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68 aus der jvl<br />
ZfL 2/2009<br />
Werner Esser ein weiser Ratgeber zur Seite, der als Vorsitzender<br />
des Wissenschaftlichen Rates auf unsere Überlegungen<br />
großen Einfluss hatte und uns Beiträge von<br />
bleibendem Wert hinterlassen hat. Eine Fülle von Veröffentlichungen<br />
zu unserer Thematik, die unser Denken<br />
stark geprägt haben, hat uns unser Ehrenvorsitzender<br />
Herbert Tröndle geschenkt. Die letzte von ihm betreute<br />
Kommentierung der Abtreibungsparagrafen in der<br />
1999 erschienenen 49. Auflage des Kommentars zum<br />
Strafgesetzbuch „Tröndle/Fischer“ ist die mit Abstand<br />
ausführlichste, sorgfältigste und kritischste, die es gibt,<br />
ein Klassiker in der juristischen Literatur. Neben den<br />
drei genannten Persönlichkeiten gilt unser Dank heute<br />
den Gründungsvätern und den vielen Referenten und<br />
Autoren, die bei unseren Tagungen referiert und in unseren<br />
Organen publiziert haben.<br />
Bei allen unseren Bemühungen waren wir uns stets bewusst,<br />
dass sie der Ergänzung durch Lebensrechtsorganisationen<br />
mit anderer Schwerpunktsetzung bedürfen.<br />
Mit ihnen gemeinsam bleibt uns noch viel zu tun. Unabhängig<br />
von politischen Mehrheitsverhältnissen gilt<br />
es hinzusehen, wo andere wegschauen, das kritisch zu<br />
kommentieren, was andere lieber schönreden sowie<br />
unser Wissen und unsere Erfahrung weiterzugeben an<br />
eine junge Generation, in der das Interesse am Schutz<br />
des menschlichen Lebens spürbar im Wachsen ist. Damit<br />
tragen wir dazu bei, den Boden für bessere Zeiten<br />
zu bereiten.<br />
Joachim Kardinal Meisner, Köln<br />
Grußwort anlässlich des 25-jährigen<br />
Bestehens der Juristen-Vereinigung<br />
Lebensrecht e. V. am 8. Mai 2009<br />
Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer des<br />
Symposions der Juristen-Vereinigung Lebensrecht!<br />
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“: Diese fundamentale<br />
Feststellung des Grundgesetzes bedeutet lediglich,<br />
dass die Menschenwürde nicht angetastet werden<br />
darf, – keineswegs, dass sie nicht angetastet werden kann.<br />
Millionenfach wird sie im Alltag angetastet, verletzt, mit<br />
Füßen getreten. Und die verwundbarsten Menschen sind<br />
immer diejenigen, die sich noch nicht oder nicht mehr<br />
selbst verteidigen können. An ihnen wird besonders<br />
deutlich, wie wahr der Volksmund sagt: „Recht haben<br />
und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge.“<br />
In diesem Sinne ist es interessant, kurz eine substantielle<br />
Äußerung zur rechtlichen Dimension des Lebensschutzes<br />
zu betrachten, die sich in dem jüngsten Schreiben<br />
der Kongregation für die Glaubenslehre findet, der<br />
Instruktion DIGNITAS PERSONAE über einige Fragen<br />
der Bioethik vom 8. September 2008. Diese beruft sich<br />
zunächst auf „das grundlegende ethische Kriterium …,<br />
das in der Instruktion Donum vitae [von 1988] vorgelegt<br />
wird“ (n. 4). Es lautet:<br />
Die Frucht der menschlichen Zeugung erfordert ab dem ersten<br />
Augenblick ihrer Existenz, also von der Bildung der Zygote an,<br />
jene unbedingte Achtung, die man dem Menschen in seiner<br />
leiblichen und geistigen Ganzheit sittlich schuldet. Der Mensch<br />
muss von seiner Empfängnis an als Person geachtet und behandelt<br />
werden, und infolgedessen muss man ihm von diesem<br />
Augenblick an die Rechte der Person zuerkennen und darunter<br />
vor allem das unverletzliche Recht jedes unschuldigen Menschen<br />
auf Leben (n. 4).<br />
Dann folgen zwei Sätze, deren Tiefgang und Tragweite vielen<br />
Zeitgenossen auf Anhieb gar nicht bewusst werden:<br />
Diese Feststellung ethischer Natur, die von der Vernunft als<br />
wahr und dem natürlichen Sittengesetz entsprechend erkannt<br />
werden kann, sollte zum Fundament jeder rechtlichen Ordnung<br />
gehören. Sie setzt eine Wahrheit ontologischer Natur voraus (n.<br />
5).<br />
Zum einen heißt dies: Ethik und Recht können und<br />
dürfen nicht beziehungslos nebeneinander existieren.<br />
Ich erinnere mich noch gut daran, wie eine prominente<br />
Frauenrechtlerin mir während eines öffentlichen Streitgespräches<br />
einmal nahelegte, meine Haltung zur Abtreibung<br />
an der in Deutschland geltenden rechtlichen<br />
Regelung auszurichten! Ursache und Wirkung werden<br />
hier vertauscht: Die rechtliche Ausgestaltung hat sich<br />
an der sachlichen und ethischen Beurteilung eines<br />
Sachverhaltes zu orientieren – nicht umgekehrt. Das<br />
gilt auch in einem säkularen Staat, denn religiöse Neutralität<br />
ist etwas ganz anderes als Indifferenz gegenüber<br />
fundamentalen menschlichen Werten.<br />
Zum anderen arbeitet die Instruktion hier noch einmal<br />
deutlich heraus, dass Würde und Unantastbarkeit des<br />
Menschen Funktionen seines objektiven ontologischen<br />
Status darstellen. Sie leiten sich nicht von Parlamentsbeschlüssen<br />
oder Volksabstimmungen her, sondern entspringen<br />
dem menschlichen Wesen und somit letztlich<br />
dem Willen des Schöpfers. Wo ein Staat dies ignoriert,<br />
da müssen – so demokratisch er ansonsten sein mag<br />
– seine eigenen Bürger entschiedenen Widerstand leisten.<br />
Mit vollem Recht weist die Glaubenskongregation<br />
darauf hin, dass es hier nicht um eine spezifisch katholische<br />
Glaubenswahrheit geht, sondern um eine universal<br />
gültige ethische Einsicht, die von der Vernunft als<br />
wahr und dem natürlichen Sittengesetz entsprechend<br />
erkannt werden kann.<br />
Ich bin froh zu wissen, dass die Aufgabe, das menschliche<br />
Lebensrecht zu schützen, seit nunmehr schon 25<br />
Jahren in den Händen von Menschen ruht, die in juristischen<br />
Fragen nicht nur engagiert, sondern zugleich<br />
auch hochkompetent sind. Ein Vierteljahrhundert lang<br />
setzt sich die Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V. vor<br />
allem für diejenigen Menschen ein, die keine eigene<br />
Stimme habe. Man muss wohl kein zynischer Skeptiker<br />
sein, sondern einfach nur Realist, um zu prophezeien,