zum Download - hundkatzepferd
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Barbara Kohn hat seit 2003 eine<br />
Professur an der Klinik für kleine Haustiere,<br />
Fachbereich Veterinärmedizin an der FU<br />
Berlin. Dort ist die Fachtierärztin für Kleintiere<br />
und Diplomate des European College of<br />
Veterinary Internal Medicine stellvertretende<br />
geschäftsführende Direktorin. Ihre Arbeitsschwerpunkte<br />
und Forschungsgebiete sind<br />
Hämatologie, Transfusionsmedizin, klinische<br />
Immunologie, Infektionskrankheiten und<br />
Gastroenterologie.<br />
wurden weitere Untersuchungen zur Prävalenz<br />
von Anaplasma phagocytophilum<br />
bei Hunden in Deutschland durchgeführt.<br />
In vier Studien mit unterschiedlicher Regionalität<br />
ergaben sich Seroprävalenzen zwischen<br />
19 % und 50 %. In verschiedenen<br />
Regionen Deutschlands wurde Ixodes ricinus<br />
im Hinblick auf Erreger untersucht, überall<br />
konnten – zu unterschiedlichen Prozentsätzen<br />
– Anaplasmen in den Zecken gefunden<br />
werden. Da Ixodes auch andere Erreger<br />
überträgt (in Deutschland insbesondere<br />
Borrelien), sind Koinfektionen möglich<br />
und könnten das Krankheitsbild verschlimmern.<br />
Wie stellt sich eine Anaplasmose-<br />
Erkrankung beim Hund klinisch dar?<br />
Als klinische Symptome treten vor allem<br />
unspezifische Symptome wie Apathie, Inappetenz,<br />
Fieber und Schwäche auf. Weitere<br />
Symptome sind blasse Schleimhäute,<br />
ein angespanntes Abdomen, Lahmheit<br />
(aufgrund einer immunbedingten Polyarthritis),<br />
Durchfall, Erbrechen, Oberflächenblutungen<br />
(Petechien/Meläna/Epistaxis),<br />
Gliedmaßenödeme und Husten. Meist ist<br />
die Milz radiologisch und sonografisch vergrößert.<br />
Sehr selten wird auch von zentralnervösen<br />
Erscheinungen berichtet. Häu-<br />
figste Blutbildveränderungen sind Throm -<br />
bozytopenie, Anämie, Lymphopenie, Neutrophilie<br />
und Monozytose. Abweichungen<br />
der klinischen Chemie sind insbesondere<br />
Hyperglobulinämie, Hypoalbuminämie, erhöhte<br />
Leberenzyme und Hyperbilirubinämie.<br />
Die Symptome treten meist akut auf,<br />
die Hunde bessern sich meist rasch auf<br />
adäquate Therapie. Ob es chronische Träger<br />
gibt, ist noch nicht eindeutig geklärt.<br />
Wie sieht es bei der Katze aus?<br />
Katzen sind Wirte derselben Ektoparasiten,<br />
die beim Hund als Vektoren Relevanz<br />
haben und grundsätzlich auch für dieselben<br />
Erreger empfänglich. Trotzdem scheinen<br />
sie nur selten zu erkranken. Wir untersuchten<br />
an der Kleintierklinik der FU Berlin<br />
über 250 Katzen, von denen bei 9 % Antikörper<br />
gegen Anaplasma phagocytophilum<br />
festgestellt wurden. Allerdings war keine<br />
der Katzen klinisch an Anaplasmose<br />
erkrankt. In dieser Studie untersuchten wir<br />
die Katzen auch auf Bartonella spp. und<br />
hämotrophe Mykoplasmen (Mycoplasma<br />
hämofelis, Candidatus M. turicensis,<br />
Candidatus M. hämominutum). Wichtigster<br />
Vektor für diese Infektionen ist vermutlich<br />
der Katzenfloh. Über 30 % der Katzen hatten<br />
Antikörper gegen Bartonella spp. und<br />
bei 7 % wurde mittels PCR DNA von hämotrophen<br />
Mycoplasma spp. festgestellt. Auch<br />
zahlreiche Wohnungskatzen, darunter auch<br />
Katzen, die eigentlich <strong>zum</strong> Blutspenden<br />
vorgestellt wurden, waren infiziert. Die<br />
Prophylaxe gegen Ektoparasiten ist deshalb<br />
nicht nur beim Hund, sondern auch<br />
bei der Katze Teil der guten veterinärmedizinischen<br />
Praxis.<br />
Was sollten niedergelassene Kollegen<br />
im Hinblick auf die Anaplasmose wissen<br />
und beachten?<br />
Vektorübertragene Infektionen sind an das<br />
Vorkommen der entsprechenden Vektoren<br />
gebunden. Da Ixodes ricinus in ganz<br />
Deutschland verbreitet ist, ist dies vermutlich<br />
auch für die Anaplasmose der Fall. Bei<br />
für Anaplasmose verdächtigen Symptomen<br />
sollte ein Blutausstrich angefertigt und<br />
nach Einschlusskörperchen (sog. Morulae)<br />
in neutrophilen Granulozyten gesucht werden.<br />
Zur Bestätigung des Anaplasmose-<br />
Verdachts – bzw. wenn keine Morulae<br />
gefunden werden – sollte eine PCR-Untersuchung<br />
auf den Erreger (z.B. aus EDTA-<br />
Blut) eingeleitet werden. Sehr wichtig ist<br />
es, dass die Blutentnahme vor der Gabe<br />
von Antibiotika erfolgt. Eine weitere Möglichkeit<br />
der Diagnostik – und insbesondere<br />
bei negativem PCR-Befund indiziert – ist<br />
eine zweimalige Antikörperbestimmung im<br />
Abstand von 2 – 3 Wochen <strong>zum</strong> Nachweis<br />
eines ansteigenden (selten abfallenden)<br />
Titers. Eine einzelne serologische Untersuchung<br />
ist keinesfalls diagnostisch. Zum<br />
einen kann der Titer initial noch negativ<br />
sein, <strong>zum</strong> anderen kann der Titer auf einer<br />
früheren Infektion beruhen. Werden Morulae<br />
gefunden bzw. bei starkem klinischem Verdacht<br />
auf Anaplasmose sollte sofort mit<br />
einer Doxycyclintherapie (5 mg/kg 2 x tgl<br />
oral über 2 – 3 Wochen) begonnen werden.<br />
Nebenwirkungen von Doxycylin können<br />
neben gastrointestinalen Symptomen Entwicklung<br />
von Hepatopathien sein, daher<br />
sind vor und etwa eine Woche nach Therapiebeginn<br />
die Leberwerte zu kontrollieren.<br />
Falls das Doxycylin abgesetzt werden<br />
muss, kann alternativ Chloramphenicol<br />
gegeben werden. Die Prognose der Anaplasmose<br />
ist bei adäquater Therapie gut,<br />
Todesfälle wurden bisher nicht beschrieben.<br />
Da es eine „Zeckenimpfung“ nicht<br />
gibt, müssen die Besitzer über die Bedeutung<br />
einer regelmäßigen und korrekt<br />
durchgeführten Ektoparasitenprophylaxe<br />
aufgeklärt werden. In einer Untersuchung<br />
an der Kleintierklinik der FU Berlin stellten<br />
wir fest, dass eine mehr oder weniger häufige<br />
Zeckeninfestation bei nahezu allen<br />
Hunden im Raum Berlin/Brandenburg vorliegt.<br />
Prophylaktische Maßnahmen, um<br />
eine Infestation zu verhindern (regelmäßiges<br />
Absuchen auf Zecken, Einsatz von<br />
Ektoparasitika), wurden meist nicht korrekt<br />
durchgeführt. Zwar wurden bei etwa 70 %<br />
der Hunde nach dem Arzneimittelgesetz<br />
zugelassene Mittel zur Zeckenprophylaxe/bekämpfung<br />
eingesetzt. Allerdings war<br />
deren Einsatz im Hinblick auf Anwendungsintervall<br />
und -zeitraum bei über der<br />
Hälfte der Hunde nicht korrekt und bei<br />
einem weiteren Drittel fraglich. Wollen sich<br />
Tierärzte über vektorübertragene Erkrankungen<br />
inkl. der sog. Reisekrankheiten<br />
genauer informieren, so können u.a. die<br />
Broschüren „Deutsche Adaptation der ESC-<br />
CAP-Empfehlung“ (2011) empfohlen werden<br />
oder die „Canine Vector Borne Disease“<br />
Website (www.cvbd.org) besucht werden.<br />
> Vielen Dank für das Gespräch.<br />
14 <strong>hundkatzepferd</strong> 05|12