ForumGrüner lebenGeoökologen suchen nach alternativenKonzepten für die StadtentwicklungGelungenes Beispiel nachhaltigen Wohnens:Hammarby Sjöstad in Stockholm. Foto: Tina GäblerIn Europa siedelt sich die Bevölkerung zumeistin urbanen Räumen an. Das hat Folgen für dieÖkosysteme und Naturhaushalte in den Städtenund die Lebensräume von Menschen, Pflanzenund Tieren. Hitzeinseln, die mit dem Klimawandeldeutlich zunehmen, oder Wassermangel,insbesondere in Südeuropa, sind Beispiele dafür.Deshalb wenden sich Juniorprofessorin ArianeWalz und ihre Mitarbeiter dieser Problematik zuund suchen nach Lösungsansätzen.Von Dr. Barbara EckardtDie steigende Zahl von Menschen, diein Städten wohnen, und die damitverbundenen anwachsenden besiedeltenFlächen führen dazu, dass die Vegetationdort ebenso leidet wie der Naturhaushalt. Aberauch die Ansprüche der Menschen verändernsich. Sie wollen gesund, sicher, gut versorgtund in einem attraktiven städtischen Umfeldleben. Zu den Projekten, die Ariane Walz undihre Mitarbeiter bearbeiten, gehört RE-GREEN.Hier geht es um regionale Strategien zur FörderungGrüner Gebäude. Das Ziel besteht darin,Werkzeuge für nachhaltige klimaangepassteStädte zu entwickeln. „Inhalt des Projektes istes, Regionen zu helfen, ihre Politik GrünenBauens zu verbessern, weiterzuentwickeln undumzusetzen“, sagt Dr. Torsten Lipp von der AGLandschaftsmanagement der Uni Potsdam.Dabei solle der Wandel hin zu mehr Energieeffizienzund die Nutzung von erneuerbarenEnergien als Mittel zur Schaffung Grüner Regionenvorangetrieben werden. Im Ergebnis desEnde 2014 ausgelaufenen Projektes entstandein Handbuch, das gute Praxisbeispiele aus denPartnerregionen vorstellt und dazu anregenwill, diese nachzunutzen. Es gibt den Städtenund Regionen Handreichungen, um ihre strategischenPlanungen im Hinblick auf eine nachhaltigeStadtentwicklung umsetzen zu können.Außerdem erarbeiteten die Projektteilnehmerein Handbuch zur öffentlichen Vergabe unterNachhaltigkeitsgesichtspunkten. „Wir helfenden Stadtverwaltungen, Strategien umzusetzen,um Gebäude nachhaltiger zu gestalten,aber nicht isoliert, sondern unter anderemmit dem Blick auf den Verkehr“, erläutert TinaGäbler, die sich ebenfalls in der Arbeitsgruppeengagiert. Auch wenn die Stadt Potsdam keinProjektpartner war, gibt es zwischen den Verantwortlichenund den Wissenschaftlern regenAustausch. So erhielten im Dezember Mitarbeiterder Koordinationsstelle Klimaschutz dieErgebnisse des Projekts RE-GREEN.Zu den insgesamt zehn europäischen Partnerngehören neben der Universität Potsdamzwei weitere wissenschaftliche Einrichtungen:das Intelligence in Innovation, Innovation Centre,Lissabon und das Nordic Centre for SpatialDevelopment, Stockholm.Ziel eines anderen Vorhabens, des seit Ende2012 bestehenden europäischen ForschungsprojektesOPERAs, ist es, das Konzept der Ökosystemleistungenzu operationalisieren. Das sindLeistungen und Güter, die in Ökosystemen zummenschlichen Wohlergehen direkt und indirektbeitragen. „In Städten fördern verschiedenartigeurbane Grünflächen und ihre jeweiligen Ökosystemedie Gesundheit der Anwohner, regulierenstädtisches Mikroklima und den Wasserhaushalt,ermöglichen Naturerlebnisse und Umweltbildungund tragen zur Versorgung mit Nahrungsmitteln,Wasser und Holz bei“, erläutert ArianeWalz. Damit erhöhten sich die Lebensqualitätund Attraktivität der Städte deutlich. Das Konzeptder Ökosystemleistungen dient dazu, dieseLeistungen für die menschliche Gesellschaft zuerfassen, zu quantifizieren und möglicherweiseauch mit Geldwerten zu belegen. In OPERAsarbeiten 27 europäische Forschungseinrichtungen,Beratungsunternehmen sowie kleine undmittlere Firmen zusammen; es besteht aus Wissenschaftlernverschiedenster Disziplinen sowiePraktikern. Wichtig ist Ariane Walz insbesonderedie enge Kooperation mit Entscheidungsträgern.Es gibt zwölf Fallstudienregionen, dazu gehörenauch die Stadtregionen Barcelona, Dublin, Grenobleund Edinburgh. Jedes dieser Teilprojekteumfasst ganz unterschiedliche Schwerpunkte.In Barcelona geht es beispielsweise um den Küstenschutz,den Wiederaufbau von natürlichenSystemen in Dünen zum Schutz der Anrainer.Ökosystemleistungenin Städten• Regulierung des Mikroklimas durch innerstädtischeGrünflächen, Regulierung von Feinstaubund Schallemissionen.• Erholungseffekte durch innerstädtische Grünflächen,die zu guter Lebensqualität beitragen.• Naturerlebnis durch Grünflächen, die diversenArten Lebensräume bieten.• Versorgung mit Nahrungsmitteln durch traditionelleKleingärten, Urban Gardening und UrbanFarming.12 <strong>Portal</strong> 1/2015
ForumGepflegterWildwuchsDie Initiative „Bunte Wiese“ engagiert sich für biologische Vielfalt im städtischen RaumDie Initiative „Bunte Wiese“ – das sind Forschende,Lehrende und Studierende der UniversitätPotsdam, die sich der Aufgabe widmen, mehr biologischeVielfalt in innerstädtischen Räumen zuschaffen und dies mit nachhaltiger Forschung zuverbinden. Nach dem Motto „Weniger eingreifen– mehr erleben“ wollen sie zugleich das Umweltbewusstseinin der Universität, aber auch in derStadt stärken.Von Anna Theresa SchmidtDie Initiative startete quasi vor dereigenen Haustür, auf dem CampusGolm. Kurzschürige, häufig gemähteGrünflächen wurden dort in artenreicheLanggraswiesen umgewandelt, die jetzt nurnoch zweimal pro Jahr geschnitten werden. Sokönnen die Pflanzen zur Blüte und zur Samenreifegelangen. Insekten und damit auch Vögelfinden mehr Nahrung, was wiederum eineZunahme der Artenvielfalt begünstigt.„Wichtig ist auch, die Nährstoffmenge imBoden zu reduzieren“, erklärt Studentin Angelikavon Pressentin von der Projektgruppe.Um dies zu erreichen, wird das Mahdgut abgetragenund nicht auf der Fläche belassen wiebei der herkömmlichen Pflege. Das geschiehtallerdings nicht sofort nach der Mahd, sondernerst nach ein paar Tagen, damit die Pflanzenvorher aussamen und die Tiere sich zurückziehenkönnen. „Diese Prozesse benötigen Zeit.Daher lässt sich eine Zunahme der Artenvielfaltzeitlich nicht genau voraussagen“, so Angelikavon Pressentin.Mit ihrem Projekt ist die Potsdamer Gruppenicht allein. Im In- und Ausland gibt es ähnlicheInitiativen, die sich mit verschiedenen Vorhabenin die internationale UN-Dekade „BiologischeVielfalt von 2011 – 2020“ einordnen. Zwischenihnen entwickeln sich mitunter enge Kooperationen,auch über Ländergrenzen hinweg. DieUniversität Potsdam arbeitet zum Beispiel mitder Universität Tübingen zusammen, die schonseit 2010 erfolgreich ein solches Projekt verfolgtund mit zahlreichen Forschungsarbeiten diepositiven Auswirkungen des Mahdprogrammsauf die biologische Diversität belegen konnte.Beide Universitäten profitieren vom Austauschihrer praktischen Erfahrungen und wissenschaftlichenBeobachtungen. Wie in Tübingensollen auch in Potsdam die Folgen der Pflegemaßnahmendokumentiert werden.Start des Potsdamer Projektes war im vergangenenJuni. In einer zweijährigen Probephasewerden auf dem Campus Golm nunzwei ausgewählte Modell-Rasenflächen umgewandeltund gepflegt. Wer genau hinschaut,kann einen deutlichen Anstieg der Blütenzahlund der Insektenbesuche feststellen.Diese nachhaltige Entwicklung soll künftigauch der Stadt Potsdam zugutekommen,indem sich das Projekt auf Flächen im städtischenRaum ausdehnt. Angelika von Pressentinmöchte ein „Netz aus Wiesen“ schaffen,denn je mehr blütenreiche Flächen es gebe,desto größer werde die Biodiversität. „Die Wiesenstärken und stützen einander. Tiere undPflanzen finden mehr geeigneten Lebensraumund die Chance vergrößert sich, dass Samenauf andere Wiesenflächen geweht werden“,erklärt sie.Auch deshalb wünscht sie sich, dass beider weiteren Campusgestaltung mehr solcherGrünflächen geplant und nach dem jetzterprobten Modell gepflegt werden.Das bedeute jedoch nicht, dass es rund umdie Unigebäude bald keine gemähten Rasenflächenmehr gebe, die sich noch betreten lassen,versichert die Studentin. Vielmehr sollen dieWiesenbesucher während eines Picknicks oderbeim Entspannen in der Mittagspause denBlick auf den Blütenreichtum des gepflegtenWildwuchses genießen können. Weitere Informationen:http://buntewiesepotsdam.wordpress.com/An der Uni Potsdam und vielleicht bald auch vermehrt im Potsdamer Stadtgebietzu beobachten: Langgraswiesen mit großer Blütenzahl und zunehmendenInsektenbesuchen. Ein Erfolg der Initiative „Bunte Wiese“.Foto: Angelika von Pressentin<strong>Portal</strong> 1/201513