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58 judikatur<br />
ZfL 2/2009<br />
abbreche, nehme eine von der Rechtsordnung nicht<br />
erlaubte Handlung vor. Es könnten daher für Schwangerschaftsabbrüche<br />
im Rahmen der Beratungsregelung<br />
nicht alle rechtlichen Vorteile gewährt werden, die nach<br />
der Rechtsordnung für rechtmäßige Abbrüche zulässig<br />
seien, insbesondere dürfe die Unterhaltspflicht nicht als<br />
Schaden begriffen werden. Umgekehrt gebiete es aber<br />
die Schutzpflicht für das ungeborene Leben nicht, Arzt-<br />
und Krankenhausvertrag über Schwangerschaftsabbrüche<br />
nach der Beratungsregelung als unwirksam anzusehen<br />
oder grundsätzlich von zivilrechtlichen Sanktionen<br />
für Schlechterfüllung des Vertrags abzusehen.<br />
Für den Senat besteht daher kein Zweifel, dass in Bezug<br />
auf die Unterhaltspflicht ein Abbruch nach der Beratungslösung<br />
anders behandelt werden kann und muss<br />
als die Fälle, in denen der BGH einen Unterhaltsschaden<br />
nach fehlgeschlagener Verhütung, fehlgeschlagener<br />
Sterilisation, fehlerhafter genetischer Beratung<br />
oder übersehener Indikationslage bejaht hat, weil es<br />
sich in all diesen Fällen um Behandlungsmaßnahmen<br />
handelte, die nach der Rechtsordnung erlaubt und<br />
nicht missbilligt waren.<br />
Eine unhaltbare Situation – wie die Kl. meinen – ergibt<br />
sich aus der Verneinung eines Unterhaltsschadens<br />
nicht. Das BVerfG bejaht ja grundsätzlich die Möglichkeit<br />
zivilrechtlicher Sanktionen für die Schlechterfüllung<br />
des Vertrags, nimmt jedoch bewusst unter Hinweis<br />
auf Art. 1 Abs. 1 GG eine dieser „Sanktionen“, nämlich<br />
die Verpflichtung zum Ausgleich des Unterhaltsschadens,<br />
aus. Von einer unhaltbaren Situation oder gar<br />
unerträglichen Rechtsfolgen kann damit keine Rede<br />
sein, auch wenn es mit allgemeiner zivil- oder strafrechtlicher<br />
Dogmatik nur schwer vereinbar zu sein scheint,<br />
dass eine Handlung, die eigentlich nicht erlaubt ist,<br />
teilweise so behandelt wird, als sei sie doch erlaubt.<br />
Die vorgenannte Entscheidung des II. Senats des BVerfG<br />
hat als Entscheidungsrichtlinie nach wie vor Gültigkeit.<br />
Sie ist insbesondere nicht durch den Beschluss des I. Senats<br />
des BVerfG vom 12.11.1997 ( VersR 1998, 190= NJW<br />
1998, 519) überholt. Der I. Senat des BVerfG bejaht hier<br />
– teilweise in Abweichung zum II. Senat des BVerfG zwar<br />
grundsätzlich die Möglichkeit, die Unterhaltsbelastung<br />
für ein Kind als Schaden anzusehen, nämlich soweit dies<br />
die Zivilgerichte bei fehlgeschlagener Sterilisation und<br />
fehlerhafter genetischer Beratung angenommen haben.<br />
Andererseits betont auch der I. Senat des BVerfG an mehreren<br />
Stellen ausdrücklich, dass sich die abweichende Ansicht<br />
nur auf Fälle rechtmäßiger ärztlicher Tätigkeit ohne<br />
Bezug zu einem Schwangerschaftsabbruch erstreckt. Im<br />
hier allein interessierenden Fall, dass die ärztliche Tätigkeit<br />
auf ein von der Rechtsordnung missbilligtes Ergebnis<br />
gerichtet war, ergibt sich daher keine Divergenz<br />
zwischen der Rechtsprechung der beiden Senate.<br />
Soweit der Kl.-Vertreter zu Recht darauf hinweist, dass<br />
bedingt durch einen ständigen gesellschaftlichen Wandel<br />
geänderte Grundüberzeugungen auch Änderungen<br />
in der verfassungsrechtlichen Betrachtung auslösen<br />
können, gibt es im konkreten Fall keine Hinweise dafür,<br />
dass das BVerfG in absehbarer Zeit einen Schwangerschaftsabbruch<br />
nach der Beratungslösung nicht mehr<br />
als rechtlich missbilligenswert betrachten und so die<br />
Voraussetzung für die Bejahung eines Schadensersatzanspruchs<br />
schaffen wird.<br />
Denn das BVerfG lässt keinen Zweifel daran, dass das<br />
ungeborene Leben auch gegenüber der Mutter verfassungsrechtlich<br />
geschützt ist und deren Grundrechte<br />
grundsätzlich hinter ihrer Rechtspflicht zum Austragen<br />
des Kindes zurücktreten müssen (BVerfG NJW 1993, 1751<br />
Leitsätze Nr. 3 und 7). Einer Frau, die diese Rechtspflicht<br />
erfüllt, steht deshalb kein Schadensersatzanspruch<br />
gegen denjenigen zu, der die Erfüllung dieser<br />
Rechtspflicht nicht verhindert hat.<br />
Dementsprechend bejaht auch der BGH in seiner (ständigen)<br />
Rechtsprechung die Ersatzfähigkeit einer Unterhaltsbelastung,<br />
die auf einen schuldhaften ärztlichen<br />
Fehler im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch<br />
zurückzuführen ist, allenfalls dann, „wenn der<br />
Abbruch der Rechtsordnung entsprochen hätte, also<br />
nicht von ihr missbilligt worden wäre“ (vgl. zuletzt BGH<br />
VersR 2006, 702= NJW 2006, 1660 unter ausdrücklicher Bezugnahme<br />
auf die von den Kl. nicht für einschlägig gehaltene<br />
Entscheidung BGH VersR 1995, 964= NJW 1995, 1609;<br />
FamRZ 2003, 1378 zu einem nahezu identischen Sachverhalt;<br />
VersR 2002, 767= NJW 2002, 1489; vgl. auch OLG<br />
Koblenz OLGR 2006, 681; OLG München vom 7.2.2008<br />
- 1 U 4410/06 -; KG vom 10.3.2008 - 20 U 242/04).<br />
Da der hier zugrunde liegende Behandlungsvertrag<br />
nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auf ein „von<br />
der Rechtsordnung missbilligtes Ergebnis“ gerichtet<br />
war, stellt die Unterhaltsbelastung für das gesund geborene<br />
Kind keinen Schaden dar, und zwar unabhängig<br />
davon, ob der Vertrag und das Verhalten der Beteiligten<br />
nach zivil- oder strafrechtlicher Begrifflichkeit als rechtmäßig<br />
anzusehen wäre.<br />
Die Berufung der Kl. kann daher schon aus Rechtsgründen<br />
keinen Erfolg haben. Es kann deshalb dahinstehen,<br />
ob ein ärztlicher Behandlungsfehler in Form der fehlerhaften<br />
therapeutischen Sicherungsaufklärung überhaupt<br />
vorliegt und ob der Behandlungsvertrag auch<br />
den Sinn hatte, die Kl. vor den erwarteten Unterhaltsaufwendungen<br />
zu bewahren.<br />
Der Senat sieht keinen Anlass, die Revision zuzulassen.<br />
Der BGH hat zur Möglichkeit, einen Unterhaltsschaden<br />
im Zusammenhang mit ärztlichen Fehlern bei einem<br />
Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungslösung<br />
geltend zu machen, mehrfach eindeutig Stellung<br />
genommen (vgl. die oben zitierten Entscheidungen).<br />
Hinweise auf eine mögliche Änderung ergeben sich<br />
auch nicht aus der von den Kl. angeführten Entscheidung<br />
BGH VersR 2005, 411= NJW 2005, 891).<br />
In den dortigen Entscheidungsgründen lässt der BGH<br />
zwar offen, ob ein allein auf § 218 a Abs. 1 StGB gestütz-