ETF-Magazin: "Was tun?" (Q1 2012) - Börse Frankfurt
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Experten-Runde<br />
18<br />
Huber: Die Stützungsmaßnahmen der US-Zentralbank<br />
haben dazu geführt, dass sich der US-Aktienmarkt besser<br />
gehalten hat als unserer. Deshalb liegt auch die<br />
Bewer<strong>tun</strong>g der US-Aktien viel höher. Die US-<strong>Börse</strong><br />
ist nicht billig, aber die Aussichten sind stabiler. Dort<br />
wird wohl eine Rezession vermieden, was sich für Europa<br />
nicht sagen lässt.<br />
<strong>ETF</strong> <strong>Magazin</strong>: Sie setzen deshalb stärker auf US-Aktien?<br />
Huber: Als Value-Investoren kaufen wir lieber billige<br />
Aktien. Deshalb gefallen uns jetzt japanische und<br />
italienische Titel.<br />
Leber: Ich fi nde deutsche Nebenwerte ausgesprochen<br />
interessant. Da gibt es wunderbare Unternehmen darunter.<br />
Leider sind sie nicht billig. Große Unternehmen<br />
sind günstiger zu haben, sowohl in den USA als auch<br />
in Europa. Microsoft, Intel, Western Digital oder Cisco<br />
sind richtig preiswert – und diese Unternehmen sind<br />
wirkliche globale Marktführer.<br />
<strong>ETF</strong> <strong>Magazin</strong>: Gibt es hierzulande keine attraktiven<br />
Großen?<br />
Leber: Natürlich. Auch in Deutschland fi nde ich bei<br />
den <strong>Börse</strong>nschwergewichten mehr Gegenwert. Deutsche<br />
Bank oder RWE sind beispielsweise kräftig unterbewertet.<br />
Orgland: Die Flexibilität der großen Konzerne ist ja<br />
auch viel höher. Die Großen sind unabhängiger von<br />
einzelnen Standorten oder von Bankkrediten als mittelständische<br />
Unternehmen. Nestlé oder Johnson &<br />
Johnson sind derzeit nicht nur sehr günstig, sondern<br />
bieten auf Grund ihres Realwertcharakters im momentan<br />
unsicheren Umfeld auch mehr Sicherheit als<br />
viele Staatsanleihen.<br />
Geänderte Rangfolge<br />
Huber: In der nächsten Aufwärtsbewegung werden Titel<br />
wie Nestlé allerdings sicher hinter dem Markt zurückbleiben.<br />
Die Aktienkurse werden nicht nur durch das<br />
Bewer<strong>tun</strong>gsniveau bestimmt. Die meisten verfügbaren<br />
Informationen sind doch ohnehin schon im Kurs enthalten.<br />
Kursbestimmend sind vor allem die Erwar<strong>tun</strong>gen der<br />
Anleger. Wenn die Investoren bei einem Unternehmen<br />
in ein bis drei Jahren Verluste kommen sehen, ist der<br />
Aktienkurs bereits im Keller. Deswegen gehört zu wirklich<br />
billigen Aktien immer eine entsprechend negative<br />
Erwar<strong>tun</strong>gshal<strong>tun</strong>g. Langfristig denkende Anleger<br />
kaufen sie vor allem in einer Rezession.<br />
Orgland: Es kommt natürlich auch darauf an, was der<br />
Anleger sucht. Nicht jeder ist bereit, Aktien mit schlechten<br />
Perspektiven zu kaufen, nur um damit Überrenditen<br />
zu erzielen. Viele Anleger suchen vor allem Vermögensschutz<br />
und eine langfristig stabile Wertentwicklung.<br />
Leber: Im vergangenen Sommer hat vor allem die Erwar<strong>tun</strong>g<br />
einer Katastrophe zu dem starken Kursein-<br />
bruch bei deutschen Aktien geführt. Wenn diese Stimmung<br />
wieder umschwingt, wird sich auch die deutsche<br />
<strong>Börse</strong> wieder erholen.<br />
Ende des Schwellenländer-Booms<br />
Müller: Technische Faktoren haben den Absturz ebenfalls<br />
angefeuert, etwa das Verbot von Leerverkäufen<br />
in anderen europäischen Ländern. Zahlreiche Anleger<br />
sind deshalb an die deutsche <strong>Börse</strong> ausgewichen<br />
und haben mit Dax-Terminkontrakten auf fallende Kurse<br />
gewettet.<br />
Orgland: Genau so wurde die Entwicklung des spanischen<br />
Aktienmarkts durch technische Faktoren verzerrt.<br />
Spanische Aktien sind jetzt sehr günstig, weil<br />
viele Anleger auf Grund der schlechten Wirtschaftsaussichten<br />
pauschal gegen diesen Markt gewettet haben.<br />
Dabei übersehen sie allerdings, dass die großen spanischen<br />
Unternehmen rund zwei Drittel ihres Geschäfts<br />
Dr. Hendrik Leber<br />
Geboren 1957 in Essen;<br />
1975 Studium Betriebswirtschaftslehre in St. Gallen,<br />
New York, Berkeley; MBA, Promotion;<br />
1989 Geschäftsführer beim Bankhaus Metzler;<br />
seit 1995 Geschäftsführer ACATIS Investment GmbH.<br />
im Ausland machen, und zwar häufi g in Wachstumsmärkten<br />
wie Brasilien. Deshalb werden ihre Gewinne<br />
auch steigen, wenn es der spanischen Wirtschaft im<br />
Inland nicht gutgeht.<br />
<strong>ETF</strong> <strong>Magazin</strong>: Schwellenländer-Aktien stehen offensichtlich<br />
bei Ihnen nicht mehr auf der Kaufl iste?<br />
Huber: Die Emerging Markets waren die Story des letzten<br />
Jahrzehnts, in den nächsten zehn Jahren werden<br />
eher andere Themen im Vordergrund stehen.<br />
Müller: Wir glauben weiterhin an Chancen in den<br />
Emerging Markets. Inzwischen ist zwar viel von der<br />
Euphorie verfl ogen, aber gerade deshalb könnte jetzt<br />
der richtige Zeitpunkt für einen erneuten Einstieg sein.<br />
Leber: Man darf die Schwellenländer nicht über einen<br />
Kamm scheren. Es gibt deutliche Unterschiede. China<br />
wird durch nachlassendes Wachstum bedroht, Brasilien<br />
hängt mit seinen Agrarrohstoff- und Stahlexporten voll<br />
an China dran, Indien wird in der Anlegerwelt über-