oft als wegweisend erkannt. Wir warfen eine Saat aus, die, sehr langsam, sehr bescheiden fruchtete.“ 25 Was den losen Verbund der sogenanten G-Gruppe einte, waren die allgemeinen Vorbehalte gegenüber den Akademien und deren individualistischer und gefühlsmäßiger „Kunsterei“ 26 und gegenüber dem wilhelministischen Pomp, insbesondere aber auch gegenüber kurzzeitigen expressionistischen Utopien, die sich in Vereinigungen wie der „Gläsernen Kette“, aber auch am frühen Bauhaus bemerkbar machten. Gegen diese papierenen und utopistischen Entwürfe setzten sie das Konkrete, Elementare. Ein anonymer Schreiber, vermutlich Hans Richter, bezeichnet G im März 1926 folglich als „Kampfzeitschrift“. 27 Und so antwortete Graeff auf die Frage: „Was eint uns eigentlich? [...] Sehr einfach! Uns eint die Fähigkeit, elementar zu denken und zu gestalten!“ 28 In G 2, in der äußeren Form gleich, ging es fast aus schließlich um <strong>Architektur</strong>. Sie war die Synthese, die die Künste und letztlich Kunst und Leben vereinen sollte. Man konzentrierte sich anders als bei De Stijl, stärker auf den Gebrauchswertcharakter des Bauens und widmete sich internationalen Konzepten des Neuen Bauens und Neuer Gestaltung. Die Beiträge wurden ergänzt um Beispiele funktionaler Stadtplanung, amerikanischer Wolkenkratzer und der Autoindustrie, die ein Gegengewicht zur üblichen künstlerischen Auffassung bilden sollten. Das dritte Heft von G erschien im Juni 1924, diesmal als Heft mit 68 Seiten. Es entfaltete eine größere Bandbreite an Themen, die von der Mode über <strong>Architektur</strong>, Fahrzeuge, <strong>Fotografie</strong> und Dichtung reichte, viele Abbildungen, als auch zum ersten Mal Werbung und Farbe aufnahm. El Lissitzky hatte sich diesen Typus von Zeitschrift erhofft: eine Illustrierte amerikanischen Zuschnitts. Der Redaktionsstab von G setzte sich aus Künstlern und Architekten zusammen, deren Mitarbeit von Heft zu Heft wechselte. Als Redakteur der ersten Ausgabe wurde El Lissitzky in der Verfasserzeile namentlich genannt, da er mit seiner Zeitschrift Vesc für G einen Prototyp geliefert hatte. An der Produktion von G selbst jedoch war er nicht aktiv beteiligt, obwohl er dieses neuartige Unternehmen mit kritischem Interesse verfolgte. An den De Stijl-Architekten J.J. P. Oud schrieb er , dass „[...] weder ‚G‘ noch ‚ABC‘ Neues sagen. ‚G‘ ist, nach dem ersten Heft zu urteilen noch eine ziemlich snobistische Atelier-Angelegenheit. Wollen wir hoffen, dass es besser wird, das heißt eine richtige amerikanische Wochenschau.“ 29 Hans Richter zeichnete offiziell als Herausgeber und war wohl auch die Person, die den meisten Mitautoren freundschaftlich verbunden war. „Die Hauptarbeit hat ohne Zweifel Hans Richter geleistet, wobei er zuweilen etwas selbstherrlich vorging“, kommentierte Graeff dessen Arbeit. „So war es mir nicht ganz recht, dass er zuerst (ohne mich zu fragen, und als das erste Heft fast abgeschlossen war) El Lissitzky in die Redaktion aufnahm (Nr. 1) und später (Nr. 3) Friedrich Kiesler. Von beiden zeigte er sich zuerst hoch begeistert, um danach um so mehr enttäuscht zu sein. Ich hatte nichts gegen ihre Mitarbeit, sah aber nicht ein, warum sie in die Redaktion sollten. Dagegen waren wir einig, dass ab Nr. 2 Mies van der Rohe (der schon bei 1 mitgearbeitet hatte) in der Redaktion sein sollte. – Die Nr. 4 bis 6 machte (wesentlich später) Hans Richter allein; er widmete sich vorwiegend dem avantgardistischen Film.“ 30 Zwar stellt sich Richter in seiner Kurzvita in dem berühmten Buch Gefesselter Blick von Heinz und Bodo Rasch 1930 lapidar mit „seit 1920 Film“ vor, aber die typografische Gestaltung von G war ihm doch so wichtig, dass er eine Doppelseite in diesem Band ablichten ließ. Es wird auf die enge Verbindung von Bild und Text – in diesem Falle über die Konstruktion eines Autos der Zukunft – sowie die Hervorhebung durch Pfeile und Unterschriften. Gestaltung ist in diesem Sinne Organisation, heißt es hier: „Richtige Typographie dient dazu, das Lesen zu erleichtern, setzt das Satzbild ‚logisch‘. Ueber diesen Zweck hinaus kann man mit den Mitteln der Typographie einem Gedanken seine eigentliche Les-Form geben,– ihm direkte plastische Anschaulichkeit verleihen.“ 31 Es gab bei G einen Kreis von ständigen Mitarbeitern wie Mies van der Rohe, Ludwig Hilberseimer, Raoul Hausmann, Theo van Doesburg, Hans Arp, Kurt Schwitters. Darüber hinaus gab es einen lockeren Verbund von Autoren, die dem Programm der Zeitschrift ideell verpflichtet waren, aber mehr oder weniger nur Beiträge zur Verfügung stellten wie Cornelis van Eesteren, Piet Mondrian, Viking Eggeling, Naum Gabo und Antoine Pevsner, Ernst Schön, George Grosz und John Heartfield, 152 153
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