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Die Literatur im ›Experiment‹. Eine Einleitung

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Mass<strong>im</strong>o Salgaro<br />

mçgen des Subjekts in seinem Innern die Regeln einer externen Realität zu<br />

verspüren. <strong>Die</strong> unaufhçrliche Arbeit der Naturwissenschaftler als Wissensanhäufung,<br />

die nicht zu einer Vorstellung vom Leben und zu einer ganzheitlichen<br />

Vision der Welt gelangt, bietet für Benn keine Lçsung auf das ethische Vakuum<br />

der Moderne. Benn konstruiert seine neue Moral innerhalb der Lyrik, als ein<br />

»Laboratorium für Worte«, wo versucht wird »Intellekt und Leben« neu zu<br />

verbinden. In seinem Vortrag Probleme der Lyrik (1951) bespricht er den<br />

»Versuch der Kunst« innerhalb des allgemeinen Verfalls der Inhalte sich selber<br />

als Inhalt zu erleben und gegen den allgemeinen Nihilismus der Werte eine neue<br />

Transzendenz der schçpferischen Lust zu setzen.<br />

Hermann Brochs Kunstverständnis steht <strong>im</strong> Mittelpunkt der Analyse von<br />

Maria Grazia Nicolosi, welches sich an den exakten Wissenschaften orientiert,<br />

um die Funktion von Kunst nicht dem Kulturwandel und Sinnverlust preiszugeben.<br />

Vielmehr sollte das Imaginäre und Träumerische in einen wissenschaftlichen<br />

Diskurs integriert werden, um ein mçglichst authentisches Bild der<br />

»zum Chaos entarteten Realität« liefern zu kçnnen. Auf diese Weise wird die<br />

Kunst ein Erkenntnisinstrument, das die Komplexität und S<strong>im</strong>ultaneität der<br />

Welt ausleuchtet und so zu ihrer neuen Deutung und Wertesetzung beiträgt.<br />

Silvia Bonacchi weist nach, dass <strong>im</strong> Prozess der Selbstbest<strong>im</strong>mung und der<br />

Neupositionierung von <strong>Literatur</strong> und Wissenschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

das Schaffen des çsterreichischen Schriftstellers Robert Musil eine<br />

zentrale Rolle spielt. In seinem Werk haben wir es mit »Erzählexper<strong>im</strong>enten« zu<br />

tun, die auf drei Ebenen wirken: Musil gilt als Schriftsteller der literarischen<br />

Avantgarde, der Exper<strong>im</strong>ente <strong>im</strong> Sinne von formalen Erzählexper<strong>im</strong>enten auf<br />

der Suche nach neuen Ausdrucksmçglichkeiten durchgeführt hat. Darüber<br />

hinaus finden viele wissenschaftliche Exper<strong>im</strong>ente – vor allem optische, exper<strong>im</strong>entalpsychologische,<br />

physikalische Versuche – in Musils Werk eine literarische<br />

Umsetzung. Außerdem nutzt Musils »Essayismus« die Dichtung als<br />

»Labor«, in dem Exper<strong>im</strong>ente über mçgliche Arten der Erkenntnis durchgeführt<br />

werden kçnnen. Bonacchi erforscht den exper<strong>im</strong>entellen Charakter der Dichtung<br />

Musils in seinem Novellendyptichon Vereinigungen (1911), deren theoretische<br />

Grundlage die »Bemerkungen über Apperceptor« sind. In diesem theoretischen<br />

Fragment in dem die Wechselwirkung zwischen dem perzipierenden<br />

Individuum und der äußeren, objektiven Welt behandelt wird, stützt sich Musil<br />

auf die Erkenntnistheorie Ernst Machs, auf Konstantin Traugott Oesterreichs<br />

Theorie der Psychasthenie, auf Carl Stumpfs Best<strong>im</strong>mung der phänomenologischen<br />

Betrachtung und auf die Theorien der Apperzeption von Wilhelm<br />

Wundt.<br />

Elmar Locher bespricht in seinem Aufsatz einige ungeklärte Aspekte der<br />

Zusammenarbeit zwischen H.C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm,<br />

Friedrich Achleitner und Oswald Wiener und überlegt sich, ob die Werke dieser

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