsjahren stark. In Höllriegelskreuthbei München lag der Höchststand im Jahr 1943 bei 232Fremdarbeitern von insgesamt 1.054 Beschäftigten.Für die Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter,die im Jahr 2000 gegründet wurde, ermittelte der Vorstand der<strong>Linde</strong> AG auf Basis von Befragungen – die meisten Unterlagenwaren im Krieg verbrannt – für Mitte 1944 zwischen 400 und500 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.ZerstörungenDie alliierten Bombenangriffe trafen auch die meisten <strong>Linde</strong>-Werke. Schon 1942 wurden das Kühlmöbelwerk in Mainz-Kostheim und einzelne Kühlhäuser, beispielsweise in München,erheblich beschädigt. Das Werk Berlin-Britz der <strong>Linde</strong>-TochtergesellschaftHeylandt wurde 1943 weitgehend zerstört.Am 19. Juni 1944 erlitt das Werk in Höllriegelskreuth beiMünchen schwere Schäden. In der stark zerstörten Montagehallekonnte jedoch bald mit einer Kapazität von 40 Prozent weitergearbeitetwerden. Ein Teil der Produktion wurde in angemieteteRäume in Schalchen bei Trostberg ausgelagert. Nach dem Kriegzog dann der Großteil der Fertigung an den alten Verlagerungsstandortnach.Schwere Schäden erlitt auch die Güldner Motoren-Gesellschaftin Aschaffenburg bei einem Luftangriff 1944. Am 21. Januar1945 wurde das Werk dann völlig zerstört. Die Fertigung der alskriegswichtig eingestuften Schleppermotoren mit Holzvergaserwurde auf das Gelände des Landmaschinenherstellers Fahr nachBaden verlagert.Zerstörte Werksanlagen in Höllriegelskreuth vor (oben)und nach dem Wiederaufbau (unten; um 1950).47


1949 1950Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD)und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).Beginn des Koreakriegs.N o 1149 Verbrennungsmaschinemit Schubkurvengetriebe, u.a. für Traktoren.1944 schlugen die Bomben in die Maschinenfabrik Sürth ein.Auch die MATRA-Werke wurden schwer beschädigt. Das Werkin Kahl am Main, in das Teile der Produktion verlagert wordenwaren, blieb dagegen unzerstört. Deshalb konnte hier nach demKrieg die Produktion schnell wieder aufgenommen werden.Dem Bombenkrieg fielen auch die Sauerstoffwerke in Magdeburg,Bielefeld und Dresden zum Opfer. Im Februar 1945 gerietschließlich das Verwaltungsgebäude in Wiesbaden in Brand, daswertvolle Zeichnungsarchiv wurde dabei vernichtet.Kriegsende und NeubeginnDoch trotz aller Zerstörungen litt <strong>Linde</strong> weniger unter den Kriegsfolgenals viele andere deutsche Unternehmen. Denn zumeinen hatte sich die Gesellschaft kaum in besetzten Gebietenengagiert, zum anderen lagen die wichtigsten Produktionsschwerpunktein den westlichen Teilen Deutschlands und bliebenvon Enteignungen und Demontagen nach dem Krieg weitgehendverschont. Und schließlich fertigte die Gesellschaft <strong>Linde</strong> keineunmittelbaren Rüstungsgüter, sondern konnte ihr bisheriges Produktionsprogrammsowohl während des Kriegs als auch danachunverändert fortführen und ausbauen.Wenngleich sich die Wiederaufbauarbeiten wegen desMangels an Baumaterial und Fachkräften bis 1949 hinzogen,erzielte die Gesellschaft <strong>Linde</strong> schon 1946 wieder einen Gewinnvon rund 1,7 Millionen Reichsmark. Dem stand allerdings einVerlustvortrag aus dem Vorjahr von fast 3,7 Millionen Reichsmarkgegenüber, der 1946 und 1947 verrechnet wurde.Bau von Kühlvitrinen im Kühlmöbelwerk Mainz-Kostheim (um 1950).Enteignungen nach dem KriegNach dem Krieg wurden die <strong>Linde</strong>-Unternehmen und Beteiligungenin Ungarn und Österreich enteignet. Der ebenfalls befürchteteVerlust sämtlicher Auslandsbeteiligungen im Westen konnteaber weitgehend verhindert werden. Nur die zwei nach Kriegsausbrucherrichteten Werke im Elsass und in Lothringen gingenverloren.48


1951 1952Erste Farbfernsehsendungen durch CBS in den USA.Der US-Amerikaner Edward Tellerentwickelt die Wasserstoffbombe.Dr.-Ing. Hugo Ombeck (1886 –1963)Währungsreform und AufschwungZur Zeit der Währungsreform 1948, als die Weichen für den Nachkriegsaufschwungund neuen Wohlstand gestellt wurden, standdie Gesellschaft <strong>Linde</strong> bereits wieder auf einer soliden Basis. Inihrer Eröffnungsbilanz zum 21. Juni 1948 stellte die Gesellschaft für<strong>Linde</strong>’s Eismaschinen ihr Grundkapital 1:1 auf 34.266.000 DM um.34.000.000 DM waren Inhaberaktien und 266.000 DM Namensaktienmit 20fachem Stimmrecht, die größtenteils von der Familiegehalten wurden, um „feindliche Übernahmen“ zu verhindern.Gleichzeitig wurden Rücklagen von fast 22 Millionen DM gebildet.Das Stammhaus in Wiesbaden, das seit der Rückkehr Carlvon <strong>Linde</strong>s nach München und dem Aufbau der Abteilung B(Gasverflüssigung und -zerlegung) primär als zentrales Konstruktionsbüroder Abteilung A (Kältemaschinen) diente, erhielt 1949ein neues Verwaltungsgebäude und den Status der Hauptverwaltung.Wirtschaftswunder: Nicht alle Bereiche profitiertenIn den einzelnen Abteilungen des Unternehmens ging es nachdem Krieg unterschiedlich schnell wieder aufwärts. Der HöllriegelskreutherApparatebau erhielt schon vor der Währungsreformvor allem aus dem Ausland viele Bestellungen für seineSpezialgebiete, insbesondere für „reine Stickstoffanlagen alsauch für solche in Verbindung mit Koksofengaszerlegungsanlagen(besonders für Belgien, Spanien und Italien)“, so ein Bericht anden Aufsichtsrat.Schwieriger war der Wiederbeginn bei den Sauerstoff- undAcetylenwerken, die bis 1945 gemeinsam mit der IG Farbenbetrieben wurden. Die IG Farben war ja von den Alliierten aufgelöstworden. Erst langsam gelang es der Gesellschaft <strong>Linde</strong>,ihre alten Gaswerke wieder in eigene Regie zu übernehmen.Sie produzierten zunächst „vor allem für die fremden Truppen“.Nach der Währungsreform stieg der Absatz an Sauerstoff undAcetylen „in bemerkenswerter Weise an“ (Bericht in der Eröffnungsbilanz1949). Deshalb baute <strong>Linde</strong> in den <strong>Jahre</strong>n 1948 bisDr.-Ing. Hugo Ombeck, Vorsitzender desVorstands von 1954 bis 1961.Als junger Ingenieur trat Hugo Ombeckim Januar 1913 in die Abteilung A (Kältemaschinen)der Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’sEismaschinen ein. Nach dem Ersten Weltkriegwurde er zum Leiter der Verkaufsabteilungbefördert (1. Juli 1919) underhielt 1924 Prokura. 1928 wurde erzum stellvertretenden und 1929 zumordentlichen Vorstandsmitglied berufen.Den Vorstandsvorsitz übernahm er am1. Oktober 1954.Ombeck galt als selbstbewusster,schnell entscheidender „Generaldirektor“alten Stils. Zugleich förderte er währendseiner Amtszeit die Reorganisation derWerksgruppen Sürth bei Köln und Güldnerin Aschaffenburg nach amerikanischemVorbild.Ombeck ließ allerdings die gewachsenenStrukturen an der Unternehmensspitzemit den beiden UnternehmensschwerpunktenHöllriegelskreuth beiMünchen und Wiesbaden unangetastetund ermöglichte einen harmonischenÜbergang von der zweiten auf die dritte<strong>Linde</strong>-Generation in der Leitung derGeschäfte.1961 übergab Hugo Ombeck im Altervon 75 <strong>Jahre</strong>n das Amt des Vorstandsvorsitzendenan Dr. Johannes Wucherer,einen Enkel Carl von <strong>Linde</strong>s. Ombeck starbam 27. Dezember 1963 in Wiesbaden.49


1953 1954Erstbesteigung des Mount Everest(8.882 m) durch Edmund Hillary.Deutschland gewinnt die Fußballweltmeisterschaftin Bern.N o 1312 Verfahren zum Reinigenvon Gasen durch Tiefkühlung und Waschung.1951 die Sauerstoffwerke in Nürnberg, Düsseldorf-Reisholz undHamburg-Wilhelmsburg wieder auf. In Berlin errichtete dieGesellschaft 1950 im Stadtteil Britz (amerikanischer Sektor) einneues Sauerstoffwerk.Die Abteilung C (Maschinenfabrik Sürth) konnte nach umfangreichenWiederaufbauarbeiten ab 1948 „der starken Nachfragenach Kleinkältemaschinen und Kühlschränken kaumnachkommen“ (Geschäftsbericht vom 20. Juni 1948). Langsambegann also auch auf der Konsumseite das Wirtschaftswunder.Angesichts der unbefriedigenden Lage beschloss der Vorstand,die Abteilung Großkälteanlagen von Wiesbaden nachSürth bei Köln zu verlegen und mit der gewerblichen Kleinkältezu verschmelzen. Damit sollte unter anderem die Fremdfertigungvon Kältekompressoren und -aggregaten zu Gunsten der Produktionim eigenen Haus verringert werden. 1960 siedelte dieAbteilung Großkälteanlagen endgültig nach Sürth bei Köln umund führte nach der Zusammenlegung die Bezeichnung „Industriekälteanlagen“.Unrentabler GroßkälteanlagenbauKleinkälte und HaushaltskühlschränkeDagegen kam der Bereich Großkälte in den 1950er <strong>Jahre</strong>n nichtrecht in Schwung. Zwar boomte der Auslandsmarkt – 1954 erreichteder Auslandsanteil fast 75 Prozent – der Inlandsabsatzblieb aber bereits ab 1951 hinter den Erwartungen des <strong>Linde</strong>-Vorstands zurück.Organisatorische und produktionstechnische Probleme stelltensich auch im Bereich der gewerblichen Kleinkälteanlagenund Kühlschränke. Das Werk Mainz-Kostheim produzierte undvertrieb Haushaltskühlschränke sowie Kühl- und Gefriertruhenfür gewerbliche Zwecke, für die das Werk in Sürth bei KölnMit <strong>Linde</strong>-Kühlung ausgestattete Milchbar im Bundeshaus-Restaurant in Bonn (um 1950).


1955Gründung des Warschauer Pakts unter Führung der Sowjetunion.<strong>Linde</strong>-Haushaltskühlschrank der 50er <strong>Jahre</strong>.51


1956 1957Erstes Telefonkabel zwischen Europaund den USA geht in Betrieb.Mit Sputnik I. umkreist der erstekünstliche Satellit die Erde.N o 1461Fahrzeug, dessen Fahrbewegungdurch Pedale steuerbar ist (Hydrocar).Hydrostatik – am Anfang stand das HydrocarEin Güldner-Hydrocar schleppt ein Flugzeug der Luftwaffe. Diese Fahrzeugewurden etwa von 1958 bis 1965 in Aschaffenburg gebaut.Auf der Suche nach neuen Produkten alsAusgleich für die stagnierende Nachfragenach Ackerschleppern übernahm dieGüldner Motoren-Gesellschaft Mitte der1950er <strong>Jahre</strong> die Hydrostatik-Aktivitätender Firma Saalmann einschließlich der aufdiesem Gebiet tätigen Mitarbeiter.Bei hydrostatischen Antrieben pumpteine von einem Verbrennungsmotor angetriebene,rotierende Zylindertrommelüber Kolben Öl mit hohem Druck (420 bar)in ein Triebwerk, das seinerseits über seineKolben in Rotation versetzt wird. Der Förderstromund damit die Umdrehungsgeschwindigkeitwerden durch eineSchrägscheibe gesteuert, deren Neigungden Hub der Kolben bestimmt (sieheauch Seite 56). Über eine Übersetzung amTriebwerk wird die Umdrehungsgschwindigkeitvon 2.000 Umdrehungen in derMinute auf 200 Umdrehungen reduziertund auf die Räder eines Fahrzeugs, zumBeispiel eines Gabelstaplers, übertragen.Die Änderung der Umdrehungsgeschwindigkeitverläuft stufenlos. Einwesentlicher Vorteil des hydrostatischenAntriebs ist, dass durch Verstellung derSchrägscheibe über Pedaldruck das Fahrzeugnicht nur beschleunigt, sondern genausowirksam abgebremst wird – undzwar ohne Verschleiß. Ein weiterer Pluspunktdes hydrostatischen Antriebs: DasFahrzeug fährt gleichmäßig mit der einmaleingestellten Geschwindigkeit – undzwar unabhängig vom Widerstand, zumBeispiel wenn es über eine Schwellefährt.Und schließlich kann das hydrostatischangetriebene Gerät von der Energiequelleentfernt operieren, die beide über Distanzdurch Leitungen und Schläuche miteinanderverbunden werden können.Diesen hydrostatischen Antrieb erprobte<strong>Linde</strong> ab 1958 im „Hydrocar“, dasvor allem für den betriebsinternen Transportverwendet wurde. Nach eingehenderErprobung bildete das Hydrocar dieKeimzelle des heutigen Geschäftsbereichs<strong>Linde</strong> Material Handling. Die ersten hydrostatischangetriebenen Gabelstaplerzeichneten sich von Anfang an durchruckfreies Fahren, einfache, präzise Handhabung,geringen Verschleiß und hoheSicherheit aus.In kontinuierlicher Weiterentwicklunghat <strong>Linde</strong> den hydrostatischen Antrieb,Hydropumpe, Hydromotor und Getriebein einer kompakten Achse integriert.Die neueste Generation bietet eine höhereLeistungsdichte (größerer Schwenkwinkel)und kann auf die mechanische Untersetzungsstufeverzichten, weil die Räderdirekt vom „langsam laufenden“ Hydromotorangetrieben werden.Die „intelligente“ Elektronik sorgt fürein ausgezeichnetes Fahrverhalten undnutzt die Leistung des Dieselmotorsoptimal aus, wodurch sich der Kraftstoffverbrauchvermindert.Die <strong>Linde</strong>-Hydrostatik beliefert nichtnur die Gabelstaplerkunden im eigenenWerk, sondern auch eine Reihe von externenKunden wie zum Beispiel Herstellervon Baumaschinen, Erntemaschinen undKommunalfahrzeugen. Eine Spezialitätist der Antrieb für Bagger: Eine Hydraulikpumpekann mehrere „Verbraucher“(beispielsweise Antriebsmotor und Schaufel)gleichzeitig ansteuern, ohne derenLeistung zu beeinträchtigen. Auch hiersorgt eine von <strong>Linde</strong> selbst entwickelteElektronik für Feinfühligkeit und optimaleNutzung der Leistung.Die Hydrostatik im Werk Aschaffenburgfertigt inzwischen rund 120.000Einheiten im Jahr, davon rund die Hälftefür externe Kunden.Der so genannte Hubtrac war der erste <strong>Linde</strong>-Gabelstapler;er wurde von 1959 bis 1969 gebaut.<strong>Linde</strong>-Stapler der Baureihe 313 wurden von 1967 bis 1977 produziert.52


1958 1959General Charles de Gaulle wirdPräsident in Frankreich.Revolution in Kuba unter Fidel Castro.N o 1503Hublader mit Teleskopmast (Hubtrac).Kältemaschinen und -apparate lieferte. Diese unwirtschaftlicheArbeitsteilung führte zunächst zum Bau einer neuen Fabrik fürHaushaltskühlschränke in Mainz-Kostheim. 1964 beschloss derVorstand schließlich nach langer Diskussion, die Niederlassungenin Sürth bei Köln und Mainz-Kostheim zur Werksgruppe Sürth(<strong>Linde</strong> Kältetechnik) zusammenzulegen.Auch damit war der Geschäftszweig „Weiße Ware“, alsoKühlschränke und Gefriertruhen für den Privathaushalt, nichtzu sanieren. 1965 gliederte <strong>Linde</strong> schließlich das Kühlschrankgeschäftin ein eigenständiges Unternehmen aus, das von derAEG 1967 mehrheitlich übernommen wurde.Traktoren- und MotorenbauNach einem viel versprechenden Start in die Nachkriegszeitmit starker Nachfrage nach Ackerschleppern geriet auch die AbteilungD (Werksgruppe Güldner, davor Güldner Motoren-Gesellschaft)in Turbulenzen. Musste die Kapazität 1951 bei steigendemMarktanteil noch erweitert werden, stagnierte der Traktorenabsatzbereits im Jahr darauf. 1953 meldete die Abteilung Deinen ersten Umsatzrückgang. Von diesem Zeitpunkt an blieb dieTraktorenfertigung bis zur Produktionsaufgabe Ende der 1960er<strong>Jahre</strong> problembehaftet.Weder die 1954 neu ins Programm aufgenommenen luftgekühltenDieselmotoren noch die moderne Produktion im 1956eröffneten Werk in Nilkheim bei Aschaffenburg brachten eineWende. Auch im Wirtschaftswunder war die Landwirtschaft ebenkeine Boombranche, und es gab zu viele Hersteller in einemrecht kleinen Markt.Um die Abhängigkeit von den Landmaschinen zu mildern,suchte das Management nach „neuen Erzeugnissen“, so derGeschäftsbericht 1957. Im Jahr darauf übernahm die WerksgruppeGüldner den Hydraulikbereich des „Gusswerks Paul Saalmann &Söhne OHG“ in Velbert. Zusammen mit dem bei <strong>Linde</strong> entwickeltenhydrostatischen Getriebe, das Güldner 1955 testweise in denTransportwagen „Hydrocar“ eingebaut hatte (siehe auch Seite 52),verfügte die Werksgruppe nun über zwei neue Wachstumskerne.Werbeplakat der Güldner Motoren-Gesellschaft in den 60er <strong>Jahre</strong>n.53


1960 1961


1962 1963Das Güldner-Hydrocar war der Vorgänger der Gabelstapler.


1964 1965In der UdSSR wird Nikita Chruschtschowentmachtet.Vietnamkonflikt weitet sich zum Krieg aus.N o 1588Einsatz des stufenlosen, hydrostatischenFahrzeuggetriebes.Prinzip des hydrostatischenKompaktgetriebes „Güldner-Hydro-Stabil“:A = AntriebswelleB = VerstellhebelC = ZylinderblockD = HydromotorE = AntriebswelleV, O, R = Mögliche Positionen des Verstellhebels56


1966 1967Mao Tse-tung entfacht in Chinadie „Kulturrevolution“.„Sechs-Tage-Krieg“ Israels gegen seine arabischenNachbarn Ägypten, Jordanien und Syrien.N o 1593 Verfahren und Einrichtung zurRestreinigung von Gasgemischen während der Tieftemperaturrektifikationbei der Temperatur des flüssigen Wasserstoffs (–252,8 °C).N o 1712 Platten-Kondensator-Verdampfer, insbesondere für Gas- und Luftzerleger.Dr.-Ing. Johannes Wucherer (*1906)Es gehört zu den großen unternehmerischen Leistungen Dr. HansMeinhardts, die Bedeutung dieser Innovationen erkannt und siegezielt ausgebaut zu haben (siehe auch Seite 65).Bis zu der spektakulären Vorstandsentscheidung vom21. März 1969 zur sofortigen Einstellung des Traktorenbaus undfür den massiven Ausbau der Gabelstaplerfertigung gab es aberin den 1960er <strong>Jahre</strong>n noch viele Versuche, den Traktoren- undDieselmotorenbau zu rationalisieren und auf eine breitere Basiszu stellen. So gab die Werksgruppe Güldner 1958 eine enge Zusammenarbeitmit der Maschinenfabrik Fahr in Baden bekannt.Ab 1959 fertigten beide Unternehmen weitgehend baugleicheTraktoren der „Europa-Reihe“. Doch nachdem Fahr 1961 vomWettbewerber Deutz übernommen worden war, zerbrach dieseKooperation.Als auch ein Verkauf der Motoren- und Traktorenfertigungscheiterte, zog der Vorstand wegen dramatisch steigenderVerluste den Schlussstrich unter den Traktoren- und Dieselmotorenbau.Güldner hatte bis dahin rund 300.000 Dieselmotorenund 100.000 Traktoren in Aschaffenburg hergestellt.Einstieg in den GroßanlagenbauDagegen wuchs der Anlagenbau in Höllriegelskreuth beiMünchen ab den 1950er <strong>Jahre</strong>n in völlig neue Dimensionen.Orderte die internationale Kundschaft Anfang der 1950er <strong>Jahre</strong>primär Sauerstoff- und Stickstoffanlagen, partizipierte <strong>Linde</strong>bald an neuen Anwendungen der Gaszerlegung in der petrochemischenIndustrie, die schnell zur wichtigsten Kundengruppeaufstieg.Für <strong>Linde</strong> bedeuteten diese Aufträge den Einstieg in denGroßanlagenbau mit völlig neuen technischen und finanziellenHerausforderungen: dem Trend zu „schlüsselfertigen“ Komplettlösungen.Trotz fehlender Erfahrungen in diesem Geschäftwagte <strong>Linde</strong> den Schritt zum Anbieter kompletter Großanlagen.Dr.-Ing. Johannes Wucherer, Vorstandsvorsitzendervon 1961 bis 1972.Der Sohn von Rudolf Wucherer und EnkelCarl von <strong>Linde</strong>s studierte an der TechnischenHochschule München Maschinenbauund promovierte 1931 an der TechnischenHochschule Dresden zum Dr.-Ing.Bis 1934 blieb er in Dresden als Assistentdes renommierten <strong>The</strong>rmodynamikersProf. Richard Mollier.Im gleichen Jahr begann er seineTätigkeit bei der Gesellschaft <strong>Linde</strong> inWiesbaden im Revisionsbüro für Kälteanlagen.1937 wechselte er nach Höllriegelskreuthbei München und wurdebald der engste Mitarbeiter seines OnkelsRichard <strong>Linde</strong>, der damals den Apparatebauleitete. In dieser Zeit war JohannesWucherer maßgeblich an der Weiterentwicklungder Tieftemperaturtechnikund des <strong>Linde</strong>-Fränkl-Verfahrens sowieder Ethylenherstellung beteiligt.Am 1. Oktober 1954 wurde er zumstellvertretenden und 1957 zum ordentlichenVorstandsmitglied berufen. Währendseiner Amtsführung beschlossenVorstand und Aufsichtsrat der <strong>Linde</strong> AGeine Neuordnung der Kompetenzen derZentralverwaltung in Wiesbaden undder Arbeitsteilung im Vorstand mit derFolge einer stärkeren Stellung der Zentralein Wiesbaden.1972 übergab Johannes Wucherer ausAltersgründen sein Amt an Hermann<strong>Linde</strong> und wurde in den Aufsichtsrat berufen.Johannes Wucherer lebt hochbetagtin Diessen am Ammersee.57


1968 1969Truppen des Warschauer Pakts beenden den„Prager Frühling“ unter Alexander Dubcek.Am 21. Juli betritt der Amerikaner Neil Armstrongals erster Mensch den Mond.N o 2064 Besondere Befestigungder spiralförmig verlaufenden Rohrschlingen einesWärmetauschers.N o 2082 Verfahren undVorrichtung zur Gewinnung von Ammoniaksynthesegas.Der Aufbau von Gaseunternehmen außerhalb Europas begannim Jahr 1968; im Bild der Transport verflüssigter Gase in Brasilien.Ein risiko-, aber ebenso ertragreiches Arbeitsgebiet, das sich abMitte der 1960er <strong>Jahre</strong> unter der Leitung von Hermann <strong>Linde</strong>,Georg Plötz, Joachim Müller, Hannes Kneissl und Karl HeinzJungmann voll entfalten sollte. Den ersten Auftrag für den Baueiner petrochemischen Ethylenanlage in Scholven bei Gelsenkirchen(Veba) erhielt <strong>Linde</strong> 1965.Zur wirtschaftlichen Stärke der Gesellschaft trug auch derHandel mit technischen Gasen bei. Neben der chemischen Industrieentwickelte sich vor allem die Stahlindustrie zur bedeutendstenAbnehmerbranche. Außerdem gewann die Produktion von Acetylenund von Edelgasen zunehmende Bedeutung.Die Kühlhäuser profitierten ab Mitte der 1950er <strong>Jahre</strong> immerwieder von politischen Entwicklungen: zuerst vom Koreakrieg,später von der Agrarpolitik der EWG, die zu erheblichen landwirtschaftlichenÜberschüssen führte – zu Milchseen, ButterundFleischbergen, die eingelagert und gekühlt werden mussten.In den 1950er <strong>Jahre</strong>n arbeiteten die Ingenieure in Höllriegelskreuthbei München auch an der friedlichen Nutzung der Kernenergiemit und bauten 1955 eine Anlage zur Produktion vonschwerem Wasserstoff (Deuterium). Nachdem sich aber internationaldie Leichtwasser-Reaktoren durchgesetzt hatten, stieg<strong>Linde</strong> aus diesem Arbeitsgebiet aus. Was blieb: Bei der Herstellungvon schwerem Wasserstoff stießen die <strong>Linde</strong>-Ingenieureerstmals in einem industriellen Prozess auf minus 252 Grad Celsiusvor. Inzwischen zählt <strong>Linde</strong> auf dem Gebiet der Tiefsttemperaturen(Kryotechnik) zu den weltweiten Technologieführern.Gaseanwendung in der Bauindustrie: Flammstrahlen mitder Autogenflamme zur Oberflächenbearbeitung von Beton.58


1970Teilansicht einer von <strong>Linde</strong> erbauten Petrochemieanlage in Südafrika.59


1971 1972Deutscher Bundeskanzler Willy Brandt erhält denFriedensnobelpreis.USA und UdSSR unterzeichnen SALT-Abkommenzur Begrenzung der strategischen Rüstung.N o 2123 Verfahren zurZerlegung von stickstoffhaltigem Erdgas.Prof. Dr. Hermann <strong>Linde</strong> (*1917)Generationswechsel: Beginn der StrategiedebatteDie dritte Generation im Vorstand der <strong>Linde</strong> AG:Dr. Hermann <strong>Linde</strong> als Vorstandssprecher (1972–1976).Der vierte Sohn von Richard <strong>Linde</strong> wurdeam 12. November 1917 in Münchengeboren, studierte Physik und promovierte1948 an der Technischen HochschuleMünchen zum Dr. rer. nat. Er begann seineberufliche Laufbahn im Januar 1949 inder Abteilung Chemie in Höllriegelskreuthbei München. Ein Jahr später wechselteer ins verfahrenstechnische Büro.Ab 1957 leitete er mit Prokura die AbteilungenTechnisches Büro, Montagebüro,Berechnungsbüro sowie die Fertigungsbereichein Höllriegelskreuth bei Münchenund in Schalchen.1961 wurde er zum stellvertretenden,1965 zum ordentlichen Vorstandsmitgliedder <strong>Linde</strong> AG berufen und verantwortetein der Werksgruppe München die SparteTieftemperatur- und Verfahrenstechnik.Unter seiner Leitung entwickelte sich derfrühere Apparatebau zum Großanlagenbau,wobei <strong>Linde</strong> gegenüber den Kundenals Generalunternehmer die Gesamtverantwortungfür die einzelnen Projekteübernahm.Ab 1970 betreute Hermann <strong>Linde</strong> dieWerksgruppe Sürth bei Köln und ein Jahrspäter zusätzlich die Kühlhäuser. 1972wurde Hermann <strong>Linde</strong> zum Sprecher desVorstands ernannt; dieses Amt übte erbis 1976 aus.Weiterführende Reorganisationen derVorstandsarbeit und die Zentralisierungder Unternehmensführung in Wiesbadenblieben seinem Nachfolger an der Unternehmensspitze,Dr. Hans Meinhardt, überlassen.Zum 30. September 1976 schiedHermann <strong>Linde</strong> aus dem Vorstand der<strong>Linde</strong> AG aus und ging als Honorarprofessoran die TU München. Er lebt heutein Pullach bei München.Anfang der 1950er <strong>Jahre</strong> vollzog sich im Vorstand der Gesellschaft<strong>Linde</strong> der zweite Generationswechsel seit Gründung desUnternehmens 1879, diesmal von den (Schwieger)söhnen aufdie Enkel Carl von <strong>Linde</strong>s. Friedrich <strong>Linde</strong> übergab 1952 im Altervon 81 <strong>Jahre</strong>n den Vorstandsvorsitz an seinen Schwager RudolfWucherer (siehe auch Seite 45) und wechselte in den Aufsichtsrat,dem er bis 1961 angehörte. Wucherer bekleidete das Amtdes Vorstandsvorsitzenden bis 1954, um es dann an Hugo Ombeck(siehe auch Seite 49) zu übergeben. Rudolf Wucherer trat Mitte1955 in den Aufsichtsrat ein, dem er bis 1965 angehörte. Ombeckbehielt das Amt des Vorstandsvorsitzenden nur bis 1961und übergab es an Rudolfs Sohn Johannes Wucherer (siehe auchSeite 57), einen Enkel Carl von <strong>Linde</strong>s. Johannes Wucherer warnach einer ingenieurwissenschaftlichen Promotion in die Gesellschaft<strong>Linde</strong> eingetreten und 1955 zunächst zum stellvertretendenund 1957 zum ordentlichen Vorstandsmitglied aufgestiegen.Richard <strong>Linde</strong> hatte die Führung des Apparate- und Anlagenbausund sein Vorstandsamt 1950 wegen seiner Schwerhörigkeitniedergelegt und gehörte anschließend dem Aufsichtsrat bis1955 an. Er starb 1961. Richard <strong>Linde</strong>s Nachfolger in Höllriegelskreuthbei München und im Vorstand wurde sein langjährigerMitarbeiter Walter Ruckdeschel.1961 trat schließlich mit Hermann <strong>Linde</strong>, dem vierten SohnRichard <strong>Linde</strong>s, das bisher letzte Familienmitglied in den Vorstandein und übernahm die Leitung des Apparatebaus. 1972ernannte ihn der Aufsichtsrat zum Sprecher des Vorstands.60


1973 1974OPEC drosselt Förderung und löstinternationale Ölkrise aus.Die so genannte Watergate-Affäre führt zumRücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon.N o 2251 Verfahren und Vorrichtungzum Abkühlen von Gegenständen oder Stoffen.Diskussion um künftige AusrichtungSeit Mitte der 1960er <strong>Jahre</strong> führte der Vorstand der <strong>Linde</strong> Gesellschafteine durchaus kontroverse, ergebnisoffene Strategiedebatte.Anzeichen für wirtschaftliche Probleme, vor allem in den BereichenKältetechnik und bei Güldner, sowie die allgemeine Stimmungeiner zunehmenden „technologischen Lücke“ gegenüberden Vereinigten Staaten führten im Unternehmen zu Unsicherheitenund strategischen Überlegungen, die bald sowohl dieFührungsstruktur als auch die Unternehmenskultur verändernsollten.Doch zunächst entschloss sich der Vorstand zu eher kosmetischenVeränderungen: Die inzwischen altbacken klingendeFirmierung Gesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinen wurde 1965kurz und bündig in <strong>Linde</strong> AG geändert. Die Werksgruppen nanntensich nach ihrer geografischen Lage: München, Sürth, Aschaffenburgund – abweichend vom Prinzip – Kühlhäuser; die Produktionslinienhießen nun Sparten: Tieftemperatur- und Verfahrenstechnik;Technische Gase; Schweißtechnik; Kühlhäuser; Kompressoren,Expansionsturbinen, Druckluftwerkzeuge; Kälte- und Klimatechnik;Kühl- und Gefriermöbel; Hydraulik; Dieselmotoren; Traktoren sowieFlurförderzeuge.Mit der konjunkturellen Schwäche und der beginnendenGlobalisierung in der zweiten Hälfte der 1960er <strong>Jahre</strong> verschärftensich die strategischen Diskussionen im Vorstand der <strong>Linde</strong> AG.Die Stichworte dafür lieferte vor allem Dr. Hans Meinhardt.Er war 1955 ins Unternehmen eingetreten, stieg 1963 in dieGeschäftsleitung von Güldner in Aschaffenburg auf und fungierteab Mai 1965 zusätzlich als Assistent des stellvertretendenVorstandsvorsitzenden und Leiters der Zentralverwaltung,Dr. Johannes Simon.Aus dieser Position heraus leitete Meinhardt die strukturellenVeränderungen ein, die er ab 1976 als Sprecher desVorstands zielstrebig vollendete.Höllriegelskreuth im Ethylenanlagenboom: Armin Dorner (Mitte) erklärteiner Delegation das Modell der Ethylenanlage Scholven, Deutschland.Die fertig gestellte Ethylenanlage Scholven Ende der 1960er <strong>Jahre</strong>.


1975Idee N o 2290 – 63851975 – 2004 Aufstieg zum Global Player


1976 1977Boxweltmeister Muhammad Ali tritt ungeschlagen zurück.Erste demokratische Wahlen in Spanienseit Beginn des Bürgerkriegs 1936.N o 2361Storage Vessel for Liquefied Gas (US-Patent).Mit Akquisitionen auf ExpansionskursAb Mitte der 1970er <strong>Jahre</strong> bis zu Beginn des neuen Jahrtausendsstanden die Zeichen bei <strong>Linde</strong> auf Expansion. Mit einerSerie von Akquisitionen – vor allem in den Bereichen Flurförderzeuge,Technische Gase und Gewerbekälte – verdreifachtedas Unternehmen in der „Ära Meinhardt“ von 1976 bis 2003die Zahl der Mitarbeiter; im selben Zeitraum stieg der Umsatzinflationsbereinigt um das Vierfache.Die in den 1960er <strong>Jahre</strong>n eingeleiteten Strukturänderungen der<strong>Linde</strong> AG konzentrierten sich in den 1970er <strong>Jahre</strong>n auf eineZentralisierung der Unternehmensführung sowie auf den Aufbaubetriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente. Treibende Kraftdabei war Dr. Hans Meinhardt, bis 1970 als Mitglied der Geschäftsleitungin Aschaffenburg und Assistent des stellvertretendenVorstandssprechers Dr. Johannes Simon, danach als Vorstandsmitglied,später Vorstandvorsitzender (bis 1997) und Aufsichtsratsvorsitzender(bis 2003).Zunächst baute Meinhardt in den <strong>Jahre</strong>n 1959 bis 1962 inder damaligen Werksgruppe Güldner, in der Hauptverwaltung inWiesbaden und schließlich in den Werken in Mainz-Kostheim,Sürth bei Köln und Höllriegelskreuth bei München betriebswirtschaftlicheOrganisationsabteilungen auf. Vorbild für Meinhardtwaren dabei amerikanische Unternehmen.Außerdem etablierten Simon und Meinhardt eine zentraleMarktforschungsabteilung; auf deren Untersuchungen gingendie Trennung vom Geschäft mit Haushaltskühlschränken sowieder Produktwechsel von Dieselmotoren und Traktoren zu Flurförderzeugenund Hydraulik zurück.Die <strong>Linde</strong>-Unternehmenszentrale, die 1974 am Stadtrand von Wiesbaden bezogen wurde.Die Frage, wie die Verantwortung im Vorstand sowie zwischenVorstand und den Werksgruppen verteilt und wieweit dieFührung des Unternehmens zentralisiert werden sollte, war inden 1960er und 1970er <strong>Jahre</strong>n nicht unumstritten. Meinhardtplädierte für eine Zentralisierung der strategischen Führungbei operativer Verantwortung in den Unternehmensbereichen.Hermann <strong>Linde</strong>, Vorstandssprecher ab 1972, war für eine nochweiter gehende Dezentralisierung und befürwortete die technischeFührung als entscheidenden Erfolgsfaktor im Wettbewerb.UnternehmensleitsätzeStärkung der UnternehmenszentraleMeinhardt war überzeugt, dass ein diversifiziertes, internationaltätiges Unternehmen für die Zukunftssicherung nicht nur Spitzentechnologiebrauchte, sondern ebenso eine hohe OrganisationsundPlanungskompetenz. Er entwickelte ein Leitbild für eindiversifiziertes Unternehmen mit etwa gleich großen Unternehmensbereichen,die an die Spitze ihrer jeweiligen Branchevorstoßen sollten.Hans Meinhardt formulierte Unternehmensgrundsätze, die fürdie kommenden Jahrzehnte unter seiner Ägide gelten sollten.Dazu gehörten:• „Das Unternehmen wird nur auf Arbeitsgebieten mit anspruchsvollerTechnologie tätig sein, in denen es eine starkeMarktstellung hat oder mit vertretbarem Aufwand erreichenkann.63


1978Der Pole Karol Wojtyla wird alsJohannes Paul II. zum Papst gewählt.N o 2514 Verfahren zumbiologischen Reinigen von Abwasser.• Die Arbeitsgebiete sollen in ihrer Größe bzw. ihrem erreichbarenGeschäftsvolumen untereinander ausgewogen sein, möglichstunterschiedliche Konjunkturzyklen haben und sich in KapitalundPersonalintensität unterscheiden.• Der Vorstand führt das Unternehmen. Die einzelnen Vorstandsmitgliederbetreuen Arbeitsgebiete und nehmen funktionsbezogeneAufgaben für das Unternehmen wahr.• In der Zentralverwaltung sind die Stäbe des Vorstands unddie Verwaltungsressorts des Unternehmens zusammengefasst.Sie werden vom Vorstandsvorsitzenden geleitet.“Als sichtbares Zeichen der neuen Zeit mit einer starken Zentralebezog die <strong>Linde</strong> AG 1974 am Rande von Wiesbaden neueVerwaltungsgebäude. Hier ist noch heute der Sitz der Gesellschaftin der Abraham-Lincoln-Straße.Neue WerksgruppenAuf Basis der neuen Unternehmensgrundsätze beschloss derVorstand, die Werksgruppe München zu teilen: in die WerksgruppeTieftemperatur- und Verfahrenstechnik (TVT), also denAnlagenbau, sowie in die Werksgruppe Technische Gase (TG).Die Werksgruppe Sürth spaltete die <strong>Linde</strong> AG in die SpartenIndustriekälte und Kühl- und Einrichtungssysteme auf. Die WerksgruppeGüldner Aschaffenburg blieb von der Reorganisationunberührt. Die Industriekälte verkaufte Kälte- und Klimaanlagenfür den industriellen Bedarf, die Sparte Kühl- und Einrichtungssystemelieferte Kühlmöbel, Ladeneinrichtungen sowie KälteundKlimaanlagen an den Handel.Schon 1971 hatte <strong>Linde</strong> die Variant GmbH in Bad Hersfeldals Fertigungsbetrieb für Ladenbaueinrichtungen gekauft.1976 erweiterte der Bereich Gewerbekälte seine Produktionskapazitätennoch einmal mit der Übernahme der Tyler RefrigerationInternational GmbH im westfälischen Schwelm.Einige <strong>Jahre</strong> später (1979) legte <strong>Linde</strong> die Sparten Industriekältesowie Kühl- und Einrichtungssysteme wieder zusammen.Zwei <strong>Jahre</strong> später beschloss der Vorstand eine weitere Umstrukturierungin der Werksgruppe Kältetechnik, in deren Folge dieIndustriekälte bis Ende der 1990er <strong>Jahre</strong> fast völlig abgebautwurde, während die Gewerbekälte zur Nr. 1 in Europa aufstieg.Stärkung der Marktposition in der KältetechnikDie Gewerbekälte suchte dem zunehmenden Wettbewerb inEuropa und der steigenden Nachfragemacht der großen Lebensmittel-und Discountketten durch Modernisierung der Produktionund durch Größeneffekte zu begegnen. 1987 baute <strong>Linde</strong> einneues Werk in Bad Hersfeld für die Produktion von Kühl- undTiefkühlmöbeln und kaufte 1988 die Fabrik in Mainz-Kostheimvon der AEG-Tochtergesellschaft Duofrost Kühl- und GefriergeräteGmbH zurück. Nach der Modernisierung konzentrierte<strong>Linde</strong> hier bis 1990 schrittweise die Fertigung von gewerblichenKühl- und Tiefkühlmöbeln. Das neue Werk in Bad Hersfeldbegann 1989 mit der Fertigung von Ladeneinrichtungen.Die Unternehmensstruktur von 1973.64


1979Europäische Rakete „Ariane“ startet am24. Dezember zum Jungfernflug.Dr. rer. pol. Hans Meinhardt (*1931)Dr. rer. pol. Hans Meinhardt, Vorstandsvorsitzender von 1976 bis 1997;Aufsichtsratsvorsitzender von 1997 bis 2003.Mehr als 48 <strong>Jahre</strong>, also weit über ein Drittelder gesamten Unternehmensgeschichte,stand Hans Meinhardt im Dienste der<strong>Linde</strong> AG. Er prägte nicht nur die Kulturdes Unternehmens maßgeblich mit, unterseiner Leitung als Vorsitzender des Vorstandswuchs das Unternehmen auch ineine neue Dimension: Zwischen 1980,dem Jahr seiner Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden,und 1997, dem Jahr seinesWechsels in den Aufsichtsrat, hat sichder Umsatz von 2,742 Milliarden DM auf9,545 Milliarden DM deutlich mehr alsverdreifacht, die Gewinne (<strong>Jahre</strong>süberschussvor Steuern) haben sich sogarnahezu versechsfacht.Dabei hatte Hans Meinhardt eigentlichursprünglich Geschichte studieren wollen.Doch dann entschied er sich doch zumStudium der Betriebswirtschaftslehre ander Universität in Frankfurt am Main undstartete seine berufliche Laufbahn 1955bei der <strong>Linde</strong> AG. Zunächst durchlief erdie einzelnen Werksgruppen im Rahmeneines internen Ausbildungsprogrammsund arbeitete anschließend ab 1956 inder Revision der Zentralverwaltung.1957promovierte Meinhardt zum Dr. rer. pol.1959 wechselte Hans Meinhardt zurWerksgruppe Güldner nach Aschaffenburg,um eine Organisationsabteilungaufzubauen. Zwei <strong>Jahre</strong> später übernahmer dort die kaufmännische Verwaltungund stieg 1963 in die Geschäftsleitung auf.Einer der großen unternehmerischenErfolge Meinhardts ist die Entwicklungdieser kränkelnden Werksgruppe zumWeltmarktführer im Bereich der Flurförderzeuge.1965 wurde Meinhardt zusätzlichAssistent des stellvertretenden Vorstandsvorsitzendenund Leiters der Zentralverwaltung,Johannes Simon, und baute dieAbteilungen Marktforschung, Marketingund Planung auf, deren Leitung er übernahm.1970 stieg Hans Meinhardt zuerst zumstellvertretenden und ab 1. Juni 1971zum ordentlichen Vorstandsmitglied auf.Er war für die Zentralverwaltung und baldauch für die Werksgruppen Güldner undKöln-Sürth verantwortlich.1976 löste Meinhardt Hermann <strong>Linde</strong>als Vorstandssprecher ab und wurde1980 zum Vorstandsvorsitzenden ernannt.Unter seiner mehr als 20-jährigenFührung stieg die <strong>Linde</strong> AG zum Weltmarktführerbei Flurförderzeugen auf,festigte ihre hervorragende Stellung alsAnlagenbauer für die chemische und diepetrochemische Industrie, etablierte sichals europäischer Marktführer für gewerblicheKühlmöbel, entwickelte die Kryotechnologiezu einem ertragreichen Geschäftsfeldund etablierte sich als einerder führenden europäischen Herstellertechnischer Gase.Hans Meinhardt wechselte 1997 in denAufsichtsrat und übernahm dessen Vorsitz.Mit der Hauptversammlung 2003 beendeteHans Meinhardt seine Tätigkeit fürden <strong>Linde</strong>-Aufsichtsrat und trat in denRuhestand.65


1980Beginn des ersten Golfkriegs zwischen Iran und Irak.Neue Perspektiven eröffneten sich für die Gewerbekälte mitdem Umbruch in Osteuropa: Ab 1992 nutzte <strong>Linde</strong> die Kostenvorteilein der Tschechischen Republik und gründete mit einemPartner die <strong>Linde</strong> Frigera spol. s.r.o. zur Produktion von steckerfertigenKühl- und Tiefgefriermöbeln.In Polen gründete <strong>Linde</strong> 1996 in Warschau eine Vertriebsgesellschaft,um die Nachfrage westlicher Einzelhandelsketten zubedienen und damit am Aufbau in Polen zu partizipieren.Europa im BlickpunktAb 1997 konzentrierte sich <strong>Linde</strong> wieder stärker auf Länder imwestlichen Europa. In England stieg der Wiesbadener Konzerndurch die Übernahme der Radford Retail Systems Ltd. zumMarktführer für gewerbliche Kühltechnik auf. Außerdem stärktedie <strong>Linde</strong> AG 1998 ihre Marktposition durch die Mehrheitsübernahmeder Chief <strong>Group</strong>, einer führenden Vertriebsgesellschaftvon gewerblichen Kühlmöbeln in Frankreich, Großbritannien,Belgien und den Niederlanden.In Südeuropa festigte <strong>Linde</strong> ihre Position im Bereich gewerblicherKühlmöbel durch den Kauf der restlichen Anteile an derFrigel Apostolou S. A. (1997) und der verbliebenen 20 Prozentan der italienischen Criosbanc S. p. A.Den Schweizer Gewerbekältemarkt sicherte sich <strong>Linde</strong> 1996mit der Übernahme der Frigorex AG in Luzern von der Gebr. SulzerAG; außerdem erwarb <strong>Linde</strong> die restlichen Anteile der ZEHAGKälte+Klima AG sowie der EQUIPE FROID S. A., La Conversion, andenen das Unternehmen bereits seit 1991 beteiligt war.Einen weiteren Wettbewerbsvorteil schuf sich <strong>Linde</strong> durchdie rasche Umstellung auf FCKW-freie, also umweltfreundlicheKühlanlagen.In Übersee engagierte sich <strong>Linde</strong> mit Joint Ventures in Thailandund den Philippinen, in Brasilien übernahm die Gewerbekälteeine 75-prozentige Beteiligung an der Seral do Brasil S. A.,einem führenden Anbieter von Kühlmöbeln, Ladenbau undCheckout-Systemen.Für den Pinguin-Supermarkt in Siegen (Deutschland)lieferte die <strong>Linde</strong> Kältetechnik 1973 sämtliche Kühlmöbel.66


1981 1982Ägyptischer Staatspräsident und FriedensnobelpreisträgerAnwar al-Sadat wird ermordet.N o 2837 Process for operatinga pressure swing adsorption plant operatingcyclically (europäisches Patent).Doch trotz aller Anstrengungen erzielte das Geschäft mitgewerblichen Kühlmöbeln bis heute deutlich geringere Margenals die anderen Unternehmensbereiche.Rückzug aus RandaktivitätenUm die Konzernstrukturen zu straffen, überführte <strong>Linde</strong> unterder Leitung von Hans Meinhardt im Jahr 1984 die WerksgruppeKühlhäuser in eine rechtlich selbstständige Gesellschaft undveräußerte sie an die Markt- und Kühlhallen AG in Hamburggegen weitere Anteile an diesem Unternehmen. Der Portfoliobereinigungdiente auch der Verkauf des Kölner Kolben- undTurboverdichterbaus mit 760 Mitarbeitern an das schwedischeMaschinenbau-Unternehmen Atlas Copco.Technische Gase: Ausbau und InternationalisierungIhre Sparte Tieftemperatur- und Verfahrenstechnik verstärktedie <strong>Linde</strong> AG 1972 durch die Übernahme der Tief- und Tiefsttemperaturtechnikder Messer Griesheim GmbH. Im Gegenzugtrat <strong>Linde</strong> die Abteilung Schweißtechnik (Ellira) an MesserGriesheim ab. Außerdem legten beide Unternehmen für einige<strong>Jahre</strong> einen Teil ihres internationalen Gasegeschäfts in derZürcher Likos AG zusammen.Dieses Gemeinschaftsunternehmen errichtete in den folgenden<strong>Jahre</strong>n Produktions- und Vertriebsgesellschaften in Belgien,Frankreich, den Niederlanden sowie in Südafrika. Außerdemverstärkte die <strong>Linde</strong> AG 1974 ihre Gaseaktivitäten in Australienund Brasilien durch Kooperationen mit großen Kunden für Gasezerlegungsanlagen.Expansion in DeutschlandIn Deutschland hatte sich die <strong>Linde</strong>-Sparte Technische Gaseschon 1972 zu 50 Prozent an der Industriegas GmbH & Co. KG(IGA) in Köln beteiligt. 1985 übernahm <strong>Linde</strong> die restlichenGeschäftsanteile der IGA-Gesellschaften (Industriegas GmbH,Industriegas GmbH & Co. KG, Azetylenfabrik Hagen GmbH undIndustriegas GmbH & Co. Nord KG).Das Kühlmöbelwerk in Mainz-Kostheim in den 1960er <strong>Jahre</strong>n.Anfang der 1980er <strong>Jahre</strong> flossen 50 Prozent der Investitionendes Inlandskonzerns in die Sparte Gase. In Herne entstandein neues Gasezentrum, ein weiteres Ende 1983 in Gablingenbei Augsburg. Zudem erwarb <strong>Linde</strong> für den Bereich der technischenGase ab Mitte der 1980er <strong>Jahre</strong> Unternehmen in Österreich,den Niederlanden, Portugal und Frankreich. In Großbritannienund Italien stieg <strong>Linde</strong> neu in den Markt ein.Die Krise der Stahlindustrie Ende der 1970er, Anfang der1980er <strong>Jahre</strong> hinterließ auch beim Absatz mit Industriegasen ihreSpuren. Vor allem das On-site-Geschäft mit Großkunden litt zeitweiseunter den strukturellen Problemen in der Metallindustrie.67


1982Falkland-Krieg zwischen Argentinienund Großbritannien.1983Die neue Krankheit AIDS wird bekannt.N o 3157 Method and Apparatus forLiquefying a Low-Boiling Gas (u.a. Heliumverflüssigung).N o 3024 Entwicklungeines Inertgas-Schweißbrenners.Verstärkte Position in EuropaNeue Märkte für technische GaseAuf europäischer Ebene verlangte die Kommission der EuropäischenGemeinschaft 1989 eine Entflechtung der gemeinsamenGaseaktivitäten von <strong>Linde</strong> und Messer Griesheim. Bei der Aufteilungfielen alle bisher gemeinsam gehaltenen Anteile amniederländischen Gaseunternehmen nv W.A. Hoek’s Machine- enZuurstoffabriek sowie an der <strong>Linde</strong> Industriegassen B.V. (früherAirgas Nederland B.V.) an <strong>Linde</strong>. In Frankreich erhielt <strong>Linde</strong> dieGaszerlegungsanlage in Salaise bei Lyon und brachte sie in dieneu gegründete <strong>Linde</strong> Gaz Industriels S.A.R.L. mit Sitz in Lyon ein.In den 1990er <strong>Jahre</strong>n baute <strong>Linde</strong> ihre Gaseaktivitätenweiter aus, um schließlich zur Jahrtausendwende zu einem derweltweit führenden Anbieter von Industrie- und medizinischenGasen aufzusteigen. So erhöhte die <strong>Linde</strong> AG 1992 ihre Beteiligungan Hoek’s Machine- en Zuurstoffabriek (jetzt Hoek Loos)zunächst auf mehr als 60 Prozent, um den niederländischenMarktführer technischer Gase im Jahr 2000 schließlich vollständigzu übernehmen. Außerdem erwarb <strong>Linde</strong> Gasehersteller unteranderem in Portugal, England, Italien, Österreich und gemeinsammit der schwedischen AGA in Brasilien.Darüber hinaus entwickelten sich ab den 1980er <strong>Jahre</strong>n neueMärkte und Kundensegmente für den Bereich Technische Gase:So setzte sich im Automobilbau bis Mitte der 1980er <strong>Jahre</strong> raschdas Schutzgasschweißen durch, wodurch der Absatz von flüssigemArgon deutlich anstieg. Wirtschaftlich noch wichtiger erwiessich der ab Mitte der 1980er <strong>Jahre</strong> zunehmende Bedarfan Gasen höchster Reinheit in der Halbleiter- und der Lichtwellenleiterindustrie,also bei den wichtigsten Zulieferern derbald boomenden Computer- und Kommunikationstechnologie.Nach der deutschen Wiedervereinigung rückten die neuenBundesländer in den Fokus der Sparte Technische Gase. 1990schlossen die neu gegründete Leuna Werke AG und die <strong>Linde</strong> AGeinen Vertrag über die langfristige Zusammenarbeit auf demGebiet der technischen Gase. Am 1. März 1991 übernahm <strong>Linde</strong>diesen Bereich ganz von Leuna und baute eines der größtenGasezentren Europas, das seit 1994 den ostdeutschen Markt beliefertund über Rohrleitungen das Buna-Werk von Dow Chemicalin Schkopau und die Chemieanlagen in Bitterfeld mit Wasserstoffund Stickstoff versorgt. Für die benachbarte Raffinerie desMineralölkonzerns Total errichtete <strong>Linde</strong> eine weitere großeWasserstoffanlage. Bis 1998 investierte <strong>Linde</strong> in Leuna rund310 Millionen Euro.Auch in Tschechien, Ungarn und Polen wurde <strong>Linde</strong> im Gasebereichnach der Wende aktiv: In der Tschechischen Republikübernahm <strong>Linde</strong> Anfang 1991 die Mehrheit am GaseunternehmenTechnoplyn a. s. in Prag, 1995 auch die restlichen Anteile; inUngarn engagierte sich <strong>Linde</strong> 1992 mehrheitlich an der <strong>Linde</strong>Repcegas RT und sicherte sich damit die exklusiven Nutzungsrechtean den größten Kohlensäurequellen in Ungarn; in Polenübernahm <strong>Linde</strong> 1993 zwei Betriebe im Rahmen der Privatisierungder staatlichen Polgaz, die in die neue Gesellschaft <strong>Linde</strong>Gaz Polska z. o. o. eingebracht wurden. 1999 kaufte <strong>Linde</strong> schließlichnoch die polnischen Gaseaktivitäten der amerikanischenAirgas Inc. und stieg damit in Polen zum größten Anbieter technischerGase auf.<strong>Linde</strong>-Gasezentrum in Herne, Deutschland (1982).68


1984Schweißen mit dem Schutzgas „Corgon“ von <strong>Linde</strong>.69


1985Michael Gorbatschow wird Generalsekretär der KPdSU.N o 3580 Anlenkung desHubgerüstes oben am Fahrerschutzdach.Gezielter Ausbau des Geschäfts mitFlurförderzeugenSeit den späten 1960er <strong>Jahre</strong>n widmete Hans Meinhardt demneuen Geschäft mit Flurförderzeugen besondere Aufmerksamkeit.Um möglichst schnell in eine führende Marktposition hineinzuwachsen,musste sich dieser Bereich durch Firmenakquisitionenverstärken.Die erste gute Gelegenheit bot sich 1973, als die Quandt-Gruppe die STILL GmbH in Hamburg abstoßen wollte, die imBereich elektromotorischer Stapler besonders stark war. ImNovember 1973 wurde die Übernahme besiegelt. Seitdemfertigte <strong>Linde</strong> in zwei Unternehmensgruppen in der WerksgruppeGabelstapler: bei Güldner und bei STILL.MehrmarkenstrategieDie <strong>Linde</strong>-Gabelstapler der Baureihe 351 waren von 1985bis Mitte 2003 die meistverkauften Stapler Europas.Der Elektrostapler R50 war das Erfolgsmodell von STILL der 80er <strong>Jahre</strong>.Um durch den Zusammenschluss keine Marktanteile zu verlieren,operierten beide Marken weiterhin getrennt im Wettbewerbzueinander. Diese Strategie sollte sich auch nach späteren Übernahmenausländischer Konkurrenten fortsetzen: 1977 erwarb<strong>Linde</strong> eine Mehrheitsbeteiligung am amerikanischen FlurförderzeugeherstellerBaker Material Handling Corporation in Cleveland,1984 gelang mit dem Kauf des größten französischenGabelstaplerherstellers Fenwick Manutention S. A. der Aufstiegin die weltweite Spitzengruppe dieser Branche.Von 1985 bis zur Übernahme der AGA 1999 präsentierte sichder in die beiden Gruppen „<strong>Linde</strong> FH“ (Flurförderzeuge undHydraulik) und „STILL“ aufgeteilte Bereich als größte Sparte der<strong>Linde</strong> AG.Weitere Expansionsschritte machten <strong>Linde</strong> zu einem derweltweit führenden Anbieter von Flurförderzeugen:• die schrittweise Übernahme der Wagner FördertechnikGmbH & Co. KG in Reutlingen (zwischen 1986 und 1991),• die Kooperation mit der Asea Truck AB in Schweden, diedas Angebot von STILL um schwere Elektrostapler erweiterte,• die Übernahme des britischen Staplerherstellers LansingBagnall Ltd. 1989,• die Mehrheitsbeteiligung an der Fiat OM Carrelli ElevatoriS.p.A. in Mailand (1992),• die Gründung des Joint Ventures <strong>Linde</strong>-Xiamen in China sowie• die Kooperation mit der japanischen Komatsu Forklift Ltd.70


1986GAU im ukrainischen Kernkraftwerk von Tschernobyl.1987Apple bringt mit dem Macintosh denleistungsfähigsten PC auf den Markt.N o 4167Verfahren und Vorrichtung zur Luftzerlegung.Nach der deutschen Wiedervereinigung nutzten die beidenGruppen <strong>Linde</strong> FH und STILL den Modernisierungsbedarf in denneuen Bundesländern und sicherten sich erhebliche Marktanteile.Im Jahr 1990 lag der Absatz von Flurförderzeugen im wiedervereinigtenDeutschland 40 Prozent über dem des Vorjahres.In der Tschechischen Republik und in Ungarn gründete die<strong>Linde</strong> AG 1992 Vertriebsgesellschaften für die Vermarktungvon Flurförderzeugen. Darüber hinaus nahmen <strong>Linde</strong> und derdeutsche Wettbewerber Jungheinrich AG 1994 das JULI-Motorenwerkk.s. im tschechischen Brünn zur Produktion von Elektromotorenfür Flurförderzeuge in Betrieb. Außerdem produziert<strong>Linde</strong> seit der Übernahme der JIPO Domoradice spol. s.r.o. imtschechischen Ceský Krumlov Getriebekomponenten für Gabelstapler.Stärkung des AnlagenbausNachdem sich der Anlagenbau als Generalunternehmer fürschlüsselfertige Anlagen als zuverlässiger Partner etabliert hatte –dazu trug auch die Beteiligung am Chemieofenbauer Selas-Kirchner GmbH im Jahr 1975 bei –, konnte die Sparte TVT von densich bietenden neuen Geschäftschancen uneingeschränkt profitieren:Die Ostpolitik der 1969 gebildeten Sozialliberalen Koalitionöffnete in den 1970er <strong>Jahre</strong>n die Märkte der Sowjetunion undder osteuropäischen Länder; zwei Ölkrisen (1973/74 und 1979/80)sowie das aufkeimende Umweltbewusstsein – der erste Berichtdes Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ erschien 1972 –führten zu einer stark steigenden Nachfrage nach umweltfreundlichenTechnologien. Und die <strong>Linde</strong> AG nutzte diese Chancen.Konzentrierten sich die Auftragseingänge nach der erstenPilotanlage einer Ethylenanlage für Veba-Öl in Scholven (Deutschland)bis weit in die 1970er <strong>Jahre</strong> auf Ethylen- und Stickstoffanlagenfür die Herstellung von Kunststoffen, so gewannen abMitte der 1970er <strong>Jahre</strong> Energie sparende Technologien sowieAnlagen zur Reinigung von Gewässern, Abwässern und Abgasenan Bedeutung. Mehrere deutsche Großstädte – Bremerhaven,Karlsruhe, Nürnberg, München, Peine – erhielten „Lindox“- und„Lindpor“-Anlagen zur biologischen Abwasserreinigung mit Sauerstoff.1982 übergab die <strong>Linde</strong> AG die bis dahin weltweit größtePSA-Wasserstoff-Reinigungsanlage an die Union Rheinische BraunkohlenKraftstoff AG in Wesseling bei Köln.Zwischen 1977 und 1992 übernahm <strong>Linde</strong> die StaplermarkenBaker (USA), Fenwick (Frankreich), Lansing (Großbritannien)und OM PIMESPO (Italien).71


1988Die UdSSR und die USA vereinbaren den vollständigenAbbau aller atomaren Mittelstreckenraketen.1989Sowjetunion beendet den Kriegin Afghanistan.1994 eröffnete <strong>Linde</strong> in Leuna (bei Leipzig) eines dergrößten Gasezentren Europas.Geschäfte im ehemaligen OstblockGroßprojekte im AnlagenbauDie Staatsverträge mit den Ländern hinter dem Eisernen Vorhangim Rahmen der Ostpolitik eröffneten auch der <strong>Linde</strong> AG neueGeschäftschancen. Die Sowjetunion, die DDR, Polen, Rumänienund die CSSR kauften von <strong>Linde</strong> vor allem schlüsselfertige Sauerstoffanlagenfür die Stahlindustrie und Ethylenanlagen für diechemische Industrie. Ethylenanlagen wurden auch – wenngleichunter anderen politischen Vorzeichen – nach China geliefert.Doch im Gegensatz zum China-Geschäft brachen die Aufträgeaus den Nachfolgestaaten der UdSSR nach der Wende 1989/90ein. Positiver entwickelten sich die Geschäftsbeziehungen zuden EU-Anrainerstaaten Polen, Tschechische Republik und Ungarn.In China profitierte <strong>Linde</strong> vor allem vom Aufbau der petrochemischenIndustrie und der Metallurgie. So lieferte <strong>Linde</strong> zumBeispiel so genannte Druckwechseladsorptionsanlagen zur Gewinnungvon Reinwasserstoff, eine neuartige Edelgasgewinnungsanlage,Großanlagen zur Produktion von gasförmigem undflüssigem Sauerstoff und Stickstoff sowie von sämtlichen in derLuft enthaltenen Edelgasen in höchster Reinheit. Dazu kamenschlüsselfertige Anlagen zur Aufbereitung von Erdölbegleitgasen.Dass sich der Anlagenbau von <strong>Linde</strong> auch in den 1980er <strong>Jahre</strong>ntrotz eher schwacher Nachfrage gut behaupten konnte, verdankt<strong>Linde</strong> ihren traditionellen Stärken in der Planung undzuverlässigen Ausführung von Großanlagen, guten politischenVerbindungen, die unter anderem zu Aufträgen aus der DDRund aus Südafrika führten, sowie neuen Verfahren und Produkten.So boomte – für die Anlagenbauer selbst überraschend –der Bau von vakuumgelöteten Aluminiumwärmetauschern:Dank eines von <strong>Linde</strong> entwickelten Fertigungsprozesses konntenPlattenwärmetauscher bis zu Betriebsdrücken von 96 bar gebautwerden. Diese Plattenwärmetauscher erwiesen sich alsso erfolgreich, dass <strong>Linde</strong> zum wichtigsten Lieferanten dieserApparate aufstieg und in Höllriegelskreuth bei München, woeigentlich die Fertigung auslaufen sollte, in den <strong>Jahre</strong>n 1986und 1987 sogar noch zwei zusätzliche Vakuumlötöfen in Betriebnehmen musste.Ebenfalls in den 1980er <strong>Jahre</strong>n baute <strong>Linde</strong> das Werk inSchalchen für die Fertigung von gewickelten Wärmetauschern,von Tanksystemen und Coldboxen für Luft- und Gasezerlegungsanlagenaus.Wichtige Großprojekte während der 1980er <strong>Jahre</strong> waren unteranderem der Bau der ersten großen Methanolanlage in den USAfür Georgia Pacific, die <strong>Linde</strong> 1983 als Referenzobjekt in Auftragnahm. Das bedeutendste Großprojekt in diesem Jahrzehnt warallerdings das Erdgasterminal für die Statoil im norwegischenKårstø, über das per Pipeline spezifikationsgerechtes Erdgas vomÖlfeld Ekofisk nach Westeuropa geliefert wird. Mehr als 10072


1990Deutsche Wiedervereinigung nach Mauerfall in Berlin 1989.N o 4712 Gewickelter Wärmetauschermit in mehreren Lagen auf ein Kernrohr schraubenlinienförmiggewickelten Rohrschlangen.<strong>Linde</strong>-Spezialisten und rund 1.800 Bau- und Montagearbeiterinstallierten in Rekordzeit 26 Prozessmodule und zehn vorgefertigteKolonnen. Das Terminal ging 1985 in Betrieb – drei Monatevor der vereinbarten Zeit.Den bis dahin größten Auftrag im Wert von 1,3 Milliarden DMerhielt die von TVT in Verfahrenstechnik und Anlagenbau (VA)umbenannte Werksgruppe 1990 gegen starke internationaleKonkurrenz von der BASF. Als Generalunternehmer übernahm<strong>Linde</strong> Planung, Bau und Einrichtung einer schlüsselfertigenEthylenanlage.In eine neue Dimension stießen die Anlagenbauer von <strong>Linde</strong>1997 vor: Sie erhielten von der mexikanischen ÖlgesellschaftPemex den Auftrag für den Bau der vier größten Luftzerlegungsanlagender Welt im Gesamtwert von 150 Millionen US-Dollar.Die Anlagen gingen im Jahr 2000 in Betrieb.Vor dem Hintergrund der knapper werdenden globalen Ölreservengewinnt der Energieträger Erdgas zunehmend an Bedeutung– auch für <strong>Linde</strong> Engineering. Das Unternehmen verfügtüber alle Technologien zur Erdgasverflüssigung und Erdgaszerlegungund errichtet für das internationale Snohvit-Konsortiumbeispielsweise derzeit in der Nähe von Hammerfest (Norwegen),nördlich des Polarkreises, Europas größte Erdgasverflüssigungsanlage(LNG-Anlage). Damit wird der Transport dieses umweltfreundlichenEnergieträgers ermöglicht. Spätestens im Jahr 2006soll die Anlage ihren Betrieb aufnehmen. Insgesamt hat das sogenannte Hammerfest-Projekt, das schon durch seine geografischeLage höchste Anforderungen an die Leistungsfähigkeit desUnternehmens stellt, für <strong>Linde</strong> einen Auftragswert von mehr als500 Millionen Euro. In Tuha (China) und Kollsnes (Norwegen)baut <strong>Linde</strong> Engineering zurzeit weitere Anlagen dieser Art.Dresden“. Das in „<strong>Linde</strong>-KCA-Dresden GmbH“ umfirmierte Unternehmenübernahm zunächst die umwelttechnischen Aktivitätenvon Höllriegelskreuth bei München, dann auch den Bau vonPolyethylenanlagen. Zum Wachstum des Anlagenbaus trugenweitere Akquisitionen und Übernahmen bei. So gliederte <strong>Linde</strong>1990 die Maschinenfabrik Augsburg-Plattling Aktiengesellschaft(MAPAG GmbH) in die Werksgruppe VA ein und eröffnete imbayerischen Horgau 1996 ein neues Werk.1994 entstand in China ein Gemeinschaftsunternehmen zurPlanung und Errichtung von Luftzerlegungsanlagen, und 1996erwarb <strong>Linde</strong> den Produktbereich Kryotechnik der Gebr. Sulzer AG.Akquisitionen im AnlagenbauNach dem Fall der innerdeutschen Grenze engagierte sich derAnlagenbau von <strong>Linde</strong> schnell in den neuen Bundesländern.Schon im April 1990 beteiligte sich <strong>Linde</strong> mehrheitlich amzweitgrößten Ingenieurunternehmen im Anlagenbau der ehemaligenDDR, den vormaligen „Kompletten ChemieanlagenEine Schlüsselkomponente in Erdgasanlagen: gewickelte Wärmetauscher.73


19911. Irak-Krieg zur Befreiung des besetzten Kuwaits.N o 4793 Verfahren zumVerflüssigen eines kohlenwasserstoffreichenStroms (Liquified Petroleum Gas).Innovative <strong>Linde</strong>-Anlagentechnologie an derWestküste Norwegens: In der Erdgasanlagein Kollsnes wird der umweltfreundliche KraftstoffLPG (Liquified Petroleum Gas) gewonnen.


1992Ende der Apartheid-Politik in Südafrika.


19931994N o 4851 <strong>Linde</strong>-Prozesszur Erdgasverflüssigung (MFC ® s3).PrecoolingCycle (PC)LiquefactionCycle (LC)SubcoolingCycle (SC)Funktionsschema des <strong>Linde</strong>-Prozesseszur Erdgasverflüssigung (MFC ® s3).Precooling Cycle (PC) = VorkühlkreislaufLiquefaction Cycle (LC) = VerflüssigungskreislaufSubcooling Cycle (SC) = UnterkühlungskreislaufNat. Gas = Natural Gas = ErdgasNGL = Natural Gas Liquids = flüssige Gase wie Propan und ButanLNG = verflüssigtes ErdgasGT = GasturbineLP = Low pressure (Niederdruck)HP = High pressure (Hochdruck)76


1995Ende des seit 1991 dauernden Bürgerkriegsim ehemaligen Jugoslawien.N o 4946 Vorrichtungzur Gewinnung von Reinst-Xenon.N o 4969 Kalter Kompressor mitintegriertem Doppeldichtungssystem (Kryotechnik).Erfolgsgeschichte KryotechnikBereits 1932 installierte <strong>Linde</strong> die erste industrielle Heliumverflüssigungsanlageder Welt an der Universität Charkow in derUkraine – mittlerweile sind weltweit über 500 Anlagen in Betrieb.Kryotechnische Anlagen werden für verschiedenste Anwendungeneingesetzt: für die Grundlagenforschung, in der Industrie,für die Kühlung von Supraleitern, für die Fusions- und Fissionsforschungund zur Verflüssigung von Helium und Wasserstoff.Im Bereich der widerstandsfreien Supraleitung beispielsweise,die nur bei Tiefsttemperaturen möglich ist, war <strong>Linde</strong> in denvergangenen Jahrzehnten an allen wichtigen Projekten beteiligt,etwa an der Hadron-Elektron-Ringanlage HERA bei DESY inHamburg zur Erforschung kleinster Strukturen oder dem LHC(Large Hadron Collider), dem neuesten Teilchenbeschleunigerdes europäischen Zentrums für Teilchenphysik CERN in Genf,der sich seit 1999 im Aufbau befindet.Auch für ein Hochenergiephysik-Projekt der Technischen UniversitätMünchen lieferte <strong>Linde</strong> eine Heliumkälteanlage. In derMedizintechnik wird flüssiges Helium von <strong>Linde</strong> beispielsweisezur Kühlung der supraleitenden Magnetspulen in Kernspintomographeneingesetzt. Darüber hinaus errichtete <strong>Linde</strong> 1987 inHöllriegelskreuth ein so genanntes Kryolabor für die Entwicklungkryogener Anwendungen in der Weltraumtechnik, in dem biszu einer Temperatur von minus 271 Grad Celsius (1,5 K) experimentiertwurde. Bis 1994 wurde beispielsweise der ForschungssatellitISO der European Space Agency (ESA) mit einem kryogenenHeliumtank von <strong>Linde</strong> ausgerüstet.Im <strong>Jahre</strong> 1992 übernahm <strong>Linde</strong> die kryotechnische Abteilungdes Schweizer Maschinenbauunternehmens Gebrüder Sulzer AGund erwarb damit unter anderem die Technologie zum Bauvon Expansionsturbinen, einer Schlüsselkomponente der HeliumundWasserstoffkälteanlagen oder -verflüssiger.Die Tiefsttemperaturtechnik ist eines der wesentlichen technologischenElemente für den Einsatz von Wasserstoff in einerVielzahl industrieller Prozesse. Sollte sich der Energieträger Wasserstoffals alternativer Antrieb etwa für Automobile durchsetzen,wäre dies ein entscheidender Impuls für die Kryotechnik.Flüssiges Helium von <strong>Linde</strong> kommt auch in medizinischen Geräten zum Einsatz,beispielsweise in Kernspintomographen.Strategische Weichenstellungen im KonzernUm die drohende Gefahr einer Übernahme abzuwehren –oder besser gar nicht erst aufkommen zu lassen – hatte HansMeinhardt bereits auf der Hauptversammlung 1973 eine Stimmrechtsbegrenzungauf zehn Prozent erwirkt. Nach heftiger Diskussionstimmten 80 Prozent der Aktionäre für diesen Antrag.Dazu trug nicht zuletzt die Haltung des Großaktionärs Allianz AGbei, die den Antrag des Vorstands unterstützte.Nach 1976 hatte sich Meinhardt erfolgreich darum bemüht,weitere institutionelle Anleger wie die Commerzbank und dieDeutsche Bank zum langfristigen Engagement bei der <strong>Linde</strong> AGzu bewegen und so eine stabile Inhaberstruktur zu schaffen.77


1996Die Gesamtzahl der weltweit an AIDS Infiziertenwird auf 22,6 Millionen geschätzt.N o 5124Speicherbehälter für kryogene Medien(Tank für Flüssigwasserstoff).<strong>Linde</strong> Gas LLC ist vor allem im Osten der USA und Puerto Rico vertreten.Rund 160 Tankfahrzeuge sind auf den Highways unterwegs.1980 trat auf Meinhardts Bitte der damalige Vorstandsvorsitzendeder Allianz, Wolfgang Schieren, in den <strong>Linde</strong>-Aufsichtsrat ein und übernahm kurz darauf für rund 15 <strong>Jahre</strong>als Garant für Stabilität und Kontinuität den Vorsitz.<strong>Linde</strong> in den USAIn den 1990er <strong>Jahre</strong>n verstärkte <strong>Linde</strong> ihr Engagement in Nordamerika.Dort war das Unternehmen zwar schon zu Beginnseines Bestehens vertreten, hatte aber in Folge der beiden Weltkriegeseine Tochtergesellschaften, ja sogar seine Namensrechteverloren. Die nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Referenzanlagenhatten zunächst nicht zum erhofften Durchbruchauf dem US-Markt geführt. Im Markt für Flurförderzeuge waraber mit der Übernahme der Baker Material Handling Corporation1977 immerhin der Einstieg in den US-Markt über eineeigene Tochtergesellschaft gelungen.Ein strategisch wichtiger Zukauf gelang <strong>Linde</strong> 1996 mitdem Erwerb von <strong>The</strong> Pro-Quip Corporation in Tulsa, Oklahoma,als dem Weltmarktführer bei kleinen Wasserstoffanlagen. Nachdieser Akquisition wurde Tulsa zum neuen „<strong>Linde</strong>-Zentrum“in den USA ausgebaut. 1999 verlegte <strong>Linde</strong> auch die KonzerngesellschaftLotepro Inc. von New York nach Oklahoma undverschmolz Ende 2001 Lotepro Inc. und <strong>The</strong> Pro-Quip Corp. zur<strong>Linde</strong> Process Plants Inc. An dieser Gesellschaft beteiligte sichim Jahr 2002 das britische Gaseunternehmen BOC mit 30 Prozent,entsprechend firmiert das Unternehmen seitdem als <strong>Linde</strong>BOC Process Plants LLC.Auch im Bereich Technische Gase expandierte <strong>Linde</strong> in denUSA mit der Übernahme des Gaseunternehmens Sunox Inc. inCharlotte durch die Konzerngesellschaft Holox Inc. Und durcheinen Kooperationsvertrag mit der Millenium Petrochemicals Inc.gelang <strong>Linde</strong> der Einstieg in das amerikanische Wasserstoff- undKohlenmonoxidgeschäft.Das symbolisch wohl wichtigste Datum für <strong>Linde</strong> in den USAwar aber sicher der 1. Januar 1999: Seit diesem Tag dürfen dieamerikanischen Konzerngesellschaften wieder den Namen <strong>Linde</strong>verwenden. Damit verfügte die <strong>Linde</strong> AG 44 <strong>Jahre</strong> nach Kriegsendein den USA wieder über alle Rechte am Namen und derMarke „<strong>Linde</strong>“.Von Dr. Hans Meinhardt über Gerhard Full zuDr. Wolfgang ReitzleWährend der Hauptversammlung im Mai 1997 verabschiedetesich Hans Meinhardt nach 21 <strong>Jahre</strong>n an der Unternehmensspitzeals Vorstandsvorsitzender der <strong>Linde</strong> AG und übernahm denAufsichtsratsvorsitz, den er bis zum Frühjahr 2003 innehatte.Unter Meinhardts Führung hatte <strong>Linde</strong> neue Strukturen undneue Arbeitsgebiete erhalten und sich von einem technikverliebtenIngenieurunternehmen mit starker Bindung an die Gründerfamiliezu einem global agierenden, managergeführtenTechnologiekonzern gewandelt.Während der „Ära Meinhardt“ stieg der Umsatz von <strong>Linde</strong>um den Faktor 25. Der Gewinn nach Steuern erhöhte sich sogarum den Faktor 33 von 7,2 Millionen auf 240 Millionen Euro.Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Mitarbeiter von 13.500im Jahr 1970 auf über 46.500 im Jahr 2002.Den Vorstandsvorsitz übernahm 1997 Gerhard Full. Er warseit 1962 im Unternehmen tätig und zuletzt im Vorstand für denAnlagenbau verantwortlich (siehe auch Seite 82).78


1997Regierungswechsel in Großbritannien: Die Labour-Party mitTony Blair an der Spitze gewinnt die Parlamentswahlen.Weltweite PräsenzUnternehmensbereiche:Gas und Engineering: (GE)Material Handling: (MH)Kältetechnik: (KT)AmerikaArgentinien (GE, MH, KT)Bolivien (GE)Brasilien (GE, MH, KT)Chile (GE, MH, KT)Dominikanische Rep. (GE)Ecuador (GE, MH)Kanada (GE, MH)Kolumbien (GE, MH, KT)Kuba (MH, KT)Mexiko (GE, MH, KT)Paraguay (GE, MH)Peru (GE, MH)Puerto Rico (GE, MH)Uruguay (GE, MH)USA (GE, MH)Venezuela (GE, MH, KT)EuropaBelgien (GE, MH, KT)Bosnien-Herzegowina (GE, MH)Bulgarien (GE, MH, KT)Dänemark (GE, MH, KT)Deutschland (GE, MH, KT)Estland (GE, MH, KT)Finnland (GE, MH, KT)Frankreich (GE, MH, KT)Griechenland (GE, MH, KT)Großbritannien (GE, MH, KT)Irland (MH, KT)Island (GE, MH, KT)Italien (GE, MH, KT)Kroatien (GE, MH, KT)Lettland (GE, MH, KT)Litauen (GE, MH, KT)Luxemburg (MH)Malta (MH)Mazedonien (MH)Niederlande (GE, MH, KT)Norwegen (GE, MH, KT)Österreich (GE, MH, KT)Polen (GE, MH, KT)Portugal (GE, MH, KT)Rumänien (GE, MH, KT)Schweden (GE, MH, KT)Schweiz (GE, MH, KT)Serbien undMontenegro (GE, MH)Slowakei (GE, MH, KT)Slowenien (GE, MH)Spanien (GE, MH, KT)Tschechien (GE, MH, KT)Türkei (MH, KT)Ukraine (GE, MH, KT)Ungarn (GE, MH, KT)Weissrussland (MH)Zypern (GE, MH, KT)AfrikaÄgypten (MH)Äquatorialguinea (MH)Algerien (GE, MH)Angola (MH)Benin (MH)Botswana (MH)Burkina Faso (MH)DR Kongo (MH)Elfenbeinküste (MH)Gabun (GE)Ghana (MH)Guinea (MH)Kamerun (MH)Kenia (MH)Lesotho (MH)Libyen (MH)Madagaskar (MH)Mali (MH)Marokko (GE, MH)Mauritius (MH)Mosambik (MH)Namibia (MH)Nigeria (MH)Sambia (MH)Senegal (MH)Simbabwe (MH)Sudan (MH)Südafrika (GE, MH)Swasiland (MH)Tansania (MH)Togo (MH)Tunesien (MH)Uganda (MH)AsienBahrein (GE, MH, KT)Bangladesch (MH)Brunei (MH)China (GE, MH, KT)Indien (GE, MH)Indonesien (GE, MH)Irak (MH)Iran (GE, MH)Israel (MH)Japan (GE, MH)Jemen (GE)Jordanien (MH)Kambodscha (GE, MH)Kasachstan (MH)Katar (GE, MH)Kuwait (GE, MH, KT)Laos (GE)Libanon (MH)Malaysia (GE, MH, KT)Myanmar (GE)Oman (GE)Philippinen (MH, KT)Russland (GE, MH, KT)Saudi-Arabien (GE, MH, KT)Singapur (GE, MH, KT)Sri-Lanka (MH)Süd-Korea (GE, MH, KT)Syrien (MH)Thailand (GE, MH, KT)Ver. Arab. Emirate (GE, MH, KT)Vietnam (GE, MH)AustralienAustralien (GE, MH)Neuseeland (MH)In den grafisch hervorgehobenenLändern ist derjeweilige Unternehmensbereichmit mindestenseinem Standort vertreten.79


1998Gerhard Schröder (SPD) löst Helmut Kohl (CDU)nach 16 <strong>Jahre</strong>n als Bundeskanzler ab.1999Wladimir Putin wird russischer Präsidentund löst Boris Jelzin ab.Übernahme der AGADie nachhaltigste unternehmerische Entscheidung unter derFührung Gerhard Fulls war sicher die Übernahme des schwedischenGaseherstellers Aktiebolag Gasaccumulator AB, kurz AGA,im Dezember 1999, die im Februar 2000 durch die EuropäischeKommission endgültig genehmigt wurde.Dem strategischen Ziel, das Gasegeschäft auch außerhalbEuropas deutlich zu stärken, ist das Unternehmen mit der Akquisitionder AGA AB einen entscheidenden Schritt näher gekommen.<strong>Linde</strong> rückte damit zum viertgrößten Gaseanbieter der Weltauf und ist in diesem Geschäftsbereich mit 17.420 Mitarbeitern(2003) in 45 Ländern tätig.Ab Mitte 1999 hatte <strong>Linde</strong> sowohl mit Messer Griesheimals auch mit AGA Kaufverhandlungen geführt. Nachdem die EU-Kommission eine Übernahme von Messer Griesheim nicht genehmigenwollte, konzentrierte sich <strong>Linde</strong> auf die schwedischeAGA AB, deren Gasegeschäft – vor allem in Skandinavien, denUSA und Lateinamerika – eine ideale Ergänzung darstellte.Beide Unternehmen passten nicht nur in ihren regionalenSchwerpunkten gut zueinander. Sie hatten auch eine ähnlicheUnternehmensgeschichte und Unternehmenskultur. Dies half,den Zusammenschluss ohne große Reibungsverluste zu bewältigen.Die AGA brachte bei <strong>Linde</strong> 1,7 Milliarden Euro Umsatzund 9.500 Mitarbeiter ein.Nach der Genehmigung der Übernahme – mit einigen Auflagen– durch die EU-Kommission wurde am 5. Mai der Handelmit AGA-Aktien offiziell eingestellt. Seit dem 1. Juli 2000 ist AGAvollständig in den <strong>Linde</strong> Konzern integriert. Dadurch stieg derUmsatz des Unternehmensbereichs Technische Gase im Jahr2000 um rund 134 Prozent von 1,6 Milliarden auf 3,8 MilliardenEuro. Der Konzernumsatz erhöhte sich im ersten Geschäftsjahrnach der Übernahme um 36,4 Prozent auf 8,45 Milliarden Euro.Nach der erfolgreichen Integration fasste der Vorstand der<strong>Linde</strong> AG 2001 die beiden bisherigen Arbeitsgebiete TechnischeGase und Anlagenbau im Unternehmensbereich Gas und Engineeringzusammen und schaffte damit die Voraussetzungen,um die vielfältigen Synergien der beiden Bereiche effizient zunutzen, etwa beim Ausbau des On-site-Geschäfts. Wie wertvolldie enge Verknüpfung ist, zeigt sich auch am Projekt der neuenAnlage zur Heliumgewinnung im algerischen Skikda, die von<strong>Linde</strong> Engineering errichtet wird, während <strong>Linde</strong> Gas für die Vermarktungdes gewonnenen Heliums sorgt.Wachstumsmarkt HealthcareMit der Übernahme der AGA stärkte <strong>Linde</strong> ihre Position auchin einem Marktsegment, das in den kommenden <strong>Jahre</strong>n immerwichtiger für den Konzern werden dürfte: dem Bereich Healthcare,also dem Geschäft mit medizinischen Gasen.Bereits seit den 1930er <strong>Jahre</strong>n war AGA in diesem Geschäfterfolgreich tätig, vor allem im institutionellen Bereich, das heißtinsbesondere mit der Belieferung von Krankenhäusern mit medizinischenGasen. Zwar war auch <strong>Linde</strong> mit einem ähnlichenAngebot schon frühzeitig aktiv, doch hatte diese Sparte innerhalbdes Gasegeschäfts lange Zeit keinen hohen Stellenwert.Heute ist <strong>Linde</strong> als einer der weltweit führenden Anbietermedizinischer Gase in diesem Markt, der mit jährlichen Steigerungsratenvon 10 bis 15 Prozent zu den wachstumsträchtigstenin der Gaseindustrie zählt, in vier Bereichen tätig: Institutional,Respiratory Homecare, INO <strong>The</strong>rapeutics und GEMI (Gas EnabledMedical Innovations). Im Bereich Institutional versorgt das UnternehmenKliniken, niedergelassene Ärzte und Rettungsdienstemit medizinischen Gasen wie Sauerstoff und Lachgas sowie mitden entsprechenden Serviceleistungen. Respiratory Homecarebezeichnet die heimische Versorgung von Patienten mit Atemwegserkrankungenmit medizinischem Sauerstoff und dernotwendigen technischen Ausstattung. Unter dem Dach derTochtergesellschaft INO <strong>The</strong>rapeutics hat <strong>Linde</strong> die Aktivitätenrund um das Produkt INOmax ® zusammengefasst, das erfolgreichzur Behandlung von Neugeborenen mit Lungenfunktionsstörungeneingesetzt wird.80


2000Zum Jahrtausendwechsel leben mehr als sechs Milliarden Menschenauf der Welt.N o 5375 ImprovedPaper Making Process (europäisches AGA-Patent).AGA – ein starker Partner für <strong>Linde</strong>Gustav Dalén, Erfinderingenieur wie Carl von <strong>Linde</strong>,war von 1909 bis 1937 Präsident der AGA.Die „Aktiebolag Gasaccumulator“, kurzAGA, ist als ehemaliges diversifiziertesTechnologieunternehmen mit einembegnadeten Unternehmeringenieur an derSpitze ein idealer Partner für die <strong>Linde</strong> AGgewesen.Die AGA ging 1904 als „GasaccumulatorAB“ aus der 1901 vom schwedischenGeschäftsmann Axel Nordvall gegründeten„Svenska Carbid & Acetylen AB“ hervor.Das junge Unternehmen entwickelteund vermarktete Anwendungsmöglichkeitenfür Acetylengas. Der Aufstieg zu einemführenden schwedischen Unternehmenvon internationaler Bedeutung gelang bereitsvor dem Ersten Weltkrieg dank derzahlreichen Erfindungen Gustaf Daléns(1869–1937), der ab 1909 das Unternehmenmaßgeblich prägte.1905 entwickelte der Ingenieur Daléneinen Blitzapparat für Leuchttürmeund Bojen, der den Gasverbrauch auf einZehntel der ursprünglichen Menge reduzierte.1906 folgte eine Speichermassefür Acetylen in Gasflaschen, die das Explosionsrisikominimierte. Daléns 1907 vorgestelltes„Sonnenventil“ regulierte dieLichtstärke von Leuchttürmen und Bojenin Abhängigkeit vom Tageslicht. Der„Dalén-Mischer“ von 1909 ermöglichtees schließlich, das für die Befeuerungnotwendige, aber hochexplosive Gemischaus Acetylen und Luft (im Verhältnis1:10) automatisch und gefahrlos herzustellen.Dieses „AGA-System“ für Leuchttürmeund Bojen bildete die Grundlage für denwirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.Für die Systemerfindung erhielt GustafDalén 1912 den Nobelpreis für Physik.Seine gasbetriebenen Leuchttürme weisenzum Teil bis heute Schiffen den Weg.Obwohl er 1912 durch einen Unfall erblindete,führte Dalén das Unternehmenerfolgreich bis zu seinem Tod im Jahr1937.In der Zeit zwischen den beidenWeltkriegen erweiterte AGA ihr Produktangebotum Signalsysteme, Schweißausrüstungen,Heizkörper, Radios, Großfilmprojektorenund Autos, die in Berlinhergestellt wurden. Von den späten1930er bis in die 1960er <strong>Jahre</strong> lieferteAGA auch Kreiselkompasse, künstlicheHorizonte und Bombenzielvisiere für dieschwedische Luftwaffe.1947 übernahm AGA den BatterieproduzentenTudor. 1954 stellte AGA dieerste Herz-Lungen-Maschine der Welt vor;weitere innovative Produkte waren 1953die Entfernungsmessung mit einem Geodimeterund 1965 die berührungsloseTemperaturmessung mit der AGA-<strong>The</strong>rmovision.Das wichtigste Geschäftsfeld des diversifiziertenTechnologiekonzerns aber wurdendie technischen Gase. AGA kam dabeivom Acetylen zum Sauerstoff und produziertebald eine Reihe weiterer Gase.Bereits in den 1930er <strong>Jahre</strong>n engagiertesich AGA in dem Bereich der Medizingase.Beispielsweise lieferte das UnternehmenSauerstoff, hauptsächlich alsMischgas zusammen mit Lachgas, sowie„Carbogen“ (Sauerstoff mit fünf ProzentKohlendioxid) an Krankenhäuser zur Behandlungvon Atemwegserkrankungen,zur Anästhesie und zur Schmerzbehandlung.Dafür baute AGA entsprechendemedizintechnische Geräte.Mit ihrem stark diversifizierten Produktprogrammkonnte sich AGA auf Dauernicht gegen den internationalen Wettbewerbbehaupten. Deshalb konzentriertesich das Unternehmen ab den 1980er<strong>Jahre</strong>n ausschließlich auf das Gasegeschäft.Schon 1981 erreichte AGA die Positiondes fünftgrößten Gaseproduzenten weltweit.Die politischen Veränderungen ermöglichtenAGA nach 1989 die Rückkehrauf die Märkte in Ungarn, Ostdeutschland,Estland, Lettland, Litauen, Tschechien,Slowakei, Polen, Russland und Rumänien,auf denen das Unternehmen bereits bis1945 vertreten war.Im Jahr 1999 präsentierte sich AGAals ein innovatives Gaseunternehmen mitstarker Marktposition in Europa sowieNord- und Südamerika, das ein Umsatzvolumenvon 1,6 Milliarden Euro mitIn den 1980er <strong>Jahre</strong>n konzentrierte sich AGAausschließlich auf das Gasegeschäft.9.500 Mitarbeitern erzielte. Hinsichtlichregionaler Positionierung sowie ProduktundDienstleistungsangebot bildete AGAdie ideale Ergänzung zu <strong>Linde</strong> – diewesentliche Voraussetzung für die Übernahmewar damit gegeben.Nach der Integration der AGA wurden<strong>Linde</strong> Gas und <strong>Linde</strong> Engineering im Jahr2001 zum Unternehmensbereich <strong>Linde</strong>Gas und Engineering verschmolzen.81


2001Am 11. September zerstören islamistischeTerroristen das World Trade Center in New York.N o 5766 Tankstellefür kryogene Medien (Wasserstofftankstelle).Gerhard Full (*1936)Gerhard Full, Vorsitzender des Vorstandsvon 1997 bis 2003; seit 2003 Mitglied desAufsichtsrats.Nach seinem Diplom als Wirtschaftsingenieuran der Technischen HochschuleDarmstadt trat Gerhard Full 1962 in dieOrganisationsabteilung der <strong>Linde</strong> AG inWiesbaden ein und übernahm ab 1969als stellvertretender Produktionsleiter desMATRA-Werks in Kahl am Main erstmalsVerantwortung in einer operativen Einheit.Nachdem er 1970 in die zentrale Organisationsabteilungzurückgekehrt war,folgte Gerhard Full im Jahr darauf demRuf der Staatlichen Ingenieurschule inRüsselsheim und lehrte dort als Dozent.1973 berief ihn die Fachhochschule Wiesbadenzum Professor auf Lebenszeit imFachbereich Maschinenbau.Im Jahr 1975 zog es Gerhard Full zurückin die Unternehmenspraxis. Deshalbübernahm er die Leitung des RessortsTechnik in der Zentralverwaltung von<strong>Linde</strong>. 1977 berief ihn der Vorstand zumMitglied der Geschäftsleitung der expandierendenWerksgruppe Flurförderzeugeund Hydraulik (FH). Ein Jahr später ernannteihn der Aufsichtsrat zum stellvertretendenVorstandmitglied der <strong>Linde</strong> AG.In den <strong>Jahre</strong>n 1978/79 führte GerhardFull in Personalunion auch die 1977 erworbeneUS-amerikanische TochtergesellschaftBaker Material Handling Corp.(heute <strong>Linde</strong> Lift Truck Corp.). In dieser Zeitnahm Baker neue Produktions- und Verwaltungsgebäudein Cleveland in Betrieb.Nach seiner Bestellung zum ordentlichenVorstandsmitglied im Jahr 1981 verantworteteGerhard Full zunächst die Kältetechnikund die Sparte Hydraulik, ab 1985übernahm er von Dr. Hans Meinhardt dieLeitung der Werksgruppe FH.Den Anlagenbau leitete Gerhard Fullvon 1995 bis zu seiner Berufung zumVorsitzenden des Vorstands im Jahr 1997.Seine Vielseitigkeit bewies Full auch imAmt des Personalvorstands, das er von1991 bis 1993 neben seinen anderenAufgaben ausübte.Nachdem Gerhard Full mit der Hauptversammlungim Mai 1997 als Nachfolgervon Dr. Hans Meinhardt den Vorstandsvorsitzübernommen hatte, baute er dieinternationale Präsenz der <strong>Linde</strong> AG inallen Geschäftsbereichen weiter aus.Wichtigster Meilenstein seiner Amtszeitwar die Übernahme des schwedischenGaseproduzenten „Aktiebolag Gasaccumulator“AGA Ende 1999, die <strong>Linde</strong> zumweltweit viertgrößten Anbieter von Industrie-und Medizingasen machte.Zum 1. Januar 2003 übergab GerhardFull den Vorsitz im Vorstand der <strong>Linde</strong> AGan Dr. Wolfgang Reitzle und wechselteim Mai 2003 in den Aufsichtsrat.Wechsel an der UnternehmensspitzeAm 19. April 2002 berief der Aufsichtsrat Dr.-Ing. WolfgangReitzle mit Wirkung zum 10. Mai in den Vorstand und ernannteihn mit Wirkung vom 1. Januar 2003 zu seinem Vorsitzenden.Gerhard Full wechselte am 31. Dezember 2002 in den Ruhestand.Die Hauptversammlung wählte ihn im Mai 2003 zum Aufsichtsratsmitglied.Fit für die ZukunftAuch unter der neuen Führung steht <strong>Linde</strong> weiterhin für Kontinuität.„Wir werden unseren ertragsorientierten Wachstumskursfortsetzen und die Position als führender und global agierenderTechnologiekonzern festigen“, sagte der neue VorstandsvorsitzendeDr. Wolfgang Reitzle bei seinem Amtsantritt. Um diesesZiel zu erreichen, hat die neue Führung Strukturen, Abläufeund das Portfolio auf den Prüfstand gestellt und Maßnahmenergriffen, um die Leistungsfähigkeit des gesamten Konzernsweiter zu erhöhen.Im Geschäftsbereich <strong>Linde</strong> Gas hat das Unternehmen die Effizienzvor allem in den Bereichen Distribution und Einkauf deutlichgesteigert und die Verwaltungsprozesse weiter gestrafft.Im Unternehmensbereich Material Handling haben die VerantwortlichenTRIM.100 aufgelegt, ein Programm zur weiterenVerbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Kernstückedieses Programms sind die Profilierung der Mehrmarkenstrategie,eine effizientere Vertriebsstruktur und die Bündelungder Einkaufsaktivitäten.Verkauf der KältetechnikIm Bereich Kältetechnik hat der Konzern einen klaren Schnittvollzogen. Nachdem der Unternehmensbereich zum 1. Januar2004 in eine rechtlich selbstständige Einheit überführt wordenwar, hat das Management am 15. März 2004 einen Vertragüber den Verkauf der Kältetechnik an das US-amerikanischeUnternehmen Carrier Corporation, eine Konzerngesellschaft derUnited Technologies Corporation (UTC, Hartford/Connecticut),unterzeichnet.82


2002Ab dem 1. Januar ist der Euro in zwölfEU-Ländern alleiniges Zahlungsmittel.N o 6132 Erdgasverflüssigungsanlagemit besonders hohem Wirkungsgrad.In Tokio steht Japans erste Tankstelle für Flüssigwasserstoff –mit Speicher- und Befüllungssystemen von <strong>Linde</strong>.83


2003Die USA und Verbündete stürzen im zweiten Irak-Krieg Saddam Hussein.N o 6176 Wirkungsgraderhöhungvon mit Wasserstoff angetriebenen Verbrennungsmotoren.Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle (*1949)Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle übernahm am 1.1.2003 den Vorsitz des Vorstands.Bevor Wolfgang Reitzle im Jahr 2002 in Im Mai 2002 trat Wolfgang Reitzle inden Vorstand der <strong>Linde</strong> AG eintrat, hatte den Vorstand der <strong>Linde</strong> AG ein und übernahmam 1. Januar 2003 den Vorsitz imer bereits exponierte Positionen in derAutomobilindustrie inne. Der 1971 an der Vorstand.Technischen Universität München diplomierteund 1974 zum Dr.-Ing. in Metall-Reitzle eine tief greifende RestrukturierungNach eingehender Analyse initiiertephysik promovierte Maschinenbauer absolviertebis 1975 ein Zweitstudium mit Programm TRIM.100, ein Kostensenkungs-des Bereichs Material Handling mit demdem Abschluss zum Diplom-Wirtschaftsingenieur.der Kältetechnik mit der Überführung diesesprogramm im Bereich Gase, den Umbau1976 trat er als Fertigungsspezialist in Bereichs in eine rechtlich selbstständigedie BMW AG ein und wurde nach einem Gesellschaft sowie das Fitnessprogrammraschen Aufstieg in der Fertigung und Six Sigma für den gesamten Konzern.Entwicklung 1986 zum stellvertretenden Außerdem verabschiedete der Vorstandund 1987 zum ordentlichen Vorstandsmitgliedmit der Verantwortung für das Ressonalentwicklungsstrategieund führteauf Reitzles Initiative hin eine neue PersortForschung und Entwicklung berufen. die Balanced Scorecard zur SteuerungAb 1993 beziehungsweise ab 1997 kam der Geschäftsprozesse nach einheitlichendie Verantwortung für Einkauf, weltweiten Kennzahlen und Messgrößen ein.Vertrieb und Marketing hinzu.All diese Maßnahmen sollen die <strong>Linde</strong>1999 wechselte Reitzle zur Ford Motor AG – zusammen mit einer Innovationsoffensive– in allen GeschäftsbereichenCompany und steuerte als <strong>Group</strong> VicePresident sowie als Chairman und Chief zu einem führenden Mitspieler auf denExecutive Officer die Premier Automotive globalen Märkten machen.<strong>Group</strong> mit den Automobilmarken AstonMartin, Jaguar, Landrover, Lincoln und Volvo.Bei der Entscheidung über die Zukunft der Kältetechnik warnicht eine schnelle Lösung das oberste Ziel, sondern eine füralle Seiten vernünftige. „Immerhin ging es nicht um irgendeinenBereich des Konzerns, sondern um die Keimzelle unseres Unternehmens“,erklärte Reitzle. Deshalb hat <strong>Linde</strong> nicht einfach demDruck der Finanzmärkte nachgegeben, sich von dem kleinstenund renditeschwächsten Bereich zu trennen, sondern sorgfältignach der tragfähigsten Alternative gesucht. Tatsächlich gründetdie neue Verbindung auf einem sehr stabilen Fundament. Carrierist der weltweit führende Anbieter von Klimatechnik und besondersin den USA hervorragend positioniert, <strong>Linde</strong> ist Marktführerin Europa bei Kühl- und Tiefkühlmöbeln und der dazugehörigenKältetechnik. Gemeinsam formiert sich also nichtsanderes als der Weltmarktführer für Kälte- und Klimatechnik,der gute Chancen auf überproportionales Wachstum hat – auchunter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.Neben diesen Optimierungen innerhalb des Portfolios hatder neue Vorstandsvorsitzende weitere Initiativen zur kontinuierlichenVerbesserung der operativen Performance im Konzerngestartet. Im Mittelpunkt dabei: die Einführung der BalancedScorecard im Juli 2003 und der Beginn des Six Sigma-Programmsim Frühjahr 2003.Die Balanced Scorecard ist ein Steuerungsinstrument, mitdem die bestehenden Kennzahlensysteme im Konzern deutlicherweitert und standardisiert wurden. Die Folge: Die einzelnenoperativen Maßnahmen der Unternehmensbereiche sind jetztnoch enger mit den strategischen Konzernzielen verzahnt.Ziel von Six Sigma ist es, mögliche Fehler in sämtlichen Abläufenund Prozessen auf ein Minimum zu reduzieren und damitdie Qualität zu erhöhen. Gleichzeitig sollen mit diesem Programmwesentliche Kostensenkungen realisiert und die Kundenzufriedenheitweiter nachhaltig gesteigert werden.Darüber hinaus hat <strong>Linde</strong> den Bereich Personalentwicklungneu strukturiert und eine ganzheitliche Personalstrategie erarbeitet.Leistungsbezogene Vergütungssysteme, ein effizientesPotenzialmanagement und die gezielte Weiterqualifizierungsind die wichtigsten Bausteine dieses Konzepts.„LeadIng.“ steht für <strong>Linde</strong>s Anspruch, ein in allen Bereichenführendes Unternehmen zu sein, und verweist gleichzeitigauf die Technologie-Tradition des Konzerns.84


2004EU-Osterweiterung: Am 1. Mai treten zehn Länderder Europäischen Union bei.Ehrgeizige ZieleMit diesen Maßnahmen und der Konzentration auf die KonzernsäulenGas und Engineering sowie Material Handling stärkt die<strong>Linde</strong> AG ihre Ertragskraft und ist gut gerüstet, um auch zukünftiginternational führende Positionen einzunehmen.Als einer der weltweit führenden Anbieter von IndustrieundMedizingasen will das Unternehmen noch stärker als bisherdie Wachstumspotenziale im internationalen Gasegeschäft erschließen.Im Mittelpunkt stehen dabei der weitere Ausbau desOn-site-Geschäfts sowie die Zukunftsmärkte Healthcare, alsodas Geschäft mit medizinischen Gasen, und Wasserstoff.Mit der klaren Ausrichtung auf wachstumsträchtige Märktewie Erdgas-, Wasserstoff- und Sauerstoffanlagen wird <strong>Linde</strong>Engineering auch zukünftig seine internationale Technologieführerschaftim Anlagenbau stärken.Im Unternehmensbereich Material Handling zählt der <strong>Linde</strong>Konzern zu den weltweit größten Herstellern von Staplernund Lagertechnikgeräten und ist Marktführer in Europa. DiesePosition zu festigen und gleichzeitig die Profitabilität weiter zuerhöhen, ist das erklärte Ziel des <strong>Linde</strong>-Managements. Erreichenwill <strong>Linde</strong> dies mit innovativen Produkten und Dienstleistungsangebotensowie der Erschließung neuer Märkte – also mit derStrategie, die sich wie ein roter Faden durch die <strong>125</strong>-jährigeUnternehmensgeschichte zieht.Keine Frage, die Messlatte lag und liegt weiterhin hoch bei<strong>Linde</strong>. Oder um es mit den Worten von Dr. Wolfgang Reitzlezu sagen: „Wo immer <strong>Linde</strong> auftritt, sollen und müssen wir einenPlatz mindestens unter den ersten drei erreichen.“ Auch mitdiesem Anspruch steht der derzeitige Vorstandsvorsitzende ganzin der Tradition des Unternehmensgründers Carl von <strong>Linde</strong>.


<strong>125</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Linde</strong>Meilensteine1879 Carl <strong>Linde</strong> gründet mit Finanzpartnernam 21. Juni in Wiesbaden dieGesellschaft für <strong>Linde</strong>’s Eismaschinenals Aktiengesellschaft und wird Vorstanddes Ingenieurunternehmens.1880 Die ersten Kältemaschinen kommenvorwiegend in Brauereien, Schlachthöfenund Eisfabriken zum Einsatz.1885 Die Gesellschaft <strong>Linde</strong> gründet inLondon <strong>The</strong> <strong>Linde</strong> British Refrigeration Co.als erste Auslandsbeteiligung.1890 Auftrag für die 1.000. Kältemaschine.1891 Carl <strong>Linde</strong> zieht sich aus demVorstand der Gesellschaft zurück, übernimmtden Vorsitz im Aufsichtsrat undkehrt als Professor nach München zurück;sein Nachfolger im Vorstand wirdFriedrich Schipper.1895 Am 29. Mai gelingt Carl <strong>Linde</strong> dieVerflüssigung von atmosphärischer Luft;im gleichen Jahr erhält er das Patentauf sein Verfahren.1897 Carl von <strong>Linde</strong> erhält von PrinzregentLuitpold von Bayern das Ritterkreuzdes Verdienstordens der BayerischenKrone, womit der persönlicheAdel verbunden ist.1902 Nach mehrjährigen Versuchsarbeitengelingt in Höllriegelskreuth beiMünchen die Herstellung von Sauerstoffdurch Luftzerlegung nach dem sogenannten Rektifikationsverfahren.1907 Die Gesellschaft <strong>Linde</strong> gründet mitPartnern <strong>The</strong> <strong>Linde</strong> Air Products Companyin Cleveland, Ohio (USA).1910 Friedrich <strong>Linde</strong> und Rudolf Wuchererentwickeln den „Zweisäulenapparat“,in dem gleichzeitig Sauerstoff und Stickstoffproduziert werden können.1918 Mit dem Ende des Ersten Weltkriegsverliert <strong>Linde</strong> im Ausland wesentlicheSchutz- und Namensrechte sowiewichtige Tochtergesellschaften undBeteiligungen.1920 Übernahme der MaschinenfabrikSürth bei Köln.1922 Beteiligung an der HeylandtGesellschaft für Apparatebau in Berlin.1924 Friedrich Schipper übergibt denVorstandsvorsitz an Friedrich <strong>Linde</strong>.1926 Erwerb der KühlmöbelfabrikG. H. Walb & Co. in Mainz-Kostheim.1929 Übernahme der Güldner Motoren-Gesellschaft mbH in Aschaffenburg.1934 Carl von <strong>Linde</strong> stirbt im Altervon 92 <strong>Jahre</strong>n.1935 Übernahme aller Anteile an derMarx & Traube GmbH (ab 1937 MATRA-Werke GmbH).1937 Gründung der Abteilung für elektrischeSchweißsysteme Ellira.1938 Beginn der Traktorenproduktionbei Güldner in Aschaffenburg.


1943 Beginn des Apparatebaus inSchalchen (Oberbayern).1945 Während des Zweiten Weltkriegswerden die Werksanlagen in Höllriegelskreuthbei München, Sürth bei Köln,Mainz-Kostheim und Aschaffenburgsowie mehrere Sauerstoffwerke und dieUnternehmenszentrale in Wiesbadenzerstört; erneuter Verlust wesentlicherSchutzrechte.1948 Eröffnungsbilanz der Gesellschaft für<strong>Linde</strong>’s Eismaschinen zum 21. Juni miteinem Grundkapital von 34.266.000 DM.Das Unternehmen beschäftigt zu diesemZeitpunkt 4.100 Mitarbeiter.1952 Friedrich <strong>Linde</strong> übergibt denVorstandsvorsitz an seinen SchwagerRudolf Wucherer.1953 Fertigstellung des größten bisherin Europa gebauten Luftzerlegers zurLieferung in die USA; Leistung: 13.000kg/h Sauerstoff, 22.500 kg/h Stickstoff.1954 Hugo Ombeck übernimmt denVorstandsvorsitz von Rudolf Wucherer.1955 Güldner präsentiert das erste„Hydrocar“, ein Transportfahrzeug mithydrostatischem Getriebe.1958 Güldner fertigt den 100.000stenDieselmotor und beginnt mit derProduktion von Hydraulikeinheiten undGabelstaplern.1961 Johannes Wucherer löst HugoOmbeck als Vorsitzenden des Vorstands ab.1965 Änderung des Firmennamens in„<strong>Linde</strong> Aktiengesellschaft“; erster Auftragzum Bau einer petrochemischenGroßanlage in Scholven (Deutschland).1967 Abgabe des Kühlschrankgeschäftsan die AEG.1969 Ende des Traktorenbaus beiGüldner und Konzentration auf die Produktionvon Flurförderzeugen.1972 Hermann <strong>Linde</strong> wird Sprecher desVorstands.1973 Übernahme der SE FahrzeugwerkeGmbH, Hamburg, der heutigen STILLGmbH. <strong>Linde</strong> wird damit zum führendenFlurförderzeuge-Anbieter in Westeuropa.1974 Aufbau von Gaseaktivitäten inBrasilien und Australien.1976 Dr. Hans Meinhardt löst Hermann<strong>Linde</strong> als Vorstandssprecher ab (und wirdim März 1980 Vorstandsvorsitzender).1977 Erwerb der Baker Material HandlingCorporation in Cleveland, Ohio (USA).1984 Kauf des größten französischenGabelstaplerherstellers FenwickManutention S.A.1986 Beteiligung an der Wagner FördertechnikGmbH & Co. KG in Reutlingen.1989 Übernahme des britischen StaplerherstellersLansing Bagnall Ltd.1990 Gründung des Anlagenbau-Unternehmens<strong>Linde</strong>-KCA-Dresden GmbH.1991 Erwerb der Mehrheitsbeteiligungam führenden tschechischen GaseunternehmenTechnoplyn a.s. (vollständigeÜbernahme: 1995).1992 Mehrheitserwerb an der FIAT OMCarrelli Elevatori (vollständige Übernahme:2003); Mehrheitsbeteiligung ander niederländischen nv W.A. Hoek’sMachine- en Zuurstoffabriek (vollständigeÜbernahme: 2000).1993 Gründung des Joint Ventures<strong>Linde</strong>-Xiamen in China.1994 Einweihung eines der größtenGasezentren Europas in Leuna.1996 Übernahme des Kältetechnik-Unternehmens Frigorex AG, Luzern;Erwerb des Anlagenbauers <strong>The</strong> Pro-QuipCorporation, Tulsa, Oklahoma (USA).1997 Dr. Hans Meinhardt übergibt denVorstandsvorsitz an Gerhard Full undübernimmt den Vorsitz im Aufsichtsrat.Zur Versorgung der mexikanischen ÖlgesellschaftPemex mit Stickstoff baut<strong>Linde</strong> die größten Luftzerleger der Welt.1999 Ab 1. Januar darf die Gesellschaftauch in den USA wieder den Namenund das Markenzeichen „<strong>Linde</strong>“ verwenden.2000 Übernahme des schwedischenGaseunternehmens AGA; <strong>Linde</strong> rücktdamit zu einem der größten Gaseanbieterder Welt auf. Beginn der Zusammenarbeitmit der Komatsu Forklift Ltd.,Tokio.2001 Die Arbeitsgebiete TechnischeGase und Anlagenbau werdenzum Unternehmensbereich Gas undEngineering zusammengefasst.2002 <strong>Linde</strong> und <strong>The</strong> BOC <strong>Group</strong>, Großbritannien,vereinbaren eine Zusammenarbeitbei Luftzerlegungs- und Synthesegasanlagen.2003 Dr. Wolfgang Reitzle übernimmtam 1. Januar von Gerhard Full denVorstandsvorsitz; Gerhard Full wird am27. Mai zum Mitglied des Aufsichtsratsgewählt; Bündelung der Gaseaktivitätenin den USA mit der Zentrale in Cleveland,Ohio (USA).2004 Der Geschäftsbereich Kältetechnikwird ausgegliedert und in die „<strong>Linde</strong>Kältetechnik GmbH & Co. KG“ überführt;am 15. März verkauft <strong>Linde</strong> die Kältetechnik– vorbehaltlich der Genehmigungder zuständigen Kartellbehörden –an die Carrier Corporation, eine Konzerngesellschaftder United TechnologiesCorporation.87


ImpressumHerausgeber<strong>Linde</strong> AGAbraham-Lincoln-Straße 2165189 Wiesbadenwww.linde.deRedaktionVerantwortlich: Uwe Wolfinger, <strong>Linde</strong> AGProjektleitung: Birgid Josupeit, <strong>Linde</strong> AGText: PSC Presse Service & Consulting GmbHBildredaktion: René Glock, <strong>Linde</strong> AGFachliche Beratung: Dr. Hans-LiudgerDienel, Technische Universität BerlinAnschrift der Redaktion<strong>Linde</strong> AGUnternehmenszentraleKommunikationPostfach 402065030 Wiesbaden, DeutschlandTelefon: ++49-611-770-644Telefax: ++49-611-770-690GestaltungKW 43, DüsseldorfFotosAlle nicht gekennzeichneten Bilder sindim Besitz des <strong>Linde</strong> Konzerns.ProduktionCPI, DüsseldorfSatz und LithografieLettern Partners, DüsseldorfDruckDruckpartner, EssenWir möchten allen Mitarbeitern und Geschäftspartnerndanken, die uns mit historischen undfachlichen Informationen und umfangreichemBildmaterial bei der Erstellung der Chronikunterstützt haben. Besonders danken wirDr. Werner Jakobsmeier für seine intensivenRecherchen und seine fachliche Unterstützung.Dem Leiter der Patentabteilung Rainer Kasseckertmöchten wir für seine Unterstützung bei unseremIdeenkonzept herzlich danken. Ohne dieUnterstützung aller Beteiligten hätten wir dievorliegende Chronik nicht in dieser Qualitäterstellen können.ÜbersetzungEurocom Translation Services GmbH,WienDie vorliegende Chronik erscheint in sechs Sprachen:Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienischund Tschechisch. Sie basiert inhaltlich auf der Unternehmensgeschichte„Die <strong>Linde</strong> AG – Geschichte einesTechnologiekonzerns 1879-2004“ von Dr. Hans-LiudgerDienel, die im Mai 2004 im C.H. Beck-Verlag, München,erschienen ist. Die englischsprachige Ausgabe wurdeim Palgrave-Macmillan-Verlag veröffentlicht.88

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