Wohnungsverkäufe in Bochum - Mieterverein
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Mart<strong>in</strong> Krämer<br />
Sebastian Müller<br />
Daniela Oesterreich<br />
Cathr<strong>in</strong> Thier<br />
Michael Wenzel<br />
<strong>Wohnungsverkäufe</strong> <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
Mieterprivatisierung, Mehrfachverkäufe<br />
und F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestoren<br />
Gefödert<br />
durch<br />
die<br />
1
Auch <strong>Bochum</strong> war <strong>in</strong> den<br />
letzten Jahren von den erheb-<br />
lichen Veränderungen auf dem<br />
Wohnungsmarkt betroffen. Neue<br />
<strong>in</strong>ternational agierende Investoren<br />
haben im großen Stil Bestände<br />
gekauft; e<strong>in</strong> früher so wichtiger<br />
Akteur wie die Eon-Tochter Viterra<br />
ist h<strong>in</strong>gegen als Vermieter völlig<br />
verschwunden.<br />
Die Genossenschaften und die<br />
kommunal verbundene VBW<br />
mussten sich auf neue Marktver-<br />
hältnisse e<strong>in</strong>stellen, seit die mas-<br />
sive Wohnungsnot der 90er-Jahre<br />
überwunden schien und <strong>Bochum</strong><br />
unter Bevölkerungsschwund leidet.<br />
Sie haben versucht, bei Beständen,<br />
die auf dem Markt angeboten wur-<br />
den, zuzugreifen oder zum Zwecke<br />
der „Portfoliobere<strong>in</strong>igung“ auch<br />
selber verkauft.<br />
Dennoch konnte <strong>in</strong>sgesamt der<br />
E<strong>in</strong>druck entstehen, dass der me-<br />
dienträchtige Rummel, der durch<br />
die Großverkäufe der letzten Jahre<br />
bundesweit, aber auch im Ruhr-<br />
gebiet entstand, vor <strong>Bochum</strong>s<br />
Stadttoren haltmachte. Zum Teil<br />
mag dies an der besonderen Eigen-<br />
tümerstruktur <strong>in</strong> unserer Stadt<br />
liegen, denn anders als <strong>in</strong> vielen<br />
Nachbarkommunen, spielen die<br />
klassischen Wohnungsunterneh-<br />
men mit e<strong>in</strong>em Marktanteil von<br />
schätzungsweise 25 – 30 Prozent<br />
nur e<strong>in</strong>e relativ unbedeutende<br />
Rolle. Private Eigentümer und<br />
Hausverwaltungen haben e<strong>in</strong><br />
deutliches Übergewicht.<br />
Dass der <strong>Bochum</strong>er Mietervere<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> den letzten 25 Jahren trotzdem<br />
alle Hände voll zu tun gehabt<br />
hat, lag wohl eher an der großen<br />
Wohnungsnot der 90er-Jahre.<br />
Zählten wir Anfang der 80er-Jahre<br />
rund 5.000 Mitgliederhaushalte,<br />
waren es zur Jahrtausendwende<br />
17.500 und aktuell, bei entspann-<br />
ter Marktlage und schrumpfender<br />
Bevölkerung, s<strong>in</strong>d es immer noch<br />
über 16.000.<br />
Aber selbst wenn <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
der „große Knall“ immer ausblieb,<br />
haben wir e<strong>in</strong>e ganze Reihe größe-<br />
rer und kle<strong>in</strong>er Verkäufe <strong>in</strong> dieser<br />
Stadt sehr <strong>in</strong>tensiv begleitet, Mie-<br />
ter<strong>in</strong>itiativen unterstützt und e<strong>in</strong>e<br />
Vielzahl von Mieterversammlun-<br />
gen abgehalten.<br />
Für uns schien es daher an der<br />
Zeit, e<strong>in</strong>e Zwischenbilanz zu zie-<br />
hen und nachzuhaken, ob sich<br />
unsere Befürchtungen h<strong>in</strong>sichtlich<br />
des Verkaufs von Wohnungsbe-<br />
ständen bewahrheitet haben.<br />
Unser besonderer Dank gilt<br />
Dr. Sebastian Müller für die wis-<br />
senschaftliche Leitung und der<br />
<strong>Bochum</strong>-Agenda 21 für die f<strong>in</strong>an-<br />
zielle Unterstützung des Projektes.<br />
<strong>Bochum</strong>, im Februar 2009<br />
Michael Wenzel<br />
Geschäftsführer<br />
Geleitwort<br />
3
4<br />
Inhalt Geleitwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
1. E<strong>in</strong>leitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
1.1 <strong>Bochum</strong> im Februar des Kulturhauptstadtjahres 2010 . . . . . . . . 5<br />
1.2 Veränderung auf den deutschen Wohnungsmärkten . . . . . . . . . 5<br />
1.3 Die Studie <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
2. Privatisierungsgeschichte im Ruhrgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
2.1 Die erste Privatisierungswelle und der Widerstand dagegen:<br />
Rettet Eisenheim! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
2.2 Privatisierung, die vom Standardverständnis abweicht . . . . . . 10<br />
2.3 Die zweite Privatisierungswelle und e<strong>in</strong> Gegenentwurf:<br />
Gründung der Genossenschaft Rhe<strong>in</strong>preußen . . . . . . . . . . . . . 10<br />
2.4 Privatisierung durch Private-Equity-Kapital nach der<br />
Jahrtausendwende – nur e<strong>in</strong> Randthema <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong> . . . . . . . . 11<br />
3. Beteiligte Unternehmen <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
4. Siedlungsportraits<br />
4.1 Siedlungsportrait 1: Uni-Center. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
4.2 Siedlungsportrait 2: Gropiusweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
4.3 Siedlungsportrait 3: Girondelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Untersuchte Siedlungen <strong>in</strong> der Übersicht (Karte) . . . . . . . . . . . 24<br />
4.4 Siedlungsportrait 4: Karl-Wagener-Straße 2g . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
4.5 Siedlungsportrait 5: Mittelgebirgsviertel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
4.6 Siedlungsportrait 6: Im Streb/Krachtstraße . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
4.7 Siedlungsportrait 7: Kolonie Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
4.8 Siedlungsportrait 8: Everstalsiedlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
5. Fazit: Die Folgen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
5.1 Probleme bei der Privatisierung von ehemaligen<br />
Zechen- und Stahlarbeitersiedlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
5.2 Veränderung der Bewohnerstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
5.3 Probleme bei der Privatisierung von 70er-Jahre-Siedlungen . . . 42<br />
5.4 Unklare Besitzverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
5.5 Differenzierter Umgang mit Verkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
„Hätte ich nicht diesen Kellner-<br />
Job um die Ecke und dann noch<br />
fünf M<strong>in</strong>uten entfernt den Krip-<br />
penplatz von Pablo, me<strong>in</strong>em<br />
zweijährigen Sohn, wäre ich aus<br />
diesem Viertel lieber heute als<br />
morgen raus“, seufzt der Alle<strong>in</strong>-<br />
erziehende Dieter Schlonski.<br />
Herr Schlonski lüftet an diesem<br />
Morgen nur ganz kurz. Draußen<br />
ist es kalt und bis die seit ihrem<br />
Bau 1972 nie modernisierte<br />
Wohnung warm ist, dauert es<br />
wieder Stunden. Lüften sollte er,<br />
hatten se<strong>in</strong>e Vormieter ihn doch<br />
vor dem Schimmelpilzproblem<br />
im Wohnzimmer gewarnt. In der<br />
Wohnung ist das gelöst, im Kel-<br />
ler allerd<strong>in</strong>gs nicht, weswegen er<br />
diesen auch nicht mehr zum<br />
Trocknen nutzt. Platz wäre neben<br />
dem dort angehäuften Müll über-<br />
dies nicht. Den Vermieter, der<br />
das Haus vor fünf Jahren erwor-<br />
ben hatte, <strong>in</strong>teressiert dieser Zu-<br />
stand nicht.<br />
An diesem Morgen reicht es<br />
Herrn Schlonski aber. Erneut ist<br />
Das Beispiel ist fiktiv, die Pro-<br />
bleme aber auch heute schon real.<br />
Der bundesdeutsche Wohnungs-<br />
markt hat sich <strong>in</strong> den letzten Jah-<br />
ren nachhaltig verändert. Seit dem<br />
Jahrtausend-Wechsel der Jahrtau-<br />
send-Wende wurden <strong>in</strong> Deutsch-<br />
land rund 1,5 Millionen ehemali-<br />
ger kommunaler bzw. werksver-<br />
bundener Wohnungen an <strong>in</strong>terna-<br />
tionale Fonds verkauft.<br />
In diesem Zusammenhang ver-<br />
breitete sich schnell die von dem<br />
damaligen SPD-Vorsitzenden<br />
Franz Müntefer<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>geführte<br />
Bezeichnung „Heuschrecken“, mit<br />
der er <strong>in</strong>ternationale Fonds cha-<br />
rakterisierte, die Unternehmen<br />
aufkauften, diese aussaugten und<br />
die Reste schnell weiter verkauften.<br />
das Warmwasser ausgefallen.<br />
Dass er wegen diesem notori-<br />
schen Problem, Spülwasser mit<br />
e<strong>in</strong>em Wasserkocher warm ma-<br />
chen muss, ist er gewohnt. Aber<br />
heute morgen wollte er se<strong>in</strong>en<br />
zweijährigen Sohn baden. Die<br />
Hoffnung auf e<strong>in</strong>e schnelle Repa-<br />
ratur oder gar e<strong>in</strong>e grundsätzliche<br />
Lösung dieses Problems hat er<br />
längst aufgegeben.<br />
Der e<strong>in</strong>zige Kontakt zum Ver-<br />
mieter geht über die monatliche<br />
Mietüberweisung. Ansonsten ist<br />
e<strong>in</strong> Verwaltungsunternehmen der<br />
Ansprechpartner. Dieses ist zwar<br />
immerh<strong>in</strong> 14 Stunden am Tag<br />
erreichbar, aber nur über e<strong>in</strong> zen-<br />
trales Call-Center. Dieses darf<br />
ke<strong>in</strong>e größeren Reparaturen <strong>in</strong><br />
Auftrag geben. Lediglich <strong>in</strong> Not-<br />
fällen schickt es <strong>in</strong>nerhalb von<br />
zwei Tagen die mobile Hausmeis-<br />
terfirma für das östliche Ruhrge-<br />
biet raus.<br />
Wohnungsunternehmen mutierten<br />
unter den Bed<strong>in</strong>gungen der Fonds<br />
häufig zu re<strong>in</strong>en Wohnungshänd-<br />
lern. Von diesem Handel ist <strong>in</strong>sbe-<br />
sondere das Ruhrgebiet betroffen.<br />
Die Folge für Mieter<strong>in</strong>nen und<br />
Mieter können hier<br />
im Beispiel<br />
1. E<strong>in</strong>leitung<br />
1.1<br />
<strong>Bochum</strong> im<br />
Februar des<br />
Kulturhauptstadtjahres<br />
2010<br />
1.2<br />
Veränderung auf<br />
den deutschen<br />
Wohnungsmärkten<br />
5
6<br />
„In manchen Siedlungen<br />
kommt es zum Verfall<br />
der Häuser...“<br />
schlecht ansprechbare oder nicht<br />
entscheidungsfähige Verwalter,<br />
stark gesenkte Instandhaltungs-<br />
<strong>in</strong>vestitionen und außerordentlich<br />
steigende Mieten se<strong>in</strong>. In manchen<br />
Siedlungen kommt es zum Verfall<br />
der Häuser, weil ke<strong>in</strong>e Instandhal-<br />
tungsmaßnahmen durchgeführt<br />
werden.<br />
Doch auch der Verkauf an e<strong>in</strong>-<br />
zelne Privateigentümer ist für die<br />
<strong>in</strong> den Wohnungen oder Häusern<br />
wohnenden Mieter<strong>in</strong>nen und<br />
Mieter meist problematisch, da<br />
unter anderem oftmals Kündigun-<br />
gen wegen Eigenbedarfs drohen<br />
oder die Miete erhöht wird.<br />
Zudem stellt es für die Mieter<br />
e<strong>in</strong>e große Belastung dar, wenn<br />
unklar ist, wer der neue Eigen-<br />
tümer ihrer Wohnung ist und<br />
welche Pläne dieser verfolgt.<br />
Da gerade die Mieterprivatisie-<br />
rungen relativ unbemerkt stattf<strong>in</strong>-<br />
den und kaum Aufsehen <strong>in</strong> der<br />
Öffentlichkeit erregen, hat der<br />
Mietervere<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong>, Hatt<strong>in</strong>gen<br />
und Umgegend e.V. <strong>in</strong> Zusammen-<br />
arbeit mit Dr. Sebastian Müller<br />
(Büro PlanungsPolitik-Forschung,<br />
Dortmund) die vorliegende Studie<br />
<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong> durchgeführt und <strong>in</strong><br />
dieser Broschüre veröffentlicht.<br />
Die Studie knüpft an e<strong>in</strong>e vorher-<br />
gehende Untersuchung zu neuen<br />
Eigentümerstrukturen <strong>in</strong> Dort-<br />
mund im Jahr 2007 an.
Zunächst möchten wir <strong>in</strong> die<br />
Nachkriegsgeschichte der Privati-<br />
sierung im Ruhrgebiet e<strong>in</strong>führen.<br />
Diese beg<strong>in</strong>nt mit dem Nieder-<br />
gang der großen Industriebetriebe<br />
<strong>in</strong> den 60er-Jahren. Die folgenden<br />
Mieterprivatisierungen und die<br />
Integration werksverbundener<br />
Wohnungen <strong>in</strong> öffentliche bzw.<br />
öffentlich-verbundene Unterneh-<br />
men hat e<strong>in</strong>e große Bedeutung für<br />
den aktuellen Wohnungsmarkt <strong>in</strong><br />
<strong>Bochum</strong>.<br />
Die Untersuchung verschaffte<br />
sich als erstes e<strong>in</strong>en Überblick<br />
über die <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
mehrfach verkauften Wohnungs-<br />
bestände sowie die beteiligten<br />
Akteure <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong>. Zu den Betei-<br />
ligten gehören neben den E<strong>in</strong>zel-<br />
käufern Wohnungsunternehmen<br />
und F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestoren, die im<br />
Kapitel „Unternehmen“ kurz vor-<br />
gestellt werden. Dieser Überblick<br />
war wichtig um herauszuf<strong>in</strong>den,<br />
ob sich nur wenige große Akteure<br />
oder mehrere kle<strong>in</strong>ere Unterneh-<br />
men an der untersuchten<br />
Privatisierungswelle<br />
<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong> be-<br />
teiligten.<br />
Anschließend wurde untersucht,<br />
wie sich der mehrfache Wechsel<br />
der Eigentümer auf die jeweiligen<br />
Siedlungen ausgewirkt hat. Die<br />
Untersuchung konzentrierte sich<br />
dabei auf die Bewohner<strong>in</strong>nen und<br />
Bewohner, das Wohnumfeld so-<br />
wie den Zustand der Häuser und<br />
Wohnungen vor und nach den<br />
Verkäufen.<br />
Der Mietervere<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong> kannte<br />
die Wohnviertel, die <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren privatisiert wurden, sodass<br />
e<strong>in</strong>e Vorauswahl der zu untersu-<br />
chenden Gebiete getroffen werden<br />
konnte. Nach Ortsbegehungen<br />
wurden schließlich folgende acht<br />
Siedlungen im Stadtgebiet von<br />
<strong>Bochum</strong> für die Studie ausgewählt:<br />
Uni-Center, Querenburg<br />
Gropiusweg, Querenburg<br />
Girondelle, Wiemelhausen<br />
Mittelgebirgsviertel, Hiltrop-Bergen<br />
Karl-Wagener-Straße, Oberdahlhausen<br />
Im Streb/Krachtstraße, Werne<br />
Kolonie Hannover, Wattenscheid-Günn<strong>in</strong>gfeld<br />
Everstalsiedlung, Langendreer<br />
1.3<br />
Die Studie<br />
<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
7
8<br />
Die untersuchten Wohnviertel<br />
lassen sich <strong>in</strong> zwei verschiedene<br />
Siedlungstypen aufteilen:<br />
• vernachlässigte Siedlungen<br />
• der 70er-Jahre sowie<br />
• mieterprivatisierte Zechen-<br />
• und Stahlarbeitersiedlungen.<br />
Diese Unterteilung wurde ent-<br />
wickelt, da es e<strong>in</strong>erseits ähnliche<br />
Probleme <strong>in</strong> den jeweiligen Sied-<br />
lungstypen gibt und sie sich ande-<br />
rerseits aufgrund des Baualters<br />
und der Bauweise nur schwer mit-<br />
e<strong>in</strong>ander vergleichen lassen. So<br />
bestehen die Zechen- und Stahlar-<br />
beitersiedlungen meist aus kle<strong>in</strong>e-<br />
ren Mehrfamilienhäusern, die<br />
überwiegend <strong>in</strong> den 50er-Jahren,<br />
vere<strong>in</strong>zelt auch schon Ende des<br />
19. Jahrhunderts errichtet wurden,<br />
während es sich bei den 70er-<br />
Jahre-Siedlungen meist um mehr-<br />
geschossige Plattenbauten handelt.<br />
Um die Privatisierung aus Mie-<br />
tersicht zu beleuchten und um der<br />
Information über die Situation vor<br />
Ort Geltung zu verschaffen, wur-<br />
den <strong>in</strong> jeder der untersuchten<br />
Siedlungen Interviews mit Bewoh-<br />
nern durchgeführt. Zum Großteil<br />
handelte es sich bei den Interview-<br />
partnern um Mieter<strong>in</strong>nen und<br />
Mieter, die schon lange <strong>in</strong> den<br />
jeweiligen Siedlungen wohnten<br />
und alle Eigentümerwechsel mit-<br />
erlebt hatten. Zur Kontrolle wur-<br />
den auch Privateigentümer, Woh-<br />
nungsunternehmen und die<br />
Bauverwaltung befragt.<br />
Im abschließenden Kapitel wur-<br />
den die Folgen der Wohnungsver-<br />
käufe für Mieter<strong>in</strong>nen und Mieter<br />
zusammengefasst. Daraus wurden<br />
Lösungsansätze und Handlungs-<br />
empfehlungen entwickelt, die für<br />
Wohnungsunternehmen und die<br />
Politik Möglichkeiten aufzeigen,<br />
um auf die Problematik reagieren<br />
zu können.<br />
Wir würden uns freuen, wenn<br />
diese Studie mit dazu beiträgt,<br />
dass die Debatte über Möglich-<br />
keiten und Notwendigkeiten der<br />
Wohnungspolitik <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
und den Stadtteilen sowie Vier-<br />
teln <strong>in</strong>tensiver geführt wird.
Die Geschichte der Wohnungs-<br />
privatisierung im Ruhrgebiet hat<br />
nicht erst im Jahr 2000 begonnen,<br />
<strong>in</strong> dem Jahr, mit dem unsere Un-<br />
tersuchung e<strong>in</strong>setzt.<br />
Vor 50 Jahren, da gaben Unter-<br />
nehmen der Stahlproduktion und<br />
des Bergbaus den Takt für die Ge-<br />
schichte der Stadtentwicklung im<br />
Ruhrgebiet noch fast ausschließ-<br />
lich vor. Damals sah es mit der<br />
Zukunft von Stahl- und Berg-<br />
arbeitersiedlungen schon e<strong>in</strong>mal<br />
schlecht aus. Das war um 1968<br />
herum. In <strong>Bochum</strong> wie im ganzen<br />
Ruhrgebiet waren die ersten<br />
Kohle- und Stahlkrisen der Nach-<br />
kriegszeit übers Land gegangen.<br />
Zehntausende Arbeitsplätze wur-<br />
den abgebaut – durch Stilllegun-<br />
gen und durch verstärkte Rationa-<br />
lisierung quer durch die Kohle-,<br />
Eisen- und Stahl<strong>in</strong>dustrie. Zum<br />
Selbstverständnis der Montan-<br />
Gegen den Abriss und die Zu-<br />
rückverwandlung <strong>in</strong> frei verfüg-<br />
bares Bodenkapital mobilisierten<br />
sich die Bewohner<strong>in</strong>nen und Be-<br />
wohner.<br />
Selten fanden sie Unterstützung<br />
<strong>in</strong> der Stadtpolitik, manchmal bei<br />
den Betriebsräten, bei den 68er<br />
Studierenden der Fachhochschulen<br />
und der neuen Universitäten im<br />
Ruhrgebiet, oft auch bei Architek-<br />
ten, Planern und Denkmalschüt-<br />
zern der Region. Es war die Zeit<br />
nach den wilden Septemberstreiks<br />
<strong>in</strong> den Eisenhütten, Stahl- und<br />
Walzwerken, die Zeit der außer-<br />
parlamentarischen Opposition,<br />
und die bekannteste Allianz e<strong>in</strong>er<br />
Siedlungs<strong>in</strong>itiative mit der Zivil-<br />
gesellschaft und e<strong>in</strong>em Architekten<br />
wurde das Bündnis für Oberhausen-<br />
Eisenheim. Der Architekturprofes-<br />
sor Roland Günther widerlegte die<br />
Argumente für den Abriss. Er und<br />
die Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner<br />
unternehmen gehörte es, dass das<br />
auch den Abbau der unterneh-<br />
menseigenenWohnungsversor- gung zur Folge haben musste. Sie<br />
wurde ja als freiwillige Sozialleis-<br />
tung und als B<strong>in</strong>dung von Tausen-<br />
den von Facharbeitern an den<br />
Betrieb begriffen und durchaus<br />
nicht als Beitrag zur Beseitigung<br />
von Wohnungsnot oder miserab-<br />
len Wohnverhältnissen im Ruhr-<br />
gebiet. Für weniger Arbeitskräfte<br />
wollten die Unternehmen nicht<br />
mehr so viele der traditionellen<br />
Mietwohnungen vorhalten wie<br />
bisher. Nicht zuletzt deswegen<br />
wurde nun manche Siedlung aus<br />
der Zeit vor dem Zweiten Welt-<br />
krieg mit dem Stempel versehen:<br />
nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr<br />
vermietungsfähig, nicht mehr<br />
modernisierungsfähig, zum Abriss<br />
freigegeben.<br />
zeichneten mit großem, positivem<br />
Medienecho das Bild e<strong>in</strong>er lebens-<br />
werten Zukunft Eisenheims, ver-<br />
bunden mit e<strong>in</strong>er Mobilisierung<br />
der IG-Metall und der Ankündi-<br />
gung, nicht vom Platz zu weichen.<br />
Sie zeigten die Solidarität und Le-<br />
bensqualität <strong>in</strong> diesen Gartenstädt-<br />
chen mitten im Ruhrgebiet und<br />
wie viel Selbsthilfe für die Moder-<br />
nisierung von Gärten und Woh-<br />
nungen <strong>in</strong> den Siedlungen steckte.<br />
Eisenheim wurde gerettet, da-<br />
nach Flöz Dickebank (Gelsenkir-<br />
chen), Tremonia und Somerberg-<br />
W<strong>in</strong>terberg (Dortmund). Aber die<br />
Wohnungsunternehmen der Ei-<br />
sen-, Stahl- und Bergbauunterneh-<br />
men erfanden neue Wege, solche<br />
Siedlungen loszuwerden und zu<br />
Geld zu machen, nämlich das, was<br />
sie Mieterprivatisierung nannten,<br />
den Verkauf an Bewohner und<br />
Bewohner<strong>in</strong>nen oder an andere<br />
E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressenten.<br />
2.<br />
Privatisierungsgeschichte<br />
im<br />
Ruhrgebiet<br />
„Nicht mehr zeitgemäß,<br />
nicht mehr vermietungsfähig,<br />
nicht mehr modernisierungsfähig,<br />
zum Abriss freigegeben.“<br />
2.1<br />
Die erste<br />
Privatisierungswelle<br />
und der<br />
Widerstand<br />
dagegen: Rettet<br />
Eisenheim!<br />
9
10<br />
2.2<br />
Privatisierung,<br />
die vom<br />
Standardverständnis<br />
abweicht<br />
2.3<br />
Die zweite<br />
Privatisierungswelle<br />
und e<strong>in</strong><br />
Gegenentwurf:<br />
Gründung der<br />
Genossenschaft<br />
Rhe<strong>in</strong>preußen<br />
Das war e<strong>in</strong> Privatisierungsver-<br />
ständnis, das vom Standard ab-<br />
weicht, freilich e<strong>in</strong>es, das dem<br />
Lebensgefühl und Gerechtigkeits-<br />
empf<strong>in</strong>den der Mieter und Miete-<br />
r<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Siedlungen ent-<br />
sprochen hat und noch immer<br />
entspricht. Privatisiert werden<br />
kann nur, was zuvor sich <strong>in</strong> öffent-<br />
lichem Eigentum bef<strong>in</strong>det – e<strong>in</strong><br />
K<strong>in</strong>dergarten, Schulen und kom-<br />
munale Stadtwerke, e<strong>in</strong> Kranken-<br />
haus, e<strong>in</strong> Hallenbad oder auch<br />
Wohnungen. Die Berg- und Stahl-<br />
arbeiterwohnungen gehörten aber<br />
Privatunternehmen. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
war e<strong>in</strong> großer Anteil der Woh-<br />
nungen seit den 20er- und 30er<br />
Jahren und dann nach dem Zwei-<br />
ten Weltkrieg so gut wie alle <strong>in</strong><br />
den 50ern und 60ern mit weniger<br />
oder mehr öffentlichen Geldern<br />
Nachverdichtung im Grünraum,<br />
E<strong>in</strong>zelprivatisierung von Wohnun-<br />
gen oder Häusern, Aufteilung und<br />
Abzäunen von Gärten wurden<br />
unmittelbar nach dem Scheitern<br />
der Abrissstrategie etwa seit Mitte<br />
der 70er-Jahre zur bevorzugten<br />
Strategie der unternehmensgebun-<br />
denen Wohnungswirtschaft im<br />
Ruhrgebiet, um den Wert der Sied-<br />
lungen zu heben und <strong>in</strong> Bares zu<br />
verwandeln.<br />
Auch die Bergarbeiter der Sied-<br />
lung Zeche Lothr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
kämpften ab Mitte der 80er-Jahre<br />
gegen Abriss und Mieterprivatisie-<br />
rung, schon damals mit Unterstüt-<br />
zung des Mietervere<strong>in</strong>s <strong>Bochum</strong>.<br />
Alle Siedlungen, die zuvor gegen<br />
den Abriss aufgestanden waren,<br />
wurden <strong>in</strong> den Strudel der E<strong>in</strong>zel-<br />
privatisierung gezogen. Ihre<br />
Wohnungen und nun auch viele<br />
Siedlungen im Besitz der VEBA<br />
wurden zunächst meist teilweise,<br />
manchmal auch vollständig mie-<br />
terprivatisiert. Dieser Strategie war<br />
gebaut worden. Sie waren im Ver-<br />
ständnis der Eigentümer wie der<br />
Mieter und Mieter<strong>in</strong>nen Bestand-<br />
teil des sozialen Wohnungsbaus<br />
und e<strong>in</strong> namhafter Teil der öffent-<br />
lichen Wohnungsversorgung <strong>in</strong><br />
den Städten des Ruhrgebiets. Mie-<br />
terrechte und Verfügbarkeit über<br />
die Wohnung waren den Rechten<br />
<strong>in</strong> den öffentlichen Wohnungen<br />
sehr ähnlich.<br />
Es trifft deswegen den sozialen<br />
Charakter der Berg- und Stahl-<br />
arbeiterwohnungen und wir bezie-<br />
hen uns auf ihn, wenn auch wir<br />
beim Verkauf dieser unterneh-<br />
mensgebundenenMietwohnun- gen an andere private Unterneh-<br />
men oder Privatpersonen von<br />
ihrer Privatisierung an diesem<br />
populären Verständnis von Woh-<br />
nungsprivatisierung festhalten.<br />
schlecht zu widerstehen, knüpfte<br />
sie doch an das Interesse der Mie-<br />
terInnen an, die <strong>in</strong> Selbsthilfe er-<br />
brachte Modernisierung Haus für<br />
Haus für sich zu „retten“ und e<strong>in</strong>e<br />
sichere Wohnperspektive für die<br />
Zeit nach der Rente zu haben.<br />
Mieterprivatisierung, die Mieter<br />
zu kle<strong>in</strong>en Eigentümern und die<br />
Eigentümer auch bald zu Vermie-<br />
tern machte, Nachbarn zu zeitwei-<br />
ligen Gegnern und Konkurrenten,<br />
hat freilich immer dann ke<strong>in</strong>en<br />
Erfolg, wenn die E<strong>in</strong>kommen<br />
nicht ausreichen, um Kauf und<br />
Hausf<strong>in</strong>anzierung zu stemmen<br />
oder wenn e<strong>in</strong>fach abgelehnt<br />
wird, sich mit diesen Kosten zu<br />
belasten. Wer heute durch die<br />
Siedlungen geht, kann an den<br />
Fassaden, den Haustüren, den<br />
Vorgärten und den Zäunen E<strong>in</strong>zel-<br />
eigentum oder Miete gut ablesen.<br />
Die grundsätzliche Ablehnung<br />
der Privatisierung von Siedlungen,<br />
auch der Mieterprivatisierung,<br />
wurde damals von der Arbeitsge-
me<strong>in</strong>schaft der Arbeitersiedlungs-<br />
<strong>in</strong>itativen im Ruhrgebiet aufrecht<br />
erhalten, der unter anderem die<br />
Initiativen Siedlungen Flöz Dicke-<br />
bank, Gelsenkirchen und Rhe<strong>in</strong>-<br />
preußen, Duisburg angehörten.<br />
E<strong>in</strong> solidarökonomischer Gegen-<br />
entwurf kam aber nur <strong>in</strong> Duisburg<br />
zum Zuge. Die Initiative Rhe<strong>in</strong>-<br />
preußen kämpfte dort seit 1975<br />
gegen Abriss und E<strong>in</strong>zelprivatisie-<br />
rung.<br />
In e<strong>in</strong>er beispiellosen Aktion,<br />
die <strong>in</strong> Mahnwachen und Hunger-<br />
streiks vor dem Duisburger Rat-<br />
haus und der Gläubigerbank <strong>in</strong><br />
Frankfurt ihren Höhepunkt er-<br />
reichte und unterstützt von Bera-<br />
tern wie Jörn Janssen, Manfred<br />
Walz oder Klaus Novotny, e<strong>in</strong>er<br />
breiten Solidaritätsbewegung aus<br />
den anderen Arbeitersiedlungen<br />
und dem Ruhrgebiet überhaupt,<br />
gelang es Rhe<strong>in</strong>preußen, die Stadt<br />
auf ihre Seite zu br<strong>in</strong>gen. 1984<br />
gründeten die Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
und Bewohner noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Akti-<br />
on der Gegenwehr die Bewohner-<br />
genossenschaft Rhe<strong>in</strong>preußen, die<br />
mit dem politischen Rückenw<strong>in</strong>d<br />
aus dem Duisburger Rathaus und<br />
politischer und wirtschaftlicher<br />
Unterstützung der Landesregie-<br />
rung NRW <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em knapp e<strong>in</strong>jäh-<br />
rigen Verfahren die Anerkennung<br />
im Verband und die Eigentums-<br />
übertragung für 411 Wohnungen<br />
<strong>in</strong> Erbpacht erreichte. Es gelang<br />
dadurch nicht, das schleichende<br />
Umsichgreifen der E<strong>in</strong>zelprivati-<br />
sierung im übrigen Ruhrgebiet<br />
aufzuhalten und e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />
Bewegung für neue, kle<strong>in</strong>e Genos-<br />
senschaften auszulösen.<br />
Diese Erfahrungen und die an-<br />
haltenden Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />
um die Privatisierung von Arbei-<br />
tersiedlungen <strong>in</strong> jeder Form der<br />
späten 70er- bis <strong>in</strong> die späten 80er-<br />
Jahre h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> bildeten den ge-<br />
schichtlichen H<strong>in</strong>tergrund dafür,<br />
dass die Landesregierung Ende der<br />
80er-Jahre unter Johannes Rau<br />
und dem Wohnungsbaum<strong>in</strong>ister<br />
Christoph Zöpel die Wohnungs-<br />
bestände der LEG um ehemalige<br />
Zechenwohnungen aus kle<strong>in</strong>eren,<br />
von der RAG unabhängigen<br />
Zechenwohnungsgesellschaften<br />
erweiterte. Dies war e<strong>in</strong>e Art<br />
flächendeckender Verstaatlichung<br />
der Privatisierungsdrohungen für<br />
gefährdete Bestände. Bei der Pleite<br />
der Neuen Heimat 1987 erwirbt<br />
die LEG 38.000 Wohnungen der<br />
Neuen Heimat NRW für den<br />
symbolischen Preis von e<strong>in</strong>er<br />
Mark h<strong>in</strong>zu.<br />
Ansichten aus der Rhe<strong>in</strong>preußen-Siedlung <strong>in</strong> Duisburg-Homberg.<br />
Die Wohnungsbestände der<br />
LEG wurden um ehemalige<br />
Zechenwohnungen aus<br />
kle<strong>in</strong>eren, von der RAG<br />
unabhängigen Zechen-<br />
wohnungsgesellschaften<br />
erweitert.<br />
11
12<br />
2.4<br />
Privatisierung<br />
durch Private-<br />
Equity-Kapital<br />
nach der Jahrtausendwende<br />
– nur e<strong>in</strong> Randthema<br />
<strong>in</strong><br />
<strong>Bochum</strong><br />
Überraschend stark und plötz-<br />
lich beteiligt sich <strong>in</strong>ternationales<br />
F<strong>in</strong>anzkapital seit der Jahrhun-<br />
dertwende an der Privatisierung<br />
von Wohnungen <strong>in</strong> ganz Deutsch-<br />
land, aber mit e<strong>in</strong>em deutlichen<br />
Schwerpunkt im Ruhrgebiet (und<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>). Die Heuschrecken-<br />
debatte geht los. In den 90er-<br />
Jahren bestimmte fast nur noch<br />
VEBA-Wohnen, 1990 <strong>in</strong> Viterra<br />
umfirmiert, die Privatisierungs-<br />
dynamik. Pakete verschiedenster<br />
Größe g<strong>in</strong>gen etwa an die schon<br />
genannte Häusserbau, Bellaform,<br />
Westfälische Wohnen, Emscher<br />
Siedlungsgesellschaft oder die<br />
selbst gegründete Verwertungs-<br />
tochter Mira (27.000 Wohnun-<br />
gen). E<strong>in</strong>zelprivatisierungen wur-<br />
den zu hunderten und tausenden<br />
realisiert. In <strong>Bochum</strong> privatisierte<br />
Viterra die meisten der Siedlun-<br />
gen, deren Privatisierungsge-<br />
schichte <strong>in</strong> diesem Bericht erzählt<br />
wird.<br />
Schließlich wird Viterra 2006<br />
selbst mit allen Wohnungsbestän-<br />
den an die Deutsche Ann<strong>in</strong>gton<br />
verkauft, e<strong>in</strong>e deutsche Platzhalte-<br />
r<strong>in</strong> der britischen Ann<strong>in</strong>gton, die<br />
wiederum im Eigentum des Fonds<br />
Terra Firma steht. Diese Form der<br />
Massenprivatisierung ist neuartig<br />
und wird durch die Liberalisierung<br />
der <strong>in</strong>ternationalen F<strong>in</strong>anz- und<br />
Kreditmärkte und durch das dort<br />
nach profitablen Investments su-<br />
chende Private Equity Fonds aus-<br />
gelöst. In der deutschen Privatisie-<br />
rungsgeschichte geht aber der<br />
Verkauf öffentlicher Wohnungen<br />
und Wohnungsunternehmen vor-<br />
aus. Deutsche Post und rot-grüne<br />
Bundesregierung verkauften 1997<br />
und 1998 Post und Eisenbahner-<br />
wohnungen an die Deutsche Bank<br />
und die Corpus Gruppe. Die Län-<br />
der Berl<strong>in</strong> und Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />
verkauften umfangreicheren<br />
Wohnungsbesitz an e<strong>in</strong>e Deutsche<br />
Grundbesitz Management GmbH<br />
und an e<strong>in</strong>e RSE-Beteiligungsgrup-<br />
pe. 1999 veräußert Kiel 11.000<br />
Wohnungen an die WCM Beteili-<br />
gungs- und Grundbesitz AG. Dann
verkauft Berl<strong>in</strong> im Mai 2004 an<br />
den Fonds Cerberus und die Bank<br />
Goldman Sachs <strong>in</strong> den USA<br />
65.000 GSW-Wohnungen. Im Juli<br />
desselben Jahres kaufte der Private<br />
Equity Fonds Fortress 82.000<br />
Wohnungen der Bundesversiche-<br />
rungsanstalt für Angestellte und<br />
den Firmenmantel, die Gagfah mit<br />
Sitz <strong>in</strong> Essen, wenig später die<br />
Dresdener Wohnungsbaugesell-<br />
schaft und die niedersächsische<br />
Nileg.<br />
Erst durch diese Verkäufe nah-<br />
men die unternehmensgebunde-<br />
nen Wohnungsgesellschaften des<br />
Ruhrgebiets Witterung auf. Thys-<br />
sen-Krupp verkaufte im Dezember<br />
2004 ihre 48.000 Wohnungen an<br />
das Konsortium Morgan Stanley,<br />
Goldman Sachs und Corpus. RWE<br />
veräußerte 4.500 Werkswohnun-<br />
gen an die Deutsche Ann<strong>in</strong>gton,<br />
die E.ON AG zog nach und ver-<br />
kaufte se<strong>in</strong>e Immobilientochter<br />
„Viterra“ mit ihren 152.000 Woh-<br />
nungen ebenfalls an die Deutsche<br />
Ann<strong>in</strong>gton.<br />
Diese Massenprivatisierungswel-<br />
le an <strong>in</strong>ternationale Private Equity<br />
Unternehmen und F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vesto-<br />
ren ist <strong>in</strong> der Folge der Weltf<strong>in</strong>anz-<br />
krise, der Kreditklemme und dem<br />
Zusammenbruch <strong>in</strong>ternationaler<br />
Investitionsbanken zunächst e<strong>in</strong>-<br />
mal seit Oktober 2007 zu Ende. Sie<br />
schwappte an <strong>Bochum</strong> so gut wie<br />
ganz vorbei. Viterra, RWE und<br />
Thyssen-Krupp hielten <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
so gut wie ke<strong>in</strong>e Bestände mehr<br />
oder wickelten nur noch letzte<br />
E<strong>in</strong>zelprivatisierungen ab. Aller-<br />
d<strong>in</strong>gs traten e<strong>in</strong>e Comer Immobi-<br />
lienmanagement GmbH & Co. KG,<br />
Tochter der britischen Comer<br />
Group, und e<strong>in</strong>e Dakota Invest-<br />
ment SA, Luxemburg, im Fall des<br />
unter Insolvenzverwaltung ste-<br />
henden <strong>Bochum</strong>er Uni-Center <strong>in</strong><br />
Ersche<strong>in</strong>ung. Dakota Investment<br />
kaufte das Unicenter und se<strong>in</strong>e<br />
Wohnungsbestände 2008. Des-<br />
wegen ist es auch Bestandteil<br />
dieser Untersuchung.<br />
Diese Massenprivatisierungs-<br />
welle an <strong>in</strong>ternationale Priva-<br />
te Equity Unternehmen und<br />
F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestoren ist <strong>in</strong> der Folge<br />
der Weltf<strong>in</strong>anzkrise, der Kredit-<br />
klemme und dem Zusammen-<br />
bruch <strong>in</strong>ternationaler Investiti-<br />
onsbanken zunächst e<strong>in</strong>mal seit<br />
Oktober 2007 zu Ende.<br />
13
14<br />
3.<br />
Beteiligte<br />
Unternehmen<br />
<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
VBW Bauen und Wohnen<br />
GmbH beschäftigt 113 Mit-<br />
arbeiter und verwaltet zur<br />
Zeit 14.581 Wohnungen,<br />
davon 12.687 Wohnungen<br />
<strong>in</strong> eigenem Besitz.<br />
Die Häusser-Bau GmbH ist<br />
im gewerblichen Bereich tätig<br />
und beschäftgt sich mit<br />
Privatisierungen.<br />
Ann<strong>in</strong>gton-Zentrale <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
In <strong>Bochum</strong> spielen ganz ver-<br />
schiedene Unternehmen e<strong>in</strong>e Rol-<br />
le bei der Wohnungsprivatisie-<br />
rung. Im Folgenden sollen die<br />
wichtigsten Unternehmen kurz<br />
vorgestellt werden.<br />
E<strong>in</strong> wichtiger Akteur auf dem<br />
<strong>Bochum</strong>er Wohnungsmarkt ist die<br />
VBW. Die VBW Bauen und Woh-<br />
nen GmbH wurde 1916 gegründet<br />
und ist über die Beteiligungen der<br />
städtischen Unternehmen Spar-<br />
kasse <strong>Bochum</strong> sowie Stadtwerke<br />
<strong>Bochum</strong> zu mehr als 50 Prozent <strong>in</strong><br />
kommunaler Hand. Die weiteren<br />
Anteilseigner s<strong>in</strong>d die Deutsche<br />
Ann<strong>in</strong>gton Vermögensgesellschaft<br />
mbH Co. KG, die Krupp Hoesch<br />
Stahl GmbH, die Bayerische Hypo-<br />
und Vere<strong>in</strong>sbank AG, die EURO-<br />
HYPO AG, die RAG Immobilien<br />
GmbH sowie weitere Anteilseigner<br />
aus <strong>Bochum</strong>. Das Unternehmen,<br />
das 113 Mitarbeiter beschäftigt,<br />
verwaltet zurzeit 14.581 Wohnun-<br />
gen, wovon 12.687 Wohnungen<br />
im Besitz der VBW s<strong>in</strong>d. Nach<br />
Angaben der Geschäftsführung ist<br />
das Kerngeschäft der VBW die<br />
nachhaltige Entwicklung von<br />
Wohnungsbeständen. Die VBW<br />
<strong>in</strong>vestiert vor allem <strong>in</strong> die Bestän-<br />
de, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Siedlungszusam-<br />
menhang (also <strong>in</strong> geschlossenen<br />
Wohngebieten) und nicht isoliert<br />
liegen.<br />
E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Akteur ist<br />
die Häusser-Bau Unternehmens-<br />
gruppe, die für den Handel mit<br />
Gewerbeimmobilien und E<strong>in</strong>zel-<br />
privatisierungen bekannt ist. Die<br />
Firma wurde 1967 von Erich<br />
Häusser und Werner Heckendorf<br />
mit e<strong>in</strong>em Stammkapital von<br />
20.000 DM gegründet. Schon<br />
1979 überschritt das Stammkapi-<br />
tal die Millionengrenze. Nachdem<br />
Erich Häusser 1987 aus der Firma<br />
ausschied, holte Werner Hecken-<br />
dorf se<strong>in</strong>e Söhne mit <strong>in</strong> die Firma.<br />
Das Hauptgeschäft der<br />
Häusser-Bau
GmbH liegt im gewerblichen Be-<br />
reich. Daneben läuft schon lange<br />
das Geschäft mit Privatisierungen.<br />
Die Häusser-Bau war <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
u.a. an den Privatisierungen <strong>in</strong> den<br />
Siedlungen Zeche Hannove sowie<br />
dem Mittelgebirgsviertel beteiligt.<br />
In der Vergangenheit spielte die<br />
Viterra AG (ehemals VEBA Im-<br />
mobilien) auf dem <strong>Bochum</strong>er<br />
Wohnungsmarkt e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Rolle. Die Immobilientochter des<br />
Energieversorgers E.ON AG war<br />
mit 152.000 Wohnungen der<br />
größte deutsche Immobilienbesit-<br />
zer, bis sie im Jahr 2005 von der<br />
Deutschen Ann<strong>in</strong>gton für sieben<br />
Milliarden Euro übernommen<br />
wurde. Die Gruppe der Wohn-<br />
unternehmen des Private Equity<br />
Fonds Terra Firma ist aktuell der<br />
größte Besitzer von Mietwohnun-<br />
gen <strong>in</strong> Deutschland. Derzeit s<strong>in</strong>d<br />
es etwa 222.000 Wohnungen. Zur<br />
Deutschen Ann<strong>in</strong>gton Vermö-<br />
gensgesellschaft mbH Co. KG,<br />
mit Hauptsitz <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong>, gehören<br />
sieben Regionalgesellschaften mit<br />
Sitz <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Dortmund, Düssel-<br />
dorf, Essen, Frankfurt am Ma<strong>in</strong>,<br />
Kiel und München. Auf ihrer<br />
Homepage beschreiben sie ihre<br />
Hauptaufgabe so: „Mit unseren<br />
Ankäufen folgen wir unserer stra-<br />
tegischen L<strong>in</strong>ie, möglichst für die<br />
Privatisierung geeignete Woh-<br />
nungsbestände <strong>in</strong> unser Portfolio<br />
zu <strong>in</strong>tegrieren, sie effizient zu be-<br />
wirtschaften und unter E<strong>in</strong>hal-<br />
tung des gesetzlichen und zusätz-<br />
lich vere<strong>in</strong>barten Mieterschutzes<br />
sukzessive den Mietern, anderen<br />
Selbstnutzern und Kapitalanlegern<br />
zum Kauf anzubieten.“ Die Deut-<br />
sche Ann<strong>in</strong>gton hat viele Häuser <strong>in</strong><br />
der untersuchten Siedlung Evers-<br />
talstraße verkauft, besitzt dort aber<br />
weiterh<strong>in</strong> noch Bestände.<br />
Für e<strong>in</strong>ige der Unternehmen, die<br />
<strong>in</strong> den untersuchten Siedlungen<br />
Eigentümer s<strong>in</strong>d, lässt sich kaum<br />
mehr als die Adresse des Firmen-<br />
sitzes ermitteln. Der Besitzer des<br />
Uni-Centers ist zum Beispiel e<strong>in</strong>e<br />
Aktiengesellschaft mit dem Na-<br />
men Dakota Investments S.A.,<br />
mit e<strong>in</strong>er Adresse <strong>in</strong> Luxemburg.<br />
Ob dah<strong>in</strong>ter vielleicht noch e<strong>in</strong><br />
anderes Unternehmen steht oder<br />
ob die Unternehmer wirklich aus<br />
Luxemburg kommen, ist völlig<br />
unklar, da jeder unabhängig von<br />
der Staatsangehörigkeit und des<br />
Wohnsitzes <strong>in</strong> Luxemburg e<strong>in</strong>e<br />
Aktiengesellschaft gründen kann.<br />
E<strong>in</strong> Eigentümer der Objekte am<br />
Peter-Parler-Weg ist die Tower 1<br />
Immobilien GmbH und Co. vier-<br />
te KG. Dieses Unternehmen ist<br />
e<strong>in</strong>e Tochterfirma der dänischen<br />
Towergroup A/S, die <strong>in</strong> Kopenha-<br />
gen ansässig ist. Die Towergroup<br />
beschreibt sich auf ihrer Homepa-<br />
ge als e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, die<br />
auf die Investition <strong>in</strong> attraktive<br />
und gut gelegene Immobilien <strong>in</strong><br />
Deutschland und anderen europä-<br />
ischen Wachstumsmetropolen<br />
fokussiert.<br />
Besonders bei Unternehmen<br />
ohne Sitz <strong>in</strong> der BRD ist es kaum<br />
möglich, e<strong>in</strong>en Ansprechpartner<br />
zu erreichen, oftmals gel<strong>in</strong>gt nur<br />
der Kontakt zu dem mit der Haus-<br />
verwaltung beauftragten Unter-<br />
nehmen. Diese Verwaltungen<br />
haben wiederum nur die aller-<br />
nötigsten und nur f<strong>in</strong>anziell e<strong>in</strong>-<br />
geschränkteHandlungsmöglich- keiten. Noch schlimmer wird es,<br />
wenn noch nicht e<strong>in</strong>mal mehr<br />
ladungsfähige Anschriften für<br />
Instandhaltungsklagen ermittelt<br />
werden können.<br />
Für e<strong>in</strong>ige der Unternehmen, die<br />
<strong>in</strong> den untersuchten Siedlungen<br />
Eigentümer s<strong>in</strong>d, lässt sich kaum<br />
mehr als die Adresse des Firmen-<br />
sitzes ermitteln.<br />
E<strong>in</strong>gang von Gut Heckhuesen, dem<br />
Firmensitz der Häusser-Bau GmbH<br />
Besonders bei Unternehmen ohne<br />
Sitz <strong>in</strong> der BRD ist es kaum mög-<br />
lich, e<strong>in</strong>en Ansprechpartner zu<br />
erreichen...<br />
15
16<br />
4.1<br />
Siedlungsportrait 1<br />
Uni-Center<br />
„Das Eigenartige ist, seitdem<br />
Comer das im September 2006<br />
übernommen hat, ist nichts, aber<br />
auch absolut nichts mehr <strong>in</strong> den<br />
Häusern gemacht worden...“<br />
Der abgeplatze Putz ist nur e<strong>in</strong> offensichtliches<br />
Zeichen der mangelnder<br />
Instandhaltung.<br />
Das Uni-Center mit 305 Woh-<br />
nungen liegt im Ortsteil Queren-<br />
burg <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zur<br />
Ruhr-Universität <strong>Bochum</strong>. Es be-<br />
steht aus e<strong>in</strong>er Fußgängerzone mit<br />
zahlreichen Geschäften, gerahmt<br />
von e<strong>in</strong>er massiven Wohnbebau-<br />
ung aus dem Anfang der 70er-Jah-<br />
re, sechs bis 20 Geschosse hoch.<br />
Der Komplex gehört seit Herbst<br />
2006 e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Luxemburg ansässi-<br />
gen F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestor, der Dakota In-<br />
vestments. Es ist jedoch unklar,<br />
wer genau h<strong>in</strong>ter Dakota Invest-<br />
ments steht, zu erreichen ist stets<br />
nur die Hausverwaltung.<br />
Anfangs galt das Uni-Center als<br />
Top-Adresse, besonders aufgrund<br />
se<strong>in</strong>er unmittelbaren Nähe zur<br />
Universität, zu den Geschäften<br />
und zu kulturellen und sozialen<br />
E<strong>in</strong>richtungen vor der Haustür,<br />
aber auch wegen der Mitbewoh-<br />
ner, die das urbane Konzept, das<br />
studentische und akademische<br />
Flair schätzten. Allerd<strong>in</strong>gs standen<br />
bereits kurz nach der Fertigstel-<br />
lung viele Wohnungen leer, wes-<br />
halb diese Wohnungen zu Sozial-<br />
wohnungenumgewan- delt wurden.<br />
Nachdem das Uni-<br />
Center durch den Bank-<br />
rott der Eigentümer<strong>in</strong><br />
Marietta Bergstedt e<strong>in</strong>ige<br />
Jahre unter Zwangsver-<br />
waltung geriet, wurde es<br />
2006 von Dakota Invest-<br />
ments gekauft. Seitdem<br />
liegt die Hausverwaltung<br />
<strong>in</strong> den Händen e<strong>in</strong>er<br />
ortsfernen Firma, näm-<br />
lich dem britischen<br />
Hausverwalter Comer<br />
mit Sitz <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Mit<br />
der neuen Hausverwal-<br />
tung geht es bergab:<br />
„Das Eigenartige ist, seitdem Co-<br />
mer das im September 2006 über-<br />
nommen hat, ist nichts, aber<br />
auch absolut nichts mehr <strong>in</strong> den<br />
Häusern gemacht worden. Unter<br />
dem Zwangsanwalt, da wurde<br />
wenigstens noch etwas gemacht.<br />
Wir kriegten neue Balkontüren,<br />
neue Haustüren, teilweise neue<br />
Fenster.“<br />
Das Uni-Center wird herunter-<br />
gewirtschaftet, so klagen die Mie-<br />
ter: „Ich habe Sickerwasser, was<br />
vom Laubengang hier <strong>in</strong>s Wohn-<br />
zimmer läuft, me<strong>in</strong> Teppich ist<br />
verhunzt. Ich b<strong>in</strong> ständig erkältet<br />
und wie gesagt, ich habe e<strong>in</strong>en<br />
Dipl.-Ingenieur hier gehabt, und<br />
der hat festgestellt nach e<strong>in</strong>er Mes-<br />
sung: 25% Feuchtigkeit <strong>in</strong> den<br />
Wänden. Daraufh<strong>in</strong> habe ich e<strong>in</strong>e<br />
20%ige Mietkürzung gemacht und<br />
habe alles e<strong>in</strong>er Rechtsanwält<strong>in</strong><br />
übergeben. Aber die hat sich<br />
schon die F<strong>in</strong>ger wund geschrie-<br />
ben, es kommt ke<strong>in</strong>e Resonanz<br />
aus Berl<strong>in</strong>.“<br />
Die Bewohnerstruktur des Uni-<br />
Centers ist durch k<strong>in</strong>derreiche Fa-<br />
milien, Haushalte mit Migrations-<br />
h<strong>in</strong>tergrund,Sozialleistungsemp- fänger sowie Studierende geprägt.<br />
Und sie haben ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf<br />
die Unternehmenspolitik von<br />
Dakota Investments, wie die Mie-<br />
ter<strong>in</strong>nen und Mieter es klar erken-<br />
nen: „Also wie gesagt, das ist e<strong>in</strong>e
Heuschrecke, so sagt man ja heute,<br />
das heißt, er (der Investor) will<br />
eben das große Geld machen und<br />
das <strong>in</strong>teressiert ihn auch nicht,<br />
wenn jetzt Frau F. was von der<br />
Miete abzieht. Der rechnet sich<br />
aus, das ist immer noch günstiger,<br />
als wenn ich irgendwas hier reno-<br />
vieren lasse.“<br />
Zur Unternehmenspolitik<br />
sche<strong>in</strong>t es auch zu gehören,<br />
falsche Nebenkostenabrech-<br />
nungen zu erstellen. E<strong>in</strong>e<br />
Mieter<strong>in</strong> hat dies über<br />
mehrere Jahre verfolgt: „Ich habe<br />
das mal ausgerechnet, der Ver-<br />
gleich 2004 zu 2006, da machte<br />
zum Beispiel der Hausstrom bei<br />
Comer 369% dessen aus, was zwei<br />
Jahre vorher gefordert wurde. Die<br />
Müllabfuhr machte 120% dessen<br />
aus, also e<strong>in</strong>e Steigerung um 20%.<br />
Die Grundsteuer, das ist ja jetzt<br />
e<strong>in</strong> verhältnismäßig neutraler<br />
Betrag, machte 174% dessen aus,<br />
was zwei Jahre vorher gefordert<br />
wurde, das kann nicht se<strong>in</strong>. Und<br />
die Gesamtkosten waren dann um<br />
24% gestiegen.“<br />
Die Mieterschaft ist gespalten,<br />
ob sie das Herabwirtschaften aus-<br />
halten soll oder ob sie, wenn sie<br />
es wirtschaftlich kann, dem Uni-<br />
Center den Rücken zukehren soll.<br />
Die e<strong>in</strong>e Seite me<strong>in</strong>t: „Was noch<br />
immer e<strong>in</strong>e gewisse Verlockung<br />
ist, das ist die relativ gute Lage zu<br />
Geschäften, Anb<strong>in</strong>dung an die<br />
„Und die Gesamtkosten waren<br />
dann um 24% gestiegen.“<br />
Die Wohn-<br />
Hochhäuser<br />
im Uni-Center<br />
17
18<br />
Fortsetzung Portrait 1<br />
Uni-Center<br />
„Es ist zum Wohnen so gesehen<br />
klasse, deswegen b<strong>in</strong> ich auch<br />
so ärgerlich, dass man mir me<strong>in</strong><br />
schönes Wohnen hier kaputt<br />
gemacht hat.“<br />
Blick auf das Uni-Center<br />
vom Hustadtr<strong>in</strong>g aus<br />
gesehen.<br />
U-Bahn. Das lässt eben den e<strong>in</strong>en<br />
oder anderen immer noch sozu-<br />
sagen überlegen, ob er nicht doch<br />
vielleicht lieber hier bleibt.“ E<strong>in</strong>e<br />
langjährige Mieter<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t: „Es ist<br />
zum Wohnen so gesehen klasse,<br />
deswegen b<strong>in</strong> ich auch so ärger-<br />
lich, dass<br />
man mir<br />
me<strong>in</strong> schö-<br />
nes Wohnen<br />
hier kaputt<br />
gemacht<br />
hat.“<br />
Die andere<br />
Seite denkt:<br />
„Ich kenne<br />
viele, die<br />
hier ausge-<br />
zogen s<strong>in</strong>d.<br />
Ich würde<br />
ausziehen, wenn ich nicht 80 Jah-<br />
re wäre, mit 80 zieht man nicht<br />
mehr um. Der ganze Aufwand,<br />
also bleibe ich hier. Ich bleibe aber<br />
auch aus e<strong>in</strong>em anderen Grund.<br />
Me<strong>in</strong> Mann hat 1990 [...] die alten<br />
Fliesen rausgerissen, hat mir die<br />
Wände gefliest, den Fußboden ge-<br />
fliest […], aber wenn ich frei be-<br />
weglich wäre, so körperlich, dann<br />
wäre ich ausgezogen.“<br />
E<strong>in</strong> Interviewpartner fasst die<br />
derzeitige Situation des Uni-Cen-<br />
ters folgendermaßen zusammen:<br />
„Also ich b<strong>in</strong> fest davon über-<br />
zeugt, dass hier nichts gemacht<br />
wird, solange diese Firma das hier<br />
hat, weil sie das nur als e<strong>in</strong> Profit-<br />
Objekt betrachtet. Das heißt,<br />
wenn überhaupt etwas gemacht<br />
wird, dann ist die Adresse e<strong>in</strong>e<br />
andere, das ist im Grunde die<br />
Adresse der Regierung, sei es nun<br />
der Stadt- oder der Landesregie-<br />
rung oder was Sie wollen.“
Die Siedlung liegt im Ortsteil<br />
Querenburg und umfasst Gebäude<br />
an den Straßen Gropiusweg, Ca-<br />
millo-Sitte-Weg und Peter-Parler-<br />
Weg. Sie ist die größte der unter-<br />
suchten Siedlungen.<br />
Der Ersteigentümer war die<br />
Treuhandstelle für Bergmanns-<br />
wohnstätten im rhe<strong>in</strong>isch-westfä-<br />
lischen Ste<strong>in</strong>kohlenbezirk GmbH<br />
(THS), später wurde die Siedlung<br />
an die GVG Grundstücks GmbH &<br />
Co. und die VBW veräußert. Die<br />
VBW versuchte vor e<strong>in</strong>igen Jahren<br />
erfolglos, Wohnungen als Eigen-<br />
tumswohnungen zu verkaufen.<br />
Momentan s<strong>in</strong>d die Besitzverhält-<br />
nisse relativ unüberschaubar,<br />
neben vielen Privateigentümern<br />
gehört e<strong>in</strong> Gebäude der Stadt<br />
<strong>Bochum</strong>, drei Gebäude gehören<br />
der Häusser-Bau Unternehmens-<br />
gruppe und 20 Gebäude der Tower<br />
1 Immobilien GmbH & Co. vierte<br />
KG. Außerdem bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong><br />
ehemaliges Flüchtl<strong>in</strong>gsheim der<br />
Stadt <strong>in</strong> der Siedlung. Es steht mo-<br />
mentan leer.<br />
Insgesamt s<strong>in</strong>d die Häuser <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em eher schlechten Zustand,<br />
viele notwendige Instandhaltungs-<br />
bzw. Sanierungsmaßnahmen wer-<br />
den nicht<br />
durchge-<br />
führt. Es lö-<br />
sen sich Plat-<br />
ten an den<br />
Außenwän-<br />
den,wo- durch nicht<br />
nur Fenster<br />
Risse beka-<br />
men,son- dern auch<br />
e<strong>in</strong>e akute<br />
Bedrohung<br />
für die Bewohner besteht: „Also da<br />
will ich ja nicht grade unten her-<br />
laufen und so e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g auf den<br />
Kopf kriegen.“ Es werden zwar<br />
Reparaturarbeiten durchgeführt.<br />
Aber Mängel, wie undichte oder<br />
kaputte Fenster, e<strong>in</strong> seit drei Mo-<br />
naten kaputtes Garagentor, e<strong>in</strong>ge-<br />
tretene Scheiben oder unnötige<br />
Gitter, die Durchgänge versperren,<br />
ärgern die Mieter auch. H<strong>in</strong>zu<br />
kommt, dass auch das Wohnum-<br />
feld vernachlässigt wird, so ist<br />
zum Beispiel der Spielplatz seit<br />
4.2<br />
Siedlungsportrait 2<br />
Gropiusweg<br />
Insgesamt s<strong>in</strong>d die<br />
Häuser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eher<br />
schlechten Zustand...<br />
19
20<br />
Fortsetzung Portrait 2<br />
Gropiusweg<br />
E<strong>in</strong> völlig<br />
vernachlässigter<br />
Spielplatz <strong>in</strong><br />
der Siedlung<br />
Gropiusweg.<br />
„Da musste ich dann erstmal<br />
die Feuerwehr rufen, damit<br />
die me<strong>in</strong>e Mutter hoch tragen.<br />
Das ist doch<br />
ke<strong>in</strong> Zu-<br />
stand!“<br />
Jahren nicht benutzbar und der<br />
Garagenhof mit Müll verschmutzt.<br />
Besonders gravierend ist aus<br />
Sicht der Bewohner und Bewohne-<br />
r<strong>in</strong>nen jedoch die Tatsache, dass<br />
zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gebäude von<br />
Häusser-Bau der Aufzug nur unre-<br />
gelmäßig funktioniert und die<br />
Mieter teilweise bis <strong>in</strong> den zehn-<br />
ten Stock laufen müssen – und das<br />
mehrmals täglich. E<strong>in</strong>e Mieter<strong>in</strong><br />
berichtet: „Ich b<strong>in</strong> immer total<br />
erledigt, wenn ich dann <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />
Wohnung ankomme… wenn ich<br />
abends nach Hause komme, ich<br />
habe E<strong>in</strong>käufe, die K<strong>in</strong>der muss<br />
ich manchmal hochtragen. Man<br />
weiß nie, ob der Aufzug funktio-<br />
niert und <strong>in</strong> welche Etage er fährt.<br />
Wir hatten das auch schon, da ist<br />
der immer nur vom Keller <strong>in</strong> den<br />
zehnten Stock gefahren, ohne an-<br />
zuhalten.“<br />
Gerade ältere Menschen, Mütter<br />
mit K<strong>in</strong>derwagen oder Personen<br />
im Rollstuhl werden dadurch stark<br />
<strong>in</strong> ihren Bewegungsmöglichkeiten<br />
e<strong>in</strong>geschränkt, da sie das Haus<br />
entweder erst gar nicht verlassen<br />
können oder nicht mehr ohne<br />
Hilfe <strong>in</strong> ihre Wohnung zurück-<br />
kommen. E<strong>in</strong>e Nachbar<strong>in</strong> erzählt:<br />
„Da stand ich dann mit me<strong>in</strong>er<br />
Mutter, die sitzt im Rollstuhl, und<br />
wir kamen nicht hoch, weil der<br />
Aufzug mal wieder nicht g<strong>in</strong>g. Da<br />
musste ich dann erstmal die Feu-<br />
erwehr rufen, damit die me<strong>in</strong>e<br />
Mutter hochtragen. Das ist doch<br />
ke<strong>in</strong> Zustand!“ E<strong>in</strong> anderer Mieter<br />
berichtet: „Wenn wir e<strong>in</strong>kaufen<br />
gehen, wissen wir immer nicht, ob<br />
wir die Kartoffeln oder das Wasser<br />
noch mitnehmen können, weil es<br />
ja se<strong>in</strong> kann, dass wir wieder nicht<br />
nach oben kommen. Manchmal<br />
müssen wir die Sachen erstmal im
Keller lagern… Mittlerweile s<strong>in</strong>d<br />
wir ja schon froh, wenn der Auf-<br />
zug e<strong>in</strong>mal am Tag fährt.“<br />
Für Wohnungen, die Häusser-<br />
Bau gehören, ist nie e<strong>in</strong> Ansprech-<br />
partner zu erreichen oder bei<br />
jedem Anruf jemand anders zu-<br />
ständig, sodass die Mieter ihre<br />
Beschwerden nicht loswerden<br />
können und sich total vernach-<br />
lässigt fühlen: „Bei Häusser-Bau<br />
werden Menschen nicht als Kun-<br />
den angesehen!“ Auf Protestschrei-<br />
ben oder angedrohte Mietkürzun-<br />
gen reagiert Häusser-Bau bislang<br />
nicht, weshalb davon ausgegan-<br />
gen werden kann, dass seitens des<br />
Unternehmens ke<strong>in</strong> Interesse be-<br />
steht, etwas an der Situation zu<br />
verändern oder <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er<br />
Form Renovierungsarbeiten durch-<br />
zuführen.<br />
Auch für die Stadt <strong>Bochum</strong> gibt<br />
es aufgrund der unübersichtlichen<br />
Eigentümersituation ke<strong>in</strong>en An-<br />
sprechpartner und bei e<strong>in</strong>igen<br />
Eigentümern ist immer nur der<br />
jeweilige Anwalt zu erreichen.<br />
Siedlung<br />
Gropiusweg<br />
von der<br />
Hofseite<br />
aus gesehen.<br />
„Bei Häusser-Bau werden<br />
Menschen nicht als Kunden<br />
angesehen!“<br />
21
22<br />
4.3<br />
Siedlungsportrait 3<br />
Girondelle<br />
Mieter<strong>in</strong>nen und Mieter möchten<br />
weiterh<strong>in</strong> hier wohnen bleiben.<br />
Die Terassenlandschaft<br />
der<br />
Girondelle.<br />
Das von 1967 bis 1971 erbaute<br />
Terrassenhaus an der Girondelle<br />
84 – 90 hat schon bessere Zeiten<br />
erlebt.<br />
Schon von außen macht es ei-<br />
nen vernachlässigten E<strong>in</strong>druck. In<br />
den Treppenhäusern ist das Bild<br />
nicht besser. Sie s<strong>in</strong>d verschmutzt<br />
und seit Jahren nicht gestrichen<br />
worden. Die 211 Wohnungen s<strong>in</strong>d<br />
meist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em besseren Zustand,<br />
sie s<strong>in</strong>d gut aufgeteilt und haben<br />
große Balkone. Zum Teil s<strong>in</strong>d sie<br />
jedoch von Schimmel befallen<br />
oder haben undichte Fenster. Den-<br />
noch fühlen sich viele Mieter im-<br />
mer noch sehr wohl, können es<br />
allerd<strong>in</strong>gs nicht verstehen, dass<br />
die Gebäude so vernachlässigt<br />
worden s<strong>in</strong>d:<br />
„War mal so e<strong>in</strong><br />
Prachtbau. Hier,<br />
so e<strong>in</strong> Vorzeige-<br />
haus und jetzt so<br />
was...“<br />
Trotzdem<br />
möchten viele<br />
Mieter<strong>in</strong>nen und<br />
Mieter weiterh<strong>in</strong><br />
wohnen bleiben:<br />
„Ich wohne die-<br />
ses Jahr 38 Jahre<br />
hier und ich<br />
wohne hier gerne, es ist sehr ru-<br />
hig. Wir haben hier e<strong>in</strong>e gute<br />
Nachbarschaft, da ist wirklich gar<br />
nichts zu bemängeln. Wir haben<br />
e<strong>in</strong> schönes Umfeld, alle Geschäf-<br />
te, alle Verkehrsanb<strong>in</strong>dungen,<br />
vom Wohnwert, wenn man davon<br />
absieht, wie das hier runtergekom-<br />
men ist.“ E<strong>in</strong>e Mieter<strong>in</strong> berichtete,<br />
dass die Häuser noch nie renoviert<br />
wurden. Es werden lediglich kle<strong>in</strong>e<br />
D<strong>in</strong>ge vom Hausmeister wieder<br />
<strong>in</strong>stand gesetzt.<br />
Seitdem die VBW (Vere<strong>in</strong>igte<br />
<strong>Bochum</strong>er Wohnungsgesellschaft<br />
mbH) das Objekt im Jahr 2000 an<br />
Janssen und Helb<strong>in</strong>g verkauft hat,<br />
stimmen die Nebenkostenabrech-<br />
nungen nicht mehr, sie s<strong>in</strong>d feh-<br />
lerhaft bzw. zu hoch. Seit 2001<br />
werden die vier Gebäude zwangs-<br />
verwaltet, da Janssen und Helb<strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong> Konkurs g<strong>in</strong>gen. Seitdem steht<br />
die Zukunft des Terrassenbaus <strong>in</strong><br />
den Sternen. Viele Mieter<strong>in</strong>nen<br />
und Mieter machen sich Sorgen:<br />
„Diese Ungewissheit, was hier mal<br />
wird..., Sie haben auch nichts ge-<br />
hört, ne? Manche sagen, es soll<br />
abgerissen werden. Aber wo wollen<br />
die mit den ganzen Leuten h<strong>in</strong>?<br />
Ist ja fast alles bewohnt. Also, gro-<br />
ße Wohnungen s<strong>in</strong>d hier ziemlich
viele frei, auch hier nebenan.“<br />
Auch die Zusammensetzung der<br />
Mieterschaft hat sich sehr stark<br />
verändert, sodass heute viele Men-<br />
schen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
dort wohnen Die Zahl der Großfa-<br />
milien <strong>in</strong> dem Gebäude hat h<strong>in</strong>ge-<br />
gen stark abgenommen: „Ja, also,<br />
wir haben hier viele Russland-<br />
Deutsche. Me<strong>in</strong>e Nachbar<strong>in</strong> und<br />
ich s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zigen Deutschen<br />
hier. Aber ich muss sagen, die s<strong>in</strong>d<br />
sehr nett. Die s<strong>in</strong>d ruhig, die grü-<br />
ßen. Da kann ich überhaupt<br />
nichts Nachteiliges sagen. Auch<br />
hier im restlichen Haus gibt es<br />
total nette Familien.“<br />
...viele Menschen mit<br />
Migrationsh<strong>in</strong>ter-<br />
grund wohnen dort.<br />
Wasserschäden auf<br />
der Fassade der<br />
Girondelle.<br />
23
Übersicht der untersuchten Siedlungen<br />
24<br />
Siedlungsportrait 7:<br />
Kolonie Hannover<br />
Siedlungsportrait 4:<br />
Karl-Wagener-Straße
Siedlungsportrait 5:<br />
Mittelgebirgsviertel<br />
Siedlungsportrait 3:<br />
Girondelle<br />
Siedlungsportrait 1:<br />
Uni-Center<br />
Siedlungsportrait 6:<br />
Im Streb/Krachtstraße<br />
Siedlungsportrait 2:<br />
Gropiusweg<br />
Siedlungsportrait 8:<br />
Everstalsiedlung<br />
25
26<br />
4.4<br />
Siedlungsportrait 4<br />
Karl-Wagener-<br />
Straße<br />
Häuserreihe <strong>in</strong> der<br />
Karl-Wagener-Straße.<br />
„Viterra hat uns<br />
angeschrieben<br />
...“<br />
Die Siedlung an der Karl-Wage-<br />
ner-Straße und An der Ste<strong>in</strong>halde<br />
<strong>in</strong> Oberdahlhausen ist e<strong>in</strong>e ehe-<br />
malige Zechensiedlung, die <strong>in</strong> den<br />
50er-Jahren erbaut wurde. Insge-<br />
samt macht die Siedlung e<strong>in</strong>en<br />
gepflegten E<strong>in</strong>druck, der zum Teil<br />
auf die große Renovierung im<br />
Jahre 1994, aber auch auf Reno-<br />
vierungen der jetzigen Eigentümer<br />
zurückzuführen ist. Die Gebäude<br />
sowie die Gärten An der Ste<strong>in</strong>hal-<br />
de s<strong>in</strong>d jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schlech-<br />
teren Zustand.<br />
Zur Siedlung gehören 22 Mehr-<br />
familienhäuser, die Bellaform,<br />
e<strong>in</strong>e Tochterfirma von Häusser-<br />
Bau, im Januar 2004 von Viterra<br />
gekauft hat. Viterra hat die Mieter<br />
daraufh<strong>in</strong> schriftlich über den<br />
Verkauf <strong>in</strong>formiert: „Viterra hat<br />
uns angeschrieben und dann ha-<br />
ben wir auch e<strong>in</strong>e Versammlung<br />
gehabt.“ Wenige Tage später stan-<br />
den die Häuser dann schon wieder<br />
zum Verkauf – diesmal e<strong>in</strong>-<br />
zeln. Inzwischen ist die<br />
Mehrzahl der<br />
Gebäude<br />
weiter verkauft worden: „Hier an<br />
der Karl-Wagener-Straße ist alles<br />
weg – alles verkauft! Hier, diese<br />
Straße da unten [An der Ste<strong>in</strong>hal-<br />
de], die ist noch nicht verkauft.<br />
Die kriegen sie auch nicht los, so<br />
schnell, weil das nur 2-Zimmer-<br />
Wohnungen s<strong>in</strong>d.“<br />
Vielen Mietern wurde aufgrund<br />
von Eigenbedarf gekündigt, andere<br />
s<strong>in</strong>d freiwillig ausgezogen, da sie<br />
Angst hatten, auf die Straße ge-<br />
setzt zu werden. So g<strong>in</strong>g es auch<br />
e<strong>in</strong>em Mieter, der se<strong>in</strong>e Wohnung<br />
noch über die Zeche bekommen<br />
hat: „Ich wusste gar nicht, wer das<br />
Haus gekauft hat. Es stand zum<br />
Verkauf. Und ehe ich mich auf die<br />
Straße setzen lasse! Schließlich<br />
habe ich da 34 Jahre gewohnt. Die<br />
Wohnung war an und für sich<br />
vom Werk, von der Hütte. Da sagte<br />
me<strong>in</strong>e Lebensgefährt<strong>in</strong>: »Komm<br />
wir suchen uns was Neues, dass<br />
wir nicht ause<strong>in</strong>ander kommen.«<br />
Und da hab ich das gehört, dass<br />
diese Wohnung frei ist. Da wohnte<br />
e<strong>in</strong>er dr<strong>in</strong>, der war auch mit mir<br />
auf der Hütte – sogar auf der glei-<br />
chen Schicht!“<br />
Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> bedauert er se<strong>in</strong>e<br />
Entscheidung etwas, da die neuen<br />
Hausbesitzer se<strong>in</strong>er alten<br />
Wohnung
„sehr nett s<strong>in</strong>d“. Nicht alle Mieter<br />
hatten Glück mit ihren neuen<br />
Vermietern. In vielen Häusern<br />
häuften sich nach der Privatisie-<br />
rung die Probleme. Streitereien<br />
zwischen Mietern und Vermietern<br />
wurden häufiger, Nebenkosten<br />
wurden falsch oder gar nicht ab-<br />
gerechnet: „Ich wohne jetzt hier<br />
<strong>in</strong> diesem Haus vier Jahre und ich<br />
weg.<br />
habe noch ke<strong>in</strong>e Abrechnung<br />
bekommen, weder für Gas,<br />
Wasser oder die Pflege der<br />
Wiese, gar nichts!“<br />
Der Altersdurchschnitt wur-<br />
de, wie <strong>in</strong> anderen Siedlungen<br />
auch, durch die Privatisierung<br />
deutlich gesenkt. Viele junge<br />
Familien kauften die Häuser<br />
und die älteren Mieter zogen<br />
An der Ste<strong>in</strong>halde ist der Leer-<br />
stand relativ groß, was mit der<br />
ger<strong>in</strong>gen Größe der Wohnungen<br />
begründet werden kann, die bei<br />
50 m 2 liegt. E<strong>in</strong> weiterer Grund für<br />
den Leerstand ist die schlechte<br />
Anb<strong>in</strong>dung an den ÖPNV.<br />
E<strong>in</strong>e Folge der Privatisierung.<br />
„Nicht alle Mieter<br />
hatten Glück mit<br />
ihren neuen Ver-<br />
mietern. In vielen<br />
Häusern häuften<br />
sich nach der<br />
Privatisierung die<br />
Probleme.“<br />
27
28<br />
4.5<br />
Siedlungsportrait 5<br />
Mittelgebirgsviertel<br />
Durch den Verkauf<br />
änderte sich die<br />
Bewohnerstruktur<br />
gravierend...<br />
Das Mittelgebirgsviertel liegt im<br />
<strong>Bochum</strong>er Stadtteil Hiltrop-Bergen<br />
und ist e<strong>in</strong>e ehemalige Zechen-<br />
siedlung, mit deren Bau im Jahr<br />
1948 begonnen wurde. Mit rund<br />
600 Wohne<strong>in</strong>heiten ist sie e<strong>in</strong>e<br />
relativ große Siedlung und er-<br />
streckt sich von der Bergener<br />
Straße über die Harz-, Taunus-,<br />
Eifel-, Westerwald-, Odenwald-,<br />
Soll<strong>in</strong>g- und Hunsrückstraße.<br />
Charakterisiert ist die Siedlung<br />
durch Mehrfamilienhäuser mit<br />
durchschnittlich sechs Wohnun-<br />
gen, die gut erhalten und größten-<br />
teils renoviert bzw. modernisiert<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Errichtet wurde die Siedlung von<br />
der Ruhr-Kohle Essen und später<br />
an die Vere<strong>in</strong>igte Elektrizitäts- und<br />
Bergwerks AG (VEBA) verkauft. Im<br />
Jahr 2002 veräußerte VEBA, die<br />
mittlerweile <strong>in</strong> Viterra umbenannt<br />
war, die Siedlung an die Häusser-<br />
Bau Unternehmensgruppe. Etwa<br />
e<strong>in</strong> halbes Jahr später wurden die<br />
Häuser <strong>in</strong> der Siedlung zunächst<br />
den Mietern hausweise zum Kauf<br />
angeboten und nach und nach<br />
privatisiert. Dazu e<strong>in</strong>e frühere<br />
Mieter<strong>in</strong> und jetzige Eigentüme-<br />
r<strong>in</strong>: „Wer schnell reagiert hat und<br />
kaufen wollte, konnte das Haus<br />
kaufen.“<br />
Vor dem Verkauf wohnten über-<br />
wiegend ältere Menschen im Mit-<br />
telgebirgsviertel: „Die Struktur <strong>in</strong><br />
der Siedlung war früher so, dass<br />
über 50 Prozent der Leute älter als<br />
60, 70 Jahre alt waren.“ (Anwoh-<br />
ner). Durch den Verkauf änderte<br />
sich die Bewohnerstruktur gravie-<br />
rend, viele ältere Mieter verließen<br />
die Siedlung, neu h<strong>in</strong>zu kamen<br />
überwiegend jüngere Mieter und<br />
Eigentümer, <strong>in</strong>sbesondere Famili-<br />
en, was folgende Aussage e<strong>in</strong>es<br />
Anwohners unterstreicht: „Das ist<br />
e<strong>in</strong>e Siedlung geworden, wo junge<br />
Leute wohnen.“ Dadurch wird<br />
deutlich, dass es durchaus zu Ver-<br />
drängungsprozessen kam, da viele<br />
Mehrfamilienhäuser<br />
im Mittelgebirgsviertel
ehemalige Mieter aus- oder umzie-<br />
hen mussten.<br />
Zu den neuen Eigentümern zäh-<br />
len auch vermehrt Haushalte mit<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund, was von<br />
den Interviewten unterschiedlich<br />
Neue Wärmedämmung<br />
an e<strong>in</strong>em Haus<br />
bewertet wird: „Bis vor der Ge-<br />
schichte Verkauf war da so gut wie<br />
ke<strong>in</strong> Ausländer <strong>in</strong> der Siedlung. Da<br />
ist der Anteil natürlich erheblich<br />
höher geworden.“ (Eigentümer<strong>in</strong>).<br />
Dass dieser Anteil jedoch nicht<br />
außergewöhnlich hoch ist, wird <strong>in</strong><br />
folgender Aussage erkennbar: „In<br />
der Siedlung s<strong>in</strong>d ca. 14 der etwa<br />
60 Häuser von ausländischen Mit-<br />
bürgern gekauft worden, aber im<br />
Vergleich zu anderen Siedlungen<br />
ist das nicht viel.“<br />
Konflikte entstanden oftmals,<br />
wenn der neue Eigentümer von<br />
außerhalb kam und <strong>in</strong> die Sied-<br />
lung zog. Auch die Nutzung und<br />
Aufteilung der früher geme<strong>in</strong>-<br />
schaftlich genutzten Gärten warf<br />
teilweise Probleme auf. Während<br />
früher jeder Mieter e<strong>in</strong> eigenes<br />
Gartenstück zur Verfügung hatte,<br />
beanspruchen die Gärten heute<br />
teilweise die neuen Eigentümer für<br />
sich oder errichteten Garagen auf<br />
diesen Flächen. E<strong>in</strong>e langjährige<br />
Haus mit Riss<br />
29
30<br />
Fortsetzung Portrait 5<br />
Mittelgebirgsviertel<br />
„Im Grunde genommen ist<br />
es jetzt so, dass die Siedlung<br />
durch e<strong>in</strong>ige Umbaumaßnah-<br />
men, vor allem <strong>in</strong> Bezug auf<br />
die Wärmedämmung, doch<br />
deutlich besser geworden ist,<br />
als sie vorher war.“<br />
Bewohner<strong>in</strong> berichtet: „Hier war<br />
ja früher alles frei, da waren große<br />
Wege durch die Gärten, man<br />
konnte schön durch die Gärten<br />
laufen, mit den K<strong>in</strong>dern, auch mit<br />
den Hunden, man konnte sich mit<br />
den Nachbarn unterhalten, was<br />
heute gar nicht mehr ist, weil alles<br />
e<strong>in</strong>gezäunt ist.“<br />
Insgesamt kamen durch die Pri-<br />
vatisierung mehr junge Leute und<br />
K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die Siedlung und viele<br />
der Häuser wurden von den neuen<br />
Eigentümern renoviert.<br />
Dies wird auch von e<strong>in</strong>em An-<br />
wohner bestätigt: „Im Grunde<br />
genommen ist es jetzt so, dass die<br />
Siedlung durch e<strong>in</strong>ige Umbau-<br />
maßnahmen, vor allem <strong>in</strong> Bezug<br />
auf die Wärmedämmung, doch<br />
deutlich besser geworden ist, als<br />
sie vorher war.“
Die Siedlung besteht aus 18 Häu-<br />
sern mit jeweils sechs Wohnun-<br />
gen, die teils <strong>in</strong> der Krachtstraße,<br />
teils Im Streb im <strong>Bochum</strong>er Stadt-<br />
teil Werne liegen. Ursprünglich<br />
war die Siedlung e<strong>in</strong> Spätaussied-<br />
lerheim und gehörte der Stadt<br />
<strong>Bochum</strong>, bevor e<strong>in</strong> Großteil der<br />
Häuser <strong>in</strong> Mietshäuser umgewan-<br />
delt und schließlich 1996 von der<br />
VBW übernommen wurde. Im<br />
April 2006 g<strong>in</strong>gen die Häuser <strong>in</strong><br />
den Besitz der Firma Häusser-Bau<br />
über, seitdem hat sich vieles ver-<br />
ändert.<br />
So schildert e<strong>in</strong> langjähriger<br />
Mieter die Situation: „Das g<strong>in</strong>g<br />
auch alles so weit gut, bis im April<br />
2006, da hat dann die VBW die<br />
Wohnungen bzw. die Häuser an<br />
die Häusser-Bau verkauft. Und<br />
zunächst hieß es auch noch, die<br />
Häusser-Bau freue sich auf e<strong>in</strong><br />
gutes Mietverhältnis usw. Und<br />
kurze Zeit später, im Mai 2006,<br />
also e<strong>in</strong>en Monat nachdem die<br />
Häuser an die VBW verkauft wur-<br />
den, haben wir dann e<strong>in</strong>en Brief<br />
bekommen, dass diese Häuser zum<br />
Verkauf angeboten werden. Zu-<br />
4.6<br />
Siedlungsportrait 6<br />
Im Streb/<br />
Krachtstraße<br />
Im Streb:<br />
Idyllische Lage, aber das Klima<br />
durch Konflikte verändert..<br />
31
32<br />
Fortsetzung Portrait 6<br />
Im Streb/Krachtstraße<br />
„Die Häusser-Bau hat gar<br />
nichts gemacht, die Häusser-<br />
Bau hat nur e<strong>in</strong> bisschen Farbe<br />
auf die Häuser geklatscht.“<br />
Im Streb:<br />
Zäune zerlegen gewachsene<br />
Wegebeziehungen.<br />
nächst erstmal den Mietern, und<br />
wenn die Mieter ke<strong>in</strong> Interesse<br />
haben würden, würden die Häuser<br />
dann auf dem freien Markt ange-<br />
boten.“<br />
Bis auf e<strong>in</strong> Haus s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen<br />
alle Gebäude privatisiert. Wie e<strong>in</strong><br />
Bewohner berichtet, wurden die<br />
Häuser vorher nicht renoviert,<br />
lediglich die Fassaden gestrichen:<br />
„Die Häusser-Bau hat gar nichts<br />
gemacht, die Häusser-Bau hat nur<br />
e<strong>in</strong> bisschen Farbe auf die Häuser<br />
geklatscht.“ So blieb es den neuen<br />
Eigentümern überlassen, ob und<br />
<strong>in</strong> welchem Umfang die Häuser<br />
renoviert wurden. Teilweise wur-<br />
den die Wohnungen renoviert,<br />
ohne die Mieter vorher zu <strong>in</strong>for-<br />
mieren, mit der Folge, dass diese<br />
mehrere Monate den Baulärm und<br />
den Schmutz ertragen mussten.<br />
Die zu den Häusern gehörenden<br />
Grünflächen wurden mitverkauft<br />
und können nun nicht mehr wie<br />
früher geme<strong>in</strong>schaftlich von allen<br />
Bewohnern genutzt werden. Außer-<br />
dem wurden Zäune errichtet, die<br />
den direkten Weg zum Nachbar-<br />
haus, zum Markt oder zur Kirche<br />
abschneiden, was für alle Bewoh-<br />
ner sehr beschwerlich ist. E<strong>in</strong> Mie-<br />
ter beschreibt: „Es ist Ihnen be-<br />
stimmt aufgefallen, dass da jetzt<br />
überall Zäune s<strong>in</strong>d. Jeder, der das<br />
Haus gekauft hat, hat se<strong>in</strong>en Zaun<br />
gezogen. Und früher, als es noch<br />
zur VBW gehörte, konnte man
gehen, wo man wollte. K<strong>in</strong>der<br />
konnten überall spielen, jetzt s<strong>in</strong>d<br />
Wege e<strong>in</strong>fach abgetrennt worden.<br />
E<strong>in</strong> guter Freund wohnt 50 Meter<br />
von mir entfernt, jetzt muss ich<br />
immer e<strong>in</strong>en Umweg gehen, weil<br />
der neue Eigentümer mittendurch<br />
e<strong>in</strong>en Zaun gezogen hat.“<br />
E<strong>in</strong> Grund für die Errichtung der<br />
Zäune könnte dar<strong>in</strong> liegen, dass<br />
sich auf der gegenüberliegenden<br />
Seite der Krachtstraße weiterh<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Spätaussiedlerheim bef<strong>in</strong>det,<br />
welches sich auch optisch von den<br />
übrigen Häusern unterscheidet<br />
Die Bewohnerstruktur hat sich<br />
durch den Verkauf der Häuser<br />
ebenfalls verändert: „Es s<strong>in</strong>d auch<br />
viele Leute ausgezogen, die da<br />
jahrelang gewohnt haben, zum<br />
Teil 30, 40 Jahre.“ Diese Mieter<br />
erhielten überwiegend Kündigun-<br />
gen wegen Eigenbedarfs und<br />
schreckten davor zurück, sich ge-<br />
gen die neuen Eigentümer zur<br />
Wehr zu setzen und beispielsweise<br />
e<strong>in</strong> lebenslanges Wohnrecht zu<br />
erkämpfen. Häusser-Bau zahlte<br />
den Mietern e<strong>in</strong>e „Entschädigung“<br />
<strong>in</strong> Höhe von 3.000,- Euro für den<br />
Umzug.<br />
Zugezogen s<strong>in</strong>d überwiegend<br />
Jüngere: „Es ist so, dass zum gro-<br />
ßen Teil Familien mit K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong><br />
die Häuser e<strong>in</strong>gezogen s<strong>in</strong>d.“<br />
Inzwischen wurden oder werden<br />
die meisten Häuser renoviert.<br />
Trotzdem empf<strong>in</strong>den alte<strong>in</strong>geses-<br />
sene Mieter die Situation <strong>in</strong>sge-<br />
samt schlechter als früher, was<br />
folgende Aussage e<strong>in</strong>es langjähri-<br />
gen Mieters belegt: „Also das Klima<br />
hat sich schon verändert, seitdem<br />
Häusser-Bau das übernommen hat<br />
[…], also vom Wohnumfeld her<br />
ist das für mich nicht mehr so<br />
schön.“ An e<strong>in</strong>em der privatisier-<br />
ten Gebäude wurde sogar e<strong>in</strong>e<br />
Überwachungskamera angebracht.<br />
“...vom Wohnumfeld her<br />
ist das für mich nicht<br />
mehr so schön.“<br />
33
34<br />
4.7<br />
Siedlungsportrait 7<br />
Kolonie Hannover<br />
...e<strong>in</strong> eher positives<br />
Beispiel für Privatisierung,<br />
doch noch ist diese<br />
nicht beendet.<br />
Die Kolonie Hannover <strong>in</strong> Wat-<br />
tenscheid-Günn<strong>in</strong>gfeld ist e<strong>in</strong><br />
eher positives Beispiel für Privati-<br />
sierung. Die 96 Wohne<strong>in</strong>heiten,<br />
die zwischen 1874 und 1890 von<br />
Krupp erbaut wurden, gehören<br />
heute zum Großteil Privateigen-<br />
tümern. Lediglich 20 Häuser s<strong>in</strong>d<br />
noch im Besitz der Häusser-Bau<br />
Unternehmensgruppe, die den<br />
Bestand 2006 erwarb und sofort<br />
mit der Privatisierung begann.<br />
Als Käufer bevorzugte Häusser-<br />
Bau die Mieter der Häuser, die <strong>in</strong><br />
den meisten Fällen dann auch<br />
kauften: „Die [Mieter] wurden be-<br />
vorzugt. Es wurde also jeder ge-<br />
fragt, ob er kaufen will. Es haben<br />
e<strong>in</strong>e ganze Menge von den Jünge-<br />
ren gekauft. Die Älteren haben<br />
nicht gekauft. Das s<strong>in</strong>d 96 E<strong>in</strong>hei-<br />
ten zurzeit. Und davon wurden 76<br />
verkauft. Vier s<strong>in</strong>d noch frei. Die<br />
könnten sofort verkauft werden.<br />
S<strong>in</strong>d auch schon Interessenten da.<br />
Bloß, das s<strong>in</strong>d jetzt die Häuser, die<br />
am schlechtesten s<strong>in</strong>d, wo am<br />
längsten nichts gemacht wurde.<br />
16 Häuser s<strong>in</strong>d noch vermietet. Da<br />
wohnen 80- bis 90-Jährige dr<strong>in</strong><br />
und Häusser-Bau kann ja ke<strong>in</strong>en<br />
rausschmeißen. Aber es können<br />
andere das Haus kaufen und dann
auf Eigenbedarf klagen. Wie das<br />
dann ausgeht, steht dann <strong>in</strong> den<br />
Sternen...“<br />
Ursprünglich wollte Thyssen-<br />
Krupp die Häusser-Siedlung schon<br />
vor 24 Jahren verkaufen, wie e<strong>in</strong><br />
Eigentümer berichtete: “Es war<br />
kurios. Vor 24 Jahren sollten die<br />
Häuser eigentlich schon verkauft<br />
werden. Da gehörten sie noch<br />
Thyssen und es war noch e<strong>in</strong><br />
Kaufpreis von ca. 25.000,- bis<br />
30.000,- Euro. So, und das hat sich<br />
dann herausgezögert bis vor zwei<br />
Jahren, da hat Thyssen die ganze<br />
Siedlung an Häusser-Bau verkauft.<br />
Die hatten dann bekannt gegeben,<br />
dass sie die ganze Siedlung verkau-<br />
fen, und das war dann e<strong>in</strong> Preis<br />
von 70.000,- bis 80.000,- Euro.“<br />
Zusätzlich mussten die Käufer mit<br />
ca. 50.000,- Euro für Renovierun-<br />
gen rechnen. Da die Anschlüsse,<br />
wie Gas, Wasser, und Strom kom-<br />
plett veraltet waren, mussten alle<br />
Anschlüsse erneuert werden, was<br />
die Hausbesitzer auch e<strong>in</strong>iges kos-<br />
tete. Die Kosten bei den Häusern,<br />
die noch nicht verkauft s<strong>in</strong>d, über-<br />
nahm Häusser-Bau.<br />
Schwierigkeiten gab es allerd<strong>in</strong>gs<br />
bei den Kaufverträgen. E<strong>in</strong> Käufer:<br />
„Da haben wir festgestellt, dass<br />
hier sechs verschiedene Kaufver-<br />
träge <strong>in</strong> der Siedlung herum-<br />
schwirrten, und e<strong>in</strong>er schlechter<br />
war, als der andere!“ Daraufh<strong>in</strong><br />
gründete die Kolonie Hannover<br />
e<strong>in</strong>e Siedlergeme<strong>in</strong>schaft und<br />
nahm sich e<strong>in</strong>en Rechtsanwalt,<br />
der aus den sechs Verträgen e<strong>in</strong>en<br />
machte. Seitdem kümmert sich die<br />
Siedlergeme<strong>in</strong>schaft zum Beispiel<br />
um D<strong>in</strong>ge wie Baumschnitte und<br />
Straßen<strong>in</strong>standhaltung, da die<br />
Straßen <strong>in</strong> der Siedlung privat s<strong>in</strong>d<br />
und nicht der Stadt gehören.<br />
E<strong>in</strong>e positive Folge der Entwick-<br />
lung der letzten Jahre ist, dass die<br />
Nachbarschaft enger zusammen-<br />
Häuser der Kolonie<br />
Hannover<br />
35
36<br />
Fortsetzung<br />
Siedlungsportrait 7:<br />
Kolonie Hannover<br />
„Es wäre für uns negativ<br />
gewesen, wenn wir es<br />
nicht gekauft hätten.“<br />
gewachsen ist und das Verhältnis<br />
der Bewohner besser geworden ist:<br />
„Das, was ich mitkriege, ist eigent-<br />
lich positiv. Es gibt mal so e<strong>in</strong><br />
paar Querelen, die gibt es überall.<br />
Der e<strong>in</strong>e hat mehr Geld als der<br />
andere. Hier bei uns <strong>in</strong> der Straße<br />
musste man sich erst zusammen-<br />
raufen. Das fängt schon mit dem<br />
Alter an. Das s<strong>in</strong>d alles junge Leu-<br />
te und ich b<strong>in</strong> mittlerweile im<br />
Rentenalter. Wir machen alle<br />
sechs Wochen e<strong>in</strong>e Straßenver-<br />
sammlung. Die letzte war vor 14<br />
Tagen. Da haben wir dann für die<br />
Straße e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Grillen<br />
gemacht. Man hat jetzt mehr Kon-<br />
takt als früher.“<br />
Auch die Zusammenarbeit zwi-<br />
schen der Siedlergeme<strong>in</strong>schaft<br />
und Häusser-Bau schätzt der Ei-<br />
gentümer <strong>in</strong>sgesamt eher positiv<br />
e<strong>in</strong>: „Alles, was wir als Siedlerge-<br />
me<strong>in</strong>schaft mit denen vere<strong>in</strong>bart<br />
haben und was wir wollten..., die<br />
haben uns im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> unter-<br />
stützt. Beim Baumschnitt haben<br />
sie die Kosten für ihre Häuser<br />
übernommen. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
haben wohl e<strong>in</strong>ige gesagt, wenn<br />
wir das gewusst hätten, für<br />
70.000,- Euro so e<strong>in</strong> „Kaba-<br />
cherl“..., aber das stand ja <strong>in</strong> je-<br />
dem Mietvertrag. Ich habe selber<br />
e<strong>in</strong>en Schreck gekriegt, als ich vor<br />
kurzem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>es der vier leer ste-<br />
henden Häuser gegangen b<strong>in</strong>.“<br />
Die meisten Eigentümer bereuen<br />
die Entscheidung, e<strong>in</strong>es der Häu-<br />
ser zu kaufen, jedoch ke<strong>in</strong>eswegs,<br />
wie Herr T.: „Wir haben ja auch<br />
alles angelegt. Es wäre für uns ne-<br />
gativ gewesen, wenn wir es nicht<br />
gekauft hätten.“
Zur Everstalsiedlung <strong>in</strong> Langen-<br />
dreer gehören ca. 200 Wohne<strong>in</strong>-<br />
heiten auf der Everstalstraße und<br />
der Iserlohner Straße. Die Siedlung<br />
wurde <strong>in</strong> den 50er-Jahren für An-<br />
gestellte der Zeche Neu-Iserlohn<br />
erbaut. Die Deutsche Ann<strong>in</strong>gton<br />
übernahm den Bestand mit dem<br />
Kauf von Viterra. Viterra verkauft<br />
aber schon selbst seit 2001 die<br />
Wohnungen der Everstalsiedlung<br />
als Eigentumswohnungen.<br />
Inzwischen ist der größte Teil<br />
verkauft, der Rest wird zurzeit von<br />
Annigton vermietet, soll aber auch<br />
weiterverkauft werden. In diesen<br />
Wohnungen leben zum Beispiel<br />
ältere Mieter, die schon zur Zeit<br />
der Zeche dort e<strong>in</strong>gezogen s<strong>in</strong>d<br />
und lebenslanges Wohnrecht ha-<br />
ben. Die privatisier-<br />
ten Wohnungen wur-<br />
den zum größten Teil<br />
von jungen Familien<br />
gekauft, die oft e<strong>in</strong>en<br />
Migrationsh<strong>in</strong>ter-<br />
grund haben.<br />
Durch die Verkäufe<br />
kam es, wie <strong>in</strong> den<br />
meisten anderen Sied-<br />
lungen auch, zu e<strong>in</strong>i-<br />
gen Problemen. Gär-<br />
ten, die früher geme<strong>in</strong>schaftlich<br />
genutzt wurden, um Gemüse an-<br />
zubauen und die Wäsche zu trock-<br />
nen, s<strong>in</strong>d nach den Verkäufen<br />
aufgeteilt und e<strong>in</strong>ge-<br />
zäunt. Den meisten<br />
Mietern steht daher<br />
heute nur noch e<strong>in</strong><br />
langer, schmaler<br />
„Schlauch“ als Garten<br />
zur Verfügung. Viele<br />
Mieter s<strong>in</strong>d davon<br />
nicht gerade begeis-<br />
tert. E<strong>in</strong>e Mieter<strong>in</strong><br />
zeigte voller Stolz alte<br />
Fotos von ihrem Gar-<br />
ten: „Da schauen Sie mal, wie<br />
schön das früher war! Und jetzt?!“<br />
Außerdem wurden Mieten er-<br />
höht und die Nebenkosten s<strong>in</strong>d<br />
4.8<br />
Siedlungsportrait 8<br />
Everstalsiedlung<br />
„Da schauen Sie mal, wie schön<br />
das früher war! Und jetzt?!“<br />
37
38<br />
Fortsetzung<br />
Siedlungsportrait 8:<br />
Everstalsiedlung<br />
durch neu e<strong>in</strong>gestellte Gärtner<br />
und Raumpfleger<strong>in</strong>nen gestiegen:<br />
„Früher hat jeder selbst geputzt.<br />
Jetzt haben wir e<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>igungsfir-<br />
ma, die den Flur und den Boden<br />
macht. Und diese ganzen Neben-<br />
kosten s<strong>in</strong>d<br />
für mich<br />
auch gestie-<br />
gen!“ E<strong>in</strong> weiterer Konflikt <strong>in</strong> der<br />
Siedlung s<strong>in</strong>d Streitereien zwi-<br />
schen den neuen Eigentümern<br />
und den Mietern und Mieter<strong>in</strong>-<br />
nen, die nun häufig Tür an Tür<br />
wohnen.<br />
Dennoch möchten die betagten<br />
Mieter und Mieter<strong>in</strong>nen nicht<br />
ausziehen, da sie ihr halbes Leben<br />
Alles steht schön <strong>in</strong> Reihe ...
<strong>in</strong> der Siedlung verbracht haben<br />
und sich immer noch wohlfühlen:<br />
„Die ganze Familie trifft sich im-<br />
mer hier. Die kommen alle gerne.<br />
Und darum können die machen,<br />
was sie wollen! Ich ziehe hier<br />
nicht aus! Nur als Leiche!“<br />
In der Everstalsiedlung dauert die<br />
Mieterprivatisierung noch an<br />
Und darum können die machen was<br />
sie wollen! Ich ziehe hier nicht aus!<br />
Nur als Leiche!“<br />
39
40<br />
5.<br />
Fazit:<br />
Die Folgen der<br />
Privatisierung<br />
Die Folgen der Wohnungsver-<br />
käufe und -privatisierungen <strong>in</strong><br />
<strong>Bochum</strong> ersche<strong>in</strong>en uns höchst<br />
unterschiedlich. Diese Feststellung<br />
sollte weniger überraschen als es<br />
im ersten Moment den Ansche<strong>in</strong><br />
hat, denn es handeln hier Unter-<br />
nehmen mit unterschiedlicher<br />
Geschäfts-Philosophie, außerdem<br />
unterscheiden sich Zuschnitt sowie<br />
Zustand und Lage der Wohnungen.<br />
Weitere Faktoren für die Entwick-<br />
lungen nach e<strong>in</strong>em Verkauf s<strong>in</strong>d<br />
die Nachfrage nach spezifischen<br />
Wohnungen, die demografische<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>er Region und,<br />
<strong>in</strong> Zeiten des global vernetzten<br />
F<strong>in</strong>anzkapitals, auch die Lage auf<br />
den Kapitalmärkten.<br />
Ohne E<strong>in</strong>fluss war der Verkauf<br />
allerd<strong>in</strong>gs für ke<strong>in</strong>e der untersuch-<br />
ten Siedlungen. Je nachdem, ob<br />
die gesamte Siedlung, e<strong>in</strong>zelne<br />
Mehrfamilienhäuser <strong>in</strong> der Sied-<br />
lung oder jeweils nur e<strong>in</strong>zelne<br />
Wohnungen verkauft wurden,<br />
kam es zu unterschiedlichen Pro-<br />
blemen und Konflikten.<br />
Die schon e<strong>in</strong>gangs erwähnten<br />
Siedlungstypen fanden sich auch<br />
<strong>in</strong> den Privatisierungsfolgen wie-<br />
der.
In den ehemaligen Zechen- bzw.<br />
Stahlarbeitersiedlungen wurden <strong>in</strong><br />
den meisten Fällen die Häuser<br />
e<strong>in</strong>zeln privatisiert – unabhängig<br />
davon, ob sich <strong>in</strong> den Häusern<br />
abgetrennte Wohnungen bef<strong>in</strong>-<br />
den. Aus Sicht der Unternehmen,<br />
aber auch der Käufer<strong>in</strong>nen und<br />
Käufer, war das e<strong>in</strong>facher, als die<br />
Wohnungen e<strong>in</strong>zeln zu verkaufen.<br />
Immer, wenn die Wohnungen<br />
getrennt vone<strong>in</strong>ander privatisiert<br />
werden, kann es dazu kommen,<br />
dass nicht alle Wohnungen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Haus verkauft werden und<br />
das Unternehmen auf diesen<br />
„sitzen bleibt“. Diese Konstellation<br />
sorgt schnell für Konflikte. Für die<br />
Käufer<strong>in</strong>nen und Käufer sche<strong>in</strong>t<br />
es zudem attraktiver, e<strong>in</strong> ganzes<br />
Haus zu erwerben, um über dieses<br />
alle<strong>in</strong>e bestimmen zu können.<br />
In den von uns untersuchten<br />
Siedlungen begegnete uns nur <strong>in</strong><br />
der Everstalsiedlung e<strong>in</strong> Verkauf<br />
e<strong>in</strong>zelner Wohnungen. Nach<br />
sechs Jahren s<strong>in</strong>d dort bis heute<br />
erst 60 % der Wohnungen ver-<br />
kauft. Zwischen Mietern und<br />
Eigentümern entstanden schon<br />
Konflikte. Zudem s<strong>in</strong>d die heute<br />
e<strong>in</strong>gezäunten und früher geme<strong>in</strong>-<br />
schaftlich genutzten Gärten e<strong>in</strong><br />
Ärgernis für die Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
und Bewohner.<br />
Die E<strong>in</strong>zäunung der Außenberei-<br />
che ist auch beim Verkauf ganzer<br />
Mehrfamilienhäuser e<strong>in</strong> Problem.<br />
Häufig kaufen bisherige Mieter<strong>in</strong>-<br />
nen und Mieter die Erdgeschoss-<br />
wohnung und verbieten anderen<br />
Bewohnern die Nutzung des Gar-<br />
tens. Solche Probleme begegneten<br />
uns <strong>in</strong> der Mittelgebirgssiedlung.<br />
Im Streb sorgen die neu gesetzten<br />
Zäune dafür, dass Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
und Bewohner große Umwege <strong>in</strong><br />
Kauf nehmen müssen.<br />
Im schon erwähnten Mittelge-<br />
birgsviertel kam es zu Problemen,<br />
wenn sich Neu-Eigentümer mit<br />
dem Kauf e<strong>in</strong>es Mehrfamilienhau-<br />
ses übernahmen. Stand e<strong>in</strong>e Woh-<br />
nung für längere Zeit leer, fehlte<br />
das Geld und es kam zu Proble-<br />
men mit der F<strong>in</strong>anzierung. In-<br />
standhaltungen stellen dann für<br />
e<strong>in</strong>en normal verdienenden Haus-<br />
besitzer erst recht e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzprob-<br />
lem dar. Manche Käufer<strong>in</strong>nen und<br />
Käufer mussten aus diesem Grund<br />
wieder verkaufen. Für die dortigen<br />
Mieter<strong>in</strong>nen und Mieter schaffte<br />
der mehrmalige Eigentümerwech-<br />
sel e<strong>in</strong> Gefühl der Unsicherheit.<br />
Denn danach erfolgt <strong>in</strong> der Regel<br />
e<strong>in</strong>e Mieterhöhung, <strong>in</strong>sbesondere<br />
weil langjährige Mieter<strong>in</strong>nen und<br />
Mieter oft noch niedrige Mieten<br />
bezahlen und daher Spielräume<br />
für Erhöhungen vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />
In anderen Fällen – auch dies<br />
war im Mittelgebirgsviertel der Fall<br />
– wollten die frischen Hausbesitzer<br />
schnell das ganze Haus nutzen.<br />
Die gesetzlichen drei Jahre Kündi-<br />
gungssperrfrist zum Schutz vor<br />
Eigenbedarfskündigungen waren<br />
dabei manchem Neu-Eigentümer<br />
offenbar zu lang. Um Mieter<strong>in</strong>nen<br />
und Mieter loszuwerden, wurde <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>igen Fällen bewusst gemobbt,<br />
wie uns berichtet wurde.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Problem ist, dass<br />
sich Neu-EigentümerInnen oft mit<br />
dem E<strong>in</strong>halten des Mietrechts<br />
oder e<strong>in</strong>er korrekten Nebenkosten-<br />
abrechnung schwertun.<br />
5.1<br />
Probleme bei der<br />
Privatisierung<br />
von ehemaligen<br />
Zechen- und<br />
Stahlarbeitersiedlungen<br />
41
42<br />
5.2<br />
Veränderung<br />
der Bewohnerstrukturen<br />
5.3<br />
Probleme bei der<br />
Privatisierung<br />
von 70er-Jahre-<br />
Siedlungen<br />
Die Bewohnerschaft hat sich <strong>in</strong><br />
allen Fällen gewandelt. Es kam zu<br />
Verdrängungen von Alte<strong>in</strong>gesse-<br />
nen. In welchem Ausmaß dabei<br />
Druck auf bisherige Mieter<strong>in</strong>nen<br />
und Mieter ausgeübt wurde, kann<br />
diese Studie nicht bewerten. In<br />
Interviews wurde aber wiederholt<br />
berichtet, dass Menschen aus<br />
Angst schneller auszogen, als sie<br />
es eigentlich gemusst hätten. Das<br />
mangelnde Kapital zu eigener<br />
Eigentumsbildung, Mieterhöhun-<br />
gen sowie das erwähnte Mobb<strong>in</strong>g<br />
haben ebenso e<strong>in</strong>en Beitrag zur<br />
Veränderung der Mieterschaft<br />
geleistet.<br />
Andererseits kam es <strong>in</strong>folge von<br />
Privatisierungen auch zu neuer<br />
Aktivität. Das „überalterte“ Mittel-<br />
gebirgsviertel wurde offener für<br />
Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>ter-<br />
Die Probleme <strong>in</strong> den 70er-Jahre-<br />
Siedlungen s<strong>in</strong>d ungleich größer.<br />
Diese wurden bislang immer kom-<br />
plett verkauft. E<strong>in</strong>ige der meist<br />
größeren Häuser stehen <strong>in</strong>folge<br />
von Firmenpleiten aktuell unter<br />
Zwangsverwaltung. Der jeweilige<br />
Zwangsverwalter hat nur be-<br />
schränkteHandlungsmöglich- keiten, wodurch der bereits<br />
bestehende Instandhaltungsstau<br />
noch e<strong>in</strong>mal verschärft wird.<br />
In den Siedlungen bed<strong>in</strong>gen sich<br />
der schlechte Zustand und die<br />
Zusammensetzung der Mieter-<br />
schaft gegenseitig. Weil die Woh-<br />
nungen und Häuser wenig <strong>in</strong>stand<br />
gehalten und modernisiert wurden<br />
und daher relativ unattraktiv s<strong>in</strong>d,<br />
leben dort viele Menschen <strong>in</strong> sozi-<br />
alen Problemlagen. Die Mieten<br />
s<strong>in</strong>d relativ niedrig. Mieter<strong>in</strong>nen<br />
und Mieter h<strong>in</strong>gegen, die mehr<br />
E<strong>in</strong>kommen zur Verfügung haben,<br />
meiden solche Wohnungen.<br />
Was ebenfalls auffällt, ist die<br />
Tatsache, dass Mieter<strong>in</strong>nen und<br />
grund und junge Familien. In<br />
e<strong>in</strong>em konkreten Fall konnte so<br />
e<strong>in</strong> nahe gelegener K<strong>in</strong>dergarten<br />
erhalten werden. Wir glauben,<br />
dass sicherlich auch andere lokale<br />
Institutionen davon profitieren<br />
werden.<br />
Interessant ist der Fall der Kolo-<br />
nie Hannover, <strong>in</strong> der die meisten<br />
Häuser von den Bewohnern selbst<br />
gekauft wurden. Die Mieter<strong>in</strong>nen<br />
und Mieter schlossen sich zu e<strong>in</strong>er<br />
geme<strong>in</strong>samen Siedlungsgeme<strong>in</strong>-<br />
schaft zusammen, um e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>-<br />
heitlichen Kaufvertrag auszu-<br />
handeln. Diese Geme<strong>in</strong>schaft<br />
überlebte auch die Zeit nach dem<br />
Kauf. Nach Aussage der Bewohne-<br />
r<strong>in</strong>nen und Bewohner verbesserte<br />
sich das Zusammenleben sogar –<br />
e<strong>in</strong> wohl eher seltener, aber positi-<br />
ver Fall von Privatisierung.<br />
Mieter <strong>in</strong> den genannten Quartie-<br />
ren sich tendenziell weniger gegen<br />
<strong>in</strong>aktive Vermieter zur Wehr set-<br />
zen. E<strong>in</strong>erseits leben dort viele<br />
Menschen mit mangelnden deut-<br />
schen Sprachkenntnissen und<br />
andererseits Menschen aus<br />
bildungsfernen Schichten mit<br />
ger<strong>in</strong>gen Kenntnissen ihrer Rechte<br />
als Mieter.<br />
Die Häuser verkommen, was im<br />
Laufe der Zeit zu erhöhten Leer-<br />
ständen führt. Für die Eigentümer<br />
lohnt sich dieser Zustand für lange<br />
Zeit dennoch, da sie nur ger<strong>in</strong>gste<br />
Investitionen tätigen und die Ge-<br />
schäftsstrategie auf e<strong>in</strong>en Weiter-<br />
verkauf ausgerichtet ist. Die<br />
Zwangsverwaltung folgt dann,<br />
wenn die Verwertungskette bei<br />
e<strong>in</strong>em unseriösen Eigentümer<br />
angekommen ist oder das Ge-<br />
schäftsmodell schlichtweg nicht<br />
funktioniert.<br />
Der bauliche Zustand der im<br />
Rahmen der Studie untersuchten<br />
Siedlungen Uni-Center, Girondelle
und Gropiusweg ist sehr schlecht,<br />
da seit deren Bau vor rund 40 Jah-<br />
ren noch ke<strong>in</strong>e relevanten Sanie-<br />
rungsmaßnahmen erfolgten. H<strong>in</strong>-<br />
zu kommt, dass selbst notwendige<br />
Instandsetzungsarbeiten nicht<br />
durchgeführt wurden, wodurch<br />
viele Wohnungen zum Beispiel<br />
von Feuchtigkeit und Schimmel-<br />
befall betroffen s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Problem ist die Un-<br />
ternehmensstrategie. Während das<br />
besitzende Unternehmen im H<strong>in</strong>-<br />
tergrund – manchmal gar anonym<br />
– bleibt, stehen den Mieter<strong>in</strong>nen<br />
und Mietern nur Verwalter ohne<br />
f<strong>in</strong>anzielle Entscheidungskompe-<br />
tenz zur Verfügung. Diese s<strong>in</strong>d<br />
zudem lediglich über Call-Center<br />
erreichbar. Auch dieses Problem<br />
betrifft die meisten Wohnungen<br />
<strong>in</strong> allen drei genannten Siedlun-<br />
gen.<br />
Die Nebenkosten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />
Plattenbauten grundsätzlich sehr<br />
hoch, weil zum Beispiel Hausmeis-<br />
ter- und Aufzugskosten, schlechte<br />
Mülltrennung und Ungeziefer-<br />
bekämpfung überproportional zu<br />
Buche schlagen.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt, dass viele Miete-<br />
r<strong>in</strong>nen und Mieter über fehlerhaf-<br />
te oder überhöhte Nebenkostenab-<br />
rechnungen klagen. Beispielsweise<br />
s<strong>in</strong>d Kosten für die Re<strong>in</strong>igung des<br />
Geme<strong>in</strong>samkeiten zeigen sich <strong>in</strong><br />
beiden Siedlungstypen vor allem<br />
daran, dass die Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
und Bewohner meist nur unzurei-<br />
chend oder gar nicht über den<br />
geplanten Verkauf <strong>in</strong>formiert wur-<br />
den und oft nur davon erfuhren,<br />
wenn sich der neue Eigentümer <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Brief vorstellte oder die<br />
Treppenhauses und der Hausflure<br />
aufgeführt, obwohl diese nur sel-<br />
ten und unregelmäßig erfolgt.<br />
Mieter<strong>in</strong>nen und Mietern verbleibt<br />
häufig nur die Möglichkeit, Miet-<br />
m<strong>in</strong>derungen vorzunehmen oder<br />
Nebenkostenabrechnungen nicht<br />
komplett zu bezahlen.<br />
Da <strong>in</strong> 70er-Jahre-Siedlungen<br />
ohneh<strong>in</strong> viele Empfänger von<br />
Sozialleistungen wohnen, besteht<br />
die Gefahr, dass die Siedlung zu<br />
e<strong>in</strong>er „schlechten Adresse“ wird.<br />
Dort will niemand mehr wohnen<br />
und ke<strong>in</strong> verantwortungsbewuss-<br />
tes Unternehmen mehr <strong>in</strong>vestie-<br />
ren. In den Interviews wurde von<br />
Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohnern<br />
berichtet, dass teilweise ca. 50 %<br />
der Mieter<strong>in</strong>nen und Mieter der<br />
deutschen Sprache nicht ausrei-<br />
chend mächtig s<strong>in</strong>d, sodass sie<br />
sich auch nur schwer gegen den<br />
Eigentümer wehren können.<br />
Miete auf e<strong>in</strong> anderes Konto über-<br />
wiesen werden sollte. H<strong>in</strong>zu<br />
kommt, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Siedlun-<br />
gen der Eigentümer bis heute un-<br />
bekannt ist und die Mieter<strong>in</strong>nen<br />
und Mieter nur den Namen der<br />
Firma kennen, welche die Woh-<br />
nungen verwaltet.<br />
5.4<br />
Unklare Besitzverhältnisse<br />
43
44<br />
5.5<br />
Differenzierter<br />
Umgang mit<br />
Verkäufen<br />
Kommunal verbundene Unternehmen<br />
wie die VBW spielen e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Rolle bei der Quartierssicherung<br />
und -entwicklung.<br />
Unser zentrales Fazit lautet, dass<br />
jeder Verkauf und erst recht jede<br />
Privatisierung genau betrachtet<br />
und begleitet werden muss. Für<br />
e<strong>in</strong>e städtische oder bezirksbezo-<br />
gene Begleitung braucht es e<strong>in</strong><br />
konkretes Wissen über den Zu-<br />
stand der Siedlung, deren Entwick-<br />
lung sowie den Käufer. Dieses<br />
Wissen ist aber fast immer nicht<br />
genügend vorhanden. Selbst e<strong>in</strong>e<br />
Wohnungsbeobachtung seitens<br />
der Stadt f<strong>in</strong>det spätestens nach<br />
Wegfall der Sozialb<strong>in</strong>dung nicht<br />
mehr statt.<br />
Die Studie musste aber nicht nur<br />
Schatten feststellen. Unproblema-<br />
tisch ist die Entwicklung auch<br />
nach Verkäufen dort, wo sich<br />
handlungsfähige Akteure zusam-<br />
menschließen. In manchen<br />
Wohngebieten reicht es, wenn<br />
dies die Bewohner<strong>in</strong>nen und Be-<br />
wohner eigenständig tun. Dafür<br />
steht das Beispiel der Kolonie<br />
Hannover. In anderen Vierteln<br />
braucht es dazu die Beteiligung<br />
der <strong>in</strong> den Siedlungen vorhande-<br />
nen Strukturen, etwa vorhandener<br />
Vere<strong>in</strong>e, die zusammen mit ver-<br />
antwortungsbereitenWohnungs- unternehmen, wie etwa der kom-<br />
munal verbundenen VBW,<br />
handeln.<br />
Nötig ist für e<strong>in</strong> abgestimmtes<br />
und koord<strong>in</strong>iertes Vorgehen dabei<br />
unbed<strong>in</strong>gt die Beteiligung der öf-<br />
fentlichen Hand. Auf Dauer führt<br />
<strong>in</strong> diesen Siedlungen ke<strong>in</strong> Weg<br />
daran vorbei, dass die Kommune<br />
mithilfe eigener oder staatlicher<br />
Fördergelder und geme<strong>in</strong>sam mit<br />
seriösen Wohnungsunternehmen<br />
grundlegend gegensteuert und<br />
dabei die Bewohner<strong>in</strong>nen und<br />
Bewohner sowie organisierte<br />
Akteure vor Ort dauerhaft <strong>in</strong> Ent-<br />
scheidungsprozesse e<strong>in</strong>bezieht.<br />
Fatal wirkt sich die „Insellage“<br />
mancher Quartiere aus: Für das<br />
Stadtviertel, <strong>in</strong> dem sich der<br />
Gropiusweg bef<strong>in</strong>det, könnte bei<br />
bloßer Betrachtung statistischer<br />
Daten e<strong>in</strong> besonderer Erneuerungs-<br />
bedarf kaum festgestellt werden,<br />
weil die Situation im Gropiusweg<br />
<strong>in</strong> der Gesamtstatistik des ganzen<br />
Stadtbezirks nicht weiter auffällt.<br />
Wir regen daher an, die Wohn-<br />
gebiete kle<strong>in</strong>teiliger <strong>in</strong> den Blick<br />
zu nehmen, als es die viertelbezo-<br />
gene Stadtteilbeobachtung zum<br />
Beispiel im Rahmen der Sozialbe-<br />
richterstattung leistet. Noch besser<br />
wäre e<strong>in</strong>e Begleitung durch eigene<br />
Stadtumbaubüros, wie das im<br />
Westend oder der Hustadt bereits<br />
jetzt der Fall ist. Diese kennen<br />
engagierte Vere<strong>in</strong>e sowie die kon-<br />
kreten Probleme der Bewohner<strong>in</strong>-<br />
nen und Bewohner – und schwar-<br />
ze Schafe unter den Vermietern<br />
fallen schneller auf.<br />
Auch wenn diese Stadtumbau-<br />
büros noch jung s<strong>in</strong>d, sche<strong>in</strong>en sie<br />
schon jetzt erste positive Wirkun-<br />
gen zu erzielen. Sie machen Pro-<br />
bleme sichtbar, können im Stadt-
teil vermitteln und die Akteure vor<br />
Ort zusammenführen und moti-<br />
vieren. Vermieter <strong>in</strong> solchen Stadt-<br />
teilen haben es dadurch weit<br />
schwerer, sich jeder Verantwor-<br />
tung zu entziehen.<br />
Selbstverständlich reicht das<br />
nicht. Die konkreten Wohnbed<strong>in</strong>-<br />
gungen werden auch durch das<br />
Verhalten der Verantwortlichen <strong>in</strong><br />
Bund, Ländern und Kommunen<br />
bee<strong>in</strong>flusst. Veräußern diese ihren<br />
Wohnungsbestand und werden<br />
dadurch <strong>in</strong>ternationale Woh-<br />
nungshändler auf den Markt ge-<br />
lockt, muss auch mit den entspre-<br />
chenden Folgen gerechnet<br />
werden.<br />
Wir begrüßen es deshalb aus-<br />
drücklich, wenn sich die kommu-<br />
nalen Entscheidungsträger<strong>in</strong>nen<br />
und -träger – wie <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong> –<br />
konsequent dem Verkauf öffentli-<br />
cher sowie öffentlich verbundener<br />
Wohnungen verweigern.<br />
Viele Entscheidungen im politi-<br />
schen Raum entziehen sich, zuge-<br />
geben, dem unmittelbaren E<strong>in</strong>fluss<br />
der kommunalen Entscheidungs-<br />
träger<strong>in</strong>nen und -träger. Ohne<br />
Macht s<strong>in</strong>d sie trotzdem nicht:<br />
Da mit e<strong>in</strong>er umfassenden Re-<br />
naissance des Sozialwohnungs-<br />
baus nicht zu rechnen ist, muss<br />
der Fokus umso dr<strong>in</strong>gender auf die<br />
Pflege vorhandener Bestände aus-<br />
gerichtet werden. Zum vorhande-<br />
nen Instrumentarium gehören<br />
hier <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Inanspruch-<br />
nahme des Förderprogramms „So-<br />
ziale Stadt“ und das „Stadtumbau-<br />
programm West“.<br />
Wir würden uns zudem wün-<br />
schen, dass die Stadtverwaltung<br />
sich neu auf die, wenn auch be-<br />
scheidenen, Möglichkeiten be-<br />
s<strong>in</strong>nt, die das Wohnungspflegege-<br />
setz bietet. Hier sei vor allem das<br />
Stichwort Instandsetzungsgebot<br />
genannt. Stadtverwaltungen kön-<br />
nen und müssen <strong>in</strong>standhaltungs-<br />
verweigernden Unternehmen mit<br />
Hilfe des Wohnungspflegegesetzes<br />
stärker als bisher unter Druck<br />
setzen.<br />
Gleichzeitig benötigt es e<strong>in</strong>e<br />
konkrete Strategie für die benann-<br />
ten 70er-Jahre-Siedlungen. Noch<br />
sche<strong>in</strong>t es nicht zu spät, die Bau-<br />
substanz dieser Siedlungen zu ret-<br />
ten und dort attraktive und sozial<br />
durchmischte Wohngebiete zu<br />
etablieren. Das aktuelle Engage-<br />
ment von Stadt, Vere<strong>in</strong>en und<br />
Wohnungsunternehmen <strong>in</strong> der<br />
ebenfalls <strong>in</strong> den 70er-Jahren ge-<br />
bauten Hustadt ist für die Autor<strong>in</strong>-<br />
nen und Autoren dieser Broschüre<br />
<strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong> Vorbild.<br />
Auch die Kommunalpolitik<br />
hat Möglichkeiten,<br />
positiv E<strong>in</strong>fluss<br />
zu nehmen.<br />
45
46<br />
Quellen<br />
Sozialbericht <strong>Bochum</strong> 2008<br />
Informationen zur sozialen Lage der Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Bochum</strong>,<br />
Stadt <strong>Bochum</strong>, Stabsstelle Sozialplanung, 2008<br />
Wohnungsmarktbericht 2007, Stadt <strong>Bochum</strong><br />
Die Oberbürgermeister<strong>in</strong> – Amt für Bauverwaltung und<br />
Wohnungswesen, Oktober 2007<br />
Wohnungsmarktbarometer 2008, Stadt <strong>Bochum</strong><br />
Die Oberbürgermeister<strong>in</strong> – Amt für Bauverwaltung und<br />
Wohnungswesen, August 2008<br />
Archiv der Zeitschrift des Mietervere<strong>in</strong>s <strong>Bochum</strong><br />
„Mensch Mieter“ & „Mieterforum Ruhr“<br />
Website Mietervere<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong><br />
www.mietervere<strong>in</strong>-bochum.de<br />
Website Mieterforum Ruhr<br />
www.mieterforum-ruhr.de<br />
Website Comer<br />
www.comerhomes.co.uk<br />
Website Curanis<br />
www.curanis.de<br />
Website Deutsche Ann<strong>in</strong>gton<br />
www.deutsche-ann<strong>in</strong>gton.com<br />
Website Häusser-Bau Unternehmensgruppe<br />
www.haeusser-bau.de<br />
Website Janssen und Helb<strong>in</strong>g<br />
www.janssen-helb<strong>in</strong>g.de<br />
Website Stadt <strong>Bochum</strong><br />
www.bochum.de<br />
Website Towergroup<br />
www.towergroup.dk<br />
Website VBW<br />
www.vbw-bochum.de/vbw
Herausgeber:<br />
Brückstraße 58<br />
44787 <strong>Bochum</strong><br />
Telefon 02 34/961140<br />
Telefax 02 34/9611411<br />
<strong>in</strong>fo@mvbo.de<br />
www.mietervere<strong>in</strong>-bochum.de<br />
Verantwortlich für den Inhalt:<br />
Michael Wenzel<br />
Wissenschaftliche Leitung:<br />
Dr. Sebastian Müller<br />
Redaktion:<br />
Aichard Hoffmann<br />
Mart<strong>in</strong> Krämer<br />
Dr. Sebastian Müller<br />
Daniela Oesterreich<br />
Cathr<strong>in</strong> Thier<br />
Michael Wenzel<br />
Fotos und Abbildungen:<br />
Daniela Oesterreich und<br />
Cathr<strong>in</strong> Thier;<br />
Fotos Seite 11: © Wohnungs-<br />
genossenschaft Rhe<strong>in</strong>preußen-<br />
Siedlung eG; Fotos Seite 14<br />
und 15: Zentrale Ann<strong>in</strong>gton<br />
(© Ann<strong>in</strong>gton), E<strong>in</strong>gangstor Gut<br />
Heckhuisen (© Mietervere<strong>in</strong>);<br />
Foto Seite 45: © Stadt <strong>Bochum</strong>.<br />
Abdruck der Karte im Mittelteil<br />
mit Genehmigung der Stadt<br />
<strong>Bochum</strong> – Amt für Geo<strong>in</strong>forma-<br />
tion, Liegenschaften und Kataster.<br />
Layout/Druckvorstufe:<br />
Weritz Werbung, <strong>Bochum</strong><br />
1. Auflage Februar 2009<br />
Wir bedanken uns bei allen<br />
Mieter<strong>in</strong>nen und Mietern,<br />
den Vertreter<strong>in</strong>nen und<br />
Vertretern der Stadtverwaltung,<br />
der Wohnungswirtschaft,<br />
der Stadtteilbüros Hustadt und<br />
Westend sowie der Kommunal-<br />
politik für die freundliche<br />
Unterstützung bei Interviews<br />
und Leitfadengesprächen!<br />
Dem vom deutschen Mieterbund<br />
e.V. f<strong>in</strong>anzierten Projekt<br />
„Große Wohnungsunternehmen“<br />
danken wir für die personelle<br />
Unterstützung.<br />
Wir bedanken uns bei der<br />
<strong>Bochum</strong>-Agenda 21 für die f<strong>in</strong>an-<br />
zielle Unterstützung des Projekts.<br />
© 2009 Mietervere<strong>in</strong> <strong>Bochum</strong>, Hatt<strong>in</strong>gen und Umgegend e. V.<br />
Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck oder Vervielfältigungen, gleich<br />
welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung<br />
des Herausgebers.<br />
Impressum<br />
47
48<br />
Auch <strong>Bochum</strong> war <strong>in</strong> den letzten Jahren von den erheblichen Veränderungen<br />
auf dem deutschen Wohnungsmarkt betroffen.<br />
Neue <strong>in</strong>ternational agierende Investoren haben im großen Stil Bestände gekauft,<br />
früher so wichtige Akteure wie die E.ON-Tochter Viterra s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen völlig<br />
verschwunden, und die Genossenschaften sowie die kommunal verbundene<br />
VBW mussten sich auf neue Marktverhältnisse e<strong>in</strong>stellen.<br />
Höchste Zeit also, e<strong>in</strong>e Zwischenbilanz zu ziehen und nachzuhaken, ob sich<br />
die Befürchtungen des <strong>Bochum</strong>er Mietervere<strong>in</strong>s h<strong>in</strong>sichtlich des Verkaufs von<br />
Wohnungsbeständen bewahrheitet haben.