12.07.2015 Aufrufe

UP-Portal

UP-Portal

UP-Portal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Forummüssen eben auch wirklich diese Häuser kommen,in denen mehrere Generationen gut untereinem Dach leben können. Eine Dreizimmerwohnungreicht da nicht aus. Im Moment ist esleider so, dass sich für diese Variante des Zusammenlebenseher solche Familien entscheiden,die finanziell bessergestellt sind. Ehemals großeWohnungen werden heute von Investoren geteiltund dann als Single- oder Double-Income-No-Kids-Wohnungen vermietet. Meine Option wäre,die Häuser oder Wohnungen nicht nur „Großbürgern“,sondern auch Bürgern zugänglich zumachen, durch entsprechende Maßnahmen undVerordnungen. Die Politik allerdings sieht nochkeinen Handlungsbedarf.Man muss andererseits die verödetenStadtkerne größerer Städte wieder zurückerobern.Ein Trend, der bereits begonnen hatund sich gegen Waschbeton-Fußgängerzonenim Westen und freigesprengte Aufmarschplätzeim Osten wendet. Halle ist dafür einBeispiel. Hier hat man versucht, den Stadtkernvon menschenleeren Plätzen zu befreienund zusätzlich alte Bausubstanz wiederzu erschwinglichen Preisen bewohnbar zumachen. Im Gegensatz dazu geht nach meinerAnsicht das „Modell Görlitz“ nicht auf.Die Stadt wurde aufwendig saniert. Sie besitztheute einen renaissancehaften, wunderschönenStadtkern. Er wirkt jedoch entvölkert.Die Klientel, die dort solche Häuser kauft unddann erfolgreich die Wohnungen vermietet,scheint abhandengekommen. Jetzt ziehenzwar die vielzitierten Westrentner dorthin,aber es ist keine Lösung für eine vitale Stadtkultur.Es fehlen die Kinder, junge Leute.Gerade hat Ihr Lehrstuhl gemeinsam mit Kollegender Universität Luxemburg die Konferenz „InDa House – das Haus und seine Vorstellung inden Künsten und Wissenschaften“ durchgeführt.Inwieweit diskutierten hier Medien- und Kulturwissenschaftlerüber die Stadt der Zukunft?Wir haben zwei Dinge verhandelt: die Vergangenheitund die Zukunft. Vergangenes beispielsweiseanhand der Werke Fontanes undeines Rückblicks in die Hausforschung. In den1920er und 1930er Jahren gab es entsprechendeLehrstühle. Hausforschung war eine Unterabteilungder Volkskunde und damit eine völkischfundierte Wissenschaft.Was den Blick in die Zukunft betrifft, sohaben wir uns mit den wahrscheinlich alles entscheidendenFragen beschäftigt: Wie sieht Wohnenin Zeiten mobiler Endgeräte aus? Wohntman vom Smart Phone aus? Aktuell gibt es jabereits Apps, die es erlauben, vom Auto aus dieJalousien zu betätigen, die Heizung einzustellen,den Kühlschrank danach zu befragen, ob er<strong>Portal</strong> 1/2015voll oder leer ist. Uns interessierte, ob sich dieseApplikationen zum Thema Wohnen weiterdurchsetzen werden oder nicht.Zu welchen Schlussfolgerungen kamen die Teilnehmerinnenund Teilnehmer?Die Applikationen werden die Zukunft des Wohnenssein. Das Smart Phone entwickelt sich inden nächsten Jahrzehnten zur Schnittstelle zwischenHaus und Bewohner. Mit dem applicationdesign, also der Programmierung der Apps,befassen sich beispielsweise zahlreiche amerikanischeFirmen. In Deutschland geht das etwaslangsamer voran. Das liegt auch daran, dass hierkeine mobilen Endgeräte mehr hergestellt werden.Das hat Konsequenzen für die Entwicklungentsprechender Software. In der Folge bedeutetdies, dass Länder wie die USA künftig unsereWohnkultur stärker als bisher bestimmen.Es verändert doch nicht gleich das gesamte Wohnen,wenn ich meine Heizung per Handy einoderausstellen kann?Dabei bleibt es ja nicht. In den USA entstehenzunehmend sogenannte smarte Häuser. Häuser,deren Wände beispielsweise als große Bildschirmflächendienen. Vom Handy aus könnensich die Bewohner die Umgebung schaffen, diesie möchten: eine Landschaft, Bildkunst, diepassende Musik. Bill Gates wird mit seinemMusterhaus und seiner „Firma“ nicht ganzunwichtig sein in dieser Entwicklung.Das sind für mich nicht unbedingt verlockendeVorstellungen …Ja, aber der Trend geht dorthin. Man kann dieProgramme sogar auf einen Stick laden undSpeicherstadt Potsdam: Zwar im Zentrumgelegen, aber eng bebaut – mit Wohnungenfür nicht jedermanns Geldbeutel.mit in ein Hotel ans andere Ende der Weltnehmen. Die gewohnte Umgebung reist sozusagenmit, ob an die Westküste der USA odernach Singapur. Wir wohnen künftig digital. Füruns als Medienwissenschaftler ist das natürlichinteressant, weil wir diese Application-Kulturanalysieren müssen.Hat vor diesem Hintergrund die Debatte um dieHardware, die die Häuser ja sind, überhauptselbst eine Zukunft? Oder müssen wir mehr überProgrammierung reden als über Städte?Zumindest ist das eine nicht vom anderen zutrennen. Beides gehört zusammen. Auf riesigeHauswände projizierte Werbungen etwadeuten die kommende Entwicklung ja schonan.Inwieweit geht künstlerische Kreativität verloren?Die künstlerische Kreativität im Sinne des19. Jahrhunderts, die in verschiedene Spartengetrennt war, wird es vielleicht so nicht mehrgeben. Wir werden es mit ganz neuen Konzeptenvon Kunst zu tun bekommen. JeneEntwickler, die diese neuen Applikationen programmieren,fällen die Entscheidungen überdie Zukunft des Wohnens und des Zusammenseinsvon uns Menschen. Und das sinddurchaus künstlerisch-technisch ausgebildeteneue Eliten, die da für uns Verantwortungtragen. Das ist natürlich für Sie und mich, diewir in einem anderen Verständnis von Kunstsozialisiert worden sind, sagen wir: gewöhnungsbedürftig.Aber diese andere Vorstellungvon Leben mit Kunst wird mit uns ebenwahrscheinlich auch aussterben. Da muss manganz realistisch bleiben.7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!