Diplom- Psychologen - Psychotherapeutenjournal
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unverkennbare, ökonomistische 7 Denkmodelle<br />
getrieben.<br />
Man kann sich diesen komplexen Vorgang<br />
relativ einfach klarmachen. In der gemeinschaftlichen<br />
Behandlung werden Kranke<br />
versorgt und behandelt, Mitmenschen,<br />
die Hilfe und Unterstützung brauchen.<br />
Deswegen wird eine gemeinschaftliche<br />
Organisation geschaffen, die das Leben<br />
aller sicherer machen soll. In der Gesundheitswirtschaft<br />
wird das Produkt Gesundheit<br />
hergestellt, verwaltet und gehandelt,<br />
um es für möglichst alle kostengünstig auf<br />
dem Markt bereitzuhalten. Die Behandler,<br />
als therapeutische Begleiter im Leben,<br />
werden so zu kostenintensiven Leistungserbringern,<br />
die im freien und zunehmend<br />
verschärften Wettbewerb ein Produkt herstellen<br />
sollen.<br />
Die Unbestimmtheit und Brüchigkeit der<br />
Lebenszusammenhänge wird um der verwaltungstechnischen<br />
Beherrschbarkeit willen<br />
durch eine scheinexakte, fast virtuell zu<br />
nennende Verwaltungsrealität der Lebensvorgänge<br />
ersetzt. Fachliches Wissen vom<br />
Leben und das Leben selbst sollen sich<br />
dem planenden und rechnenden Denken<br />
beugen. Die oft unvorhersehbaren Heilungsprozesse<br />
des Lebens sollen sich dem<br />
Schema fügen und werden den meist statistischen<br />
Normen und Qualitätsstandards<br />
unterworfen.<br />
Die beiden neuen Heilberufe kamen also<br />
in einer gesellschaftlichen Realität an, die<br />
sie mit kaum lösbaren Aufgaben konfrontierte<br />
und in heftige Konflikte stürzte.<br />
Die Differenz in der Entwicklung verschiedener<br />
Subsysteme, die auch die Psychotherapie<br />
in einen inneren Widerstreit treibt,<br />
lässt sich an der Vorstellung vom mündigen<br />
Menschen in der modernen Wirtschaftsgesellschaft<br />
anschaulich machen, die zutiefst<br />
der lebensweltlichen Erfahrung des leidenden<br />
Menschen widerspricht.<br />
Das Subjekt der ökonomistischen Doktrin<br />
ist ein autarkes und nimmermüdes Subjekt,<br />
das sich selbst, seine Handlungen<br />
und damit zugleich seine Umwelt immer<br />
zu kontrollieren weiß. Das Paradigma des<br />
freien Marktes, das hinter der durchgehenden<br />
Ökonomisierung aller gemeinschaft-<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/2009<br />
lichen Gesellschaftsbereiche steht, geht<br />
von einem menschlichen Subjekt aus, das<br />
sich als Unternehmer in eigener Sache mit<br />
anderen gleichgesinnten Unternehmern<br />
in der Welt der Güter bewegt und immer<br />
weiß und selbst entscheiden kann, was es<br />
braucht und was ihm gut tut.<br />
Als heilberuflich Tätige wissen wir, dass<br />
dieses Modell eine Illusion der Moderne<br />
ist, die spätestens dann nicht mehr aufrecht<br />
zu erhalten ist, wenn das Subjekt<br />
nicht mehr funktioniert und krank wird. Es<br />
wird entweder krank an der eigenen Natur,<br />
d. h. es leidet an sich und am eigenen<br />
Körper und weiß nicht weiter. Oder es wird<br />
krank an der eigenen Umwelt, d. h. an den<br />
Beziehungen, in denen und von denen es<br />
lebt und fühlt sich ohnmächtig. Wir wissen<br />
aus unserer Arbeit, dass sich äußere und<br />
innere Ursachen selten klar voneinander<br />
trennen lassen.<br />
Von den Subjekten im neuen Gesundheitswesen<br />
wird aber erwartet, dass sie als<br />
mündige Konsumenten über ihre Behandlung<br />
selbst entscheiden. Nach genügender<br />
Information müssen sie Verträge einschätzen,<br />
aushandeln und abschließen können.<br />
Damit sind sie der fairen Übersetzung der<br />
Fachleute ausgeliefert, können sie doch<br />
die komplizierten fachlichen Zusammenhänge<br />
oft nicht nachvollziehen. Der Ausweg<br />
auf eine, dem Laien unverständliche,<br />
Fachlichkeit zu verzichten und nur noch<br />
alltagsplausible Konzepte feil zu halten,<br />
um so dem Kunden gerecht zu werden,<br />
würde einen hohen Verlust an Fachlichkeit<br />
im Angebot und eine Einschränkung der<br />
Behandlungskompetenz bedeuten. Diese<br />
Lösung liegt aber dem System von Verwaltung<br />
und Bewirtschaftung nahe und birgt<br />
eine der größten Gefahren der Psychotherapie<br />
heute. Als „Kostenfaktor“ beginnt<br />
sich Psychotherapie von ihrem eigenen<br />
fachlichen Selbstverständnis zu entfernen<br />
und nur noch kundengerecht zu werden.<br />
7 Mit ökonomistisch ist im Gegensatz zu ökonomisch<br />
gemeint, dass wirtschaftliche Logik<br />
sich absolut versteht und sich nicht mehr in<br />
den Dienst des Lebens stellt. Der Ökonomismus<br />
hat sich als eine scheinbar vernünftige<br />
Ideologie am Ende alle Ideologien aus einer<br />
Ideologiekritik herausgebildet; sein Scheitern<br />
zwingt aktuell zur Neuorientierung.<br />
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