WISSENSCHAFTS JOURNAL
WISSENSCHAFTS JOURNAL
WISSENSCHAFTS JOURNAL
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ATOME SEHEN – MIKROSKOPE FÜR KLEINSTE STRUKTUREN<br />
Hartmut S. Leipner und Peter Werner<br />
Richard P. Feynmans (Nobelpreisträger für Physik 1965) berühmte Rede »Plenty of<br />
Room at the Bottom« aus dem Jahr 1959 am California Institute of Technology gilt gemeinhin<br />
als Geburtsurkunde der Nanotechnologie. In diesem Vortrag hat er die Vision, dass<br />
der Text der 24bändigen Encyclopaedia Britannica mit der entsprechenden Technologie<br />
klein genug geschrieben werden könne und auf einem Stecknadelkopf Platz finden müsse.<br />
Diese Vision ist unmittelbar mit seiner Forderung nach entsprechenden Werkzeugen verbunden:<br />
Baut bessere Mikroskope, damit man sehen kann, was auf dem Stecknadelkopf<br />
ist, letztendlich mit einer solchen Auflösung, um Atome zu erkennen. Während Elektronenmikroskope<br />
lange Zeit keine besseren abbildenden Eigenschaften hatten als der Boden<br />
einer Bierflasche, sind heute Geräte mit exzellenten Parametern verfügbar, die den direkten<br />
Zugang zum atomaren Aufbau vieler Materialien erlauben.<br />
Die Möglichkeit eines um Größenordnungen<br />
besseren Auflösungsvermögens von<br />
Elektronenmikroskopen im Vergleich zu<br />
Lichtmikroskopen beruht auf dem Welle-<br />
Teilchen-Dualismus. Elektronen als Welle<br />
aufgefasst besitzen eine sehr viel kleinere<br />
Wellenlänge als Licht, die entsprechend<br />
dem Rayleighkriterium den kleinsten noch<br />
auflösbaren Objektabstand bestimmt. Allerdings<br />
wird dieser theoretische Wert bei<br />
weitem nicht erreicht. Das Problem ist die<br />
Abbildungsoptik mit den Abbildungsfehlern<br />
von magnetischen Linsen, die für Elektronen<br />
benutzt werden. Weiterhin sind die<br />
entstehenden Bilder nur aus der Überlagerung<br />
(Interferenz) der Elektronenwellen in<br />
der Probe zu verstehen und verlangen i. A.<br />
eine aufwändige mathematische Simulation.<br />
Die neueste Generation von Elektronenmikroskopen<br />
setzt nicht nur auf eine computergesteuerte<br />
Korrektur von Abbildungsfehlern,<br />
sondern kombiniert die Abbildung<br />
mit der spektroskopischen Analyse in<br />
nanoskopischen Bereichen. Man gewinnt<br />
damit aus der Transmissionselektronenmikroskopie<br />
(TEM) nicht nur Informationen<br />
über die kristallographische Anordnung<br />
(Abb. 1), sondern auch über die chemische<br />
Natur der untersuchten Strukturen.<br />
Die verschiedenen elektronenmikroskopischen<br />
Abbildungsmethoden sind nicht nur<br />
kompliziert in der Technik, sondern verlan-<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 2/2004<br />
Interdisziplinäres Zentrum für Materialwissenschaften<br />
...............................................................................<br />
gen auch ausgefeilte Präparationsverfahren<br />
für das Probenmaterial. Auf der Basis eines<br />
Kooperationsvertrags zwischen dem Max-<br />
Planck-Institut für Mikrostrukturphysik<br />
und der Martin-Luther-Universität wurde<br />
deshalb 1999 ein Zentrum für Materialcharakterisierung<br />
(CMC) gegründet, um die<br />
Abb. 1 Hochauflösendes TEM-Bild eines einzelnen<br />
Cadmiumselenid-Teilchens, an dem<br />
die Position der atomaren Bausteine erkennbar<br />
wird. Die Pfeile kennzeichnen Planardefekte<br />
(Aufnahme H. Hofmeister, MPI für<br />
Mikrostrukturphysik).<br />
Abb. 2 Hochauflösende Transmissionselektronenmikroskopie eines Hochtemperatur-Supraleiters (Institut für Physikalische Hochtechnologie<br />
Jena), aufgenommen mit einem JEOL JEM4000 (rechts). In den linken Teilbildern sind der HTSL-Film und das Substrat bei unterschiedlicher<br />
Vergrößerung wiedergegeben. Die mittleren Bilder zeigen die Elementeverteilung in dem Grenzgebiet HTSL-Film/Substrat. Der gelbe Kreis am<br />
Elektronenmikroskop rechts weist speziell auf das EDX-Spektrometer hin.<br />
9