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Psychotherapeutenjournal 3/2013 (.pdf)

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Psychotherapie im Maßregelvollzug – Eröffnung einer Diskussionunbefristet nach § 63 StGB untergebrachtsind) in Aussicht stellen. Für die Psychotherapeutenbedeutet das zuerst einmal, mitMenschen zu arbeiten, die nicht selbst auseigenem Antrieb um Hilfe ersuchen. Ganzim Gegenteil wird der Psychotherapeut indieser Phase oft als Teil eines feindlichenund strafenden Systems erlebt.Obwohl es auch in anderen Feldern der Psychotherapievorkommt, dass Patienten ausScham oder Gefühlen der sozialen Erwünschtheitnicht nur wahrheitsgemäße Angabenmachen oder die subjektive Wahrheitaus verschiedenen Gründen von objektivbeobachtbaren Gegebenheiten abweicht, istdies für Psychotherapeuten und die Psychotherapienin der Forensik ein besonders häufigesProblem. Einerseits ist die Scham überbegangene Straftaten besonders groß, andererseitskönnen Menschen sich nicht sofortauf einen „Wahrheitsmodus“ in der Psychotherapieumstellen, wenn sie zuvor über längereZeit im Zusammenhang mit Prozesstaktikeine andere Wahrheit „produzieren“mussten, selbst wenn sie nun den Entschlussdazu gefasst haben. Der Umgangmit Fremdinformationen, z. B. aus den Ermittlungsaktenoder aus Beobachtungen imStationsalltag, ist hier konfrontativer als inanderen psychotherapeutischen Bereichen,muss aber auch in der Forensik sorgfältig abgewogenwerden. Die Konfrontation darfkeinen Selbstzweck erfüllen, sondern wirddosiert zum Motivationsaufbau oder zur Unterstützungrisikosenkender Veränderungeneingesetzt.Es wird von Psychotherapeuten oft als besondererVorteil gesehen, dass in der Forensik,gerade im Bereich der §-63-Unterbringungen,mit weniger Zeitdruck gearbeitetwird. Die durchschnittliche Behandlungsdauerbis zur Entlassung liegt inunserer Klinik sowie deutschlandweit imBereich § 63 StGB bei ungefähr sechs Jahren(Leygraf, 2006), im Bereich § 64 StGBbei unter zwei Jahren (Hartl, <strong>2013</strong>).Therapie im Bereich des§ 63 StGBEin Fallbeispiel soll exemplarisch einenBehandlungsverlauf eines nach § 63 StGBuntergebrachten psychiatrischen Patientenschildern:Ein Patient mit einem pädosexuellenDelikt war von seiner Tat selbst sehr erschüttertund begann sehr schnell, motiviertan seiner Psychotherapie zu arbeiten.Der Patient zeigte sich bereitsbei Behandlungsbeginn sehr offen, sodassfrühzeitig eine tragfähige Delikthypotheseentwickelt werden konnte. Aufgrundseines sehr geringen Selbstwertes,u. a. infolge einer lieblosen und teilweisegewalttätigen Erziehung, einesselbst erlebten sexuellen Missbrauchs inder Kindheit und einer Sprechstörung,entwickelte der Patient eine Persönlichkeitsstörungmit vor allem selbstunsicherenAnteilen. Er begann unangenehmeGefühle und vor allem auch dasFehlen angenehmer Gefühle durch dieBeschäftigung mit Sexualität zu kompensieren.Dies verstärkte sich im Erwachsenenalterdurch das Fehlen einerfür ihn befriedigenden partnerschaftlichenBeziehung und durch ausgeprägtenStress an seiner Arbeitsstelle. Schrittfür Schritt führte das zu einer exzessivenBeschäftigung mit Sex und Pornografie,was aber auch nicht zu einer zufriedenenLebensgestaltung führte und imSinne eines Teufelskreises nach immerstärkeren oder ausgefalleneren Reizenverlangte und letztendlich zur Straftatführte.Im Rahmen der Psychotherapie konntenüber einen mehrjährigen Behandlungszeitraumviele Aspekte dieser Delinquenzgeneseherausgearbeitet unddem Patienten selbst verdeutlicht werden.An vielen Stellen konnten sichtbareErfolge erzielt werden. Der Patienterlangte ein besseres Selbstwertgefühldurch eine Besserung seiner Sprechstörung,durch ein besseres Abgrenzungsvermögen,durch deutlich verbessertesoziale Kompetenzen undFähigkeiten des Stressmanagements.Durch bessere Fähigkeiten in der Realitätmusste er weniger in Fantasien (sexuelle,aber auch andere) für Ausgleichsorgen.Trotz dieser guten Fortschritte wurde derPatient in einer Lockerungsstufe, die ihmunbegleitete Ausgänge über mehrereStunden ermöglichte, mit einem exhibitionistischenVorfall rückfällig.Für das gesamte Behandlungsteam undfür den Psychotherapeuten war dieserRückfall eine Belastung. Anders als in anderen(psycho)therapeutischen Bereichenwird diese Belastung nicht dadurch ausgeglichen,dass gleichzeitig viele Behandlungserfolgefür den Psychotherapeutensichtbar werden. Immerhin werden einzelnePatienten oft über sehr lange Zeit psychotherapeutischbegleitet und erzielendabei nur langsam sichtbare Erfolge. EinRückfall, der bei einer anderen Psychotherapieals „normaler“ Verlaufsbestandteilgesehen würde, stellt hier die mehrjährigenAnstrengungen infrage und wirkt sobesonders frustrierend. Die beim geschildertenPatienten erzielten Erfolge im Bereichseines Selbstwertgefühls, seiner Alltagsbewältigungund seiner Sexualität könnenaufgrund des Rückfalls nur schwergewürdigt werden. Anders als bei anderenpsychischen Problemen, bei denen Rückfälleauftreten und in einer Rückfallbearbeitungaufgegriffen werden, besteht dieseMöglichkeit bei Straftaten häufig nicht.Unzufriedenheit entsteht aufseiten der Behandlereinerseits bei negativen Behandlungsverläufen.Aber auch im Falle regelgerechterVerläufe können lange Behandlungszeiträumeüber viele Monate odermehrere Jahre dazu führen, dass erreichteFortschritte nur wenig wahrgenommenwerden. Für den geschilderten Fall ist zukonstatieren, dass auch die bereits erzieltenFortschritte nicht zu vernachlässigensind und der weitere Verlauf sehr von derAnalyse des Rückfalls abhängt und davon,ob es dem Patienten gelingt, die in diesemVorfall aufgetretenen Aspekte zu bearbeiten.Zum anderen stehen diesem „negativenVerlauf“ auch viele Behandlungen mitpositivem Ergebnis – wenn auch zum Teilmit hohem Zeitbedarf – gegenüber.Der beispielhaft dargestellte Fall beziehtsich auf die Behandlung eines Sexualstraftäters.Zwischen 10% und 30% der§-63-Patienten werden nach der Begehungvon Sexualdelikten behandelt (Hartl,<strong>2013</strong>; Leygraf, 2006; Seifert, 2007). FürPsychotherapeuten stellt sich in diesemBereich die Frage, ob sie sich die Arbeit mitdiesem Themengebiet grundsätzlich vorstellenkönnen. In psychotherapeutischenGesprächen müssen dabei sexuelle The-232 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


C. Hartl & W. Scheppmen, teilweise auch bizarre Fantasien oderabstoßende Tatverläufe bearbeitet werden.Andererseits steht bei der Reduzierung desDeliktrisikos in dieser Patientengruppe dieBearbeitung der Sexualität nicht alleine imVordergrund. Die intensive Auseinandersetzungmit dem Thema Sexualität stelltaber für hier tätige Psychotherapeuten einebesondere Anforderung dar.Therapie im Bereich des§ 64 StGBEin weiteres Fallbeispiel verdeutlicht dieArbeit im forensischen Suchtbereich:Eine Patientin wurde wegen Verstößengegen das Betäubungsmittelgesetz(BtMG) neben einer Freiheitsstrafezum zweiten Mal zur Unterbringungnach § 64 StGB verurteilt. Unter anderemaufgrund einer Legasthenie tatsich die Patientin in ihrer Kindheit in derSchule sehr schwer und sie wurde vonihren Mitschülern häufig gehänselt. Sieinternalisierte die abwertenden Aussagender anderen und entwickelte einenniedrigen Selbstwert. Später lernte sieeinige ältere Jungen und Mädchenkennen, die ihr sporadisch Anerkennungzukommen ließen, wenn sie Mutprobenbestand oder kleinere Aufträgevon ihnen ausführte. Die Mutprobenbestanden z. B. im Rauchen von Zigarettenund Trinken von Bier undSchnaps. Bei den Aufträgen handeltees sich anfangs um Zigarettenklauenund schließlich um erste Botengängeals Drogenkurier. So kam sie in denKontakt sowohl mit Drogen als auchmit einem kriminellen Umfeld. Mit 12Jahren rauchte sie Zigaretten und trankbald regelmäßig Alkohol, mit 13 Jahrenrauchte sie Cannabis und mit 15 Jahrenkonsumierte sie das erste Mal Heroin,das sie bald intravenös injizierte.Sie hatte sich damit die langersehnteZugehörigkeit zu einer Gruppe verschafft,was ihren Selbstwert steigerte.Die Realität ertrug sie in nüchternenPhasen immer weniger und sie entwickeltedepressive Episoden. Ihre ersteTherapie im Maßregelvollzug absolviertesie mit 25 Jahren. Sie konnte dieTherapie anfänglich gut für sich nutzenund eine klare Abstinenzentscheidunggegenüber illegalen Drogen aufbauen.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Sie lehnte es jedoch vehement ab, anihrer Alkoholproblematik zu arbeiten.Da sie schließlich in der Resozialisierungsphasewiederholt mit Alkoholrückfällig wurde, wurde die Therapienach 1,5 Jahren abgebrochen. DenRest ihrer Freiheitsstrafe musste sie inder Justizvollzugsanstalt (JVA) absitzen.Sie konsumierte bald wieder Heroinund wurde erneut straffällig. Mit 32Jahren wurde sie erneut zur Unterbringungim Maßregelvollzug nach § 64StGB verurteilt. Dieses Mal hatte sievon Beginn an eine höhere Therapiemotivation,insbesondere auch bzgl.ihrer Alkoholabhängigkeit, mit der siesich nun auch auseinandersetzte. Sieinformierte sich über das Thema Depression,erarbeitete sich Strategien imUmgang damit, begann z. B. regelmäßigFahrrad zu fahren und nahm aucheine antidepressive Medikation ein. Siebeobachtete ihre automatischen Gedankenund erkannte den Zusammenhangzwischen ihrer depressiven Erkrankung,ihrer Einsamkeit, den internalisiertenSätzen ihrer Kindheit undihrem geringen Selbstwert. Auch hiererarbeitete sie sich funktionalere Kognitionen,was durch die Arbeit mit ihrem„inneren Kind“ gestärkt wurde. Diedepressiven Symptome verschwanden.Da sie die Struktur von außen durchden Maßregelvollzug in ihren Fortschrittendeutlich unterstützte und ihrSicherheit gab, wurde für die Resozialisierungein Übergang geplant, der dieseUnterstützung vorübergehend fortführte:Sie nahm an einer berufsförderndenMaßnahme teil, über die sie inein reguläres Arbeitsverhältnis fand,und wohnte zunächst in einer therapeutischbegleiteten Wohngemeinschaft,mit dem Plan, längerfristig ineine eigene Wohnung zu ziehen.An diesem Fallbeispiel wird deutlich, dassteilweise mehrere Anläufe notwendig sind,damit eine Therapie zum Erfolg führenkann. Über die forensisch-psychiatrischeAmbulanz der Klinik findet die ambulanteWeiterbehandlung der Patientin nach ihrerEntlassung statt. Es wird sich zeigen, obdie Patientin es schafft, das im stationärenSetting Gelernte auf ihren Alltag zu übertragen.Vielfach haben drogenabhängige Patientendamit zu kämpfen, in ein „cleanes Umfeld“hinein- und sich dort zurechtzufinden.Häufig sind ihnen dessen impliziteRegeln und Normen nicht (mehr) geläufig.Daher ist es schon im Rahmen des Maßregelvollzugswichtig, die Patienten durchgeeignete Schritte darauf vorzubereiten. Esist eine gestufte Hinführung in die z. T.neuen sozialen Situationen notwendig.Dazu gehören z. B. milieutherapeutischeMaßnahmen wie Tagesstrukturierung undFreizeitgestaltung durch die Pflegekräfte,die in der Forensik kotherapeutische Aufgabenübernehmen, die Entdeckung eigenerHandlungsmöglichkeiten durch die Ergotherapiesowie eine an den Bedürfnissendes Patienten ausgerichtete Resozialisierungsplanungdurch den Sozialdienst.Daher ist eine enge Verzahnung der psychotherapeutischenTätigkeit mit der Arbeitanderer Berufsgruppen wie Pflegedienst,Sozialdienst, Medizin, Ergo- und Bewegungstherapienotwendig. In der Regel istder Bezugspsychotherapeut dafür verantwortlich,die verschiedenen Bereiche so zukoordinieren, dass sie sich sinnvoll ergänzen.Bringt die Behandlungetwas?In nahezu allen Behandlungsbereichen derMedizin wird mittlerweile das Prinzip derevidenzbasierten Medizin verfolgt. Manverlässt sich nicht mehr nur darauf, waseinzelne meinungsbildende Koryphäen anBehandlungsempfehlungen abgeben. Vielmehrsollen Daten zur Effektivität von Behandlungengesammelt und bewertetwerden. Im besten Falle werden die Ergebnisseverschiedener Untersuchungen inMeta-Analysen zusammengefasst und zuBehandlungsleitlinien weiterentwickelt.In der Regensburger Klinik werden nun seitüber zehn Jahren Daten zum poststationärenVerlauf von Patienten gesammelt. Beiden ehemals nach § 63 StGB Untergebrachtenzeigt sich nach einem Jahr in Freiheit,dass gut 85% der Probanden bezüglichihrer psychischen Erkrankung stabiloder sogar in einem besseren Zustand alsbei der Entlassung sind (Hartl, <strong>2013</strong>). Jenach Schätzmethode haben etwa 90%233


Psychotherapie im Maßregelvollzug – Eröffnung einer Diskussiondrei Jahren weist ebenfalls eine positiveRichtung auf. Vier von fünf Probanden werdenals straftatfrei und als überwiegendpsychisch stabil eingeschätzt. Viele der untersuchtenPatienten sind besser sozial integriertals vor ihrer Behandlung, sei es inBezug auf die Tagesstruktur, auf die beruflicheWiedereingliederung oder auch hinsichtlichder Wohnsituation. Die Rücklaufquotebeträgt nach einem Jahr 95%und nach drei Jahren noch 73% (Hartl,<strong>2013</strong>).Abbildung 1: Straffälligkeit ein Jahr nach Entlassung, §-63-Patienten (n = 80), Erläuterungim Text.Abbildung 2: Suchtverlauf nach einem Jahr, bedingt entlassene §-64-Patienten (n = 300).0,90,80,70,60,50,40,30,20,1079,9%53,4%keine StraftatAbbildung 3: Straffälligkeit ein Jahr nach Entlassung, §-64-Patienten (bedingt Entlassene:n = 139; Therapieabbrecher: n = 118).keine weiteren Straftaten begangen (Abbildung1), die verübten Delikte sind Weisungsverstöße,Diebstähle und Verstöße20,1%Straftat46,6%bedingt EntlasseneTherapieabbrechergegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG)und somit geringfügiger als die Anlassdelikte.Der Anteil erneut Straffälliger nachBei den Patienten, die zuvor aufgrund einerSuchterkrankung nach § 64 StGB behandeltworden waren, erscheinen die Zahlen aufden ersten Blick etwas ungünstiger. Teilweisemehr als jeder Zweite schafft die Therapienicht, was zu einem Abbruch und einerVerbüßung der Reststrafe in einer Justizvollzugsanstaltführt. Von den Probanden mitabgeschlossener Therapie können ein Jahrnach ihrer Entlassung aber selbst nach derungünstigsten Schätzmethode zwei Drittelabstinent bleiben, was einen deutlichen Erfolgdarstellt (Abbildung 2). Bei genauererAnalyse der Nicht-Abstinenten zeigt sichauch in dieser Gruppe oft ein Teilerfolg imSinne eines weniger ausgeprägten Konsummustersoder auch einer verbessertensozialen Integration. Beispielsweise wird einedeutlich geringere Menge konsumiertoder eine legale Substanz wie Alkohol anstatteiner illegalen Droge (Bezzel, 2008;Hartl, <strong>2013</strong>).Im Vergleich zur ebenfalls nachuntersuchtenGruppe, die die Therapie nicht erfolgreichabsolvierte, unterscheiden sich dieErgebnisse signifikant (Abbildung 3). DieLegalbewährungsquote (Anteil der Probandenohne erneute Straftaten) bei denerfolgreich Behandelten, die auf Bewährungin Freiheit entlassen wurden, liegt bei80% gegenüber 53% bei Therapieabbrechern.Der Hauptanteil der Rückfalldelikteist dabei krankheitsbedingt, es handelt sichüberwiegend um erneute Verstöße gegendas Betäubungsmittelgesetz.Insgesamt muss aufgrund dieser Zahlen undauch anderer Ergebnisse aus vergleichbarenUntersuchungen davon ausgegangen werden,dass die Behandlungen nach den§§ 63 und 64 StGB im Maßregelvollzugnachvollziehbare Verbesserungen bringen.234 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


C. Hartl & W. ScheppWarum arbeite ich imMaßregelvollzug? –Statements von Kollegen• „Im Vergleich zu anderen Tätigkeitsbereichenim Angestelltenverhältnis habenPsychologen bzw. PsychologischePsychotherapeuten eine sehr wichtigeRolle und arbeiten überwiegend eigenverantwortlich.“• „Man arbeitet intensiv im multidisziplinärenTeam. Man ist kein Einzelkämpfer.“• „Der Aufgabenbereich ist sehr vielfältig.Es geht um Diagnostik, Behandlungsplanungund Therapie. Aber auch Prognoseund Kommunikation mit der Justizspielen eine wichtige Rolle. Zudem findetauch Case-Management statt, weilman als Psychotherapeut für die interdisziplinäreUmsetzung der Interventionenzuständig ist. Es besteht die Möglichkeit,außer den Einzel- und Gruppentherapienweitere Faktoren mit zugestalten, die auf den Patienten wirken(z. B. Stationsmilieu, Resozialisierungetc.).“• „Man hat sehr viel Zeit für die Behandlung.Es besteht kein Druck durch dieKrankenkassen. Die Behandlung dauertso lange wie nötig.“• „Man hat ein breites Behandlungsspektrumunterschiedlicher Diagnosen. Eswird nicht eintönig.“• „Ich arbeite mit Tätern, weil es ein wichtigerBestandteil der Opferpräventionist. Straftäter müssen sich mit ihren Deliktenauseinandersetzen und lernen,ihre Risikofaktoren zu ändern oder zukontrollieren.“• „Man bekommt interessante Einblickebei Personen und in Lebensbereiche,die man sonst nicht kennenlernt.“• „Es ist spannend, mit ,schwierigen‘ Patientenzu arbeiten. Weder Patient nochPsychotherapeut können die Behandlungeinfach abbrechen, sodass entstandeneKonflikte geklärt und bearbeitetwerden müssen. Gerade auf Beziehungsebeneist hier ein unermüdlicherEinsatz erforderlich, was die Arbeit sehrinteressant und herausfordernd macht.Ich freue mich sehr, wenn es gelingt,Veränderungen zu erzielen.“<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Fazit und abschließendeGedankenTrotz der aufgeführten Spannungsfelderscheint für viele Kollegen, die mit Straftäternarbeiten, ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheitmöglich zu sein. Die abwechslungsreicheVielfalt der Arbeit, die hoheEigenverantwortung als Psychotherapeutund das gemeinsame Arbeiten im Teamführen dazu, dass viele Psychologen undPsychologische Psychotherapeuten gerneim Maßregelvollzug arbeiten.Der ethische Hintergrund, vor dem dieseTätigkeit stattfindet, macht eine Auseinandersetzungmit dem eigenen Tun besonderswichtig. Beauchamp und Childress(2008) formulierten die auch für die Psychotherapiegültigen vier Prinzipien derMedizinethik: Respekt vor der Autonomiedes Patienten, Nicht-Schaden, Fürsorgesowie Gleichheit und Gerechtigkeit. DieDilemmata zwischen diesen vier Prinzipienbestimmen die alltägliche Arbeit im Maßregelvollzugin besonderem Maße: Die Patientensind zur Therapie verurteilt undkommen nicht freiwillig. Vor allem zu Beginnder Unterbringung nehmen Patientenden Maßregelvollzug und damit die Psychotherapeutenals Teil der sie „verfolgenden“Justiz wahr. Sie sitzen hinter Gitternund erhalten nur dann Stück für Stückmehr Freiheitsgrade, wenn sie sich denvon außen vorgegebenen Anforderungenstellen. Vor diesem Hintergrund eine „freiwillige“ Entscheidung für die Psychotherapie,für die Auseinandersetzung mit dereigenen Person und den eigenen Straftatenund eine intrinsische Veränderungsmotivationzu entwickeln, ist ein hoherAnspruch an Patient und Psychotherapeut.Dieses Spannungsfeld immer wieder zubetreten und Schritt für Schritt darin vorwärtszu gehen, ist eine große Herausforderungfür alle Beteiligten.Als Psychotherapeut steckt man dabei beständigin einer Rollenkonfusion als Therapeutund Gutachter. Die Macht, die derPsychotherapeut über den Patienten hat,ist erheblich und führt zu einem ausgesprochenasymmetrischen Beziehungsgefüge.Um vor diesem Hintergrund eine erfolgreichePsychotherapie durchführen zukönnen, sind Transparenz, klare Absprachenmit dem Patienten sowie die regelmäßigeÜberprüfung des eigenen Handelnsunabdingbar. Nicht zuletzt dahersind kontinuierliche Supervision, Fallbesprechungenund Fortbildungen für Psychotherapeutenund für das gesamte Behandlungsteamim Maßregelvollzug vonbesonderer Bedeutung.LiteraturBeauchamp, T. L. & Childress, J. F. (2008).Principles of Biomedical Ethics. 6th edition.New York: Oxford University Press.Bezzel, A. (2008). Therapie im Maßregelvollzug– und dann? Eine Verlaufsuntersuchungan forensischen Patienten(§§ 63 und 64 StGB). Dissertation: UniversitätRegensburg.Dessecker, A. (2005). Die Überlastung desMaßregelvollzugs: Folge von Verschärfungenim Kriminalrecht? Neue Kriminalpolitik,17, 23-28.Endrass, J., Rossegger, A. & Braunschweig,M. (2012). Wirksamkeit von Behandlungsprogrammen.In J. Endrass, A. Rossegger,F. Urbaniok & B. Borchard(Hrsg.), Interventionen bei Gewalt- undSexualstraftätern. Berlin: MedizinischWissenschaftliche Verlagsgesellschaft.Hartl, C. (<strong>2013</strong>). Wie erfolgreich ist die Behandlungim Maßregelvollzug nach§§ 63 und 64 StGB? Eine Untersuchunganhand verschiedener Erfolgsmaße.Dissertation, Universität Regensburg.Leygraf, N. (1996). Praxis des Maßregelvollzugsin den alten Bundesländern. InR. Egg (Hrsg.), Der Aufbau des Maßregelvollzugsin den neuen Bundesländern.Wiesbaden: Schriftenreihe derKriminologischen Zentralstelle.Leygraf, N. (2006). Psychiatrischer Maßregelvollzug(§ 63 StGB). In H.-L. Kröber,D. Dölling, N. Leygraf & H. Sass (Hrsg.),Handbuch der Forensischen Psychiatrie.Band 3. Psychiatrische Kriminalprognoseund Kriminaltherapie. Darmstadt:Steinkopff.Seifert, D. (2007). Gefährlichkeitsprognosen.Eine empirische Untersuchungüber Patienten des psychiatrischenMaßregelvollzugs. Darmstadt: Steinkopff.235


Psychotherapie im Maßregelvollzug – Eröffnung einer DiskussionDr. Christian Hartl ist PsychologischerPsychotherapeut in der Fachklinik für ForensischePsychiatrie und Psychotherapiedes Bezirksklinikums Regensburg. Er arbeitetdort überwiegend mit psychischkranken Straftätern (§ 63 StGB) und leitetdie Katamnesestudie zur Evaluation derTherapieerfolge.Dr. Wiltrud Schepp ist als PsychologischePsychotherapeutin im Maßregelvollzugam Bezirksklinikum Regensburg tätig. Siearbeitet auf einer gemischtgeschlechtlichenStation für Patienten mit Drogenabhängigkeit,die nach § 64 StGB untergebrachtsind.Dr. phil. Dipl.-Psych. Christian Hartlmedbo Medizinische Einrichtungen desBezirks OberpfalzBezirksklinikum RegensburgKlinik für Forensische Psychiatrie undPsychotherapieUniversitätsstr. 8493053 Regensburgchristian.hartl@medbo.deDr. rer. nat. Dipl.-Psych.Wiltrud Scheppmedbo Medizinische Einrichtungen desBezirks OberpfalzBezirksklinikum RegensburgKlinik für Forensische Psychiatrie undPsychotherapieUniversitätsstr. 8493053 Regensburgwiltrud.schepp@medbo.deVerborgene Gefahren – Kommentar zur Tendenz, das Sexualstrafrechtimmer weiter zu verschärfenStefan KriegischZusammenfassung: Das Sexualstrafrechtist in den letzten zwei Jahrzehntenmehrfach verschärft worden und es istnicht erkennbar, dass dieser Trend zumErliegen gekommen ist. Es gibt Gründefür die Annahme, dass eine Fortsetzungdieses Trends nicht nur das Ziel, Sexualstraftatenzu verringern, verfehlt, sondernsich die Wahrscheinlichkeit schwerererStraftaten erhöht.Berichte über Sexualstraftaten und Sexualstraftätererfreuen sich sowohl bei den Medienals auch bei deren Konsumenten ungebrochengroßer Beliebtheit und nichtselten wird sich im Schulterschluss gemeinsamin der Empörung über die Verbrechengesuhlt und werden mit martialischemImpetus immer härtere Strafen gefordert.Die Berichterstattung ist oft sensationslüsternund dämonisierend, mitunterauch mit einer mehr oder weniger subtilenKonnotation, die Verständnis dafür signalisiert,die Maßregelung des Delinquentenselbst in die Hand zu nehmen. Vor demHintergrund solch einer Stimmung ist esauch nicht als ein Zufall zu betrachten,dass sich schließlich ein lynchbereiter Mobvor den Toren einer Polizeidienststellefand, der die Herausgabe eines Verdächtigenforderte, um die nach deren Ansichteinzig angemessene Strafe ohne weiterePrüfung gleich selbst zu vollstrecken. Interessanterweiselässt sich eine derartige Zuspitzungbei Mord- und Totschlagsdeliktennicht beobachten.Es ist schon besorgniserregend genug,dass bei dem Umgang mit Sexualstraftäternimmer mehr Bürger eines Rechtsstaatesdazu bereit sind, rechtsstaatliche Prinzi-236 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


S. Kriegischpien aufzugeben – weitaus besorgniserregenderist aber, dass die Fachwelt nahezuverstummt und die Politik die von denMedien erzeugte Pogromstimmung zurGrundlage ihrer Entscheidung macht.Bereits in den 1990er-Jahren wurden imSexualstrafrecht die Strafrahmen erhöhtund die Straftatbestände erweitert. 2004wurden die Strafandrohungen erneut verschärft.Die nachträgliche Sicherungsverwahrungwurde eingeführt, Strafzumessungsregelnwurden geändert und neueStraftatbestände eingeführt. 2008 erfolgtewieder eine Verschärfung des Sexualstrafrechts.Auch wenn ein Teil der mit heißerNadel gestrickten Gesetzesänderungenzurückgenommen werden musste, ist derTrend zu weiteren Verschärfungen nichtbeendet. So schwadronierte ein Oberstaatsanwaltauf einer öffentlichen Anhörungim Reichstagsgebäude in Berlin imMärz 2010 zum Thema „Lösungen undWege im Kampf gegen die Kinderpornographie“darüber, wie Internetnutzer, dieKinderpornographie anklicken, härter bestraftwerden könnten, und stellte fest,dass jedes Anklicken gleichsam ein Herunterladensei und nach jetzigem Strafrechtmit bis zu drei Monaten Freiheitsentzuggeahndet werden könnte. Da ein Internetnutzernicht selten bei der Suche im Internetin kurzer Zeit 20-, 30- oder 100-maletwas angeklickt habe, lägen viele Einzelstraftatbeständevor, die jeweils mit dreiMonaten Freiheitsentzug bestraft werdenkönnten, und daraus ließe sich locker eineGesamtfreiheitsstrafe von mehr als zweiJahren bilden, was ausreichen würde, jedenErwischten einer Maßregel zuzuführen.Auch wenn der Beifall des Auditoriumsdazu nicht besonders groß ausfiel, inder Fachwelt herrschte betretenes Schweigen.Der wissenschaftliche Diskursist in der DefensiveDer öffentliche Diskurs hinsichtlich diesesThemas ist inzwischen so wirkmächtig geworden,dass die politischen Steuerungsversuchefast ausschließlich reaktiv danachausgerichtet werden. Der wissenschaftlicheDiskurs, der in der Regel über diegrößte Wirkmächtigkeit verfügt, ist hinsichtlichdes Umgangs mit Sexualstraftäternnahezu wirkungslos. Die Fachwelttraut sich kaum noch, sich öffentlich differenziertdazu zu äußern. Wagt es doch jemand,setzt derjenige sich einem erheblichenpersönlichen Risiko aus, als Verharmloserund Sympathisant von Pädophilengebrandmarkt zu werden. Dabei ist einefachlich differenzierte Auseinandersetzungmit dem Thema vonnöten, allein schondeswegen, um Ängste, die in keinem angemessenenVerhältnis zum tatsächlichvorhandenen Risiko stehen, nicht noch unnötigzu schüren, aber mehr noch, umnicht durch aktionistische Maßnahmen unserStrafrecht zu verschlimmbessern.Der anhaltende Trend zu immer härterenStrafen im Sexualstrafrecht, der zwangsläufigzu unverhältnismäßigen Strafen führt,ist nicht nur aus einer rechtsphilosophischenPerspektive betrachtet problematisch.Das durch Strafverschärfungen anvisierteZiel kann nicht nur verfehlt werden,sondern es könnte auch ein dem beabsichtigtenZiel gegenläufiger Effekt dabeiherauskommen. Mit dem Strafrecht, einemkomplexen Normen- und Sanktionskatalog,wird innerhalb eines komplexenGesellschaftssystems versucht, auf deneinzelnen Menschen, der selbst ein komplexesSystem darstellt, steuernd einzuwirken.Dabei vereinigt das deutsche Strafrechtu. a. unterschiedliche Prinzipien wieVergeltung, Sühne, General- und Spezialprävention,um eine Rechtsordnung aufrechtzuerhaltenund den Einzelnen zumgesetzeskonformen Verhalten anzuhalten.Lineares Denken vereinfachtdie WirklichkeitMit der Forderung und Realisierung, dieStrafen immer weiter zu verschärfen, wirdnur eine Dimension der Steuerungsmöglichkeitenherausgegriffen, in der Annahme,dass eine Einhaltung der Gesetze alleinmit dem Strafmaß erzwungen werdenkönne. Dieses Denken folgt dem linearenMuster, je härter die Strafe für den Brucheiner Rechtsnorm ausfalle, desto wenigerwird diese Rechtsnorm gebrochen. Wenndem so wäre, dann hätte es im Mittelaltermit den drastischen Körperstrafen kaumnoch Verstöße gegen die Rechtsnorm gebendürfen. Wir wissen, dass es nicht sowar und dass es uns wohl kaum gelingenwird, eine Gesellschaft zu konstruieren, inder es keine Gesetzesbrüche mehr gäbe– und dennoch vergeht kaum ein Tag, andem nicht in irgendeinem Medium härtereStrafen im Sexualstrafrecht gefordert werden.Der Hinweis darauf, dass die Realisierungderartiger Forderungen unser umAusgewogenheit bemühtes Strafrechtssystemaushöhlt, indem z. B. die Strafzumessungunverhältnismäßig wird und dieRechtssicherheit verloren geht (nachträglicheSicherungsverwahrung), wird häufigdamit gekontert, dass solche Maßnahmendoch nur die beträfe, die straffällig gewordenseien, und da träfe es die Richtigen,die seien schließlich selbst Schuld an ihrerLage und dürften sich nicht beklagen,wenn sie die volle Härte des Gesetzes träfe.Abgesehen davon, dass dies ein seltsamesRechtsverständnis ist, dass es erlaubt sei,für bestimmte Gruppen unser Rechtssystemzu verbiegen, verkennt es die Tatsache,dass dieses eindimensionale Steuerungsinstrumentin ein komplexes Netzvon Variablen eingebettet und mit anderenkomplexen Systemen vernetzt ist, sodasswir noch nicht einmal genau sagen können,in welchem Bereich die lineare Kausalität– härtere Bestrafung und als Folgegeringere Kriminalität – Gültigkeit hat.Gefahr durch stetige Verschärfungder StrafzumessungIm Sexualstrafrecht kommt aber mit einerbedrohlichen Kraft das eben beschriebenelineare Konzept zur Anwendung. Dabeiwird offensichtlich nicht berücksichtigt,dass delinquentes Verhalten ein Ergebnisvon spezifischen menschlichen Bedürfnissenist, deren Kontrolle von unterschiedlichenVariablen abhängt, wobei die Strafandrohungnur eine von vielen Variablen ist,die das menschliche Verhalten steuern.Die Strafandrohung kann bewirken, dasssich in einem uns nicht bekannten Wirkungsspektrumder Mensch gegen einenGesetzesverstoß entscheidet, sie kannaber nicht bewirken, dass spezifische problematischeBedürfnisse des Menschennicht mehr existieren. Setzt sich ein problematischesBedürfnis aufgrund seiner Abhängigkeitvon unterschiedlichen Bedingungendoch mal durch und mündet in<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>237


Psychotherapie im Maßregelvollzug – Eröffnung einer Diskussionein deliktisches Verhalten, dann ist es nichtunwahrscheinlich, dass unter der Bedingungexorbitanter Ächtung und Strafzumessungetwas völlig Neues entsteht, undzwar Folgen, die ursprünglich weder vomGesetzgeber noch vom Delinquenten beabsichtigtwaren. Denn in einem komplexenSystem, in dem unterschiedliche Kräfteaufeinander wirken, können sich Ursacheund Wirkung im Sinne der nichtintendiertenFolgen umkehren; das, was alsMaßnahme zur Verringerung von Straftatengedacht war, wird zur Ursache nochschwererer Straftaten.Auch wenn es aktuell noch nicht verifiziertwerden kann – und man kann nur hoffen,dass die Zahl der sogenannten Verdeckungsmordeso klein bleibt, dass eine statistischeVerifikation schwierig bleibt –, gibtes Grund zu der Annahme, dass derartigeDelikte aufgrund einer extremen Ächtungund Bestrafung der Sexualstraftäter wahrscheinlicherwerden und dass ein weiteresDrehen an der Strafverschärfungsschraubeden sexuellen Missbrauch nicht mehr weiterreduziert, dafür aber eher neue undschwerere Straftaten evoziert. Folgt mandiesem Gedanken, dann wird plausibel,dass in einer stetigen Verschärfung des Sexualstrafrechtseine Gefahr lauert, die demausschließlich linear denkenden Menschenverborgen bleibt. Alle im Mainstreamder aufrichtigen Bürger sich Wähnenden,die immer noch schärfere Strafenfordern und auch nicht davor zurückschrecken,sadistische Bestrafungsszenarien zufantasieren, und besonders die Entscheidungsträger,die meinen, sie müssten demöffentlichen Druck durch entsprechendeMaßnahmen folgen, sollten bedenken,dass sie ihren Zielen möglicherweise einenBärendienst erweisen – weil mit weiterenStrafverschärfungen die Zahl der Sexualdeliktekaum noch weiter verringert werdenkann, sich aber die Wahrscheinlichkeit fürnoch schwerere Straftaten zwecks Verdeckungeines Sexualdeliktes erhöht.Diplom-Psychologe Stefan Kriegisch istals Psychologischer Psychotherapeut imMaßregelvollzug tätig und therapiertschwerpunktmäßig Sexualstraftäter.Dipl.-Psych. Stefan KriegischGoslarsche Landstraße 6031135 Hildesheimskri.for@hildesheim.ameos.de238 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Philosophische Behandlung von Psychotherapie – Indikationen, Risiken und Nebenwirkungensen der Theoriebildung unterscheiden zukönnen. An dieser Stelle lässt sich eine klareAufgabe für die philosophische Reflexionbenennen: Philosophische Reflexionkann bei der Stärkung der Abwehrkraft gegenunangemessene Theoriebildung helfen.Allerdings ist ihr Nutzen nicht garantiert,denn wie jedes kräftige Therapeutikumkann auch die philosophische Problematisierungparadox wirken und ist nichtohne Risiken.Wenn das so ist – muss Psychotherapieüberhaupt theoretisiert werden? Tut PsychotherapiewissenschaftNot? Diese Fragendrängen sich auf, denn man kann sichdurchaus psychotherapeutisch wirksameVerfahren denken, deren Verfechter eineerklärtermaßen antitheoretische Haltungeinnehmen. Jeder von uns könnte Beispielefür vermeintlich oder wirklich theoriefreieRichtungen innerhalb des breitenSpektrums von Psychotherapien nennen.Doch wird man als Philosoph damit rechnen,dass bekennende Antitheoretiker undA-Theoretiker, statt von aller Theorie wegzukommen,vielmehr nur zur leichten Beutevon zeitgeistigen Theorie-Gemengelagenwerden, in denen sie unreflektiert „leben,weben und sind“. Und so kann fürdenkende Psychotherapeuten, gleich welcherRichtung, die Frage eigentlich nichtsein, ob, sondern nur wie sie ihre implizitenund expliziten Theorien über Störung,Krankheit und Heilung reflektieren.Als philosophischer Pragmatist in einerDenktradition, die von Georg WilhelmFriedrich Hegel über John Dewey zu Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas reicht,denke ich, dass eine Theorie und eine vonihr mitbestimmte Praxis miteinander verwobensind, sodass sich Unzulänglichkeitender Theorie früher oder später immerauch in der betreffenden Praxis als praktischeProbleme manifestieren. Theorieproblemesind Symptome von Praxisproblemenet vice versa. Bemühungen zur Verbesserungder Reflexion der Theorie bietendaher Aussicht auch auf die Verbesserungder korrespondierenden Praxis. WirPragmatisten betreiben Theoriereflexionnicht um ihrer selbst willen, sondern umdie von ihr imprägnierte Praxis zu verbessern.Oder wie der Sprachforscher KarlBühler einmal sagte: Nichts ist so praktischwie eine gute Theorie. Theorien werdendurch philosophische Kritik in der Regelbesser. Philosophische Reflexion kann insbesonderezu jener Distanz und Dezentrierungverhelfen, deren es bedarf, um blockierendeMythenbildungen aufzulösenund ideologisch fixierte Dichotomien zuhinterfragen, die nicht der Sache, sondernden Omnipotenzansprüchen der miteinanderkonkurrierenden Psychotherapieschulengeschuldet sind. Ob Psychotherapiestörungsorientiert oder personzentriertsein sollte und auch nur entweder das eineoder das andere sein kann; ob Ressourcenorientierungoder diagnoseabhängigeDefizitorientierung die passende Behandlungsperspektivedarstellt und nur einedieser Orientierungen die wirklich richtigesein kann; ob die psychotherapeutischeBeziehung als spontanes zwischenmenschlichesGeschehen oder aber durchpsychotherapeutische Technik bestimmtsein sollte – dies sind nur drei Beispiele fürFragen, die für die Zukunft der Psychotherapievon erheblicher Bedeutung sind, 4aber durch empirische Forschung nicht zuentscheiden sind, sondern einer umfassendenund auf die Voraussetzungen reflektierendenVerständigung bedürfen. Philosophiekann solche Paradigmendiskurseanregen, fördern und erleichtern.Das bisher Gesagte sollte als eine positiveIndikation genügen für die philosophischeBehandlung von Psychotherapie und dendiversen Theoriefeldern, die die diversenPraktiken der psychotherapeutischen Behandlungumgeben. Bevor wir zu den Risikenund Nebenwirkungen kommen, einkurzer Blick auf tonische Wirkungen.Die Ausnahme: Eine freundlicheAllianz von Philosophie undPsychotherapieMartin Heidegger ist der einzige Philosoph,der positiv und direkt in die Entwicklung vonPsychotherapieverfahren und Psychotherapielehrenhineingewirkt hat. Bekanntlich hatHeideggers spätes Ereignis-Denken dieTherapierichtung der maßgeblich von MedardBoss entwickelten „Daseinsanalyse“mitgeprägt (Boss, 1979, 2006, 2007). DieNamensgebung „Daseinsanalyse“ greift aufHeideggers Hauptwerk Sein und Zeit ausden 1920er-Jahren zurück: auf HeideggersKonzeptualisierung des Menschen als desWesens, dem es in seinem Sein wesentlichum dieses Sein selbst geht. Dieses eigentümlicheSelbstverhältnis hat Heidegger damalsterminologisch als „Dasein“ markiert.Medard Boss versuchte in den 1970er-Jahrenin seinem Hauptwerk Grundriss derMedizin und der Psychologie in die gesamteMedizin und Psychologie ein neues Denkeneinzuführen, welches den, wie er esnennt, modernen „possessiven Subjektivismus“überwindet (Boss, 1999). Boss meintdamit gleichsinnig wie Heidegger eine inder Neuzeit zur Übermacht gekommeneGeisteshaltung, die gesunde wie krankeMenschen zu Objekten eines technischenVerfügungswissens macht. Heideggers Gedankenüber „Gelassenheit“ als angemessenes,reifes „Sichzusichverhalten“ der Personin der gegenwärtigen seinsgeschichtlichenEpoche haben nicht nur Theologen,sondern auch Psychotherapeuten sehr angezogen.5Die Daseinsanalyse ist im deutschenSprachraum von Alice Holzhey-Kunz soweiterentwickelt worden, dass auch SigmundFreuds Entdeckung des unbewusstenSinns psychopathologischer Symptome,der mit hermeneutischen Methodenverstanden und gedeutet werden kann, indie Daseinsanalyse Eingang gefunden hat.Medard Boss und Ludwig Binswanger hattensich hiergegen noch gesperrt (Holzhey-Kunz, 1994, 2002; Längle & Holzhey-Kunz,2008). Bei der Holzhey-Kunzschen Richtungder daseinsanalytischen Psychotherapiehaben über Heidegger hinaus nochweitere Philosophen Hebammendiensteleisten dürfen – oder leisten müssen. Dieneue daseinsanalytisch-hermeneutischeAuffassung seelischen Leidens steht unterdem philosophischen Einfluss von SØrenKierkegaard und Jean-Paul Sartre. SeelischesLeiden ist nach Auskunft der Daseinsanalyseein „Leiden am eigenenSein“, nämlich an Grundbedingungenmenschlicher Existenz. Alice Holzhey-Kunzgeht sogar noch einen Schritt weiter, wennsie Zusammenhänge herstellt zwischenseelischem Leiden und einer „existenziellenVulnerabilität“, einer individuell beson-4 Diese Beispiele diskutiert Fiedler (2010) imletzten Kapitel seines interessanten Buchs„Verhaltenstherapie mon amour. Mythos –Fiktion – Wirklichkeit“.5 Siehe z. B. den Sammelband von Döring &Kaufmann, 1981.240 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


M. Kettnerders ausgeprägten Hellhörigkeit für dieAbgründigkeit und Unheimlichkeit desmenschlichen Daseins. Daseinsanalytischmuss man sich den seelisch leidendenMenschen gewissermaßen als einen „Philosophenwider Willen“ vorstellen.Die Allianz von Philosophen wie Heidegger,Sartre und Kirkegaard mit Psychiaternund Psychoanalytikern wie Binswanger,Boss und Holzhey-Kunz veranschaulichtdie Chancen dieser Konstellation.Nun war diese (in den 1940er-Jahren) begonneneAufnahme gewisser Philosophemeder Genannten der gewiss sehr seltene Fallvon freundlichen Übernahmen, von denenbeide Seiten etwas hatten. Häufiger habensich die Verhältnisse so gestaltet, dass Philosophenmit unfreundlichen Absichten indas Feld psychotherapeutisch-psychologischerTheoriebildung interveniert haben. DerBegründer des naturwissenschaftshörigenKritischen Rationalismus, Karl Popper, hatdieses Feld sogar mit der Mine des Terminatorsbetreten und versucht, speziell die psychoanalytischePsychologie zu exkommunizieren:als einen Aberglauben vom Schlageder Astrologie und als eine Weltanschauung,die auf ebenso tönernen Füßen stehe wieder Marxismus. 6Risiken und Nebenwirkungen:Vier Meisterdenkergegen die TiefenpsychologieIm Folgenden resümiere ich einige wenigerfreuliche Episoden der Geschichte, wiedie Psychoanalyse unter die Philosophenfiel (Levy, 1996). Vermutlich lassen sichähnliche Geschichten auch für andereRichtungen der Psychotherapie und derenjeweilige Reflexionstheorien erzählen, etwafür die Gesprächs- und die Verhaltenstherapie.Die Gesprächspsychotherapiehat philosophisch-humanistische Reflexionstheorienangezogen. Die Verhaltenstherapiezehrte vom philosophischen Empirismus,der auch die Ausdifferenzierungder wissenschaftlichen Disziplin Psychologieim 19. Jahrhundert zuerst befeuerteund dann beschränkte, und – besondersin ihren neueren rational-emotiven Ausfächerungen– von antiken Strömungen desphilosophischen Stoizismus (Schorr, 1984;Robertson, 2010). Doch hat wohl geradedie Psychoanalyse mit ihrem herausforderndenAnspruch, eine Tiefenpsychologie,eine tiefer als die übliche dringendePsychologie zu sein, die auch vor der Hinterfragungder künstlerischen, wissenschaftlichenund auch der philosophischenDenktätigkeit nicht Halt macht, noch stärkerzur intellektuellen Gegnerschaft provoziertals andere Richtungen.Philosophische Mäkeleien und Einwändespeziell gegen Freuds Versuche, unbewusstesSeelenleben zu konzeptualisieren, begleitendie Psychoanalyse von Geburt an.Es ist wahrscheinlich nicht übertrieben zusagen, dass die prominentesten derjenigenKritiker, die die Philosophen als die ihrenanerkennen, die folgenden vier sind: LudwigWittgenstein und William James, beidesZeitgenossen Freuds, der eine Österreicher,der andere Amerikaner, sowie Alasdair MacIntyreund Adolf Grünbaum, zwei heutigeamerikanische Philosophen, MacIntyre einkritischer christlich-aristotelischer Kommunitarist,Grünbaum ein empiristischer Wissenschaftstheoretikerhohen Ranges.Der Philosoph William James ist heutigenStudierenden der Psychologie, falls sienoch in den Genuss von Unterricht in derWissenschaftsgeschichte ihres Fachs gekommensind, nur als Psychologe bekannt,nämlich als der Autor eines monumentalenKlassikers, der Principles of Psychology(James, 1890). Unter heutigen Philosophenhingegen genießt James denRuhm eines Mitbegründers (James, 1909)des amerikanischen Pragmatismus nebenCharles Sanders Peirce und John Dewey,also jener bedeutenden Linie im philosophischenDiskurs der Moderne, die zuletztdurch Richard Rorty 7 innerhalb der akademischenWelt ebenso wie außerhalb ihrergroße Beachtung gefunden hat.Ludwig Wittgenstein ist den allermeistenbekannt als der Autor des Tractatus logicophilosophicus.In diesem Frühwerk versuchtWittgenstein nichts Geringeres als die Offenlegungder logischen Tiefenstruktur derWelt als des Inbegriffs aller bestehendenSachverhalte (Wittgenstein, 1998). 8 DasSubjektive lässt sich freilich in diesem Begriffsrahmennicht anders denken denn alsdie Grenze der Welt (a. a. O). 9 Später hatWittgenstein seine metaphysische Hybrisabgelegt, eine Kehre vollzogen und die PhilosophischenUntersuchungen verfasst.Dieses erst posthum kompilierte, Ende der1950er-Jahre erschienene Spätwerk arbeitetin ebenso labyrinthischen wie unermüdlichenAnläufen die Grundidee aus, dass diekulturelle Vergemeinschaftung der Menschenals Gewimmel von unzähligen, nichtscharf abgrenzbaren, nur durch Familienähnlichkeitenverbundenen und stets nurfallweise analysierbaren „Sprachspielen“,wie Wittgenstein das nennt, zu beschreibensei. Diese Grundidee hat vor allem derSprachphilosophie des zwanzigsten Jahrhundertsso fruchtbare Anregungen gegeben,dass heutige Sprachphilosophen Wittgensteinim Pantheon der Philosophie gerneauf ein benachbartes und ebenso hohesPodest stellen, wie Existenzialphilosophendas mit Heidegger zu tun pflegen (Wittgenstein,2001 [orig. 1953], 1991).Was sind Risiken für die Psychotherapie,wenn Philosophen sie philosophisch behandeln?Blickt man heute auf die Speerspitzender Einwände zurück, die WilliamJames, Ludwig Wittgenstein, Alasdair MacIntyreund Adolf Grünbaum, die vierHauptfiguren der philosophischen Psychoanalysekritik,gegen Konzepte des Unbewusstenvorgebracht haben, dann werdenwir Verteidiger des Denkwegs von Freuduns eigentlich recht gut gewappnet sehen.Allerdings haben wir vorerst keinen Grund,an einen dauerhaften Frieden mit Friedensdividendefür alle zu glauben. Die ScienceWars sind nicht zu Ende. 10 Nur die6 Siehe bes. S. 35ff. in Popper, 1962.7 Von Rorty (1988) gibt es einen interessantenAufsatz zu Freud: „Freud und die moralischeReflexion“ (S. 38-81).8 Ein guter Kommentar zu diesem Werk istdas Buch von Tetens, 2009.9 „Das Subjekt gehört nicht zur Welt, sondernes ist eine Grenze der Welt.“ (a. a. O., S. 90)10 Mit diesem Etikett werden Auseinandersetzungenbezeichnet, die zunächst in den1990er-Jahren zwischen postmodernistischenKulturtheoretikern und modernenNaturwissenschaftlern über den Status vonNaturwissenschaften und Kulturwissenschaftengeführt wurden. Dem Projekt einerPsychotherapiewissenschaft droht dabeiGefahr von beiden Seiten. Entlarvung alsAnpassungs- und Herrschaftstechnologiehier, Abwertung als Pseudowissenschaftdort. Zu den Science Wars generell siehe<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>241


Philosophische Behandlung von Psychotherapie – Indikationen, Risiken und NebenwirkungenAngriffslinien und -taktiken ändern sich.Die Schusslinien, in denen Psychotherapierichtungen– die psychoanalytischeebenso wie die verhaltenstherapeutischeund andere – sich befinden, wechseln,aber es bleiben Schusslinien.Schweifen wir kurz ab. Politologen wartenmit der überraschenden und beruhigendenBeobachtung auf, dass seit dem ZweitenWeltkrieg reife Demokratien kaum jenoch mit anderen reifen DemokratienKrieg geführt haben. Psychologen aber habenfür denselben Zeitraum den uns allenbekannten, sehr beunruhigenden Befundzu berichten, dass reife ebenso wie unreifePsychotherapierichtungen – und sogar innerhalbder Hauptrichtungen die vielen,durch Variation, Mutation, Sezession undRetention sich bildenden psychotherapeutischen„Schulen“ und „Lager“ – in der Regelmiteinander im Krieg, mindestens aberim Clinch liegen. Um die Lage metaphorischzu erhellen, könnte man auch auf dasantike Griechenland anspielen und vonPolis und Kolonie, von Völkern und Königreichensprechen. Es sei jedem selbstüberlassen, welche der beiden Hauptrichtungender in Deutschland kassenärztlichbezahlten Psychotherapie wir dem Königreichder Spartaner und welches wir derAthenischen Allianz zuordnen wollen, zweiKontrahenten, die sich in langwierigenKriegen bekanntlich gegenseitig ruinierten.Zurück zu Ludwig Wittgenstein. Zwar hatWittgenstein in seinem Spätwerk die intersubjektiveWelt der kulturellen Praktikenentdeckt. Aber auch in seinem Spätwerkbleibt Wittgensteins Denkens das mit dersubjektlosen Objektivität der logischenStrukturen anfing, vor der Welt der Subjektivitätstehen. Wittgensteins Einwände gegenwissenschaftliche Psychologie undspeziell gegen die Versuche der Verbegrifflichungdes Unbewussten, so erscheint esuns heute, sind letztlich eher auf einemerkwürdige Art religiös geprägt als hartwissenschaftlich (Wittgenstein, 2000).Bei William James stellen wir im Rückblickfest, dass James in seiner philosophischenPsychologie viel zu wenig berücksichtigt,wie all das, was wir psychodynamisch als„Widerstand“ bezeichnen, in bewusstesund unbewusstes Seelenleben eingeht –und wie im Feld der psychologisch-psychotherapeutischenTheoriekonstruktiondie vertrackte Psychodynamik von vielfältigenAbwehrprozessen eine entscheidendeRolle spielt für alle empirisch interessantenKonzeptualisierungen von unbewusstenseelischen Prozessen. William James undSigmund Freud haben sich leider nur eineinziges Mal im direkten Gespräch getroffen– 1909 bei der Jubiläumsfeier derClark University in Massachusetts. Obwohlwir James heute als einen aufregendenVordenker der Psychologie der Aufmerksamkeit,des Bewusstseinsstroms und derErinnerung neu entdecken sollten, müssenwir seine Argumente gegen den wissenschaftlichenSinn von Konstrukten einerbewusstseinsfreien geistig-seelischenAktivität doch als vorschnell und unnötigzurückweisen. 11Alasdair MacIntyres Verständnis von freudianischenBegriffen des Unbewussten leidet,wie er interessanterweise im philosophischenRückblick selbst sieht, an einerFixierung auf die vermeintliche Nichtbeobachtbarkeitdes von Freud postulierten Unbewussten.Tatsächlich: Ein Nichtbeobachtbaresmuss das Unbewusste jedenfallsfür alle Beobachter bleiben, die denverengten, auf Wahrnehmung durch diefünf Sinne eingeschränkten Beobachtungsbegriffdes logischen Empirismus langeZeit so vor sich her getragen haben wiekatholische Priester die Monstranz mit derkleinen weißen Hostie. Alasdair MacIntyres1958 erschienene Studie The Unconscious:A Conceptual Analysis verharrte zusehr in diesem engen Blickwinkel des logischenEmpirismus, wie MacIntyre im Vorwortzur Neuauflage 2004 selbstkritischvermerkt (MacIntyre, 1958). Infolge dieserFixierung vergaß MacIntyre, die Erkenntnisressourcender hermeneutischen Methodedes freien Assoziierens und des Deutensangemessen zu würdigen – was errückblickend bedauert, aber heute auchnicht wieder gutmachen kann.Adolf Grünbaum, der seit 1980 für die philosophischenCredentials der Psychologiedes Unbewussten verderblichste philosophischeKritiker, hat einen Teil seiner Angriffenun gegen die Erkenntnisressourcender hermeneutischen Methode des freienAssoziierens und des Deutens gerichtet(Grünbaum, 1988; 1993). Der scharfzüngigeintellektuelle Journalist Karl Kraus, einZeitgenosse und Landsmann Freuds, erklärteeinst in einem bekannten bonmot,die Psychoanalyse sei selbst die Krankheit,für deren Therapie sie sich hält. Der philosophischeWissenschaftstheoretiker AdolfGrünbaum – übrigens gleichfalls gebürtigerÖsterreicher – behandelt Freuds Theoriebildungselbst als die große Rationalisierung,für deren Auflösung sie sich hält.Grünbaum diagnostiziert nämlich eine Anfälligkeitder hermeneutischen Methodedes freien Assoziierens und des Deutensfür zirkuläre Selbstbestätigungen: Analytikerund Analysand, wenn sie diese Methodezusammen handhaben, sind nicht dagegengefeit, latenten Sinn weniger zufinden als zu machen, und zwar so zu machen,dass sie vor allem finden, was sievorweg schon an Sinn investieren (vgl.Grünbaum, 1988, bes. Teil II: „Der Eckpfeilerdes psychoanalytischen Gebäudes. Istdie Freudsche Verdrängungstheorie wohlbegründet?“,S. 285-288, sowie Kettner,1998). Für den Analytiker heißt das: dasser findet, was er vorweg schon an Sinn investierthat, gelenkt durch die Hintergrundannahmenderjenigen theoretischen Position,mit der er sich eben identifiziert. Kurzgesagt: Wer aus theoretischen Gründen anstrukturellen Penisneid bei Frauen glaubt,wird ihn bei Analysandinnen auch finden;wer das theoretische Konzept einer „paranoid-schizoidenPosition“ verwendet, wirdbeim Interpretieren von Phantasielebendieses Konzept bestätigen können.Stellen wir uns für einen Moment auf denStandpunkt gewiefter Konstruktivisten undIntersubjektivisten. Dann werden wir vielleichtsagen, solche Zirkularität der Sinnbildungschade gar nicht, sei im Gegenteil diepsychotherapeutisch hilfreiche Konstruktioneines gemeinsamen seelischen Raums vonPsychotherapeut und Patient und diene inletzter Instanz der lebensförderlichen Neuerfindungdes Patienten in dessen Narrationüber sich selbst (vgl. z. B. Hinz, 2000 oderOrange, Atwood & Stolorow, 2001). Vermuthttp://sciencewars.tripod.com/sowie denArtikel des Evolutionsbiologen Stephen JayGould http://www.stephenjaygould.org/library/gould_science-wars.html(aufgerufen1.11.2012).11 Siehe hierzu Levy, 1996, S.82-80.242 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


M. Kettnerlich könnte sogar Adolf Grünbaum so vielKonstruktivismus und Intersubjektivismusakzeptieren. Nur würde er entgegnen –und das bleibt ein Stachel –, dass zirkuläreSinnbildung womöglich im Kontext von Psychotherapiehilfreich sein, in dem ganz anderenKontext der Datengewinnung für diewissenschaftliche Theoriebildung sich abernur fatal auswirken kann. Was zum Zweckder Psychotherapie gut ist, ist deshalb nichtauch schon gut für die Theorie. Grünbaumspricht hier von „Kontamination“ und „Suggestionsanfälligkeit“der klinisch erhobenenDaten. Zu einem der schärfsten, von philosophischenund auch psychologischenFeinden der Psychoanalyse begierig aufgegriffenenEinwände Grünbaums gegen diePsychologie des Unbewussten wurde daherGrünbaums Behauptung, dass nur –und nur – die „extraklinischen“ Vergewisserungsweisengeeignete und wissenschaftlichanerkennungswürdige Verfahren wären,um die wichtigsten psychoanalytischen Annahmenund Konzepte zu testen. Als „extraklinisch“bezeichnet Grünbaum solchehypothesentestenden Verfahren, die nurDaten und Evidenzen von außerhalb derklinischen Psychotherapiesituation verwerten– z. B. Daten aus der nachträglichenqualitativ-quantitativen Erforschung vondokumentierten Psychotherapieprozessenoder unabhängig erhobene epidemiologischeDaten.Grünbaums Behauptung, das können wirim Rückblick sagen, beruht allerdings aufeiner sehr fragwürdigen Dichotomie zwischenextraklinischen und intraklinischenDaten und ihrer jeweiligen wissenschaftlichenVertrauenswürdigkeit und Belegkraft.12Grünbaums Kritik der Grundlagen der Psychoanalyseenthält neben einigen gutenHerausforderungen viele Missverständnisse.Allerdings hat die überwiegende unfreundlicheAufnahme seiner Argumentein den Reihen der Kritisierten ebenfallsmassive Missverständnisse produziert.Zum Beispiel haben die Angegriffenen leiderkaum bemerkt, dass Grünbaum einemfrüheren „Gegner der Psychoanalyse“ seinerGeschäftsgrundlage beraubt: Sir KarlRaimund Popper, der einst die schrille Warnungvor der angeblich unfalsifizierbaren„Pseudowissenschaft” Psychoanalyse ausgab,wird von Grünbaum mit guten Argumentenabserviert. 13Natürlich hat auch die Verhaltenstherapiephilosophische, gewisse Grundannahmeninfrage stellende Kritik erfahren. 14 EineÜbersicht über die wichtigsten philosophischenProblematisierungen würde leiderden Rahmen des vorliegenden Textssprengen.Chancen auf beidenSeiten: Kooperation vorKonfrontationSoweit Philosophieren ein Nachdenken ist,das sich so radikal wie möglich und so wenigborniert wie möglich für die relativeVernünftigkeit menschlicher Praxis interessiert– was für eine Praxis auch immer diessei –, soweit darf praktisches und theoretischesPhilosophieren über die Realitätender menschentypischen Lebensform nichtvornehm tun gegen das reichhaltige, überviele Jahrzehnte im großen Felde der Psychotherapienakkumulierte Erfahrungswissen.Deshalb wäre von der Devise „Kooperationvor Konfrontation“ eine heilsameWirkung nicht nur für Psychotherapie undPsychologie zu erwarten, sondern auch fürdie Philosophie.Wer z. B. philosophisch über die kapitalistischeMarktwirtschaft nachdenken will, etwaim Rahmen kritischer Wirtschaftsethik,dabei aber nur die Rationalitätsfiktionender Märkte oder die Normativität vonrechtlichen Rahmenordnungen thematisiert,jedoch das psychoanalytische Wissenüber Gier, Neid, Rivalität und Fetischismusignoriert, der kann nur wirklichkeitsunterbietendphilosophieren.Wer über Demokratie, über die Inklusionund Exklusion von Menschen, über die Fragilitätvon Multikulturalismus „philosophischanalytisch“ nachdenkt, wer dieEmergenz normativer Ordnungen von Völker-und Menschenrechten philosophischbegründen und rationalisieren möchte,dabei aber das psychoanalytische Wissenüber die Störbarkeit der Entwicklung vonWir-Identität und Ich-Identität, über Verachtung,Fremdenhass und Selbsthass ignoriert,der kann nur wirklichkeitsunterbietendphilosophieren.Wer über Emotionen und Affekte philosophiert,dabei aber das psychoanalytischeund kognitiv-behaviorale Wissen übermenschliches Gefühlsleben ignoriert, wirdnur alten Wein in neuen Schläuchen produzierenoder, weil unsere philosophischeProfessionalität uns unweigerlich zu sophisticatedtechnicalities treibt, viele terminologischgespreizte Banalitäten.Wer schließlich in der philosophischen Ethiküber die motivationale Seite des moralischenSollens, über die Grundlagen moralischerNormen und die Entwicklung desmenschlichen Moralbewusstseins nachdenkt,wird psychoanalytische Einsichteneinbeziehen müssen (Scheffler, 1992).Wir Philosophen, das sei jetzt adversos academicosgesagt, sollten die Diskurshoheitnicht denjenigen unter uns überlassen, diesich selbst als die harten Rationalisten inszenieren.Wir sollten vielmehr für die Erschließungund Kartierung alles Seelischen,Subjektiven und Geistigen die Erfahrungderjenigen zu Rate ziehen, die als Psychotherapeutenprofessionell mit Leiden umgehen– mit den Leiden, die aus gestörtenVerhältnissen entspringen, unter denen dieMenschen als stets nur begrenzt der Selbststeuerung(Autonomie) mächtige Personenzurechtkommen müssen. Unsere stets nurbegrenzte Autonomie macht, dass wir inkonfliktiver Spannung leben zwischen einerseitsdem Leben, das wir tatsächlich führen,und andererseits dem Leben, das wirführen würden, wenn wir wüssten, was wirwirklich wollen, oder auch nur wüssten, wasuns davon abhält, dies zu wissen und zukönnen.12 Vgl. Levy (1996), bes. S.173-177, zur Kritik anGrünbaums missverständliche Behauptung,beobachteter Therapieerfolg liefere keinerleiGründe für die Erhärtung der in die Therapieinvestierten psychologischen Theorie.13 Vgl. bes. Kapitel 11, „Koda zur exegetischenMythenbildung in Karl Poppers Anklage gegendie klinische Bestätigung der Psychonanalyse“in Grünbaum, 1988.14 Zum Beispiel werden die in der VT gängigenKonzeptualisierung des „Kognitiven“ als lebensweltlichunpassend kritisiert, sieheMcEachrane, 2009.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>243


Philosophische Behandlung von Psychotherapie – Indikationen, Risiken und NebenwirkungenWas ist nun schlimmer? WirklichkeitsverdünntesPhilosophieren – oder philosophischverdünntes Psychotherapieren? Diebeste Devise ist sicher, nach Möglichkeitbeide Mängel zu vermeiden.Wer als Psychologe eine psychotherapeutischrelevante „integrative“ Theorie desDenkens entwerfen will, wie z. B. Wilfred Bion,oder eine Theorie der Mentalisierung,wie Peter Fonagy, es dabei aber unterlässt,sich tiefer mit dem zeitgenössischen philosophischenDiskurs über das „Denken desDenkens“, etwa in der Philosophie des Geistes,15 auseinandersetzen, wird philosophischfadenscheinige psychologische Theorie produzieren.Wer über Achtsamkeit, Selbstaufmerksamkeitund Körperbewusstsein etwaim Feld einer „erweiterten“ oder „integrativen“Verhaltenstherapie nachdenkt, 16 aberdie reichen Erträge philosophischer und philosophisch-psychiatrischerForschungen zurbetreffenden Phänomenologie kaum kennt, 17wird bestenfalls neue Terminologien undKräuselungen auf der Oberfläche der „Psychotherapierichtungen“und „Psychotherapieschulen“bewirken.Anthropologie undRationalität: Schnittstelleund BaustelleKommen wir auf das alte Projekt einer Wissenschaftvom Menschen zurück, das icheingangs als ein Desiderat der europäischenAufklärung erwähnt hatte. DiesesProjekt erscheint weder sinnlos noch gescheitert,sondern nur aufgeschoben. DieWissenschaft vom Menschen ist ein unvollendetesProjekt der Moderne. Und wirkönnen versuchen, es weiterzubringen.Ich meine, die psychotherapeutische Aufklärungsollte massive Folgen für die anthropologischenPrämissen haben, die jaunweigerlich in alle Humanwissenschafteneingehen, ob die Humanwissenschaftenihre Grundannahmen über das für Menschenangeblich Normale und Natürlichenun beherzt einbekennen oder aber ausfalscher Scham vor dem scharfen Blickheutiger Antihumanisten und radikaler wissenschaftlicherNaturalisten, die im Zeitgeistgerade den Ton angeben, solcheGrundannahmen und Menschenbilderverdecken zu müssen glauben.Wo sind Indikationen für die Behandlungder Philosophie mit Mitteln der psychotherapeutischenAufklärung auszumachen?Wo innerhalb der Philosophie wäre ansetzenund weiterzubehandeln?Am besten direkt am Zentralkomplex derPhilosophie, das ist: die philosophischeTheoriearbeit über Vernunft, Verstand, Rationalität.Philosophie war und ist selbstkritischeErforschung der menschlichen Vernunftdurch diese selbst, also Vernunftselbsterforschung.Wer philosophisch aufder Höhe der Zeit ist, wird aber Vernunftkaum mehr abgetrennt von der bio-psycho-kulturellenVerfassung menschlich sozialisierterPersonen denken wollen. Philosophischaussichtsreich erscheint heutedie Strategie, menschliche Vernunft an ihrenWurzeln mit den Praktiken des Ergründensund Gründegebens zusammenzudenken,mit Praktiken also, die sich alssolche nicht unter den Gehirnschalenmenschlicher Lebewesen abspielen, sondernsich nur in zwischenmenschlichenKommunikationsgemeinschaften menschlicherLebewesen verwirklichen können.In der Philosophie der Rationalität und derPsychologie der Psychotherapie sollten wirkeine Antipoden sehen. Von der neueren,kognitiv und attentiv gewendeten Verhaltenstherapie,wie schon in der verhaltenstherapeutischenRichtung, die sich „rational-emotiveTherapie“ nannte und auf diephilosophische Anthropologie der antikenStoiker zurückbezog, bis hin zu psychoanalytischenAuffassungen von seelischer Gesundheit,den Möglichkeiten ihres Schwindensund ihrer Rückgewinnung – überallhat man es mit Konzeptualisierungen zutun, in die neben Annahmen über emotionaleVorgänge auch Annahmen übermenschliche Fähigkeiten der vernünftigenSelbststeuerung (Autonomie) eingehen.Gefühle, auch unbewusste, wie besondersdie psychoanalytische Objektbeziehungstheoriezeigt, gehören durchaus zum Fundusder rationalisierbaren Motivation vonPersonen. Gefühle, auch unbewusste Gefühle,haben Gründe und zugleich gebensie den Personen, die die Gefühle haben,Gründe zu allerlei. Insofern sind Gefühlekein Jenseits des Spiels der Gründe, sonderngehören mitten hinein in dieses Spiel.Auch Gefühle sind kritisierbar, empfänglichfür Handlungs- und Bewertungsgründe.Unser Gefühlsleben ist mehr oder wenigerreason-responsive. 18 Menschliche Affektivitätund rationale menschliche Motivation,auch wenn sie nicht ineinander aufgehen,bilden keinen Gegensatz. Blaise Pascalhatte Recht: Le coeur a ses propres raisonsqui la raison ne connaît point.Gefühle können ihrerseits auch Gründe besetzenund verschaffen diesen dadurchgleichsam fühlende Körper (Kettner, 2009).An gewissen Handlungs- und Bewertungsgründenkann einem sehr viel liegen, siekönnen Gewicht erlangen, zu festen Überzeugungenwerden, die man vielleicht umkeinen Preis aufgeben will und an denen –im pathologischen Extrem – zwanghaft undwahnhaft festgehalten wird. Andere Gründekönnen einem verhasst sein, man will sienicht wahr haben. Wieder andere Gründekönnen einen völlig unberührt lassen, wennsie in der subjektiv-intersubjektiven Welt allder Gründe, die ein Individuum richtig,wichtig und gültig findet und die insofern„seine“ Welt ist, keine Resonanz, keine Spurvon persönlicher Denkbarkeit finden.Und so können wir nicht nur sagen, dassGefühle für Gründe empfänglich sind (reason-responsiveness,Fischer & Ravizza,1998), sondern wir können dies mit derwichtigen Umkehrung ergänzen, dassGründe ihrerseits auch emotion-responsivesind – empfänglich für Gefühle.Das animal rationale ist eben nicht bloßdas Tier, das seine Gründe hat. Vielmehrist das animal rationale dasjenige Tier, daszudem Gefühle und auch für diese nochseine Gründe hat (Kettner, 2012).LiteraturBoss, M. (1979). Von der Psychoanalysezur Daseinsanalyse. Wege zu einem15 Eine auch für die Psychologie und Psychotherapieinteressante Synthese versucht derPhilosoph Wolfgang Detel, 2011.16 Als Überblick über die aktuelle Deregulierungder VT siehe Hayes, Folette & Lineham(Hrsg.), 2012.17 Vgl. z. B. Thomas Fuchs, 2010.18 Aktuell siehe hierzu Slaby, Stephan, Walter &Walter, 2011.244 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


M. Kettnerneuen Selbstverständnis. Zürich: Europaverlag.Boss, M. (1999). Grundriss der Medizinund der Psychologie. Ansätze zu einerphänomenologischen Physiologie, Psychologie,Pathologie, Therapie und zueiner daseinsgemässen Präventiv-Medizin.Bern: Huber Verlag.Boss, M. (Hrsg.) (2006). Zollikoner Seminare:Protokolle – Zwiegespräche –Briefe (3. Aufl.). Frankfurt: Klostermann.Boss, M. (2007). Psychanalyse et analytiquedu Dasein. Paris: Librerie PhilosophiqueVrin.Detel, W. (2011). Geist und Verstehen.Frankfurt: Klostermann.Döring, H. & Kaufmann, F.-X. (Hrsg.)(1981). Kontingenzerfahrung und Sinnfrage.Freiburg: Herder Verlag.Fiedler, P. (2010). Verhaltenstherapie monamour. Mythos – Fiktion – Wirklichkeit.Stuttgart: Schattauer.Fischer, J. M. & Ravizza, M. (1998). Responsibilityand Control: A Theory ofMoral Responsibility. Cambridge: CambridgeUniversity Press.Fuchs, T. (Hrsg.) (2010). The embodiedself. Dimensions, coherence and disorders.Stuttgart: Schattauer.Grünbaum, A. (1988). 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Er forscht über Kulturtheorie,Psychoanalyse, Ethik und Rationalität.Prof. Dr. Dipl.-Psych. Matthias KettnerPrivate Universität Witten/HerdeckeAlfred-Herrhausen-Straße 5058448 Wittenkettner@uni-wh.de<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>245


Der Einbezug von Eltern in die ambulanteKinder- und JugendlichenpsychotherapieStatus quo, Nutzen und Barrieren aus Sicht niedergelassenerPsychotherapeuten in SachsenSusanne Knappe, Nicole Müller & Samia HärtlingZusammenfassung: Psychische Störungen treten bereits ab der frühen Kindheit auf,weshalb u. a. elterliche psychische Störungen und familiäre Umwelten für ihre Entstehungund Aufrechterhaltung diskutiert werden. Zugleich liegen nur limitierte Wirksamkeitsnachweisebezüglich des Einbezugs von Eltern bei Präventions- und Interventionsmaßnahmenvor. Dies war Anlass für eine Befragung aus vorrangig kognitiv-verhaltenstherapeutischerPerspektive zu Umfang, Nutzen und Barrieren des elterlichen Einbezugsim Praxisalltag niedergelassener sächsischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.Die Ergebnisse zeigen überwiegend positive Erfahrungen und deutliches Interesseam Einbezug der Eltern. Als häufigste Barrieren wurden Probleme bei der Terminfindung,Ablehnung des Einbezugs vonseiten der Familien sowie die als starr empfundeneStruktur der Abrechnungsbestimmungen benannt. Forschungsbemühungen zum elterlichenEinbezug in die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie sollten daher den „praktischenSektor“ explizit einbeziehen, um die Translation und Dissemination wissenschaftlicherBefunde zu stärken.Einführung undHintergrundKnapp 14% der 7- bis 17-jährigen deutschenKinder und Jugendlichen berichtenmindestens eine psychische Erkrankung,die mit Beeinträchtigungen und Behandlungsbedarfeinhergeht (Ravens-Siebereret al., 2008). Diese beachtlichen Ratenzeigen, dass psychische Störungen bereitsfrüh in der Lebensspanne auftreten unddamit maßgebliche Folgen für die weitereLebensführung haben können. Eine umfangreicheLiteratur zeugt vom Bemühen,Prädiktoren für den Beginn und Verlaufpsychischer Störungen zu ermitteln, umStrategien für eine gezielte Prävention,frühzeitige Diagnostik und Intervention zuoptimieren.Was können familiäre Faktorenzu unserem Verständnis vonpsychischen Störungen beitragen?Familien- und Hochrisikostudien zeigen einefamiliäre Häufung, u. a. von Angst- (Boer,Lindhout, Silverman & Treffers, 2001;Knappe, Lieb et al., 2009), depressiven(Eley et al., 2004; Lieb, Isensee, Höfler,Pfister & Wittchen, 2002), Substanz-(Kendler, Davis & Kessler, 1997) und psychotischenStörungen (Steinhausen, Foldager,Perto & Munk-Jorgensen, 2009). Indiesem Zusammenhang werden nebengenetischen Faktoren auch Faktoren derfamiliären Umwelt wie z. B. BindungsoderErziehungsverhalten, Familienklimaund Kohärenz (z. B. Bögels & Brechman-Toussaint, 2006) diskutiert, die allesamtuntereinander interagieren oder korrelierenkönnen.Es ist naheliegend anzunehmen, dass sichelterliche psychische Störungen ungünstigauf den Verlauf von kindlichen psychischenStörungen auswirken (Knappe, Beesdo etal., 2009; Lieb et al., 2002), z. B. wennKinder durch die psychische Erkrankungder Eltern eine erhöhte Symptombelastungerfahren oder die elterliche Erkrankungbzw. anhaltendes dysfunktionales elterlichesVerhalten als zusätzliche Stressoreneinen Behandlungserfolg gefährden.Damit wäre eine (psychotherapeutische)Behandlung einer kindlichen psychischenStörung aussichtsreicher, wenn derartigefamiliäre Faktoren berücksichtigt würden,zum Beispiel durch den Einbezug der Eltern(bzw. der assoziierten Parameter wieKommunikation, Bindung). Indirekt könntensich dadurch möglicherweise auch förderlicheEffekte etwa auf die Erziehungskompetenzder Eltern (z. B. psychischeGesundheit von Geschwisterkindern), aufdas allgemeine Stresslevel innerhalb derFamilie und/oder die psychische Gesundheitder Eltern ergeben.Status quo zur Einbeziehungvon Eltern in die kindlichePsychotherapieEine Einbeziehung von Eltern (oder ggfs.anderer Sorgeberechtigter) bei der psychotherapeutischenBehandlung Minderjährigerergibt sich in Deutschland rein246 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


S. Knappe, N. Müller & S. Härtlingformal durch die notwendige Einwilligungin den Behandlungsvertrag (§ 1629 BGB).Darüber hinaus ist eine Einbeziehung vonBezugs- oder Kontaktpersonen (Sozialpartner)zu jeder vierten Behandlungseinheitmöglich (bei Kurzzeittherapie jedoch insgesamtnicht für mehr als sechs, bei Langzeittherapiejedoch nicht für mehr als elfBezugspersonenstunden) und wird durchdie derzeitigen Abrechnungsbestimmungengeregelt (GOP; KBV). Der Einbezugder Eltern kann als antragspflichtige Leistungnach der Psychotherapie-Richtlinieabgerechnet werden. Die Entscheidungdarüber, ob und in welchem Ausmaß diezusätzliche Beteiligung der Eltern/andererBezugspersonen einem Behandlungserfolgzuträglich ist, wird häufig vom Psychotherapeutengetroffen (zum Überblick sieheMattejat, Quaschner & Remschmidt,2006). Alle vier (großen) Grundorientierungender Psychotherapie (kognitiv-verhaltenstherapeutisch,psychodynamisch,systemisch, humanistisch) bieten einentheoretischen und weitestgehend auchmethodisch-technischen Bezugsrahmenfür die Einbeziehung von Bezugspersonen.Nach Psychotherapie-Richtlinie sind bislangdie Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch-fundiertePsychotherapie und AnalytischePsychotherapie als Therapieverfahreninnerhalb der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapieabrechenbar. Seit2002 ist auch die Gesprächspsychotherapieund seit 2008 die Systemische Therapieals „wissenschaftlich anerkanntes Verfahren“bewertet worden, die Behandlungvon Erwachsenen oder Kindern und Jugendlichennach diesen beiden Verfahrenwird derzeit von den gesetzlichen Krankenkassenaber noch nicht bezahlt. Für diePrävention von externalisierenden, affektivenund Angstsymptomen bzw. -störungensind im deutschen und internationalenSprachraum im Bereich der Verhaltenstherapieeine Reihe von Programmen fürKinder im Vor- und Grundschulalter erschienen(z. B. „GO!“, „The Coping Cat”;zur Übersicht siehe Döpfner, 2006a). DiesePräventionsprogramme enthalten imAllgemeinen themenspezifische Handouts,Module zur Informationsvermittlungoder Übungsanteile zu Fertigkeiten zumsozialen Umgang wie etwa ProblemlöseundStressbewältigungsstrategien (Junge& Bittner, 2004). Einige Programme enthaltenModule, in denen Eltern über dieProgramminhalte informiert und z. B. zumUmgang mit Ängsten ihrer Kinder aufgeklärtwerden. Bei einigen Trainings, etwa zuexternalisierenden Verhaltensweisen, istder Anteil der Elternarbeit auch umfassender(z. B. explizite Verhaltenstrainings, welchedie elterlichen Kompetenzen im Umgangmit mit auffälligem Verhalten steigern).Andere Trainings bestehen aus reinenElterntrainings ohne Einbezug derKinder (zur Übersicht siehe Döpfner,2006a). Die kurz- und langfristigen Effekteauf die psychische Gesundheit der Kindersind für die meisten Programme – wie beiPräventionsprogrammen im Allgemeinen– als höchstens moderat zu beurteilen(zur Übersicht siehe Dadds & Roth, 2008).Interessanterweise wird die Eltern-/Familienkomponentemit zunehmendem Alterder Kinder weniger berücksichtigt. Im VorundGrundschulalter bzw. in der sehr frühenAdoleszenz findet ein Einbezug instrukturierten Programmen aus dem Bereichder Verhaltenstherapie deutlich häufigerstatt als in der späteren Adoleszenz(Ihle & Jahnke, 2005). Nun sind Art undUmfang der elterlichen Einbeziehung auchdavon abhängig, ob es sich um ein Kindim Vor- oder Grundschulalter oder um einenJugendlichen handelt. Dennoch ist esbemerkenswert, dass mit dem Eintritt indie Hochrisikophase z. B. für Angststörungenund vor dem Hinblick auf ihre familiäreTransmission scheinbar kaum Angebotefür betroffene Jugendliche und ihre Elternverfügbar sind. Dabei gibt es Hinweise darauf,dass eine direkte Einbindung der Elternund die Berücksichtigung der elterlichenPsychopathologie die Wirksamkeiteiner Präventionsmaßnahme etwa beiAngstsymptomen unter 7- bis 14-Jährigenerheblich und längerfristig erhöhen kann(Cobham, Dadds & Spence, 1998): ImRahmen einer Psychoedukation wurde diebesondere Rolle elterlichen Verhaltens fürdie Entstehung und Aufrechterhaltung vonAngststörungen bei den Kindern betont;zusätzliche Eltern-Module beinhalteten kognitiveUmstrukturierung, Entspannungstrainingsund Kontingenzmanagement.Über die bloße Informationsvermittlunghinaus übten Eltern anhand konkreter (eigener)Beispiele alternative Verhaltensweisenein. Zwar wiesen Kinder ängstlicherEltern im Gesamtergebnis geringere Effektstärkenhinsichtlich einer Symptomreduktionauf als Kinder nichtängstlicher Eltern;allerdings profitierten ängstliche Elternmehr durch den hohen Übungscharakterdes Präventionsprogramms alsnichtängstliche Eltern, was sich wiederumpositiv in langfristigen Präventionseffektenaufseiten der Kinder widerspiegelte (ebd.).Behandlung psychischerStörungen im Kindes- undJugendalterBei der Behandlung psychischer Störungenim Kindes- und Jugendalter gibt esunterschiedliche Herangehensweisen undDefinitionen für den Einbezug der Elternwie z. B. Elterngespräche, direktive Beratung,Verhaltenstrainings und die Arbeitmit Videofeedback, zirkuläres Fragen, szenischesVerstehen o. ä. Insgesamt mangeltes allerdings an randomisierten Kontrollgruppenstudien,welche die Effektivitätund klinische Nützlichkeit des Einbezugsder Eltern bzw. von Familientherapien fürden Behandlungserfolg methodisch fundiertund systematisch untersuchen (zurKritik, cf. Cottrell & Boston, 2002). EineMeta-Analyse (Ihle & Jahnke, 2005) berichtet,dass der Einbezug der Eltern inkontrollierten Wirksamkeitsstudien bisherfast ausschließlich im Rahmen von kognitiv-verhaltenstherapeutischenProgrammenrealisiert wurde. Bisher konnte einVorteil familienbezogener Interventionengegenüber der reinen Jugendlichenpsychotherapienicht konsistent nachgewiesenwerden (Breinholst, Esbjorn, Reinholdt-Dunne& Stallard, 2012). Allerdingswurde hier nicht danach unterschieden,ob Eltern selbst psychisch erkrankt warenoder ob sich – abgesehen von psychischenSymptomen aufseiten der Kinder –auch sekundäre Effekte, z. B. im Hinblickauf familienbezogene Variablen wie Eltern-Kind-Beziehungen, Kohäsion o. ä. ergaben.Neuere Befunde deuten tendenziellauf einen positiven Effekt der Elternarbeitbei der Behandlung psychischer Störungenim Kindes- und Jugendalter hin, wenngleichauch hier aufgrund inhaltlicherUnterschiede, unterschiedlicher Dauerder Elternarbeit, Stichprobencharakteristika(z. B. Alter der Kinder und Jugendlichen)und Ergebnismaße die Generalisierbarkeit<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>247


Der Einbezug von Eltern in die ambulante Kinder- und Jugendlichenpsychotherapielimitiert ist. Somit erscheinen systematischeBemühungen um die Berücksichtigungfamiliärer Faktoren bei der Präventionund Intervention psychischer Störungenim Kindes- und Jugendalter lohnenswert,um eine Diskussion und letztlich Schlussfolgerungenzum möglichen Nutzen vonElternarbeit bei der Behandlung psychischerStörungen von Kindern und Jugendlichenzu erlauben. Vor allem fehlen empirischfundierte Aussagen über die Anwendbarkeitund Durchführbarkeit des elterlichenEinbezugs in der klinischen Praxis.Die Erfahrungen und Interessen niedergelassenerPsychotherapeuten, auchunabhängig von den Regelungen durchdie Psychotherapie-Richtlinie, sollten beider Diskussion um den elterlichen Einbezugbei der Psychotherapie mit Kindernund Jugendlichen nicht unberücksichtigtbleiben.Es wurde deshalb eine Fragebogenuntersuchungunter niedergelassenen Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutendurchgeführt, um zu explorieren, (i) inwiefernEltern aktiv in die psychotherapeutischeBehandlung ihrer Kinder einbezogenwerden, (ii) in welcher Form diese Einbeziehunggeschieht und (iii) welche Gründeaus der Sicht der Psychotherapeuten füroder gegen eine solche Einbeziehungsprechen.MethodenEs wurde ein Fragebogen – vorrangig auskognitiv-verhaltenstherapeutischer Perspektive– erstellt, der neben Psychotherapeuten-und Patientenmerkmalen denStatus quo zum Einbezug von Eltern, diebisherigen Erfahrungen zum Elterneinbezugsowie Einstellungen und Erwartungenvon Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenerfassen sollte. Dieser Fragebogenwurde an einem Stichtag allen N=134 inder Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen(Stand: 09/2011) registrierten Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten (mit/ohneZulassung für die Behandlung Erwachsener)1 einschließlich eines Incentives zurMotivation (sog. Fingerfalle) zugesandt.Die Bearbeitung des Fragebogens dauerteca. 20 Minuten; zusätzlich wurde die Rücksendungdes Fragebogens binnen vier Wochenmit einem Gutschein in Höhe von 15Euro (entsprechend ca. ein Viertel des aktuellenKassensatzes für eine Behandlungseinheitvon 50 Minuten plus zehnMinuten für Organisation) honoriert. FehlendeRückläufe wurden einmalig telefonischkontaktiert und zur Teilnahme motiviertbzw. wurden Ablehnungsgründe erfragt.Die Rücksendung der ausgefülltenFragebögen erfolgte pseudonymisiert. DieEthikkommission der Medizinischen Fakultätder Technischen Universität Dresdengestattete die Durchführung der Fragebogenerhebungohne Auflagen (EK-Nr. 226062011). Die Auswertung erfolgteausschließlich deskriptiv mittels SPSS 19.0,um Erfahrungen und das Meinungsbild zurAnwendbarkeit und Durchführbarkeit deselterlichen Einbezugs in der klinischen Praxiszu beschreiben.ErgebnisseVon den 134 angefragten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutensandten 57den Fragebogen zurück (Rücklauf 42.5%);Gründe für Nichtteilnahme waren u. a.Zeitmangel, kein Interesse oder Befürchtungenzur Wahrung der Schweigepflicht.Zwei Fragebögen wurden wegen Unvollständigkeitin mehr als 50.0% der Fragenausgeschlossen. Von den 55 ausgewertetenDatensätzen wurden 61.4% der Fällevon Diplom-Psychologen, 38.6% von Diplom-/Magister-,Sozial-, Musik- und Heilpädagogenbeantwortet. 76.4% der Befragtenhatten die Fachkunde der Verhaltenstherapie,25.4% Befragte die Fachkundeder Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapieund 5.5% Befragte die Fachkundeder Analytischen Psychotherapie.Eine Zusatzausbildung darüber hinaus hatten74.5% der Befragten, davon 31.7% ineiner systemischen oder Familientherapie.Die Befragten, überwiegend Frauen(87.0%), waren im Mittel 44.3 Jahre alt(SD = 8.6, range 31-70 Jahre) und arbeitetenzumeist in eigener Niederlassung inEinzelpraxis (69.1%).(i) Aktiver Einbezug der ElternInsgesamt berichteten 94.7% der befragtenKinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten(über die gesetzlich vor ge schriebeneZustimmung zum Behandlungsvertraghinaus), Eltern einzubeziehen undvorrangig Mütter nach einem Einbezug zufragen. Eltern werden nach Angaben derBefragten bei der Diagnostik und Behandlungsplanung,bei der Behandlungsdurchführungund zur Rückfallprophylaxe jeweilsin mehr als 80.0% der Fälle einbezogen.Umgekehrt wünschten 57.9% der Elternvon sich aus ausdrücklich einen Einbezugbei der Psychotherapie ihrer Kinder.(ii) Formen und Mittel des aktivenEinbezugs der ElternFand eine Einbeziehung der Eltern statt,geschah dies vorrangig (89.1%) im Einzelsettingund nur selten in Form einer Gruppentherapie;überwiegend (74.4%) nahmenMütter an der Behandlung ihrer Kinderteil. Die Befragten schätzen den Anteilder teilnehmenden Väter im Mittel auf22.9% und die Teilnahme beider Elternauf 34.4%. Während Mütter in der Regel(94.5%) viermal oder häufiger teilnahmen,nahmen von den Vätern lediglich36.4% viermal oder häufiger an der Psychotherapieteil. Nicht unerheblich wurdeder Anteil anderer teilnehmender Personengeschätzt (18.2% viermal oder häufiger;z. B. Großeltern, andere Sorgeberechtigte).Eltern wurden häufiger einbezogenbzw. nahmen häufiger teil, je jünger dieKinder waren. Abbildung 1 zeigt die Mitteldes Elterneinbezugs, basierend auf denAngaben der befragten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.(iii) Nutzen und Barrieren desaktiven Einbezugs der ElternDie befragten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenschrieben dem Einbezugder Eltern einen erheblichen Nutzenzu: Sowohl für Anamnese und Befunderhebung,Behandlungsdurchführung alsauch für die Rückfallprophylaxe wurde der1 Angefragt wurden ausschließlich nicht-ärztlichtätige Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenaus einer Gesamtmenge von N= 673 in der Kassenärztlichen VereinigungSachsen registrierten psychologischen Psychotherapeuten(Erwachsene oder KinderundJugendlichenpsychotherapie); N = 134(von 673) wiesen die Zulassung (= Abrechnungsbefähigunglt. KV Sachsen) als KinderundJugendlichenpsychotherapeut aus undwurden zur Teilnahme an der Befragung postalischeingeladen.248 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


S. Knappe, N. Müller & S. HärtlingNutzen des Elterneinbezugs in der überwiegendenMehrzahl der Fälle als hochbzw. unabdingbar beurteilt. Lediglich fürdie Behandlungsplanung wurde der Nutzenvon 27.3% als mäßig und von 65.4%der Befragten als hoch bzw. unabdingbarbetrachtet (Abbildung 2).Die Mehrzahl der Befragten erachtete dieEinbeziehung von Eltern bei einer Reihevon Themen als wichtig und als realistischumsetzbar (Abbildung 3).Es könnte angenommen werden, dass derEinbezug der Eltern mit einem Mehraufwandeinhergeht, räumliche, personelleoder zeitliche Ressourcen aber begrenztsind. Befragt nach möglichem Mehraufwand,berichteten lediglich 13.3%, dassüberhaupt ein Mehraufwand bestünde.Die Psychotherapeuten sahen den Mehraufwandbei den Terminabsprachen mitallen Beteiligten (70.9%), in der Vorbereitung(47.3%) bzw. Durchführung (36.6%)von Behandlungseinheiten und zu einemgeringen Anteil bei der Beantragung(3.6%) und der Abrechnung (3.6%) derBehandlung. Alle befragten Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten stimmtenzu, diesen Mehraufwand in Kauf zu nehmen.Auch berichtete die Mehrzahl derBefragten (87.0%), über die notwendigenRessourcen (Platzangebot, Mobiliar undAusstattung, personelle Unterstützung) zuverfügen.Befragt nach Art und Häufigkeit von etwaigenSchwierigkeiten (Abbildung 4, S. 250),berichteten Psychotherapeuten in einemDrittel der Fälle, Schwierigkeiten beim Einbezugder Eltern zu haben. In etwas mehrals einem Drittel der Fälle lehnen Elternden Einbezug ab. In ca. einem Drittel derFälle lehnen 76.4% der Kinder den Einbezugder Eltern ab. 65.5% der Befragtenberichteten, dass bei ca. zwei Dritteln ihrerFälle hohe Erwartungen der Eltern an dasKind die Gestaltung der Therapie erschwerenwürde. Darüber hinaus erscheint kritisch,dass etwa ein Drittel der Eltern keineZeit zur Teilnahme hat, etwa aufgrund derBerufstätigkeit oder Betreuung von Geschwisterkindern.FamiliengesprächFamilienaufstellungen, Familie in TierenVideofeedbackInformationsbroschürenBehandlungsprogramme, ManualeBücherandere Methoden**Spieltherapie, systemische Methoden22,2Abbildung 1: „Wenn ich Eltern in die Behandlung einbeziehe, nutze ich…“ (vorgegebeneAntwortoptionen, Angaben in Prozent, Mehrfachantworten möglich).Erstgespräch 1,9Anamnese und BefunderhebungBehandlungsplanung 1,9BehandlungsverlaufRückfallprophylaxe 1,9unmittelbarer Behandlungserfolglangfristiger Behandlungserfolg5,85,89,813,57,7Abbildung 2: „Wie beurteilen Sie den Nutzen von der Einbeziehung der Eltern …“ (Angabenin Prozent, 4-stufige Skala).42,60 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Angaben in %21,228,846,251,948,149,032,750,053,759,370,4kein Nutzen/gering mäßig hoch unabdingbar0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Angaben in %86,576,948,142,342,341,236,598,1Auch die Abrechnungsbestimmungen wurdenals hinderlich erachtet; am häufigsten<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Abbildung 3: „Ich erachte die Einbeziehung folgender Themen bei der Elternarbeit als…[wichtig] bzw. [realistisch umsetzbar]“ (Zustimmung in Prozent).249


Der Einbezug von Eltern in die ambulante Kinder- und JugendlichenpsychotherapieEltern lehnen Einbezug abnie in 1/3 der Fälle in bis zu 2/3 der Fälle in (fast) allen Fällen63,636,4ten an, mehr Stunden (Anzahl, Aufteilungunabhängig vom Versorgungsschlüssel)anbieten zu wollen.Kind lehnt Einbezug ab21,876,41,8Eltern haben keine ZeitEltern sind überfordert 1,820,470,970,421,89,35,5Diskussion und AusblickKind ist überforderthohe Erwartungen an Therapeuthohe Erwartungen an sich selbsthohe Erwartungen an das Kindelterl. Erwartungen inkompatibel mitTherapiezielenStörung der TherapiebeziehungRollenkonflikte (Eltern vs. Co‐Therapeut)Verschärfung fam. Belastungen25,55,57,421,813,538,935,356,911,8 5,950,936,47,370,420,4 1,965,512,765,417,3 3,859,31,954.0 40.0 4,0 2,062,72,0Die Befragung niedergelassener sächsischerKinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenzielte darauf ab, Erfahrungen undein Meinungsbild zur Anwendbarkeit undDurchführbarkeit des elterlichen Einbezugsim klinischen Praxisalltag zu erfassen, wobeihier vor allem eine kognitiv-verhaltenstherapeutischePerspektive eingenommenwurde.0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Angaben in %Abbildung 4: „Welche Schwierigkeiten sind Ihnen beim Einbezug von Eltern bisher begegnet?“(vorgegebene Optionen, Angaben in Prozent, 4-stufige Skala).Angaben in %1009080706050403020100Münchner Trainingsmodell7,1Paartherapie nach Hahlweg11,9Abbildung 5: „Auf welche Weise würden Sie Eltern mehr in die Behandlung ihres Kindeseinbeziehen wollen?“ (vorgegebenen Antwortoptionen, Angaben in Prozent, Mehrfachnennungenmöglich).wurde hier der Wunsch geäußert, mehrFreiheitsgrade bei zeitlichen Einteilungen(Häufigkeit) des elterlichen Einbezugs zuhaben, unabhängig vom derzeitigen Behandlungsschlüsselvon 1 zu 4.Abschließend fragten wir nach Wünschenund Erwartungen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten,um demWunsch nach häufigerer (56.9%) und intensiverer(62.3%) Elternarbeit zu entsprechen:Abbildung 5 zeigt, auf welcheWeise ein solcher Einbezug stattfinden23,8PEPandere25,4Elterntraining Triple P28,6 28,6Methoden euthymen ErlebensFamilientherapeutische Konzepte nach Alexander31,0THOP40,5Elemente der Spieletherapie42,9Token‐Programme47,3 47,6Soziales KompetenztrainingElterntrainings bzgl. verhaltenstherapeutischer Strategienkönnte. Zu weiteren Informationen bezüglichder genannten Programme und Strategiensiehe Döpfner (2006a, b).Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenwürden für einen häufigeren Einbezugvon Eltern plädieren, wenn eine höhereVergütung geboten (51.7%; geforderterMindest-Kassensatz zwischen 80-150 €, M= 100.00 €; SD = 16.60 €), mehr Aus-/Fortbildungen angeboten (48.3%) odermehr Wirksamkeitsnachweise berichtet(20.7%) würden. Ferner gaben die Befrag-64,3Die Ergebnisse der Befragung legen nahe,dass zum Einbezug von Eltern überwiegendpositive Erfahrungen und ein deutlichesInteresse niedergelassener KinderundJugendlichenpsychotherapeuten bestehen.Dieser Befund beinhaltet – ausSicht der Praktiker – möglicherweise wenigNeues. Aus einer forschungsorientiertenPerspektive aber zeugt er von der Aufgeschlossenheitund den vorhandenen Ressourcenzum Einbezug von Eltern in diepsychotherapeutische Behandlung vonKindern und Jugendlichen. Eltern nehmenhäufig an der Behandlung ihrer Kinder teil,nicht nur im Rahmen der Diagnostik undBefunderhebung, sondern auch und teilweisesehr aktiv mittels psychoedukativerund aktiv-übender Elemente in der Behandlungsdurchführungund Rückfallprophylaxe.Aus Sicht der Psychotherapeutenbestehen in ca. einem Drittel der FälleSchwierigkeiten beim elterlichen Einbezug,z. B. wenn (zu) hohe Erwartungen aufseitender Eltern oder Ablehnung vonseitendes Kindes bestehen. Hinderlich wurdenaußerdem das Prozedere zur Terminfindungund der über die Gebührenordnunggeregelte Versorgungsschlüssel angesehen.Gewünscht wird hier vor allem mehrFlexibilität beim Einbezug der Eltern überden bestehenden Versorgungsschlüsselvon 1 zu 4 hinaus. Ähnliches wurde 2011im Rahmen einer Stellungnahme zu Besonderheitenin der Berufsausübung vonKinder- und Jugendlichenpsychotherapeutengefordert (Fallis, 2011), da die enormeVielfalt und hohe Flexibilität der KinderundJugendlichenpsychotherapie längerfristigeine flexiblere Gestaltung der Ab-250 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


S. Knappe, N. Müller & S. Härtlingrechnungsmodalitäten erfordern, um u. a.eine stärkere Einbeziehung des sozialenBezugssystems der minderjährigen Patientenin der Abrechnung gerecht zu werden.Ferner wurde eine deutlich beweglichereGestaltung der Zeitstrukturen im Rahmender Psychotherapien gefordert (Fallis,2011). Dies verlangt jedoch auch auf wissenschaftlicherEbene weiterführende Bemühungenum den Nachweis der kurzundlangfristigen Wirksamkeit des elterlichenEinbezugs für die psychische Gesundheitvon Kindern und Jugendlichen.Angesichts der hohen Relevanz psychischerStörungen für das Gesundheitssystemerscheinen Senkungen der Erkrankungsratenund die Optimierung verfügbarerBehandlungsstrategien wünschenswert.Folgt man den Befunden zurfamiliären Häufung und Annahmen zu zugrundeliegenden Mechanismen und Prozessenist allerdings zu fragen, welche Veränderungsprozesse(und -modelle) beimEinbezug von Eltern in die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapieangestrebt werdensollten. So kann der Fokus auf elterlichenEinstellungen und Kognitionen, aufelterlichen Verhaltensweisen im Rahmender Eltern-Kind-Interaktion, Beziehungserwartungen,Veränderungen innerhalb desfamiliären Klimas o. ä. liegen – entsprechendvielfältig, wie diese Ansätze sind,waren auch die eingesetzten Inhalte undStrategien elternbezogener Interventionenin den befragten Praxen.Möglicherweise profitieren v. a. Kinder psychischkranker Eltern vom elterlichen Einbezug(Legerstee et al., 2008); denkbarist, dass selbst betroffene Eltern für einePartizipation besonders motiviert sind. Diebefragten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenschätzten den Anteil vonpsychisch kranken Eltern ihrer Patientenbei 39.4% (range 0-90%) für ein bzw. bei9.2% (range 0-60%) für zwei betroffeneElternteile. Dennoch sollten auch möglicheungünstige Effekte nicht außer Achtgelassen werden. So wird auch berichtet,dass Kinder dann nicht mehr vom elterlichenEinbezug profitieren, wenn Elternselbst schwer beeinträchtigt und Adhärenzund Compliance auf Elternseite vermindertsind (Strauss et al., 2012). Folglich bestehtdie Gefahr, dass Eltern durch einenEinbezug überfordert werden. Umgekehrtist zukünftig auch zu prüfen, ob Psychotherapiebei Erwachsenen (Eltern) positiveEffekte auf die psychische Gesundheit derKinder hat.Die Ergebnisse der Umfrage müssen auchkritisch betrachtet werden. So beschränktesich die Befragung aus Zeit- und Kostengründenauf niedergelassene Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten in Sachsen.Andere Institutionen wie etwa integrativeFamilienhilfen oder teil- und vollstationäreAngebote, ärztliche Kollegen sowieKollegen in anderen Bundesländern wurdennicht befragt. Die Rücklaufquote von42.5% wird angesichts der Vielzahl vonAnfragen an niedergelassene Psychotherapeutenvon unterschiedlichsten Institutionenals zufriedenstellend erachtet (Ochs,Bleichhardt, Klasen et al., 2012). Vermutlichmachten die befragten Psychotherapeutenihre Angaben eher intuitiv, ohneAktendurchsicht. Dies mag zu einer Überbzw.Unterschätzung der tatsächlichen Beteiligungder Eltern geführt haben. AuchEffekte sozialer Erwünschtheit könnennicht gänzlich ausgeschlossen werden. Dader Fragebogen vor allem aus der eigenenkognitiv-verhaltenstherapeutischen Perspektiveangelegt war und vorrangig kognitiv-verhaltenstherapeutischorientierte Kollegenan der Befragung teilnahmen, ist dieAussagekraft für tiefenpsychologisch bzw.analytisch arbeitende Kollegen eingeschränkt.Systematische Unterschiede zwischenden psychotherapeutischen Schulenwurden in den vorliegenden Zahlenjedoch nicht beobachtet. Die bisherigeWirksamkeitsforschung zu Interventionenim Kindes- und Jugendalter ist in ähnlicherWeise bisher vor allem verhaltenstherapeutischorientiert. Zu psychoanalytischen/tiefenpsychologischen(z. B. Richter,2012) sowie eltern- und familienorientiertenPsychotherapiekonzepten sindeher wenige Untersuchungen verfügbar(Beelmann & Schneider, 2003). Die Berücksichtigungsystemischer Perspektivenund anderer Institutionen, die an der Gestaltungfamiliärer Beziehungen beteiligtsind, ist weiter erstrebenswert. So ist anzunehmen,dass andere Perspektiven derPsychotherapie andere Fragen oder Itemsformuliert hätten. Einige Items, etwa zuStörungsbildern oder Altersgruppen, beidenen der Einbezug der Eltern besondershäufig oder wichtig sei, lieferten leider wenigbrauchbare Informationen aufgrundvon Deckeneffekten. Auch bleibt unklar,warum aktuelle bzw. an Forschungseinrichtungenkonzipierte und gut evaluierte Modellesich wenig in der Praxis niederschlagen.Die Gründe können vielfältig sein undreichen von Unbekanntheit, geringer Akzeptanzbis hin zu strukturellen Barrierenwie Zeit- oder Platzmangel.Insgesamt konnte unsere Fragebogenstudiezeigen, dass die Einstellungen und Erfahrungender befragten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenzum Einbezugvon Eltern in die Psychotherapie derKinder überwiegend positiv waren undRessourcen zur Umsetzung vorhandensind. Intensive Forschungsbemühungenzum elterlichen Einbezug in die KinderundJugendlichenpsychotherapie solltendaher den „praktischen Sektor“ explizit einbeziehen,um letztlich die Translation undDissemination ihrer Befunde zu stärken.Anmerkungen: Die Fragebogenstudie„Der Einbezug von Eltern in die ambulanteKinder- und Jugendpsychotherapie:Status quo, Nutzen und Barrieren ausSicht niedergelassener Psychotherapeutenin Sachsen“ wurde aus Sachmittelnder Fachrichtung Psychologie der TUDresden (Anschubfinanzierung) finanziert.Wir bedanken uns bei Rosanna Wendelfür die Unterstützung zur Manuskriptgestaltung.Ganz besonders gilt unserDank allen sächsischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenfür ihreTeilnahmebereitschaft.LiteraturDie Literaturangaben zu diesem Artikelfinden Sie auf der Internetseite der Zeitschriftunterwww.psychotherapeutenjournal.de.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>251


Zur aktuellen Berufsbilddiskussion – eine besorgte Polemikbensweltlichen Aufgaben verorten müssen.2Die GKV, das heißt die solidarische Krankenversorgung,in die die beiden neuenBerufe eingetreten sind, ist inzwischen ineine Gesundheitswirtschaft transformiertworden. Dort werden nicht mehr Krankebehandelt, was ursprünglich die Aufgabeder Heilberufe war, sondern es wird Gesundheitproduziert. Diesem Gesichtspunktwird in den Ausführungen von RainerRichter zwar Rechnung getragen, erwird aber nicht in seiner grundsätzlichenSchärfe bedacht. Das zeigt sich besondersim Absatz über die „Berufsbilder der Gesundheitsberufe“,weil der Titel „Gesundheitsberufe“– anstelle von „Heilberufe“,und damit Diktion und Logik der Gesundheitsökonomie– übernommen wird.Die Übernahme des Namens kann manals eine Kapitulationserklärung in den Auseinandersetzungenzwischen System undLebenswelt verstehen. Deren Diskrepanzist aber unausweichlich und eine Grundspannung,die sich im Berufsbild der neuenHeilberufe darstellt und ausgeglichenwerden muss. Wenn die Bezeichnung der„Heilberufe“ als „Gesundheitsberufe“ eineKapitulation ist, stellt sich noch die Frage,ob es eine geordnete Kapitulation ist, diedem Unterlegenen einen ehrenvollenRückzug und die Bewahrung seiner Identitäterlaubt, oder eine bedingungslose Kapitulation,die dazu führt, dass alles, wasdem Unterlegenen vorher gehörte, schamlosausgebeutet werden und fremder Nutzungzugeführt werden kann; sowie dassdie Besiegten die Bezeichnung der Siegerfür sich übernehmen und ihr Selbstbildentsprechend transformieren müssen.Wenn so etwas geschehen ist, entsprichtdies dem Kolonialisierungskonzept vonHabermas (vgl. Die Aufgabe der Psychotherapiein der Gesundheitswirtschaft,Hardt & Müller, 2009).Der Konflikt zwischen System und Lebensweltist virulent und wird sich trotz vorläufigerBeruhigung fortsetzen. Die freien Berufemit ihren Standesvertretungen (Kammern)sind Entwicklungsbremsen in derGlobalisierung der Märkte und es gibt politischeBestrebungen, sich ihrer zu entledigen.Das drückt sich darin aus, dass dieselbstständigen Heilberufe zu Leistungserbringernin der Gesundheitswirtschaft wurden,die den Wettbewerbsgesetzen einesweitgehend entfesselnden Marktes (F.Hengsbach) gehorchen sollen (Hardt,2012).Die unverkennbar neoliberale Version einerGesundheitsversorgung unterliegt einernur noch geringen und gewissen politischenSteuerung: 3 dem New Public Management(NPM), das von Politikern wieMargret Thatcher und Ronald Reagan alspolitische Agenda initiiert, von gemäßigtlinken Politikern wie Bill Clinton, Tony Blairund Gerhard Schröder als notwendige Reformdurchgesetzt worden ist (Was als Modernisierungangepriesen wurde, war aberder Rückbau moderner Errungenschaften!).Das NPM verlangt, die „Gemeinschaftsaufgaben“,wie z. B. Bildung undKrankenversorgung, aus der gemeinschaftlichenKontrolle zu „befreien“ und demMarkt auszusetzen, um damit den nichtmehr bezahlbaren Fortschritt in der „Versorgung“für die Gesellschaft finanzierbarzu machen. Dass mit dieser Transformationkeine Kostendämpfung, wohl aber eineUmverteilung der Gewinne zuungunstender „Leistungserbringer“ erfolgte, kannman an den unterschiedlichen Einkommensentwicklungendeutlich erkennen.Das Wettbewerbsstärkungsgesetz hat nichtden versprochenen Effekt erreicht, wie beiallen neoliberalen Reformmaßnahmen zubeobachten – die eingetretene Beruhigunghängt wohl eher mit einer Resignationvor der Übermacht zusammen.Man kann die Skizze von Rainer Richterwie eine Kapitulationserklärung in diesemKulturkampf verstehen: Die Sprache desSystems hat sich durchgesetzt. PP undKJP sind zuerst „Gesundheitsberuf“. Siesind nicht mehr zuerst und wesentlich einselbstständiger und selbstbewusster Heilberuf,der seinen Kern im Ethos des Heilensund der Verpflichtung gegenüber derGemeinschaft hat und dessen Identität inder selbstverantwortlichen Kammer demokratischartikuliert wird, sondern siesind wettbewerbliche „Leistungserbringer“in einer Gesundheit produzierendenIndustrie (Wirtschaft) geworden, die nachfreien Marktgesetzen ihr Geschäft betreibt.So weit, so schlimm: eine bedauerlicheEntwicklung, die vielleicht nur dadurch zuerklären ist, dass viele glauben, die Wahrheitliege bei den siegenden Mächten unddem Kapital. Um sich zu definieren, sindPP und KJP in die Auseinandersetzung mitder Gesundheitswirtschaft gezogen undhaben sich nicht gegen die Mittel, mit denender Kampf ausgetragen wurde, gewehrt,sondern sind dem Gesetz des Stärkerenfreiwillig gefolgt, dem sie schließlichunterlegen sind. Sich als Mitgewinner (etablierterGesundheitsberuf) zu sehen, isteine Illusion, denn die Entwicklung einesentfesselten Marktes folgt den Gesetzendes Kapitals und den zu erwartenden Gewinnender Parteien. PP und KJP sind aberauf diesem Markt eine äußerst schwachePartei. Sie können nur ihre eigene Leistungeinbringen. Das große Geld wird von anderenGesundheitsanbietern bewegt. PP undKJP sind nur lästige Kostenverursacher.Wie kann in einer solchen Lage die Explikationeines eigenständigen Berufsbildes gelingen?Wie ist es möglich, sich von Fremdbestimmungenzu befreien oder wie istdas implizite Verständnis der Praxis autonomzu explizieren? Welche Aufgaben sehenPsychotherapeuten in ihrem Beruf,geht es um Heilbehandlungen von Patientenoder Klienten oder auch um die Bedingungen,unter denen sie geleistet werden?Geht es nur darum, dass PP und KJP einemilde kritische Distanz zum System einhaltenund dessen Reparatur oder Umformungverlangen, sodass die Psychotherapiedarin einen mehr oder weniger angenehmenPlatz hat, oder gehört eine „gesellschaftskritische“Haltung zum Beruf? Istdie dezentrierte Position, die wir gegenüberdem Patienten einnehmen müssen,auch der Gesellschaft gegenüber einzuhal-2 Die Hessische Psychotherapeutenkammerhat sich in dieser Auseinandersetzung deutlichzur Lebenswelt bekannt, wie aus den„Grundsätzen der Kammerarbeit“, dem „GeisenheimerManifest“ (LPPKJP Hessen,2005), zu entnehmen ist. Außerdem istdurch ihre Anregung die Arbeitsgemeinschaft„Heilen und Helfen“ der hessischen Heilberufekammernentstanden, die sich gegen dieTransformation der lebensweltlich-solidarischenKrankenbehandlung in eine entfesselteGesundheitswirtschaft gewendet hat(Hardt, 2007).3 Zum Folgenden eine um Sachlichkeit bemühteÜbersicht in Steger & Roy, 2010 sowieWalpen, 2004.254 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


J. Hardtten und besonders gegenüber einer Gesundheitswirtschaft,in der wir unser Auskommensuchen?Gesellschaftskritik von einem psychotherapeutischenStandpunkt aus – dem des Lebens– gehört zum Beruf der Psychotherapeuten;ohne dies werden sie zu willfährigen„Leistungserbringern“ einer Marktgesellschaft,die das psychotherapeutischeWissen und Können zur Befriedungentwicklungsnotwendiger Konflikte missbraucht.Die PP und KJP müssen die kritischeAufgabe annehmen und durch ihreAusbildung dazu befähigt sein, sich mitgesellschaftlichen Prozessen auseinanderzusetzen.Wir sollten die kritische Situationder Gesellschaft als Chance ansehen unddiese Chance ergreifen und uns nicht einfachfügen, denn das System der freienglobalen Marktwirtschaft ist an den Randseiner Leistungsfähigkeit geraten und stolperttrotz aller Heilsversprechen von Krisezu Krise, wie überall zu beobachten ist.Die PP und KJP sind aus eigenem Interessegut beraten, wenn sie kritischen Abstandzu einem System halten, das sichseinem Ende, denen des Wachstums, nähert.LiteraturHabermas, J. (1981/85). Theorie des kommunikativenHandelns (Bd. 2): „ZurKritik der funktionalistischen Vernunft“.Frankfurt: Suhrkamp.Hardt, J. (2007). Heilen und Helfen. info.doc, 6 und DHZ, LZÄKH, 12.Hardt, J. (2012). Die Aufgabe der Psychotherapiein unserer Zeit. In K.-J. Bruderet al. (Hrsg.), Macht – Kontrolle – Evidenz.Gießen: Psychosozial-Verlag.Hardt, J. & Müller, U. (2009). Die Aufgabeder Psychotherapie in der Gesundheitswirtschaft.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong>,8 (3), 271-277.LPPKJP Hessen (2005). GeisenheimerManifest. Verfügbar unter: www.ptkhessen.deSteger, M. B. & Roy, R. K. (2010). Neoliberalism:A very Short Introduction. NewYork: Oxford University Press.Walpen, B. (2004). Die offenen Feindeund ihre Gesellschaft. Hamburg: VSA-Verlag.Dipl.-Psych. Jürgen Hardt, PsychologischerPsychotherapeut, Psychoanalytiker(DPV, IPA, DGPT), ist Gründungspräsidentder Psychotherapeutenkammer Hessenund Mitglied des Redaktionsbeirats des<strong>Psychotherapeutenjournal</strong>s.Dipl.-Psych. Jürgen HardtGoethestr. 1035578 Wetzlarjuergenhardt@t-online.de<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>255


Absolventenzahlen der PsychotherapieausbildungEntwicklung und mögliche Implikationen für den BerufsstandRobin J. SiegelZusammenfassung: Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) schätzte 2006,dass mindestens 1.000 neuapprobierte Psychotherapeuten 1 pro Jahr notwendig seien,um die Zahl der Psychotherapeuten in Deutschland konstant zu halten. Gleichzeitigwurde in den letzten Jahren wiederholt auf die problematischen Ausbildungsbedingungenhingewiesen. Vor diesem Hintergrund werden die vom Institut für medizinische undpharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) veröffentlichten Prüfungsdaten der letztenneun Jahre vorgestellt. So stieg die Teilnehmerzahl der schriftlichen staatlichen Prüfungkontinuierlich von bundesweit 625 Prüfungsteilnehmern im Jahr 2005 auf 1.853 in2012. Insgesamt haben seit 2004 rund 11.000 Psychotherapeuten die schriftliche IMPP-Prüfung bestanden. Diese Absolventenzahlen werfen neue Fragen auf, etwa wie vieleneuapprobierte Psychotherapeuten pro Jahr tatsächlich benötigt werden, inwiefern diesteigende Anzahl an Ausbildungsteilnehmern sich auf die Ausbildungsbedingungen auswirktund wie dies bei der aktuellen Diskussion um die Reform des Psychotherapeutengesetzes(PsychThG) berücksichtigt werden kann. Dabei sind auch Veränderungen desBerufsbildes und des Tätigkeitsspektrums von Psychotherapeuten zu beachten.EinleitungDer Diotima-Preisträger von 2012 Prof.Dietmar Schulte warf vor gut elf Jahren mitWolf Lauterbach (2002) folgende Frageauf: „Wie groß wird der Bedarf an PsychologischenPsychotherapeuten in der Zukunftsein?“ In ihrem Bericht prognostiziertensie, dass 1.059 neu ausgebildete Psychotherapeutenpro Jahr notwendig seinwürden, um die Lücke an Psychotherapeuten,die altersbedingt aus dem Beruf ausscheiden,zu schließen. Da der reale Bedarfan neuen Psychotherapeuten (z. B.aufgrund einer Ausweitung der Berufsfelder)deutlich über dieser Schätzung liegendürfte, kamen die Autoren zu dem Schluss,dass es wahrscheinlich sei, dass „inDeutschland ebenso wie in England in denkommenden Jahren ein Mangel an approbiertenPsychotherapeuten entstehenwird.“Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)schätzte 2006, ausgehend von der Altersverteilungder Kammermitglieder, dass etwa1.000 Neuapprobationen pro Jahr notwendigseien, um die Zahl der Psychotherapeutenin Deutschland konstant zu halten.Dabei beschrieb sie, dass „vielerortsdie ersten Ausbildungsgänge noch nichtabgeschlossen“ seien und für die „nächstenJahre ein Anstieg der Prüfungen aufüber 1.000 zu erwarten“ sei. Kritisch wurdendabei die Umstellung auf die Bachelor-/Masterstudiengängeaufgrund der Bologna-Reformund die damit einhergehendeQuotierung der Masterplätze betrachtet.Auf Landesebene zeigen Nübling, Schmidtund Munz (2010), wie sich die Sicherstellungder psychotherapeutischen Versorgungin Baden-Württemberg bis 2030 darstellenlässt. In ihren Schätzungen kommensie aufgrund der Altersverteilung derMitglieder der Psychotherapeutenkammerdes Landes zu dem Schluss, dass Baden-Württemberg für den Zeitraum 2011 bis2020 durchschnittlich 135 neuapprobiertePsychologische Psychotherapeuten (PP)pro Jahr, im Zeitraum 2021 bis 2025durchschnittlich 166 neuapprobierte PPpro Jahr und im Zeitraum 2026 bis 2030durchschnittlich 144 neuapprobierte PPpro Jahr erforderlich sind. Sie stellen fest,dass sich die PsychotherapeutenkammerBaden-Württemberg von 2010 bis 2030bei einer pessimistischen Schätzung derAusbildungsteilnehmer um 17,4% verkleinertbzw. bei einer optimistischen Schätzungihre Mitgliederzahl in etwa haltenkann. Auch die PsychotherapeutenkammerBayern ließ in ihrem Bericht von 2007(Kümmler, Tritt & Vogel, 2007) die notwendigenjährlichen Neuapprobiertenschätzen: Je nach zugrunde gelegter Modellprämissegingen sie dabei von 163bzw. 228 notwendigen Neuapprobiertenaus. Weitere Zahlen liegen für Schleswig-Holstein mit geschätzten 33 notwendigenNeuapprobierten pro Jahr (PTK Schleswig-Holstein, 2007) und Hessen (Walz-Pawlita,2008) mit mindestens 140 notwendigenNeuapprobierten pro Jahr vor.Die zwischen 2006 und 2010 veröffentlichtenund hier vorgestellten Schätzungenwiesen überwiegend auf einen potenziellenMangel an Absolventen aufgrund derQuotierung von Masterplätzen im Zugeder Bologna-Reform hin. Unberücksichtigtblieben dabei mögliche Veränderungendes Berufsbildes (vgl. Richter, <strong>2013</strong>) undeine damit verbundene Erweiterung desTätigkeitsspektrums von Psychotherapeuten.Der tatsächliche Bedarf an Psychotherapeutensollte auch weiter steigen, wennMenschen mit einer psychischen Erkrankungbesser diagnostisch erkannt und behandeltwerden würden (vgl. Nübling,1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werdenin diesem Text nicht immer beide Geschlechtsformengenannt – selbstverständlichsind Männer und Frauen gleichermaßengemeint.256 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


R. J. Siegel2009). Auf der anderen Seite könnten sichdie zum Teil katastrophalen Bedingungeninsbesondere bei der Finanzierung derAusbildung durch die mangelnde Vergütungder Praktischen Tätigkeit (Busche,Mösko, Kliche, Zander & Koch, 2006; Hölzel,2006; Strauß et al., 2009) negativ aufdie Absolventenzahlen auswirken, sodasssich die Diskrepanz zwischen notwendigenNeuapprobierten und Absolventenweiter erhöhen würde.Tabelle 1: Mittelwerte und Standardabweichungen sowie Misserfolgsquoten für diePrüfungen zum Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenfür den Zeitraum Herbst 2004 bis Frühjahr <strong>2013</strong>.Richtig gelöste Aufgabenin %MisserfolgeN M SD N %PP 8582 80,8 8,9 220 2,56 %KJP 2.871 76,0 10,5 208 7,24 %Gesamt 11.453 79,6 9,6 428 3,74 %Wie sieht es also vor diesem Hintergrundelf Jahre nach der ersten Schätzung vonSchulte und Lauterbach (2002) mit denAbsolventenzahlen aus? Lassen sich ausreichendPsychologen, Pädagogen undSozialpädagogen für die Ausbildung zumPsychotherapeuten begeistern? Hierfürwerden im Folgenden anhand der vom Institutfür medizinische und pharmazeutischePrüfungsfragen (IMPP) veröffentlichtenDaten zu den schriftlichen Staatsexamensprüfungenfür PP und Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten (KJP) dieEntwicklung der Prüfungsergebnisse undAbsolventenzahlen der letzten neun Jahreanalysiert. Abschließend folgt ein Resümeedieser Entwicklung vor dem Hintergrundder aktuellen Diskussionen um dieReform der Psychotherapieausbildung.MethodikAbbildung: Entwicklung der jährlichen Absolventenzahlen für die Prüfung zum PP und KJPvon 2005 bis <strong>2013</strong>*.* Die erwarteten Absolventenzahlen für <strong>2013</strong> wurden aus den Zahlen der Frühjahrsprüfungenund den darauf aufbauenden Schätzungen für die Herbstprüfung <strong>2013</strong> berechnet.Die vom IMPP (<strong>2013</strong>) zu den 18 Prüfungszeiträumen(Herbst 2004 bis Frühjahr<strong>2013</strong>) veröffentlichten Prüfungsdaten wurdensystematisch gespeichert und aggregiert.Die veröffentlichten Daten enthaltenInformationen zur Anzahl der Prüfungsteilnehmerim Bundesgebiet und für jedesBundesland sowie die Misserfolgsquote,die Anzahl der gewerteten Prüfungsfragenund die Bestehensgrenze. Seit der Frühjahrsprüfung2005 werden darüber hinausdie Punkteverteilung, Mittelwert, Median,Minimum, Maximum, Standardabweichung,Schiefe und Exzess veröffentlicht.Um diese Daten mit den Zahlen der approbiertenPsychotherapeuten zu vergleichen,wurden die aktuellsten Daten derGesundheitsberichtserstattung des Bundes(www.gbe-bund.de) erfasst sowie diedazugehörige Verteilung auf die Landeskammernbei der BPtK erfragt (Stand Dezember2011).ErgebnisseDie Auswertung erfolgt in drei Abschnitten.Im ersten Abschnitt werden allgemeinebundesweite Daten über die Prüfungsergebnisseund Misserfolgsquoten aufgeführt.Im zweiten Abschnitt wird die Entwicklungder Teilnehmer- und Absolventenzahlenim Bundesgebiet aufgezeigt,bevor im letzten Abschnitt eine Auswertungauf der Ebene aller Bundesländerbzw. Landeskammern erfolgt.PrüfungsergebnisseZunächst wurden anhand der vorliegendenDaten zu jeder einzelnen Prüfung derGesamtmittelwert und die Gesamtstandardabweichungfür alle Prüfungsteilnehmervon Herbst 2004 bis Frühjahr <strong>2013</strong> fürdie Prüfung zum PP, zum KJP und beidePrüfungen zusammen berechnet. Die Ergebnissesowie die berechneten Misserfolgsquoten(Personen, die die Prüfungnicht bestanden haben) sind in Tabelle 1aufgeführt.Ein t-test (t (11.451) = 20,89; p < 0.001)zeigt, dass sich die Leistungen in den PP-Prüfungen signifikant zu den Leistungen inden KJP-Prüfungen bei einer mittleren Effektstärkevon d = 0,51 (bei gepoolter Varianznach Cohen, 1988) unterscheiden.Absolventenzahlen für dasBundesgebietAls erster Schritt der Analyse der Absolventenzahlenwurden die Daten der letztenzehn Jahre aggregiert. Seit der Herbstprüfung2004 haben insgesamt 11.453 Personenan den Prüfungen teilgenommen. Vondiesen haben 8.582 (74,8%) die Prüfungfür PP und 2.871 (25,2%) die Prüfung fürKJP absolviert. Für die weiteren Berechnungenwurden die Daten entsprechendder Durchfallquoten bereinigt, sodass von<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>257


Absolventenzahlen der Psychotherapie ausbildungTabelle 2: Prüfungsteilnehmerzahlen in den Jahren 2005, 2009 und 2012 sowie kumuliertfür den Zeitraum Herbst 2004 bis Frühjahr <strong>2013</strong> sowie Quoten an Teilnehmern derKJP-Prüfungen in den einzelnen Bundesländern bzw. Prüfungsbezirken sowie der OstdeutschenPsychotherapeutenkammer (OPK).Anzahl Prüfungsteilnehmer PP +KJPKumuliert2004 – <strong>2013</strong>2005 2009 2012 N AnteilKJPBaden-Württemberg 54 122 172 1073 18,8%Bayern 67 145 279 1523 23,8%Berlin 68 153 220 1285 20,2%Bremen 2 16 23 136 17,6%Hamburg 13 38 72 344 11,6%Hessen 58 142 186 1079 26,5%Niedersachsen 74 89 151 955 40,6%Nordrhein-Westfalen 150 321 465 2704 24,1%Rheinland-Pfalz 46 90 104 708 22,6%Saarland 8 10 17 99 20,2%Schleswig-Holstein 15 28 30 191 14,1%OPK* 64 149 214 1340 33,5%Brandenburg 13 24 28 240 73,8%Mecklenburg Vorpommern 0 12 27 135 3,7%Sachsen 36 95 109 691 19,7%Sachsen-Anhalt 0 6 17 87 46,0%Thüringen 15 12 34 187 48,7%Gesamt 625 1305 1923 11453 25,1%* OPK = Ostdeutsche Psychotherapeutenkammerdiesen Unterschieden ergibt sich für dieHerbstprüfung <strong>2013</strong> eine Schätzung von1.019 Prüfungsteilnehmern (PP = 709; KJP= 310) bzw. 968 Absolventen (PP = 695;KJP = 273). Damit dürften <strong>2013</strong> erstmalsüber 2.000 Psychotherapeuten die schriftlicheApprobationsprüfung erfolgreich bestehen(Schätzung: PP = 1.486, KJP =540; Gesamt = 2.026).Die Analyse der Absolventenzahlen zeigtauch, dass sich das Verhältnis von Absolventender PP-Ausbildung zu Absolventender KJP-Ausbildung verändert. Waren inden sechs Prüfungszeiträumen von Herbst2004 bis Frühjahr 2007 insgesamt 19,7%der Absolventen KJP, waren es im Zeitraumvon Herbst 2007 bis Frühjahr 2010schon 23,9% und in den letzten sechsPrüfungszeiträumen (Herbst 2010 bisFrühjahr <strong>2013</strong>) insgesamt 26,1%. Insgesamtwaren 24,2% der Absolventen KJP.Entwicklung der Teilnehmerzahlenim LändervergleichFür den Ländervergleich können keine bereinigtenAbsolventenzahlen angegebenwerden, da das IMPP für einzelne Bundesländerkeine Misserfolgsquoten veröffentlicht.Hier werden somit lediglich die Teilnehmerzahlendargestellt. Um die Entwicklungin den Bundesländern zu verdeutlichen,wurden exemplarisch die Jahre2005, 2009 und 2012 herausgegriffen.insgesamt 11.025 Absolventen (davon PP= 8.362 (75,8%); KJP = 2.663 (24,2%))auszugehen ist. Die vorgestellten Absolventenzahlenbeziehen sich ausschließlichauf die schriftliche staatliche Prüfung. Aufgrundder geringen Durchfallquoten dermündlichen Prüfungen (Ruggaber, 2008)werden diese im Folgenden vernachlässigt.Die Entwicklung der Absolventenzahlen(siehe Abbildung S. 257) zeigt eine kontinuierlicheSteigerung von 598 Absolventen(PP = 464, KJP = 134) im Jahr 2005auf 1.934 Absolventen (PP = 1.428, KJP =506) im Jahr 2012. Prozentual ausgedrücktergibt dies seit 2006 eine Erhöhung vondurchschnittlich 16,8% (PP = 16,2%; KJP= 19,4%) zum jeweiligen Vorjahr. Anhandder Frühjahrsprüfung <strong>2013</strong> und der Unterschiedezwischen Frühjahrs- und Herbstprüfungenin den Vorjahren ist auch eineSchätzung der Absolventenzahl für <strong>2013</strong>möglich. Bei den Herbstprüfungen gab esdurchschnittlich 2,4% weniger Absolventenim Vergleich zu den früheren Frühjahrsprüfungen,wobei dieser Trend ausschließlichauf die PP-Prüfungen zurückgeht.Hier zeigt sich bei den Herbstprüfungeneine durchschnittliche Verringerungder Absolventenzahlen um 6,2%, währendes bei den Frühjahrsprüfungen eine Steigerungum durchschnittlich 22,1% zumjeweils davor liegenden Prüfungszeitraumgibt. Bei den KJP-Prüfungen findet sichhingegen sowohl bei den Frühjahrs- alsauch bei den Herbstprüfungen eine Steigerungum durchschnittlich 8,5% bzw.10,3% im Vergleich zu den davorliegendenPrüfungszeiträumen. Ausgehend vonAus Tabelle 2 wird deutlich, dass in allenBundesländern die Teilnehmerzahlen derschriftlichen Prüfung zwischen 2005 und2012 gestiegen sind. Darüber hinaus variiertdas Verhältnis von KJP- zu PP-Absolventenin den Bundesländern zum Teilbeträchtlich. So werden in Brandenburg,Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie Niedersachsenverhältnismäßig am meistenKJP ausgebildet. Spitzenreiter bei der Anzahlder Prüfungsteilnehmer sind Nordrhein-Westfalen,Bayern und Berlin.Vergleicht man die Mitgliederzahlen derPsychotherapeutenkammern von 2005und 2011 (Tabelle 3), so haben in diesemZeitraum alle Kammern an Mitgliedern gewonnen.Es zeigen sich jedoch Unterschiedezwischen den Landeskammern im Hinblickauf das Verhältnis der Prüfungsteil-258 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


R. J. Siegelnehmer zur Mitgliederzahl der Psychotherapeutenkammer.So gab es 2012 in denBundesländern der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammerinsgesamt 7,75, inRheinland-Pfalz 7,25 und in Berlin 6,11Prüfungsteilnehmer pro 100 Kammermitglieder.Schlusslicht ist Schleswig-Holsteinmit nur 2,66 Prüfungsteilnehmern pro 100Kammermitglieder.In Schleswig-Holstein und Baden-Württembergwurden die in der Einleitung beschriebenenSchätzungen zu notwendigenAnzahl neuapprobierter PP in 2012 nahezuerreicht (Schleswig-Holstein: Schätzung =27 vs. Prüfungsteilnehmer = 26; Baden-Württemberg: Schätzung = 135 vs. Prüfungsteilnehmer= 134), während dieSchätzung in Bayern und Hessen inzwischenweit übertroffen wurden (Bayern:Schätzung = 134 vs. Prüfungsteilnehmer =214; Hessen: Schätzung = 140 vs. Prüfungsteilnehmer= 186).Tabelle 3: Mitgliederzahlen der Landespsychotherapeutenkammern und Bundespsychotherapeutenkammerim Dezember 2005 und Dezember 2011 sowie Anzahl der IMPP-Prüfungsteilnehmerund das Verhältnis von Prüfungsteilnehmern pro 100 Psychotherapeuten im Jahr2012.PsychotherapeutenDez.2005 (nachBPtK, 2006)PsychotherapeutenDez. 2011Prüfungsteilnehmer2012Prüfungsteilnehmer/Psychotherapeutenin %Baden-Württemberg 3977 4888 172 3,52Bayern 4706 5540 279 5,04Berlin 3246 3602 220 6,11Bremen 480 502 23 4,58Hamburg 1272 1529 72 4,71Hessen 2614 3271 186 5,69Niedersachsen 2932 3128 151 4,83Nordrhein-Westfalen 6852 8219 465 5,66Rheinland-Pfalz 1222 1434 104 7,25Saarland 405 456 17 3,73Schleswig-Holstein 982 1129 30 2,66OPK* k. a. 2774 215 7,75Diskussion<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Gesamt ohne OPK* 28688 33698Gesamt 36472 1934 5,30* OPK = Ostdeutsche PsychotherapeutenkammerZunächst einmal bestätigen die Prüfungsergebnisseein relativ gutes Abschneidender Prüfungsteilnehmer mit durchschnittlichknapp 80% richtig gelöster Antworten.Die Durchfallquote ist auch für die Teilnehmerder Prüfung zum KJP relativ gering.Der signifikante Unterschied zwischen denErgebnissen der Prüfungen von KJP undPP dürfte auf die unterschiedlichenZugangsvoraussetzungen zur Ausbildungzum PP und KJP und die große inhaltlicheSchnittmenge zwischen den Inhalten einesPsychologiestudiums und dem Gegenstandskatalogder IMPP-Prüfungen zurückzuführensein. Die Absenkung desQualifikationsniveaus bei der Ausbildungzum KJP durch die Bologna-Reform unddie damit in einzelnen Bundesländern verbundeneZulassung von Bachelorabsolventenin Pädagogik und Sozialpädagogikzur Ausbildung könnte diesen Unterschiedin den Prüfungsergebnissen noch einmalverstärken. Da der Gegenstandskatalogder Prüfung vielfach kritisiert wurde (vgl.Hoffmann & Margraf, 2003; Ruggaber,2008), bisher keine Validierungsstudienfür die schriftlichen IMPP-Prüfung vorliegenund es zweifelhaft ist, ob man mit derschriftlichen IMPP-Prüfung die psychotherapeutischeKompetenz erfassen kann, istallerdings keine Aussage darüber möglich,ob Personen mit schlechteren Noten inder schriftlichen IMPP-Prüfung sich auchtatsächlich schlechter für den Beruf desPsychotherapeuten eignen.Die Auswertungen der Absolventenzahlenbelegen, dass derzeit in Deutschland keingravierender Mangel an neu ausgebildetenPsychotherapeuten besteht, wie es vonSchulte und Lauterbach im Jahr 2002 prognostiziertwurde. Lediglich in einzelnenBundesländern wie Schleswig-Holsteinwerden nur die als minimal eingeschätztenAbsolventenzahlen erreicht, was jedochdurch die hohe Anzahl an Absolventenanderer Bundesländer kompensiertwerden dürfte.Insgesamt hat der Beruf des Psychotherapeutentrotz der zum Teil widrigen Umständein der Ausbildung nicht an Attraktivitätverloren. Im Gegenteil: Es scheinenimmer mehr Absolventen eines Psychologie-,Pädagogik oder Sozialpädagogikstudiumsmit der Ausbildung zu beginnen. Wieweit die Absolventenzahlen in den nächstenJahren weiter steigen, bleibt abzuwarten.Zumindest ist aber nicht davon auszugehen,dass die Psychotherapeutenkammernzukünftig zu schrumpfen drohen,wie auch die Erhöhung der Mitgliederzahlenim Zeitraum von 2005 bis 2012 zeigt.Ob diese Erhöhung allerdings primär aufdie Zunahme der Absolventenzahlen oderaber auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit(durch die Aufhebung der Altersbeschränkungfür niedergelassene Psychotherapeutenbzw. die Veränderung desRenteneintrittsalters) zurückzuführen ist,kann hier nicht geklärt werden. Auch dieQuotierung von Masterplätzen scheint weitweniger problematisch ausgefallen zusein, als ursprünglich befürchtet (vgl.Frensch, <strong>2013</strong>). Dabei ist ohnehin fraglich,inwiefern die Verfügbarkeit von deutschenStudienabschlüssen eine solide Basis füreine Schätzung der Ausbildungsteilnehmerdarstellt, da inzwischen aufgrund deshohen Numerus Clausus für Psychologiein Deutschland Interessenten zunehmend259


Absolventenzahlen der Psychotherapie ausbildungauf die weniger restriktiven Studiengängeder Nachbarländer (v. a. Niederlande,Schweiz, Österreich) ausweichen.Gibt es zu viele Absolventen?Was die reale notwendige Absolventenzahlangeht, so sollte der Bedarf an Psychotherapeutensicherlich nicht ausschließlichdurch die aktuelle Mitgliederstärke derKammern definiert werden. Der Fehler, denIst-Wert zum Soll-Wert zu erklären, wie erbeispielsweise 1999 auch bei der Berechnungder Bedarfszahlen für niedergelassenePsychotherapeuten in der ambulantenVersorgung gemacht wurde (sog. Bedarfsplanung),sollte an dieser Stelle nicht wiederholtwerden. Vielmehr sind auch soziodemographischeFaktoren und aktuelleEntwicklungen der Versorgungslandschaft(z. B. Entwicklungen in der ambulantenPsychotherapie bzw. bei den Zahlen derVertragspsychotherapeuten) zu berücksichtigen.Die Diskussion um ein sich veränderndesBerufsbild (Richter, <strong>2013</strong>) verdeutlichtzudem, dass inzwischen zunehmendmehr Psychotherapeuten in neue Tätigkeitsfeldereingedrungen sind und weitereindringen, die bei der Verabschiedung desPsychThG noch nicht im Fokus standen.Zusätzlich könnte der Bedarf an neuenPsychotherapeuten auch durch veränderteLebensmodelle der neuapprobierten Psychotherapeutensteigen. So schätzen Nüblinget al. (2010), dass sich das Verhältnisvon weiblichen zu männlichen Psychotherapeutenin Baden-Württemberg von ursprünglich63 zu 37 auf ca. 80 zu 20 imJahr 2030 verändern wird. Eine solche Entwicklungist in der Medizin unter dem Begriff„Feminisierung“ bekannt und geht miteiner erhöhten Nachfrage nach Teilzeitstelleneinher (Köhler, Trittmacher & Kaiser,2007; Kopetsch, 2008 zitiert nach Schneider,2010) und führt aufgrund von Schwangerschaftund Elternzeiten zu einer Reduzierungder durchschnittlichen Lebensarbeitszeit(Baumhove & Kirchner, 2012).Ähnliche Trends sind auch in der Psychotherapeutenschaftsichtbar. So ermittelnRuoß, Ochs, Jeschke und Peplau (2012) inihrer Befragung von neuapprobierten Psychotherapeutenaus sechs Landespsychotherapeutenkammern,dass 63,1% derneuapprobierten angestellten Psychotherapeutennur in Teilzeit (< 36h/Woche)arbeiten bzw. die durchschnittliche Arbeitszeitder neuapprobierten niedergelassenenPsychotherapeuten nur 26,8 Stundenpro Woche beträgt. Ob diese Entwicklungaber tatsächlich auf die Wünsche derneuapprobierten Psychotherapeuten oderevtl. fehlende berufliche Möglichkeiten zurückzuführenist, muss weiter untersuchtwerden.Hinsichtlich der Arbeitsmarktsituationzeigt sich, dass 2012 durchschnittlich 338nicht-ärztliche Psychotherapeuten bei derBundesagentur für Arbeit (BfA) arbeitslosgemeldet waren (BfA, <strong>2013</strong>). Dem gegenüberstanden 254 Stellenangebote. Danicht alle Stellen den Arbeitsagenturengemeldet werden und Arbeitgeber auchauf anderen Wegen Mitarbeiter suchen,liegt die tatsächliche Nachfrage wohl umeiniges höher (BfA, 2012). Darüber hinausgab es 2012 für die Berufe in der klinischenPsychologie (eine getrennteGruppe in den Statistiken der BfA) einenÜberschuss an Stellenangeboten. Hierwaren 2012 durchschnittlich 1.383 Psychologenarbeitslos gemeldet. Demgegenüberstanden 2.110 gemeldete Arbeitsstellen.Dies zeigt auch, dass die Approbationals Psychotherapeut bisher beiStellenausschreibungen wenig berücksichtigtwird und geht mit den Ergebnissender Angestelltenbefragung der BPtK(<strong>2013</strong>a) einher, in der u. a. festgestelltwurde, dass bei knapp 60% bis 75% derangestellten Psychotherapeuten die Approbationkeinen Einfluss auf den Arbeitsvertragbzw. die Vergütung hat. In der ambulantenVersorgung zeigt sich, dass dieKostenerstattung nach SGB V §13 Absatz3 einen wichtigen Arbeitsmarkt darstellt.Knapp 50% der neuapprobierten selbstständigenPsychotherapeuten arbeiten inprivater Praxis (Ruoß et al., 2012). DasFehlen attraktiver Arbeitsalternativen insbesonderein der Niederlassung aufgrundzu weniger Praxissitze und hoher Praxiskaufpreisedurch die hohe Nachfrage beiNeuapprobierten könnte hierfür mitverantwortlichsein (vgl. Siegel, <strong>2013</strong>a) undfür den deutlichen Anstieg an Leistungendurch Kostenerstattung (BPtK, <strong>2013</strong>b) gesorgthaben.Zwar scheint es derzeit auf dem Arbeitsmarktbezüglich der Verfügbarkeit von Arbeitsmöglichkeitennoch nicht zu einemÜberangebot an Psychotherapeuten gekommenzu sein. Es fehlen aber Arbeitsmöglichkeiten,die der hohen Qualifikationder neuapprobierten PsychotherapeutenRechnung tragen. Insofern ist aus meinerSicht bei einer kritischen Betrachtung desAnstieges der Absolventenzahlen, welcher<strong>2013</strong> noch nicht abgeschlossen sein wird,zumindest zu diskutieren, ob derzeit nichtzu viele Psychotherapeuten ausgebildetwerden und wie viele Psychotherapeutenwir tatsächlich benötigen, um zukünftig beiveränderten Tätigkeitsfeldern, neuen Lebensmodellenund der epidemiologischenEntwicklung psychischer Störungen diepsychotherapeutische Versorgung sicherzustellen.Implikationen für dieAusbildungUnabhängig von dieser Frage ist es meinesErachtens dringend erforderlich, den Zusammenhangder Absolventenzahlen bzw.der Anzahl an Ausbildungsteilnehmern mitden Bedingungen während der Psychotherapieausbildungzu hinterfragen. ZurVergütungssituation von Psychotherapeutenin Ausbildung (PiA) zeigt sich, dass geradein Ballungsgebieten mit vielen Ausbildungsstättenwie Köln, Berlin oder Hamburgdie finanzielle Situation besondersproblematisch ist, während in anderenländlicheren Regionen wie Ostwestfalen,dem Münsterland oder dem Sauerland relativgute Bedingungen geschaffen wurden.2 Natürlich lassen sich die genauenZusammenhänge zwischen Absolventenzahlenund Arbeitsbedingungen nur vermuten.Es ist aber kaum vorstellbar, wiebeispielsweise in Köln ca. 200 PP-Ausbildungsteilnehmerpro Jahr von den siebenKölner Ausbildungsinstituten (LandesprüfungsamtNRW, <strong>2013</strong>) an fünf Kölner Psychiatriendie Praktische Tätigkeit unter angemessenenRahmenbedingungen sowohlhinsichtlich der Qualität der Betreu-2 Vgl. Klinikbewertungen auf www.pt-ausbildungscheck.de/uk_out_1.php.260 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


R. J. Siegelung als auch hinsichtlich der Finanzierungabsolvieren können.Insofern möchte ich auch bei der aktuellenDiskussion um ein vernünftiges Ausbildungssystem,wie es ja derzeit ausführlichim Berufsstand diskutiert wird, die Frageaufwerfen, wie viele neue Psychotherapeutenwir pro Jahr ausbilden müssenbzw. sollten. Wo liegen Untergrenzen undwo liegen Obergrenzen? Wie können wirfür diese Anzahl an Ausbildungsteilnehmernausreichend Ausbildungskapazitätenmit angemessenen Rahmenbedingungenschaffen? Diese Fragen stellen sich bei allenReformkonzepten, unabhängig davon,ob es sich um eine Weiterentwicklung einespostgradualen Ausbildungsmodellsoder die Einführung einer sogenanntenDirektausbildung handelt. Auch bei einerDirektausbildung müssten ausreichend Studienplätzesowie für die vertiefte Weiterbildungsog. Weiterbildungsplätze in psychiatrischenEinrichtungen geschaffen werden,sofern nicht gänzlich auf eine Qualifizierungim stationären Bereich verzichtet werdensoll. Sowohl in dem aktuellen Ausbildungssystemals auch bei einer Einführungeines neuen unerprobten Systems ist esalso wichtig, konkrete Schätzungen überdie Anzahl verfügbarer Aus- bzw. Weiterbildungsstellenund deren Finanzierungsmöglichkeiten(sowohl ambulant als auchstationär) zu machen, um diesen Fehlerdes PsychThG nicht zu wiederholen.Davon abgesehen bleibt abzuwarten, wiesich die – aus meiner Sicht sehr begrüßenswerte– aktuelle Rechtsprechung zur Bezahlungder Praktischen Tätigkeit (Förster &Siegel, <strong>2013</strong>; Siegel, <strong>2013</strong>b) und ein möglicherweisebestätigendes Urteil des Bundesarbeitsgerichtesim kommenden Jahrauf die Anzahl der Klinikplätze für dieDurchführung der Praktischen Tätigkeit unddamit auch mittelfristig auf die Anzahl derAbsolventen auswirken wird. Vielleicht führtdies zu einer zum Teil notwendigen Reduzierungder Ausbildungsteilnehmer und damitauch der Absolventenzahlen. Und fallses dadurch tatsächlich zu dem von Schulteund Lauterbach (2002) prophezeiten Engpassan Absolventen kommen sollte, könntedies zumindest auch die Bundespolitik zueiner Reform des PsychThG drängen, umeine flächendeckende Versorgung durchPsychotherapeuten sicherzustellen.LiteraturDie Literaturangaben zu diesem Artikelfinden Sie auf der Internetseite der Zeitschriftunterwww.psychotherapeutenjournal.de.Dipl.-Psych. Robin J. Siegel ist wissenschaftlicherMitarbeiter an der UniversitätWitten/Herdecke und dort für die Konzeptionund Organisation der neuen Studiengänge„Psychologie und Psychotherapie“(B. Sc.) und „Klinische Psychologie undPsychotherapie“ (M. Sc.) zuständig. Er istSprecher der Vertretung der Psychotherapeutenin Ausbildung (PiA) im VPP/BDPund war von 2011 bis <strong>2013</strong> Sprecher derBundeskonferenz PiA.Dipl.-Psych. Robin J. SiegelUniversität Witten/HerdeckeDepartment für Psychologie und PsychotherapieAlfred-Herrhausen-Straße 5058448 WittenRobin.Siegel@uni-wh.de<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>261


Konzept einer Weiterbildung nach einerDirektausbildung in PsychotherapieWalter Ströhm, Ulrich Schweiger & Jürgen TrippZusammenfassung: In der Psychotherapeutenschaft wird zurzeit intensiv und kontroversüber eine mögliche Direktausbildung in Psychotherapie diskutiert. Mit diesem Artikelsoll ein Beitrag zu dieser Diskussion geleistet werden, indem wir uns genauer mitden Implikationen beschäftigen, die sich aus einer Direktausbildung für die darauf aufbauendeWeiterbildung ergeben. Dazu beschreiben wir Prämissen, die aus unserer Sichtwichtig für die Umsetzung einer Weiterbildung in Psychotherapie erscheinen. Es werdendie Grundmerkmale von heilberuflicher Weiterbildung beschrieben und die Konsequenzendaraus für die Struktur und die Finanzierung einer Weiterbildung diskutiert. Darananschließend wird ein mögliches Modell einer zukünftigen verfahrensbezogenenWeiterbildung in Psychotherapie skizziert und es werden die Vor- und Nachteile einessolchen Modells diskutiert.EinleitungSeit einigen Jahren wird über eine Reformder Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten1 (PP) und zum KinderundJugendlichenpsychotherapeuten (KJP)im Berufsstand rege diskutiert. Insbesonderedie veränderten Zugangsvoraussetzungendurch die Einführung der BachelorundMasterabschlüsse im Zuge der Bologna-Reformund die schwierigen finanziellenBedingungen für die Ausbildungsteilnehmergaben Anlass, über eine Neuordnungder Psychotherapieausbildung zudiskutieren, und lassen eine Reform alsdringend notwendig erscheinen. Die Bundespsychotherapeutenkammer(BPtK) legtemit Beschluss des 16. Deutschen Psychotherapeutentages(DPT) ein Konzeptzur Reform der postgradualen Ausbildungvor. Das Bundesministerium für Gesundheit(BMG) signalisierte jedoch, dass eseine Angleichung der Psychotherapieausbildungan die Ausbildungsstrukturen inanderen Heilberufen favorisiert und eineDirektausbildung mit einem Studium, daszur Approbation führt, und einer anschließendenWeiterbildung zur Erlangung derFachkunde für die geeignetste Lösung hält.Die Fachgruppe Klinische Psychologie derDeutschen Gesellschaft für Psychologie(DGPs) (Rief, Fydrich, Margraf & Schulte,2012) und die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung(DPTV) (Lubisch, 2012) legtenModelle für eine solche Direktausbildungvor, die sich eher am bisherigen Psychologiestudiummit klinischem Schwerpunktorientieren. Körner (<strong>2013</strong>) diskutiertein Modell aus psychoanalytischer Sicht,welches bereits einen Verfahrensbezug imStudium vorsieht. Beutel, Porsch und Subic-Wrana (<strong>2013</strong>) schlagen ein Modell einerpsychosomatischen Direktausbildung vor,das an medizinischen Fakultäten angesiedeltwäre, und Benecke (2012) präsentiertein zum DGPs-Vorschlag alternatives Modelleiner Direktausbildung an einem psychologischenInstitut. Die Gemeinsamkeit dieserModelle besteht darin, dass sie eine Approbationals Psychotherapeut nach einem einschlägigenStudium der Psychotherapiebzw. Psychotherapiewissenschaften vorsehen,mit einer anschließenden Vertiefungder praktischen Kenntnisse in einer Weiterbildung.Differenzen zwischen den Modellenbestehen vor allem darin, in welchemAusmaß die Psychologie als zentrale Grundlagenwissenschaftder Psychotherapie angesehenwird, und dem Anteil, den andereGrundlagenwissenschaften demgegenüberausmachen sollten.Weiterhin herrscht Uneinigkeit darüber,wie und in welchem Umfang Praxiserfahrungund Selbsterfahrung in der universitärenDirektausbildung organisiert werdenkann und sollte und ob eine Grundausbildungmöglich ist, die verfahrensübergreifendbzw. ohne Verfahrensbezug ist.Den Modellen der Direktausbildung ist gemeinsam,dass sie gute Lösungen für dieProbleme der Zugangsvoraussetzungenund der finanziellen Situation der Ausbildungsteilnehmerbieten, sie werden jedochim Berufsstand auch kritisch diskutiert,da befürchtet wird, dass die Umsetzungneue Probleme aufwerfen könnteund die notwendigen Strukturen an denUniversitäten nicht zu realisieren seien(BDP, 2012; Gleiniger, <strong>2013</strong>; Lehndorfer &Timmermann, <strong>2013</strong>; Janta, Walz-Pawlita,Unruh, Muntz & Rothe-Kirchberger, <strong>2013</strong>).Neben der Lösung der beiden zentralenProbleme böte eine Reform der Psychotherapieausbildungin Form einer Direktausbildungmit anschließender Weiterbildungjedoch auch die Chance, das Berufsbilddes Psychotherapeuten neu zugestalten und so auf neue Anforderungenim Gesundheitswesen zu reagieren bzw.auf bereits jetzt eintretende Veränderungenim Berufsbild des Psychotherapeutenin der Ausbildung besser vorzubereiten.Richter (<strong>2013</strong>) stellt fest, dass dem Psychotherapeutengesetzaus dem Jahr 1998 ein1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werdenin diesem Text nicht immer beide Geschlechtsformengenannt – selbstverständlichsind Männer und Frauen gleichermaßengemeint.262 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


W. Ströhm, U. Schweiger & J. Trippimplizites Berufsbild zugrunde liegt, dessenPrototyp der niedergelassene Psychotherapeutdarstellt, der in eigener Praxis tätig ist.So wurden die niedergelassenen Vertragspsychotherapeuten(PP & KJP) weitgehendden niedergelassenen Ärzten gleichgestellt,während die Stellung der Psychotherapeutenals neuer Heilberuf in der stationärenBehandlung durch die Gesetzesänderungenim Zuge der Einführung des Psychotherapeutengesetzesnicht eindeutig geregeltwurde (vgl. Bracher, 2001; Hermes, 2004;Jordan et al., 2011b). Jordan et al. (2011b)sehen als Ursache hierfür Defizite in Qualifikationund Ausbildung im Studium und sehenein Masterstudium zum „medizinischenPsychotherapeuten“, also auch eineArt der Direktausbildung, als mögliche Lösungan. Insbesondere im Kontext eineszunehmenden Ärztemangels in der Psychiatrieund Psychosomatik gibt es Überlegungen,die Aufgabenverteilungen und Kompetenzender verschiedenen Berufsgruppen,die hier an der stationären Behandlung beteiligtsind, neu zu regeln (Jordan et al.,2011a; Jordan et al., 2011b). Daher erscheintes uns notwendig, mit einer zukünftigenDirektausbildung mit anschließenderWeiterbildung ein breit angelegtes Berufsbildzugrunde zu legen, das insbesondereauch die Anforderungen psychotherapeutischerTätigkeiten in einem stationären undteilstationären Umfeld einschließt.Da schon verschiedene Konzeptionen fürdas Studium im Rahmen einer Direktausbildungvorliegen, die Ausgestaltung einer anschließendenWeiterbildung jedoch zumeistnur recht knapp beschrieben wurde, wollenwir uns im Folgenden mit Fragestellungenund Problemen der Umsetzung einer verfahrensbezogenenWeiterbildung in Psychotherapiebefassen und ein Modell hierzuvorstellen. Wir gehen dabei von einigenPrämissen aus, die für uns grundlegend fürdie Gestaltung einer Weiterbildung im Rahmeneines Direktausbildungsmodells sind.Prämissen1. Bei einer zukünftigen Direktausbildungsstruktursollte die im Studiumstattfindende Ausbildung bis zur Approbationohne Vertiefung in einem Verfahrenerfolgen und Grundlagen aller<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahrengleichermaßen vermitteln.In der anschließenden verfahrensbezogenenWeiterbildung solltendann vertiefte Kenntnisse in einem Psychotherapieverfahrenerworben werden,die dazu befähigen, dieses Verfahrenauf einem qualitativ hohen Niveauselbstständig anwenden zu können.2. Die Qualität der aktuellen Psychotherapieausbildungsoll auch in einer zukünftigenan die Direktausbildung anschließendenWeiterbildung erhalten bleibenund weiter ausgebaut werden. DieQualität der bisherigen Ausbildung wirdim strukturierten curricularen Ablaufund in der inhaltlichen Koordination derAusbildungsbausteine gesehen.3. Die Weiterbildung soll auf ein breit definiertespsychotherapeutisches Berufsbildvorbereiten, welches alle Bereicheder stationären, teilstationären undambulanten Behandlung umfasst, indenen Psychotherapie zum Einsatzkommt, sowie auch Prävention und Rehabilitation.Die Grundlage hierfür solltebereits im zur Approbation führendenStudium gelegt und in der anschließendenWeiterbildung vertieft werden.4. Es muss für die Weiterbildung Strukturengeben, die den Psychotherapeutenstationär und ambulant eine hauptberuflicheTätigkeit ermöglichen. Dieskann im ambulanten Bereich nur dadurchgesichert werden, dass der § 117SGB V so geändert wird, dass die Ambulanzender bisherigen Ausbildungsinstituteauch im Kontext einer Weiterbildungermächtigt bleiben.5. Die Weiterbildung soll zu einem demNiveau der Fachärzte vergleichbarenQualitätsniveau und Status führen.Grundmerkmale vonheilberuflichen Weiterbildungenund Konsequenzenfür eine zukünftigepsychotherapeutischeWeiterbildungWeiterbildung erfolgt in praktischer Berufstätigkeitund theoretischer Unterweisungund ist angemessen zu vergüten. Sie wirdan einer anerkannten Weiterbildungsstätteunter Anleitung befugter Berufsangehörigerabsolviert (vgl. § 36 HeilBerg NRW;MWBO-BÄK). Kennzeichnend für eineWeiterbildung ist also eine berufliche Tätigkeit,die dadurch weiterbildenden Charakterbekommt, dass sie nach Maßgabeeiner Weiterbildungsordnung in einemAnstellungsverhältnis bei einer Weiterbildungsstätteunter Anleitung eines Weiterbildungsbefugtenerfolgt und von theoretischerUnterweisung begleitet wird.Nach Vorgabe der meisten Landesheilberufsgesetzedarf die Dauer der Weiterbildungin einem Gebiet drei Jahre nicht unterschreiten.Dieses Grundmerkmal vonheilberuflichen Weiterbildungen hat Konsequenzenzum einen für die Struktur undStrukturqualität der Weiterbildung undzum anderen für die Finanzierung der Weiterbildung.Auf diese beiden Aspekte sollim Folgenden vertieft eingegangen werden.Konsequenzen für dieStruktur einer Weiterbildungin PsychotherapieBisher ist in der Psychotherapieausbildungimmer das Ausbildungsinstitut die Ausbildungsstätte,egal ob ein Ausbildungsteilnehmergerade in der Ambulanz des Instituts,in einer kooperierenden Klinik odereiner Lehrpraxis tätig ist. Das Ausbildungsinstitutsorgt für einen strukturierten curricularenAblauf der Ausbildung, dafür, dassalle Ausbildungsbestandteile organisatorischund inhaltlich aufeinander abgestimmtsind, und überwacht die Qualitätder einzelnen Ausbildungsbestandteile.Bei einer Weiterbildung in Psychotherapiewäre jedoch die Weiterbildungsstätte zunächstimmer die Einrichtung der Patientenversorgung,in welcher der Weiterbildungsassistentgerade tätig ist. Also wärensowohl Kliniken als auch Praxen und Ambulanzenjeweils für sich als Weiterbildungsstättenanzuerkennen. Wenn einWeiterbildungsassistent im Laufe der Weiterbildungverschiedene Versorgungssettingskennenlernen soll, so führt dies zwingenddazu, dass die Weiterbildungsstätteim Verlauf der Weiterbildung gewechseltwerden müsste. Es wäre zu befürchten,263


Konzept einer Weiterbildung nach einer Direktausbildung in Psychotherapiedass so die Weiterbildung zu einem Stückwerkaus verschiedenen Abschnitten undBestandteilen wird, die ohne übergeordnetenZusammenhang aufeinander folgenund in ihrer Qualität sehr unterschiedlichsein können.Um einen strukturierten curricularen Ablaufähnlich wie in der heutigen Psychotherapieausbildungzu erreichen, könntenfolgende Maßnahmen in einer (Muster-)Weiterbildungsordnung getroffen werden:• Die praktische Weiterbildung im Rahmeneiner Berufstätigkeit an einer Weiterbildungsstättekönnte parallel stattfindenzu weiteren Weiterbildungsbausteinen(Theorieseminare, Selbsterfahrung),welche an einem Weiterbildungsinstitutzu absolvieren wären, dasein Curriculum für den komplettenUmfang der Weiterbildung anbietet –sodass die Weiterbildung quasi zweiSäulen hätte: die praktische Berufstätigkeitund die begleitende Weiterbildungan einem Weiterbildungsinstitut.• Die Weiterbildungsbefugnis und Anerkennungals Weiterbildungsstätte könnteentweder für den vollen Umfang derWeiterbildung vergeben werden oderes könnten, wenn eine Weiterbildungsstätteoder ein Weiterbildungsbefugternicht die Voraussetzungen dafür erfüllt,begrenzte Weiterbildungsbefugnisse vergebenwerden in Verbindung mit derVerpflichtung, mit anderen Weiterbildungsstättenzu kooperieren, die dieDurchführung der restlichen Weiterbildungsbestandteilegewährleisten (vgl.Weiterbildungsordnung der LPK Baden-Württemberg für den Bereich systemischeTherapie).• Die Erteilung der Weiterbildungsbefugnisfür einen Supervisor oder einen Praxisanleiteran einer Weiterbildungsstättekönnte an die Bedingung geknüpft sein,dass dieser bei einem Weiterbildungsinstitutakkreditiert sein muss.Ein Weiterbildungsteilnehmer wäre also imVerlauf seiner Weiterbildung an verschiedenenWeiterbildungsstätten beschäftigt(Ambulanz eines Weiterbildungsinstitutes,Klinik, Praxis eines niedergelassenen Psychotherapeuten),würde allerdings paralleldazu über den gesamten Verlauf der Weiterbildungan einem Theoriecurriculum beieinem Weiterbildungsinstitut teilnehmen.Die Weiterbildungsstätten für die praktischeBerufstätigkeit und das Weiterbildungsinstitutmüssten durch Kooperationsverträgebelegen, dass sie die Organisationdes gesamten Ablaufs der Weiterbildunggewährleisten können, und dieWeiterbildungsbefugten bzw. Supervisorenan den Weiterbildungsstätten müsstenvom Weiterbildungsinstitut akkreditiertsein.Konsequenzen für dieFinanzierung der WeiterbildungIn allen Landesheilberufsgesetzen ist vorgeschrieben,dass die Weiterbildung in angemessenvergüteter hauptberuflicher Tätigkeitstattfinden muss. Als angemesseneVergütung dürfte dann nach einem Direktstudiummit Approbation dort, wo die Bezahlungdurch einen Tarifvertrag geregeltist, die entsprechende tarifvertragliche Vergütunggelten. Bisher ist in den Tarifverträgenim öffentlichen Dienst (TVöD, TV-L)die Vergütung für Psychotherapeuten nichtgeregelt. Diese dürfte jedoch mindestensbei der bisherigen Vergütung für Dipl.-Psychologen(Entgeltgruppe 13 im TVöD undTV-L) liegen. Bei Arbeitgebern, die keinemTarifvertrag unterliegen, wäre das Kriteriumfür eine Untergrenze der Vergütung die Sittenwidrigkeit.Nach aktueller Rechtsprechunggilt ein Gehalt von weniger als 2/3des branchenüblichen Tarifgehalts als sittenwidrig(BAG vom 22. April 2009 – 5AZR 436/08). Daraus würde sich für dieWeiterbildungsteilnehmer zu Beginn derWeiterbildung ein Bruttogehalt in einerGrößenordnung von 3.200 € bis 2.130 €ergeben, je nachdem, ob der Arbeitgebertarifgebunden ist oder untertariflich bezahlt.Dies entspräche bei einem 27-jährigemunverheirateten Weiterbildungsassistenteneinem Nettogehalt zwischen ca.2.000 € und 1.400 €.Während sich für die Weiterbildungsteilnehmerso also die Vergütungssituationdeutlich verbessern würde im Vergleich zurSituation in der bisherigen Psychotherapieausbildungund eine nicht vergütete odergering bezahlte Tätigkeit aufgrund der gesetzlichenBestimmungen ausgeschlossenwäre, ergäbe sich für die Weiterbildungsstättendas Problem, dieses Gehalt zu refinanzieren.Grundsätzlich gilt hier das Prinzip, dass dasGehalt durch die vom Weiterbildungsteilnehmererbrachten Versorgungsleistungenam Patienten, die vom Kostenträger vergütetwerden, finanziert werden sollte.Die Bedingungen hierfür sind sehr unterschiedlich,je nachdem, ob der Weiterbildungsteilnehmerin einem Krankenhaus,der Praxis eines niedergelassenen Psychotherapeutenoder in der Ambulanz einesWeiterbildungsinstitutes bzw. bisherigenAusbildungsinstitutes für Psychotherapietätig ist.In psychiatrischen und psychosomatischenKliniken werden bisher pauschale Tagessätzevon den Kostenträgern gezahlt. Inder Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) ist festgelegt, welche Berufsgruppen inwelchem Umfang von der Klinik vorzuhaltensind, um die vom Kostenträger erwarteteBehandlungsqualität zu gewährleisten.Die Psych-PV stammt noch aus derZeit vor dem Psychotherapeutengesetzund führt daher nur Dipl.-Psychologen aufund keine Psychotherapeuten. Im Zugeder Einführung des Pauschalierenden Entgeltsystemsfür Psychiatrie und Psychosomatik(PEPP), welches ab 2015 für alleKliniken in diesem Bereich verpflichtendsein soll, soll die Personalbemessung anhandder Psych-PV jedoch abgeschafftwerden. Dann ist für die Vergütung relevant,welche Berufsgruppen welche Leistungenmit dem Operationen- und Prozedurenschlüssel(OPS) codieren. Hier sindbei der Codierung der Leistungen in derPsychiatrie bisher Dipl.-Psychologen undPsychologische Psychotherapeuten zu einerGruppe zusammengefasst (s. OPS-Codes 9-60 bis 9-63).Es wäre also wahrscheinlich, dass die Klinikendann entsprechende finanzielle Kapazitätenwie bisher für die Bereitstellung vonPsychologenstellen für die Bereitstellungvon Stellen für Psychotherapeuten in Weiterbildungzur Verfügung haben würden.264 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


W. Ströhm, U. Schweiger & J. TrippDie Kliniken könnten also wahrscheinlichweniger Stellen für Weiterbildungsteilnehmeranbieten, als sie bisher für nicht odergering vergütete Psychotherapeuten inAusbildung (PiA) stellen konnten. Da diebisherigen PiA nicht mehr als billige Arbeitskräftezur Verfügung stünden, müsstendie Kliniken dann jedoch Maßnahmentreffen, um eine ausreichende Versorgungdurch fest angestelltes Fachpersonal sicherzustellen.Hier müsste also bei derweiteren Entwicklung des Entgeltsystemsberücksichtigt werden, dass die Personalkostenfür die Erbringung psychotherapeutischerLeistungen bei Einführung einerpsychotherapeutischen Direktausbildungsteigen werden und die Kliniken dies entsprechendrefinanzieren können sollten.Die Gewerkschaft ver.di fordert eine Beibehaltungund Weiterentwicklung der Psych-PV, damit Qualitätsstandards in der Personalausstattungnicht unterschritten werden.Hier wäre bei einer Weiterentwicklungdann eine angemessene Personalausstattungmit Assistenz- und Fachpsychotherapeutensicherzustellen und entsprechendzu finanzieren.In einer als Weiterbildungsstätte anerkanntenPraxis eines niedergelassenen Psychotherapeuten,der zur Weiterbildung befugtist, können Weiterbildungsassistenten angestelltwerden. Die Leistungen eines sozialversicherungspflichtigangestellten Weiterbildungsassistentenkönnen nach § 15Abs. 1 des Bundesmantelvertrag-Ärzte deneigenen Leistungen des Praxisinhabers zugerechnetwerden. Die Beschäftigung einesWeiterbildungsassistenten darf jedochgemäß § 332 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht derVergrößerung einer Vertragsarztpraxis oderder Aufrechterhaltung eines übergroßenPraxisumfangs dienen. Damit soll zum einenein Unterlaufen der Bedarfsplanungverhindert werden und zum anderen siehtdas Bundessozialgericht (BSG) in der Aufrechterhaltungeiner übergroßen Vertragsarztpraxisdurch die Beschäftigung einesAssistenten die Gefahr einer nicht ausreichendenAus- und Weiterbildungsmöglichkeit.Nach der Rechtsprechung des BSGliegt die Grenze für die Vergrößerung einerVertragsarztpraxis bei einer Steigerung desPunktzahlvolumens um mehr als 25% undwenn die Fallzahlen des Fachgruppendurchschnittsum mehr als 80% überschrittenwerden (Plantholz, <strong>2013</strong>). Plantholz(ebd.) sieht aufgrund dieser Rahmenbedingungenkeine ausreichende wirtschaftlicheGrundlage für die Beschäftigungeines sozialversicherungspflichtig angestelltenWeiterbildungsassistenten in derPraxis eines (einzelnen) Psychotherapeuten.Auch in der ärztlichen Weiterbildungstellt die Finanzierung der Weiterbildungim ambulanten Bereich eine Schwierigkeitdar. Die Bundesärztekammer fordert hiereine Stärkung der Weiterbildung im ambulantenBereich und eine Neuregelung derFinanzierung ambulanter Weiterbildung(Beneke, <strong>2013</strong>).Wenn die Ambulanzen der bisherigen Ausbildungsinstitutefür Psychotherapie alsWeiterbildungsstätten Weiterbildungsassistentenanstellen sollten, so müssten gesetzlicheGrundlagen für die Abrechnungder durch die Weiterbildungsassistentenerbrachten Leistungen geschaffen werden.Bisher sind die nach § 6 Psychotherapeutengesetzanerkannten Ausbildungsinstitutefür Psychotherapie nach § 117 SGB VAbs. 2 Satz 1 zur Abrechnung ambulanterRichtlinienpsychotherapie ermächtigt. Daim § 117 SGB V explizit auf Ausbildungsinstitutenach dem bisherigen PsychotherapeutengesetzBezug genommen wird, wärendie Ambulanzen bei einer Umwandlungin Weiterbildungsstätten im Zuge einerReform der Psychotherapieausbildungnicht mehr durch diese Regelung erfasst.Stellpflug (2012) schlägt eine Neuformulierungdes § 117 SGB V vor, bei der aufeine Zulassung als Weiterbildungsstättezur psychotherapeutischen Weiterbildungnach landesrechtlichen Vorschriften Bezuggenommen wird. Diese Möglichkeit zur Ermächtigungsoll weiterhin nur für Einrichtungengelten, die nicht über andere Möglichkeitender Teilnahme an der Versorgungvon gesetzlich Versicherten verfügen,womit vermieden werden soll, dass z. B.Krankenhäuser, die als Weiterbildungsstätteanerkannt sind, durch die Ermächtigungambulante psychotherapeutische Leistungenerbringen bzw. ausweiten könnten.Der Kritik, dass eine solche spezifische Verweisungsregelungauf psychotherapeutischeWeiterbildungsstätten nach Landesrechtgegen Gleichbehandlungsgrundsätzeverstoßen könnte und nicht umgesetztwürde, weil dann auch andere Einrichtungenals die psychotherapeutischen Ambulanzenan Weiterbildungsstätten (z. B. Einrichtungenzur ärztlichen Weiterbildung)ermächtigt werden könnten, widersprechensowohl Stellpflug (2012) als auchPlantholz (<strong>2013</strong>). Sie argumentieren, dasseine Ungleichbehandlung der Weiterbildungsstättenfür Psychotherapie aufgrundder tradierten und bewährten Gestaltungder psychotherapeutischen Qualifizierunggerechtfertigt erscheint.Die Höhe der Vergütung für die bisherigenAusbildungstherapien ist im § 120 Abs. 2SGB V geregelt. Dort gibt es die Bestimmung,dass die Vergütung der Ambulanzenmit Entgelten für vergleichbare Leistungenabgestimmt werden „soll“. Hier stellt sichdie Frage, ob eine Vergütung in Höhe derzurzeit durchschnittlich gezahlten Vergütungenfür ambulante Richtlinienpsychotherapieausreichend wäre, um ein Tarifgehaltinkl. aller Steuern und Abgaben fürWeiterbildungsassistenten zu finanzieren.Nach unseren Berechnungen müsste einWeiterbildungsassistent im Durchschnittüber die gesamte Beschäftigungszeit proWoche 20 bis 25 Psychotherapiestundendurchführen, um genügend abrechenbareLeistungen zu generieren, aus denen dannein Tarifgehalt finanziert werden könnte.Diskutiert werden muss, ob Berufsanfängerneine solche Arbeitsbelastung zugemutetwerden kann. Ggf. müssten hier spezifischeZuschläge zu den Vergütungen zurFörderung der psychotherapeutischen Weiterbildunggefordert werden. Eine weitereKonsequenz aus dieser hohen Anzahl anwöchentlichen Psychotherapiestunden wäre,dass innerhalb eines Arbeitsjahres zwischenca. 900 und 1.100 Psychotherapiestundenerbracht werden könnten; alsodeutlich mehr als bisher in der gesamtenPsychotherapieausbildung gefordert sind.Vorgeschlagen wird, im Interesse des Kennenlernensvieler verschiedener Störungsbilderund Behandlungsansätze und wegeneiner Fachkunde auf Augenhöhe mitFachärzten angrenzender Arztdisziplinen,eine Psychotherapiestundenanzahl in ähnlicherGrößenordnung wie in der Weiterbildungzum Facharzt für PsychosomatischeMedizin und Psychotherapie (dort werden1.500 Psychotherapiestunden unter Supervisiongefordert).<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>265


Konzept einer Weiterbildung nach einer Direktausbildung in PsychotherapieWie könnte einepsychotherapeutischeWeiterbildung nach einemDirektstudium konkretaussehen?Im Folgenden wollen wir einen Entwurf einerWeiterbildungsstruktur vorstellen, derauf den bisher dargestellten Überlegungenbasiert. Die Angaben zur konkreten Dauerbzw. zum Umfang einzelner Bestandteilesollen als Vorschläge verstanden werden,die eine Richtung aufzeigen, in die es gehenkönnte, und nicht als eine bereits inStein gemeißelte Festlegung. Hier gäbe essicherlich noch einigen Diskussions- undAbstimmungsbedarf.Die Weiterbildung erfolgt in den GebietenErwachsenenpsychotherapie oder KinderundJugendlichenpsychotherapie, jeweilsmit einem verfahrensbezogenen Schwerpunktin einem wissenschaftlich anerkanntenPsychotherapieverfahren und könntedann zu Titeln führen wie etwa „Fachpsychotherapeutfür Erwachsenenpsychotherapie;Schwerpunkt Verhaltenstherapie“oder „Fachpsychotherapeut für KinderundJugendlichenpsychotherapie; SchwerpunktPsychoanalyse“.Die Weiterbildungszeit besteht aus 60 Monatenhauptberuflicher praktischer Berufstätigkeitan einer hierfür von der LandespsychotherapeutenkammerzugelassenenWeiterbildungsstätte unter Anleitung einesWeiterbildungsbefugten. Eine Weiterbildungin Teilzeit sollte möglich sein. DieWeiterbildungszeit verlängert sich dannentsprechend. Die praktische Berufstätigkeitwird begleitet von einem Weiterbildungscurriculum(Theorieseminare, Selbsterfahrung).Kann dieses Weiterbildungscurriculumvon einer Weiterbildungsstättenicht angeboten werden, so ist diese verpflichtet,mit einer anderen Weiterbildungsstätte(Weiterbildungsinstitut) zukooperieren, um die parallele Durchführungder notwendigen Weiterbildungselementezu gewährleisten.Von den 60 Monaten praktischer Berufstätigkeitsind1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. JahrBeispiel 1Klink f.PsychiatrieKlinik f. PsychosomatikWeiterbildungscurriculum am WeiterbildungsinstitutBeispiel 2PsychotherapieambulanzPsychotherapieambulanz Klinik f. Psychiatrie Pt.-PraxisWeiterbildungscurriculum am WeiterbildungsinstitutBeispiel 3PsychotherapieambulanzKlinik f. PsychiatrieWeiterbildungscurriculum am WeiterbildungsinstitutAbbildung: Beispiele für verschiedene Abläufe der WeiterbildungWeiterbildungsinhalteErwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen in:• Prävention, Erkennung, psychotherapeutischer Behandlung und Rehabilitation psychischerStörungen mit Krankheitswert• Theorie und Praxis der Diagnostik, insbesondere Anamnese, Befunderhebung, Indikationsstellungund Prognose, Fallkonzeptualisierung und Behandlungsplanung• der praktischen Anwendung (Behandlungskonzepte und -techniken) eines wissenschaftlichanerkannten Psychotherapieverfahrens und ggf. weiterer Methoden• verschiedenen Rahmenbedingungen der Psychotherapie, wie Behandlungssetting,Einleitung und Beendigung der Behandlung• Krisenintervention, supportiven Verfahren und Beratung• der Indikationsstellung zu soziotherapeutischen Maßnahmen• der Indikationsstellung für die Durchführung pharmakotherapeutischer und biologischerTherapiemaßnahmen• übenden Verfahren (Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Hypnose)• Gruppentherapie• psychotherapeutischen Interventionen und Psychoedukation bei körperlichen Erkrankungen• der Einbeziehung von Angehörigen bzw. des sozialen Systems in die Behandlung• psychotherapeutischem Konsiliar- und Liaisondienst• ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen des beruflichen Handelns.Nachzuweisende Weiterbildungselemente:• 400 Stunden Theorievermittlung• 60 dokumentierte und supervidierte psychotherapeutische Erstuntersuchungen/Erstgespräche• 1.500 Psychotherapiestunden unter Supervision (nach jeder 4. Psychotherapiestunde),davon mindestens 150 Stunden Gruppentherapie• mindestens 120 Stunden Selbsterfahrung, davon mind. 40 Stunden Gruppenselbsterfahrung.266 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


W. Ströhm, U. Schweiger & J. Tripp• mindestens 24 Monate in einer Einrichtungder stationären Versorgung psychischkranker Patienten zu erbringen(z. B. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,Klinik für Psychosomatik); davonmindestens sechs Monate in derallgemeinpsychiatrischen stationärenVersorgung,• mindestens 24 Monate in der Psychotherapieambulanzeines Weiterbildungsinstitutsfür Psychotherapie.• Bei Weiterbildung im Gebiet Erwachsenenpsychotherapiekönnen zwölf MonateWeiterbildungszeit aus der Weiterbildungim Gebiet KJP anerkannt werden,wenn die Weiterbildung im gleichenSchwerpunktverfahren erfolgte.Das gleiche gilt umgekehrt für die Weiterbildungzum KJP.• Wenn bereits eine Gebietsweiterbildungmit einem Schwerpunktverfahrenabsolviert wurde, dauert die Weiterbildungin einem zusätzlichen Schwerpunkt24 Monate.Diese Regelungen sollen sicherstellen,dass im Rahmen der Weiterbildung einMindestmaß an Erfahrungen in den wichtigstenpsychotherapeutischen Berufsfeldernbzw. Versorgungssettings gesammeltwird. Darüber hinaus sollte es den Weiterzubildendenfreigestellt sein, individuelleSchwerpunkte zu setzen, z. B. durch einelängere Klinikzeit, eine längere Ambulanzzeitoder einen zusätzlichen Zeitabschnittin der Praxis eines niedergelassenen Psychotherapeuten.Es wären so grundsätzlichviele verschiedene Weiterbildungsverläufedenkbar, wie in der Abbildung aufS. 266 beispielhaft zu sehen ist.Die Weiterbildungsinhalte könnten im Wesentlichenan den Inhalten der vertieftenAusbildung in der bisherigen Psychotherapieausbildungorientiert sein (s. Anlage 1Bzu § 3 Abs. 1 PschTh-AprV), aber auch Elementeder Weiterbildungsordnung für denFacharzt für Psychosomatische Medizinund Psychotherapie übernehmen (s. Musterweiterbildungsordnungder BundesärztekammerS. 126-127).Im Sinne einer umfassenden Qualifikationfür eine große Bandbreite möglicher psychotherapeutischerTätigkeitsfelder solltenneben der klassischen psychotherapeutischenBehandlung im Einzelsetting auchInhalte wie Prävention, Rehabilitation, Gruppentherapie,Paarberatung bzw. -therapie,Psychoedukation, übende Verfahren undsozialmedizinische Kompetenzen obligatorischerBestandteil der Weiterbildung sein(siehe Kasten S. 266).Vor und Nachteile einerverfahrensbezogenenpsychotherapeutischenWeiterbildung nach einemApprobationsstudiumEs muss diskutiert werden, ob die jetzigepsychotherapeutische Ausbildungslandschaftin ihrem Umfang und ihrem Qualitätsniveauin eine Weiterbildungsstruktur, wie siehier vorgeschlagen wird, überführt werdenkann. Eng verknüpft mit den Fragen der Finanzierungder Weiterbildung ist die Frage,wie viele Psychotherapeuten pro Jahr dieWeiterbildung abschließen und auf Facharztniveauselbstständig und eigenverantwortlichim Gesundheitswesen tätig werdenkönnten. Einen ersten „Flaschenhals“stellt hier die stationäre Kliniktätigkeit dar. Eskann davon ausgegangen werden, dass diejetzigen gar nicht oder schlecht bezahltenStellen für die Praktische Tätigkeit in derPsychotherapieausbildung nicht in gleicherAnzahl als bezahlte Weiterbildungsstellenerhalten bleiben, wenn nicht die Beschäftigungvon Psychotherapeuten im Krankenhausbzw. deren Weiterbildung finanziellgefördert würde. Es ist schwer einzuschätzen,wie stark der Stellenrückgang ausfallenwürde, es erscheint jedoch mittelfristig eherunwahrscheinlich, dass sich Kliniken garnicht mehr an der Weiterbildung beteiligenwürden. Denn dann würde für sie eineMöglichkeit zur Nachwuchsrekrutierung verlorengehen. Sie könnten evtl. noch eineZeit lang Stellen mit Psychologen/Psychotherapeutenbesetzen, die nach dem altenSystem ausgebildet wurden, aber irgendwannwürden nur noch approbierte Psychotherapeutenvon den Universitätenkommen, für die es keine Grundlage gibt,umsonst zu arbeiten, und für die es attraktiverist, in einer Klinik zu arbeiten, die alsWeiterbildungsstätte anerkannt ist, als füreine Klinik, die nicht weiterbildet.Ein weiterer Engpass würde auch bei denPsychotherapieambulanzen der bisherigenAusbildungsinstitute entstehen. Dadurch,dass die Psychotherapeuten in Weiterbildungin Festanstellung an den Ambulanzenbeschäftigt wären und mehr Psychotherapiestundenerbringen müssten, könntenaufgrund der räumlichen und organisatorischenKapazitäten wahrscheinlich wenigerWeiterbildungstherapeuten gleichzeitigan einer Psychotherapieambulanz tätigsein, als es bisher bei den Ausbildungstherapeutender Fall ist, die häufig nur stundenweiseauf Honorarbasis die Psychotherapiestundenableisten. Dies könnte zu einemTeil durch Weiterbildungstätigkeitenin Praxen kompensiert werden, doch dieseMöglichkeit erscheint aus den o. g. Gründenbisher auch begrenzt.Es stellt sich hier jedoch auch die Frage,inwieweit ein Rückgang der Absolventenzahlenin einem gewissen Umfang nichtsogar akzeptabel wäre. Betrachtet man dievom Institut für medizinische und pharmazeutischePrüfungsfragen (IMPP) 2 veröffentlichtenZahlen zu den abgelegten Approbationsprüfungen,so zeigt sich, dassdie Absolventenzahlen der Psychotherapieausbildungvon 625 (PP & KJP zusammen)im Jahr 2005 auf 1.717 im Jahr 2011bzw. 1.934 im Jahr 2012 gestiegen sindund sich somit mehr als verdreifacht haben.Nach einer Schätzung der BPtK wären1.000 Absolventen pro Jahr notwendig,um die Altersstruktur des Berufsstandeskonstant zu halten (BPtK, 2006). Es könntealso sogar angenommen werden, dassmomentan über dem Bedarf ausgebildetwird und eine Verringerung der Ausbildungskapazitätenunproblematisch wäre.Hierbei ist zu beachten, dass durch die höherenPsychotherapiestundenzahlen indem von uns vorgeschlagenen Weiterbildungsmodelldie Zahl der Behandlungenin den Weiterbildungsambulanzen trotzVerringerung der Anzahl der Weiterbildungsteilnehmerim Vergleich zur Anzahlder jetzigen Ausbildungsteilnehmer ungefährkonstant bleiben könnte.2 www.impp.de<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>267


Konzept einer Weiterbildung nach einer Direktausbildung in PsychotherapieEin Vorteil des Weiterbildungsmodells istdarin zu sehen, dass die Weiterbildungüber die Psychotherapeutenkammern undsomit über den Berufsstand geregelt undüberwacht würde. Dies würde die Chanceeröffnen, Regelungen, die sich als untauglicherweisen oder die negative Folgen haben,auf der Ebene der Weiterbildungsordnungunter fachlichen Gesichtspunktendurch den Berufsstand selbst zu verändern,ohne dass dafür eine Gesetzesänderungnotwendig wäre. Die Weiterbildungsstrukturböte also die Möglichkeit, die Qualifikationvon Psychotherapeuten adaptivan neue Entwicklungen oder geänderteRahmenbedingungen anzupassen. DesWeiteren stünde die Weiterbildung sowohlim ambulanten als auch im stationärenund teilstationären Bereich unter der Aufsichtvon Angehörigen des Berufsstandes.Denn die meisten Landesheilberufsgesetze(außer die Heilberufsgesetze von Niedersachsenund Hamburg) sehen vor,dass nur Kammerangehörige eine Weiterbildungsbefugniserhalten können. Dieswürde z. B. bedeuten, dass eine Klinik einenweiterbildungsbefugten Psychotherapeutenbeschäftigen müsste, um als Weiterbildungsstätteanerkannt zu werden. EineWeiterbildungsbefugnis des Chefarztes(z. B. für Psychosomatische Medizin undPsychotherapie) würde dann nicht ausreichen.Ein Nachteil hierbei könnte jedoch sein,dass sich einzelne Weiterbildungsordnungender Länder in unterschiedliche Richtungenentwickeln oder dass sich Interessengruppen,die stark in den Kammernvertreten sind, zu Ungunsten kleinerer Interessengruppenbei der Gestaltung derWeiterbildungsordnung durchsetzen. Diemeisten Landesheilberufsgesetze fordernjedoch, dass die Kammern eines Heilberufesihre Regelungen einvernehmlich treffensollen (vgl. § 42 HeilBerg NRW). Somitdürften starke Abweichungen von einerMusterweiterbildungsordnung auch gesetzlichproblematisch sein.Ein wesentlicher Vorteil der Weiterbildungsstrukturläge natürlich darin, dassjegliche nicht angemessen bezahlte Tätigkeitvon Psychotherapeuten in der Weiterbildungunterbunden wäre. Dies würdenicht nur die finanzielle Situation der Absolventennach dem Studium deutlich verbessern,sondern es würde auch einerEntwertung psychotherapeutischer Tätigkeitdurch Unterbezahlung den Boden entziehenund das professionelle Selbstbewusstseinder jungen Psychotherapeutenund somit langfristig auch des gesamtenBerufsstandes stärken.Durch eine Vergleichbarkeit der Länge unddes strukturellen Ablaufs mit der ärztlichenAus- und Weiterbildung und eine breitereAufstellung bei Kompetenzen und Befugnissendurch die Aus- und Weiterbildungwäre eine Grundlage gelegt für einen demFacharzt äquivalenten Status, nicht nur inder ambulanten Versorgung, sondern inallen Tätigkeitsbereichen, in denen psychotherapeutischeKompetenz eine Rollespielt.Ein wesentliches Problemfeld stellt sicherlichnoch eine angemessene Finanzierungder Weiterbildung dar, die es ermöglicht,sowohl im ambulanten als auch im stationärenBereich die geforderte angemesseneVergütung der Weiterbildungstätigkeitzu zahlen und zugleich eine ausreichendeAnzahl an Weiterbildungsstellen zu schaffen.Hier werden mit den politischen Entscheidungsträgernsehr gründlich die Detailsder Umsetzung und der finanziellenRahmenbedingungen zu diskutieren sein,damit nicht eine Weiterbildungsstrukturgeschaffen wird, die aufgrund finanziellerLimitierungen kaum umgesetzt werdenkann.LiteraturDie Literaturangaben zu diesem Artikelfinden Sie auf der Internetseite der Zeitschriftunterwww.psychotherapeutenjournal.de.Dr. phil. Walter Ströhm, PsychologischerPsychotherapeut, ist Vorsitzender des DeutschenFachverbandes für Verhaltenstherapiee. V. (DVT) und Leiter der PsychotherapeutischenAmbulanz der APV Münster.Prof. Ulrich Schweiger ist stellvertretenderDirektor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapieder Universität zu Lübeck. Erist stellvertretender Vorsitzender des DeutschenFachverbandes für Verhaltenstherapiee. V. (DVT).Korrespondenzadresse:Dr. Walter StröhmSoetenkamp 3048149 Münsterwalter@stroehm.euDr. rer. medic. Jürgen Tripp, PsychologischerPsychotherapeut, ist angestellt inder Suchtambulanz einer psychiatrischenKlinik sowie als wissenschaftlicher Referentfür den Deutschen Fachverband fürVerhaltenstherapie e. V. (DVT) tätig.268 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


„Qualität sichern“ – Fachgesellschaften fürchtenerheblichen Qualitätsverlust der AusbildungAnni Michelmann, Günter Ruggaber, Helene Timmermann, Sabine Trautmann-Voigt,Susanne Walz-Pawlita, Birgit Wiesemüller & Felix HoffmannZusammenfassung: Vertreter der Fachgesellschaften dgvt 1 , DGPT 2 , DFT 3 , VAKJP 4 , GWG 5und DGSF 6 luden am 13. Juni <strong>2013</strong> zu einer Fachtagung nach Berlin ein, um die vomBundesministerium für Gesundheit geplante Novellierung des Psychotherapeutengesetzesaus Sicht der ausbildenden Verbände zu kommentieren. Mit über 300 Teilnehmerinnenund Teilnehmern 7 war die Veranstaltung bestens besucht und ermöglichte streitbareDiskussionen mit großer Beteiligung des Publikums zur aktuellen Reformdebatte.Anlass der Tagung war die Sorge um diezukünftige Qualität der psychotherapeutischenAusbildung mit dem Ziel, aus Gründendes Patientenschutzes die Qualität derApprobation und einer fundierten psychotherapeutischenExpertise auf dem derzeithohen Niveau erhalten zu wollen.Susanne Walz-Pawlita (DGPT) und GünterRuggaber (dgvt) betonten zur Begrüßungund zur Einführung in das Thema, dassdurch eine ordnungspolitisch motivierteBevorzugung der sogenannten Direktausbildungdie plurale Verfahrensausbildungals notwendige Voraussetzung zur Approbationverloren ginge. Damit geriete auchdie Kohärenz der Ausbildung mit ihrer Einheitvon Theorie, Praxis unter Supervisionund Selbsterfahrung in Gefahr. Die Vergabeeiner Approbation vor dem Erlernen derverfahrensspezifischen Inhalte berge nebeneiner deutlichen Minderqualifizierunggegenüber der heutigen Lage zahlreicheinhaltliche und organisatorische Unwägbarkeiten,nicht zuletzt eine Erosion despsychotherapeutischen Heilberufs mit entsprechenderGefahr für die Patienten. Ausdiesem Grund favorisierten die Fachgesellschaftenderzeit das Modell einer „DualenAusbildung“.Prof. Bernhard Strauss (Universität Jena)begann mit einer Bestandsaufnahme dergegenwärtigen Diskussion seit Abgabe desForschungsgutachtens vor vier Jahren.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Trotz Veränderungen des Berufsbilds imZuge neuer gesellschaftlicher Entwicklungenzeige die Professionsforschung dieNotwendigkeit, sich über Identifizierungund Konsolidierung vertiefte Kenntnisse inden psychotherapeutischen Verfahren anzueignen.Dies wurde von Prof. Ulrike Willutzki(Universität Bochum) ergänzt: KlinischeKompetenz erfordere die Kombinationvon Wissen und Handeln im relevantenKontext, deren zentrales Merkmal die Fähigkeitzur Selbstreflexion sei. Eine Ausbildungohne Bezug zur Praxis im realen Lebensumfeldsei daher schwer zu begründen.Die Maxime „Try again, fail again, failbetter“ sei notwendig, um professionellesHandeln und Expertise unter laufender Supervisionund Reflexion zu erwerben. Inder Darstellung der jeweiligen fachlichenBedenken aus Sicht der bisher wissenschaftlichanerkannten Verfahren meldetensich die Vertreter der Fachgesellschaftenzu Wort: Georg Schäfer (AnalytischeVerfahren), Dr. Josef Könning (Verhaltenstherapie),Birgit Wiesemüller (Gesprächspsychotherapie),Reinert Hanswille (SystemischeTherapie), Dr. Sabine Trautmann-Voigt (Tiefenpsychologische Verfahren)sowie Dr. Helene Timmermann (PsychodynamischeTherapie und KJP).In großer Übereinstimmung wurde die Einheitvon Theorievermittlung, Behandlungunter Supervision und Selbsterfahrung inder bestehenden curricularen Ausbildungsstrukturgewürdigt, ohne die ein Patientenschutznicht mehr gewährleistet sei. Mehrfachwurde darauf hingewiesen, dass füreine verantwortbare Psychotherapie dievertiefte Ausbildung mit Praxis- und Verfahrensbezugeine unabdingbare Voraussetzungsei. Weder für eine sogenannte „AllgemeinePsychotherapie“ noch für störungsspezifischeAusbildungen gebees evidenzbasierte Wirksamkeitsnachweiseoder (internationale) Ausbildungserfahrungen.Daher sei auch für die Zukunft eineverfahrensbezogene Ausbildung kohärentin der Trias von Theorie, Praxis undSelbsterfahrung zu vermitteln. Eine inhaltlicheVerknüpfung der einzelnen Ausbildungsbausteinekönne nur in den staatlichanerkannten Ausbildungsstätten sinnvoll„aus einer Hand“ gewährleistet werden.Dennoch wolle man sich der Debatte nichtverschließen.Einen Ausweg sahen die Veranstalter inder Konzeption eines „Dualen Ausbildungsmodells“,das von RA Jörn Gleiniger,Justiziar der VAKJP, vorgestellt wurde. NachPsychotherapiestudium und erstemStaatsexamen nach der Universität sieht1 Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapiee. V.2 Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse,Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologiee. V.3 Deutsche Fachgesellschaft für TiefenpsychologischFundierte Psychotherapie e. V.4 Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutenin Deutschlande. V.5 Gesellschaft für Personenzentrierte Psychotherapieund Beratung e. V.6 Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie,Beratung und Familientherapie e. V.7 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werdenim Folgenden nicht immer beide Formengenannt – selbstverständlich sind Männerund Frauen immer gleichermaßen gemeint.269


„Qualität sichern“ – Fachgesellschaften fürchten erheblichen Qualitätsverlust der Ausbildungdieses Modell einen zweiten Ausbildungsabschnittmit Verfahrensvertiefung undSchwerpunkten für Kinder/Erwachsene biszur Approbation und Fachkunde an denstaatlich anerkannten Ausbildungsstättenvor. Neben der Vermeidung der „Flaschenhals-Problematik“der Bachelor/Master-Strukturen (d. h., nicht alle Studenten mitBerufswunsch Psychotherapie, die ein Bachelor-Studiumaufnehmen, können aufgrundder systematischen Verknappungder Masterstudienplätze auch sicher sein,die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildungzu erreichen) würde dieses Modellauch den Nicht-Richtlinienverfahren eineAusbildungsmöglichkeit eröffnen: Trägerstationärer Einrichtungen sollten nämlichverpflichtet werden, Kooperationen einzugehen,um die bisherigen Ausbildungsstättenbei der Wahrnehmung ihres Ausbildungsauftrageszu unterstützen (Kontrahierungszwang).Daneben sei dadurch dieRegelung der Ausbildungsambulanzennach § 117 SGB V gesichert, deren Umwidmungin Weiterbildungsambulanzen gravierendesozialrechtliche Folgewirkungen,auch auf die Ärzteschaft, hätte. Damit verwieser auf den Wunsch der veranstaltendenVerbände, die nicht ausreichend geklärtefinanzielle Situation der Psychotherapeutenin Ausbildung (PiA) v. a. im Rahmender Praktischen Tätigkeit zuverbessern, ohne aber andere Finanzgrundlagender Ausbildung, wie z. B. dieVergütung der ambulanten Ausbildungstherapien,zu riskieren.In der anschließenden Podiumsdiskussionkamen Ministerialdirigent Dr. med. VolkerGrigutsch, Leiter der Abteilung 3.1 (Berufedes Gesundheitswesens) des Bundesministeriumsfür Gesundheit (BMG), Prof.Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer,Christof Schiene,Referatsleiter des niedersächsischen Ministeriumsfür Wissenschaft und Kultus,sowie der Sprecher der BundeskonferenzPiA, Robin Siegel, unter der gelungenenTagesmoderation von Wolfgang Schreck zuWort.Dr. Grigutsch zeigte sich erstaunt, dass inder gesamten bisherigen Reformdiskussionalle Redner auf die drei Jahre postgradualerInstitutsausbildung konzentriert unddie Studieninhalte der Zugangsstudiengängebisher kein Thema seien. Dies sehe dasBMG anders. Man wünsche eine Reform,die die gesamte Ausbildungszeit im Blickhabe und eine Berufsausbildung/Approbationschaffe, die das enthalte, was der Psychotherapeutenberufwirklich benötige:Das Psychotherapeutengesetz habe 1999die bestehenden Psychotherapie-Richtlinienund die curricularen Strukturen der sog.KBV-anerkannten Weiterbildungsinstituteals Grundlage für die Gesetzesformulierunggenommen. Damals sei das bestehendeSozialrecht in Berufsrecht gegossenworden, nun wolle man diesen Zustandendlich beenden und eine auf die Aufgabender Profession zugeschnittene Ausbildungschaffen, die mit dem ersten Tag desStudiums beginne. Prof. Rainer Richternahm den Ball auf und ergänzte, dass es inder laufenden Diskussion zur Entwicklungeines Berufsbilds und daraus abzuleitenderKompetenzen auf eine breite Einbeziehungder bisherigen GrundwissenschaftenPsychologie, Pädagogik und Medizin ankomme.Allerdings sei die einseitig verhaltenstherapeutischeAusrichtung der klinischenLehrstühle im Bereich der Psychologienicht geeignet, die Breite des Facheszu repräsentieren. Auch sei zu befürchten,dass es durch die flächendeckend verhaltenstherapeutischausgerichteten Professurenfür Klinische Psychologie an deutschenUniversitäten zu einer systematischenVerarmung in Bezug auf gelehrtePsychotherapieverfahren käme. DieserStandpunkt wurde vom Vertreter des niedersächsischenWissenschaftsministeriumsgrundsätzlich mitgetragen. Auch ChristofSchiene zweifelte an der Kompetenz,dem Willen und den finanziellen Möglichkeitender Länder, innerhalb der bestehendenHochschulstrukturen eine praxisnaheund alle Psychotherapieformen abdeckendeAusbildung sicherzustellen. Für die Psychotherapeutenin Ausbildung betonteRobin Siegel, dass es – unabhängig vonden gewählten zukünftigen Ausbildungsstrukturen– zu einer deutlichen Verbesserungder finanziellen Absicherung kommenmüsse.Unter lebhafter Beteiligung des Publikumswurden diese Vorstellungen sehr kontroversdiskutiert, insbesondere die Einlassungenvon Dr. Grigutsch. Die Mehrzahlder Teilnehmer stand der Umgestaltung zueiner ausschließlich universitären Ausbildungäußerst kritisch gegenüber. Ein ausschließlichuniversitäres Modell entfernedie Aus- und Weiterbildungsteilnehmervon der in den vorherigen Vorträgen gefordertenBehandlungspraxis, die an derHochschule eben nicht erworben werdenkönne. Auch einige anwesende Ärztewandten ein, dass es angesichts der Bestrebungenim Bereich der Haus- undFachärzte, diesen ambulanten Praxisbezugwieder herzustellen, anachronistisch sei,die Ausbildung der Psychotherapeutenwieder ausschließlich an Universitäten ansiedelnzu wollen.In ihren Schlussworten wiesen die Veranstalternoch einmal darauf hin, aus Qualitätsgründendürfe eine voreilige Strukturreformnicht riskiert werden. Vor jeder Reformentscheidungmüsse rechtssicher geklärtsein, dass die bisherigen finanziellen Mittelder Ausbildung auch für die Zukunft weiterzur Verfügung stünden. In allen Vorträgenund Stellungnahmen sei die praxisnaheverfahrensorientierte Ausbildung mit einerkohärenten und in sich bezogenen Vermittlungder Ausbildungsinhalte als Kernder hohen Qualität der bisherigen Approbationbeschrieben worden. Deren Absenkungsei weder aus Gründen des Patientenschutzesnoch aus Verantwortung fürdie Auszubildenden zu begründen.Die Veranstaltung endete mit einem Dankan die Referenten und Podiumsteilnehmersowie dem Aufruf, weiter konstruktiv imGespräch zu bleiben.270 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


A. Michelmann et al.Dipl.-Psych. Günter Ruggaber ist Geschäftsführerder DGVT-Ausbildungsakademie.Er ist Mitglied der Vertreterversammlungder LandespsychotherapeutenkammerBaden-Württemberg, dortstellvertretender Vorsitzender des Ausschussesfür Aus-, Fort- und Weiterbildungund Delegierter zum Deutschen Psychotherapeutentag.Dipl. Psych. Susanne Walz-Pawlita, PsychologischePsychotherapeutin, ist Psychoanalytikerinin eigener Praxis in Gießenund stellvertretende Vorsitzende derDGPT, außerdem Vorstandsmitglied derPsychotherapeutenkammer Hessen. IhrInteressenschwerpunkt liegt auf Aus-, FortundWeiterbildungsfragen.Dr. phil. Sabine Trautmann-Voigt ist Psychologischeund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.Sie leitet dieKöln- Bonner Akademie für PsychotherapieGmbH und ist Präsidiumsmitglied der DFT.Korrespondenzadresse:Dipl.-Psych. Susanne Walz-PawlitaSaarlandstraße 2935398 Gießensusanne.walz-pawlita@gmx.de<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>271


Im Rahmen eines „Ein-Beruf-Modells“ wäreder Weiterbildungsschwerpunkt „Kinder- undJugendlichenpsychotherapie“ stark gefragtTheresa Unger & Thomas FydrichZusammenfassung: Im Rahmen der Diskussion um die Reform der Psychotherapieausbildungwerden immer wieder Befürchtungen geäußert, dass es bei der Umsetzungeines Direktstudiums „Psychotherapie“ an Psychologischen Instituten nicht mehr genügendInteressenten für den Schwerpunkt Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie gebenwerde. Um diese Hypothese empirisch zu untersuchen, wurde eine Befragungdurchgeführt, an der fast 3.000 Psychologiestudierende teilnahmen. Die Befunde zeigen,dass sich unter der aktuellen Rechtslage nur 14.0%, unter der Prämisse eines „Ein-Beruf-Modells“ hingegen 46.3% der Psychologiestudierenden für den SchwerpunktKinder- und Jugendlichenpsychotherapie entscheiden würden. Die Umfrageergebnissezeigen, dass es ein sehr großes Interesse an dem Behandlungsschwerpunkt Kinder undJugendliche bei Psychologiestudierenden gibt, und entkräften damit Befürchtungen,dass durch ein Direktstudium „Psychotherapie“ die psychotherapeutische Versorgungvon Kindern und Jugendlichen gefährdet sein könnte.HintergrundDie Gesetzesgrundlage für die Ausbildungzum/zur Psychologischen Psychothera peuten/-in(PP) und zum/zur Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten/-in (KJP)ist reformbedürftig – nicht zuletzt aufgrundder Ungleichbehandlung der KJP-Ausbildung.Die Approbation in PP qualifiziertberufsrechtlich für die psychotherapeutischeBehandlung von Patienten jeglichenAlters, während KJP „nur“ Patienten biszum 21. Lebensjahr behandeln dürfen.Über dies hinaus können PP mit relativ geringeremAufwand durch eine Weiterbildungdie sozialrechtlich relevante Zusatzqualifikationals KJP erwerben. Für KJP istdagegen der Erhalt der Behandlungs- undAbrechnungserlaubnis für Erwachsene nurdurch eine zusätzliche grundständige Ausbildungin PP möglich. Dies trägt dazu bei,dass sich lediglich ein geringer Anteil derPsychologieabsolventen für die KJP-Ausbildungentscheidet (Ruoß, Ochs, Jeschke &Peplau, 2012).Sowohl der Reformvorschlag der Bundespsychotherapeutenkammermit dem „Ein-Beruf-Modell“ als Kernstück (Bundespsychotherapeutenkammer,2010) wie auchder Vorschlag eines universitären Direktstudiumsin Psychotherapie, das mit einemStaatsexamen abschließt und auf daseine verfahrens- und altersspezifische Weiterbildungfolgt (Vorschlag zur Direktausbildungder Deutschen Gesellschaft für Psychologie;DGPs, 2012), haben das Ziel einerGleichstellung der Ausbildungen unddes Berufs des KJP mit dem des PP.Es stellt sich nun die Frage, ob unter denBedingungen der Gleichstellung der KJPmitder PP-Ausbildung im Rahmen eines„Ein-Beruf-Modells“ Psychologieabsolventenden Weiterbildungsschwerpunkt „Erwachsene“bevorzugen würden und damitdas Risiko bestände, dass zukünftig diepsychotherapeutische Versorgung von Kindernund Jugendlichen gefährdet seinkönnte, wenn der Zugang zu einer Weiterbildungüberwiegend oder sogar ausschließlichPsychologinnen und Psychologenmöglich ist.Um dieser Frage nachzugehen, haben dieFachgruppe Klinische Psychologie undPsychotherapie in der DGPs sowie der Verbunduniversitärer Ausbildungsgänge fürPsychotherapie (unith) eine Umfrage initiiert,in der Psychologiestudierende gefragtwurden, welche Ausbildung (entsprechendder aktuell geltenden Bestimmungen)bzw. welchen Altersschwerpunkt(entsprechend des vorgeschlagenen „Ein-Beruf-Modells“) sie wählen würden.MethodeDie Umfrage wurde als Online-Befragungkonzipiert und mithilfe des Programms LimeSurvey erstellt und durchgeführt. Nebender Erfassung soziodemographischerund den Studiengang betreffender Informationenwurden den Studierenden dieaktuellen gesetzlichen Regelungen sowiedie rechtliche Situation unter der Prämisseeines „Ein-Beruf-Modells“ erläutert (sieheKasten S. 273). Die Studierenden wurdendaraufhin gebeten anzugeben, für welcheder Ausbildungen (KJP oder PP) bzw. welchenAltersschwerpunkt (Erwachsene oderKinder/Jugendliche) sie sich jeweils entscheidenwürden. Die Umfrage wurdeelektronisch an die Leiterinnen und Leiterder Lehrstühle für Klinische Psychologieund Psychotherapie an Universitäten inDeutsch-land versendet mit der Bitte, dieUmfrage unter den Psychologiestudierendendes jeweiligen Institutes zu verbreiten(u. a. über Studierenden-E-Mail-Verteilersowie Hinweise in Lehrveranstaltungen).StichprobenbeschreibungEs nahmen insgesamt 3.563 Personen ander Befragung teil. 3.285 der Befragten(92.2%) waren Studierende aus 41 der272 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


T. Unger & T. FydrichAusgangslage 1: Aktuelle Ausbildungssituation und RechtslageMit einem universitären Abschluss in Psychologie (Diplom oder Kombination von Bachelorund Master) können Sie derzeit die Ausbildung für zwei Psychotherapeuten-Berufe aufnehmen: (1) Psychologische Psychotherapie und (2) Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.Psychologische Psychotherapeuten/-innen sind berechtigt, Patienten aller Altersgruppenzu behandeln. Mit den Krankenkassen in eigener Praxis abrechnen dürfen sie jedochnur die Behandlung von Erwachsenen (≥ 18 Jahre). Durch eine optionale Zusatzweiterbildungkönnen sie jedoch auch die Abrechnungserlaubnis für die Behandlungvon Kindern und Jugendlichen erwerben.Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/-innen wiederum dürfen nur die Personenbehandeln, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für diese Therapeutenist der Erhalt der Behandlungs- und Abrechnungserlaubnis für Erwachsene nurdurch eine zusätzliche grundständige Ausbildung in Psychologischer Psychotherapiemöglich.Frage 1: Unter den aktuellen Bedingungen würde ich mich für folgende Ausbildungentscheiden:• Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie• Psychologische PsychotherapieAusgangslage 2: Nach den Reformvorschlägen zum PsychotherapeutengesetzEntsprechend der Entwürfe für eine Reform des Psychotherapeutengesetzes soll esnicht mehr zwei getrennte, sondern nur noch einen Beruf „Psychotherapeut/-in“ geben,der berufsrechtlich dazu befugt, Patienten aller Altersgruppen zu behandeln. IndemSie – nach einer gemeinsamen Basisausbildung – entweder den Schwerpunkt„Erwachsene“ oder „Kinder und Jugendliche“ wählen, erhalten Sie zunächst für dengewählten Altersbereich die Abrechnungserlaubnis mit den Krankenkassen. Neu ist,dass durch eine Zusatzweiterbildung die Abrechnungserlaubnis auch für den jeweilsanderen Altersbereich erworben werden kann. Aktuell haben Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten/-innen diese Möglichkeit nicht.Frage 2: Unter den beschriebenen Bedingungen würde ich mich zunächst für folgendeSchwerpunktsetzung entscheiden:• Psychotherapeut/-in mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche• Psychotherapeut/-in mit Schwerpunkt ErwachseneErläuterung der aktuellen gesetzlichen Regelungen und der rechtlichen Situation unter derPrämisse eines „Ein-Beruf-Modells“ im Rahmen der Umfrage43 angeschriebenen psychologischen Institutemit einem Lehrstuhl in KlinischerPsychologie/Psychotherapie in Deutschland.Weitere 35 Umfrageteilnehmende(1.0%) studierten an anderen Universitätenund Hochschulen im In- und Ausland.Für 243 Teilnehmende (6.8%) lagen keineInformationen über ihren Studienortvor.2.890 der 3.563 Umfrageteilnehmenden(81.1%) erfüllten die Einschlusskriterien:1. vollständige Beantwortung der zweiFragen bezüglich der Wahl der Ausbildungbzw. des Altersschwerpunktes,<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>2. Immatrikulation in einem universitärenBachelor-, Master- oder DiplomstudiengangPsychologie (auch sog. „Bin destrich“-Bachelorund Master, z. B. B. Sc.Sensorik und kognitive Psychologie, M.Sc. Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie)an einer Universitätin Deutschland.Für 15.2% (n = 543) der Umfrageteilnehmendenlagen keine Antworten für die Fragenzur Wahl der Ausbildung bzw. des Altersschwerpunktesvor. Weitere 3.7% (n = 130)der Befragten absolvierten kein Bachelor-,Master- oder Diplomstudium in Psychologiean einer Universität in Deutschland.84.4% (n = 2.439) der 2.890 in die Auswertungeingeschlossenen Studierendenwaren weiblich, 56.9% (n = 1.645) absolvierteneinen universitären Bachelor-,27.4% (n = 793) einen Master- und15.7% (n = 452) einen DiplomstudiengangPsychologie. 59.5% (n = 1.720) gabenan, sicher das Berufsziel „Psychotherapeut/-in“zu haben, 40.5% (n =1.170) waren diesbezüglich noch unentschieden.Ergebnisse der UmfrageDie Ergebnisse der Umfrage sind in derAbbildung auf S. 274 dargestellt. Unterden aktuellen Bedingungen würden sichnur 14.0% (n = 405) der befragten Psychologiestudierendenfür eine KJP-Ausbildungentscheiden. Gänzlich anders stellensich die Interessen unter der Prämisse eines„Ein-Beruf-Modells“ dar: Dann würdefast die Hälfte, nämlich 46.3% (n = 1.337)der Befragten den Weiterbildungsschwerpunkt„Psychotherapie bei Kindern undJugendlichen“ und 53.7% (n = 1.553) denWeiterbildungsschwerpunkt „Psychotherapiebei Erwachsenen“ wählen.DiskussionDie Umfrageergebnisse weisen klar daraufhin, dass unter dem „Ein-Beruf-Modell“ einhohes Interesse von Absolventen psychologischerStudiengänge an dem Weiterbildungsschwerpunkt„Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“zu erwarten ist: Unterden veränderten Bedingungen des geplanten„Ein-Beruf-Modells“ würde sich imGegensatz zu den aktuellen Bedingungenfast die Hälfte der Psychologiestudierenden,die an dem Beruf des Psychotherapeuteninteressiert sind, für den Weiterbildungsschwerpunkt„Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“entscheiden. Dieswiderspricht Vermutungen, nach denenzukünftig die psychotherapeutische Versorgungvon Kindern und Jugendlichengefährdet sein könnte, wenn für eine Weiterbildungüberwiegend oder sogar ausschließlichStudierende mit psychologischemStudienabschluss rekrutiert werdensollten. Die Ergebnisse dieser Umfrage liefernwichtige Argumente für die Herstel-273


Weiterbildungsschwerpunkt „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ wäre stark gefragtim Wintersemester 2012/<strong>2013</strong> im Master-,Bachelor- oder Diplomstudiengang Psychologieimmatrikulierten Studierendenvor. Auf Grundlage dieser Informationenkonnte ermittelt werden, dass durchschnittlich24.1% (Range: 2.9% bis67.3%) der an den sieben Universitätenimmatrikulierten Psychologiestudierendenan der Umfrage teilnahmen. Zwar musseinschränkend darauf hingewiesen werden,dass die Teilnahmequote in einigenUniversitäten gering ausfiel, gleichwohl beruhendie Befunde auf einer großen Anzahlvon Studierenden (n = 2.890) aus 43psychologischen Instituten an Universitätenin Deutschland.LiteraturAbbildung: Prozentuale Häufigkeit der Wahl der Ausbildung entsprechend der aktuellenRechtslage bzw. des Altersschwerpunktes unter der Prämisse eines „Ein-Beruf-Modells“(N = 2890).lung eines einheitlichen fachlichen Niveaus,welches mit einem Direktstudiumder Psychotherapie für die AltersschwerpunkteKinder, Jugendliche und Erwachseneerreicht werden könnte.LimitationenFür sieben der kontaktierten Psychologieinstituteliegen Angaben über die Anzahlder zum Zeitpunkt der Online-BefragungBundespsychotherapeutenkammer (2010).Entwurf für ein Gesetz über die Reformder Psychotherapeutenausbildung(Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz– PsychThARG). Verfügbarunter: www.bptk.de/fileadmin/user_upload/Themen/Aus_Fort_und_Weiterbildung/Ausbildung/20101208_Gesetzentwurf_PsychThARG.<strong>pdf</strong>[31.07.<strong>2013</strong>]Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie(DGPs, Kommission Psychologie undPsychotherapie) (2012). ModellvorschlagDirektausbildung Psychotherapie(Version 3). Verfügbar unter: www.klinische-psychologie-psychotherapie.de/dateien/Direktausbildung_Psychotherapie_DGPs_Vers_3_2012-04-02.<strong>pdf</strong> [31.07.<strong>2013</strong>]Ruoß, M., Ochs, M., Jeschke, K. & Peplau,L. (2012). Berufssituation, Zufriedenheitund Zukunftsperspektiven von NeuapprobiertenPP/KJP. Ergebnisse einerUmfrage aus dem Jahr 2011. <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>,11 (2), 105-114.Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Thomas FydrichZPHU – Zentrum für PsychotherapieInstitut für PsychologieHumboldt-Universität zu BerlinKlosterstr. 6410179 Berlinfydrich@hu-berlin.deDr. Theresa Unger, Dipl.-Psych., arbeitetebis August <strong>2013</strong> als wissenschaftlicheReferentin beim Verbund universitärerAusbildungsgänge für Psychotherapie(unith) sowie in der Fachgruppe KlinischePsychologie und Psychotherapie der DeutschenGesellschaft für Psychologie. Siebefindet sich in der Ausbildung zur PsychologischenPsychotherapeutin mit demSchwerpunkt Verhaltenstherapie. Ihre wissenschaftlichenInteressensschwerpunkteliegen im Bereich der Versorgungsforschung.Dr. Thomas Fydrich ist Professor für Psychotherapieund Somatopsychologie ander Humboldt-Universität zu Berlin, Sprecherder Fachgruppe Klinische Psychologieund Psychotherapie der DeutschenGesellschaft für Psychologie (DGPs), Vorstandsvorsitzenderdes Verbundes universitärerAusbildungsinstitute für Psychotherapie(unith), Sprecher des Ausschusses„Wissenschaft, Forschung und Qualitätssicherung“der PsychotherapeutenkammerBerlin und Mitglied im WissenschaftlichenBeirat Psychotherapie.274 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzesvon Kindern und Jugendlichen – ein Themafür Psychotherapeuten?Jörg HermannZusammenfassung: Das am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetzpräzisiert und erweitert den staatlichen Auftrag, Kinder zu schützen und Eltern beiBedarf frühzeitig passgenaue Hilfen bei der Umsetzung ihres Erziehungsauftrages anzubieten.Dabei ist das Ziel der präventiven Maßnahmen, ebenso das kindliche Wohl zusichern wie geeignete, die kindliche Entwicklung fördernde Rahmenbedingungen zugewährleisten. Neben der Etablierung diverser darauf abzielender Programme fordertder Gesetzgeber für einen effektiven Kinderschutz verbindliche Netzwerke über dieGrenzen der Sozialversicherungssysteme hinaus. Von den Berufsgruppen, die mit Kindernund ihren Bezugspersonen in Kontakt sind, wird eine hohe Sensibilität für das Wohlder Kinder erwartet. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, eröffnet er diesen Fachgruppen,zu denen auch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zählen, einAngebot, sich beraten zu lassen, sollten sie im Rahmen ihrer Berufstätigkeit Hinweise füreine Gefährdung eines Kindes wahrgenommen oder darüber Kenntnis erhalten haben.Ausgeführt werden im Gesetz ebenso die Bedingungen, wann die Befugnis gegeben ist,trotz bestehender Schweigepflicht Informationen an das zuständige Jugendamt weiterzugeben,und wie dies unter Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter und Interessenzu handhaben ist.Am 1. Januar 2012 ist das Gesetz zur Stärkungeines aktiven Schutzes von Kindernund Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz,BKiSchG) in Kraft getreten. Schon mitEinführung des § 8a SGB VIII (8. Buch Sozialgesetzbuch– Kinder- und Jugendhilfe)im Jahr 2005 hatte der Gesetzgeber denSchutzauftrag der Jugendhilfe präzisiert.Erhebungen weisen darauf hin, dass dieZahl der von Vernachlässigung bedrohtenKinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaftstetig zunimmt. Die Anzahl der inObhut genommenen bzw. aus der Familieherausgenommenen Kinder steigt seit2005 kontinuierlich an. Bei Kindern bis zudrei Jahren hat sie sich nahezu verdoppelt(Bundesamt für Statistik, Statistiken derKinder- und Jugendhilfe 2012).Der staatliche oder gesellschaftliche Schutzeines Kindes beginnt natürlich nicht erstmit seiner Herausnahme, wenn es sonsteiner akuten oder anhaltenden Gefahr derMisshandlung oder Vernachlässigung ausgesetztwäre, sondern erheblich früher.Kinderschutz ist der eine Pol eines Kontinuums,an dessen anderen Ende sich diversePräventionsprogramme (primäreund sekundäre, siehe Kasten 1) befinden,die eine Unterstützung der Eltern bei derWahrnehmung ihres Erziehungsauftrageszum Ziel haben. Unter dem Titel „FrüheHilfen“ gibt es eine breite Palette an Interventionsansätzen,die die elterlichen Kompetenzenzur Förderung einer gesundenEntwicklung ihres Kindes erweitern sollenund Hilfen anbieten, um dafür einen geeignetenRahmen zu schaffen. Diese Angebotefinden sich inzwischen in großerVielfalt in den unterschiedlichen Regionendes Bundesgebietes. Zum Teil handelt essich um lokale zeitlich befristete Projekte,andere sind bereits dauerhaft etabliertworden. Der Einsatz von Familienhebammensoll auf Grundlage des Bundeskinder-Beispiele von Präventionsprogrammen, die sich an alle Eltern richten (primärePrävention):• Elternbriefe: Informationsschreiben für Eltern zu speziellen Themen des jeweiligenEntwicklungsalters des Kindes• Baby-Begrüßung: Zusendung eines Begrüßungsschreibens nach der Geburt des Babysmit dem Angebot eines Hausbesuchs und Übergabe von Informationsmaterialund einem GeschenkBeispiele von Präventionsprogrammen, die sich aufgrund vorhandenerBelastungen oder Risiken (z. B. Teenager-Mütter, soziale oder psychischeBelastungsfaktoren, Suchterkrankungen) an ausgewählte Eltern richten(sekundäre Prävention):• Einsatz von Familienhebammen: aufsuchende Betreuung von Eltern und Kind durchbesonders qualifizierte Hebammen bis zum vollendeten 1. Lebensjahr des Kindes• STEEP: kombiniertes Gruppen- und aufsuchendes videogestütztes Einzelangebot fürEltern mit dem Ziel der Etablierung einer sicheren Bindung bis zur Vollendung des 2.Lebensjahres des KindesKasten 1: Beispiele für primäre und sekundäre Präventionsprogramme<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>275


Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichenschutzgesetzes nun sogar bundesweit angebotenwerden.Im Sinne der Anwendungsmöglichkeit sekundärpräventiver oder weiterer Interventionsangeboteist es notwendig, frühzeitigGefährdungssituationen zu erkennen, umHilfen, da wo sie notwendig sind, zum Einsatzbringen zu können. Hier ist eine möglichstfrühe Information oder Zuweisungauch durch Multiplikatoren und Fachleuteverschiedener Professionen hilfreich. Ausdiesem Grund ist die Entwicklung und Etablierungmultiprofessioneller verbindlicherNetzwerke ein wichtiges Anliegen des Gesetzgebers.Bewegt man sich auf dem erwähnten Kontinuumder Schutzmaßnahmen ausgehendvon den primär- und sekundärpräventivenAngeboten über die freiwillige Inanspruchnahmenicht antragspflichtigeroder antragspflichtiger Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe (siehe Kasten 2) weiter,so kommt man in den Bereich der Interventionen,die durch eine gerichtlicheEntscheidung veranlasst wurden, bis hinzur Inobhutnahme oder sogar dem Entzugder elterlichen Sorge.Die Grundlage für eine nicht freiwilligeHilfsmaßnahme, die einen staatlichen Eingriffin das Elternrecht darstellt, ist danngegeben, wenn eine Misshandlung oderVernachlässigung vorliegt oder „Gefahr fürLeib und Leben des Kindes“ besteht. ImFalle einer bereits eingetretenen oder drohendenVernachlässigung, Misshandlungoder bei sexuellem Missbrauch sind diebereits angesprochenen Maßnahmen derInobhutnahme oder Herausnahme desKindes aus der gefährdenden Situationmitunter die einzige Möglichkeit, denSchutz des Kindes zu realisieren. Diesekann für die Dauer von bis zu 48 Stundendurch das Jugendamt vorgenommen werdenund bedarf danach – wenn sie fortgesetztwerden soll und ohne das Einverständnisder Sorgeberechtigten initiiertwurde – einer gerichtlichen Entscheidung.„Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunktefür die Gefährdung eines Kindesoder Jugendlichen bekannt, so hat esdas Gefährdungsrisiko (…) einzuschätzen.(…)“ So beginnt der Wortlaut des § 8aLeistungen ohne Antragspflicht:• ErziehungsberatungLeistungen, die einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung als Grundlage haben:• Soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistandschaften, sozialpädagogische Familienhilfe,Erziehung in einer Tagesgruppe, Vollzeitpflege, Heimerziehung• Ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung führt zu einem sogenannten Hilfeplanverfahren, indem zunächst eine möglichst passgenaue Hilfe ausgewählt und etabliert wird, diedann im Rahmen von Hilfeplangesprächen unter Einbeziehung der Familien und derLeistungsanbieter begleitet und auf ihre Wirkung kontrolliert wird.Kasten 2: Jugendhilfeleistungen nach § 27 SGB VIIISGB VIII, der den staatlichen Schutzauftragbei Kindeswohlgefährdung beschreibt. Dabeihandelt es sich bei einer solchen Kindeswohlgefährdungum „eine gegenwärtige,in einem solchen Maße vorhandeneGefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklungeine erhebliche Schädigung mit ziemlicherSicherheit voraussehen lässt“ (BGHFamRZ 1956, 350 = NJW 1956, 1434).Aus der Definition lassen sich drei für dieBeurteilung und daraus folgende Handlungenrelevante Aspekte ableiten:• Es ist von der Gefahr einer vorauszusehendenSchädigung die Rede (dieSchädigung muss also noch nicht eingetretensein).• Diese Schädigung muss erheblich undmit ziemlicher Sicherheit vorhersehbarsein (das staatliche Eingriffsrecht wirdbegrenzt).• Eine individuelle Bewertung hinsichtlichder Sicherheit dieser Prognose ist notwendig.Für die Einschätzung dieses Gefährdungsrisikoshat der Gesetzgeber im gleichenParagrafen die „in Fragen des Kindesschutzesinsoweit erfahrene Fachkraft“ als beratendeund prozessbegleitende, d. h. in derAbwägung einer Gefährdungssituation unterstützendeFachkraft benannt, die bislangden Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfezur Verfügung gestellt wurde.Durch das Bundeskinderschutzgesetz istdieses Angebot nun auch auf außerhalbdes Systems der Kinder- und Jugendhilfetätige Berufsgruppen, die im Kontakt mitKindern und Jugendlichen stehen, erweitertworden. Und auch, wenn man aus derArbeit mit Eltern oder Bezugspersonen vonKindern Informationen über die vorhandeneoder drohende Gefährdung des Wohlesvon Kindern erhält, besteht ein Anspruchauf Unterstützung, will man diesen Hinweisennachgehen. Der Gesetzgeberräumt diesen Berufsgruppen, zu denenauch die Psychologischen Psychotherapeuten/-therapeutinnen(PP) und KinderundJugendlichenpsycho the rapeuten/-therapeutinnen (KJP) gehören, einenRechtsanspruch auf Beratung gegenüberdem örtlichen Träger der öffentlichenJugendhilfe ein.In einer vom Verfasser im Jahr 2006 – alsovor Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes– selbst durchgeführten Erhebungder Verfahrensweise in Kinderschutzfragenkritisierten Kinderärzte und KJP,dass sie bei Anrufen im Jugendamt mit derForderung konfrontiert gewesen seien,Auskünfte über die betroffenen Personenzu machen, die Anlass für das Ersuchenum Unterstützung hinsichtlich einer Gefährdungseinschätzungwaren. So warendie Anfragenden in der misslichen Lage,noch vor Erhalt von Unterstützung zu entscheiden,ob sie die Gefahr als so gravierendbetrachten, dass eine Befugnis für dieDatenweitergabe besteht und eine Verletzungder Schweigepflicht dadurch zurechtfertigen wäre.Für diese Problematik hat der Gesetzgebernun ein Lösungsangebot bereitgestellt. DieInanspruchnahme einer „insoweit erfahrenenFachkraft“ ist kostenfrei und erfolgtanonym, also ohne die Notwendigkeit, Angabenzu den Daten der betroffenen Personenzu machen. Sie dient der Beratungund Unterstützung bei der Gefährdungs-276 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


J. Hermannabschätzung und bei Überlegungen zureigenen weiteren Handlungsweise. DieVerantwortung und Entscheidung bleibtbei der anfragenden Fachkraft (also z. B.dem/der PP/KJP) selbst.Rolle und Qualifikation der insoweit erfahrenenFachkraft sind bisher jedoch nichtabschließend und verbindlich beschrieben.Es wird einerseits auf langjährige Tätigkeitim Bereich von Kinderschutzfragenund Arbeit mit Familien abgehoben, andererseitsdie Notwendigkeit spezieller durchFortbildung zu erwerbender Expertise hingewiesen.Eine hohe Beratungskompetenzund Rollenklärung erscheinen unabdingbar.Der aktuelle Fortbildungsmarktbietet diverse z. T. curriculare Angeboteunterschiedlichen Umfangs durch verschiedeneAnbieter, die mal mit, mal ohneZertifikat abschließen, wobei allgemeingültigeBedingungen für eine Zertifizierungbislang fehlen. Es bleibt abzuwarten, obsich diese etwas unübersichtliche Situationzukünftig klären wird. Ein Beratungsangebotdurch qualifizierte Fachkräfte solltealso schon jetzt gewährleistet sein, seineverbindlich geregelte Qualität ist es wohlnoch nicht.Das durch das Bundeskinderschutzgesetzneu geschaffene Gesetz zur Kooperationund Information im Kinderschutz (KKG)regelt auch die nach dem Feststellen einergefährdenden Situation mögliche Weitergabevon Informationen an das Jugendamt.Der Gesetzgeber hat hier ein mehrstufigesVorgehen vorgesehen.1. Erörterung der Situation mit Kindern/Jugendlichen und ihren Personensorgeberechtigten,2. Hinwirken auf die freiwillige Inanspruchnahmevon Hilfen,3. Beratung durch eine „insoweit erfahreneFachkraft“ und4. Befugnis zur Weitergabe von Informationenan das Jugendamt.Dabei ist zu beachten, dass das Einbeziehendes Kindes oder der Personensorgeberechtigtennur dann erfolgen soll, wennder Schutz des Kindes oder des Jugendlichendadurch nicht infrage gestellt wird.Für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeutenergibt sich in solchen Fällen oftdie Situation, nicht nur hinsichtlich der Einschätzungder Gefährdung des betroffenenKindes eine Abwägung vorzunehmen,sondern auch eine Güterabwägung zwischender Gefährdung des betroffenenKindes einerseits und der Auswirkung aufdie therapeutische Beziehung andererseits,z. B. wenn die Patientinnen und Patientenmit einem solchen Verdacht konfrontiertwerden. Diese sicherlich komplexeund auch verfahrensspezifisch zu betrachtendeProblematik soll an dieserStelle nicht vertieft werden. Es soll aber aufdie auch für solche Konflikte oder Abwägungenbewährte Möglichkeit der Bearbeitungin der (kollegialen) Supervision hingewiesenwerden.Im Sinne des Gesetzes sind – wenn möglich– einvernehmliche Lösungen unterBeteiligung der betroffenen Personen anzustreben.Das gilt auch für den Umgangmit Informationen. Der vermeintliche „Königsweg“liegt also auch hier in der durchEntbindung von der Schweigepflicht vorgenommenenWeitergabe von Informationen.Das dient in aller Regel auch demFortbestand und der Qualität der therapeutischenBeziehung. Sollte das nichtmöglich sein, sind aber die Bedingungen,die bei einer Abwägung dieses Schrittes zuberücksichtigen sind, wenn er ohne odersogar gegen den Willen der Betroffenengegangen werden soll, klar dargelegt.Das Gesetz zur Stärkung eines aktivenSchutzes von Kindern und Jugendlichenpräzisiert die Bedingungen und Abläufeder Weitergabe von Daten, wenn ein Kindin Gefahr ist. Gleichzeitig stellt es Berufsgruppen,die mit Kindern und Jugendlichenin Kontakt stehen, ein Beratungsangebotzur Verfügung, das bei der Gefahrenabschätzungund Vorgehensweise prozessbegleitendwirken soll. Damit ist dasGesetz sowohl für KJP als auch für PP, diein eigener Praxis tätig sind, und selbstverständlichauch für angestellte Kolleginnenund Kollegen durchaus relevant. Übrigensfür einige nicht zuletzt deswegen, weil sieals Beschäftigte in der Jugendhilfe selbstdie Funktion einer „insoweit erfahrenenFachkraft“ ausüben.Weiterführende LiteraturRenner, I. & Sann, A. (Hrsg.) (2010). Forschungund Praxisentwicklung FrüherHilfen. Köln: Nationales Zentrum FrüheHilfen.Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe– AGJ (Hrsg.) (2012). SozialgesetzbuchVIII auf dem Stand desBundeskinderschutzgesetzes – Gesamttextund Begründungen. Berlin:AGJ.Kindler, H., Lillig, S., Blüml, H., Meysen, T.& Werner, A. (Hrsg.) (2006). HandbuchKindeswohlgefährdung nach § 1666BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst(ASD). München: Deutsches Jugendinstitute. V.Dipl.-Psych. Jörg Hermann, PsychologischerPsychotherapeut, ist Leiter der Beratungsstellefür Eltern, Kinder und Jugendlichedes Landkreises Wolfenbüttel, Mitgliedim Vorstand der PsychotherapeutenkammerNiedersachsen sowie des Redaktionsbeiratsdes <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>s.Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind die Beratungund Psychotherapie von Eltern mitSäuglingen und Kleinkindern, die Koordinationder „Frühen Hilfen“ sowie Beratungsangeboteals „insoweit erfahreneFachkraft“ im Kinderschutz.Dipl.-Psych. Jörg HermannBeratungsstelle für Eltern, Kinder undJugendlicheHarztorwall 2538300 Wolfenbütteljoerg.hermann@pknds.de<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>277


Aktuelles aus der ForschungSport als begleitende Maßnahme bei derPsychotherapie depressiver PatientenImplikationen für die psychotherapeutische PraxisNina SarubinDer folgende Artikel beschäftigt sich mitMediatoren und Moderatoren, welche dieWirksamkeit von Sport 1 als komplementäreTherapieform bei unipolarer Depressionerklären könnten.Depression ist eines der weltweit größtenGesundheitsprobleme: Der Einfluss vonDepressionen auf körperliche Gesundheit,subjektive Lebensqualität und das allgemeineFunktionsniveau ist immens (Princeet al., 2007). Depression wird nach Prognoseder World Health Organization(WHO) im Jahr 2030 nach HIV auf Platzzwei der belastendsten und häufigstenKrankheiten weltweit gesehen, gemessenan verlorenen Lebensjahren (disability-adjustedlife years = DALYs) (WHO, 2001).Weltweit sind ca. 121 Millionen Menschenan einer Depression erkrankt, ihre Behandlungerfolgt in der Regel mit Antidepressiva,Psychotherapie oder einer Kombinationaus beidem (Moussavi et al., 2007).Dies führt jedoch nicht immer zu dem erwünschtenBehandlungserfolg, sodass einBedarf nach alternativen bzw. ergänzendenBehandlungsoptionen, wie z. B. sporttherapeutischenAngeboten, zu bestehenscheint. Die positiven, d. h. milderndenEffekte von Sport auf die depressive Symptomatikwerden mittlerweile seit mehrerenJahrzehnten untersucht:Sport und physische Aktivität werden sowohlzur Prävention als auch zur Behandlungverschiedener psychischer Störungen,wie affektiven Erkrankungen, Essstörungen,Schizophrenie und Angststörungen,eingesetzt (Wolff et al., 2011). EpidemiologischeStudien deuten zudem darauf hin,dass Sport sowohl zu einem späteren Beginnpsychischer Erkrankungen (Goodwin,2003) als auch zu einer höheren Lebensqualitätvon psychiatrischen Patienten 2 beiträgt(Schmitz et al., 2004).Die positiven Effekte von Sport speziell aufdepressive und ängstliche Symptome wurdensowohl in Reviews (Salmon, 2000;Gauvin & Spence, 1996; Scully et al., 1998;Folkins & Sime, 1981; Byrne & Byrne, 1993;Brosse et al., 2002) als auch in zahlreichenMetaanalysen (Mead et al., 2009; Long &Vanstavel, 1995; Lawlor & Hopker 2001;North et al., 1990; Craft & Landers, 1998)belegt.Sport ist nicht nur als zusätzlicher Therapiebaustein(Augmentation) bei Depressionwirksam, sondern es zeigten sich auchfür Sport als alleinige Therapieform – imVergleich zu einer medikamentösen Behandlung– ähnlich hohe Effektstärkenbzgl. der Reduktion von depressiven Symptomen(Blumenthal et al., 2007; Mead etal., 2009; Helmich et al., 2010). Eine Metaanalysevon Mead (2009) weist zudemdarauf hin, dass Sport ähnlich effektiv wiekognitive Verhaltenstherapie gegen depressiveSymptome wirken kann.Follow-up-Untersuchungen belegen, dassPatienten, welche während des stationärenAufenthaltes in einer Psychiatrie Sportzusätzlich zu einer medikamentösen Behandlungbetrieben haben, eine geringereRückfallrate haben als Patienten, die lediglichmedikamentös behandelt wurden;dies gilt v. a. dann, wenn die sportlicheAktivität auch nach der Entlassung beibehaltenwurde (Babyak et al., 2000; Hoffmannet al., 2011).Bei physischer Aktivität sind generell zweiArten der Betätigung zu unterscheiden:aerobes Training (Ausdauersport, z. B. Walken,Joggen, Training zur Steigerung derkardialen-respiratorischen Leistungsfähigkeit)und anaerobes Training (zur Verbesserungvon Koordination, Flexibilität undAufbau der Muskulatur). Die Art der sportlichenAktivität hat Einfluss auf das Ergebnisder Depressionsbehandlung: Ausdauersportführt zu mittleren Effekten bezüglicheiner Reduktion depressiver Symptomatik(die meisten Studien liegen hierzuzu Joggen vor), während gemischte Trai-1 Zur Vereinfachung wird in diesem Artikel„Sport“ stets als Metabegriff für jegliche Artder körperlichen Aktivität verwendet.2 Zur besseren Lesbarkeit werden im folgendenText nicht durchgehend die männlichenund weiblichen Formen genannt. Soweitnicht explizit angegeben sind jedoch immerMänner und Frauen gleichermaßen gemeint.278 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


N. Sarubinningsformen – wie z. B. Ausdauer- undKrafttraining – zu höheren Effektstärkenführen (Mead et al., 2009).Diese Belege für einen Zusammenhangzwischen gemischten Trainingsformen undhohen Effektstärken können jedoch nochnicht erklären, welche settingspezifischenBedingungen hierbei wirksam werden,d. h., inwiefern sich z. B. zeitliche Dauerdes Trainings, Trainingsintervall, Einzel- vs.Gruppentraining unter kontrollierten klinischenBedingungen auf die symptomatischenVerbesserungen bei depressivenPatienten auswirken. Hierzu sind weitereStudien erforderlich.Trotz der immensen Forschungsbemühungenin den letzten Jahren sind die Mechanismender therapeutischen Wirksamkeitvon Sport als zusätzlichem Therapiebausteinweitgehend ungeklärt. Kann Sport als„neues“ Antidepressivum betrachtet werden?Welche physiologischen und psychologischenVeränderungen gehen bei depressivenPatienten mit sportlicher Aktivitäteinher? Sind Effekte der Symptomreduktionprimär durch den Sport an sich odersekundär durch den mit der sportlichenAktivität verbundenen therapeutischen/sozialen Kontakt, mit Ablenkung oder Körperbildveränderungenetc. erklärbar? Dienachfolgend berichteten Artikel geben Einblickin den aktuellen Forschungsstand zudiesen interessanten Fragen.Sport und Depression – wie hängt das zusammen?Mead, G. E., Morley, W., Campbell, P.,Greig, C. A., McMurdo, M. & Lawlor, D. A.(2009). Exercise for depression (Review).Cochrane Database of Systematic Reviews2009, Issue 3. Art. No.: CD004366.DOI: 10.1002/ 14651858.CD004366.pub4. Seiten: 1-49.Die Autoren dieses Reviews haben sichzum Ziel gesetzt, mittels Analyse der DatenbankenMedline, Embase, Sports Discus,PsycINFO, Cochrane Controlled TrialsRegister und Cochrane Database of SystematicReviews die Wirksamkeit von Sportbei depressiven Erkrankungen genauer zuuntersuchen. Eingeschlossen wurdenschließlich 28 randomisierte und kontrollierteStudien mit depressiven Patienten(ausgeschlossen waren Patientinnen mitpostpartaler Depression) ab einem Altervon 18 Jahren, die irgendeiner Form vonsportlicher Aktivität nachgingen (jeweilsdefiniert gemäß den Autoren der klinischenStudien) – unabhängig davon, obim Studiendesign die Sportinterventionmit keiner Behandlung/Warteliste/Placebooder mit irgendeiner anderen Form der Intervention(Pharmakotherapie, Psychotherapieoder andere Interventionsformen)verglichen wurde.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Einführend erläutern die Autoren die Notwendigkeitdieses Reviews: Gängige Depressionsbehandlungenwie Medikationoder Psychotherapie könnten nicht immeralle Symptome heilen. Zudem führe jedeIntervention neben den erwünschten positivenEffekten auch zu unerwünschten Nebenwirkungen,z. B. könnten Antidepressivazu den bereits bekannten physiologischenNebenwirkungen führen, währendPsychotherapie oftmals wegen einer vonden Patienten wahrgenommenen Stigmatisierungnicht in Anspruch genommenwürde. Die Anwendung alternativer Therapieformenwie Sport könnte auch als Ausdruckder Unzufriedenheit eines Patientenmit konventionellen Therapieformen interpretiertwerden. Depression sei zudem miteinem niedrigen Level an physischer Aktivitätassoziiert, wobei die Kausalität diesesZusammenhangs nicht ganz klar zu seinscheine. Alle bisherigen Metaanalysendeuteten jedoch darauf hin, dass Sport beiDepression einen Nutzen habe. Leider seiendie bisherigen Metaanalysen jedochzum Teil methodisch zu bemängeln (z. B.gepoolte Datensätze, unkontrollierte Studien).Zur Analyse der 28 eingeschlossenen Studienentschieden sich die Autoren für zweiAuswertungsrichtungen: der Einfluss vonSport auf die depressive Symptomatik imVergleich zu keiner Intervention und derEinfluss von Sport auf Depression im Vergleichzu einer anderen Intervention (z. B.Medikation oder Psychotherapie). Diemeisten Studien (21) beinhalteten alsSportinterventionen aerobes Training (z. B.Jogging).Als Ergebnis des Reviews fassen die Autorenzusammen, dass Sport zu großen Effektenbzgl. der Reduktion depressiverSymptome im Vergleich zu keiner Behandlung(oder einer Placebobehandlung)führt. Die Effektstärken schrumpften allerdingsbedenklich auf ein z. T. nicht mehrsignifikantes Niveau, wenn in der statistischenAnalyse strengere Einschlusskriterienfür die Studien (z. B. nur verblindeteOutcome-Messungen) gewählt wurden.Die höchsten Effektstärken erreichtendann sogenannte „gemischte“ Interventionen,bei denen die depressiven Patientensowohl Kraft- als auch Ausdauertrainingseinheitenerhielten.Im Vergleich Sport vs. bereits etablierte Behandlungsangebote(wie etwa Psychotherapieoder antidepressive Medikation), ergabensich keine signifikanten Unterschiedebzgl. der Reduktion depressiver Symptome.Langzeitstudien deuten darauf hin,dass die günstigen stimmungsaufhellendenEffekte von Sport bei depressiven Patientensukzessive nach Abschluss derSportintervention verloren gehen. Dies impliziert,dass nur langfristiges Training einegute Prognose bzgl. Response und Rückfallprophylaxebieten kann.Die Autoren schlussfolgern, dass Sport beiPatienten mit unipolarer Depression empfohlenwerden kann. Präzise Antworten aufdie offenen Fragen – etwa nach der optimalenzeitlichen Dauer der Ausübung vonSport, nach der effektivsten Art des Sports,der optimalen Frequenz oder des Settings(drinnen oder draußen, mit Trainer oderohne etc.) – konnten aus dem Review jedochnicht abgeleitet werden.Kommentar: Studien, die Outcome-Variablen(z. B. HAMD, BDI etc.) direkt nach dersportlichen Intervention erfassen, wurdennicht im Review genannt. Dies ist bedauerlich,da Sport durchaus als spezielle Formder (akuten) Emotionsregulation betrach-279


Aktuelles aus der Forschungtet werden könnte und gerade Untersuchungenmit mehreren Messzeitpunkten(direkt nach der Intervention, einige Stundenspäter sowie am Tag darauf und imweiteren Verlauf bis zur Genesung) einenwichtigen Beitrag zum Verständnis dieserThematik leisten könnten.Das vorliegende Review wurde im Rahmender Möglichkeiten der bis dato publiziertenStudien methodisch sehr gutdurchgeführt und enthält einige wichtigeImplikationen für die psychotherapeutischePraxis: So könnten in der Psychotherapievon Patienten mit Depression dasfrühere und aktuelle körperliche Aktivitätsniveauim Sinne eines ressourcenorientiertenAnsatzes analysiert und mittelsmotivierender Gesprächsführung die aktuellekörperliche Betätigung schrittweiseerhöht werden. Dies gilt auch für Patienten,die nicht primär unter Antriebslosigkeitleiden, denn Sport könnte, wie vonden Autoren als möglicher Wirkmechanismuserwähnt, u. a. auch dadurch wirksamsein, dass die körperliche Aktivität von negativenGedanken ablenkt und die Patientenihre Selbstwirksamkeit stärken können,indem sie den Sport als neuen „Skill“erlernen. Somit können sportliche Maßnahmenauch dabei helfen, der kognitivenAufrechterhaltung der Depression entgegenzuwirken.Was verändert Sport bei depressiven Patienten?Daley, A. (2008). Exercise and Depression:A Review of reviews. Journal of ClinicalPsychology in Medical Settings, 15 (2),140-147.Die Autorin stellt in diesem Artikel mehrereReviews und Metaanalysen vor, welche dieWirksamkeit von Sport in der Behandlungvon depressiven Symptomen v. a. in Kombinationmit anderen bereits etabliertenInterventionsformen gut belegen. Im Folgendensoll lediglich auf Studien, die einenVergleich zu konventionellen Behandlungsmethodenherstellen, sowie auf Hypothesenzu den Wirkmechanismen vonSport näher eingegangen werden.Zusammenfassend scheinen die meistenStudien laut Daley keine signifikanten Wirksamkeitsunterschiedezwischen Sport undantidepressiver Medikation bei unipolarerDepression zu finden. Eine Metaanalysedeute darauf hin, dass Sport ähnlich effektivwie kognitive Verhaltenstherapie seinkönnte. Diese Ergebnisse seien hoch praxisrelevant,da sicherlich einige Patientensportliche Betätigung einer Medikamenteneinnahmevorziehen würden. Zudemsei der Zugang zu psychotherapeutischenInterventionen u. a. aufgrund der hohenPrävalenzen oftmals limitiert. Antidepressivahätten bekanntlich eine Wirklatenz vonmehreren Wochen, während Sport (zumindestpotenziell) direkt die Stimmungbeeinflussen könne. Darüber hinaus gäbees oftmals trotz antidepressiver Medikationpersistierende Symptome wie Müdigkeitund kognitive Funktionseinbußen, welchesportliche Betätigung nachgewiesenermaßenreduzieren könne.Die Ergänzung einer herkömmlichen Depressionsbehandlungmit sportlichen Angebotensei für die Patienten jedoch oftmalsnicht nachvollziehbar, weshalb Patientenüber Wirkmechanismen aufgeklärtwerden sollten. Auch Daley weist daraufhin, dass trotz großer Forschungsbemühungenin den letzten 16 Jahren die zugrundeliegenden Prozesse der Wirksamkeitnoch nicht eindeutig geklärt werdenkonnten. Es existieren jedoch bereits einigeHypothesen, die von der Autorin vorgestelltwerden. Hierbei seien sowohl physiologische/biochemischeErklärungen alsauch psychologische Mechanismen zudiskutieren.Studien deuteten darauf hin, dass die Plasmakonzentrationvon Endorphinen nachsportlicher Betätigung erhöht ist. Ob – undwenn ja, wie – dies in Zusammenhang miteiner stimmungsaufhellenden Wirkungsteht, bleibt jedoch bislang offen. ErhöhteWerte von Dopamin, Serotonin und Noradrenalinnach Sport konnten bislang nichtam Menschen, sondern nur an Rattennachgewiesen werden.Psychologisch betrachtet könnte Sport alsAuszeit von täglichen Sorgen und depressivenGedanken betrachtet werden. Darüberhinaus führe Sport zu einer Erhöhungder wahrgenommenen Selbstwirksamkeitund des Selbstvertrauens, wobei dieseFaktoren wiederum mit Stimmungsverbesserungeinhergehen könnten. DepressivePatienten litten oftmals unter dem Gefühldes Kontrollverlustes, sodass Sport hier einwichtiger Baustein auf dem Weg zurück zumehr Selbstbestimmung bzw. internalenKontrollüberzeugung sein könnte. Die Autorinbetrachtet Sport diesbezüglich alsForm der Verhaltensaktivierung, die einewichtige und typische Komponente in einereffektiven Psychotherapie darstelle.Die Autorin geht auch auf mögliche Problemeund Implikationen für die Praxis ein:Damit Sport eine effektive Intervention beiDepression sein könne, müssten die Patientenviel Energie, Einsatz und Ausdaueraufbringen. Dies scheint gerade bei depressivenPatienten, deren Krankheitsbildsich u. a. durch Schwierigkeiten in der Bewältigungvon alltäglichen Aufgaben auszeichnet,nicht leicht umsetzbar. Ein speziellesManual scheint es bislang nicht zugeben. Dies könnte ein Grund für die relativhohen Drop-out-Raten (ca. 20%) inUntersuchungen mit Sportinterventionenbei psychischen Erkrankungen darstellen.Aktuelle Studien deuten jedoch darauf hin,dass bereits zehnminütige Einheiten sportlicherAktivität pro Tag zu gesundheitlichenVerbesserungen beitragen können, sodassauch und gerade Depressive nicht demDruck ausgesetzt werden sollten, gleich zuBeginn einer Therapie lange Trainingsintervalledurchhalten zu müssen. Eine langsameDosissteigerung wäre hier durchausangemessen. Gerade bei Frauen mit postpartalerDepression könnten zudem dieerforderliche Kinderbetreuung und dasStillen die Möglichkeiten sportlicher Aktivitätdeutlich einschränken.Kommentar: Das Review von Daley untermauertdie Ergebnisse anderer Autoren zubiochemischen Veränderungen, die zumTeil noch weiterführende Ansätze diskutie-280 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


N. Sarubinren: Mehrere Studien und Reviews belegen,dass Sport das Immunsystem beeinflusst(Woods et al., 2012) und das Immunsystemwiederum einen Einfluss aufdepressive Symptome haben kann (Helmichet al., 2010): So wird z. B. währendder sportlichen Betätigung Interleukin-6(IL-6) 3 ausgeschüttet (Pedersen et al.,2000) und epidemiologische Daten sprechenfür eine Korrelation zwischen physischerInaktivität und einer Entzündungsneigungbei gesunden Menschen (Abramson& Vaccarino 2002; Fallon, 2001; Geffkenet al., 2001). Vor allem scheint Sportbei älteren Patienten (< 60 Jahre) entzündungshemmendeEffekte zu haben(Woods et al., 2009; Franceschi, 2007;Taaffe et al., 2000; Geffken et al., 2001).Physische Aktivität führt darüber hinaus zuVeränderungen der Monoamine (Neurotransmitter)und Endorphine, reduziertCortisol, stimuliert das Wachstum neuerNervenzellen und induziert die Freisetzungvon Proteinen und Peptiden, die für dieGesundheit und das Wachstum von Zellenmit verantwortlich sind (Helmich et al.,2010).Die Art und die Dosierung des Trainingsscheinen hierbei eine wichtige Rolle zuspielen: Akutes Kräftigungstraining führt zuentzündungsfördernden Effekten, währenddie exakte Dosierung für entzündungshemmendeEffekte noch nicht geklärtzu sein scheint; die aktuelle Datenbasisdeutet darauf hin, dass moderatesAusdauertraining wahrscheinlicher zu positiven,antidepressiven Effekten und entzündungshemmendenEffekten führenkönnte (Helmich et al., 2010).Neben der Klärung möglicher biochemischerVeränderungen steht die Frage imRaum, ob sich die depressionsreduzierenden,stimmungsaufhellenden Effekte vonSport durch die Zunahme körperlicher Fitnesserklären lassen. Wäre dies der Fall,wären bei allen Studien, die einen relativlangen Trainingszeitraum (mehrere Wochen)oder einen sehr intensiven Trainingsplan(mind. dreimal pro Woche) beinhalten,größere Effektstärken, vermitteltdurch mehr Muskelzuwachs und Ausdauer,zu erwarten. Dies ist jedoch nicht derFall (Mead et al., 2009).Darüber hinaus könnte auch der sozialeKontakt, entweder zum Trainer oder beiGruppentraining auch zu den anderen Teilnehmern,eine Wirkvariable sein, die sichwiederum in physiologischen Maßen wieVeränderungen in der Konzentration vonMonoaminen (Neurotransmitter) und Endorphinenniederschlägt (Helmich et al.,2010), sodass soziale Einflussvariablenstets kontrolliert werden sollten. Auch positiveVeränderungen im Körperbild (subjektivoder objektiv) könnten ein potenziellerModerator – möglicherweise auch inKombination mit positivem Feedback vonDritten – sein.Untersuchungen an Tieren führten zu folgendenErkenntnissen: Mäuse, die in experimentellenDesigns „Sport“ betreiben,zeigen eine erhöhte Copingfähigkeit inpsychischen und physischen Stresssituationen.Die gesteigerten Stresscopingfähigkeitensind hierbei vermutlich auf eine adaptivereHypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achsenaktivitätzurückzuführen(Droste et al., 2003, 2006, 2007).Dies zeigt sich sowohl in Form einer verbessertenSchlafqualität und wenigerängstlichem Verhalten als auch im EEG-Profil – jeweils im Vergleich zur Kontrollgruppemit inaktiven Mäusen (Lancel et al.,2003; Binder et al., 2004). Die bisherigenErkenntnisse aus präklinischen Studien zuSport bzgl. der molekularbiologischen neuroprotektivenund antidepressiven Wirkmechanismenführen u. a. dazu, dass an„pharmakomimetischen“ Medikamenten geforschtwird. Das sind Medikamente, die –auch ohne Sport – auf molekularbiologischerEbene ähnliche Effekte wie körperlicheAktivität erzielen sollen (siehe Stranahanet al., 2009). Ob diese dann aberauch ohne die beschriebenen psychologischenWirkmechanismen zu positiven Ergebnissenbei der Depressionsbehandlungführen können, bleibt abzuwarten.AusblickSport als zusätzliche Interventionsform beider Behandlung von Depression führt zuzahlreichen biochemischen und psychologischenEffekten, die zu einer positivenPrognose beitragen können. KörperlicheAktivität sollte daher als Baustein in dertherapeutischen Arbeit mit depressiven Patientenzumindest in Erwägung gezogenwerden. Es existieren bereits einige regionaleSportgruppen, die in Form von SelbsthilfeUnterstützung geben können. DasZusammenwirken von sozialer Unterstützungund anderen, bereits oben beschriebenenEffekten von Sport wäre in diesemKontext durchaus wünschenswert. Sportim Rahmen einer Depressionbehandlungkönnte zudem u. a. die Flexibilität kognitiverund physischer Handlungen und dasmentale „Entkatastrophisieren“ von vermeintlichenFehlern fördern und somit zueinem veränderten Umgang mit Belastungenin diversen Lebenskontexten beitragen(Weigelt et al., <strong>2013</strong>).Das Institut für klinische Exzellenz in Großbritannien(The National Institut for ClinicalExcellence, NICE) empfiehlt in seinenRichtlinien zur Behandlung der Depressiondreimal wöchentlich stattfindende strukturierte,beaufsichtigte sportliche Aktivitätenmit einer Dauer von 45 bis 60 Minuten(NICE, 2007). Für einen schwer depressivenPatienten würde diese Anforderungallerdings vermutlich eine immense Herausforderungdarstellen, deren Nichtbewältigungzu weiterer Frustration führenkönnte. Der behandelnde Psychotherapeutsollte diesbezügliche Entscheidungenauf die Persönlichkeitsstruktur des Patientenabstimmen: Gerade Patienten mit narzisstischenTendenzen könnten sich hierschnell aufgrund einer zu hohen Leistungsmotivationselbst überfordern undbei mangelnder Zielerreichung weitereSelbstwerteinbußen erleiden. Ein Zielkönnte es in diesem Fall sein, die Wahrnehmungdes Patienten nicht auf das „Er-3 Interleukine (IL-x) sind Peptidhormone, d. h.körpereigene Botenstoffe der Zellen des Immunsystems,die die Entzündungsreaktiondes Organismus regulieren.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>281


Aktuelles aus der Forschunggebnis“ (z. B. bessere Zeit, längere Strecke,besser als andere Läufer etc.), sondernauf mögliche positive Emotionenbzw. die Reduktion negativer Emotionenwährend oder nach dem Sport zu lenken.Auch die Sportart sollte der Persönlichkeitdes Patienten angemessen gewählt werden:Ein selbstunsicherer Patient wäre vermutlichmit einer Gruppensportart besserberaten als mit einer Individualsportart, daer – als sekundären Effekt – dadurch auchseine sozialen Kompetenzen verbessernkönnte.Die bereits oben angesprochenen Schwierigkeitender Integration von Sport in einelaufende Psychotherapie sind bedeutendfür zukünftige Forschungsarbeiten. Bislangsind keine speziellen Programme zur Förderungder Motivation im Kontext psychischerErkrankungen und Sport verfügbar.Die neben den stimmungsaufhellendenEffekten durchaus erwünschten körperlichen„Nebenwirkungen“ sportlicher Aktivität(Gewichtsreduktion, Muskel- und Knochendichteaufbau,Reduktion von Bluthochdrucketc.) stehen anderen Behandlungsformenwie Psychotherapie nicht imWege und könnten ggf. sogar eine medikamentöseTherapie ersetzen bzw. eine Dosisreduktionunterstützen. Die Drop-out-Raten bei Sportstudien sind zudem ähnlichhoch wie jene in Studien zu Antidepressiva,das heißt, Motivation undNebenwirkungen der verschiedenen Interventionsformentreten zwar in unterschiedlicherForm auf, scheinen jedoch einenähnlich starken Einfluss auf die Fortführungder jeweiligen Intervention zu haben.Weiterführende Studien in Form kontrollierter,randomisierter Designs könntensich (wie oben z. T. bereits angedeutet)u. a. auf folgende Themen beziehen: Inwiefernbeeinflusst das durch Sport möglicherweisepositiv veränderte Körperbildeines Patienten die Erfolge in der Depressionstherapie?Unterscheidet sich die antidepressiveWirkung von Individualsportartenim Vergleich zu Gruppensportarten?Welche Faktoren beeinflussen – nebensozialem Kontakt/Austausch – den Krankheitsverlaufbei depressiven Patienten, dieSport betreiben? Führt Sport in der Therapiedepressiver Patienten zu einer früherenGenesung? Welche „Dosierung“ an Sportwäre optimal? Gerade hinsichtlich der letztenFrage ist zu bedenken, dass es auchdepressive Patienten gibt, bei denen dieDepression durch ein Übermaß an Aktivitätgekennzeichnet ist. Im Sinne eines Verhaltensexzesseskönnte übermäßige sportlicheAktivität psychische Probleme auch„verdecken“. In solchen Fällen ist die Steigerungder Frequenz oder Intensität sportlicherAktivitäten nicht indiziert.Sport könnte als „Zusatzbaustein“ in derTherapie auch mit dem Ziel der verbessertenSelbstfürsorge eingebettet werden. Jenach individueller Zielsetzung des Patientenund in Rücksprache mit dem behandelndenPsychotherapeuten sollte individuellentschieden werden, ob und an welcherStelle der Einbezug von Sport sinnvollsein könnte, um den Therapieerfolg zumaximieren: (Psycho)Therapeuten in denUSA bieten bereits Sprechstunden aufdem Laufband an. Dies mag zunächst seltsamklingen, stellt jedoch einen möglichenAnsatz dar, Depressionstherapie und Bewegungdirekt miteinander zu verknüpfen.Für Forschung und Praxis bleibt zu hoffen,dass theoretisch fundierte, evaluierte undintegrative Interventionsprogramme hierzuin den nächsten Jahren entstehen werden.LiteraturDie Literaturangaben zu diesem Artikelfinden Sie auf der Internetseite der Zeitschriftunterwww.psychotherapeutenjournal.de.Dr. Nina Sarubin, Dipl.-Psych., PsychologischePsychotherapeutin, ist seit 2012wissenschaftliche Referentin der PTK Bayern.Dr. Dipl.-Psych. Nina SarubinBayerische Landeskammer der PsychologischenPsychotherapeuten und derKinder- und JugendlichenpsychotherapeutenSt.-Paul-Str. 980336 Münchensarubin@ptk-bayern.de282 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


NachrufFacilitator einer menschlichen Haltung –zum Tod von Reinhard TauschFriedemann Schulz von Thun1Reinhard Tausch war einer der Großen inder deutschsprachigen klinischen Psychologieder Nachkriegsjahre. Man darf einwenig stolz sein, bei ihm studiert und promoviertzu haben. Er hat schon sehr frühzwei große und überaus folgenreiche Leistungenerbracht:GesprächspsychotherapieZum einen hat er die Gesprächstherapie(GT) von Carl Rogers in Deutschland bekanntund zu einem bedeutenden empirischenForschungsfeld gemacht, sodass voneiner wissenschaftlich fundierten GT dieRede sein darf. Er war Mitbegründer der Gesellschaftfür wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie(GwG). Carl Rogers warsein Leitstern am Himmel nicht nur der Psychotherapie,sondern des heilsamen mitmenschlichenUmgangs überhaupt. Ihmwar er seit 1973 auch persönlich eng verbunden,und C. Rogers erhielt durch ihn dieEhrendoktorwürde am Fachbereich Psychologieder Universität Hamburg.Zum anderen hat Tausch ganz nebenbeidie Psychotherapie in Deutschland für diePsychologie, für die Psychologinnen undPsychologen, reklamiert – mit Erfolg undgegen erhebliche berufsständische Widerstände.Und durch ihn erst wurde einTeil der Humanistischen Psychologie andeutschen Universitäten hoffähig – mitihren existenziellen Themen, die nicht soleicht quantitativer Statistik oder gar strengenExperimenten zugänglich waren undfür die auch forschungsmethodisch neuequalitative Wege gefunden werden mussten.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Aufbruchstimmung inHamburg: LernzielPartnerschaftEr hat damit Anfang der 1970er-Jahre derUniversitäts-Psychologie ein neues Gesichtgegeben und ihr einen gewissen Aufbruchs-und Pioniergeist eingehaucht:Wer, wenn nicht wir Psychologinnen undPsychologen, war dazu aufgerufen, die Gesellschaftzum Guten hin zu verändern!?Wer, wenn nicht wir, konnte dazu beitragen,die mitmenschlichen Beziehungenaus dem obrigkeitsstaatlichen Modus zubefreien und das Erlernen einer Partnerschaftlichkeitzu initiieren!? Das Autoritäresteckte noch in den Knochen (in der Seele)– und Partnerschaftlichkeit wollte erstnoch als neue menschliche Errungenschaftidentifiziert und befördert werden.Das war damals ein aufregender Befund,den er zusammen mit Anne Marie Tauschin ihrer Erziehungspsychologie veröffentlichte:In Elternhäusern, Kindergärten,Schulen und Ausbildungseinrichtungenbenahmen sich die Eltern, Lehrer und Vorgesetztenmehrheitlich immer noch sehrautoritär: von oben herab, geringschätzend,gängelnd, bevormundend und vielfachentmutigend.Tausch hat das herausgearbeitet, heutewürde man sagen „skandalisiert“, und erhat zu der Erkenntnis beigetragen, dass diedamals junge Demokratie nicht nur inBonn stattfinden darf, sondern auch inFleisch und Blut übergehen muss im alltäglichenMiteinander. Autoritäres Machtgebarenschafft ängstliche DuckmäuserProf. Dr. Reinhard Tausch* 6. November 1921 † 8. August <strong>2013</strong>oder trotzige Rebellen, aber keine demokratiefähigen,mündigen Bürgerinnen undBürger.Dass wir, seine Schülerinnen und Schüler,damals als Missionare einer nondirektivenPädagogik etwas naiv und mit der Arroganzeines psychologischen Gutmenschen aufgetretensind, das steht auf einem anderenBlatt und sollten wir dem Meister nichtanlasten. Aber er war uns ein ganz großerErmutiger und gab uns ein wunderbaresPsychologen-Selbstbewusstsein. Und daswar von unschätzbarem Wert.Soweit der Befund, soweit der Skandal,aber er setzte uns auch die gute Nachrichtin die Welt: Da lässt sich etwas machen,ein Segen, dass es Psychologinnen undPsychologen gibt! Die können nämlich,1 Auszug aus der Trauerrede vom 16. August<strong>2013</strong>.283


Nachruf/Leserbriefnicht in erster Linie durch wissenschaftlicheAufklärung und Belehrung, sondernvor allem durch Selbsterfahrung und Training,hier eine menschliche Transformationbefördern! Und so fühlten wir uns alsPioniere der neuen Zeit. Bei ihm sollten wirnicht nur kluge Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler sein (das zwar immerauch), sondern auch und vor allem „Facilitatoren“einer menschlichen Haltung.Würdigungeiner LebensleistungDass das Humane uns nicht gegeben,sondern aufgegeben ist, das ist die Botschaftseines Lebens. Und so sehr Tauschauch polarisierte, polemisierte und sichmit allerlei Widersachern „gerne“ anlegte,so wurde doch seine Lebensleistung eindeutigauch außerhalb der Universitätwahrgenommen und gewürdigt: vom BerufsverbandDeutscher Psychologinnenund Psychologen (BDP) erhielt er die Hugo-Münsterberg-Medaillefür angewandtePsychologie und vor zehn Jahren das Bundesverdienstkreuz,als einziger jemals inunserem Kollegium.Wissenschaft undMenschlichkeitDass es sowohl in der Psychotherapie alsauch in der Pädagogik um die Qualitätmenschlicher Beziehungen – auf Augenhöheund von Herz zu Herz – geht, und dassdie menschliche Haltung wichtiger ist alskluge Theorien, raffinierte Diagnostik undprofessionelles Gehabe, dass Psychologe-Sein auch und nicht zuletzt eine menschlicheHerausforderung enthält, die der Entwicklungbedarf – als Tausch anfing, dies zubetonen, war das für manche durchausbefremdlich. „Wertschätzung“ zum Beispielwurde naserümpfend als altbacken empfunden– fehlte nur noch „Wärme“… Undrichtig, diesen Begriff verwendete Tauschauch. Und dies in einer Zeit, zu der manEhrgeiz hatte, die Freundlichkeit zwischenMensch und Mensch als etwas anzusehen,das dazu dient, den wahren Interessenantagonismuszu verschleiern. Ja, die Linkenhatten ihn auch auf dem Kieker, da er diemenschliche Misere nicht als dem Systeminhärent sehen wollte, sondern im Menschenselbst.Er hatte jene unbeirrbare Eigensinnigkeitund Eigenwilligkeit, die es braucht, um seineeigene Sichtweise, seinen Teil derWahrheit zu behaupten und durchzukämpfen.Und Letztlich hat Tausch in vielemRecht behalten: Begriffe wie „Empathie“,„Authentizität“ und „Respekt“ haben in unseremheutigen gesellschaftlichen Bewusstseineinen ganz hohen Stellenwerterlangt, und nicht zuletzt der Begriff „Wertschätzung“hat eine erstaunliche Karrieregemacht.Der Mensch, der Lehrer,der FreundFür mich als Student und Doktorand wardie Begegnung mit dem Menschen ReinhardTausch mindestens so eindrucksvollwie die Begegnung mit seiner Lehre.Es war erstaunlich und fast überwältigend,wie man als Student von ihm willkommengeheißen wurde. Als sich der „Tausch-Zweig“ den neuen Vordiplomanden vorstellte,habe ich gefragt, ob sie auch Forschungenzur programmierten Unterweisungmachen würden, ich wollte damit dasDenktraining im Schach verbessern. Einpaar Tage später begegnete ich dem großenOrdinarius Reinhard Tausch zufälligauf der Treppe des „Philosophenturms“ –er sprach mich an und bat mich, demnächstin seine Sprechstunde zu kommen(„Könnte der Kommilitone mich einmalkontakten?“). Nanu!? Ich wurde dortfreundlich an der Tür empfangen und gebeten,Platz zu nehmen. Nein, über programmierteUnterweisung würden sienicht forschen, aber ein Herr Langer hätteein interessantes Projekt zur Verständlichkeitvon Texten und Tausch erläuterte mir,welche beiden Dimensionen bislang sichtbargeworden waren. War das seine Art,auf den Einzelnen zuzugehen und ihn dortabzuholen, wo er innerlich stand? Das warja fantastisch und kaum zu glauben.Reinhard Tausch war für mich im bestenSinne des Wortes „sozialintegrativ“ – undimmer erstaunlich gemeinschaftsstiftend–, obwohl (oder weil) er doch in seinemtiefsten Herzen „ein einsamer Trapper“ war(wie er einmal sagte).LeserbriefR. Plassmann: „Prozessorientierte Psychotherapie“, <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2013</strong>Eine hochpotente Psychotherapieaufbauen …Zunächst stutzte ich über die Bezeichnung„Prozessorientierte Psychotherapie“, weilich die „prozessorientierte“ Vorgehensweiseals ein Markenzeichen der HumanistischenPsychotherapie, speziell als das derGestalttherapie kenne, quasi als ihr traditionellerTerminus technicus. Es machtemich neugierig zu lesen, was heutzutageein Psychoanalytiker dazu ausführt.Es hat mich gefreut, die mir sehr vertrautenBemühungen um einen modellhaftenEinklang im Verständnis von psychologisch-psychotherapeutischenVorgängenmit Ergebnissen der Neurobiologie, neuererEntwicklungslehre, Informationsverar-284 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Leserbriefbeitung, Konstruktivismus und Selbstorganisation(mit „der Fähigkeit und Eigenart,permanent Ordnungsmuster zu bilden,die für die Aufgaben dieses komplexenSystems, also für die Lebenssteuerung,nützlich sind“) wieder zu begegnen. Beisolchen Formulierungen fühle ich mich anden Neurologen und GestaltpsychologenKurt Goldstein erinnert („Der Aufbau desOrganismus“, 1934), entfernter auch anden gestaltpsychologisch orientierten PsychiaterKlaus Conrad („Die beginnendeSchizophrenie. Versuch einer Gestaltanalysedes Wahns“, 1958), um bewusst früheQuellen zu zitieren.Weiterhin hat mich das Bemühen um eineachtsame, Körpersignal sensible Beziehungsgestaltungpositiv berührt, die die Regulationsbedürfnisseund die jeweilige eigenrhythmische„Selbstdefinition“ im Hierund-Jetztnicht nur respektiert, sondern fürteils unterschwellig heilsame Begegnungsmomenteund für den Beziehungsaufbaunutzt. Das kann ich nur bestätigen (speziellauch aus meiner früheren, jahrelangen Arbeitmit psychosenahen Menschen). –Dass für die Psychotherapie die Frage nachdem „Wie“ bedeutsamer ist als nach dem„Was“, gehört zum Credo der Gestalttherapie.Ausgesprochen vertraut ist mir natürlichauch der Aufruf des Autors, die Aufmerksamkeitauf das „Jetzt“ zu richten, nicht aufdas Damals. „Der Transformationsprozessfindet im Jetzt der Therapiestunde stattoder er findet nicht statt.“ Ja, so ist es. Unddann kommt noch der Hinweis auf den fürden Heilungsprozess oft bedeutsamerenbzw. vorrangigeren Kontakt zu den Ressourcenals zu dem Problemfeld. Genau. (Dasgehörte bereits 1962 zu den Gründungsforderungender Humanistischen Psychologie,die damit zur damaligen Verhaltenstherapieund Psychoanalyse eine Gegenposition einnahmen.)– Schließlich wird vom Autor alsPsychotherapeutenfunktion die Befähigungdes Patienten zur Selbstregulation verstanden.Nochmals ja.Schön zu lesen ist die Wertschätzung derTraumatherapie mit ihrer bejahendenGrundhaltung. Vermutlich weiß der Autornicht, dass sie eine Frucht der HumanistischenPsychotherapie ist, speziell dieWeiterentwicklung der gestalttherapeutischenKrisenintervention, Eye MovementDesensitization and Reprocessing (EMDR)ausgenommen. Den Rest hat sich FrancineShapiro aus der Workshop-Szene der1980er-Jahre geholt (was sie selbst in ihremBuch „EMDR in Aktion“, 1998, schildert),eine Szene, die damals fast völliggestalttherapeutisch dominiert war.Wenn ich einige Begriffe übersetzen würde,z. B. Muster in Gestalt, Transformationin Wandlung (und Neubeginn), wenn ichIns-Stocken-Kommen als inneren und/oder äußeren Kontaktabbruch verstehenwürde, dann könnte man fast glauben, derArtikel sei aus der Feder eines Gestalttherapeutengeflossen.Das „fast“ bezieht sich direkt auf den Prozessverlauf.Wenn er ins Stocken kommt,wenn also ein Gegenimpuls auftaucht(egal welcher Art), wie öfters im Artikelerwähnt, dann geht es in der Gestalttherapieerst nochmals richtig auf die Kernproblematikzu: Wir machen gemeinsamin einer Art sokratischem Dialog eine Mikroanalyseder Situation. Die Aufmerksamkeitfokussiert das Phänomen des Stockensund es braucht zunächst einenWahrnehmungs-abgleich und eine Rückfragevom Psychotherapeuten an den Patienten,wie er sich gerade erlebt, wie erdas, was gerade fast unterschwellig passiert,fassen oder sogar benennen könnte.Manchmal gelingt das durch Wiederholenoder Verstärken des Vorgangs etwasbesser. Die Wahrnehmung des Psychotherapeutenfungiert lediglich alsHinweisschild, die Bedeutungszuweisunggibt der Patient aus dem assoziativen Hintergrundseiner subjektiven Welt. WennKonsens über den unterbrechenden Impulsbesteht, wird der Patient gebeten,sich mit diesem Impuls zu identifizierenund sich vorzustellen, dass er in irgendeinerVariante zu irgendeiner Zeit sinnvollwar oder es noch ist. Er personifiziert ihndadurch, achtet auf Gefühl und Motivationsowie auf ein mögliches Gegenüber,wodurch szenisches Erinnern erleichtertwird. Es kann sein, dass wir in die Spiegelungeiner gegenwärtigen, nicht eingestandenenKonfliktsituation geraten, eskann auch sein, dass wir assoziativ in einbiografisch bedeutsames Problemfeldkommen, Übertragungsproblematik eingeschlossen.Der Prozess folgt der Assoziationskettedes Patienten, führt zur dialogischenAuseinandersetzung der Teilaspekte,die sich dabei verwandeln, undendet in einem neuen, inneren Ordnungsmuster.– Soweit in aller Kürze. Diephänomenologisch-prozessorientierteVorgehensweise der Gestalttherapie istseit den 1940/50er-Jahren ausgearbeitetund verfeinert worden.Wenn die Berufspolitik nicht im Wegestünde, könnte man sich, meiner Meinungnach, gut verständigen und eine allgemeinhochpotente Psychotherapie aufbauen.Immerhin liegen die Effektstärken der Gestalttherapieaktuell bei 1.12 bis 1.42 ES(Brownell, <strong>2013</strong>/2014; Elliott, Greenberget al. in Lambert, <strong>2013</strong>), die der HumanistischenPsychotherapie im Durchschnittsowie der Verhaltenstherapie punktgleichbei 0.93 ES (Brownell, <strong>2013</strong>/2014), dieder deutschen Richtlinien-Verfahren alsMix bei 0.87 ES (QS-PSY-BAY-Pilotstudie<strong>2013</strong>, s. Internet), die der psychodynamischenGruppe (Tiefenpsychologie/Psychoanalyse)vermutlich um oder unter 0.80ES.(…)Dipl. Psych., Dr. med.Lotte Hartmann-Kottek, KasselLiebe Leserinnen und Leser,die Redaktion begrüßt es sehr, wenn sich Leserinnen und Leser in Briefen zu den Themen der Zeitschrift äußern; sie macht aber zugleichdarauf aufmerksam, dass sie sich vor allem angesichts der erfreulich zunehmenden Zahl von Zuschriften das Recht vorbehält,eine Auswahl zu treffen oder gegebenenfalls Briefe auch zu kürzen. Als Leserinnen und Leser der Briefe beachten Sie bitte, dass diesedie Meinung des Absenders und nicht unbedingt die der Redaktion wiedergeben.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>285


BundespsychotherapeutenkammerMitteilungen derBundespsychotherapeutenkammerBPtK erreicht Verbesserung der Versorgung – Regelung zu Mindestquoten angepasstDer Gesetzgeber ermöglicht ab 1. Januar2014 dringend notwendige Zulassungen,indem er in der Bedarfsplanung die Regelungzum Mindestversorgungsanteil fürÄrzte in Höhe von 25 Prozent modifiziert.Alte MindestquotenregelungunhaltbarUrsprünglich sollte die Mindestquote fürÄrzte Ende <strong>2013</strong> auslaufen. Doch seit Anfang<strong>2013</strong> plante das Bundesministeriumfür Gesundheit (BMG), die Mindestquotezu verlängern. Das hätte gravierende Auswirkungenfür die psychotherapeutischeVersorgung gehabt: Denn von den ab Mitte<strong>2013</strong> geplanten 1.300 zusätzlichen Sitzenhätten mindestens 200 auf Dauernicht besetzt werden können, weil dieMindestquotenregelung sie für psychotherapeutischtätige Ärzte, die sich in ländlichenRegionen meist gar nicht niederlassenwollen, reserviert hätte. In vielen Planungsbereichenwären die Mehrzahl dereigentlich auf dem Land neu geplantenSitze damit nicht besetzt worden. Abbildung1 (nächste Seite) zeigt die davon amstärksten betroffenen ländlichen Planungsbereiche.Hinzu kommen mindestens weitere70 blockierte Sitze in Gegenden, indenen Mitte <strong>2013</strong> keine neuen Sitze ausgewiesenwerden, aber teilweise seit 1998Praxissitze unbesetzt blieben, weil sie fürÄrzte reserviert wurden.Besonders gravierendeAuswirkungen im OstenBesonders hart wäre Ostdeutschland betroffengewesen. In Sachsen-Anhalt hättevon 64 freien psychotherapeutischen Praxissitzenkein einziger besetzt werden können.In Sachsen wären von 76 freien Praxissitzenvermutlich 95 Prozent blockiert,in Thüringen von 57 freien Praxissitzenknapp 90 Prozent (siehe Abbildung 2,nächste Seite).BPtK erreicht Aufhebung derBlockade in letzter MinuteDie Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)konnte eine Anpassung der Mindestquotenregelungim Gesetzgebungsverfahrenerreichen, sodass die ansonsten blockiertenSitze nun doch ab 2014 besetzt werdenkönnen. Dafür hat sich die BPtK mitzahlreichen Stellungnahmen und eigenenBerechnungen stark gemacht. Der Vorstandsondierte außerdem in einer Vielzahlvon Gesprächen vor allem mit Gesundheitspolitikernverschiedene Lösungswege,bei denen auch die berufspolitischenInteressen der psychotherapeutisch tätigenÄrzte gewahrt bleiben. Dabei war dasDringend Psychotherapeuten gesucht:www.hilfeportal-missbrauch.deThema Mindestquote komplex und schwerzu vermitteln. Obwohl es für die psychotherapeutischeVersorgung immens wichtigist, bleibt es in der gesundheitspolitischenDebatte insgesamt eher einRandthema. Letztlich beschloss der Ausschussfür Gesundheit jedoch eine tragfähigeLösung. Einen Tag danach sollte derBundestag das Gesetz in zweiter und dritterLesung beschließen. Im Bundestagscheiterte eine Abstimmung am spätenAbend wegen Beschlussunfähigkeit, dasweitere Verfahren war zunächst ungewiss.Die Abstimmung konnte dann aber amnächsten Tag doch noch durchgeführt werdenund am 5. Juli <strong>2013</strong> ließ auch der Bundesratden Gesetzentwurf passieren. Damitist der Weg frei für die Niederlassungvon über 200 zusätzlichen Psychotherapeutenvorrangig im ländlichen Raum.Opfer sexuellen Missbrauchs finden unter der neuen Internetadresse www.hilfeportalmissbrauch.deder Bundesregierung erste Beratung und Hilfe. Vertragspsychotherapeutensowie Psychotherapeuten in Privatpraxen können sich dort mit ihren Kontaktdatenin eine deutschlandweite Adressdatenbank aufnehmen lassen. Für diese werden dringendPsychotherapeuten gesucht.Für die Registrierung in der Psychotherapeutendatenbank benutzen Sie bitte folgendeLinks:• Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten:www.datenerfassung.hilfeportal-missbrauch.de• Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Privatpraxen:www.datenerfassung-bptk.hilfeportal-missbrauch.deDer Eintrag ist kostenfrei. Bei Rückfragen zur Datenerfassung senden Sie bitte eineE-Mail an die Geschäftsstelle des Unabhängigen Beauftragten: datenerfassung@ubskm.bund.de. Weitere Informationen finden Sie unter: www.beauftragter-missbrauch.de.Das neue Hilfeportal ist eine Internetseite des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierungfür Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig. Siebietet Opfern sexueller Gewalt, ihren Angehörigen und Fachkräften Informationen zuBeratung, Hilfen und Fragen der Prävention.286 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Abbildung 1: Für Ärzte reservierte und nicht besetzbare Praxissitze in den ländlichen Regionen in <strong>2013</strong>Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Planungsblätter der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012Mitteilungen der BundespsychotherapeutenkammerBundespsychotherapeutenkammerKreis/Kreisregion KV Bundesland für Ärzte reservierte und nichtbesetzbare PraxissitzePirmasens, Stadt/Zweibrücken,Stadt/SüdwestpfalzAnteil an den neu geplantenPsychotherapeutensitzenRheinland-Pfalz 2,5 100 %Gotha Thüringen 4,5 82 %Sonneberg Thüringen 2,5 63 %Altenburger Land Thüringen 3 60 %Greiz Thüringen 3,5 58 %Grafschaft Bentheim Niedersachsen 4 57 %Eifelkreis (Bitburg-Prüm) Rheinland-Pfalz 3 55 %Altmarkkreis Salzwedel Sachsen-Anhalt 4 47 %Tuttlingen Baden-Württemberg 3,5 47 %Holzminden Niedersachsen 2,5 45 %So werden Sitze blockiertWie aber kommt es zu dieser Blockade?Die sogenannte Bedarfsplanung teiltDeutschland in unterschiedliche Planungsbereicheauf, die in der Regel den Landkreisenund kreisfreien Städten entsprechen.Für jeden Planungsbereich wird eineZahl von Zulassungen für Psychotherapeutenfestgelegt. Wird diese Zahl um zehnProzent oder mehr überschritten, so giltder Planungsbereich als gesperrt, d. h.,weitere Zulassungen werden grundsätzlichnicht mehr erteilt.Eine Mindestquote von 25 Prozent für Ärztebedeutet, dass ein Viertel der in einemPlanungsbereich festgelegten Gesamtzahlan Psychotherapeutensitzen für psychotherapeutischtätige Ärzte vorgesehen ist.Bis zum 31. Dezember <strong>2013</strong> sieht die gesetzlicheRegelung vor, dass alle sich ausder Mindestquote ergebenden Sitze alsbesetzt mitgezählt werden – auch dann,wenn sich gar kein Arzt niedergelassen hat,der Sitz also unbesetzt bleibt, mit anderenWorten blockiert ist. In der Vergangenheitgab es insbesondere auf dem Land eineVielzahl von Planungsbereichen, in denensich weniger psychotherapeutische Ärzteniederließen, als die Mindestquote für Ärztevorsieht. Das hatte unter Versorgungsgesichtspunktenhöchst problematischeKonsequenzen.Ein Beispiel: Ist in einem Planungsbereicheine Zahl von 20 Psychotherapeuten festgelegt,so kann sich dort niemand mehrniederlassen, sobald 22 Psychotherapeutentätig sind (20 plus zehn Prozent davon,s. o.). Gibt es keinen psychotherapeutischtätigen Arzt, so ist der Planungsbereich jedochbereits gesperrt, wenn 17 Zulassungenerteilt sind. Denn die fünf im Rahmendes Mindestversorgungsanteils von 25Prozent vorgesehenen Zulassungen fürpsychotherapeutisch tätige Ärzte werdenfiktiv zu den real existierenden 17 Zulassungenhinzugezählt, was eine Gesamtzahlvon 22 ergibt. Ab 22 Zulassungenwird der Planungsbereich im Beispiel gesperrt.Statt eigentlich 22 Zulassungen gibtes nur 17. Auch wenn es durchaus Psychotherapeutengibt, die dort gerne arbeitenwürden, dürfen sie es aber nicht, weil dieMindestquote für Ärzte ihre Zulassung bisherverhindert hat. Die Folge ist eine Verschärfungder ohnehin schon bestehendenUnterversorgung.Diesem Unsinn hat der Gesetzgeber jetztein Ende gemacht: Ab dem 1. Januar 2014zählen nicht besetzte Sitze nicht mehr fiktivals besetzt mit. Der Gemeinsame Bundesausschuss(G-BA) muss jetzt in einemnächsten Schritt noch die Bedarfsplanungs-Richtliniean die neue Rechtslageanpassen. Die gesetzliche Regelung isteindeutig und überlässt der Selbstverwal-Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Planungsblätter der Kassenärztlichen Vereinigungen,2012<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>287


BundespsychotherapeutenkammerMitteilungen der Bundespsychotherapeutenkammertung keinen Spielraum, rechtmäßig eineUmsetzung zu verzögern.In unserem Beispiel ist der Planungsbereichalso zukünftig erst gesperrt, wenndort tatsächlich 22 Psychotherapeuten arbeiten.Ab dem 1. Januar 2014 dürften sichdann noch fünf Psychotherapeuten niederlassen.Sind 22 Psychotherapeuten tätigund es gibt wider Erwarten psychotherapeutischtätige Ärzte, die sich dort niederlassenwollen, ist dies auch in Zukunftmöglich, da die Mindestquote weiterhingilt.KJ-Quote verbessert weiterhindie VersorgungDer Mindestversorgungsanteil für Leistungserbringer,die ausschließlich Kinderund Jugendliche psychotherapeutisch behandeln,dient nicht wie die Ärztequotedem Schutz einer bestimmten Berufsgruppe,sondern stellt die Versorgung einer bestimmtenPatientengruppe sicher. Alle Berufsgruppenkönnen die Quote für sich inAnspruch nehmen, wenn sie ausschließlichKinder und Jugendliche psychotherapeutischbehandeln: Ärzte, Psychologische Psychotherapeutenund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.Sie ist damit versorgungsbezogenund ihre Verlängerungaus Versorgungsgründen ein Erfolg. Die sichaus dem Mindestversorgungsanteil ergebendenZulassungsmöglichkeiten sind – imGegensatz zur berufsgruppenbezogenenÄrztequote – auch wahrgenommen wordenund die Versorgung von Kindern undJugendlichen wurde erheblich verbessert.Mit der Verlängerung der Quote, für derenEinführung und jetzige Verlängerung sichdie BPtK massiv eingesetzt hat, kann dieseVerbesserung dauerhaft gesichert werden.Gute Praxis psychotherapeutische Versorgung: Traumafokussierte Therapiebei Posttraumatischen BelastungsstörungenWie die Behandlung der PosttraumatischenBelastungsstörung (PTBS) nach aktuellemStand des medizinischen Wissensgestaltet und in der Versorgung umgesetztwerden sollte, war das Thema einer BPtK-Veranstaltung am 5. Juni <strong>2013</strong> aus der Reihe„Gute Praxis psychotherapeutische Versorgung“.In seiner Begrüßung wies Dr.Dietrich Munz, Vizepräsident der BPtK, daraufhin, dass das Leid von traumatisiertenPatienten von der Gesellschaft viele Jahrzehntenicht oder nur unzureichend anerkanntwurde. Notwendige Behandlungsangebotewürden den Patienten zum Teilnoch heute nicht in der erforderlichen Weisezugänglich gemacht.Psychotherapie ist die vorrangigeBehandlungsmethodeIn ihrem Vortrag zur S3-Leitlinie „PosttraumatischeBelastungsstörungen“ betonte Prof.Dr. Christine Knaevelsrud (Freie UniversitätBerlin), dass die Konzeptualisierung der DiagnosePTBS als relativ neues Störungsbildnoch immer gravierende Veränderungen erfahre.So werde zurzeit für die ICD-11 dieEinführung der neuen Diagnose „KomplexePTBS“ diskutiert, worunter PTBS-Krankheitsbildermit spezifischen Zusatzsymptomengefasst werden, die sich infolge lang andauernderbzw. wiederholter, schwerwiegenderTraumatisierung, wie z. B. sexueller Kindesmissbrauch,entwickelt haben.Prof. Dr. Christine KnaevelsrudBei den Therapieempfehlungen der aktuellenS3-Leitlinie habe jedoch die Diagnose„PTBS“ nach ICD-10 im Fokus gestanden.Hinsichtlich der Behandlung der PTBSempfiehlt die Leitlinie, dass jedem Patienteneine traumaadaptierte Psychotherapieangeboten werden soll. Psychopharmakotherapiesoll dagegen nicht als alleinigeTherapie der PTBS eingesetzt werden. DieDiskussion zur Rolle der Stabilisierungsphasein der Traumabehandlung bei komplexerPTBS sei in der Leitliniengruppesehr kontrovers geführt worden. Erste Therapiestudienbei dieser Patientengruppehätten allerdings zeigen können, dassauch bei der komplexen PTBS eine Traumakonfrontationfür eine Besserung erforderlichist, auch wenn dieser in vielen Fälleneine intensivere Vorbereitung vorangehenmüsse.Zweiphasige stationäreBehandlung bei komplexerTraumatisierungSabine Drebes, Psychotherapeutin imEvangelischen Krankenhaus Bielefeld,stellte in ihrem Beitrag das Konzept derstationären Behandlung von Traumafolgestörungen,insbesondere bei Patientinnenmit multipler Gewalterfahrung bzw. komplexerPTBS vor. Viele der behandelten Patientinnenlitten u. a. unter einer ausgeprägtendissoziativen Symptomatik, diespezifisch adressiert werden müsse. DieBehandlung orientiere sich an der PsychodynamischImaginativen Traumatherapie(PITT) nach Reddemann, die ein phasenorientiertesVorgehen aus Stabilisierung,Traumakonfrontation und Integration vorsehe.Sabine Drebes288 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Insbesondere aufgrund begrenzter Kostenübernahmewürden derzeit jedoch nuretwa 30 Prozent der Patientinnen währendder stationären Behandlung auch diePhase der traumafokussierten Behandlungdurchlaufen. In der Konsequenz käme eszu teilweise vorab geplanten stationärenIntervallbehandlungen, in denen die Behandlungsphaseder Traumakonfrontationzu einem späteren Zeitpunkt nachgeholtwerde. Die Wiederaufnahmerate liege zurzeitbei circa 30 bis 40 Prozent.Traumafokussiertes Arbeiten inder ambulanten VersorgungDr. Anne Boos, niedergelassene Psychotherapeutin,betonte in ihrem Vortrag, dassletztlich alle evidenzbasierten Psychotherapiemethodenkonfrontative Behandlungselementebeinhalten würden und eine Integrationder traumafokussierten Methodenin die Psychotherapieverfahren erkennbarsei. In der ambulanten Versorgungkönnten zwei Untergruppen von traumatisiertenPatienten mit PTBS unterschiedenwerden:• Patienten mit „einfacher“ Traumatisierungund eingeschränkter Komorbidität,die i. d. R. im Rahmen einer Kurzzeittherapietraumafokussiert behandeltwerden könnten,• Patienten mit mehrfachen, schwerenund frühen (meist sexuellen) Traumatisierungenund erheblicher psychischerKomorbidität.Mitteilungen der BundespsychotherapeutenkammerDr. Anne BoosHier sei auch im ambulanten Bereich einZwei-Phasen-Modell sinnvoll. Jedoch solltedie Traumabehandlung frühzeitig zur Behandlungsoptiongemacht werden, in demVerständnis, dass Stabilisierung die Voraussetzung,aber nicht die Therapie der PTBSsei. Die zweiphasige Behandlung erfolgeidealerweise aus einer Hand, auch um dasVerschieben der als schwierig erlebtenKonfrontationsbehandlung in ein anderesSetting oder auf einen späteren Zeitpunktzu verhindern.BundespsychotherapeutenkammerPsychotherapie in Europa: The De-medicalising of primary mental health careAm 30. und 31. Mai <strong>2013</strong> kamen in Limerickrund 180 Fachleute unterschiedlicher Disziplinen,Gesundheitspolitiker und Stakeholderzur Europakonferenz „The De-medicalisationof primary mental health care“ zusammen.Sie erörterten die politischen, sozialen undwissenschaftlichen Herausforderungen einesbesseren Zugangs zur Psychotherapie.Die Tagung wurde von der Universität Limerickin Zusammenarbeit mit dem von derBPtK mitinitiierten „Network for PsychotherapeuticCare in Europe“ (NPCE) ausgerichtet.In ihrer Eröffnungsrede betonte Nessa Childers,EU-Abgeordnete und Schirmherrinder Veranstaltung, die Bedeutung des Themas.Abgesehen von den offensichtlichenVorteilen für den Einzelnen, werde eine gutepsychische Gesundheit immer wichtigerfür wirtschaftliches Wachstum und die sozialeEntwicklung in Europa. Dies seien zentraleZiele der Europäischen Union. Anschließendgaben Vorträge, Podiumsdiskussionenund Fragerunden Einblicke in die Unterschiedlichkeitder nationalen Versorgungsstrukturenund neuen Versorgungsansätze.Dr. Declan Aherne, Psychotherapeut an derUniversität Limerick, stellte zum Stellenwertvon Psychotherapie fest, dass diese für diemeisten psychischen Erkrankungen die geeignetsteBehandlung sei und bereits in der<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Primärversorgung ohne zusätzliche Kostenverfügbar gemacht werden könnte. Dennocherhielten in Irland 90 Prozent aller Patientenmit einer depressiven Erkrankungeine pharmakologische Behandlung. Dagegenwürde nur 70 Prozent der Patienteneine Psychotherapie empfohlen. Dabeiwürden die Gesamtkosten für eine psychotherapeutischePrimärversorgung nach seinenBerechnungen 20 Prozent niedrigersein als die Ausgaben für Antidepressiva.Die Versorgungssituation in Deutschland erläuterteBPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter.In Deutschland gebe es gute Voraussetzungenfür die psychotherapeutische Primärversorgung.Die Psychotherapeuten seienhochqualifiziert, Patienten hätten Anspruchauf einen direkten Zugang zu Psychotherapeutenund Psychotherapie sei inzwischenein gut etablierter Bestandteil des Gesundheitswesens.Dennoch sei das Potenzial vonPsychotherapie in der Gesundheitsversorgungnoch lange nicht ausgeschöpft. Insbesonderefehle es in den Strukturen des Gesundheitswesensan Kooperation und Koordinationbei der Versorgung psychisch krankerMenschen. Die Hausärzte müsstenbesser qualifiziert werden, um den Bedarf füreine psychotherapeutische Behandlungrechtzeitig zu erkennen, und sie müsstenkünftig viel enger mit den Psychotherapeutenzusammenarbeiten. Bei der Versorgungvon Patienten mit komplexem Behandlungsbedarfmüsse darüber hinaus eine sektorenübergreifendeund interdisziplinäre Behandlungrealisiert werden können.Beispiele guter Praxis aus unterschiedlichenLändern Europas, die von freiem Zugang zuKurzzeitpsychotherapie in den Niederlandenbis hin zu aufsuchenden psychotherapeutischenHilfen in Schottland reichten,zeigten, dass psychische Erkrankungenganz Europa vor vergleichbare Herausforderungenstellen. Sie verdeutlichten zugleich,dass es nicht nur den Bedarf, sondern auchdie Möglichkeit zur Verbesserung der Versorgunggibt. Die Teilnehmer der Konferenzunterstrichen vor diesem Hintergrund denWillen zur verstärkten Zusammenarbeit undregten ein Projekt der EU-Kommission zurVerbesserung des Zugangs zur psychotherapeutischenVersorgung an. Das in denkommenden Jahren laufende EU-RahmenforschungsprogrammHORIZON biete dieMöglichkeit dazu. Ausführlichere Informationenfinden Sie unter: www.npce.eu.GeschäftsstelleKlosterstraße 6410179 BerlinTel. 030 278785-0Fax 030 278785-44info@bptk.de www.bptk.de289


Baden-WürttembergMitteilungen der LandespsychotherapeutenkammerBaden-WürttembergLiebe Kolleginnen und Kollegen,wie schon im letzten <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>und in unserem Rundschreibenangekündigt finden vom 17. Oktoberbis 23. November die Wahlen zur neuen,vierten Vertreterversammlung der Kammerstatt. Bitte beteiligen Sie sich ander Wahl.Die Wahlzeit beginnt mit Aussendung derWahlunterlagen. Die Aussendung wirdspätestens am 17. Oktober <strong>2013</strong> erfolgen.Bis spätestens 18. November (Endeder Wahl) muss Ihr Stimmbrief in der Geschäftsstelleder Kammer eingegangenoder bei der Post aufgegeben wordensein. Das Ergebnis der Wahl wird Ihnenspätestens zwei Wochen nach Auszählungder Wahl in einem gesondertenRundschreiben und auf der Homepageder Kammer mitgeteilt werden. Der neueKammervorstand wird dann in der konstituierendenSitzung der VertreterversammlungAnfang Februar 2014 gewähltwerden.mentiert. Gespräche mit Kolleginnen undKollegen und Diskussionen bei Veranstaltungenvon Verbänden ließen deutlichwerden, dass hier viele Fragen und Unsicherheiten,die schon während des Gesetzgebungsverfahrensaufgetaucht waren,weiter bestehen. Vor allem die neuengesetzlichen Regelungen zur Akteneinsichtund zur Aufklärung der Patientinnen undPatienten zu Beginn der Behandlung rufenerhebliche Unsicherheit bei vielen Kolleginnenund Kollegen hervor. Die Vertreterversammlungwird sich mit dem Gesetzausführlicher befassen müssen, denn dieBerufsordnung der Kammer muss an einigenStellen präzisiert oder geändert werden,um den neuen gesetzlichen Erfordernissengerecht werden zu können. Wir beabsichtigen,weitere Informationen aufunserer Homepage zu veröffentlichen sowiehierzu Informationsveranstaltungendurchzuführen, um die aufgekommenenFragen zusammen mit Interessierten zudiskutieren. Wir werden Sie im nächsten<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> ausführlicher informieren.Das Patientenrechtegesetz, das Ende Februardieses Jahres in Kraft getreten ist,haben wir auf der Homepage ausführlichdargestellt (www.lpk-bw.de/archiv/news<strong>2013</strong>/<strong>pdf</strong>/130327_lpk-info_patientenrechtegesetz_<strong>2013</strong>.<strong>pdf</strong>)und kurz kommöglichkeitenfür approbierte PP undKJP nicht adäquat Berücksichtigung finden.In einem Gespräch mit dem Vorsitzendender Geschäftsführung der DeutschenRentenversicherung Baden-Württemberg,Hubert Seiter, haben wir dieseFrage erörtert und vereinbart, in einemweiteren Gespräch gemeinsam Lösungsansätzefür die Rehabilitationseinrichtungenzu erarbeiten. Deutlich wurde, dassdiese nicht kurzfristig erreichbar sein werden.Einigkeit bestand hierbei, dass deraufkommende Mangel an FachärztenÜberlegungen fördert, welche Aufgabeninnerhalb von Rehabilitationseinrichtungenvon PP und KJP übernommen werdenkönnten, um eine gute Patientenversorgungsicherzustellen. Diese müssendann, so unsere Forderung, auch entsprechendvergütet werden.In der Hoffnung, dass Sie nach einer erholsamenSommerpause einen guten Wiedereinstiegin den Berufsalltag gefundenhaben, verbleiben wir mit vielen GrüßenIhr Kammervorstand,Dietrich Munz, Martin Klett,Kristiane Göpel, Birgitt Lackus-Reitter,Roland StraubLandespsychotherapeutentag „Arbeit und psychische Gesundheit“Mit über 300 Teilnehmern war der diesjährigeLandespsychotherapeutentag zum Thema„Arbeit und psychische Gesundheit“ imFestsaal des Stuttgarter Hotels Le Méridienausgesprochen gut besucht. KammerpräsidentDr. Dietrich Munz begrüßte die Teilnehmerund Gäste und wies einführend aufdie Bedeutung des Themas hin. Er hob hervor,dass die Zahl der Krankschreibungenaufgrund psychischer Erkrankungen nachden Berichten verschiedener Krankenkassenstark zunehme und sich seit dem Jahr 2000mehr als verdoppelt habe. Jährlich würdenca. 5% der GK-Versicherten wegen psychischerErkrankung vorübergehend arbeitsunfähig,d. h. krankgeschrieben. Die Dauer derArbeitsunfähigkeit sei im Vergleich zu anderenErkrankungen sehr hoch (durchschnitt-Von angestellten Kolleginnen und Kollegenwird immer wieder an uns herangetragen,dass in vielen stationären Einrichtungensowohl die Vergütung als auch Aufstiegslich30 Tage) und auch die psychisch bedingtenFrühberentungen hätten sich in denletzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Dergesamtgesellschaftliche Schaden sei immens,der Produktionsausfall wegen psychischerErkrankungen belaufe sich auf jährlichknapp fünf Milliarden Euro, ganz abgesehenvon der Einschränkung der Lebensqualitätder betroffenen Menschen.290 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Baden-WürttembergDarum forderte Dr. Munz: „Psychische Erkrankungenmüssen genauso ernst genommenwerden wie körperliche Erkrankungen“.Es müsse darauf hingewirkt werden,dass künftig besondere psychischeBelastungssituationen in allen Arbeitsbereichenidentifiziert und abgebaut werdenkönnen. Untersuchungen zeigten, dassMaßnahmen zur Beurteilung der Gefährdungdurch psychische Belastungen undentsprechende Präventionsmaßnahmenwirksam seien. Bedauerlich sei allerdings,dass es viele Arbeitgeber gebe, die nochkeine Maßnahmen in ihren Firmen eingeführthätten. Hier bestehe dringlicherHandlungsbedarf.Kammerpräsident Dr. Dietrich MunzU. a. auch aus diesen Gründen engagieresich die Landespsychotherapeutenkammerz. B. im Rahmen der Erarbeitung derGesundheitsstrategie Baden-Württembergbzw. den hierzu eingesetzten Arbeitsgruppenmit dem Ziel, das Thema psychischeErkrankungen bzw. psychische Gesundheiteinzubringen. Sowohl auf Landes- als auchauf Bundesebene müsse kontinuierlich daraufaufmerksam gemacht werden, dasspsychische Gesundheit in Gesundheitsprogrammenebenso Beachtung findetwie körperliches Wohlbefinden. Auch deswegenappellierte Dr. Munz an die Kammermitglieder,sich in Gremien und Arbeitsgruppen,z. B. in den regionalen Gesundheitskonferenzenzeitlich und fachlicheinzubringen. „Wir müssen regional undüberregional deutlich machen, dass diepsychotherapeutische Versorgung für dievielen Menschen mit psychischen Erkrankungennicht ausreichend ist“, so Dr. Munz.In Vertretung der Ministerin Katrin Altpeterging Ministerialdirigent Gerhard Segmiller,Leiter der Abteilung 4, Arbeit im Sozialministerium,auf die Bedeutung ein, diedas Tagungsthema auch für die Gesund-Ministerialdirigent Gerhard Segmillerheitsstrategie Baden-Württemberg hat. Innerhalbder Gesundheitsstrategie werdeGesundheit als wesentlicher Standortfaktorfür die Wettbewerbsfähigkeit des Landesangesehen; hier spiele vor allem auchdie psychische Gesundheit eine wichtigeRolle. Gerhard Segmiller leitet innerhalbder Gesundheitsstrategie die ProjektgruppeBetriebliches Gesundheitsmanagement,deren Bericht in Kürze vorgelegtwerden wird und an dem auch die Landespsychotherapeutenkammerengagiert mitgewirkthat. Ein Schwerpunkt des Berichtsfokussiere, so Segmiller, psychische Erkrankungenam Arbeitsplatz und zeige Wegeauf, wie sowohl Betriebe als auch Arbeitnehmerhier besser präventiv wirkenkönnen. Nicht zuletzt sei es wichtig, denBetrieben bzw. den Führungskräften zuvermitteln, dass sich Investitionen in diesemBereich vor allem mittel- und langfristiglohnen, der sogenannte Return on Investmenthoch sei.Dr. Gerhard BortSegmiller leitete damit nahtlos über zumersten Hauptreferat des Tages von Dr. GerhardBort zum Thema Identifikation undPrävention psychischer Belastungen undErkrankungen am Arbeitsplatz aus arbeitsmedizinischerSicht. Dr. Bort ist Arbeitsmedizinerim Sozialministerium Baden-Württembergund seit vielen Jahren mit dieserThematik vertraut. Bezogen auf psychischeErkrankungen zeigten aktuelle Daten, dassvor allem Mitarbeiter im Gesundheitswesenund in der öffentlichen Verwaltung besondersgefährdet seien, so Bort. Er gingu. a. auf die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie(GDA) ein, die ausgehendvon Arbeitsschutzzielen zu einemeinheitlich abgestimmten Vorgehen inRichtung Beratung und auch Überwachungder Betriebe führe. Hier seien nebenBund und Ländern die Sozialpartnersowie die Unfallversicherungen beteiligt.Aktuell werde das Prüfsystem für psychischeBelastungen aufgebaut, ab 2015 solltendann entsprechende Prüfungen durchgeführtwerden. Hierunter fallen sowohlQualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiterder Gewerbeaufsicht (z. B. auchbzgl. Mobbing am Arbeitsplatz) als auchdie Etablierung von Messverfahren (z. B.Mitarbeiterbefragung, Gefährdungsprofil).Prof. Joachim BauerProf. Joachim Bauer, Oberarzt in der Abteilungfür Psychosomatische Medizin amUniklinikum Freiburg, führte in seinem Beitragaus, dass Probleme in der Beziehungsgestaltungim Klassenzimmer deram stärksten auf die Lehrergesundheitdurchschlagende Einzelfaktor seien. Dementsprechendkonzentriere sich das „Lehrercoachingnach dem Freiburger Modell“auf eine Sensibilisierung von Lehrkräftenfür die Bedeutung der Beziehungsgestaltungsowie eine Stärkung ihrer Beziehungskompetenz.Das Coaching umfassefünf Module, 1. Fragen der persönlichenEinstellung (Identität, Identifikation), 2. Beziehungsarbeitmit Schülerinnen undSchülern, 3. Beziehungsarbeit mit Eltern,4. Kollegiale Spaltung versus Zusammenhaltund 5. die Vorstellung und Einübungeines Entspannungsverfahrens. Prof. Bauerstellte erste Ergebnisse der wissenschaftlichenBegleitevaluation des zusammen mitder LPK Baden-Württemberg durchgeführtenProjektes vor, welche zeigten, dass dasBaden-Württemberg<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>291


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerBaden-WürttembergProgramm in der Lage ist, bei den Teilnehmerinnenund Teilnehmern gesundheitsrelevanteParameter zu verbessern. Über200 Psychotherapeuten aus ganz Baden-Württemberg hatten als Moderatoren ander Studie mitgewirkt, wofür Prof. Bauerherzlich dankte.Dirk ScholtysikDirk Scholtysik, Referatsleiter bei der DeutschenGesetzlichen Unfallversicherung(DGUV), Berlin, ging in seinem Beitrag aufdas Leistungsspektrum und Reha-Managementder DGUV bei psychischen Störungenein. Wie er ausführte, gewinnen psychischeGesundheitsstörungen nach Arbeitsunfällenund Berufskrankheiten fürdie DGUV zunehmend an Bedeutung. Dasgelte für die „rein“ psychischen Traumatisierungen(z. B. Überfahrtraumen bei Lokführern,Raubüberfälle in Handel und Banken)genauso wie für Unfallopfer mit (gravierenden)körperlichen Verletzungen, diepsychische Folgestörungen erleiden. DieDGUV habe 2008 Empfehlungen zur Präventionund Rehabilitation von psychischenStörungen herausgegeben. Am Anfangstehe eine detaillierte Gefährdungsbeurteilungund die schnelle Hilfe im Vordergrund.Ausführlicher stellte DirkScholtysik das sogenannte „Psychotherapeutenverfahren“mit seinen unfallversicherungsspezifischenZulassungsanforderungendar. Im Falle (drohender) manifesterpsychischer Störungen und zur Vermeidungvon Chronifizierungen könne eineschnelle und adäquate Behandlung sichergestelltwerden (fünf Stunden probatorischeSitzungen plus zehn Stunden störungsspezifischePsychotherapie), wobeivon Anfang an auch die enge Vernetzungvon Versicherten, Therapeuten, Arbeitgebernund Unfallversicherungsträger (UVT)mit dem Ziel einer schnellen beruflichenWiedereingliederung im Fokus der Behandlungstehe.Michael Ziegelmayer, Institut für persönlicheund soziale Entwicklung (IPSE), Freiburgsprach zum Thema „Mobbing undArbeitsplatzkonflikte“. Der Referent warmehrere Jahre für die Mobbing-HotlineBaden-Württemberg tätig. Er führte aus,dass Arbeitsprobleme, speziell Arbeitsplatzkonflikte,immer häufiger als Hintergrundoder Auslöser psychischer Erkrankungenwirksam würden. Mobbing stellegegenüber „normalen“ Konflikten am Arbeitsplatzeine qualitativ andere Stufe derBelastung dar und verlange andere Formender Konfliktlösung, sofern diese überhauptmöglich sei. Die Abgrenzung zwischenMobbing und „normalem“ Arbeitsplatzkonflikterfolge zum einen überMichael Ziegelmayerden Zeitaspekt (längerer Zeitraum), zumanderen über die Zielrichtung auf eine bestimmtePerson. Hilfsmittel für eine Diagnostikvon Mobbingprozessen seien vorallem eine differenzierte Anamnese, derEinsatz von entsprechenden Screening-Fragebögen sowie die Kooperation mit Experten(z. B. der Mobbing-Hotline). Konsequenzenfür die psychotherapeutischeBehandlung ergeben sich zum einen inder Differenzialdiagnostik (Mobbing alsHintergrund der psychischen Erkrankung),zum anderen sei für den Psychotherapeutenzumindest partiell ein Rollenwechselnötig. Ggf. seien Interventionen erforderlich,die die Grenzen herkömmlicher Psychotherapieüberschreiten würden (v. a.bei aktiver Unterstützung notwendigerSchritte am Arbeitsplatz).Im letzten Hauptreferat sprach Dr. AndreaWittich, Psychologische Psychotherapeutinund Organisationspsychologin am UniversitätsklinikumFreiburg, zum „ArbeitsplatzKrankenhaus“. In den Krankenhäusernseien in den letzten Jahren Leistungenmassiv ausgeweitet worden, währendsich die stationäre Verweildauer der Patientendeutlich verkürzt habe. Gleichzeitigseien Stellen abgebaut worden – vor allemin der Pflege. Folge sei, dass immer mehrMitarbeiterinnen und Mitarbeiter an derGrenze ihrer Belastbarkeit seien. Viele berichteten,nach dem Dienst nicht mehrentspannen zu können, litten unter Schlafstörungenoder anderen psychosomatischenBeschwerden und fürchteten, dassihnen in der Arbeit Fehler unterlaufenkönnten, durch die Patienten zu SchadenDr. Andrea Wittichkommen könnten. Als Ansätze zur Kompensationund Reduktion psychischerPodium v. l. n. r: M. Ziegelmayer, Dr. A. Wittich, D. Scholtysik, Dr. G. Bort und Dr. D. Munz292 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Baden-WürttembergBlick ins PlenumFehlbelastungen hätten sich, so Dr. Wittich,einerseits Angebote „on“ oder „nearthe job“ bewährt – z. B. psychotherapeutischeund psychosomatische Sprechstundenam Arbeitsplatz, Supervisionen undCoachings für Einzelne und für (interprofessionelle)Teams sowie niederschwelligeKriseninterventionen nach traumatischenarbeitsbezogenen Ereignissen. Darüber hinausstellten ambulante Psychotherapienfür viele Beschäftigte des Gesundheitsdiensteseine wertvolle Ressource dar. Ausarbeitspsychologischer Sicht empfehle essich, arbeitsbezogene Gesichtspunkte dabeisystematisch mit zu berücksichtigen,d. h. neben den sozialen Beziehungen amArbeitsplatz auch die jeweilige Arbeitsaufgabe,Arbeitsorganisation und Arbeitsumgebungbewusst zu reflektieren. Zur Ergänzungder subjektiven Wahrnehmung desPatienten könne es zudem auch hilfreichsein, sich mit dem jeweiligen betriebsärztlichenDienst in Verbindung zu setzen.Gleichzeitig sei die Stärkung der individuellenResilienz durch Psychotherapie wesentlich,um zu verhindern, dass Fehlbelastungenaus der Arbeit sich in psychischenErkrankungen niederschlügen.In der anschließenden, von Dr. Munz geleitetenPodiumsdiskussion mit den Referentenwurde in den engagierten Beiträgenaus der Zuhörerschaft deutlich, dass dasThema Psyche und Arbeitsplatz in der psychotherapeutischenAlltagsarbeit, sowohlin der ambulanten Psychotherapie alsauch bei Psychotherapie im institutionellenRahmen, z. B. in Beratungsstellen undRehabilitationskliniken, eine wesentlicheRolle spielt. Wie auch aus der Evaluationder Tagung hervorgeht, wurde u. a. auchdie interdisziplinär gestaltete inhaltlicheZusammenstellung und die Auswahl derReferenten ausgesprochen positiv beurteiltund angeregt, das Thema weiter undggf. auch vertiefend im Blickfeld zu behalten.Dem Wunsch vieler Teilnehmer entsprechendhaben wir die Präsentationen derReferenten auf unserer Kammerhomepageunter www.lpk-bw.de/fachportal/fachbeitraege/fb_lpk_tag13.htmlzur Verfügunggestellt. Besten Dank an die Autoren! Dortfinden Sie auch einen ausführlicheren Berichtsowie eine Bildergalerie.Baden-WürttembergStand der BeschwerdeverfahrenEine bedeutende Aufgabe der Landespsychotherapeutenkammersind Fortbildungenin Rechtsfragen, die Themen der beider Kammer eingehenden Anfragen undBeschwerden von Patienten beispielhaftaufgreifen und rechtlich erläutern. DieKammer bot hierzu im letzten Jahr gemeinsammit den Kammeranwälten vierFortbildungen an, die guten Zuspruch fanden.Eingehende Beschwerden werden inZusammenarbeit mit den Kammeranwälten,Kristiane Göpel als zuständigem Vorstandsmitgliedund Stephanie Tessmer,Juristin und Ressortleiterin Recht der LPK-Geschäftsstelle, bearbeitet.Zusätzlich bietet die LPK die Möglichkeit eineranonymen Patientenhotline. Sie wirdvon ca. zehn Ratsuchenden pro Woche inAnspruch genommen. Darüber hinaus kommenper E-Mail und Telefon wöchentlich ca.15 bis 20 Anfragen und Beschwerden vonPatienten sowie ca. 25 bis 50 Anfragen vonKammermitgliedern zum Berufsrecht an.Mehr als die Hälfte der Anfragen der Kammermitgliederbetrifft Probleme mit derSchweigepflicht. Die häufigsten Beschwerdenvon Patienten betreffen Ausfallhonorare,die Verletzung des Abstinenzgebotes, unangemesseneÄußerungen gegenüber Patientenoder Schwierigkeiten bei der Suche nacheinem Behandlungsplatz. Als besonderssensibel stellen sich immer wieder Psychotherapienmit Kindern und Jugendlichen heraus,z. B. die Behandlung eines Kindes ohneEinwilligung beider Sorgeberechtigter.In den letzten zehn Jahren gingen insgesamt290, in den letzten drei Jahren jeweils 20 bis25 schriftliche Beschwerden von Patientenund Dritten ein. Nachdem zwischenzeitlicheine leichte Abnahme der Beschwerden zuverzeichnen war, sind in diesem Jahr bereitsjetzt zur Jahresmitte so viele Beschwerdeneingegangen wie im gesamten Jahr 2012.Interview mit Dr. Munz in der Stuttgarter ZeitungIn der Wochenendausgabe der StuttgarterZeitung vom 15. Juni <strong>2013</strong> wurde ein fastganzseitiges Interview mit KammerpräsidentDr. Dietrich Munz zum Thema psychischeErkrankungen und psychotherapeutischeVersorgung abgedruckt. Die StuttgarterZeitung hat uns freundlicherweise erlaubt,das Interview auf der Kammerhomepagezu veröffentlichen. Sie finden es unterwww.lpk-bw.de/presse.htm – Pressespiegelbzw. unter Aktuelles vom 30. Juni<strong>2013</strong>.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>293


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerErneuter Hinweis zum FortbildungszertifikatBaden-WürttembergAn alle Mitglieder, die in der vertragspsychotherapeutischenVersorgung tätig sind:Sichern Sie sich bereits jetzt das Fortbildungszertifikatzum Wunschtermin undkommen Sie so der nächsten großen Antragsflutzuvor!Wenn Sie bereits jetzt oder einige Zeit vorAblauf Ihrer Nachweisfrist die erforderlichen250 Fortbildungspunkte gesammelthaben, können Sie Ihre Unterlagen jederzeitbei uns zur Prüfung einreichen. IhrFortbildungszertifikat wird entweder sofort(= Datum des Eingangs Ihres Antrags) oderzu einem Datum Ihrer Wahl, dem sogenanntenWunschtermin (z. B. 30. Juni2014) erteilt. Weitere Infos finden Sie unterwww.lpk-bw.de/fortbildung/merkblatt_fortbildungszertifikat.<strong>pdf</strong>.Sommerfest der HeilberufekammernBeim diesjährigen Sommerfest der Heilberufekammernwar wieder viel Prominenzaus dem Gesundheitswesen Baden-Württembergsvertreten. Zu den Gästen gehörtenneben Sozialministerin Katrin AltpeterVertreter der Gesundheits- und Sozialpolitik,der Krankenkassen und anderer Bereiche.In zahlreichen Gesprächen wurdeüber die aktuelle Gesundheitspolitik, dieWahlen zum Bundestag sowie andere politischeThemen diskutiert, aber auch gemeinsamgefeiert. Die seit 2009 stattfindendeVeranstaltung ist inzwischen einwichtiger Meilenstein u. a. für die bessereVernetzung der Akteure im Gesundheitswesen,vor allem auch für die im Vergleichzu den anderen Heilberufekammern immernoch junge LPK. Im Bild rechts mitMinisterin Altpeter die Präsidenten derHeilberufekammern Lenke, Clever undMunz sowie die Vorstände der Kassenzahnärztlichenund der KassenärztlichenVereinigung Maier und Metke.v. l. n. r: Dr. Lenke, Präsident Landeszahnärztekammer, Dr. Clever, Präsident Landesärztekammer,Sozialministerin Altpeter, Frau Dr. Maier, Vorstandsvorsitzende KZV, Dr. Metke,Vorstandsvorsitzender KVBW, Dr. Munz, Präsident LPKPsychotherapie bei Flüchtlingen, Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund– Kammerveranstaltung im ZfP Reichenau und Kammer im GesprächPsychotherapie mit Flüchtlingen und Migrantenstellt eine besondere Herausforderungfür Psychotherapeuten dar, aber sieist möglich. Dies würde allerdings die Entwicklungspezieller Fertigkeiten und interkulturellerKompetenzen, am besten bereitsin der Ausbildung voraussetzen, wirddort aber noch zu wenig berücksichtigt –dies war die gut untermauerte „takehome message“ auf der Kammerveranstaltungvom 26. Juni <strong>2013</strong> im Zentrumfür Psychiatrie (ZfP) Reichenau von Dr.Michael Odenwald, Leiter der Psychotherapieambulanzder Universität Konstanzund langjährig erfahren in der Behandlungvon traumatisierten Flüchtlingen.Tilman Kluttig, leitender Psychologe inder Klinik für forensische Psychiatrie desZfP, hatte die Tagungsorganisation übernommenund führte durch den Tag. Gekommenwaren ca. 30 angestellte Kolleginnenund Kollegen, die aus stationären,teilstationären und ambulanten Einrichtungender Psychiatrie, der Psychosomatik,aus Reha-Einrichtungen, Tagesklinikenusw. aus ganz Baden-Württemberg angereistwaren. Da die Teilnehmer, wie dieDiskussion zeigte, überwiegend selbst inihrer täglichen klinischen Arbeit häufigkonfrontiert sind mit Menschen, die diesesSchicksal haben, war das Interesseam Thema groß.Baden-Württemberg hat bundesweit nebenHamburg und Bremen den höchsten Anteilan Menschen mit Migrationshintergrundhat (ca. 25% der Bevölkerung). Migrantennehmen im Vergleich insgesamt wenigermedizinische Leistungen in Anspruch, weisenz. T. jedoch wesentlich höhere psychosozialeBelastungen auf. Diagnostisch überwiegenaffektive und somatoforme Störungen.Um mit Menschen mit Migrationshintergrundpsychotherapeutisch arbeiten zukönnen, bedarf es der Entwicklung einergrößeren Kultursensibilität und interkulturellerKompetenzen, was auch in der Psychotherapieausbildungstärker Thema sein sollte.Michael Odenwald verdeutlichte, wie294 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Baden-WürttembergPsychotherapie durch Beisein eines Dolmetschersden Beziehungskontext verändertund die Vermittlung von Inhalten beeinflusstund begrenzt. Das Programm dieserganztägigen Veranstaltung ließ bereitsam Vormittag viel Platz für die Diskussionund den Erfahrungsaustausch hinsichtlichder therapeutischen Arbeit.Zum Abschluss der Tagung fand ein Austauschmit Mitgliedern des Kammervorstandes(Dr. Dietrich Munz, Dr. Roland Straub)und des Ausschusses PTI (Dieter Schmucker)statt („Kammer im Gespräch“).Baden-WürttembergPrüfungstätigkeit des Wirtschaftsprüfers für das Geschäftsjahr 2012Der Vorstand der LPK Baden-Württemberghatte der WirtschaftsprüfungsgesellschaftBansbach, Schübel, Brösztl & PartnerGmbH den Auftrag erteilt, die Jahresrechnung2012 zu prüfen. Gegenstand der Prüfungwaren die Buchführung, die aus Bilanz,Einnahmen-Ausgabenrechnung undAnhang bestehende Jahresrechnung zum31. Dezember 2012. Die Abschlussprüfungenwurden im Juni <strong>2013</strong> in den Räumender LPK-Geschäftsstelle durchgeführt.Hierbei wurde eine vorläufige Beurteilungder Prüfungsrisiken vorgenommen. AufBasis dieser Einschätzung erfolgte durchdie Wirtschaftsprüfer (WP) eine Analyseder Geschäftsprozesse. Darauf aufbauendwurden eine risikoorientierte Prüfungsstrategieentwickelt und die Prüfungsschwerpunkteabgeleitet. Im Ergebnis stellte derWP fest, dass die formelle und materielleOrdnungsmäßigkeit des Rechnungswesensvorliege. Es entspricht damit den gesetzlichenVorschriften einschließlich derGrundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.Weiterhin wurde festgestellt, dass dieGeschäftsvorfälle vollständig und zeitgerechterfasst werden. Die Prüfung der WPhat zu keinen Einwendungen geführt.Nach der Beurteilung der WP aufgrund derbei der Prüfung gewonnen Erkenntnisseentspricht die Jahresrechnung der LPK BWfür das Rechnungsjahr vom 1. Januar 2012bis 31. Dezember 2012 den gesetzlichenVorschriften und den ergänzenden Bestimmungender Hauptsatzung; sie entsprichtdamit der tatsächlichen Vermögens-, Finanz-und Ertragslage der LPK Baden-Württemberg.Die verantwortlichen WP Auxel und Frankbedankten sich bei Dr. Munz und BirgittLackus-Reitter sowie dem GeschäftsführerChristian Dietrich für die Zusammenarbeit.Die verantwortlichen Mitarbeiter in der Geschäftsstelle(Stefan Leiblein, Elke Wollandt)wurden von den WP für die Vorbereitungder Prüfungstätigkeit gelobt. Am19. Juli <strong>2013</strong> wurde das Ergebnis der Prüfungendem Haushaltsausschuss unterdem Vorsitz von Jürgen Pitzing vorgestelltund erläutert.Bekanntmachung über die Auslage des Prüfberichtes2012 sowie des Haushaltsplanes 2014 der LPK BW zurkammeröffentlichen EinsichtnahmeGemäß §§ 27 Abs. 4, 28 Abs. 3 der Hauptsatzungwerden der Prüfbericht über denJahresabschluss 2012 und der prospektiveHaushaltsplan 2014 für die Kammermitgliederin der Zeit vom 1. November biszum 29. November <strong>2013</strong> in der Geschäftsstelle,Jägerstrasse 40, 70174 Stuttgart zurEinsichtnahme ausgelegt. Falls Sie dieseDokumente einsehen möchten, bitte wirSie um vorherige Terminabstimmung perTelefon (0711/ 674470-0) oder per E-Mail(info@lpk-bw.de).TermineFachtag Kultursensible Psychotherapie:Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund(s. o.), 23.11.<strong>2013</strong>, 13.00-17.00 Uhr, Stuttgart, Geno-Haus, HeilbronnerStraße 41. Kosten: 60,– €, Frühbucher50,– €, 4 Fortbildungspunkte.GeschäftsstelleJägerstraße 40, 70174 StuttgartMo – Do 9.00 – 12.00, 13.00 – 15.30 UhrFreitag 9.00 – 12.00 UhrTel. 0711 / 674470-0Fax 0711 / 674470-15info@lpk-bw.dewww.lpk-bw.de<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>295


BayernMitteilungen der BayerischenLandeskammer der PsychologischenPsychotherapeuten undder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten22. Delegiertenversammlung am 16. Mai <strong>2013</strong>: Zukunft der Aus- und Weiterbildungund Konzepte zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung im FokusKammerpräsident Nikolaus Melcop gab zuBeginn des Vorstandsberichts einen Überblicküber die umfangreiche Medienresonanzder Pressekonferenz im Vorfeld des5. Bayerischen Landespsychotherapeutentages(LPT), über die Festveranstaltungzum zehnjährigen Kammerjubiläum sowieden LPT.Hinsichtlich der neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie hob Melcop positiv hervor, dasses in Bayern rund 280 neue Praxissitze,überwiegend in ländlichen Regionen, gebenwerde. Von einer Überversorgung könneaufgrund der nach wie vor zu langenWartezeiten auf den Beginn einer Psychotherapieindes nicht die Rede sein. In diesemZusammenhang stellte er die Aufgabenund die geplante Zusammensetzungdes gemeinsamen Landesgremiums zusektorübergreifenden Versorgungsfragenvor, in dem die PTK Bayern die Interessenunseres Berufsstandes vertreten wird. Melcoperläuterte danach konzeptionelle Vorstellungenzur Verbesserung der psychotherapeutischenVersorgung im Zusammenwirkenvon ambulanter und stationärer Behandlung.Aus Sicht der PTK müsse esinsbesondere um Verbesserungen in denBereichen ambulante Versorgungsstruktur,Vernetzung und um die Strukturen undStandards der stationären psychotherapeutischenBehandlung gehen.Weiterhin befasste sich Melcop mit Planungeneinzelner Krankenkassen bzw.Krankenkassenverbänden, zentrale Koordinierungsstellenfür psychisch Erkrankteeinzurichten, um darüber Versorgungsangebotedurch externeDienste zentralzu steuern. Damitsei auch der Versuchverbunden, alternativeBehandlungsangeboteaufzubauen,welche diePsychotherapie ersetzenkönnten. Melcopbetonte, dassPsychotherapie alsqualitativ hochwertigeBehandlungnicht ersetzbar seioder extern verkürztwerden könne. Diefreie PsychotherapeutenwahlundBeziehungsgestaltungseien unverzichtbar.Die Therapieplanungmüsse individuell erfolgen,nicht extern gesteuert. Grundsätzlich seidie Kooperation mit den Krankenkassenzur Verbesserung der Versorgung notwendigund sinnvoll. Diese müsse jedoch andie bestehenden Strukturen, die Arbeitsweiseder Psychotherapeut/innen und dieEigeninitiative der Patient/innen angepasstwerden.Melcop setzte die Delegierten von erstenAuswertungen der bundesweiten Onlinebefragungder angestellten Psychotherapeut/innen,die am 25.03.<strong>2013</strong> beendetwurde, in Kenntnis. Die Rückmeldequotevon 37,4% der bayerischen Kammermitgliedersei deutlich überdurchschnittlichKammerpräsident Nikolaus Melcop präsentierte den Vorstandsbericht.(Foto: Johannes Schuster)ebenso wie die der bayerischen Psychotherapeut/innenin Ausbildung (PiA).39,5% der Befragungsteilnehmer/innensind in Krankenhäusern tätig, 21,1% gaben„Sonstiges“ an, 15,6% arbeiten in der Jugendhilfe,15,4% in Reha-Einrichtungensowie 8,3% in Beratungsstellen.Anhand unterschiedlicher Beispiele erläuterteer die Aktivitäten der Kammer im Bereichder Prävention und hob die umfangreichenfachlichen Stellungnahmen imZusammenhang mit Anfragen und Anträgenim bayerischen Landtag hervor.Zum Abschluss seines Berichts informierteMelcop über schriftliche und persönliche296 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


BayernKontakte zu Gesundheitspolitiker/innenim Vorfeld der diesjährigen LandtagsundBundestagswahl. Im Vordergrund derSchreiben und Gespräche stand dabei dieBitte, sich in der kommenden Legislaturperiodefür die Sicherung der psychotherapeutischenVersorgung und die Neufassungder Psychotherapeutenausbildung imRahmen der dringend erforderlichen Novellierungdes Psychotherapeutengesetzeseinzusetzen. Die Kammer fordert im Wahljahr<strong>2013</strong> grundsätzlich eine bessere Gestaltungund Förderung der Prävention sowieeine zukunftsweisende Gestaltung derVersorgungsstruktur (psychotherapeutischeAkutversorgung verbessern; kein Abbauvon Zulassungsmöglichkeiten im Rahmender gesetzlichen Krankenversicherung;sektorübergreifende Planung gemeinsammit der Kammer). Des Weiterensolle die Psychotherapie als Qualitätsmerkmalin den Kliniken weiterentwickelt, dieAusbildung reformiert und die Tätigkeit derPsychotherapeut/innen deutlich höhervergütet werden.Berufsbild der Psychotherapeut/innenals Grundlage fürdie AusbildungsreformVizepräsident Peter Lehndorfer berichtetevon den Aktivitäten der Bundespsychotherapeutenkammer(BPtK) zur Ausbildungsreformund informierte über die Haltung desBundesgesundheitsministeriums (BMG),das mit der Reform insbesondere auch diegesamte Versorgung psychisch krankerMenschen mit im Blick habe und die sogenannteDirektausbildung favorisiere.Vizepräsident Peter Lehndorfer gab einenhistorischen Abriss der Diskussionen zurAusbildungsreform.(Foto: Johannes Schuster)Vizepräsident Bruno Waldvogel erläuterteden in der AG des Länderrats erstelltenEntwurf des Berufsbildes.(Foto: Johannes Schuster)Vizepräsident Bruno Waldvogel erläutertedie Determinanten der Entwicklung einesBerufsbildes, die zum einen auf den Bologna-Prozessder universitären Ausbildungund zum anderen auf den Empfehlungendes Wissenschaftsrates zur Qualitätsverbesserungvon Lehre und Studium im Jahr2008 basierten. Im Kern gehe es bei derFindung eines Berufsbildes um die Fragen,welche Kompetenzen für die Berufsqualifikationgebraucht und welche Schlüsse darausfür die zukünftige Gestaltung von AusundWeiterbildung für Psychotherapeut/innen gezogen werden.Nikolaus Melcop berichtete von der Arbeitder im Länderrat eingerichteten Arbeitsgruppe,in der die Landeskammern, derVorstand der BPtK und die Vertreterin derKinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innenim Länderrat eingebunden seien.Die Arbeitsgruppe habe zunächst einenEntwurf des Berufsbildes erstellt, derden Delegierten des 22. Deutschen Psychotherapeutentages(20.04.<strong>2013</strong>) vorgelegtworden sei. Waldvogel ergänzte, dassmithilfe des Berufsbildes der Psychotherapeut/innennäher präzisiert werden könnte,über welche Kompetenzen Psychotherapeut/innenzum Abschluss ihrer Ausbildungbzw. Weiterbildung verfügen sollen.Nach Festlegung dieser Kompetenzenkönne die Profession zielorientiert diskutieren,inwieweit das angestrebte Kompetenzprofildurch mögliche Ausbildungsmodellerealisiert werden könne. Nach Lehndorfers,Waldvogels und Melcops Ausführungendiskutierten die Delegiertenunterschiedliche Aspekte des Modells derDirektausbildung und des vorgestelltenBerufsbildentwurfs lebhaft.Vizepräsident Peter Lehndorferund Geschäftsführer AlexanderHillers erläuterten den Jahresabschluss2012 und die prospektiveHaushaltsentwicklungab <strong>2013</strong>Nach der Stellungnahme des Finanzausschusses(Rudi Bittner) nahmen die Delegiertennach Diskussion den Jahresabschluss2012 an und entlasteten den Vorstandeinstimmig. Darüber hinaus informierteGeschäftsführer Alexander Hillersdie Delegierten über den aktuellen Standder Suche und Anmietung geeigneter neuerBüroräume für die Geschäftsstelle.Weitere Schwerpunkte derDelegiertenversammlungDes Weiteren wurde aus den Ausschüssender Kammer für Berufsordnung (JürgenThorwart), Einsprüche (Elisabeth Gerz-Fischer),Fortbildung (Peter Dillig), psychotherapeutischeVersorgung von Kindernund Jugendlichen (Gabriele Melcop),Weiterbildungsordnung (Herbert Ühlein)sowie für die Kommission für Psychotherapiein Institutionen (Maria Gavranidou)berichtet. Darüber hinaus informierten diesatzungsgemäßen Vertreter/innen derHochschulen (Prof. Angelika Weber), derAusbildungsinstitute (Christoph Kröger)sowie der Psychotherapeut/innen inAusbildung (Lisa Brendel) über ihre Tätigkeit.Zehn Jahre PTK Bayern –Rückblick und AusblickKammerpräsident Dr. Nikolaus Melcopstellte am Ende der 22. DV einige markanteMeilensteine der letzten zehn Jahre derPTK Bayern und in der Arbeit der Delegiertenversammlungdar, die durch Diskussionsbeiträgeder Delegierten ergänzt wurden.Bayern<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>297


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerNach Festlegung des neuen Bedarfsplans: Wie es mit derVersorgungsplanung weitergehtBayernNach dem neuen Bedarfsplan, den derLandesausschuss der Ärzte und Krankenkassenin Bayern am 10.06.<strong>2013</strong> verabschiedethat, gibt es in Bayern insgesamt282,5 zusätzliche Niederlassungsmöglichkeitenfür die ambulante psychotherapeutischeVersorgung. Die neuen Sitze teilensich wie folgt auf (bitte lesen Sie auch unsereHomepagemeldung vom 05.07.<strong>2013</strong>):• 250,5 freie Sitze in 36 Planungsbereichenfür Psychotherapeut/innen (PP,KJP und ärztliche PT).• 27 freie Sitze in 17 bereits gesperrtenPlanungsbereichen im Rahmen derMindestquotenregelung nach § 101Abs. 4 SGB V für Psychotherapeut/innen(KJP bzw. PP oder ärztliche PT), dieausschließlich Kinder und Jugendlichebehandeln.• Fünf freie Sitze in drei bereits gesperrtenPlanungsbereichen für überwiegendoder ausschließlich psychotherapeutischtätige Ärzt/innen.Die Bewerbungsfrist für Neuanträge ist am30.08.<strong>2013</strong> abgelaufen. Wir sind gespannt,wo sich unsere Kolleg/innen nun tatsächlichniederlassen. Die Zulassungsausschüssetagen seit Mitte September. Solltennoch Sitze frei sein, können sich Interessent/innenweiterhin darauf bewerben.Landesweite und regionaleVersorgungskonferenzenAm 12.06.<strong>2013</strong> fand die vom bayerischenGesundheitsministerium (StMUG) veranstaltete3. Bayerische Versorgungskonferenzstatt. Kernpunkt der Konferenz wardie Steuerung der ambulanten ärztlichenVersorgung. Kammerpräsident NikolausMelcop hat die Bedeutung der Versorgungpsychisch kranker Menschen hervorgehobenund die Position der Kammer verdeutlicht.Darüber hinaus fanden auf Anregungdes Gesundheitsministers bis Redaktionsschlussin den Regierungen von Niederbayern,Mittel-, Ober- und Unterfrankensowie Oberbayern regionale Versorgungskonferenzenstatt, an denen Vorstandsmitgliederder Kammer teilnahmen. Nach kurzenStatements von Politiker/innen desStMUG, Vertreter/innen der AOK, der KVBund der Bayerischen Krankenhausgesellschaftsowie weiteren Akteuren des Gesundheitswesens,Bürgermeistern undLandräten wurden die Veränderungen undAuswirkungen der neuen Bedarfsplanungdiskutiert und die Weiterentwicklung derambulanten medizinischen und psychotherapeutischenVersorgung in den Regierungsbezirkenerörtert. Vonseiten der Bürgermeisterund Landräte wurden deutlicheKritik und Bedenken nach der verändertenBedarfsplanung insbesondere hinsichtlichder hausärztlichen Versorgung geäußert.Vielerorts wird eine Unterversorgung befürchtet.Gespräch mit dem Vizepräsidentendes BayerischenLandtagsAm 10.07.<strong>2013</strong> trafen sich die VizepräsidentenPeter Lehndorfer und Bruno Waldvogelmit dem Vizepräsidenten des BayerischenLandtags und Mitglied des Fraktionsvorstandsder Freien Wähler, PeterMeyer. Die Kammervertreter informiertenden Politiker über die neuen Bedarfsplanungszahlenfür Bayern und nahmen Bezugauf die Anfrage eines Fraktionskollegenvon Peter Meyer (Prof. Peter Bauer)an die Staatsregierung zur Entwicklung derVerschreibung und Einnahme von Ritalin.Peter Meyer war an beiden Themen sehrinteressiert und nahm unser Angebot, sichzu diesen und anderen Themen weiterauszutauschen, dankend an.PTK Bayern im Landesgremiumzu sektorübergreifenden VersorgungsfragenvorgesehenDie PTK Bayern ist nach derzeitigem Standals stimmberechtigtes Mitglied im neu zuschaffenden gemeinsamen Landesgremiumfür sektorübergreifende Versorgungsfragenvorgesehen. Darüber hinaus sinddort Vertreter der Krankenkassen, derKrankenhausgesellschaft, der KVB, der Ärzte-und der Zahnärztekammer, von Gemeinde-,Landkreis und Städtetag, desVerbandes der bayerischen Bezirke unddes StMUG vorgesehen. Da jedoch sehrunterschiedliche Stellungnahmen zu dieserKonstruktion abgegeben wurden, hatdas StMUG bei Redaktionsschluss dieserPTJ-Ausgabe noch keine abschließendeEntscheidung getroffen.Krankenhausplanungsausschuss:PTK Bayern in derUAG zur Versorgung psychischkranker MenschenNikolaus Melcop, Vorstandsmitglied BirgitGorgas und Geschäftsführer Alexander Hillerstrafen sich am 16.07.<strong>2013</strong> mit MinisterialdirigentHerwig Heide und weiteren Vertreterndes StMUG aus dem ZuständigkeitsbereichKrankenhausplanung. Die Schwerpunktedes Gesprächs waren die Versorgungpsychisch kranker Menschen im stationärenBereich, sektorübergreifende Planungen,die Position und Eingruppierung der PsychologischenPsychotherapeut/innen (PP)und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen(KJP) in Kliniken, die Situationder Psychotherapeut/innen in Ausbildung(PiA) in der praktischen Tätigkeit sowie dieNotwendigkeit einer Ausbildungsreform.Heide sicherte zu, dass die Kammer Mitgliedin der Unterarbeitsgruppe (UAG) desKrankenhausplanungsausschusses zur Versorgungpsychisch kranker Menschen wird.Weitere Themen waren die neuen Niederlassungsmöglichkeitenfür Psychotherapeut/innenund die möglichen Auswirkungender derzeit diskutierten Direktausbildungfür Psychotherapeut/innen auf dieKrankenhausstellenpläne.Treffen mit denleitenden Psychotherapeut/innen in Kliniken und den AusbildungsinstitutenAm 26.06.<strong>2013</strong> fanden die jährlichen Gesprächemit den leitenden Psychotherapeut/innenund Psycholog/innen in psychiatrischenund psychotherapeutischenKliniken sowie den Vertreter/innen derAusbildungsinstitute statt. Die Gesprächs-298 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Bayernpartner/innen vonseiten der Kammer warenPräsident Nikolaus Melcop, VizepräsidentBruno Waldvogel, VorstandsmitgliedHeiner Vogel sowie die wissenschaftlicheReferentin Nina Sarubin.Zu Beginn des Gesprächs mit den leitendenPsychotherapeut/innen in Klinikengab Nikolaus Melcop einen kurzen Einblickin die Geschichte der Novellierung der Bedarfsplanungund kündigte neue Niederlassungsmöglichkeitenfür Bayern in strukturschwachenGebieten an. Auf der Tagesordnungstanden das Gesetz zur Einführungeines pauschalierenden Entgeltsystemsfür psychiatrische und psychosomatischeEinrichtungen (PsychEntgG), diePauschalierenden Entgelte Psychiatrie undPsychosomatik (PEPP) sowie die Bezahlungder PiA. Heiner Vogel präsentierte darüberhinaus erste Ergebnisse der bundesweitenAngestelltenbefragung der BPtKund der Landeskammern und informiertemit Bezug auf das Bremer Rechtsgutachtenzum Aufgabenfeld der PP und KJP inKliniken. Die Teilnehmer/innen diskutiertendes Weiteren über die Ergebnisse derFachtagung für leitende Psychotherapeut/innen und Betriebs- und Personalrät/innen,welche die BPtK und ver.di am18.01.<strong>2013</strong> in Berlin organisiert hatte. DerKonsens dieser Veranstaltung war, dass diePsychotherapeut/innen motiviert wurden,sich selbst zu organisieren, um gemeinsameine Höhergruppierung zu erreichen.Heiner Vogel betonte, dass die Mitarbeiter/innenin den Kliniken auch selbst aufgerufensind, ihre tarifliche Eingruppierungzu verbessern. Das könnte u. a. über denPersonal-/Betriebsrat oder über Mitarbeitervertretungengeschehen.Im Fokus eines nachfolgenden gemeinsamenTreffens der leitenden Psychotherapeut/innenin Kliniken zusammen mit denVertreter/innen der Ausbildungsinstitutestanden die Diskussion zur Zukunft derAus- und Weiterbildung sowie das von derArbeitsgruppe der Landeskammern zu erstellendeBerufsbild bzw. Kompetenzprofilfür den Berufsstand. Nikolaus Melcop berichtetevon den Beschlüssen des letztenDPT (20.04.<strong>2013</strong>), neben der postgradualenAusbildung auch die Möglichkeit einerDirektausbildung intensiv zu prüfen. DieVertreter/innen der Ausbildungsinstitutewarnten davor, die hohe Qualität der derzeitigenAusbildung durch eine Reform zugefährden.Gesprächsinhalte des Treffens nur mit denAusbildungsinstituten waren die Problematikder Bezeichnung „Psychotherapeut i. A.“sowie die Anerkennung von Studiengängenfür den Ausbildungszugang PP. Zu Letzteremerhielten die Teilnehmer/innen dasKonsensuspapier der Deutschen Gesellschaftfür Psychologie (DGPs) und derBPtK, das als Empfehlung Anforderungenan psychologische Studiengänge als Zugangsvoraussetzungenzur PP-Ausbildungenthält. Die PTK Bayern hat diesem Konsensuspapierim Juni zugestimmt und esmit einer Stellungnahme an das bayerischeGesundheitsministerium weitergeleitet.BayernGespräch mit den Hochschullehrer/innenAm 04.07.<strong>2013</strong> trafen sich Nikolaus Melcop,Heiner Vogel und Nina Sarubin mit16 Hochschullehrer/innen der Institute undStudiengänge von Universitäten und Hochschulenin Bayern, die Klinische Psychologie,Pädagogik und Sozialpädagogik/-arbeitausbilden. Die Schwerpunkte des Gesprächswaren der aktuelle Stand der Novellierungdes Psychotherapeutengesetzes – insbesonderedie Diskussion um die Direktausbildung,die Entwicklung der Studiengänge,die zur Psychotherapieausbildung befähigensowie die Forschung und Forschungsförderung.Die Hochschullehrer/innen diskutierteneinen konsekutiven Masterstudiengangu. a. hinsichtlich der Frage von „Querwechslern“(Sonderpädagogik, Pädagogik, Sozialpädagogiketc.) und wie sich andere Fächerals Psychologie (z. B. Gehörlosenpädagogik)in einer möglichen Direktausbildungwiederfinden könnten. Das Meinungsbildunter den Hochschullehrer/innen bzgl. einerDirektausbildung und Umsetzungsmöglichkeitendifferierte stark. Die Kammervertreter/innenbaten die Hochschullehrer/innen,eigene Vorschläge bzgl. der Umsetzung undInhalte einer Direktausbildung für die länderübergreifendeArbeitsgruppe „Zukunft derAus- und Weiterbildung“ zu erarbeiten undeinzubringen. In Bezug auf die Entwicklungder Studiengänge regten die Kammervertreter/innenan, weiterhin aktiv den Ausbauvon Masterstudienplätzen in Psychologie zubetreiben und hierfür auch staatliche Unterstützungeinzufordern. Die Vertreter/innender Hochschulen für angewandte Wissenschaftenberichteten, dass die vorhandenenKapazitäten an Master-Studienplätzen in Sozialpädagogikund Pädagogik ausreichenmüssten, damit es genügend Interessent/innen für die KJP-Ausbildung in Bayerngeben dürfte.KurznachrichtenGerichtsentscheidung zu Spielhallen– gestützt durch Stellungnahmeder Kammer<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>In Bayern gibt es ca. 3,9 Mio. Glücksspielteilnehmer/innen.Ein Teil der Spieler entwickeltein riskantes Spielverhalten undverliert dabei völlig die Kontrolle über dasGlücksspiel, es kann sich eine psychischeStörung nach ICD-10 (F 63.0 PathologischesGlücksspiel) entwickeln. Die PTKBayern hat der Bayerischen Staatsregierungin diesem Kontext bereits 2010 angeboten,ihr Expertenwissen bei der Präventionund Behandlung von Suchterkrankungenin die Formulierung von Neuregelungenund entsprechenden Gesetzesänderungeneinzubringen. Dies geschah inForm einer Stellungnahme der PTK Bayern,in welcher u. a. ein Mindestabstand von500 Metern zwischen Spielhallen gefordertwurde, da ein eindeutiger Zusammenhangzwischen der leichten Verfügbarkeitund Griffnähe eines Spielangebots und einemverstärkten Nachfrageverhalten besteht.Die wissenschaftliche Stellungnahmeder PTK Bayern wurde beim Verfassendes ersten Glücksspieländerungsstaatsver-299


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerBayerntrags (in Kraft getreten am 01.07.2012) berücksichtigt,welcher Spielhallen nebendem Gewerberecht nun auch den Regelungendes Glücksspielstaatsvertrags unterwirft.Gegen diesen Glücksspielstaatsvertraghatten mehrere Spielhallenbetreiberbeim Bayerischen Verfassungsgerichtshofeine Popularklage eingereicht, da ausihrer Sicht die neuen Vorschriften in ersterLinie das Rechtsstaatsprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatzsowie die Berufsundallgemeine Handlungsfreiheit und dieEigentumsgarantie der Bayerischen Verfassungverletzen.Der Bayerische Verfassungsgerichtshofhat nun die Popularklagen abgewiesen(01.07.<strong>2013</strong>). Als Entscheidungsgrundlagehierfür fungierte u. a. die Stellungnahmeder PTK Bayern, welche sich im Rahmender Anhörung zur Änderung desAusführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertragfür Einführung eines Abstandsvon 500 Metern zwischen Spielhalleneingesetzt hatte.Die PTK Bayern begrüßt die Ablehnung derPopularklage und wird die zuständigenStellen gerne auch weiterhin mit wissenschaftlichemSachverstand hinsichtlichPräventionsmaßnahmen zur Glücksspielsuchtunterstützen.Novelle des Heilberufe-Kammergesetzes: PTK Bayernkann jetzt eine WeiterbildungsordnungerlassenDer Bayerische Landtag hat dem Gesetzzur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes(HKaG) am 16.07.<strong>2013</strong> einstimmigzugestimmt. Die PTK Bayern hat maßgeblichzu wesentlichen Änderungen des Gesetzesbeigetragen. Das Gesetz trat am01.08.<strong>2013</strong> in Kraft. Nach dem neuen Art.64 a HKaG wird der PTK Bayern erstmalsdie Möglichkeit eingeräumt, die Weiterbildungfür unseren Berufsstand im Rahmeneiner Weiterbildungsordnung zu regeln.Über diese gesetzliche Grundlage verfügendie anderen Landespsychotherapeutenkammernschon seit einiger Zeit undhaben sie zur Verabschiedung von Weiterbildungsordnungengenutzt. Die gemeinsameOrientierung aller Kammern stellt dieMusterweiterbildungsordnung dar, diedurch den DPT verabschiedet wurde. Dortsind Weiterbildungen für die BereicheNeuropsychologie, Systemische Therapieund zur Gesprächstherapie geregelt. Weiterhinwird mit der Änderung des HKaGdie berufsrechtliche Regelverjährungsfristauf fünf Jahre verlängert. Weitere Informationenfinden Sie in unserer Homepagemeldungvom 24.07.<strong>2013</strong>.Weitere Aktivitäten derKammerEinige der weiteren Veranstaltungen undAktivitäten, die von der Kammer initiiertbzw. an denen sie teilgenommen hat: Präsidiumssitzungendes Verbandes Freier Berufein Bayern (VFB) am 14.05., 19.06.und 11.07.<strong>2013</strong>; KVB-Vertreterversammlungam 05.06.<strong>2013</strong>; Fachgespräch „Brauchenwir in Bayern ein Gesetz über Hilfenund Schutzmaßnahmen bei psychischenErkrankungen (PsychKG)?“ am 07.06.<strong>2013</strong>;„3. Bayerische Versorgungskonferenz –Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung“am 12.06.<strong>2013</strong>; Fachtagung„Qualität sichern – Fachliche und strukturellePerspektiven für eine Reform der Psychotherapieausbildung“am 13.06.<strong>2013</strong>;Parlamentarischer Abend des VerbandesFreier Berufe in Bayern (VFB) am19.06.<strong>2013</strong>; Festveranstaltung zum 5-jährigenBestehen des Münchner Bündnissesgegen Depression am 20.06.<strong>2013</strong>; KlausurtagungBerufsrecht und Beschwerdemanagementam 28./29.06.<strong>2013</strong>; Sommerempfangder Techniker KK am03.07.<strong>2013</strong>; Eröffnung der Fachambulanzfür Gewaltstraftäter am 03.07.<strong>2013</strong>; 21. Sitzungdes Landesgesundheitsrates am08.07.<strong>2013</strong>; Sommergespräche <strong>2013</strong> derBayerischen Landesärztekammer am12.07.<strong>2013</strong>; Clusterakkreditierung an derhumanwissenschaftlichen Fakultät der UniversitätBamberg am 17.07.<strong>2013</strong>; GesundheitspolitischerSommerempfang derKVB/KZVB am 18.07.<strong>2013</strong>; 2. Sitzung derLAG Versorgungsforschung am 23.07.<strong>2013</strong>.BevorstehendeVeranstaltungenPsychotherapie mit Straftätern: Termin:12.10.<strong>2013</strong>, 09.30 bis 18.00 Uhr in München.Psychotherapie bipolarer Störungen(Workshop): Termin: 19.10.<strong>2013</strong>, 10.00 bis14.00 Uhr in München.Psychoonkologie für Psychotherapeut/innen (Kooperation mit der KVB): Termin:23.10.<strong>2013</strong> in Nürnberg.Betriebswirtschaftliche und juristischeNiederlassungsberatung: Vortrag mit denSchwerpunkten u. a. „Elemente des Businessplanes,Finanzierungsvoraussetzungenund Fördermöglichkeiten, rechtlicheund steuerliche Fragen“. Termin:08.11.<strong>2013</strong>, 10.00 bis 14.00 Uhr in Nürnberg.Philosophie und Psychotherapie: SindEmotionen Kognitionen? Termin:09.11.<strong>2013</strong>, 9.00 bis 15.45 Uhr in München.Das neue Patientenrechtegesetz unddie Berufsordnung der PTK Bayern: Termin:23.11.<strong>2013</strong>, 10.00 bis 14.15 Uhr inMünchen.Psychotherapie mit alten/älteren Menschen:Eine Fortbildungs- und Infoveranstaltungder PTK Bayern und der KVB. Termin:07.12.<strong>2013</strong> in Augsburg.Psychotherapeutische Behandlung beiKindern und Jugendlichen mit Schmerzen:Eine Fortbildungs- und Infoveranstaltungder PTK Bayern und der KVB. Termin:11.12.<strong>2013</strong> in Regensburg.Nähere Informationen und Programmezu den Veranstaltungen sowie Anmeldeformularefinden Sie zeitnah auf unsererHomepage: www.ptk-bayern.deVorstand der Kammer:Nikolaus Melcop, Peter Lehndorfer,Bruno Waldvogel, Birgit Gorgas,Anke Pielsticker, Heiner Vogel,Benedikt Waldherr.GeschäftsstelleSt.-Paul-Str. 9, 80336 MünchenPost: Postfach 151506, 80049 MünchenTel. 089 / 51 55 55-0, Fax -25Mo – Do 9.00 – 15.30, Fr 9.00 – 13.00 Uhrinfo@ptk-bayern.de, www.ptk-bayern.de300 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Mitteilungen derPsychotherapeutenkammer BerlinIV-Verträge in der Psychotherapeutischen Versorgung in BerlinMichael Krenz, Brigitte Kemper-BürgerIV-Verträge: Zukunfts- oderAuslaufmodell?Inzwischen sind in Berlin mehrere IV-Verträgezur Verbesserung der psychotherapeutischenVersorgung abgeschlossenworden. Die Einschreibquoten liegen unterden Erwartungen und auch die PsychologischenPsychotherapeuten als möglicheBehandlerInnen bleiben eher beobachtendund abwägend außen vor. Das hatgute Gründe: Psychotherapie kommt inden in Berlin laufenden Verträgen zumeistnur als additiver Baustein vor. Der Hauptfokusliegt auf psychiatrischer, soziotherapeutischerund sozialpädagogischer Versorgung.Erst langsam wird deutlich, dassdie eigentlich angestrebten Ziele einerbesseren, schnelleren und auch ökonomischgünstigeren Versorgung (für dieKassen!) im Bereich der psychischen Erkrankungenüber diese Fokussierung nichterreichbar sind. Noch liegen keine systematisiertenveröffentlichten Zahlen zu denVersorgungsergebnissen und ökonomischenKonsequenzen vor, aber erste Erfahrungenlassen vermuten, dass eine an denbereits bewährten Psychotherapie-Qualitätskriterienorientierte Versorgung von sogenannten„schweren Fällen“ so nicht gelingenwird.Chancen der IV-VerträgeDie Chancen der IV-Verträge liegen darin,durch sinnvolle gleichberechtigte Vernetzungder verschiedenen Berufsgruppeninnovative und neue Versorgungsformenauszuprobieren. Langjährige Erfahrungenaus den Bereichen der Gemeindepsychiatrie,der Krisenintervention und der unterschiedlichstenPsychotherapieinterventionenin den verschiedensten Settings liegenvor und könnten von der Professionverstärkt in die Weiterentwicklung der Konzeptioneneingebracht werden. Ergebnissevon Modellprojekten sind gute Anlässe fürdie Diskussion zur Implementierung undWeiterentwicklung der Psychotherapie inden unterschiedlichen Feldern. Die Chancen,einen schnelleren Zugang zu einemBehandlungsplatz zu gewähren, sind einweiterer Pluspunkt, der vielen Patientensehr entgegen kommen könnte. Auch dieEinbindung von approbierten Kolleginnenund Kollegen ohne sozialrechtliche Zulassung,z. B. durch Anstellung, kann die Verträgefür manchen Neuapprobierten interessantmachen. Sinnvoll wären abzuschließendeIV-Verträge als „add on“, als Ergänzungzum bestehenden Kollektivvertrag– auch als eine Möglichkeit der Erprobungneuer psychotherapeutischer Methoden.Die Rolle der KammerDie Psychotherapeutenkammer tritt beiden Verträgen nicht als Vertragspartner auf.Sie tritt für die Psychotherapie und eineadäquate Rolle der PsychotherapeutInnenein, achtet auf die Einhaltung von Qualitätskriterienund Transparenz der IV-Verträge.Die Berliner Kammer bemüht sich inzahlreichen Veranstaltungen und Werkstattgesprächen,die vom Vorstand, demAusschuss Neue Versorgungsformen undverschiedenen Referenten durchgeführtwerden, eine Plattform für einen differenziertenund interessanten Austausch zuschaffen.Qualitätskriterien fürIV-VerträgeDie Berliner Psychotherapeutenkammerhat die folgenden Qualitätskriterien entwickelt,um die verschiedenen IV-Verträgeeinzuschätzen:8-Punkte-Programm:• Selektivverträge können den Kollektivvertragals „add on“ sinnvoll ergänzenund sollten die psychotherapeutischeVersorgung der PatientInnen verbessern.• In den Selektivverträgen müssen diePT-Leistungen leitliniengerecht implementiertsein. QS und QM sind zu planenund durchzuführen.• Bei einer begleitenden Forschung(Evaluations-, Outcome- u. a.) sindbei der Planung, Durchführung undAuswertung PP/KJP zu beteiligen.• PT-Angebote im Rahmen von Selektivverträgensind für die Patienten verbindlichvorzuhalten. Die Aufklärungüber die Implikationen der Vertragsteilnahmeund die Klarheit bezüglichdes psychotherapeutischen Angebotsist zu gewährleisten.• Diagnostik, Indikation, Beratung-, Behandlungsplanungund PT-Interventionensind verbindlich zu beschreibenund festzulegen.• Kooperation und Koordination in denSchnittstellen verschiedener Professionenzum Patienten sind für alle Beteiligtentransparent zu konzeptionalisieren.• Die Honorierung hat sich grundsätzlichan Honoraren zu orientieren, diefür genehmigungspflichtige Leistungengezahlt werden (BGS-Urteil). Entwicklungsarbeiten,zusätzliche Leistungen,z. B. Gespräche im Rahmenvon IV-Verträgen, Konferenzen u. ä.sind zusätzlich zu honorieren.• Die in den verschiedenen Vertragsformenentwickelten, erprobten und bewährtenpsychotherapeutischen Interventionenin der Versorgung sollen inden Kollektivvertrag überführt werden.Berlin<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>301


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerSelektivverträge und die Weiterentwicklung der Psychotherapie-RichtlinienBerlinArchontula Karameros; Sprecherin desAusschuss „Neue Versorgungsformen“Archontula KaramerosIm Mai <strong>2013</strong> fand eine öffentliche Info-Veranstaltung des Ausschusses „Neue Versorgungsformen“der PTK Berlin statt. DasThema lautete: „Können Reformblockadenund Versorgungsengpässe durch Selektivverträgeüberwunden werden?“ KundigeBerliner Gesundheitsreferenten der Profession(DPtV), der Krankenkasse (AOK-Nordost), der Politik (SPD Gesundheitsausschuss)und der Versorgungsträger desMVZ Pinel gGmbH nahmen teil.Eine Info-Veranstaltung zu Selektivverträgen?Der politisch intendierte Wettbewerb derKrankenkassen untereinander hat die Bedeutungselektivvertraglicher Organisationsformenfür die Versorgung bei psychischenErkrankungen erhöht. Es gibt Selektivverträgezur besonderen ambulantenVersorgung nach § 73c SGB V und zursektorenübergreifenden Versorgung nach§ 140a SGB V. Was zeichnet sich ab?Auch wenn insgesamt das Abrechnungsvolumenvon Selektivverträgen – mit Ausnahmereicherer Bundesländer wie Bayernund Baden-Württemberg – z. B. inBerlin derzeit noch eine bescheideneGröße erreicht hat, nimmt ihre Bedeutungzu. So beziehen sich bei indikationsbezogenenVerträgen nach § 73c SGB Vinzwischen 15% der Verträge auf psychischeErkrankungen und sind damit diedrittgrößte Indikationsgruppe. Allerdingsführt die Nachfrage nach Psychotherapiebei begrenztem Angebot zunehmendauch dazu, dass Verträge aufgenommenwerden, die den Standards einer sachgerechtenpsychotherapeutischen Behandlungnicht genügen. Daher werden mehrdenn je eine Orientierung und Maßstäbefür eine Standortbestimmung benötigt,wie wir uns auf die selektivvertraglichenVersorgungsangebote beziehen und nachwelchen Richtlinien wir gehen können,um sogenannte „gute“ von sogenannten„schlechten“ Selektivverträgen auseinanderzuhalten.Auf der Veranstaltung wurdenfolgende Fragen diskutiert:Haben Selektivverträge zu mehr Wettbewerb,Innovation und Effizienz im Gesundheitssystemgeführt und bieten sie überhauptdie Chance dazu? Welche Risikensind real entstanden? Stellen sie eine Möglichkeitdar, innovative Behandlungskonzeptezu erproben? Wann sind sie innovativ,wann genügen sie nicht den Standardseiner sachgerechten psychotherapeutischenBehandlung? Besteht mit ihnen dieGefahr, dass bewährte Strukturen der kollektivvertraglichenRegelungen, v. a. derPsychotherapie-Richtlinien, allmählich aufgelöstwerden? Was spricht für eine Weiterentwicklungder Psychotherapie-Richtlinien?Gibt es „Reformblockaden“ bzw. einen„Reformstau“ tatsächlich oder bietendie gewachsenen kollektivvertraglichenBedingungen die derzeit besten Bedingungenfür die psychotherapeutische Versorgung?Die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung(DPtV) hat in den letzten Jahrenmehrere innovative Selektivverträge initiiertund mitgestaltet, die die Behandlungsmöglichkeitender ambulanten Psychotherapieerweitern und flexibilisieren. Der Vorsitzende,Dieter Best, wurde deshalb alsHauptreferent eingeladen. Er stellte in seinemReferat einen Kriterienkatalog zur Beteiligungan Selektivverträgen vor, der mitden Gesundheitsreferenten und den Teilnehmernentlang der Fragen eingehenderörtert wurde. Die Podiumsdiskussion leiteteProf. Dr. Armin Kuhr. Er ist Vorstandsmitgliedder PTK Berlin sowie Vorstandsmitgliedim Ausschuss und ist erfahren inder Thematik.Bieten die gewachsenen kollektivvertraglichenBedingungendie derzeit besten Bedingungenfür die psychotherapeutischeVersorgung?Für den Kollektivvertrag spricht: bundesweiteinheitliche und verlässliche Bedingungenfür Patienten und Psychotherapeuten;nur wissenschaftlich anerkannteund vom G-BA nutzengeprüfte Verfahrenund Methoden; breites Indikationsspektrum;feste Sitzungskontingente; kein Zeitdruck,der sich negativ auf den Therapieprozessauswirkt; keine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung.Die person- undverfahrensbezogene „Zuweisung“ der Patientenzu Psychotherapeuten funktioniertin der Regel gut, und es besteht in derRegel eine gute Kooperation mit mitbehandelndenÄrzten und anderen Stellen.Psychotherapeuten gehen flexibel undsparsam mit den beschränkten Ressourcenum. Sie behandeln das gesamte Spektruman Schweregraden, weit überwiegendjedoch mittelschwere und schwerepsychische Störungen (vgl. Zwischenberichtzum Gutachten „Formen der Versorgungund ihre Effizienz“ im Auftrag derKBV; Kruse & Herzog, 2012).Was spricht dennoch für eineselektivvertragliche Weiterentwicklungder Psychotherapie-Richtlinien?Folgende Gründe werden immer wiederins Feld geführt: Lange Wartezeiten aufden Ersttermin; selten frühzeitige diagnostischeAbklärung; kein Vergütungsanreizfür eine Akutversorgung; unzureichendeMöglichkeiten für Rezidivprophylaxe/Erhaltungstherapie;ein zu geringer Anteil anGruppentherapien; keine Förderung koordinierenderLeistungen, besonders gravierendbei der Behandlung von Kindern undJugendlichen; mangelhafter Austauschzwischen ambulant tätigen Psychotherapeutenund stationären Einrichtungen; zuengmaschige Bewilligungsschritte mit jeweiligerBegutachtung; eingeschränkteMöglichkeiten für PP und KJP, den Ge-302 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Berlinsamtbehandlungsplan einschließlich sozialmedizinischer/sozialpsychotherapeutischerMaßnahmen zu verantworten.Stellen Selektivverträge eineMöglichkeit dar, innovativeBehandlungskonzepte zu erproben?Selektivverträge machen als sogenannte„add-on“-Leistungen einen Sinn, wenn mitihnen Innovationen erprobt werden können,die im Falle ihrer Bewährung in denKollektivvertrag (Psychotherapie-Richtlinie,BMV-Ä) übernommen werden können. Siesollten nicht zum Ziel haben, den Kollektivvertragabzulösen – siehe dazu auch das8-Punkte-Programm der LPK Berlin unddie Präambel der GII – PsychotherapeutenVerbände (2011).Zwei „add-on“-Vertragsbeispiele,an denen die DPtV mitbeteiligtist/Kriterien:Vertrag mit der Bosch-BKK:Förderung der Akut-Psychotherapie durchZuschläge (40,– € zur EBM-Nr. 35150 undzur EBM-Nr. 35140, 25,– € zu 35.2-Leistungenbis zu zehn Sitzungen); Kooperationszuschlag1x/Quartal 25,– €). WennHausarzt, dann erfolgt eine KonsiliarischeMitteilung; mit Zuweisung durch fachlicheKoordinatoren (Hausarzt od. Koordinationsstelleod. Patientenbegleiter der BKK);kein Gutachterverfahren für evtl. anschließendeRichtlinienpsychotherapie; Abrechnungläuft über KV.Vertrag BKK/Reha-Klinik:Reha-Klinik bietet innerhalb von drei TagenBeratungs- und Screening-Termine an;wenn psych. Krankheit Zuweisung an „gemeinsameneutrale Stelle“ innerhalb vonfünf Tagen; Empfehlung für Reha oder ambulantePsychotherapie; wenn ambulantePsychotherapie, dann Termin innerhalbvon zwei Wochen; Förderung der Akut-Psychotherapie durch Zuschläge (40,– €zur EBM-Nr. 35150 und EBM-Nr. 35140,16,– € zu 35.2-Leistungen bis zu 25 Sitzungen).Quelle: Dieter Best, DPtVWann genügen Selektivverträgenicht mehr den Standardseiner sachgerechten psychotherapeutischenBehandlung?Verträge ohne definierte Beteiligung vonPsychotherapeuten (bei allen psychischenIndikationen und bei den meisten körperlichenVolkskrankheiten) sind nicht zeitgemäßund leitliniengerecht. „Case-Management“durch eine psychotherapeutischeStelle ist aus fachlichen Gründen kritischeinzuordnen. „Case-Management“ oder„Psychotherapie“ durch fachfremde Stellensind rechtlich fragwürdig und sind fachlichabzulehnen. Hierzu gehören die Psychotherapieersetzende Angebote durchNicht-Psychotherapeuten (z. B. „Jena-Paradies“)oder die Fallsteuerung durch Krankenschwesternim Auftrag einer Managementgesellschaft(Deutsche BKK).Worum geht es bei der Weiterentwicklungder Psychotherapie-Richtlinien?Mit der extrabudgetären Vergütung seitdem 1. Januar <strong>2013</strong> hat sich das Interesseder Krankenkassen an strukturellen Reformender kollektivvertraglich geregeltenambulanten Psychotherapie erhöht. Einedie Honorarbeschlüsse flankierende Vereinbarungzwischen KBV und GKV-Spitzenverbandwurde getroffen. Danach solltenbis zum 30. Juni <strong>2013</strong> die Psychotherapie-Richtlinien und das Gutachterverfahrenweiterentwickelt werden. Wie sich zeigt, istdieser Zeitplan nicht einzuhalten. Zusammenmit der Vereinbarung einer extrabudgetärenVergütung ging einher, dass dieKBV bei der neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie<strong>2013</strong> einer Aufstockung der Psychotherapeutensitze(angestrebt waren ungefähr1.350 neue Sitze bundesweit, realwerden es nach neuesten Erkenntnissenwohl weniger sein) zulasten einer Neuorientierungder jetzigen Bedarfsplanungsregelungzugestimmt hat. Insofern bleibt inden nächsten Jahren die Konzentrationeher auf die Verbesserung struktureller Reformengerichtet.Mit dieser Vereinbarung können aber nununzeitgemäße Psychotherapie-Richtlinienheutigen Versorgungsanforderungen angepasstwerden. Dabei geht es insbesondereum die Angemessenheit der unterschiedlichenBehandlungsdauern der Verfahrenund das Verhältnis von Einzel- hin zumAusbau von Gruppentherapie; um die Honorarangleichungvon Sitzungen für Diagnostikund Kriseninterventionen an diePsychotherapiesitzungen; um Flexibilisierungder Therapiekontingente entsprechendden Belangen unterschiedlicherPatientengruppen; um Entbürokratisierungdes Antrags- und Gutachterverfahrens; umBerlin<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>303


Mitteilungen der Psychotherapeutenkammerextra zu vergütende Sitzungen im Bereichder Akutversorgung/Krisenintervention; umdie Einrichtung der Abendsprechstundeund um die Bereitstellung rezidivprophylaktischerSitzungen. Ferner sollten Psychotherapeutendurch die Streichung des§ 73 Abs. Satz 2 SGB V bzw. durch selektivvertraglicheRegelungen die volle Verantwortungfür den Gesamtbehandlungsplanübernehmen können; und es solltensinnvolle Korrekturen in § 95 SGB V für dieVorgaben zur Gründer-, Träger- und Leitungsstrukturder MVZ erfolgen.Info-Veranstaltung – FazitPsychotherapeuten sind an den fachlichbegründeten Veränderungen der Psychotherapie-Richtliniensehr interessiert. Siewünschen sich eine angemessene Beteiligungbei der Verhandlung und Umsetzungvon „add-on“-Verträgen. Die Vertretungder AOK-Nordost zeigte sich gesprächsbereitfür die selektivvertraglicheWeiterentwicklung der Richtlinien, z. B.bei der Akutversorgung und bei der Ausweitungvon gruppentherapeutischen Angeboten.Und an die Politik richtete sichder Appell, die Koordinations- und Versorgungsproblemean den sektoralenSchnittstellen infolge ihrer inkompatiblenSozialgesetzbereiche einer gesetzlichenNeuregelung zuzuführen.BerlinLeserbrief zum Interview mit Annette Simon in der Ausgabe PTJ 2/<strong>2013</strong>, S. 186-187.„Liebe Redaktion,ich gehe davon aus, dass die Frage-Antwort-Relationals ein genuiner Bestandteildes Gesprächsduktus auf der Basis derKierkegaardschen Dialektik Ungesagteskonkret statt abstrakt (wie im vorliegendenGespräch) verbalisieren kann. So verbliebleider eine detaillierte Nachfrage der Interviewerinim zweiten Teil der Antwort beider Gesprächspartnerin über ihr SpannungsfeldDDR-Widerstand und -Anpassungan der Oberfläche.Frau A. Simon gibt an, etwa im 16. Lebensjahr– mitten in der Adoleszenz – Widerstandund Auflehnung als Basis dieser Zeitaufgebaut zu haben. Zunächst passt dieseEinstellung auch zu diesem Entwicklungsschritt.Allerdings standen dann in ihrerdamals gegenwärtigen und weiteren EntwicklungSchülerin der gymnasialen EOS,Abitur und Studium an der Humboldt-Universität(!) in dem o. g. Spannungsfeld. –Anschließend hatte sie eine Anstellung ineiner Ost-Berliner Klinik. Auf welchenSchutzrahmen per Familie und Organisationenkonnte sie zurückgreifen?Mich als ehemaligen DDR-Bürger würdeinteressieren, welche Strategie A. S. innerhalbihres o. g. Widerspruchs verfolgte, umeinen gewissen Ausgleich herzustellenund damit sowohl schulische als auch beruflicheEingliederungen zum Erfolg zuführen.Ich erlaube mir, bei A. S. als PsychoanalytikerinSelbsterfahrung vorauszusetzen. Hierdürfte die Schnittstelle liegen, wie sie mitihren Patienten – ob Ost oder West ist egal– umgeht. Die Wand zwischen ihrer gravierendenVergangenheit und ihrer beruflichenGegenwart ist mit hoher Wahrscheinlichkeitporös.Vielleicht lässt sich die Ungenauigkeit derGesprächsführung noch qualifizieren. Daswürde mich freuen.Mit freundlichem und erwartungsvollemGrußHans Georg Fellecke, Dipl.-Theologe,Dipl.-Psych., PsychologischerPsychotherapeut aus CH Uster“Aus der Redaktion:„Lieber Herr Fellecke,vielen Dank für Ihren Brief an die Leser. Wirfreuen uns sehr über Leserbeiträge, dadies den aktiven Austausch und Meinungsbildungsprozessfördert.Wir hatten Frau Simon um eine Stellungnahmegebeten. Leider ist es ihr nichtmöglich, im Rahmen einiger Zeilen ihrepersönlichen Erfahrungen mit dem DDR-Regime so darzustellen, dass dies eine befriedigendeAntwort auf Ihre Frage ergebenhätte. Sie verweist an dieser Stelle nochmalsauf Ihre beiden Bücher:• Simon, A. (2009). Bleiben will ich, woich nie gewesen bin. Gießen: Psychosozial-Verlag.• Simon, A. & Faktor, J. (2000). Fremd imeigenen Land. Gießen: Psychosozial-Verlag.Wir möchten die Diskussion an dieser Stellenicht abschließen und daher alle anderenLeser aufrufen: Schreiben Sie uns,wenn Sie uns über Ihre Erfahrungen ausder psychotherapeutischen Praxis vonOst/West berichten wollen. Wir freuen unsüber Ihre Zuschriften.Beste GrüßeFür die Redaktion:Dr. Beate Locher“Anmeldung bis 11. Oktober <strong>2013</strong>:Forum fürPersönlichkeitsstörungenAm Samstag, 9. November <strong>2013</strong> findetdas 9. Symposium des Forums zum Thema„Paranoide Persönlichkeitsstörung“im Audimax der HU Berlin statt. Die u. a.in Kooperation mit der PTK Berlin geplanteTagung wurde mit 6 Fortbildungspunktenzertifiziert.Weitere Details:http://www.forum-f60.de/symposia/9RedaktionDorothee Hillenbrand (V. i. S. d. P.), IngeBrombacher, Christiane Erner-Schwab,Dr. Beate Locher, Brigitte Reysen-Kostudis,Harald Scherdin-Wendlandt, ChristophStößlein, Dr. Manfred Thielen.GeschäftsstelleKurfürstendamm 18410707 BerlinTel. 030 887140-0; Fax -40info@psychotherapeutenkammer-berlin.dewww.psychotherapeutenkammer-berlin.de304 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Mitteilungen derPsychotherapeutenkammerBremenPsychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Krankenhaus –Status und PerspektivenAngestelltenforum der PKHB: Podiumsdiskussion führte zu interessanter Diskussionund neuen HandlungsperspektivenAngestellte Kolleginnen und Kollegen ausunterschiedlichen Bereichen der stationärenund ambulanten Versorgung waren imJuni der Einladung des Vorstands der PKHBzu einer Diskussionsrunde gefolgt. Das Podiumwar hochkarätig besetzt:• Prof. Dr. Robert Francke, Institut für Medizinrechtder Universität Bremen,• Staatsrat Peter Härtl, Senator für GesundheitBremen,• Jutta Dernedde, Medizinische Geschäftsführerindes kommunalen Klinikverbundes„Gesundheit-Nord“,• Dr. Heidrun Gitter, Vorsitzende des MarburgerBundes Bremen und Präsidentinder Ärztekammer Bremen,• Karl Heinz Schrömgens, Präsident derPKHB,• Moderation: Axel Janzen, Beisitzer imVorstand der PKHB.Die PKHB hatte in den vergangenen Jahrenmehrere Initiativen gestartet, um zu einerStatus-Verbesserung angestellter Psychotherapeutinnenund Psychotherapeuten zugelangen. Im Gegensatz zu den niedergelassenenVertragspsychotherapeuten ist dieGleichstellung mit der „Facharztgruppe“ imKlinikbereich noch nicht erreicht, jedochwurden erste Schritte realisiert:• So wird im neuen Krankenhausgesetzdes Landes Bremen den Psychotherapeutinnenund Psychotherapeuten dasRecht zugestanden, eigenverantwortlichpsychotherapeutische Abteilungenzu leiten. Ebenfalls wurde das Letztentscheidungsrechtvon Psychotherapeutenanalog den Fachärzten für fachlicheBelange festgeschrieben.• Im Dezember 2011 legte die PKHB dieStellungnahme „Zum Rechtsstatus angestellterPsychotherapeuten in Krankenhäusernund Kliniken“ vor. Darinwurde bundesweit erstmals klargestellt,welche Tätigkeiten in Kliniken und Krankenhäusernausschließlich Psychotherapeutenund den entsprechendenFachärzten vorbehalten sind und welchedelegiert werden dürfen.Zunächst stellte Karl Heinz Schrömgenserste Ergebnisse der bundesweiten Umfrage(IGES) zur Situation angestellter Psychotherapeutenvor. 55% der angestellten Kolleginnenund Kollegen sind in Krankenhäusern,Kliniken und Reha-Einrichtungen tätig, davonsind zwei Drittel weiblichen Geschlechts.Bemerkenswert ist, dass über 60% als Diplom-Psychologenangestellt sind, davon ca.8% als „Leitende Psychologen“. Immerhin42% gaben „Leitungsfunktionen“ an, allerdingsohne Auswirkung auf die Entlohnung.Zudem hatte die Approbation als PsychologischerPsychotherapeut bei 75% keinen Einflussauf die Vergütung. Interessanterweisesind im Reha-Bereich jedoch 37% Kolleginnenund Kollegen, bei denen die Leitungstätigkeiteinen Einfluss auf das Einkommenhat. Am Ende seines kurzen Vortrages wieser noch auf das Einstiegsgehalt eines Facharzteshin, welches zurzeit mit 5.332,– € angegebenwird, und setzte es zu Einkommenvon Psychotherapeuten in Bezug.Im Anschluss referierte Prof. Dr. RobertFrancke zum Status und den Perspektivender Psychotherapeuten im Krankenhaus. Erbezeichnete die Professionalisierung derbeiden Berufsgruppen als einen wichtigenProzess. Festzuhalten sei, dass psychotherapeutischeBehandlung Heilbehandlungsei, entsprechend § 27 SGB V. Krankenbehandlungmuss wissenschaftlich begründetund mittels wissenschaftlich anerkannterVerfahren durchgeführt werden. Eine berufsrechtlicheGleichstellung zu den ärztlichenKolleginnen und Kollegen ist aus juristischerSicht gegeben. So seien Delegationenvon Leistungen möglich, soweit in ihrerFunktion delegierbar, wenn sie überwachtwürden (z. B. Testungen, psychoedukativeGruppen etc.). Im Krankenhaus stünden somitdie entsprechenden Fachärzte sowiePsychologische Psychotherapeuten (PP)und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten(KJP) für die direkte Krankenbehandlungzur Verfügung. Diplom-Psychologenkönnten im Krankenhaus einbezogenwerden, jedoch nicht für nichtdelegierbareKrankenbehandlung, die ausschließlich Approbiertenzustehe.In der anschließenden Diskussion bestätigteer, dass das Psychotherapeutengesetz1998 auf die Schaffung einer hinreichendenVersorgung im niedergelassenenSpektrum abzielte. Die Situation von angestelltenPsychotherapeuten wurde dabeiweniger betrachtet, was angesichts der ca.60% angestellten Kolleginnen und Kollegenin den Kammern doch etwas überrasche.Um in Tarifverhandlungen eine Rollespielen zu können, müssten sich die Psychotherapeutenin den Verbänden undGewerkschaften organisieren.Jutta Dernedde bekräftigte eingangs ihrInteresse an dem Papier zum Rechtsstatus.Sie möchte eine interne Diskussiondarüber initiieren. Auch ihr ärztlicher Leiter,Prof Zimmermann, sei daran außerordentlichinteressiert. Dazu sei insgesamt auchBremen<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>305


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerBremenein „neuer“ Dialog wichtig, zu dem sie diePKHB gerne einlade. Sie habe zudem bereitswährend ihrer vorherigen Tätigkeit imKlinikum Ochsenzoll die Psychotherapeutenals innovativ und engagiert erlebt –dort seien auch Eingruppierung bis Entgeltgruppe15 möglich, allerdings keinesogenannte „Oberarztstelle“ für Psychotherapeutenausgewiesen gewesen.Als wichtige Neuerung habe sie daran mitgewirkt,dass zurzeit 30 „Ausbildungsplätze“für die Praktische Tätigkeit für ein geringesEntgelt von 500,– € pro Monat in Bremenzur Verfügung stehen. Das sei zwar nichtviel, aber immerhin eine Form der Anerkennungder geleisteten Arbeit und positiv fürdie angehenden Psychotherapeuten. Dievon Prof. Francke genannten rechtlichen Aspekteseien ihr außerordentlich wichtig. Siewisse auch, dass Psychotherapeuten in Leitungsfunktioneneingesetzt werden, wobeisie in der Diskussion darauf hinwies, dassPsychotherapeuten im Rahmen der Krankenhaus-Buchführungsverordnungim sogenannten„medizintechnischen Dienst“eingruppiert werden. Die Möglichkeit fürPsychotherapeuten, in Leitungsfunktionenzu gelangen, ergebe sich allein schon durchdie Tatsache, dass derzeit zehn Ärztestellenim Klinikum nicht besetzt seien.Dr. Heidrun Gitter schlug vor, bei der Reformder Ausbildung die ärztliche Ausbildungzum Vorbild zu nehmen. Sie betonte,dass sie als Ärztin keine „Berührungsängste“habe, zudem im Team häufig das Gleichegetan werde.Das Erreichen eines Facharztstandes fürangestellte Psychotherapeuten sei mitdem kommunalen Arbeitgeberverband jedochso gut wie unmöglich, da dieserdurch Verwaltungsjuristen geprägt sei.Bundesweit seien da noch sehr dicke Bretterzu bohren. Eine stärkere Interessenvertretungder Psychotherapeuten in denKrankenhäusern regte aber auch sie an,wobei die jeweiligen Vor- und Nachteileder unterschiedlichen Formen von Gewerkschaftenund Verbänden abgewogenwerden müsse.Peter Härtl bezeichnete die landesrechtlicheSituation bei der Anerkennung der Berufsgruppender PP und KJP im Landeskrankenhausgesetzals Erfolg, Bremen wardas zweite Bundesland, das eine Nennungvon nichtärztlichen Psychotherapeuten ineinem Landesgesetz vorgenommen hat.Hinsichtlich der „Tariffähigkeit“ von Psychotherapeutenhabe er jedoch keine Möglichkeitder Einflussnahme, da das Landkein Tarifpartner sei, wobei die Situationder verbeamteten Psychotherapeuten eineAusnahme darstelle. Es bestehe keineeigene Regelung der Länder. Möglicherweisesei es nach einer Ausbildungsreformund entsprechender Gesetzgebung imBund leichter, etwas Neues über die Vergütungssituationzu erreichen. Auch erstellte fest, dass bei der Durchsetzung derInteressen den Verbänden und Gewerkschafteneine besondere Bedeutung zukomme.Karl Heinz Schrömgens betonte abschließenddie Rolle, die die beiden Berufsgruppenim Rahmen der „sprechenden Medizin“(ICD-10, F-Kategorien) spielen, undwandte sich gegen die Bezeichnung „psychiatrischeBehandlung“, da sie ein ausschließlichesTätigkeitsfeld einer anderenBerufsgruppe induziert. Es bestehe einKonzeptionsproblem „psychotherapeutischvs. psychiatrisch“. Notwendig seienBefugniserweiterungen wie die Verordnungvon Heil- und Hilfsmittel, das Rechtzur Ein- und Überweisung, zur Feststellungvon Arbeitsunfähigkeit. Aber auch dieMöglichkeit zur Verordnung von Medikamenten(welche formell in der „Arzneimittelverordnung“geregelt wird) dürfe aufDauer kein Tabu sein. Der Handlungsspielraumder Politik sei aus seiner Sicht größerals er oft dargestellt werde.Nach einer interessanten und lebhaftenDiskussion im Plenum bedankte sich ModeratorAxel Janzen für die Teilnahme derPodiumsgäste und die Beteiligung an derDiskussion.„Psychinfo“ präsentiert sich in neuem Design – Benutzerfreundlichkeitkonnte deutlich verbessert werdenViele Kammermitglieder dürften es bereitsbemerkt haben: Das kostenlose öffentlicheSuchprogramm „Psychinfo“, das sichan Patienten und Ratsuchende gleichermaßenrichtet, ist komplett überarbeitetworden und seit Mai <strong>2013</strong> in neuer Formonline. Es hat ein zeitgemäßes Design bekommenund wurde noch anwenderfreundlicher.Dem Relaunch voraus ging eine intensiveAuswertung von über 50 Psychotherapeuten-Suchprogrammen.Alle untersuchtenProgramme, einschließlich derSysteme der Kassenärztlichen Vereinigungenund der Krankenkassen, weisen gegenüber„Psychinfo“ etliche Nachteile sowohlfür Anbieter als auch für Nutzer auf.Viele Programme wiesen keinen repräsentativenund aktuellen Datenbestandaus und waren für die Psychotherapeuten-Sucheeher unspezifisch, da sie teilweiseauch Heilpraktiker nach dem HPG,nicht psychotherapeutisch tätige Psychologensowie Ärzte erfassen. Zudem gehensie nicht auf das Thema „Kostenerstattung“ein. Von allgemeinen Unzulänglichkeiten,wie undurchsichtige Verschachtelungender Website und mangelhafteSuchstruktur einmal abgesehen, steht fürviele der untersuchten Programme dieWerbung für den jeweiligen Betreiber imVordergrund. Hinzu kommt, dass etlichePortale für die Erfassung weiterführenderDaten (außer Adress- bzw. Basisdaten)Kosten berechnen.Die genannten Schwächen weist „Psychinfo“,das 2004 als Gemeinschaftsprojektder Psychotherapeutenkammern Bremen,Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gegründet worden ist und demsich später die Kammern Saarland und Berlinangeschlossen haben, nicht auf. „Psychinfo“ist im Übrigen auch das einzige speziellfür die Suche nach approbierten Psychotherapeutenund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenexistierende Programm,das vom Ärztlichen Zentrum für Qualitätssicherungim Gesundheitswesen bereits2008 zertifiziert worden ist.Heute wird täglich über 1.200-mal mit „Psychinfo“nach Psychotherapeutinnen undPsychotherapeuten gesucht. Der Bekannt-306 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Bremenheitsgrad des Portals konnte nicht nur inden Regionen der „Psychinfo“ tragendenPsychotherapeutenkammern ständig gesteigertwerden, er erhöhte sich mit täglichüber 250 Suchanfragen auch aus Bundesländern,deren Daten nicht in „Psychinfo“erfasst sind, beispielsweise Bayern, Hessen,Nordrhein-Westfalen und Sachsen.„Psychinfo“ bietet allen Mitgliedern derangeschlossenen Psychotherapeutenkammernden kostenlosen Eintrag zur Veröffentlichungihrer psychotherapeutischen Angebotean. Nach der Berufsordnung sind Psychotherapeutenverpflichtet, ihre Arbeitsstellenmit einem Praxisschild zu kennzeichnen,um so für die Öffentlichkeit sichtbar zu werden.Eintragungen in öffentliche Verzeichnissewie „Psychinfo“ sind hingegen freiwillig.Dennoch ist der Eintragungsgrad in „Psychinfo“gegenüber anderen Verzeichnissen sehrhoch. In Hamburg sind nahezu 70% allerapprobierten Psychotherapeuten erfasst, inBremen sogar über 80%.Wer als Bremer Kammermitglied von diesemAngebot noch nicht Gebrauch gemachthat und an einer Veröffentlichunginteressiert ist bzw. seine bereits eingespeistenDaten aktualisieren möchte, kanndies ohne großen Aufwand nachholen. Aufder Internetseite der PsychotherapeutenkammerBremen (www.pk-hb.de) gibt esein Formular zur Online-Datenerfassung,das ausgefüllt und an die Kammer geschicktwerden muss. Alle eingetragenen Datenwerden dann vor der Freigabe zur öffentlichenSuche und auch nach jeder Aktualisierungoder Änderung von einem Mitglieddes Bremer Kammervorstandes auf Korrektheithin überprüft. Erst danach werdendie Daten in das System übernommen.Was tun im Verhinderungs- beziehungsweise Vertretungsfall? Rechtzeitig geplanteVorsorge kann viele Probleme entschärfenBremenSo richtig gern mag man nicht daran denken,aber mit einem Unfall oder einerplötzlichen Erkrankung, die eine Berufstätigkeitfür längere Zeit unmöglich machen,muss immer gerechnet werden. Das ist fürPsychotherapeuten, die in eigener Praxisarbeiten, eine besondere Herausforderung.Wer rechtzeitig vorsorgt, kann vieleProbleme entschärfen. Das gilt auch fürden Fall, dass der Praxisinhaber völlig unerwartetverstirbt.Wenn der laufende Betrieb auf diese Weiseabrupt stoppt, sind die Patienten vonheute auf morgen unversorgt. Und die Praxiskostenlaufen weiter. Bis ein Nachfolgergefunden worden ist und die Formalitätenerledigt sind, können etliche Monate vergehen.Leider gibt es in Bremen bishernicht die Möglichkeit, sich durch einenPsychotherapeuten vertreten zu lassen. Ineinzelnen KV-Bezirken wurden, obwohldies eigentlich durch den BundesmantelvertragÄrzte – Krankenkassen ausgeschlossenist, solche Möglichkeiten geschaffen.Um notwendige Verhandlungen führenund Entscheidungen bezüglich der Praxistreffen zu können, sollten Ehe- bzw. Lebenspartnereine Generalvollmacht besitzen.Die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung empfiehlt, darüber hinaus eineweitere Vertrauensperson – eventuelleinen befreundeten Kollegen oder einenAnwalt – zu bevollmächtigen, da die unmittelbarenAngehörigen in der Regel denKopf für solche Formalitäten nicht frei haben.Alle notwendigen Unterlagen sollten in einemVorsorgeordner gesammelt werden,der regelmäßig aktualisiert wird und dessenAufbewahrungsort den Angehörigenbekannt sein muss. In dem Ordner solltenauch Namen und Kontaktdaten von Kollegenvermerkt sein, die bei der Suche nacheiner Vertretung behilflich sein könnten.Darüber ist es hilfreich, die Kontaktdatenvon Vertragspartnern der Praxis aufzulisten,also z. B. Vermieter, Telefondienstleister,Versicherungen oder Energieversorgungsunternehmen.Mitgliedschaften inBerufsverbänden und Intervisionsgruppensollten ebenso notiert werden wie dieKontaktdaten der KV und des Steuerberaters.Nicht nur im Todesfall, sondern auch beiplötzlichen schweren Erkrankungen müssenPatiententermine abgesagt werden.Damit dies durch Bevollmächtigte erledigtwerden kann, benötigen sie Praxis-Schlüssel,Zugangsdaten zum Computer undentsprechenden Programmen, ein Telefonverzeichnisder aktuell behandelten Patientenund Zugang zum Terminkalender.Wichtig ist zudem eine Schweigepflichtserklärungdes Bevollmächtigten, der die Patienteninformiert.Die berufsrechtlichen Regeln sind eindeutig:Die §§ 4 bis 8 der Berufsordnung derPsychotherapeutenkammer Bremen geltenauch im sogenannten Verhinderungsfall.Der niedergelassene Psychotherapeuthat sicherzustellen, dass seine Vertretungdie entsprechenden Anforderungen erfüllt.Auch eine nicht approbierte Person, dieim Verhinderungsfall spontan einspringenmuss, ist verpflichtet, diese Anforderungeneinzuhalten. Sind psychotherapeutischeMaßnahmen erforderlich, muss ohnehineine approbierte Kraft eingeschaltetwerden.Werden die Regelungen der Berufsordnungim Verhinderungs- beziehungsweiseVertretungsfall nicht eingehalten, obliegtes der Psychotherapeutenkammer, für einerechtskonforme psychotherapeutischePraxisvertretung zu sorgen. Das ergibt sichaus dem Bremischen Heilberufsgesetz(§ 8 Abs. 1 Nr. 2). Danach gehen entsprechendeMaßnahmen gegebenenfalls zuLasten der Praxisinhaber.Die PKHB erarbeitet zurzeit eine konkreteInformation für die Praxisinhaber, welcheMaßnahmen im Einzelnen zu ergreifensind. Sie werden nach Fertigstellung aufder Internetseite veröffentlicht bzw. überden PKHB-Infomail-Verteiler zugesandt.Ebenfalls verfügt die PKHB über eine Listequalifizierter Psychotherapeutinnen undPsychotherapeuten, die die psychotherapeutischeAbwicklung einer Praxis sowiedie Sichtung und Beurteilung von Patientenaktengegen Honorar, entsprechend derPKHB-Gebührenordnung, bereit sind zuübernehmen.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>307


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerBremer Psychotherapeutenkammer fordert veränderte BedarfsplanungBremenBundesweit erstmalig hat die KV Bremenim Einvernehmen mit den Krankenkassendie nominelle „Überversorgung“ im Bereichder Psychotherapie im Land Bremenrechnerisch weiter erhöht. Obwohl dieneuen Verhältniszahlen des GemeinsamenBundesausschusses bei der Bedarfsplanungschon eine Steigerung der sogenanntenÜberversorgung von 160% auf187% mit sich gebracht hatte, war dasdem KV-Vorstand in Bremen offenbar nichtgenug. Er wies an, die Ambulanzen derpsychotherapeutischen Ausbildungsstättenund die Forschungsambulanz am StudiengangPsychologie der Universität in dieBerechnung des Versorgungsgrades einzubeziehen.So ergab sich nochmals eineSteigerung des Versorgungsgrades auf205%. Dabei wurden die von den Krankenkassenan die Ambulanzen gezahltenVergütungen durch die durchschnittlichabgerechnete Vergütung aus der Gruppeder Psychotherapeuten geteilt und die soermittelte Anzahl von 34 Praxissitzen dervorhandenen Zahl aufgeschlagen.Die drei in den KV-Gremien vertretenen BerufsverbändeDPtV, DGPT und VAKJP wandtensich vor diesem Hintergrund in einemSchreiben an den KV-Vorstand und protestiertengegen dieses Vorgehen als rechtlichnicht haltbar. Als Gründe wurden angeführt:• Nach § 6 des Psychotherapeutengesetzessind Ausbildungsstätten zwar Leistungserbringer,nicht aber die einzelnen,unter Supervision tätig werdendenAusbildungsteilnehmer. Die Ermächtigungwird gegenüber dem jeweiligenInstitut ausgesprochen, was folgerichtignach sich zieht, dass das Institut im eigenenNamen mit den Krankenkassenabrechnet. Hinzu kommt, dass die Ausbildungskandidatenrein rechtlich keineLeistungserbringer sein können, da sienicht über die Approbation verfügen.• Die Ermächtigung der Ausbildungsinstituteerfolgt laut SGB V bedarfsunabhängig.Zwar ist der Umfang der Ermächtigungdurch den auf Ausbildung gerichtetenNormzweck begrenzt, eine Bedarfsprüfungfindet jedoch nicht statt.Konkret bedeutet dies: Die Bedarfsplanrichtlinieentfaltet insofern keineSteuerungsmöglichkeiten. Die Verhältnissekönnen sich von einem auf denanderen Tag ändern.• Insofern bezieht sich § 22 Abs. 2 Satz 1der Bedarfsrichtlinie <strong>2013</strong> auch nur auf„Ärzte“ und „Psychotherapeuten“ in ermächtigtenEinrichtungen, bezieht alsodie Ausbildungsteilnehmer nicht mit ein,weil sie mangels Approbation weder Ärztenoch Psychotherapeuten sind.• Des Weiteren ordnet derselbe Paragraphan, dass der Umfang einer Anrechnungnur in „Vollversorgungsaufträgen“ berechnetwerden könne. Die Ausbildungsteilnehmerhaben, wie bereits erwähnt,keinen Versorgungsauftrag.• Aus diesem Grund tauchen die Ausbildungskandidatenauch in der (abschließenden)Definition der Arztgruppe derPsychotherapeuten (§ 12 Abs. 2 Nr. 8der Bedarfsplanungs-Richtlinie) nichtauf.• Gemäß § 2 der Bedarfsplanungs-Richtliniesind Abweichungen von dieser nurzulässig, wenn regionale Besonderheitendies erfordern, was hier nicht derFall ist.• Die ärztliche Weiterbildungsordnung siehtvor, die Weiterbildungsassistenten demweiterbildungsbefugten Praxisinhaberzuzuordnen. Sie werden daher wederermächtigt noch nach § 58 BPR angestellt.Die „Versorgungsleistung“, alsodie abgerechneten Ziffern, werden derPraxis der Weiterbildungsbefugten zugerechnet.Analog dürfen Ausbildungsteilnehmernach dem Psychotherapeutengesetzohne Approbation im Praktikantenstatusnur unter der fachlichenAnleitung eines Ausbilders (Supervisors)ihre Ausbildungsbehandlungdurchführen. Ihre Behandlung („Versorgungsleistung“)müsste analog der Ärzte-Weiterbildungdem Supervisor undseiner Praxis als „Ausbildungsbefugten“zugerechnet werden. Der Supervisor istin seiner Ausbildungsfunktion vom Senatorfür Gesundheit bestätigt.• In der Bedarfsplanungs-Richtlinie sindan keiner Stelle eine Ausbildungsambulanz(nach § 6 des Psychotherapeutengesetzes)oder eine Hochschulambulanz(beide nach § 117 SGB V zugelassen)erwähnt. Wenn der Gesetzgebereine Berücksichtigung gewollt hätte,hätte er dies in die Bedarfsplanungs-Richtlinie aufgenommen.• Eine Ausbildungsambulanz oder Ausbildungsteilnehmerwürden auch nicht indie Systematik der Bedarfsplanungs-Richtlinie passen, da sie weder in derAnlage 1 Ärzte, Tabelle 1 bis 7, noch inder Anlage 1.1 Psychologische Psychotherapeutenund Kinder- und Jugendlichentherapeutenerfasst werden können,da sie vom Status Ausbildungsteilnehmerohne Approbation sind.In der anschließend folgenden Sitzung desLandesausschusses wurden diese Argumentezwar als gewichtig angesehen undder KV-Vorsitzende aufgefordert, dies imUnterausschuss Bedarfsplanung, dem erselbst angehört, zu klären. Da aber die KVim Einvernehmen mit den Krankenkassenden Bedarfsplan aufstellt, wurde er in dieserWeise auf der Internetseite der KV Bremenmit dem Versorgungsgrad von 205% fürdie Gruppe der Psychotherapeuten veröffentlicht.Die Bremer Psychotherapeutenkammerwandte sich in einem Schreibenan den Vorsitzenden des Landesausschusses,Professor Norbert Schmacke, und unterstütztedie Argumentation der Berufsverbände.Ebenfalls hat sie gegenüber demSenator für Gesundheit ihre Verwunderungdarüber ausgedrückt, dass diese Bedarfsplanungnicht beanstandet worden ist.Redaktion Bremer KammerseitenAn diesen Seiten arbeiteten mit: AxelJanzen, Helga Loest und Karl HeinzSchrömgens.GeschäftsstelleHollerallee 2228209 BremenFon: 0421 – 27 72 000Fax: 0421 – 27 72 002Verwaltung@pk-hb.dewww.pk-hb.deGeschäftszeiten:Mo, Di, Do, Fr 10.00 – 14.00 UhrMi 13.00 – 17.00 UhrSprechzeit des Präsidenten:Di 12.30 – 13.30 Uhr308 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Mitteilungen derSommerfest der Psychotherapeutenkammer HamburgSommer, Sonne, nur wenige Regentropfen,ein grüner Garten – der alljährlicheFrühjahrsempfang der PsychotherapeutenkammerHamburg fand diesmal am12. Juni <strong>2013</strong> als Sommerempfang in denRäumlichkeiten und im Garten der Geschäftsstellestatt.Gekommen waren Gäste aus Politik, Krankenkassen,Ärztekammer, Bezirksämternund anderen Bereichen des HamburgerGesundheitswesens zum Austausch überaktuelle Fragen der regionalen Versorgungpsychisch kranker Menschen in Hamburg.HamburgKennenlernen, sich austauschenund in den Diskurs gehenKammerpräsident Prof. Rainer Richter eröffneteden Abend mit einer kurzen Einführungund lud die anwesenden Gästezum Gespräch über die aktuellen Herausforderungender psychotherapeutischenVersorgung in Hamburg ein. Als Eintritt indie Diskussion diente das im Mai von derBundespsychotherapeutenkammer (BPtK)veröffentlichte Papier „10 Tatsachen zurPsychotherapie“, das Vorurteilen undVizepräsidentin Gabriela Küll mit SusanneWehowsky, Geschäftsführerin der HAG.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Gäste des Sommerfestes bei der Begrüßung im Garten der Kammergeschäftsstelle am 12. Juni.Falschinformationen zur Psychotherapiewissenschaftlich belegte Daten und Faktengegenüberstellt. In kleineren und größerenGesprächsrunden wurde an diesem Abendlebhaft diskutiert. Themen waren u. a. dieVerbesserung der psychotherapeutischenVersorgung durch offene Sprechstunden,die am Bedarf der Patienten und Patientinnenorientierte Kombination von GruppenundEinzeltherapie, die Vergütung psychotherapeutischerLeistungen, die Aufhebungvon Befugniseinschränkungen unddie Möglichkeiten der sektorübergreifendenVersorgung.Vorurteile durch gezielte InformationenabbauenIn den Gesprächen war festzustellen, dasssich durchaus Verständnis für die unterschiedlichenPerspektiven der verschiedenenVerantwortungsbereiche entwickelnließ, was teilweise zu überraschenden Annäherungenführte. Für die Verbesserungder psychotherapeutischen Versorgungwird es entscheidend sein, diese Dialogefortzusetzen und weiter zu vertiefen, dasich erneut zeigte, dass zwar vielfältige,aber auch teilweise sehr divergierendeStandpunkte und Lösungsansätze bei denAkteuren und Akteurinnen im Gesundheitswesenvorhanden sind.Das Ziel dieses Abends scheint angesichtsder regen Diskussionen erreicht worden zusein, nämlich einen Beitrag dazu zu leisten,das wechselseitige Verständnis zu verbessernund beiderseitige Denkprozessein Gang zu setzen.Die Broschüre „10 Tatsachen zur Psychotherapie“der BPtK sowie weiteres Infomaterialkönnen Sie auf der Kammerhomepageunter www.ptk-hamburg.de im Bereich„Info“/„Downloads“ einsehen undherunterladen. Eine gedruckte Version derBroschüre kann zudem bei der Geschäftsstelleangefordert werden.309


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerFortbildung Berufsrecht: Das neue PatientenrechtegesetzHamburgJohannes Schopohl, Justiziar der BPtK undBettina Nock, Vorstandsmitglied der PTKHamburg.Zu welchem Zeitpunkt und in welchemUmfang muss ein Aufklärungsgespräch geführtwerden, wie muss eine Dokumentationaussehen, kann eine Patientin oder einPatient volle Akteneinsicht verlangen? –Diese und andere Fragen zum neuen Patientenrechtegesetz,das am 26. Februar diesesJahres in Kraft getreten ist, wurden inder kammerinternen Berufsrechtveranstaltungam 22. Mai <strong>2013</strong> im Kleinen Saal derHandwerkskammer Hamburg behandelt.Ein Überblick über Neuerungendes PatientenrechtegesetzesJohannes Schopohl, Justiziar der BPtK, gabin seinem Vortrag einen Überblick über diewichtigsten Neuerungen des Gesetzes.Aufbau und Inhalt, der Behandlungsvertragmit Informationspflicht, Einwilligung undAufklärung der Patientin oder des Patientensowie die Dokumentation und Einsichtnahmein die Patientenakte bildetenden Kern des Vortrags. Einige der angesprochenenThemen waren Anlass für besorgteFragen aus dem Publikum. Insbesonderedas Thema Akteneinsicht wurdevon den Mitgliedern kritisch thematisiert.Im Anschluss standen Herr Schopohl undBettina Nock, Vorstandsmitglied und Vorsitzendeder Beschwerdekommission derPTK Hamburg, den Teilnehmerinnen undTeilnehmern Rede und Antwort.150 Veranstaltungsgäste, eine große Nachfrage,Beteiligung und Anzahl der Fragensowie die angeregte, kontroverse Diskussionnach dem Vortrag zeigten die Aktualitätdes Themas und den Wunsch nach umfangreicherInformation bei den Mitgliedern.Diesem wurde – zumindest in einemersten Schritt – durch die BerufsrechtveranstaltungRechnung getragen. Eine weitereVeranstaltung zum Berufsrecht wird am16. Oktober <strong>2013</strong> stattfinden.Informationen über denVortragDer Vortrag von Herrn Schopohl über dieNeuerungen des Patientenrechtegesetzessowie das neue Patientenrechtegesetz könnenim internen Mitgliederbereich der Kammerhomepageunter www.ptk-hamburg.dein der Kategorie „Veranstaltungen & Präsentationen“heruntergeladen werden.Interviewreihe: Kurz, prägnant – und wichtig!10 Fragen an den Schlichtungsausschuss der Psychotherapeutenkammer HamburgDie Interviewreihe „Kurz, prägnant – undwichtig! 10 Fragen an …“ wird sich in dennächsten Ausgaben des <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>smit der Arbeit der Kammerausschüsseund Kommissionen beschäftigen.Welche Ausschüsse und Kommissionengibt es? Für wen arbeiten sie? Und vor allem:Welche Aufgaben haben die Ausschüsseund Kommissionen?Die Vorsitzende des SchlichtungsausschussesSilke Eggerichs-Petersen.Diese und weitere Fragen werden in einemInterview geklärt. Die Reihe eröffnetder Schlichtungsausschuss. Die Vorsitzendedes Ausschusses, Silke Eggerichs-Petersen,hat die Fragen beantwortet:Was genau ist die Aufgabe desSchlichtungsausschusses?Der Schlichtungsausschuss hat die Aufgabe,bei Streitigkeiten zwischen Kammermitgliedernoder zwischen Kammermitgliedernund Dritten (i. d. Regel ehemaligePatientinnen und Patienten) zu vermittelnund einen Interessenausgleich zu ermöglichen.Können die Aufgaben des Ausschussesin der Praxis gut umgesetztwerden?Sobald beide Beteiligte einem Schlichtungsverfahrenzugestimmt haben, kanndie Schlichtung stattfinden.Wie oft trifft sich der Ausschussund wie viele Fälle werden im Jahrgeschlichtet?In der Regel gibt es etwa zwei Schlichtungsfälleim Jahr. Der Ausschuss trifft sichdrei- bis viermal im Jahr, um die anstehendenFälle aus verschiedenen Perspektivenzu beleuchten und so eine größtmöglicheUnparteilichkeit zu gewährleisten.Für wen wird der Ausschuss aktiv?Wer kann sich an ihn wenden?Jede/r, die/der ein Anliegen in Bezug aufdie Ausübung der psychotherapeutischenTätigkeit oder Zusammenarbeit klärenmöchte, kann sich an den Schlichtungsausschusswenden. Das können ungeklärte Situationenaus Psychotherapien sein, wieunerledigte Abschiede, Schweigepflichtverletzungen,Forderungen auf Akteneinsicht,Honorarangelegenheiten, oder auch Streitigkeitenzwischen Kolleginnen und Kolle-310 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Hamburggen, z. B. in Praxengemeinschaften, beiAnstellungsverhältnissen, Job-Sharing u. ä.Welche Probleme werden Ihnenvorgetragen?Die Chancen, dass eine Schlichtung gelingt,sind gut. Da ja schon am Anfang beideSchlichtungsparteien zugestimmt haben,sind sie auch meist am Gelingen interessiertund bereit, sich aus ihrer – manchmalfestgefahrenen – Position herauszubewegen.Muss ein Antragsteller einen bestimmtenWeg einhalten, um Kontaktmit dem Ausschuss aufnehmen zukönnen? Wie ist das Procedere?Eine Antragstellerin oder ein Antragstellerwendet sich schriftlich über die Geschäftsstellean den Schlichtungsausschuss. Sieoder er wird dann angeschrieben, überden Ablauf informiert und um eine Schweigepflichtentbindunggebeten. Die Beschwerdegegnerinoder der Beschwerdegegnerwird ebenfalls angeschrieben, überdas Anliegen informiert und um ihre oderseine Zustimmung gefragt. Das Verfahrenkann nur dann eröffnet werden, wenn beideBeteiligten zustimmen.In der Regel wird das gesamte Verfahrendann schriftlich durchgeführt. Es ist aufVermittlung und gegenseitige Verständigungausgerichtet und zielt darauf ab, einenKompromiss zu finden, dem beidebeteiligte Parteien zustimmen können. Ineinzelnen Fällen, und mit ausdrücklichemEinverständnis der Beteiligten, kann dieSchlichtung in Gesprächsform stattfinden.Am Ende wird das Ergebnis der Schlichtungschriftlich festgehalten und beidenBeteiligten zugeschickt.Meist geht es um Schweigepflichtverletzungenoder andere (leichtere) Formenvon Grenzverletzung, Akteneinsicht, unerledigteoder als unzureichend erlebte Abschiede.Dabei spielt die subjektiv empfundeneIntegrität und Würde immer wiedereine große Rolle. Die Möglichkeit,empfundenes Unrecht im Beisein unbeteiligterDritter aussprechen zu können, trägtoftmals zu einer Entlastung bei. Manchmalgeht es auch darum, dass eine Entschuldigungausgesprochen bzw. angenommenwird. In einem Fall wurden Haftungsansprücheausgehandelt und abgewickelt.Bei Streitigkeiten zwischen Kolleginnenund Kollegen wurde der Schlichtungsausschussbisher wegen der Herausgabe vonUnterlagen, z. B. eines Zeugnisses, angerufen.Hier wäre auch ein weiterer Bedarf imHinblick auf Anstellungsverhältnisse, Praxisübergabeusw. denkbar.Wie stehen die Chancen auf eineSchlichtung?Alles neu macht <strong>2013</strong> – Die PTK Hamburg erneuert die Homepage &das KammertelegrammWas passiert, wenn die Schlichtungnicht gelingt?In diesem Fall werden das Ergebnis schriftlichfestgehalten und Empfehlungen fürein weiteres Vorgehen erteilt.Macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß undwarum?Die Arbeit macht Spaß, weil es um kniffligeSituationen aus unserem Arbeitsalltaggeht, die wir alle kennen. Was dann in derSchlichtung stattfindet, ist eine Art vonCoaching oder Mediation, die unsere Fachkompetenzerfordert und dazu beiträgt,die Qualität der psychotherapeutischenArbeit zu sichern. Wenn es gelingt, in einervertrackten Situation eine für alle befriedigendeLösung zu finden, ist es immer wiedereine Freude!Was wünschen Sie sich für die zukünftigeArbeit des Ausschusses?In der Kollegenschaft ist der Unterschiedzwischen der Arbeit der Beschwerdekommissionund unserer Schlichtungsarbeitgar nicht so klar. Es wäre schön, wenn dasWissen über die schonende Art unsererVermittlungsarbeit bei den Kolleginnenund Kollegen noch deutlicher ankommt.HamburgSteter Tropfen höhlt den Stein – so könnteman sagen. Oder: Was lange währt, wirdendlich gut!Die neue Homepage der PsychotherapeutenkammerHamburg ist seit Anfang desJahres online und präsentiert sich in neuemDesign. Das alte Logo bleibt erhalten,der Rest der Seite wurde umgestaltet: DasLogo, die Farbgestaltung sowie die Fotos inder oberen Leiste sollen die Verbindungder Kammer zum „Heimathafen Hamburg“symbolisieren. Die in der Kopfzeilezugewiesenen Kategorien erleichtern dasNavigieren. Die jeweils aktive Kategoriebleibt nach Anklicken als einzige farbig dargestellt.Eine Menüführung über drei Ebenenschafft Struktur und hält die angezeigtenInformationen übersichtlich. Ebensoaufgeräumt präsentiert sich die rechte<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Leiste der Homepage, in der alle Terminemit Datum und Titel aufgelistet sind und inder es einen direkten Log-in-Bereich fürMitglieder gibt. Der Button „Psychotherapeutensuche“erleichtert die Nutzung fürRat und Hilfe suchende Besucherinnenund Besucher.Auf Benutzerfreundlichkeit und Aktualitätwurde bei der Neukonzeption besonderenWert gelegt, sodass eine komplette Überarbeitungder alten Seiten notwendig wurde.Die tägliche Pflege der Homepage sollihre Aktualität garantieren und eine kontinuierlicheWeiterentwicklung – auch durchDas neue Homepage-Layout der Psychotherapeutenkammer Hamburg.311


Mitteilungen der Psychotherapeutenkammerdas Feedback der Kammermitglieder undBesucher und Besucherinnen der Seite –sicherstellen. Neben den Neuerungen inDesign und Übersichtlichkeit, sind alle altenFeatures und Services wie die Downloadmöglichkeitvon Gesetzestexten, Infobroschürenund Flyern erhalten gebliebenbzw. wurden ausgebaut und erweitert.Das Kammertelegramm wirdzum Newsletter und FoBi-NewsletterAuch das alte Kammertelegramm, das bisherals einfacher E-Mail-Inhalt versandtwurde, wird durch einen neugestaltetenNewsletter ersetzt. Künftig werden allge-Der neue FoBi-Newsletter der Psychotherapeutenkammer Hamburg.meine Kammerinformationen personalisiertüber dieses neue E-Mail-Format an kreditierten Fortbildungsveranstaltungenter listet separat jeden Monat alle neuak-die Mitglieder verschickt, ein FoBi-Newslet- übersichtlich auf.Der Arbeitskreis „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ der PTK HamburgHamburgIm aktuellen Schuljahr gibt es in Hamburg174.350 Schülerinnen und Schüler. Davonhaben, legt man entsprechende Studienzugrunde, rund 21,9 Prozent eine Prävalenzfür abklärungsbedürftige psychischeAuffälligkeiten und 9,7 Prozent eine Prävalenzfür psychische Störungen.Trotz eines ausreichenden Versorgungsangebotsim KJP-Bereich steht die kinderundjugendlichenpsychotherapeutischeVersorgung in Hamburg vor einem Problem:Mit Ausweitung der Ganztagsschulbetreuungwird das Zeitfenster für Termineimmer kleiner. Die meisten Mädchen undJungen haben erst um 16 Uhr Schulschlussund können erst um 17 Uhr zu ihren Psychotherapiestundenkommen.Hamburger Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenkeine Option, auch wenndie Schulbehörde ihrerseits auf eine Lösungin dieser Richtung drängt. Eine klareRegelung für die psychotherapeutischeVersorgung von Kindern und Jugendlichenin Hamburg, auch während der Schulzeit,ist dringend erforderlich.Ziele des Arbeitskreises „KJP“Darüber zu diskutieren, wie die kinder- undjugendlichenpsychotherapeutische Versorgungmit der neuen Schulform synchronisiertwerden kann, ist ein wichtiges Anliegenvieler Kolleginnen und Kollegen, diesich deshalb regelmäßig in einem KJP-Arbeitskreis(AK „KJP“) in der Kammer treffen.Verfahren wird von den Mitgliedern desArbeitskreises als angenehm und nützlichempfunden, eine effektivere Vernetzungder KJP in Hamburg ist erklärtes Ziel desArbeitskreises.Das nächste Treffen des AK „KJP“ findetstatt am:Datum: 18. Oktober <strong>2013</strong>,Zeit: 9:30 Uhr bis 11:00 Uhr,Ort: Geschäftsstelle der PTK Hamburg.Alle Interessierten sind herzlich eingeladen,an diesem und weiteren Treffen teilzunehmen.Auswirkungen der Ganztagsschulbetreuungauf die psychotherapeutischeArbeitFür die Hamburger Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenbedeutet das:Die Arbeit wird schwerer und die Arbeitszeitenverschieben sich nach hinten. Vormittagsterminebleiben frei, während dieTermine in den Abendstunden doppeltund dreifach belegt werden könnten.Es gibt Überlegungen, die Psychotherapiein einem Raum innerhalb der Schuledurchzuführen. Dies ist für die meistenAls zweiten wichtigen Bereich beschäftigtsich der AK „KJP“ mit den Auswirkungendes neuen Patientenrechtegesetztes aufdie Arbeit von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.Insbesondere das heikleThema des Umgangs mit der Schweigepflichtbeunruhigt viele Kolleginnen undKollegen.Vernetzung der HamburgerKJPlerDie Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenaus allenGeschäftsstelleHallerstraße 6120146 HamburgTel. 040/226 226 060Fax 040/226 226 089www.ptk-hamburg.deinfo@ptk-hamburg.de312 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerHessenLiebe Kolleginnen und Kollegen,„Junge, wie Duwieder aussiehst!Du hast dich dochfrüher so für Tiereinteressiert. Wäredas nichts für Dich?Eine eigene Praxis!“,singen „DieÄrzte“ in der Rolle Alfred Kriegerder vom Filius enttäuschten Eltern. Dieeigene Praxis als Ideal scheint auch dasBerufsbild des Psychotherapeuten geprägtzu haben, wie es das Psychotherapeutengesetz(PsychThG) von 1999 implizitvermittelt. Denn im Gesetzgebungsverfahrenging es primär um die berufsrechtlicheRegelung der Tätigkeit Niedergelassener.Die Vielfalt psychotherapeutischerTätigkeiten in Institutionen und diedamit verbundenen Kompetenzen werdennicht abgebildet.Für die Reform des PsychThG, seit Jahrenvon der Profession gefordert, sind grundsätzlicheÜberlegungen zum Berufsbildunerlässlich. Was sind die Essentials psychotherapeutischen(Be-)Handelns? Überwelche Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzenmüssen Psychotherapeuten verfügen?Welche Befugnisse sollen sie haben?Wie bedeutsam ist der Verfahrensbezug?Die Diskussion dieser Fragen hatvor dem Hintergrund der umstrittenenAusbildungsreform besondere Brisanz.Eine mitgliederoffene Diskussionsveranstaltungzum Berufsbild wird am1. November <strong>2013</strong> um 16:00 Uhr imHotel Oranien in Wiesbaden stattfinden.Ich freue mich auf Ihre Teilnahme!Alfred KriegerKammerpräsident„Vertikale Differenzierung“: Teamentwicklung in der RehaHessenIn der Diskussionum dieEntwicklung derPsychologischenDienste vonReha-Einrichtungengibt es einneues Schlagwort:„vertikaleDifferenzierung“.Karl-Wilhelm HöfflerWährend vordem Bologna-Prozess die Psychologischen Dienste fastausschließlich aus Diplom-PsychologInnenbestanden, teilweise ergänzt um eine Psychologisch-technischeAssistentIn (PsTA),wird nun das Bild „bunter“. Es gibt mittlerweiledie approbierten KollegInnen, diemit Master-Abschluss, die mit Diplom, undkünftig werden sich vielleicht auch KollegInnenmit einem Psychologie-Bachelor-Abschluss in Reha-Einrichtungen bewerben.Die Deutsche RentenversicherungBund (DRV Bund) hat bereits reagiert. Wobisher beispielsweise in einer Klinik (somatischeIndikation) mit 240 belegtenBetten drei Diplom-PsychologInnen und(ca.) ein(e) PsTA tätig waren, könnte sichkünftig die Zusammensetzung des Teamsdeutlich ändern: 1 Psychologische PsychotherapeutIn,1,5 Diplom- oder Master-PsychologInnen,0,5 Bachelor-PsychologIn,1 PsTA oder 0,75 Bachelor-PsychologIn.Man erkennt dabei auch: Die „vertikale Differenzierung“soll bei der DRV Bund in etwakostenneutral bleiben.Diese Veränderung stellt eine Herausforderungfür die Teams der PsychologischenDienste dar. Es ist mittlerweilenicht mehr so („wie früher“), dass alleKollegInnen alles machen können. Psychotherapie(inkl. Diagnostik im Hinblickauf Psychopathologie) als nicht ärztlichdelegierte Leistung steht unter dem Approbationsvorbehalt,wobei mit gutenGründen die Auffassung vertreten wird,Anamnese, Diagnose- und Indikationsstellungseien als höchstpersönliche Leistungenauch nicht delegierbar. Und dieBachelor-AbsolventInnen werden nur dieLeistungen erbringen dürfen (so die DRVBund), hinsichtlich derer in der Klassifikationtherapeutischer Leistungen (KTL)auch Nicht-PsychologInnen als Leistungserbringergenannt werden, also z. B. Entspannungsverfahren,inkl. Biofeedback, sowiePatientenvorträge und -schulungen.Der Angestellten-Ausschuss (AusschussPsychotherapie in Institutionen) der HessischenPsychotherapeutenkammer erstelltderzeit einen Katalog von Tätigkeitsbeschreibungensowohl für die angestelltenapprobierten KollegInnen wie auch für diejenigen,die mit Diplom, Master oder Bachelorin Kliniken, Beratungsstellen oderanderen Einrichtungen arbeiten möchten.Damit soll die Diskussion in den psychologischenTeams versachlicht und erleichtert,gleichzeitig aber auch der „Wert“ derApprobation und die Notwendigkeit, approbierteKollegInnen in den Einrichtungenzu beschäftigen, herausgehoben werden.Dieser „Wert“ ist nicht überall unumstritten.Während die DRV Bund auch in densomatischen Reha-Einrichtungen mindestenseine(n) Psychologische(n) PsychotherapeutInfordert, konnten sich die DRV-Regionalträger (die früheren LVAs) nur zueiner „Empfehlung“ in diese Richtung<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>313


Mitteilungen der Psychotherapeutenkammerdurchringen. Es gibt also in den verschiedenenKrankenhäusern und Kliniken, Beratungsstellen,Heimen und anderen Arbeitsfeldernangestellter KollegInnen nochviel zur Verbesserung der Position unseresHeilberufes und zur Anerkennung der Notwendigkeitunserer psychotherapeutischenLeistungen im Rahmen des biopsycho-sozial-ökologischenKrankheitsmodellszu tun.Karl-Wilhelm Höffler(Mitglied des Vorstands)Kammeraktivitäten zu Landtags- und BundestagswahlHessenDie beiden Wahlen am 22. September<strong>2013</strong> waren Anlass für die Kammer, mitvielfältigen Aktivitäten ihre gesundheitspolitischenAnliegen in die politische Debattezu tragen.Wie vor vier Jahren wurde das Gesprächmit zahlreichen Bundestagsabgeordnetenund aussichtsreichen Kandidatinnen undKandidaten gesucht. Da nur ein Mitglieddes Gesundheitsausschusses aus Hessenstammt, waren die meisten Gesprächspartnereher fachfremd. In diesen Gesprächenwurde besonderer Wert darauf gelegt,Basisinformationen zu vermitteln.Es wurden insgesamt 15 Bundespolitikerinnenund -politiker (CDU und SPD je vier,GRÜNE drei, FDP und Linke je zwei) angefragt,von den Gesprächen kamen nur dreinicht zustande. Geführt wurden die Gesprächevon Mitgliedern des Vorstands, aberauch die Delegierten Manfred Burkart undMichael Ruh beteiligten sich. Bei jedem derGespräche wurden die BPtK-Broschüre „10Tatsachen zur Psychotherapie“ sowie eineInformation zur Versorgungssituation inHessen, eine DPT-Resolution zur Honorargerechtigkeitfür Vertragspsychotherapeutenund die DPT-Resolution „Versorgung beipsychischen Erkrankungen verbessern –Forderungen an die Politik im Wahljahr<strong>2013</strong>“ überreicht. Zentraler Gesprächspunktwar die Versorgungssituation/Bedarfsplanungin Hessen, dazu kamen weitere Themenje nach Gesprächssituation und denInteressen der Gesprächspartner. In vielenGesprächen mit Politikern war hilfreich,dass deren Söhne, Töchter oder Partnerpsychotherapeutisch tätig oder in psychotherapeutischerAusbildung sind.darfsplanung bei psychischen Erkrankungen,Novellierung hessisches Freiheitsentziehungsgesetz,Berücksichtigung von Psychologischenund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenim HessischenLandeskrankenhausgesetz, Behandlungsvollzugpsychisch auffälliger Straftäter, Bereitstellungvon Studienplätzen für akademischeHeilberufe, Vergütungsregelung fürPsychotherapeuten in Ausbildung und Präventionpsychischer Erkrankungen. Ziel war,Anstöße für die parteiinterne Programmdiskussionzu geben.Vor der Sommerpause wurden Wahlprüfsteineformuliert und die Landtagsparteienum Beantwortung gebeten. Dabei beteiligtesich die Kammer an einer gemeinsamenAktion aller Heilberufekammern, diejeweils zwei Prüfsteine beitrugen. UnsereForderungen an die Politik bezogen sicheinerseits auf die Verbesserung der Versorgungund andererseits auf die Notwendigkeit,bei der Weiterentwicklung fachlicherStandards für Erziehungsberatung und derenFinanzierung das Land wieder in diePflicht zu nehmen. Die Antworten der Parteienwurden in einer Pressekonferenz vonden Heilberufekammern vorgestellt. ÖffentlicheResonanz fand dann leider vorwiegenddas duale Krankenversicherungssystem,das nicht zu unseren gesundheitspolitischenAnliegen gehört.Ergänzend hat der Vorstand weitere Wahlprüfsteineentwickelt. Die Antworten derParteien auf die Fragen wurden auf derHomepage veröffentlicht und über denelektronischen Newsletter der Kammer inder Mitgliedschaft bekannt gemacht. Themenwaren: Versorgung von Patientinnenund Patienten mit psychischen Erkrankungen,Beteiligung der Landespsychotherapeutenkammeran versorgungsrelevantenGremien, das Hessische Landeskrankenhausgesetz,Zwangsunterbringung undZwangsbehandlung, Prävention inkl. Förderungder Erziehungsberatungsstellenund die Reform der Psychotherapeutenausbildung.Dr. Heike Winter (Vizepräsidentin),Alfred Krieger (Präsident),Johann Rautschka-Rücker(Geschäftsführer)Auf Landesebene hatte der Vorstand bereitsim Januar die Spitzen aller im Landtag vertretenenParteien sowie die gesundheitspolitischenSprecher und Sprecherinnen angeschriebenund seine Vorstellungen zu denfolgenden Themenfeldern dargelegt: Be-Alfred Krieger (Präsident LPPKJP Hessen), Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach(Präsident Landesärztekammer Hessen), Dr. Ingo Stammberger (Präsident LandestierärztekammerHessen), Dr. Michael Frank (Präsident Landeszahnärztekammer Hessen) auf einergemeinsamen Pressekonferenz der Hessischen Heilberufekammern am 26. Juni <strong>2013</strong> imCafé Maldaner in Wiesbaden.314 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


HessenGeht die Psychotherapie ins (Inter-)Netz?Schon seit geraumer Zeit tauchen in deröffentlichen und in der Fachpresse immerwieder Meldungen und Artikel auf, welchedie teils sehr gute Wirksamkeit von Psychotherapieper Internet herausstellen.Nicht selten bleibt aber etwa unklar, ob essich um Selbsthilfe oder Psychotherapiehandelt. Denn die Berufsordnung derKammern definiert, was Psychotherapiesein kann – und was eben auch nicht. DerVorstand der PsychotherapeutenkammerHessen möchte im Rahmen einer Fachveranstaltung,die am 9. November <strong>2013</strong> inder Zeit von 9.30 bis 17.00 Uhr an der JohannWolfgang Goethe-Universität, Frankfurtam Main, Casinogebäude, stattfindenwird, die Mitglieder dazu einladen, sichdem Gegenstandsbereich zu nähern, indemselbiger aus verschiedenen Blickwinkelnbeleuchtet wird.Prof. Dr. Thomas Berger (Universität Bern)wird zunächst einen Überblick geben zum„state of the art“, was internetbasierte Interventionenbei Angststörungen und Depressionbetrifft. Anschließend wird Dr. BjörnMeyer von der Firma GAIA (Hamburg) das„Geht die Psychotherapie ins Netz?Projekte – Erfahrungen –Realisierbarkeiten“Fachtagung der LPPKJP Hessenam Samstag, 9. November <strong>2013</strong> in FFMVorträgeProf. Dr. Thomas Berger(Einführung in das Thema)Dr. Björn Meyer(deprexis)Barbara Evangelou(Erfahrungen mit Online-Beratung)Prof. Dr. Ulrich Müller(Haftungs- und Berufsrecht, QS)Jürgen Hardt(kulturwissenschaftliche Aspekte)Podiums- und PlenumsdiskussionMedizinprodukt „deprexis“, ein internetbasiertesPatientenprogramm, vorstellen unddazu vorliegende Forschungsergebnissemitteilen. Barbara Evangelou, tätig in derErziehungsberatung in Frankfurt am Main,wird in die virtuelle Beratungsstelle der Bundeskonferenzfür Erziehungsberatung (bke)einführen und über Erfahrungen damit berichten.Prof. Dr. Ulrich Müller, Vorstandder LPPKJP Hessen und Lehrender an derHochschule Hannover, wird über HaftungsundBerufsrecht sowie Qualitätssicherungim Kontext des Gegenstandsbereichs referieren.Jürgen Hardt, Gründungspräsidentder LPPKJP Hessen, wird mit seinem Vortragmit dem auf Martin Heidegger bezugnehmendenTitel „Psychotherapie unter derHerrschaft des Man – Subjekt und Beziehungin der Internettherapie“ kulturwissenschaftlicheAspekte beisteuern. Eine abschließendePodiums- und Plenumsdiskussionmit den Referentinnen und Referentensowie mit Dr. Renate Frank (VorsitzendeAusschuss „Wissenschaft & Forschung“ derLPPKJP Hessen) und Jörg Wollstadt, derden Ausschuss „Qualitätssicherung“ derLPPKJP Hessen vertreten wird, soll die Veranstaltungabrunden und den Mitgliedernermöglichen, sich aktiv an der wichtigenund notwendigen Diskussion zum Themazu beteiligen.Dr. Matthias Ochs(wissenschaftlicher Referent)HessenEin Pionier der universitären Psychotherapieausbildung:Nachruf auf Prof. Dr. Wolf Lauterbach (*14.7.1941 † 11.7.<strong>2013</strong>)Prof. Dr. Wolf Lauterbach(*14.7.1941, † 11.7.<strong>2013</strong>)<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Unser MitgliedProf. Dr. WolfLauterbach, Inhaberder Professurfür KlinischePsychologieund PsychotherapieamFachbereichPsychologieund Sportwissenschaftender Goethe- Universität Frankfurtvon 1979 bis 2006, ist gestorben.Wolf Lauterbach war ein vielseitig interessierterPsychotherapeut, Lehrer und klinischerForscher. Das spiegelte sich auch inseinen Forschungsschwerpunkten wider,die von der Bedeutung psychischer Konfliktebei der Entstehung und Aufrechterhaltungvon psychischen Störungen, derKonfliktdiagnostik und hier insbesonderedie Entwicklung und Validierung eines Systemszur Messung intrapsychischer Konflikte,über Veränderungsstadien in derPsychotherapie, der Psychotherapie inRussland bis hin zu Zwangserkrankungenund Sozialer Phobie reichten.Er war ein begeisterter kognitiver Verhaltenstherapeutmit breiter psychotherapeutischerErfahrung, der bereits in den sechzigerJahren bei Victor Meyer und Hans-JürgenEysenck seine Ausbildung in Verhaltenstherapieerhalten hatte. Seine Erfahrungenals klinischer Forscher und als Psychotherapeutbildeten das Fundament für seinEngagement bei der Etablierung einer universitärenPsychotherapieausbildung. Alsganz besonderes Verdienst Wolf Lauterbachsmuss die Einrichtung eines Weiterbildungsstudiumsfür Psychotherapie an derUniversität Frankfurt gewertet werden. Bereits1993 begann die erste Gruppe vonDiplom-Psychologinnen und -Psychologenihre Weiterbildung in Psychologie/Psychotherapiemit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie,die von DGPs und BDP zertifiziertwar, an der Goethe-Universität. Dies geschahzu einem Zeitpunkt, an dem es ankaum einer anderen deutschen Universitätein solches praxisnahes Weiterbildungsangebotfür Psychotherapie gab. Wolf Lauterbachverfolgte damit die praktische Umsetzungdes Scientist/Practioner-Modells, indem eine enge Vernetzung von Psychotherapieforschungund -praxis stattfindenkonnte. Das von ihm gegründete Weiterbildungsprogrammwurde 1999 durch dasHessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamtim Gesundheitswesen als Ausbildungsinstitutfür Psychologische Psychotherapiestaatlich anerkannt. Im selben Jahrerfolgte auch die Ermächtigung der Ausbildungsambulanzund der Hochschulambulanzdurch den Zulassungsausschuss der315


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerNiedersachsenPolitik im GesprächAnlässlich der bevorstehenden Wahlenzum 18. Deutschen Bundestag führtenVorstand und Geschäftsführung der PKNGespräche mit niedersächsischen Politikern,um Denkanstöße zur Förderung derpsychotherapeutischen Versorgung zu geben.Allen niedersächsischen Abgeordnetenim Bundestag waren im Vorfeld wichtige„Meilensteine“ zur Zukunft der psychotherapeutischenVersorgung zur Verfügunggestellt und die Bereitschaft zum persönlichenAustausch signalisiert worden. FolgendeForderungen wurden an die Politikgerichtet.1. Förderung von präventiven Prozessenund Strukturen.2. Reform der Psychotherapieausbildungjetzt.3. Erweiterte Rahmenbedingungen fürpsychotherapeutische Versorgung, flächendeckend.4. Strukturelle Verankerung des Berufsstandesin der stationären und institutionellenVersorgung.5. Sicherung der Honorare und angemessenenVergütung für angestellte Psychotherapeutinnenund Psychotherapeuten.Die Aktion stieß auf positive Resonanz. Nebenschriftlichen Reaktionen wurde auchvon zwei Abgeordneten die Gelegenheitzum persönlichen Austausch genutzt.Am 2. Juli <strong>2013</strong> kam Frau Nicole Bracht-Bendt, Obfrau im Ausschuss für Familie,Senioren, Frauen und Jugend, Sprecherinfür Frauen und Senioren der FDP-Bundestagsfraktion,in die Geschäftsstelle der PKN.Als Mitglied der Kinderkommission desDeutschen Bundestages zeigte Frau Bracht-Bendt großes Interesse an dem von derPKN begleiteten Modellprojekt „Versorgungvon Säuglingen und Kleinkindern und ihrenpsychisch erkrankten Eltern“ im LandkreisWolfenbüttel. Herr Hermann stellte das Projektvor, ein gutes Beispiel dafür, wie wichtigfrühzeitige Prävention in kooperativer Zusammenarbeitfür die Verbesserung derpsychotherapeutischen Versorgung ist. DieFDP-Politikern regte hier an, sich Anfang2014 an die neu gebildete Kinderkommissionzu wenden, die in einer aktuellen Stellungnahmezur Situation von Kindern psychischkranker Eltern ebenfalls eine bessereVernetzung der verschiedenen Hilfesystemeund individuelle, auf den Bedarf derKinder und Familien zugeschnittene niedrigschwelligeAngebote empfohlen hatte.Frau Bracht-Bendt erläuterte eine weitereStellungnahme der Kinderkommission zumThema „Kinder und Trauer“ und die dortaufgestellte Forderung nach einer Verbesserungder psychotherapeutischen Versorgungvon Kindern. Die PKN begrüßte dieseInitiative, machte aber darauf aufmerksam,dass Patientinnen und Patienten selbst beikurzfristiger Inanspruchnahme von Psychotherapiein Akutsituationen Nachteile beimspäteren Abschluss von Versicherungen zubefürchten haben. Hier gibt es deutlicheUnterschiede zur somatischen Medizin.Psychotherapie wird undifferenziert und ohneBerücksichtigung der Prognose der Patientenals Risikofaktor eingestuft.Thema war auch die nach wie vor bestehendeProblematik langer Wartezeiten aufein Erstgespräch beim Psychotherapeuten.In diesem Zusammenhang auf die extrabudgetäreVergütung angesprochen, stellteFrau Corman-Bergau richtig, dass dieFinanzierung der Psychotherapie „aus einemanderen Topf“ nicht für ein Mehr anAnbietern von Psychotherapie sorge. DiePKN setze sich deshalb weiterhin dafürein, dass mehr KV-Sitze für Psychotherapeutengeschaffen werden.Susanne PassowNiedersachsenGespräch mit Frau Dr. Carola Reimann,Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Deutschen BundestagAm 15. August <strong>2013</strong> trafen sich Vorstandund Geschäftsführung der NiedersächsischenPsychotherapeutenkammer mitFrau Dr. Carola Reimann, der Vorsitzendendes Gesundheitsausschusses im DeutschenBundestag, zum Meinungsaustauschüber die aktuellen Themen Reformder Psychotherapieausbildung und Bedarfsplanungund Erstversorgung von psychischKranken.Der aktuelle Stand zur Diskussion um dieReform des Psychotherapeutengesetzeswird kurz dargestellt mit den Beschlüssendes Deutschen Psychotherapeutentageszu einem Beruf und zur Reform der Ausbildung.Die Position des Gesundheitsministeriumsmit der Forderung nach Direktausbildungwird benannt.Im folgenden MeinungsaustauschmitFrau Dr. Reinmannwird deutlich, dasssie der Meinung ist,dass die Vielfalt derTherapiemethodenin der Hochschullehreerhalten werdenmuss bzw. wie-Dr. Carola Reimann<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>317


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerIn dem Thesenpapier der SPD Bundestagsfraktionwird für die Lösung der Erstversorgungdie Aufgabe der psychiatrischenInstitutsambulanzen als Schnittstellezwischen stationär und ambulant in denMittelpunkt der Argumentation gerückt.Hier machen die niedersächsischen Kammervertreterdeutlich, dass die psychiatrischenInstitutsambulanzen für die Versorgungvon schwerst gestörten Patienten,die nicht „wartezimmerfähig“ sind, keinegrundlegende Lösung für die Schnittstelleambulant/stationär bereitstellen können.Auch Kapazitätsverwaltung, wie sie vonder TK angedacht sind, sind aus Sicht desKammervorstandes hier nicht zielführend,schaffen nur zusätzliche Bürokratie undverschleppen das Problem.Einen großen Anteil in dem Papier der SPDBundestagsfaktion und auch im Gesprächmit Frau Dr. Carola Reimann nahm derPunkt Förderung von präventiven Maßnahmenein.Niedersachsenv.l.n.r. Dr. Josef Könning, Dr. Carola Reimann, Gertrud Corman-Bergau, Susanne Passow,Jörg Hermannder hergestellt werden muss, dass als dringendstesProblem der Master im Psychotherapeutengesetzverankert werden unddie Bezahlung der praktischen Tätigkeit inden Kliniken gesetzlich geregelt werdenmuss.Frau Dr. Reimann macht deutlich, dassModelle der Direktausbildung, wie sie ausGründen der Systemgleichheit analog zurÄrzteausbildung diskutiert werden, für dieSPD Bundestagsfraktion nicht Erstprioritätdarstellt.Die Forderung des Psychotherapeutentagesnach einem Beruf, Regelung der Zugängezur Erwachsenen- bzw. Kindertherapieüber die Fachkunde, das ThemaErstzugang zur Psychotherapie und kurzfristigeszur Verfügung stellen von Psychotherapieplätzenfür psychisch Kranke istein Anliegen, was der SPD Bundestagsfraktionund Frau Dr. Carola Reimann sehr amHerzen liegt.aufgrund der Ergebnisse der Indikationsstellungdann nach Schweregrad der Erkrankungdifferenziert Behandlungsplätzezur Verfügung gestellt werden können.IV-Verträge unter Einbeziehung von Krankenhäusernund Krankenkassen können fürbestimmte Patientengruppen Entlastungschaffen, lösen aber das grundsätzliche Problemder fehlenden Kapazitäten nicht.Förderung von Erziehungsberatung undschulpsychologischer Beratung, Sicherungder Stellen von approbierten PsychologischenPsychotherapeuten im Rahmenvon Jugendhilfe und Erziehungsberatung,Schuleingangsuntersuchung durch PP undKJP, Vorsorgeuntersuchung analog zu denU-Untersuchungen im klinisch psychotherapeutischenBereich sind langfristig alsElemente einer präventiven Strategiedenkbar.Frau Dr. Reimann macht noch einmaldeutlich, dass Prävention eine GesamtgesellschaftlicheAufgabe ist, die nicht nurüber das SGB V strukturiert und geschultertwerden kann.Die Erstversorgung kann langfristig nurdurch eine veränderte Bedarfsplanungund das Bereitstellen zusätzlicher Behandlungskapazitätengelöst werden.Die Mitglieder des Vorstandes der PKNmachen deutlich, dass im Wesentlichenhier die fehlenden Behandlungskapazitätendie Ursache für Wartezeiten darstellen.Eine bessere Bezahlung für die Probatorik,für die Diagnostik, für die Indikationsstellungvon Psychotherapie könnte hier eineerste Entlastung schaffen insofern, als dasskurzfristig auch für die Indikationsstellungvon Psychotherapie Behandlungsplätzezur Verfügung gestellt werden und dassDr. Carola Reimann, Dr. Josef Könning318 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


NiedersachsenDas ist die Botschaft der Vertreter derNiedersächsischen Psychotherapeutenkammeran die Gesundheitspolitikerin.Zurzeit hat der Psychotherapeutenberufnoch keine Nachwuchssorgen im Gegensatzzu den Haus- und Fachärzten. Hier istjetzt die Politik gefordert, für die jungenapprobierten Kolleginnen und Kollegenauch ausreichend Arbeitsmöglichkeiten fürdie psychisch kranken Patienten zur Verfügungzu stellen.In einem möglichen neuen Präventionsgesetzmuss, nach Frau Dr. Reimann, eineSozialversicherungssystem übergreifendeFinanzierung gefunden werden, in derRentenversicherung, Arbeitslosenversicherungund Krankenversicherung ihren Anteilan Prävention leisten. Diese Querschnittsaufgabedarf nicht zu groß sein, muss aberspezielle Probleme, wie Kinder psychischkranker Eltern, Bewältigung von chronischenKrankheiten, Elterntraining etc. umfassen.Als besonderes Problem im Rahmen derDiskussion über die Präventionsstrategienbenennt Frau Dr. Reimann die psychotherapeutischeVersorgung von alten alleinstehendenMännern in der Gesellschaft.Für den Vorstand der NiedersächsischenKammer war erhellend, dass die Reformdes Psychotherapeutengesetzes aus Sichtder SPD große Priorität hat, dass die Zugangsvoraussetzungenüber den Masterund eine gesetzliche Regelung zur Bezahlungder praktischen Tätigkeit zeitnah umgesetztwerden müssen.Die Priorität für eine mögliche Regelungzur Direktausbildung wird von Frau Dr. CarolaReimann, im Gegensatz zu den Signalenaus dem Gesundheitsministerium, sonicht gesehen.Der Vorstand der PKN hat abschließenddeutlich gemacht, dass die Positionierungder SPD Bundestagsfraktion zu Fragen derVersorgung psychisch Kranker in unsererGesellschaft sehr positiv bewertet wirdund dass die niedersächsische Kammersich ähnliche Positionierungen auch vonden anderen Parteien wünschen würde.Dr. Josef KönningStellungnahme des Vorstandes der PKN zum AOK-HausärztevertragDepression und Burn-out in NiedersachsenDer Vorstand begrüßt es, dass im AOK-Vertrag die psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeitendurch Psychologischeund ärztliche Psychotherapeutenstärker in den Blickwinkel von Krankenkassenund Öffentlichkeit kommen. Als problematischwird hingegen die Gefahr einerPriorisierung durch die Bevorzugung bestimmterPatientengruppen gesehen. Voneiner Prämie zur „Gesundschreibung“ distanziertsich der Vorstand ausdrücklich.Niedersachsen<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>1. Allerdings kommt es aufgrund der nichtausreichenden Kapazitäten im Bereichder Psychotherapie zu unzumutbar langenWartezeiten. Deshalb muss dasoberste Ziel sein, die Kapazitäten fürdie Behandlung aller Patienten zu erweitern.In dieser Hinsicht ist die Änderungder Bedarfsplanungs-Richtlinie einSchritt in die richtige Richtung. WeitereHalbierungen von Kassensitzen tragenebenfalls zur Ausweitung des Angebotesan Psychotherapie für alle Patientinnenund Patienten bei, ebenso wie zusätzlicheSonderbedarfszulassungen.2. Der Vorstand stellt fest, dass die Bezahlungfür die diagnostischen Leistungenund die Probatorik im Vergleich zu derBezahlung der genehmigungspflichtigenLeistungen deutlich zu gering aus-Klausurtagung Vorstandfällt, obwohl der fachliche und der zeitlicheAufwand höher ist.Eine Verbesserung der Bezahlung füreine fundierte Indikationsstellung istunbedingt notwendig. Die PKN setztsich dafür ein, dass in zukünftigen Verträgeneine zeitnahe Erstsitzung sowieProbatorik, Diagnostik und Indikationsstellungfür Psychotherapie für alle Patientenbesser bezahlt werden. Die Kolleginnenund Kollegen verpflichten sicherst dann, ihre Praxisstruktur in diesemSinne zu verändern und zeitnah Terminefür Erstgespräche, Diagnostik undIndikationsstellung bereitzuhalten. Nurauf dieser Grundlage ist es möglich, inEinzelfällen eine Priorisierung vorzunehmenund in anderen Fällen eine zumutbareWartezeit einzuplanen.3. Ein niedrigschwelliger Zugang zur Psychotherapieist ein wichtiger Faktor fürdie Akzeptanz von psychotherapeutischerBehandlung. Die Kooperation mitden behandelnden Hausärzten siehtder Vorstand als notwendig und hilfreichan. Das Erstzugangsrecht zur Psychotherapiemuss erhalten bleiben.4. Kurzfristige Interventionen, wie sie imAOK-Hausärztevertrag vereinbart sind,können einer Chronifizierung vorbeu-319


Mitteilungen der Psychotherapeutenkammergen und werden vom Vorstand der PKNdeshalb begrüßt. Sie müssen angemessenzusätzlich vergütet werden. Eine„Gesundschreibeprämie“ von 50,– €für Kurzinterventionen lehnt der Vorstandaus ethischen Gründen ab.5. Die Priorisierung der Behandlung einerausgewählten Patientengruppe darfnicht zu Lasten der Behandlung andererPatienten gehen. Möglichkeiten, diedem Rechnung tragen, könnten unteranderem sein:• Es sollten Anreize geschaffen werden,dass einzelne Praxen für diesePatientengruppen zusätzliche Behandlungskapazitätenentwickeln.• Jobsharer, Inhaber halber Sitze oderAngestellte in den Praxen könnenüber das gedeckelte Budget hinausdiese Behandlungen durchführen.• Ebenfalls könnten Psychotherapeutenin Privatpraxen über die Kostenerstattungvermehrt einbezogenwerden.• Auch könnten mehr Sonderbedarfszulassungenfür Entlastung sorgen.6. Der Vorstand kritisiert, dass die Fachkompetenzder PKN bei den Verhandlungenzum AOK-Hausärztevertragnicht einbezogen worden ist. Eine Veränderungdes Vertrages im Sinne dieserStellungnahme kann die Akzeptanz inder Profession deutlich verbessern.7. Die Mitglieder der PKN wünschen sicheine bessere Versorgung von psychischkranken Menschen und müssen täglichden Spagat zwischen verantwortlichempsychotherapeutischem Angebot undnotwendiger Selbstfürsorge für die eigenePerson bewältigen.Interview mit Frau PietzNiedersachsenIn unserer Reihe Kurzinterviews mit denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelleder PKN, in der den Mitgliederneinerseits die in der Geschäftsstelletätigen Personen aber auch die vielfältigenAufgabenbereiche der Kammer vorgestelltwerden, kommt heute Nadine Pietz zuWort.Frau Pietz, seit wann sind sie bereitsin der PKN tätig und welche Bereicheumfasst Ihr Aufgabengebiet?Nadine PietzIch bin seit 2008 bei der PKN tätig unddort in erster Linie zuständig für den BereichSekretariat Vorstand und Geschäftsführung.Dazu gehören sämtlich anfallendeSekretariatsaufgaben wie die Korrespondenz,Terminkoordination, Abstimmungsprozesse,die Vor- und Nacharbeitder Vorstandssitzungen und auch der Sit-zungen der anderen Gremien, also derAusschüsse und Kommissionen. Darüberhinaus gehört noch dazu die organisatorischeBegleitung von Projekten und auchdes PTJ, also die Formatierung und terminlicheAbwicklung der Erstellung der Länderseiten.Dazu kommt noch meine Tätigkeitim Bereich der berufsrechtlichen Angelegenheitenund im Beschwerdemanagement.Mit welchen Aufgaben haben Sie esim Beschwerdemanagement zu tun?Die verschiedenen Teilbereiche bilden gewissermaßeneinen eigenen Teilbereich,der getrennt vom sonstigen Geschäftsstellenbetriebzu betrachten ist, da in besondererWeise mit schützenswerten Datenund Angelegenheiten umgegangen wird.Dazu gehören die Geschäftsabläufe, diedas Berufsgericht, die Beschwerdestelle,die Schlichtungsstelle und den Schlichtungsausschussbetreffen. Dazu gehörtz. B. auch der organisatorische Teil der Benennungder Richter und ehrenamtlichenRichter.Sie haben es dort also mit besonderssensibel zu handhabenden Angelegenheitenzu tun?Ja, so kann man das sagen. Selbst der Vorstanderhält nur in anonymisierter FormKenntnis über die einzelnen Geschäftsprozesse.Ich bin für den Aufgabenbereich,der auch das Berufsgericht umfasst, auchvereidigt worden, um die betreffende Postbearbeiten zu dürfen.An welchen Stellen kommen Sie mitden Mitgliedern in Berührung?Vor allem im Rahmen der Mitgliedsanfragenu. a. auch an die Vorstandsmitgliederim Rahmen der Vorstandssprechstunde.Dort habe ich sowohl schriftlich als auchtelefonisch direkt Kontakt mit unseren Mitgliedern.Gibt es etwas, was Sie sich von denMitgliedern wünschen würden?Ich freue mich weiterhin auf eine gute Zusammenarbeitund bin immer gerne alsAnsprechpartnerin für unsere Mitgliedererreichbar.GeschäftsstelleRoscherstr. 1230161 HannoverTel.: 0511/850304-30Fax: 0511/850304-44Sprechzeiten:Mo, Di, Do, Fr 09.00 – 11.30 UhrMo, Di, Mi, Do 13.30 – 15.00 UhrMail-Anschrift: info@pknds.deMail-Anschrift „Fragen zur Akkreditierung“:Akkreditierung@pknds.deInternet: www.pknds.de320 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerNordrhein-WestfalenKammerversammlung vom 25. Mai <strong>2013</strong>der Krankenhausplanung aus der Sicht seinesHauses. Das Gesundheitsministeriumstelle nach § 12 Krankenhausgestaltungsgesetzden Krankenhausplan auf undschreibe ihn fort. Dieser beschreibe denStand und die Entwicklung der Krankenhäuserund Ausbildungsstätten, die für eineortsnahe, bedarfsgerechte, leistungsfähigeund wirtschaftliche Versorgung derBürgerinnen und Bürger erforderlich seien.Plenum KammerversammlungAm 25. Mai <strong>2013</strong> beriet die Kammerversammlungschwerpunktmäßig zu Fragender Krankenhausplanung und der Novellierungder Beitragsordnung.Krankenhausplanung 2015Im Bericht des Vorstands erläuterte PräsidentinMonika Konitzer den Stand derKrankenhausplanung 2015 in NRW. DiePsychotherapeutenkammer NRW habeanlässlich der Expertenanhörung im Gesundheitsausschussdes Landtages am7. März <strong>2013</strong> eine ausführliche schriftlicheStellungnahme abgegeben. Bisher gehöredie Kammer nicht zu den Organisationen,die an der Krankenhausplanung zu beteiligenseien. Angesichts der anstehendenStrukturreformen in der stationären Versorgungpsychisch Kranker halte die Kammereine Beteiligung an der Krankenhausplanungfür überfällig und notwendig. WesentlichePunkte der Stellungnahme derPTK NRW seien:Versorgung – auch im Krankenhaus –unverzichtbar. Die Vorgaben im Krankenhausplanberücksichtigen die Bedeutungder PP und KJP für eine bedarfsgerechte,integrative, multiprofessionelle,sektorenübergreifende Versorgungnicht ausreichend.• Eine zukunftsfähige, integrative Krankenhausplanungerfordert eine strukturelleVerankerung der multiprofessionellenKooperation im Krankenhaus, d. h.auch eine strukturelle Verankerung derBerufsgruppen der PP und KJP. Multiprofessionalitätist zum Nutzen der Patientinnenund Patienten notwendig, dahermuss neben ärztlicher Weiterbildungauch die Aus- und Weiterbildungder PP und KJP in der Krankenhausplanungabgesichert werden. Entsprechendsollte auch die Bezeichnung derErkrankungen sprachlich überarbeitetwerden, auch diese sollten nicht weiterhinaus den ärztlichen Gebietsbezeichnungenabgeleitet werden.In Psychiatrie und Psychosomatik ist einbedarfsgerechter Ausbau der Versorgungskapazitätenvorgesehen – von 16.041 (Soll2010) auf 18.344 im Jahr 2015 –, so Lafontaine.Ein weiteres Ziel sei ein integrativesVersorgungsangebot von Psychiatrie undPsychosomatik. Eine gemeinsame Planungund Vorhaltung der Versorgungskapazitätensei wegen der engen Verbindung beiderBereiche zur Somatik und Überschneidungenbei den zu behandelnden Krankheitensachgerecht. Ein gemeinsam verantwortetesVersorgungsangebot trageauch zur Sicherung und Verbesserung derQualität der Versorgung von psychisch undpsychosomatisch Kranken bei. Die LeitungNordrhein-Westfalen• Psychologische Psychotherapeuten (PP)und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten(KJP) sind für die leitliniengerechteund qualitativ hochwertigeNRW-GesundheitsministeriumDr. Jörg Lafontaine vom NRW-Gesundheitsministeriumerläuterte die GrundsätzeDr. Jörg Lafontaine,Gesundheitsministerium NRW<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>321


Mitteilungen der Psychotherapeutenkammereiner Abteilung müsse Facharzt sein, dieStellvertretung solle Facharzt sein und einedritte Person müsse den Facharztstandardsicherstellen können.Das Ministerium habe Anregungen derPTK NRW in das Konzept übernommen.Der Hinweis auf die fehlende Definitionvon „schwer psychisch und psychosomatischKranken“ solle aufgegriffen und klarstellenddurch die Formulierung „psychischund psychosomatisch Kranke mit komplexemHilfebedarf“ ersetzt werden. Des Weiterensolle die Notwendigkeit des engenZusammenwirkens aller an der VersorgungBetroffener beteiligten Berufsgruppen stärkerherausgestellt werden.In der anschließenden Diskussion äußertenzahlreiche Mitglieder der KammerversammlungKritik daran, dass die Psychotherapeutenkammernicht zu den „Beteiligten“der Krankenhausplanung (§ 15Krankenhausgestaltungsgesetz) gehöre,wohl aber die Ärztekammern. Außerdemmüsste eine Lösung dafür gefunden werden,dass auch mit der Approbation als PPund KJP eine Leitungsfunktion möglich sei,da diese dem Facharztstandard entspreche.Krankenhausplan veröffentlicht– Klarstellung zur LeitungsfunktionDer Krankenhausplan wurde inzwischenam 23. Juli vom NRW-Gesundheitsministeriumveröffentlicht. Darin wird im Zusammenhangmit der Notwendigkeit einer fachärztlichenLeitung aus beiden Fachgebieten(Psychiatrie und Psychosomatik) ausdrücklichauf den Satz § 31 Abs 2 des KHGG verwiesen:„Für Abteilungen, die Patientinnenund Patienten behandeln, bei denen Psychotherapieangezeigt ist, können nebender Abteilungsärztin oder dem AbteilungsarztPsychologische Psychotherapeutinnenoder -therapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnenoder -therapeutenbestellt werden, die bei der Untersuchungund Behandlung dieser Patientinnenund Patienten eigenverantwortlich undselbstständig tätig sind.“Jetzt müssen Krankenhausträger und Krankenkassendarüber verhandeln, wie derPlan regional in den 16 Versorgungsgebietenumgesetzt wird. Dabei geht es nichtnur um die zusätzlichen Betten in Psychiatrieund Psychosomatik, sondern um denAbbau von ca. 13.000 Betten in den organmedizinischenFächern, sodass wohllangwierige Verhandlungen bevorstehen.Einkommensabhängige Beitragsordnung diskutiertNordrhein-WestfalenVizepräsident Hermann Schürmann stellteauf der Kammerversammlung den Rohentwurffür einen einkommensabhängigenBeitragssatz vor. Der bisherige einheitlicheRegelsatz von 350 Euro habe zu zahlreichenBeschwerden von Kammermitgliedernmit niedrigem Einkommen geführt.Außerdem gebe es zahlreiche Rückgabender Approbation aus finanziellen Gründen.Deshalb sei der Vorstand von der Kammerversammlungbeauftragt worden, mehrereModelle einer Beitragstabelle zu berechnen,die Berechnungen seien den Mitgliedernder Kammerversammlung zugegangen.Der Vorstand schlage nun ein Modellvor, bei dem alle Mitglieder der PTK NRWden gleichen Prozentsatz vom Einkommen(„Hebesatz“) als Beitrag zahlen. Die weiterenEckpunkte des Modells seien: Beim Einkommenwerde allein auf die Einkünfte auspsychotherapeutischer Tätigkeit abgestellt.Einkünfte aus psychotherapeutischer Tätigkeitbis zu 10.000 Euro blieben beitragsfrei.Es werde ein Höchstbeitrag für Einkünfteüber 100.000 Euro festgesetzt. Die Grundlageder Beitragsveranlagung sei das vorvergangeneJahr. Bei Einkünften aus selbstständigerTätigkeit (z. B. Praxisgewinn) würdenpauschal 20% abgezogen, entsprechenddem Arbeitgeberanteil bei Angestellten.Jeder Kammerangehörige erhalte Anfangdes Kalenderjahres die Aufforderung,sich hinsichtlich der Beitragshöhe anhandder Beitragstabelle selbst einzustufen. DieSelbsteinstufungen der Kammerangehörigenwürden stichprobenweise oder bei begründetemVerdacht überprüft.Die Konsequenzen einer einkommensabhängigenBeitragsordnung seien, so Schürmann:Kammerangehörige, die aufgrundfamiliärer Verpflichtungen weniger arbeitenkönnen, würden entlastet. Niedergelassene,die geringe Einkünfte aus psychotherapeutischerTätigkeit erzielen (z. B. beiPrivatpraxis, Existenzgründung, bei hälftigemVersorgungsauftrag) würden entlastet.Kammerangehörige, die im geringenUmfang selbstständig zum Rentenbezughinzuverdienen, müssten keinen bzw. nureinen geringen Kammerbeitrag zahlen.Kammerangehörige, die im geringen Umfangselbstständig zu einer angestellten/beamteten Teilzeittätigkeit hinzuverdienen,würden je nach Höhe der Einkünfte entlastet.Kammerangehörige mit höherem Einkommenwürden stärker belastet.Die Diskussion über das vom Vorstand vorgeschlageneModell für eine neue Beitragsordnungverlief kontrovers. Themen warenunter anderem, ob der Arbeitsaufwand füreine einkommensabhängige Beitragsordnungfür die Geschäftsstelle, aber auch fürdie Mitglieder, nicht höher sei als der Aufwandfür einen einheitlichen Regelbeitrag,ob der Höchstbetrag nicht höher als bishergeplant sein müsse, um auch Mitglieder miteinem sehr hohem Einkommen angemessenzu beteiligen, und ob Kinderfreibeträgezu berücksichtigen seien. Mehrere Delegiertebetonten, dass sie einen einheitlichenBeitragssatz für jüngere Kolleginnenund Kollegen für ungerecht halten und einRegelsatz von 350 Euro für diese zu hochsei. Der Vorstand wird in der Kammerversammlungim Dezember einen Entwurf zurneuen Beitragsordnung vorlegen.Hermann Schürmann,Vizepräsident PTK NRW322 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Nordrhein-WestfalenKammerversammlung diskutiert Aufgaben und Selbstverständnis der PTK NRWDie Diskussion um ein Leitbild der PsychotherapeutenkammerNRW geht in dieEndphase. Das Leitbild soll das heutigeVerständnis der Funktion und Hauptaufgabender Kammer beschreiben sowieeine einheitliche Grundlage für die Handlungsorientierungder Kammer in denkommenden Jahren schaffen.Der Vorstand hat auf der Grundlage derbisherigen Diskussionen den Delegiertender Kammerversammlung einen Entwurfvorgelegt, der am 14. September <strong>2013</strong>beraten wurde. (Einen Bericht finden Sieauf der Homepage der PTK NRW unter„Aktuelles“. Wegen des frühen Redaktionsschlussesfür die Länderseiten desPTJ ist ein Bericht an dieser Stelle leidernicht möglich). Die Verabschiedung desLeitbildes ist für die nächste Kammerversammlungim Dezember vorgesehen.Im Folgenden dokumentieren wir denEntwurf des Leitbildes, wie er der Kammerversammlungvorgelegt wurde.und tragen mit ihrer Tätigkeit zur seelischenGesundheit in der Bevölkerung bei.1.2 Sie arbeiten wissenschaftlich fundiertund verwenden wissenschaftlich anerkannteMethoden, nutzen klinische Expertiseund gestalten die Beziehung zum Patientenprofessionell.1.3 Sie achten die Würde ihrer Patientenund üben ihren Beruf zum Wohle der Patientengewissenhaft aus. Sie respektierendie Autonomie ihrer Patienten und gestaltenihr Handeln nachvollziehbar in einemsicheren Rahmen.2. Die PsychotherapeutenkammerNRW2.1 Als berufliche Vertretung der Psychotherapeutinnenund Psychotherapeuten inNRW setzt sich die PsychotherapeutenkammerNRW für angemessene gesellschaftliche,gesetzliche und ökonomischeRahmenbedingungen der Berufsausübungein und unterstützt die Kammerangehörigenin beruflichen Angelegenheiten.3.4 Sie formuliert Positionen des Berufsund vertritt diese gegenüber Behördenund Politik, in Gesetzgebungsverfahrenund gegenüber anderen Organisationen.3.5 Sie setzt sich für leistungsfähige Versorgungsstrukturenund die berufsübergreifendeZusammenarbeit ein.3.6 Sie arbeitet eng mit anderen Kammernzusammen und pflegt einen regen Austauschmit Organisationen des Gesundheitswesensin Gremien und Initiativen.4. Die Organisation4.1 Als Körperschaft des öffentlichen Rechtsist die PTK NRW demokratisch verfasst.Sie handelt auf der Grundlage von Rechtund Gesetz, Satzungen und Ordnungen.4.2 Sie strebt eine breite Beteiligung derKammerangehörigen an der Meinungsbildungzu wichtigen beruflichen Themen,die klare Formulierung der jeweiligenInteressen und Positionen und eineoffene, kollegiale Diskussion an.Wenn Sie sich als Kammerangehörige andieser wichtigen Diskussion beteiligenmöchten, können Sie sich mit Rückmeldungenan die Delegierten oder an denVorstand wenden.Präambel0.1 Die Psychotherapeutenkammer (PTK)NRW ist die Selbstverwaltung der mehrals 8.000 Psychologischen Psychotherapeutinnenund Psychotherapeuten undder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnenund -psychotherapeuten inNRW mit Sitz in Düsseldorf.0.2 Mit diesem Leitbild wollen wir eineeinheitliche und nachvollziehbare Orientierungfür Mandatsträger, Kammerangehörige,Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterund Öffentlichkeit schaffen.0.3 Dabei sind wir uns unserer Verantwortungund unserer Einflussmöglichkeitenauf den Beruf und die Berufsausübungder Psychotherapeutin und desPsychotherapeuten bewusst.1. Der Beruf1.1 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeutensind Experten für psychischeGesundheit und psychische Erkrankungen2.2 Sie engagiert sich für die Berücksichtigungder Belange psychisch kranker Menschenund ein ausreichendes und hochwertigespsychotherapeutisches Versorgungsangebot.2.3 Sie legt die Standards der Berufsausübungfest und entwickelt sie kontinuierlichunter Beachtung des Versorgungsbedarfs,der wissenschaftlichen Erkenntnisseund des Berufsbilds weiter.2.4 Sie informiert die Öffentlichkeit zu Themender psychischen Gesundheit und derpsychotherapeutischen Behandlung und fördertdas Vertrauen zu Psychotherapeutinnenund Psychotherapeuten in der Gesellschaft.3. Die Hauptaufgaben3.1 Die Psychotherapeutenkammer NRWsorgt für eine hochwertige Fort- und Weiterbildungund angemessene Qualitätssicherung.Sie setzt sich kontinuierlich füreine höchsten Ansprüchen genügendeAusbildung ein.3.2 Sie sichert die Erfüllung der Pflicht zursorgfältigen Berufsausübung.3.3 Sie informiert die Kammerangehörigenin berufsbezogenen Belangen und bietetdazu Beratung und Dienstleistungen an.4.3 Sie ist der Qualität und Professionalitätihrer Arbeit besonders verpflichtet. Wissenund Erfahrung bilden das Fundament derArbeit. Dies setzt in der Geschäftsstellekompetente, engagierte und leistungsbereitesowie adäquat vergütete Mitarbeiterund Mitarbeiterinnen voraus.4.4 Die gewählten Ehrenamtlichen steuernund kontrollieren die Ausrichtung unddas Handeln der Kammer über die Kammerversammlungund den Vorstand. DieZusammenarbeit von Hauptamtlichenund Ehrenamtlichen ist getragen von gegenseitigerWertschätzung und respektiertdie unterschiedlichen Zuständigkeiten.4.5 Klare Strukturen, eine funktionaleAufgabenteilung und die Bereitstellungder notwendigen Ressourcen sind dieGrundlage für einen leistungsfähigen Betriebder Kammer.4.6 Die Psychotherapeutenkammer NRWstrebt in ihrem Organisationshandeln dieVerwirklichung der Grundsätze guter Verwaltungspraxisan (siehe beispielsweiseden Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis).Nordrhein-Westfalen<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>323


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerVerwaltungsvorschrift Sachverständige in aufenthaltsrechtlichen Fragen geändertDie Kammerversammlung verabschiedeteaktualisierte Kriterien, nach denen Sachverständigein aufenthaltsrechtlichen Fragenin die Liste der PTK NRW aufgenommenwerden.Die Sachverständige Eva van Keuk vomPsychosozialen Zentrum für Flüchtlinge inDüsseldorf berichtete auf der Kammerversammlungüber den aktuellen Erlass desInnenministeriums NRW. Eine Abschiebunghabe danach zu unterbleiben, wennsich dadurch eine psychische Erkrankung(wieder) verschlimmere. Eine Begutachtungam Tag der Abschiebung durch Notfallmedizinersei nicht ausreichend. EineAbklärung müsse vielmehr im Vorfeld erfolgen.Für die Beurteilung, ob eine PTBS die Folgevon Folter sei, sei das Istanbul-Protokollwesentlich. Darin seien von internationalenExpertinnen und Experten unter demDach des UN-Flüchtlingskommissars Normenüber die Dokumentation und Feststellungvon physischen und psychischenFolterspuren vereinbart worden.In NRW werden dringend weitere Sachverständigegebraucht. Die nächste Fortbildungzum Erwerb der Qualifikation alsSachverständige/r in aufenthaltsrechtlichenFragen findet am 15./16. November und13./14. Dezember in Bielefeld, gemeinsammit der Ärztekammer Westfalen-Lippe,statt (siehe: www.ptk-nrw.de/Veranstaltungen).Damit ein Attest anerkannt werde, seienMindeststandards für die Begutachtungeinzuhalten, wie sie das Bundesverfassungsgerichtim Jahr 2007 nenne.Die Verwaltungsvorschrift ist als Einhefterdiesem Heft beigefügt. Sie ist auch auf derHomepage der Kammer in der RubrikRecht unter „Sachverständige aufenthaltsrechtlicheFragen“ veröffentlicht, ebensoEva van Keuk, Psychosoziales Zentrum fürFlüchtlinge in Düsseldorfwie der maßgebliche Erlass des InnenministeriumsNRW.KurzmeldungenNordrhein-WestfalenLandesrechnungshof prüft PTK:Keine BeanstandungDer Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalenhat im April/Mai über mehrere Wochendie Haus- und Wirtschaftsführung derPTK NRW geprüft. Die Prüfung endete ohneBeanstandung – eine überzeugendeBestätigung der ordnungsgemäßen undsparsamen Wirtschaftsführung der Kammer.Erste Ergebnisse der BPtK-Angestelltenbefragung für NRWDie angestellten Psychotherapeuten inNRW wurden Anfang des Jahres von unsmit der Bitte angeschrieben, sich an einervon der BPtK organisierten Online-Befragungzu ihrer beruflichen Situation zu beteiligen.Es wurden unter anderem Informationenzur beruflichen Position, zur Rolle in derOrganisation und zu den Arbeitsaufgabenerhoben.Nach den ersten Ergebnissen haben sichvon den rund 3.500 angeschriebenen Angestelltenknapp 1.000 beteiligt, was einerRücklaufquote von fast 30% entspricht.Von diesen knapp 1.000 Antwortendensind 70% als PP, 25% als KJP und 5%doppelt approbiert. 30% (n=272) übenzusätzlich zur Anstellung eine selbstständigeTätigkeit, meist eine ambulante psychotherapeutischeTätigkeit (n=160), aus.Auch die Kombination von angestellterund vertragspsychotherapeutischer Tätigkeitkommt regelmäßig vor (n=43). HäufigsterArbeitsplatz der angestellten Kolleginnenund Kollegen ist das Krankenhaus(40%), gefolgt von einer Vielzahl unterschiedlicherTätigkeitsfelder in der Jugendhilfe,Rehabilitation, Beratungsstellen undAnstellung in einem Medizinischen Versorgungszentrum(MVZ). 50% gehen ihrerangestellten Tätigkeit in Vollzeit (> 35 Std.)nach. Bei den Männern sind ca. 70% vollzeitbeschäftigt,bei den Frauen 40%. TrotzApprobation ist die Mehrheit der angestelltenPsychotherapeuten (56,6%) in ihremGrundberuf, meist als Diplom-Psychologe/-Psychologin eingestellt, bei nur jedemDritten (29,1%) steht die Approbation alsPP oder KJP auch im Arbeitsvertrag. Beiden PP in Vollzeit-Anstellung erzielen rund50% und bei den KJP bei voller Arbeitszeitknapp 15% ein Einkommen von mehr als60.000 Euro. Über 80% der 3,3Kolleginnenund Kollegen stimmen „voll“ oder„eher“ der Aussage zu: „Ich bin mit meinerArbeit zufrieden.“Derzeit werden die Ergebnisse der umfangreichenOnline-Befragung durch dieBPtK ausgewertet. Eine Auswertung aufBundes- und Länderebene soll noch indiesem Jahr zur Verfügung stehen. Eineweitere differenzierte Auswertung bezogenauf NRW ist geplant.Gemeinsamer Workshop vonÄKWL und PTK zur BarrierefreiheitIm Gesundheitswesen existieren für Menschenmit Behinderung noch zu viele Hür-324 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Nordrhein-Westfalenden. Am 3. Juli <strong>2013</strong> diskutierten rund 20Expertinnen und Experten der PTK NRWund der Ärztekammer Westfalen-Lippe, wiesich psychotherapeutische und psychiatrischeVersorgung barrierefrei gestalten lassen.Psychotherapeuten und Psychiater ausNiederlassung und Einrichtungen berietengemeinsam mit Vertretern der Behinderten-Selbsthilfe NRW, welche Barrieren den Zugangvon Menschen mit psychischen undphysischen Behinderungen und einer psychischenErkrankung den Zugang zu einerangemessenen Behandlung erschwerenbzw. unmöglich machen. Auf dem Workshopin der Bodelschwinghschen StiftungBethel in Bielefeld wurde insbesondere derWunsch nach einem Ausbau der Aus-, FortundWeiterbildungsangebote zu behinderungsspezifischenAspekten sowie nach einerbesseren Kooperation der Akteure vorOrt untereinander geäußert. TeilhabeorientierteBehandlungsstrukturen könnten sichjedoch nur dann nachhaltig weiterentwickeln,wenn auch die Vergütungsstrukturenentsprechend angepasst würden. Die Ergebnisseder gemeinsamen Arbeit sollenals Impulse in die laufenden Überlegungenzu den notwendigen Veränderungen in derGesundheitsversorgung des Landes NRWeingebracht werden.Fortbildung: Berufsrecht fürAngestellteAm Samstag, dem 16. November <strong>2013</strong>,findet in Essen die Fortbildung „BerufsundArbeitsrecht für angestellte PsychotherapeutInnenin Krankenhäusernund Rehabilitationseinrichtungen“statt. Referent: Dr. jur. Martin Liebig,Gebühr: 80,– Euro, fünf Fortbildungspunkte.GeschäftsstelleWillstätterstr. 1040549 DüsseldorfTel. 0211 / 52 28 47-0Fax 0211 / 52 28 47-15info@ptk-nrw.dewww.ptk-nrw.deNordrhein-Westfalen<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>325


OstdeutschePsychotherapeutenkammerBrandenburgMecklenburg-VorpommernSachsenSachsen-AnhaltThüringenMitteilungen der OstdeutschenPsychotherapeutenkammerForensische Psychotherapie – ein neues Thema für die OPK:Fachkommission Forensik soll gegründet werden – Ihre Fachkenntnis wird gesuchtOstdeutsche PsychotherapeutenkammerEs bewegt sich etwas in (Ost-)DeutschlandsJustizministerien. Das Interesse vonJustiz, Verwaltung und auch einzelnen Abgeordnetenan der Psychotherapie wächstspürbar. Immer öfter wird dazu auch dasGespräch mit der OPK gesucht. Dabeigeht es sowohl um Fachfragen, zum Beispielum Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen,als auch um die Suche nach geeignetempsychotherapeutischen Personal.Hintergrund dieses Interesses sind dieneue Zuständigkeit der Bundesländer fürden Strafvollzug sowie eine Folge von Urteilenzur Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung,die auch Folgen für den Strafvollzughaben.Bedarf an Psychotherapie imJustizvollzug wächstDie Zuständigkeiten für den Bereich derForensik haben sich mit der Förderalismusreformverschoben. Nun ist nicht mehr,wie zuvor, der Bund für den Strafvollzugzuständig, sondern die Bundesländer sindgehalten, den Strafvollzug eigenständig zuregeln. Dies könnte zwar im Extremfall dazuführen, dass sich der Strafvollzug vonBundesland zu Bundesland in seiner Ausgestaltungunterscheidet, ist aber letztendlichpolitisch gewollt. In den OPK-Bundesländernist daher aktuell ein Prozess inGang, landeseigene Straf- und Maßregelvollzugsgesetzein den Landtagen zu diskutierenund zu verabschieden. Und Dankder immer professioneller werdenden politischenArbeit von OPK-Vorstand und OPK-Geschäftsstelle wird die OPK mittlerweilevon der Politik als Ansprechpartner wahrgenommenund bei Fachfragen um Ratgebeten. In den neuen Strafvollzugsgesetzender Bundesländer spielt nun Psychotherapieeine größere Rolle als zuvor.Grund dafür sind in den letzten Jahren ge-fällte Urteile des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichteszur Sicherungsverwahrung.Diese zwingen die Politik, denStrafvollzug zukünftig stärker therapeutischauszurichten, als es bislang der Fall war.Das bedeutet: Künftig wird auch Psychotherapieeine größere Rolle im Strafvollzugspielen. Erreicht werden soll so, dass sowenige Insassen wie möglich im Anschlussan ihre Strafe sicherheitsverwahrt werdenmüssen. Sie sollen bereits während ihrerGefängnisstrafe therapeutisch behandeltwerden, um so im Anschluss an die Gefangenschaftihre Chance auf ein Leben inFreiheit ohne schwere kriminelle Rückfällezu erhöhen. Sicherungsverwahrung solldadurch bei möglichst vielen Gefangenengar nicht erst nötig werden. Dieser Ansatzverlangt ein Umdenken und eine Neuausrichtungdes Strafvollzugs. Zwar gibt es mitden sozialtherapeutischen Anstalten oderAbteilungen bereits Einrichtungen, in denenein therapieorientierter Strafvollzugumgesetzt wird. Dies hatte aber bislangkaum Auswirkungen auf den Regelvollzugaußerhalb dieser Einrichtungen. Man darfdaher gespannt sein, ob und wie dieserParadigmenwechsel tatsächlich Eingang indie Realitäten des Strafvollzugs findet. Zuerwarten ist jedenfalls, dass sich die Länderzukünftig verstärkt um therapeutischesPersonal für den Strafvollzug bemühenmüssen. Der Bedarf an PsychotherapeutInnenim Justizvollzug wächst, und dieOPK sieht sich zunehmend mit der Bitteum Unterstützung bei der Personalsuchekonfrontiert. Vielerorts müssen sich allerdingsdie Arbeitsbedingungen für approbiertePsychotherapeutInnen noch verbessern.Ihre dienstrechtliche Einstufung undihre Rolle im Vollzugsalltag sind noch nichtin allen Bundesländern und in allen Einrichtungenangemessen für einen akademischenHeilberuf. Hier nutzt die OPK jedeGelegenheit, darauf hinzuweisen, dass derWettbewerb um qualifiziertes Personal nurdurch attraktive Arbeitsbedingungen zugewinnen ist.Fachkommission Forensik:Es werden Mitglieder gesucht!Grund genug für Vorstand und Geschäftsstelleder OPK, sich vermehrt mit der Rollevon Psychotherapie im Justizwesen auseinanderzusetzen.Dazu brauchen wir IhreUnterstützung, denn natürlich kann keintheoretisch erarbeitetes Konzept den Einblickin die Praxis ersetzen. Wir möchtendeshalb eine Fachkommission Forensikins Leben rufen. In diesem Gremium sollenforensisch tätige KollegInnen den Vorstandund die Geschäftsstelle fachlich beraten.Falls Sie Interesse an einer Mitarbeithaben, melden Sie sich, gerne unter AngabeIhrer forensischen Erfahrung, Ihres Einsatzortesund Ihres Vertiefungsverfahrens.Dafür und um alle Fragen rund um dieFachkommission steht Ihnen Kerstin Dittrich(kerstin.dittrich@opk-info.de) aus derGeschäftsstelle gerne zur Verfügung.Der Bereich der Forensik bietet ein zukunftsträchtiges,interessantes und gesellschaftlichwichtiges Tätigkeitsfeld für PsychotherapeutInnen.Viele an sich an diesemGebiet interessierte KollegInnenfürchten jedoch, für das herausforderndeArbeitsumfeld Forensik fachlich oder persönlichnicht gerüstet zu sein. Weil außerdemnur wenige potenziell interessierteOPK-Mitglieder das Arbeitsumfeld „Forensik“aus Studium oder Ausbildung kennen,haben wir einen erfahrenen Kollegen überseinen Arbeitsalltag im Maßregelvollzugbefragt: OPK-Mitglied Jörg Bischof arbeitetseit vielen Jahren in der Klinik für Forensi-326 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Ostdeutsche Psychotherapeutenkammersche Psychiatrie des Klinikums St. Georg inLeipzig. Dort ist er als Abteilungsleiter imMaßregelvollzug gemäß § 64 StGB für diepsychotherapeutische Behandlung von PatientInnenmit Suchterkrankungen zuständig.Für das PTJ sprach Kerstin Dittrich mitJörg Bischof über die Besonderheiten seinerArbeit:Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?Jörg Bischof: Alles. Ich habe mich nochkeinen Tag gelangweilt. Ich muss nicht immerwieder Anträge schreiben und Abrechnungskennziffernerfüllen, sondernhabe den großen Vorteil, PatientInnenüber lange Zeit unter fast optimalen klinischenBedingungen psychotherapeutischbehandeln zu dürfen.Wie sieht die Therapie-MotivationIhrer PatientInnen hier aus?Jede und jeder kommt ambivalent in dieTherapie. Das ist draußen so und hier drinnenim Maßegelvollzug ist das nicht anders.Man kann Menschen helfen, Motivationaufzubauen. Und das versuchen wirhier.Was sind typische psychotherapeutischeArbeiten in Ihrer Einrichtung?Die Arbeit als Bezugstherapeut und vor allemGruppentherapie. Wir Psychotherapeutenleiten Gruppentherapien und führenEinzelgespräche und Behandlungsplankonferenzen.Darin geht es um weitereTherapieschritte einzelner PatientInnenund um die in der Forensik maßgeblicheFrage der Gefährlichkeitsbeurteilung. Dieist Grundlage dafür, ob jemand in Freiheitkommt oder nicht. Und auch für Lockerungsentscheidungen:Darf jemand Besuchempfangen oder Ausgang erhalten.Was müssen PsychotherapeutInnenfür diese Arbeit mitbringen?Besonders wichtig ist es, den Menschen inseinen Gesamt-Lebenszusammenhängenbegreifen zu können. Es hat sich sehr bewährt,dass ich auch mit den Angehörigenmeiner PatientInnen den Kontakt pflege.Jeder und jede, der oder die hier zu Besuchkommt, muss mit dem Therapeutendes Patienten sprechen. Dadurch offenbarensich stückchenweise die Lebensverhältnisse,die die PatientInnen nicht ohneWeiteres erzählen.Und was braucht man noch?Man braucht einen klaren Kopf, ein großesHerz und eine gewisse Härte gegen sichselbst. Damit meine ich, dass man ja hiereine Doppelverpflichtung hat: Die setztsich zusammen aus der Pflicht gegenüberder Gesellschaft und gegenüber den PatientInnen.Es ist immer so, dass sich imZuge einer Psychotherapie eine Beziehungzu den PatientInnen aufbaut. Er oder sierückt uns erst mal näher. Wir müssen aberhier die Entscheidung treffen, ob wir denjenigender Gesellschaft zumuten könnenoder nicht. Und dabei können wir unsnicht auf unser Gefühl verlassen, sondernmüssen klare Kriterien anlegen. Das meineich mit klarem Kopf.Sind die jungen KollegInnen durchihre Ausbildung gut auf die Arbeit imMaßregelvollzug vorbereitet?Auf die Arbeit im Maßregelvollzug kannman nicht angemessen vorbereitet werden.Entscheidend ist, dass man sehrteamfähig ist. Jeder und jede meiner KollegInnenist schließlich meine Lebensversicherung.Wenn uns was passiert, müssenwir uns selbst helfen. Wir schauen schondarauf, dass wir da die richtigen KollegInnenfinden.Wie funktioniert die Zusammenarbeitmit den anderen Berufsgruppenhier?Also ich kann mich da überhaupt nicht beklagen.Schon an der Struktur zeigt sich, dass daeine ganz gute Zusammenarbeit besteht:Wir haben die ärztliche Leitung durch denChefarzt, und wir haben einen Oberarzt undzwei Psychologen, die jeweils Abteilungsleitersind und den Chefarzt vertreten. Auch dieZusammenarbeit mit dem Pflegedienst undden Sozialarbeitern und den anderen Therapeuten– das ist eine Zusammenarbeit inpersönlicher Verbundenheit. Natürlich gibt esda auch Konflikte und auch mal Leute, diesich „nicht riechen“ können. Aber die habenes bis jetzt immer geschafft es abzustellen,wenn es mal drauf ankam. Man kann hiernicht aneinander vorbeiarbeiten.Wenn Sie für Ihre Arbeit drei Wünschefrei hätten – was wäre das?Weniger Verwaltungskram, der von der eigentlichentherapeutischen Arbeit abhält.Und zweitens wünsche ich mir mehr Zeit,mich in Sachen zu vertiefen. Diese Zeit istdurch die Dichte an PatientInnen nicht immerda.Haben Sie Wünsche an die OPK?Die OPK soll sich für gute Ausbildungsbedingungeneinsetzen, das ist ganz wichtig.Neben der Psychotherapieausbildung mussfür die jungen KollegInnen noch ein normalesLeben möglich sein, auch mit Familie,auch materiell abgesichert. Die Ausbildungist zu belastend und zieht sich dadurchunsäglich lange hin.Herr Bischof, vielen Dank für diesesInterview.Ostdeutsche PsychotherapeutenkammerErfolgreiche Veranstaltungsreihe „Berufsrecht <strong>2013</strong>“ –Anfragen und Probleme der Mitglieder im Fokus<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Am 11. März <strong>2013</strong> fand die erste vonneun Fortbildungsveranstaltungen zum„Berufsrecht <strong>2013</strong>“ im Mediencampus inLeipzig statt. Der Inhalt und die Gewichtungder angesprochenen Themen derVeranstaltungsreihe resultieren im Wesentlichenaus den Anfragen und täglichenProblemen unserer Mitglieder, diein den vergangenen Jahren an uns alsKammer herangetragen wurden. Ziel istes, die Mitglieder für berufsrechtlicheSachverhalte zu stärken, damit sie auchweiterhin ihre Arbeit selbstbewusst undrechtssicher ausüben können. Dabeiwerden altbekannte Themenbereicheebenso angesprochen wie neueste Entwicklungenrund um das Patientenrechtegesetz.Nach einem Einstieg über die allgemeinenRechtsgrundlagen der psychotherapeuti-327


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerNahezu 80 KollegInnen folgten der Einladung zur Berufsrechtveranstaltungam 27. Mai <strong>2013</strong> im Kaisersaal in Erfurt.schen Arbeit wurde in Leipzig anhand vielerFallbeispiele lebhaft auf Grundlage derBerufsordnung diskutiert. Hierbei konntendie bisherigen TeilnehmerInnen ihre Fragenund auch ihre Erfahrungen gut einbringen.Es gelang, die KollegInnen für dieThematik Berufsrecht zu sensibilisierenund die hohe Bedeutung der Berufsordnungzu vermitteln. Dabei wurden nebenden juristischen Feinheiten auch die Problemfälleder Praxis deutlich. Nicht immerist klar, wer eigentlich vor Beginn der Psychotherapiezustimmen muss. Wer kannwirksam in eine Psychotherapieeinwilligen?Wann kannein Kind selbst entscheiden,ob es einePsychotherapiemöchte? Wen mussich als Psychotherapeutaufklären undwas muss ich hierbeibeachten? Wannbesteht ein Einsichtsrechtin diePatientenakte undwie weit reicht es?Aber auch Fragen rund um das Thema Dokumentationzeigten die täglichen Problemeder KollegInnen. Wem gehört eigentlichdie Patientenakte/Dokumentation?Was muss ich als Psychotherapeut überhauptdokumentieren und wozu? Woraufkommt es an? Was mache ich mit der Aktenach Beendigung der Psychotherapie?Nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzeskonnten auch hierzu einige wichtigeInhalte und Auswirkungen auf die täglicheArbeit vermittelt werden.Die TeilnehmerInnen zeigten bisher auf jederVeranstaltung reges Interesse und bereichertendamit den Ablauf maßgeblich.Die nächste Veranstaltung „Berufsrecht<strong>2013</strong>“ findet am 18. September <strong>2013</strong> inNeubrandenburg statt. Weitere werden imSeptember, Oktober und November inMagdeburg, Cottbus und Dresden folgen.Achtung: Veranstaltungsortam 13. November in Dresdenändert sichWichtiger Hinweis zum Veranstaltungsortin Dresden: Die Berufsrechtveranstaltungfindet aufgrund der riesigen Nachfragenicht wie bisher angekündigt in derSächsischen Landesärztekammer statt,sondern im Rundkino Dresden, Prager Str.6 in 01069 Dresden, im Kinosaal 5.Nähere Informationen zu Anmeldemöglichkeitensowie zu Folgeveranstaltungenerhalten Sie über unsere Mitarbeiterin AntjeOrgass (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Projektmanagement)unter antje.orgass@opk-info.de.Ass. jur. Ina RoßmannAuf dem Urkontinent Gondwana flanieren – Abendveranstaltung des 2. OstdeutschenPsychotherapeutentages in Leipzig eröffnet Ihnen die Welt der ErdentstehungOstdeutsche PsychotherapeutenkammerDer 2. Ostdeutsche Psychotherapeutentagvom 21. bis 22. März 2014 in Leipzig entführtSie mit seinem Eröffnungs-, Kongress-und Abendprogramm zu denschönsten, sehenswertesten und faszinierendstenOrten der Messestadt. Lassen Siesich vom sächsischen Charme der Stadtder Friedlichen Revolution umgarnen undverzaubern.Zu den Plenumsvorträgen an beiden Tagenwerden Sie in der Leipziger Oper zuGast sein. Die Oper Leipzig steht in derTradition von mittlerweile fast 320 JahrenOpernpflege in Leipzig. 1693 wurde hierdas erste Opernhaus eröffnet, das damitdas dritte bürgerliche Musiktheater Europasnach Venedig und Hamburg war. Erstmalsaußerhalb des Bayreuther Festspielhauseswurde 1878 Richard WagnersDie Leipziger Oper. (Foto: Andreas Schmidt)328 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer„Ring“-Tetralogie in Leipzig aufgeführt. HerausragendeDirigenten bis 1890 warenArtur Seidl, Arthur Nikisch und GustavMahler. Im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört,wurde 1956 bis 1960 an gleicherStelle das heutige Opernhaus errichtet, beidem die spätklassizistischen Formen desVorgängerbaues andeutungsweise wiederaufgenommen wurden.Das Hauptprogramm unseres Kongressesfindet an der Leipziger Universität statt. DieLeipziger Universität, die Alma Mater Lipsiensis,ist mit ihrem Gründungsjahr 1409die zweitälteste, seit ihrer Gründung ohneUnterbrechung arbeitende Universitätnach der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.Gottfried Wilhelm Leibniz und JohannWolfgang von Goethe haben hier studiert,ebenso wie Karl Liebknecht und ErichKästner. Das Studentenverzeichnis derUniversität Leipzig liest sich wie ein „Who isWho“ deutscher Geistesgrößen. Heutestudieren über 30.000 StudentInnen ausaller Welt in rund 100 Studiengängen ander Universität Leipzig.Zum 600-jährigen Jubiläum der Universität2009 wurde der Umbau des innerstädtischenCampus auf den Weg gebracht, derden Wiederaufbau des Augusteums undder Paulinerkirche zum Ziel hatte. BeideGebäude sind in unmittelbarer Nähe zwischender Oper undden Hörsälen/Seminarräumender Universitätzu findenund für Sie im Märzanschaubar.Abends im ZooLeipzig aufZeitreise gehenDie Abendveranstaltungdes Kongressesführt Sie in ein urgeschichtliches,exotisch-tierischesAmbiente.Im Gondwanalanddes Zoos Leipzigspüren Sie den tropischenRegenwaldmit allen Sinnen. Aufeiner überdachtenFläche, größer alszwei Fußballfelder, leben etwa 90 exotischeTierarten und rund 500 verschiedeneBaum- und Pflanzenarten. Bei Musik undkulinarischen Spezialitäten im Gondwanalandmöchten wir Ihnen Raum für Gespräche,Diskussionen, Tanz und Vergnügenzum Ausklang des Tages geben.Die Tropenhalle wird von einer freitragendenStahlkonstruktion, in die 407 Folienkisseneingelassen sind, überdacht. DerScheitelpunkt des Dachs erreicht eine Hö-Blick zum Paulinum und zum Augusteum. (Foto: Swen Reichhold)he von 34 Metern – genügend Platz fürgroßwüchsige Tropengewächse. Doch hinterdieser Konstruktion verbirgt sich auchein ausgeklügelten Heiz- und Bewässerungssystem.Die transparenten Folienkissenlassen nicht nur 100 Prozent der fürdie Pflanzen und Tiere wichtigen UV-Strahlungdurch. Auch die Wärme kann passieren,wird in einem 100.000 Liter großenErdwärmespeicher gesammelt und nachtszum Heizen genutzt.Freuen Sie sich mit uns auf einen anregenden,praxisnahen Kongress im März nächstenJahres. Ab Ende September <strong>2013</strong> könnenSie das Programm unter www.opt2014.de einsehen und sich online fürdie Workshops, Fallbesprechungen, Seminareund Vorträge anmelden.Antje OrgassOstdeutsche PsychotherapeutenkammerPer Boot zum Tapirgehege. (Foto: Zoo Leipzig)<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>GeschäftsstelleKickerlingsberg 1604105 LeipzigTel.: 0341-462432-0Fax: 0341-462432-19Homepage: www.opk-info.deMail: info@opk-info.de329


Psychotherapeutische Versorgung und KostenerstattungEin Interview von Frau Dipl.-Psych. Sabine Bettinger mit Herrn Alfred Kappauf,dem Präsidenten der LPKRheinland-PfalzBettinger: Sehr geehrter Herr Kappauf,ich arbeite seit 2007 mit meiner psychotherapeutischenPraxis (VT) in der Kostenerstattung.Täglich erreichen mich mindestenszwei bis drei Anfragen nach Therapieplätzen,die ich nicht mehr bedienenkann, d. h. selbst ich habe jetzt mindestensein halbes Jahr Wartezeit.Wie erklären Sie sich die Zunahmeder Nachfrage nach Psychotherapie(PT) und wie sollen diese Menschenin Zukunft versorgt werden?Kappauf: Die gesellschaftliche Entwicklungführte insbesondere im Bereich derGesundheit zu sehr positiven Ergebnissen:Die Bevölkerung ist körperlich gesünder,psychisch vermutlich auch, zumindest invielen Aspekten. Die Lebenserwartung istviel höher, dabei entspricht das gestiegeneAlter für die meisten einer Verlängerungvon Leistungsfähigkeit und Lebensqualität(Krankheitskompression). Die Anzahl derSuizide hat sich in den letzten 20 Jahrendrastisch verringert und der Bildungsstandardist höher als früher.Die deutlich gestiegene Nachfrage nachPT ist nicht damit zu erklären, dass die Gesellschaftimmer kränker wird, sondern:1. Mit dem Fortschritt in der Medizin spieltinzwischen Epigenetik eine größereRolle bei den Krankheitstheorien alsGenetik: Es liegen inzwischen wissenschaftlichfundierte Behandlungskonzeptefür die meisten psychischen Erkrankungenvor. Psychische Erkrankungenwerden inzwischen sensibler festgestelltund auch meist dann sobenannt; das Stigmatisierungsrisikodurch eine psychische Störung ist geringergeworden. Wenn Beschwerden sichnicht somatopathologisch zuordnenlassen, bleibt es inzwischen kaum mehrbei der Aussage „Sie haben nichts“,sondern es werden auch psychischeFaktoren überprüft.2. Mit zunehmender gesellschaftlicher Säkularisierungund Individualisierung istder Einzelne mehr für seine LeistungsundGlücksoptimierung zuständig. Vorstellungenvon Kontrollillusionen undMachbarkeitswahn erhöhen den Leidensdruck.PT übernimmt eine Substitutionsfunktiongegenüber der früherenreligiösen Bindung. Wenn Glück dannnoch als Privilegierung gegenüber anderenverstanden wird, muss von derinneren Logik her die Mehrzahl derMenschen weniger privilegiert oder unglücklichsein.3. Mit der Ökonomisierung der Medizinwird eine Effizienzsteigerung über Beschleunigungund Standardisierung undZentralisierung angestrebt. Auf der Ebeneder Arzt-Patientenbeziehung bedingtdies eine Entpersonalisierung, Versachlichungsowie Verrechtlichung – einestrukturelle Abschaffung der Zuwendung(Zitat Maio). Die Nachfrage nachPT ist auch eine Konsequenz, dass sichdie „integrierte Medizin“ nicht durchsetzenließ. Psychotherapeuten werdenalso auch als Zuwendungs- und Vertrauensspezialistenin einem von Vertrauensverlustgeprägten Medizinsystemnachgefragt.Das Interview führte Frau Dipl.-Psych.Sabine BettingerBettinger: Wieso gibt es offensichtlichzu wenige kassenzugelassenePsychotherapeuten? Was meinen Siezu der Einschätzung, dass Kassentherapeutenangeblich zu wenigarbeiten?Kappauf: Die Zulassungszahlen für Psychotherapeutenkorrelieren überhaupt nicht mitepidemiologischen Daten. Sie bilden vielmehrvon der Behandlerdichte und regionalenVerteilung her die Versorgungssituationvon 1999 ab, die anstelle einer rationalenBedarfserhebung im Jahr 2000 politischmit den Bedarfsplanungs-Richtlinien zurNorm erklärt wurde. Wenn in ländlichen Bereichendie Anzahl der Psychotherapeutenoft um ein Zehnfaches niedriger ist als instädtischen Ballungsräumen, hat dies nichtsdamit zu tun, dass Menschen auf dem Landpsychisch gesünder sind, sondern dass330 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Rheinland-Pfalzauch damals 1999 dort nur wenige Behandlerwaren. Die Bedarfsplanungs-Richtlinienbedeuten faktisch eine Rationierungvon Gesundheitsleistungen, welche dieMenschen auf dem Land und Kinder mehrtrifft als andere. Mit den inzwischen in Kraftgetretenen novellierten Bedarfsplanungs-Richtlinien wurden zwar Zulassungsmöglichkeitenin den am schlechtesten versorgtenländlichen Planungsbereichen geschaffen,aber es wurden ausnahmslos alle Webfehlerder früheren Bedarfsplanungs-Richtlinienbeibehalten.Die Versorgungsdefizite sind vorrangigstrukturell und eben nicht individualisierbarmit der Unterstellung, die Psychotherapeutenwürden ihrer Versorgungsverpflichtungnur unzureichend nachkommen. Die Datender KBV belegen sogar, dass viele ärztlicheFachgruppen einen größeren Prozentanteilvon Mitgliedern mit sehr geringer Leistungserbringungaufweisen, als die Psychotherapeuten.Absurd im Sinn eines Double-bindwird es, wenn die Kritikpunkte gegenüberden Psychotherapeuten miteinander nichtkompatibel sind: Den Psychotherapeutenwird einerseits vorgeworfen, sie würden zuwenig arbeiten und andererseits wird hartnäckigeine rechnerische Überversorgung inallen Planungsbereichen von Rheinland-Pfalz (trotz langer Wartezeiten und geringsterBehandlerdichte mit Ausnahme derneuen Bundesländer) gesehen.Bettinger: Wie beurteilen Sie vordiesem Hintergrund das Schreibender KV Pfalz vom 18. Februar <strong>2013</strong>,man möge doch den Patientenwenigstens einen einzigen Terminanbieten, um der Kostenerstattungnicht Vorschub zu leisten?Kappauf: Trotz der massiven Entrüstungder KV-Spitze über unsere Kritik an ihremSchreiben vertrete ich mit meinem Vorstandweiterhin die Position, dass Patientenbei der Suche nach einer notwendigen PTunterstützt werden sollen, statt ihnen eineneinzigen Termin anzubieten, wenn schonvorher klar ist, dass freie Kapazitäten für eineerforderliche Weiterbehandlung fehlen.Ganz im Einklang mit einer Double-bind-Kommunikation – „Ihr seid zu viel, ihr arbeitetzu wenig“ – legt das KV-Schreibennahe, sich für den pathologischen Kompromisszu entscheiden: So tun als ob! Ichfreue mich, dass die Kolleginnen und Kollegenden Vorschlag gar nicht attraktiv fanden,sondern sich metakommunikativ vondem KV-Schreiben distanzierten.Bettinger: Macht es vor dieserVersorgungslage wirklich Sinn,Kassensitze in den Städten aufgrundeiner angeblichen Überversorgungzu streichen und in abgelegenerenGegenden ein bis zwei Sitze zu erhöhen?Wird die Notlage damit nichtvergrößert?Kappauf: In den Bedarfsplanungs-Richtlinienwurde wenigstens festgeschrieben,dass der Verzicht auf eine Wiederausschreibungeines freiwerdenden Behandlersitzesmit den jeweiligen Praxismerkmalenbegründet werden muss. Nur wenn diePraxis faktisch kaum noch an der Versorgungmitgewirkt hat, kann der Sitz eingezogenwerden, ein Verweis auf eine rechnerischeÜberversorgung im Planungsbereichreicht nicht aus.Es werden Zulassungen im ländlichen Bereichmöglich, eine Streichung eines Sitzesin überversorgten Gebieten ist nur möglich,wenn dies im Zulassungsausschussmehrheitlich befürwortet wird, mit mindestenseiner Stimme der Behandlerseite.Bettinger: Wie sehen Sie die Zukunftder in der Kostenerstattung Arbeitendenvor dem Hintergrund, dasssich allein in Rheinland-Pfalz jedesJahr mindestens viele gut ausgebildetePsychologische Psychotherapeutenneu niederlassen?Kappauf: Die Kostenerstattung ist eine imSGB V (§ 13,3) verankerte Schutzklauselfür GKV-Mitglieder, dass sie im Falle desSystemversagens die Kosten für eine unaufschiebbareBehandlung außerhalb derVertragsstrukturen erstattet bekommen.Wenn die strukturellen Versorgungsdefizitein der Bedarfsplanung weitgehend aufgelöstwerden, fällt die Genehmigungsvoraussetzungfür die Kostenerstattung weg,unabhängig davon, wie gut qualifiziert diePrivatbehandler sind. Die Kostenerstattungist also immer ein Hinweis, dass das Vertragssystemangepasst werden muss.Bettinger: Wie können die in derKostenerstattung Tätigen auchgewährleisten, dass die Anonymitätdes Patienten, ähnlich wie beieiner KV-Abrechnung, auch gewahrtwerden kann (Stichwort Name undDiagnose des Patienten, Überweisungder Honorare auf das Kontodes Behandlers mit Namen des Patienten,Gutachterverfahren etc.)?Kappauf: Das ist kein Problem und auchkein Aufwand; hier könnten die seit Kurzemeingeführten Verschlüsselungswegeder Beihilfestellen oder auch einiger Privatkrankenkassenübernommen werden.Bettinger: Welche konkreten Pläneund Ideen gibt es, die Behandlungsmöglichkeitenfür Patienten zu verbessernund den Psychotherapeuten eineexistenzielle Grundlage zu bieten? Wieist die Haltung der KV dazu?Kappauf: Die KV verweist auf die bindendenVorgaben der Bedarfsplanungs-Richtlinien.Darüber hinaus kann eine Niederlassungnur im Rahmen eines anerkanntenSonderbedarfs erfolgen. Darüber entscheidendie von der KV unabhängigen Zulassungsausschüsse.Sonderbedarfszulassungensind in RLP sehr selten.Bettinger: Hätte die KV aus IhrerSicht Kapazitäten, um angemessenereVersorgungsstrukturen zuschaffen?Kappauf: Die Bedarfsplanungs-Richtliniensind bundesrechtlich verankert. Leider lassensie sehr wenig Spielraum, um auf Landesebenedavon abzuweichen, z. B. umregionale Versorgungsbesonderheiten zuberücksichtigen. RLP bereitet zurzeit die gesetzlicheGrundlage für ein „GemeinsamesLandesgremium“ vor, in dem die wesentlichenAkteure im Gesundheitswesen, auchdie LPK, vertreten sein werden. Das Gremiumhat die Aufgabe, Empfehlungen zu sektorenübergreifendenmedizinischen Versorgungsfragenabzugeben, und kann regionalemedizinische Versorgungsbedarfe unterBerücksichtigung der demografischen Entwicklungund der Morbidität erörtern.Bettinger: Wäre es nicht angebracht,die gut versorgten Gebiete (meinesRheinland-Pfalz<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>331


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerWissens z. B. Mannheim und Münsteretc.) als Grundlage zu nehmenfür die zukünftige Bedarfsplanung?Kappauf: Eine Bedarfsplanung sollte sichan den Krankendaten sowie an regionalenGesundheitszielen ausrichten. Daran zeigenauch die Krankenkassen bisher kaumInteresse.Bettinger: Was halten Sie von derAbschaffung der Kassenzulassungfür Psychotherapeuten, sodass jederKollege mit psychotherapeutischerQualifikation zugelassen wird? Esgab vor Jahren Bestrebungen, dieKVen abzuschaffen.Kappauf: Die KV ist eine Selbstverwaltungsstrukturfür Ärzte und Psychotherapeuten,sie bietet demokratisch legitimierteMitwirkungsmöglichkeiten und gewährleistetdie gleiche Augenhöhe z. B. in derBeziehung mit den Krankenkassen. DieVorteile einer starken Vereinigung kommenfür die Psychotherapeuten jedochnur dann zum Tragen, wenn eine weitgehendeInteressensgleichheit mit den ärztlichenFachgruppen besteht. Da der Anteilder Psychotherapeutensitze in der KV-Vertreterversammlungauf maximal 10% begrenztist, können sie nur solche Positionendurchsetzen, mit denen die Mehrheitder Ärzte einverstanden ist. Bei Honorarfragenwurden die Psychotherapeuten inden letzten Jahren bei KV-Entscheidungenausnahmslos überstimmt.Kosten- und Versorgungssteuerungszielsetzungenbei der Zulassung sind legitim.Die Qualifikation allein ist auch bei anderenBerufen – z. B. Lehrer, Ingenieure, Verwaltungsfachkräfte– nicht hinreichend füreine Anstellung.Differenzierte Psychotherapeutensuche auf der Homepage der LPKStartseite der Homepage der LPK Rheinland-Pfalz– www.lpk-rlp.dePsychotherapeutInnen in privater Praxisund in der Vertragsarztpraxis brauchen einSuchportal, das eindeutig die Approbationvoraussetzt, und Psychotherapiesuchendebrauchen Stichworte, mit deren Hilfe sieInformationen über die Angebote erfragenkönnen. Unter diesen Gesichtspunktenwurde die Psychotherapeutensuche derLPK überarbeitet. (Außerdem gab es nocheine Umstellung der gesamten Homepagewww.lpk-rlp.de auf das Programm „typo3“.)Mit der Ausweitung der Kostenerstattungvon Psychotherapie können mehrMenschen behandelt werden, wenn sieeinen geeigneten Behandler finden. Dieneue Suchmaske bietet auf den erstenBlick die Wahlmöglichkeit nach Kassenleistungoder Leistungen auf privater Verrechnungsbasis.Für die Erreichbarkeit genügtes, die ersten beiden Zahlen der Postleitzahleinzugeben. Um für die jeweiligenProblemlagen eine präzise Suche zu ermöglichen,sind unter „Personengruppen“besondere Zielgruppen und unter „Präferenzen“und „Methoden“ sind spezielleTätigkeitsschwerpunkte der PsychotherapeutInnenaufgeführt. Damit kann die„Psychotherapeutensuche“ nun den Anfragender PatientInnen Rechnung tragenund eine detailliertere Suche nach deroder dem passenden PsychotherapeutInund Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInanbieten.Wir möchten uns an dieser Stelle bei unserenMitgliedern für die rege Beteiligungund die Bekanntgabe der erforderlichenDaten bedanken und Sie gleichzeitig einladen,unsere Psychotherapeutensuche zubesuchen und dort Ihre Angaben zu überprüfen.Weiterbildung zum Gutachter im Bereich RechtspsychologieRheinland-PfalzSeit einigen Jahren häufen sich bei der LPKNachfragen von Gerichten, Anwälten undStaatsanwälten nach „qualifizierten“ Gutachterinnenund Gutachtern in verschiedenenRechtsbereichen. Weil die LPK RLPgerne entsprechend qualifizierte Kammermitgliedernennen möchte, die Qualifikationaber auch prüfen muss, wurde vomletzten Aus- und Weiterbildungsausschussmit Unterstützung von Dipl.-Psych. ChristophSchmitt ein Vorschlag zur Erweiterungder Weiterbildungsordnung erarbeitet. DieserVorschlag wurde von der Vertreterversammlungim November 2011 angenommen.Die Weiterbildung definiert die Anforderungenan eine rechtspsychologisch-gutachterlicheTätigkeit durch Psychotherapeuten.Die Bereichsbezeichnung führt zur Aufnahmein eine den zuständigen Justiz- und Verwaltungsbehördenvorliegende Sachverständigenliste.Die entsprechenden Gutachterwerden auch, sofern gewünscht, aufder Homepage der Kammer geführt.Nach den Wahlen zur Vertreterversammlungwurde neben anderen Ausschüssenund Kommissionen auch der Prüfungsausschussim Bereich der rechtspsychologischgutachterlichenTätigkeit gegründet. Er tagtnun seither regelmäßig und es sind inzwischenvier Sachverständige anerkannt, einweiterer Antrag ist in Prüfung. Die anerkanntenSachverständigen finden Sie auch aufder Homepage der Kammer (www.lpk-rlp.de/cms/sachverstaendigenliste.html).Wir möchten an dieser Stelle alle Kolleginnenund Kollegen, die schon länger als Gutachterund Gutachterinnen tätig sind unddie eine Anerkennung im Rahmen der Weiterbildungsordnunganstreben, einladen,ihre Unterlagen einzureichen. Die Prüfungdieser Unterlagen erfolgt dann so schnellwie möglich. Wenn Sie Interesse haben, dieWeiterbildung zu absolvieren, wenden Siesich an die Geschäftsstelle der LPK RLP.332 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Rheinland-PfalzNeue Geschäftsführerin bei der LPK Rheinland-PfalzDie Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz hat eine neue Geschäftsführerin. Künftigleitet Frau Petra Regelin die Geschäftsstelleder in Mainz ansässigen Kammer, inder rund 1.500 Psychotherapeutinnen undPsychotherapeuten organisiert sind. Die50-Jährige mit Studienabschlüssen in Journalistikund Sportwissenschaft war bislangals Referatsleiterin in der Gesundheitsförderungtätig. Sie leitete mehrfach ausgezeichneteProjekte des Bundesministeriums fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend undveröffentlichte zahlreiche Bücher, Zeitschriftenund Broschüren. Als StellvertretendeVorsitzende des Adipositasnetzwerks Rheinland-Pfalzund Vizepräsidentin des RheinhessischenTurnerbundes engagiert sie sichseit Jahren im Sozial- und Gesundheitswesenin Rheinland-Pfalz. Der Vorstand derrheinland-pfälzischen Kammer positioniertsich mit der Einstellung von Frau Regelininsbesondere in Bezug auf den zukünftigenStellenwert der Prävention im Gesundheitswesen.Petra RegelinFortbildungsverpflichtung: Ende des zweiten Fünf-Jahres-Zeitraumsam 31. Dezember <strong>2013</strong>Für viele unserer Mitglieder endet am31. Dezember <strong>2013</strong> der zweite Fünf-Jahres-Zeitraumgemäß Fortbildungsordnungder LPK Rheinland-Pfalz. Unsere Mitglieder,deren Fortbildungskonto noch nichtdie erforderlichen 250 Punkte aufweist,erhielten bereits ein Informationsschreibenmit einer Aufstellung der uns bishervorliegenden Fortbildungsnachweise. Siehaben nun die Möglichkeit, uns bis zumAblauf der Frist weitere Teilnahmebescheinigungenzukommen zu lassen bzw. weitereFortbildungen zu besuchen. Ihren aktuellenFortbildungspunktestand könnenSie jederzeit online unter www.lpk-rlp.de/mitgliederservice/fortbildungspunktekontomit Angabe Ihrer persönlichen Zugangsdateneinsehen. Alle Mitglieder, die bereitsmindestens 250 Punkte erbracht haben,bekommen das Zertifikat per Post zugesandt.Veranstaltungshinweis: Fachtagung und HerbstfestUnsere Fachtagung, findet in diesem Jahrmit dem Titel „Schöne neue Welt? –Krankheit und Behandlung im Wandelder Zeit“ am 28. September <strong>2013</strong>, 14:00Uhr bis 18:00 Uhr statt – im Anschluss andie Tagung möchten wir mit unseren Mitgliedernund ausgewählten Gästen dastraditionelle Herbstfest feiern. Es ist unswieder gelungen, Experten ihres Faches zudiesem Thema als Referenten zu gewinnen.Das Thema regt sicherlich zur intensivenDiskussion im KollegInnenkreis undmit den Referenten an.Nähere Informationen und eine Antwortkartefür die Anmeldung finden Sie auf unsererHomepage unter www.lpk-rlp.de/news/termine.Am 26. Oktober <strong>2013</strong> findet die nächsteSitzung der Vertreterversammlungin der LPK statt. Hierzu sind alle interessiertenMitglieder herzlich eingeladen.Wir bitten aus organisatorischen Gründenum vorherige Anmeldung!An der Gestaltung dieser Seitenwirkten mit:G. Borgmann-Schäfer, Dr. A. Benecke,S. Bettinger, J. Kammler-Kaerlein,A. Kappauf, S. Rosenbaum.GeschäftsstelleWilhelm-Theodor-Römheld-Str. 3055130 MainzTel 06131/5 70 38 13Fax 06131/5 70 06 63service@lpk-rlp.dewww.lpk-rlp.deTelefonische Sprechzeiten:Mo. – Fr. 10.00 – 12.30 Uhr und zusätzlichDi. – Do. 14.00 – 16.00 UhrRheinland-Pfalz<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>333


Das Gutachterverfahren auf dem Prüfstand: Sachstandslage und ReformbestrebungenSaarlandIn Zusammenhang mit der seit längererZeit geführten Diskussion über die Reformder Psychotherapie-Richtlinien sind auchÜberlegungen zum derzeitig bestehendenGutachterverfahren in Gang gekommen.Niedergelassene PsychotherapeutInnen erlebendie Berichtspflicht im Rahmen desGutachterverfahrens häufig als belastendeArbeitsanforderung. Berufsverbände setzensich daher für die Erleichterung desAntragsverfahrens ein und haben entsprechendeKonzepte zur Reformierung entwickelt.Auch seitens der Krankenkassenwerden Reformvorschläge erarbeitet.Hintergründe und Grundlagendes GutachterverfahrensDie Einrichtung eines Gutachterverfahrenswar seitens der gesetzlichen Krankenversicherungenobligate Voraussetzung für dieEinführung der Psychotherapie in die kassenärztlicheVersorgung. Das GAV hat demnachdie Funktion, die Notwendigkeit,Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit derbeantragten Behandlung festzustellen. „Diepsychotherapeutischen Leistungen müssennach § 12 SBG V zweckmäßig und wirtschaftlichsein und dürfen das Maß desNotwendigen nicht überschreiten. Leistungen,die nicht notwendig oder unwirtschaftlichsind, können nach § 12 SGB V Versichertenicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringernicht bewirken und die Krankenkassennicht bewilligen“ (Rüger et al.,2003, S. 73). Weiter ist in § 12 der Psychotherapie-Vereinbarunggeregelt: „Das Gutachterverfahrendient dazu festzustellen, obdie in den Psychotherapie-Richtlinien desBundesausschusses für Ärzte und Krankenkassenund in dieser Vereinbarung niedergelegtenVoraussetzungen für die Durchführungeiner Psychotherapie zulasten dergesetzlichen Krankenversicherung erfülltsind. Dabei ist insbesondere zu prüfen, obdas beantragte Psychotherapieverfahrennach den Richtlinien anerkannt und im konkretenBehandlungsfall indiziert und ob diePrognose einen ausreichenden Behandlungserfolgerwarten lässt“.Die Prüfung der geplanten Behandlungdurch das GAV hat zur Folge, dass PsychotherapeutInnenvon der Wirtschaftlichkeitsprüfungausgenommen sind: „Bestätigt dieKrankenkasse ihre Leistungspflicht für Psychotherapieaufgrund eines Antragsverfahrens,wird eine zusätzliche Wirtschaftlichkeitsprüfungfür die bewilligte Psychotherapienicht durchgeführt“ (§ 13 Psychotherapievereinbarung).Vor- und Nachteile desGutachterverfahrens –politischer KommentarAls wesentliche Kritikpunkte im Gutachterverfahrenkönnen die geringe Honorierungund die geringe Akzeptanz des GAV genanntwerden, Faktoren, die wahrscheinlichmiteinander in Zusammenhang stehen.Des Weiteren sind die Bewilligungsschrittesowie der Ergänzungsbericht diskussionswürdig.Ungünstig ist zudem, dassGutachter zum Teil nicht in der ambulantenVersorgung tätig und im Bereich dertiefenpsychologisch fundierten Psychotherapiemeist Psychoanalytiker sind.Als Vorteile des Gutachterverfahrens könnengenannt werden: Wegfall der Wirtschaftlichkeitsprüfung,keine zusätzlichenMaßnahmen der Qualitätssicherungdurch die KVen, sichere Mindestvergütung,keine Steuerung durch die Krankenkassen.Aus berufspolitischen Gründen wurde dasGutachterverfahren daher stets als Qualitätssicherungsinstrumentfür die Honorarverhandlungenmit eingebracht und hat wesentlichzum festen, gestützten Punktwertfür psychotherapeutische Leistungen verholfen.Andererseits ist allen Insidern bekannt,dass das Gutachterverfahren ein „zahnloserTiger“ ist, der zwar einerseits den Gutachterneinen guten Umsatz beschert (70.000,– €pro Gutachter pro Jahr bei Gesamtkostenvon fast 28 Mio. € – Kurzzeitgutachten18,60 €, Langzeitgutachten 38,20 €, Obergutachtendas Doppelte), andererseits dieAblehnungsquote konstant sehr gering ist.Das Leistungsverhalten der KollegInnen inder Niederlassung weist darauf hin, dasslängst nicht die Behandlungskontingenteausgeschöpft werden, die bewilligt werden;es wird sorgsam mit den Ressourcenumgegangen. Zudem bedeutet das Gutachterverfahrenper se natürlich einenZweifel an der Fachkompetenz des Behandlers,der immer noch einmal neu beweisenmuss, was längst bewiesen ist: denKrankheitszustand des Patienten.Andererseits zwingt das Gutachterverfahrenauch zur Strukturierung der Psychotherapie.Es bedarf sicherlich einiger Korrekturen, diein allen Vorschlägen der beteiligten Akteurevorhanden sind. Im Kern sind diese:1. Nur noch Stichprobengutachten,2. Angleichung der Kontingente für VTund Tiefenpsychologisch fundierte Therapie(TP),334 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Saarland3. Begutachtung der TP-Therapien nurdurch TP- und nicht durch psychoanalytischeGutachter,4. pragmatische Veränderung der Bewilligungskontingente(50 Sitzungen imersten Schritt, weitere 50 im zweitenSchritt),5. Vereinfachung der Beantragung fürGruppentherapie,6. größere Freiheit für die Krankenkasse inder Bewilligungspraxis (z. B. bei Akutfällenbzw. bei Erhaltungstherapien nachAbschluss des Kontingentes).Eine Umsetzung dieser pragmatischenVeränderungen und Anpassungsschrittewürde sicherlich eine erhebliche Entlastungfür die niedergelassenen PsychotherapeutInnenbedeuten.Diskussion in der ProfessionIm März <strong>2013</strong> fand auf Einladung der BPtKein Round-Table-Gespräch statt, hier wurdendie Reformvorschläge mehrerer Berufsverbändevorgestellt und diskutiert.Diese Gespräche sollen fortgeführt werden,um in weiteren Diskussionen möglicherweiseeinen Verbände übergreifendengemeinsamen Reformvorschlag formulierenzu können.Konstituierende Sitzung des Gemeinsamen LandesgremiumsAm 12. Juni <strong>2013</strong> ist das sogenannte „GemeinsameLandesgremium“ zu seinerkonstituierenden Sitzung im Ministeriumfür Soziales, Gesundheit, Frauen und Familiezusammengekommen.Rechtlicher Hintergrund –GesetzestextDer Bundesgesetzgeber hat § 90a SGB Vim Jahr 2011 neu in das SozialgesetzbuchV (SGB V) eingefügt:„Abs. 1: Nach Maßgabe der landesrechtlichenBestimmungen kann für den Bereichdes Landes ein gemeinsames Gremiumaus Vertretern des Landes, der KassenärztlichenVereinigung, der Landesverbändeder Krankenkassen sowie der Ersatzkassenund der Landeskrankenhausgesellschaftsowie weiteren Beteiligten gebildet werden.Das gemeinsame Landesgremiumkann Empfehlungen zu sektorenübergreifendenVersorgungsfragen abgeben.Abs. 2: Soweit das Landesrecht es vorsieht,ist dem gemeinsamen LandesgremiumGelegenheit zu geben, zu der Aufstellungund der Anpassung der Bedarfspläne undzu den von den Landesausschüssen zutreffenden Entscheidungen Stellung zunehmen.“Der Gesetzgeber hat mit der Umsetzungder Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie als erste entscheidende Neuregelunggleich zu Anfang unter der amtlichenÜberschrift „Zweck und Regelungsbereich“die mit der Bedarfsplanung verfolgtenZiele umschrieben. So geht dievom Gemeinsamen Bundesausschuss(GB-A) erlassene Richtlinie teilweise neueWege und regelt in Umsetzung des zum 1.Januar 2012 neu in Kraft getretenen § 99Abs. 1 S. 3 SGB V zukünftig auch, wannund unter welchen Voraussetzungen aufgrundregionaler Besonderheiten bei derAufstellung der Bedarfspläne der einzelnenKVen von der Bedarfsplanungs-Richtlinieabgewichen werden darf.Waren Sonderbedarfszulassung bislang(nach der Richtlinie) nur qualifikationsbezogenfestzustellen, sollen zukünftig zudemauch lokale Besonderheiten in dieFeststellung einfließen. Ebenso berücksichtigtist die Möglichkeit der Festlegungeines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfsin nicht unterversorgten Planungsbereichenund die damit verbundene Möglichkeitder Normierung von Ausnahmenbei Zulassungsbeschränkungen.Regionale BesonderheitenRegionale Besonderheiten sollen sich ergebenaus der regionalen Demografie(z. B. ein über- oder unterdurchschnittlicherAnteil von Kindern oder älteren Menschen),der regionalen Morbidität (z. B.auffällige Prävalenz- oder Inzidenzraten),sozioökonomischen Faktoren (z. B. Einkommensarmut,Arbeitslosigkeit und Pflegebedarf),räumlichen Faktoren (z. B. Erreichbarkeit,Entfernung, geografische Phänomenewie Gebirgszüge oder Flüsse,Randlagen, Inseln oder eine besondereVerteilung von Wohn- und Industriegebieten)sowie infrastrukturellen Besonderheiten(u. a. Verkehrsanbindung, Sprechstundenzeiten/Arbeitszeitenund Versorgungsschwerpunktedes Vertragsarztes, Barrierefreiheit,Zugang zu Versorgungsangebotenangrenzender Planungsbereiche unter Berücksichtigungvon Über- und Unterversorgungund anderer Sektoren, z. B. in Krankenhäusern,Pflegeeinrichtungen etc.).Neue Versorgungsebenen undVerhältniszahlenWar bislang nur zwischen der allgemeinärztlichenund der fachärztlichenVersorgung unterschieden worden, gehtdas neue Regelungsgefüge von insgesamtvier sogenannten Versorgungsebenenaus. Neben die allgemeine hausärztlicheund fachärztliche Versorgung (zurFachärztlichen Versorgung gehören PPund KJP) treten zukünftig die spezialisiertefachärztliche Versorgung (z. B. KinderundJugendpsychiater, Radiologen) unddie gesonderte fachärztliche Versorgung(z. B. Laborärzte, Neurochirurgen, Pathologen,Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner).Für die Gruppe der Hausärzte wird die Verhältniszahl(mit Ausnahme der Region desRuhrgebietes) einheitlich auf 1 zu 1.671festgelegt. Für Fachärzte reicht sie von 1 zu3.527 für Kinderärzte über 1 zu 5.555 fürFrauenärzte, 1 zu 31.373 für Nervenärztebis hin zu 1 zu 58.218 für Anästhesisten.Für uns Psychotherapeuten beträgt dieVerhältniszahl 1: zu 8.743. Für die (neu)beplanten Arztgruppen der gesondertenfachärztlichen Versorgung reicht sie von 1zu 102.001 (Labormediziner) bis 1 zu1.322.452 (Transfusionsmediziner). DieAllgemeinen Verhältniszahlen werden miteinem Demografiefaktor modifiziert, dersich aus Altersfaktoren und Leistungsbedarfsfaktorenberechnet.Saarland<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>335


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerUmsetzung im SaarlandDer Landtag des Saarlandes hat bereits am16. Oktober 2012 (Amtsbl. I S. 436) dasGesetz zur Bildung eines gemeinsamenLandesgremiums verabschiedet. Am12. April <strong>2013</strong> wurde die „Verordnung zurAusgestaltung des gemeinsamen Landesgremiumsnach § 90a des Fünften BuchesSozialgesetzbuch“ erlassen. Damit wurdendie Gründung des Gemeinsamen Landesgremiumsgesetzlich geregelt und mit derVerordnung neben den stimmberechtigtenVertretern des Landes, der KassenärztlichenVereinigung, der Landesverbände derKrankenkassen sowie der Ersatzkassenund der Landeskrankenhausgesellschaftweitere beteiligte Mitglieder definiert. Eshandelt sich konkret um jeweils einen Vertreterder Ärztekammer des Saarlandes,der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes,der Apothekerkammer des Saarlandessowie einen Vertreter des SaarländischenStädte- und Gemeindetages, einenVertreter des Saarländischen Landkreistagesund bis zu sechs Vertretern derfür die Wahrnehmung der Belange der Patientenund der Selbsthilfe chronisch krankerund behinderter Menschen maßgeblichenOrganisationen auf Landesebenesowie einen Vertreter des SaarländischenPflegerats und der Saarländischen Pflegegesellschaft.Außerdem kann das LandesgremiumSachverständige, die nicht Mitgliedsind, zu einzelnen Punkten der Beschlussfassunghinzuziehen.Die weiteren Beteiligten Mitglieder sind allenicht stimmberechtigt, haben jedochdas Recht zur Mitberatung, das Recht, Beratungsgegenständeauf die Tagesordnungsetzen zu lassen sowie das Recht zur Anwesenheitbei der Beschlussfassung, soweitnicht die Geschäftsordnung ausnahmsweiseein schriftliches Verfahrenvorsieht. Im schriftlichen Verfahren ist einerechtzeitige Beteiligung sicherzustellen.Konstituierende SitzungDer PKS lag vor der konstituierenden Sitzungdes Gemeinsamen Landesgremiumsdie Bedarfsplanung des Landesausschussesder Ärzte und Krankenkassen nicht vor.Insofern musste davon ausgegangen werden,dass der wesentlichste Beratungsgegenstandzumindest bei der konstituierendenSitzung noch nicht würde beratenwerden können. Abweichungen von derBedarfsplanungs-Richtlinie des GB-A aufgrundregionaler Besonderheiten gibt esdamit vorerst nicht.Regionale VersorgungsbedarfeGleichwohl geht die PKS von dem Erfordernisaus, das es von der jetzt aufgestelltenBedarfsplanung abweichende Bedarfeim Saarland gibt, die sektorübergreifendgesehen werden müssen. Das ist natürlicheinmal die unzureichende psychotherapeutischeVersorgung vor dem Hintergrundveralteter Messziffern. Beispielhaftsei jedoch auch auf die seit Langem bekanntenfehlenden ambulanten psychotherapeutischenBehandlungsplätze fürpsychisch kranke Menschen mit geistigerBehinderung hingewiesen. Hier gibt es imSaarland gravierende Versorgungsdefizite.Ähnlich sieht es mit der Versorgung der Bevölkerungmit ambulanter neuropsychologischerPsychotherapie aus. Gerade der demografischeWandel mit Zunahme der Behandlungsfällebei degenerativen Alterserkrankungenverschärft die ohnehin völligunzureichende spezielle ambulante neuropsychologischeVersorgung, die laut Zahlendes Statistischen Bundesamtes um den Faktor100 unter der Versorgungsdichte ambulanterPsychotherapie insgesamt liegt. Erkenntnissezu den genannten Faktoren sindnach Einschätzung der PKS durchaus vorhanden,Abweichungen von der Bedarfsplanungs-Richtliniedringend angezeigt. Inwiefernweitere regionale Besonderheiten vorliegen,die einen von der Bedarfsplanungs-Richtlinie abweichenden Bedarf rechtfertigen,muss nun ermittelt werden. Die PKS wirdhierbei ihren Aufgaben des SaarländischenHeilberufekammergesetzes folgend (§ 4SHKG) gerne ihre Kompetenzen bei der Beratungder zuständigen Stellen einbringen.Gilt das Patientenrechtegesetz (auch) für psychotherapeutische Maßnahmenin der medizinischen Rehabilitation?SaarlandDie folgenden Ausführungen nehmen Stellungzu der Frage, für welche Bereiche psychotherapeutischerTätigkeit das Patientenrechtegesetzgilt. Kammermitglieder derPKS haben angefragt, ob die gesetzlichenRegelungen auch für psychotherapeutischeLeistungen in der medizinischen Rehabilitation(REHA) gelten. Die Ausführungen lassensich auch auf andere Bereiche psychotherapeutischerTätigkeit übertragen.Was regelt das Patientenrechtegesetz?Die aus einem Behandlungsvertragfolgenden Rechte und Pflichten.Das Patientenrechtegesetz vom 20. Februar<strong>2013</strong> hat unter der Überschrift „Behandlungsvertrag“zur Einfügung der §§ 630abis 630h BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch(BGB) geführt.Die Vorschriften der §§ 630a bis 630hBGB, welche Regelungen zur Information,Einwilligung, Aufklärung, Dokumentationund Einsichtnahme sowie zur Haftung desBehandelnden enthalten, sind auf einenBehandlungsvertrag anzuwenden. Sie regelndie aus einem Behandlungsvertragfolgenden Rechte und Pflichten.Was ist ein Behandlungsvertrag?Eine medizinische Behandlung gegenVergütung.Der Begriff Behandlungsvertrag wird in§ 630a Abs. 1 BGB (mittelbar) wie folgtdefiniert: „Durch den Behandlungsvertragwird derjenige, welcher die medizinischeBehandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder),zur Leistung der versprochenenBehandlung, der andere Teil (Patient)zur Gewährung der vereinbarten Vergütungverpflichtet, soweit nicht ein Dritterzur Zahlung verpflichtet ist.“ Hieraus folgt,dass Behandlung i. S. d. §§ 630a bis 630h336 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


SaarlandBGB eine medizinische Behandlung gegenVergütung ist.Es ist nicht entscheidend, ob der Patientzur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist;diese Verpflichtung kann – was häufig derFall sein wird – die Kassenärztliche Vereinigungbzw. eine gesetzliche Krankenkassenach den Bestimmungen des SozialgesetzbuchBuch V – Gesetzliche Krankenversicherung– (SGB V) treffen.Die Frage, ob ein Behandlungsvertragi. S. d. §§ 630 bis 630h BGB vorliegt, hängtnicht davon, ob es sich um Leistungeni. S. d. SGB V handelt; das SGB V spielt fürdie Frage keine Rolle, ob ein – zivilrechtlicher– Behandlungsvertrag mit den in§§ 630a bis 630h BGB geregelten Rechtenund Pflichten vorliegt.Was ist eine medizinischeBehandlung?Eine Behandlung nicht nur durchÄrzte, sondern auch durch Psychotherapeuten,Hebammen, Logopäden,Physiotherapeuten, Heilpraktikerund andere.Zur Auslegung des Begriffs „medizinischeBehandlung“ kann auf die im Gesetzgebungsverfahrenerstellten Gesetzesmaterialienzurückgegriffen werden. Diese sindvor allem deshalb von Bedeutung, weil essich um ein erst vor Kurzem in Kraft getretenesGesetz handelt.Der später Gesetz gewordene Wortlaut des§ 630 Abs. 1 BGB, der den Begriff Behandlungsvertragdefiniert, findet sich bereits imGesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/10488). Dort ist ausdrücklichausgeführt, dass die Behandlung durchPsychotherapeuten, aber auch durch Angehörigeanderer Berufsgruppen wie Hebammen,Masseure und medizinische Bademeister,Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeutenoder Heilpraktiker in denAnwendungsbereich der §§ 630 ff. BGBfallen (BT-Drucksache 17/10488, S. 17).In der Stellungnahme des Bundesrateszum Gesetzesentwurf der Bundesregierung(BT-Drucksache 17/10488, Anlage 3,S. 37) wird anstelle der Verwendung desBegriffs „medizinisch“ die des Begriffs„ärztlich“ angeregt, wobei für Behandlungendurch andere Gesundheitsfachberufeeine entsprechende Anwendbarkeit derVorschriften vorgeschlagen wird. In ihrerGegenäußerung weist die Bundesregierungdiese Anregung zurück (BT-Drucksache17/10488, Anlage 4, S. 52).Die Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Gesundheit des Deutschen Bundestages(BT-Drucksache 17/11710) enthälthinsichtlich § 630 Abs. 1 BGB keineÄnderung im Vergleich zu der von der Bundesregierungim Gesetzesentwurf vorgeschlagenenFassung. Auch der abschließendeBeschluss des Bundesrates (BR-Drucksache 7/13) formuliert keine Kritik andem von der Bundesregierung in ihremEntwurf vorgeschlagenen und später Gesetzgewordenen § 630a Abs. 1 BGB.Da keine Änderungen im Gesetzgebungsverfahrenerfolgt sind, kann die von derBundesregierung ihrem Entwurf beigefügte,hier zitierte Begründung als für die Auslegungdes Begriffs „medizinische Behandlung“maßgebend herangezogen werden.Und was folgt daraus für psychotherapeutischeMaßnahmenim Reha-Bereich?Die §§ 630 bis 630h BGB finden immerdann Anwendung, wenn eine medizinischeBehandlung vorliegt. Der Begriff dermedizinischen Behandlung ist weit zu verstehen:Eine medizinische Behandlungmuss nicht zwingend durch einen Arztoder zumindest unter seiner Anleitungbzw. Ermächtigung erbracht werden; auchPsychologische Psychotherapeuten, Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutensowie Hebammen, Masseure und medizinischeBademeister, Ergotherapeuten, Logopäden,Physiotherapeuten und Heilpraktikerkönnen eine medizinische Behandlungdurchführen.Eine medizinische Behandlung liegt nichtnur dann vor, wenn diese der Heilungdient; die Behandlung kann auch anderenZwecken, namentlich kosmetischen Zwecken,dienen. Lediglich „reine“ Pflege- undBetreuungsleistungen stellen keine medizinischeBehandlung i. S. d. §§ 630a bis630h BGB dar. Ohne Bedeutung für dieAnwendbarkeit der §§ 630a bis 630h BGBist es, ob die Maßnahmen nach den Bestimmungendes SGB V vergütet werden.Die typischen REHA-Leistungen sind alsmedizinische Behandlung i. S. d. §§ 630abis 630h BGB anzusehen; nur im (seltenen)Einzelfall können diese nicht als medizinischeBehandlung, sondern als „reine“Pflege- und Betreuungsleistung oder alssonstige Leistung angesehen werden.Deshalb unterliegen typische REHA-Leistungendem Anwendungsbereich der§§ 630a bis 630h BGB: Patienten sind zuinformieren, ihre Einwilligung ist nach entsprechenderAufklärung einzuholen, dieLeistungen sind zu dokumentieren. DasPatientenrechtegesetz gilt für typischeREHA-Leistungen, die von Psychotherapeutenoder anderen erbracht werden.RA Manuel SchauerRedaktion FORUM und saarländischeKammerseiten imPTJIrmgard Jochum, Katja Klohs-Eberle,Bernhard Morsch, Inge Neiser, MaikeParitong und Michael Schwindling.GeschäftsstelleScheidterstr. 12466123 SaarbrückenTel 0681. 95455 56Fax 0681. 95455 58kontakt@ptk-saar.dewww.ptk-saar.deSaarland<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>337


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerSchleswig-HolsteinLiebe Kolleginnen und Kollegen,turnusgemäß hatte die PKSH die Leitungder vergangenen vier Länderratssitzungen(Foto), deren zentrale Diskussionendie Zukunft der Ausbildung und Reformdes Psychotherapeutengesetzes betraf.In ihrer Pressemitteilung vom 24. Mai<strong>2013</strong> fordert unsere BPtK im Hinblick aufdie Bundestagswahl eine bessere Politikfür psychisch kranke Menschen. Sie könnenmit Ihrem Wahlverhalten am 22.September <strong>2013</strong> auch mitbestimmen,wie die psychotherapeutische Versorgungweiterentwickelt werden soll.Aktuelles zur NeuropsychologischenTherapie und zurKostenerstattunglesen Sie im Folgenden.Einen freundlichenHerbst wünschtJuliane DürkopPräsidentinv. l.: J. Dürkop, B. Schäfer und M. Wohlfarth (Foto: M. Klett)Aus der Kammerversammlung – Oder: Eine Geschichte zurNeuropsychologischen TherapieSchleswig-HolsteinEinen vorläufigen Abschluss fand in derKammerversammlung am 21. Juni <strong>2013</strong>die 15 Monate währende Beschäftigungmit einer möglichen Weiterbildungsregelungzur Neuropsychologischen Therapie.Wir berichteten an dieser Stelle kontinuierlichdarüber, deshalb die Vorgeschichte imZeitraffer:• Im November 2011 hat der G-BA dieNeuropsychologische Therapie sozialrechtlichanerkannt, was bedeutete,dass fortan Neuropsychologische Therapiezu Lasten der GKV im ambulantenSystem erbracht werden kann.• Die Kammerversammlung in Schleswig-Holsteinhatte daraufhin im März2012 einen einstimmigen Beschlussgefasst: Der Fort- und Weiterbildungsausschussder Kammer sollte eine Weiterbildungsordnungfür die NeuropsychologischeTherapie ausarbeiten, dieim Vergleich zur Musterweiterbildungsordnung(MWBO) der Bundespsychotherapeutenkammerdeutlich reduzierteWeiterbildungsinhalte und zeitlicheUmfänge definiere. Hintergründe dieserEntscheidung waren:a) ein fachlich nicht begründet erscheinenderWeiterbildungsumfang in derMWBO,b) das Wissen darum, dass es in denLandeskammern, die die Regelungender MWBO z. T. schon seit 2006auf Landesebene übernommen hatten,unter den Approbierten bislangabsolut keine Nachfrage nach dieserWeiterbildung gibt undc) dass in Schleswig-Holstein das HeilberufekammergesetzRegelungenzu Weiterbildungen durch die Kammernnur unter der Voraussetzungvorsieht, dass sie für eine angemesseneVersorgung der Bevölkerung„erforderlich“ sind (d. h. im Umkehrschluss:Eine Weiterbildung, die keinermacht, kann nicht erforderlichsein für eine angemessene Versorgung,behindert diese im Gegenteileher und ist daher nicht zulässig).• Der Ausschuss erarbeitete Eckpunktefür fachlich begründete Weiterbildungsumfängein einer zukünftigen Weiterbildungsordnungin Schleswig-Holstein.• Im März <strong>2013</strong> wurden diese Eckpunkteim Rahmen einer Expertenanhörung inder Kammerversammlung ausführlichdiskutiert. Am Ende dieser Diskussionbekräftigte die Kammerversammlungmehrheitlich den Beschluss aus demMärz 2012 und beauftragte den Ausschuss,die begonnene Arbeit unterEinbeziehung der Diskussionsergebnissefortzuführen und zur nächsten Kammerversammlungeinen abstimmungsfähigenEntwurf einer Weiterbildungsordnungzur NeuropsychologischenTherapie zu erstellen.Der Ausschuss legte der Kammerversammlungam 21. Juni <strong>2013</strong> einen detailliertausgearbeiteten und juristisch geprüftenEntwurf einer Weiterbildungsordnungvor. Dieser kam inhaltlich den Kritikern derUmfangsreduktion in einem wichtigen Punktnoch einmal erheblich entgegen, indem338 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Schleswig-HolsteinUmfang der Weiterbildung „Klinische Neuropsychologie“:Gegenüberstellung MWBO und Entwurf des Fort- und Weiterbildungsausschussesder PKSH:Vorgesehener Umfang MWBO Entwurf der PKSHPraktische klinische Weiterbildungszeit:der Umfang der klinischen Tätigkeit von einemhalben Jahr (Eckpunkte) auf ein ganzesJahr verdoppelt wurde. Möglichkeiten,Teile der praktischen Weiterbildungszeit ineigener Praxis abzuleisten, waren klarerdefiniert. Übergangsregelungen waren differenzierterund konkreter ausgearbeitetworden als bislang in der MWBO.Insbesondere für lange im Bereich Neuropsychologiepraktisch tätige Kammermitgliedersollten damit die formellen Nachweiseihrer Qualifikationen deutlich vereinfachtund damit unnötige Bürokratie vermiedenwerden (vgl. auch Tabelle:Weiterbildungsumfänge MWBO vs. Entwurfdes Ausschusses der PKSH).Die Aussprache zum Entwurf beschränktesich erstaunlicherweise auf die Beantwortungnur einer einzigen Frage, mit der klargestelltwurde, dass die Kammer mit derWeiterbildungsordnung nur regeln könne,unter welchen Bedingungen die „Zusatzbezeichnung“zur Berufsbezeichnung geführtwerden dürfe, grundsätzlich abernicht Einschränkungen der Tätigkeitsmöglichkeitenberufsrechtlich vornehmen könne.Weder die definierten Weiterbildungsumfängenoch die vom Ausschuss neuerarbeiteten Übergangsregelungen wurdendiskutiert. Änderungsanträge wurdenkeine gestellt, neue Argumente nicht vorgebracht.Gleichwohl fand die Vorlage andiesem Sitzungstag keine Mehrheit undwurde damit abgelehnt.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>2 Jahr Vollzeittätigkeit, davonmind. 1 Jahr in zugelassenerstationärer EinrichtungFallbezogene Supervision: 100 Stunden 50 StundenTheoretische Weiterbildung:Anzahl Kasuistiken undBegutachtungen:400 Stunden, davon mind.200 Stunden in externenzugelassenen Weiterbildungsstätten5 differenzierte Falldarstellungen,davon mind. 2 inGutachtenform1 Jahr Vollzeittätigkeit, davonmind. 0,5 Jahre in zugelassenerstationärer Einrichtung,mind. 40 ambulante Behandlungsstunden150 Stunden3 differenzierte Falldarstellungen,davon mind. 1 inGutachtenformDer Vorstand bedankt sich an dieser Stellebei den Mitgliedern des Ausschusses fürdas große Engagement und die geleisteteArbeit. Er bedauert sehr, dass diese Arbeit,die aus seiner Sicht großen Respekt verdient,von der Kammerversammlung nichthonoriert wurde und hofft, dass die Lust ander aktiven Mitwirkung dadurch keinen irreparablenSchaden genommen hat (sieheauch Kommentar zu diesem Thema).Was bedeutet nun dieseEntwicklung in Schleswig-Holstein?Zunächst steht fest, dass es in Schleswig-Holstein bis auf Weiteres keine Weiterbildungsordnunggibt. Das ist keine Veränderungzum bisherigen Zustand.Für die Kammermitglieder bedeutet das,dass sie die Zusatzbezeichnung „KlinischeNeuropsychologie“ in Schleswig-Holsteinweiterhin nicht erwerben können undauch nicht führen dürfen. Wie weiter obenschon beschrieben, besteht in anderenLändern z. T. seit Jahren absolut keine Bereitschaft,aktiv eine Weiterbildung mit denUmfängen gem. MWBO aufzunehmen. Esbestand daher die Hoffnung, dass bei denzur Abstimmung vorgelegten Regelungensowohl frisch approbierte KollegInnen,aber auch bereits länger in eigener Praxisniedergelassene und an der Neuropsychologieinteressierte KollegInnen sich hätteneher vorstellen können, eine solche Weiterbildungzu durchlaufen. Diese KollegInnendürften ebenso enttäuscht sein vonder Entscheidung wie jene, die hofften,über klarere und unbürokratischere Übergangsregelungendie Erlaubnis zum Führender Zusatzbezeichnung erlangen zukönnen.Die Versorgung der relevanten Patientengruppenhat sich durch den Beschluss derKammerversammlung nicht verschlechtert.Solange es in Schleswig-Holstein keineWeiterbildungsregelung gibt, könnenKollegInnen, die die Qualifikationen gem.MWBO nachweisen können, selbstverständlich,wie bisher auch, bei der KVSHdie Abrechnungsgenehmigung für neuropsychologischeLeistungen beantragen.Hierfür ist es also zunächst völlig unerheblich,ob die Kammer eine Weiterbildungsordnungbeschlossen hat oder nicht.Die Versorgung wird sich aber dadurch, andersals erhofft, leider auch nicht verbessern.Die Anzahl der KollegInnen, die theoretischeine Abrechnungsgenehmigungper Übergangsbestimmungen gemäßMWBO erhalten könnten, liegt in Schleswig-Holsteinim einstelligen Bereich. Nachseriösen Schätzungen würde es in Schleswig-Holsteinaber ca. 40 Leistungserbringerbrauchen, die im ambulanten Sektor inVollzeit ausschließlich neuropsychologischeTherapie durchführen, damit der vorhandeneBedarf gedeckt werden könnte.Ohne dass bürokratische Hürden bei denÜbergangsregelungen reduziert und dieWeiterbildungsumfänge auf ein realistischesMaß reduziert werden, wird sich zukünftigvermutlich wenig an der Zahl derzur Verfügung stehenden qualifizierten BehandlerInnenverändern, zumal es keinerleiwirtschaftliche Anreize dafür gibt, diesezusätzliche Abrechnungsgenehmigung übereine zeit- und kostenintensive Weiterbildungzu erwerben, da die Stunde neuropsychologischeTherapie nicht höher vergütetwird als die gemeine genehmigungspflichtigePsychotherapiestunde.Vor dem Hintergrund bestehen grundsätzlicheZweifel, ob mit den Regelungen derMWBO und den darauf Bezug nehmendensozialrechtlichen Beschlüssen desG-BA ein angemessene Versorgung derBevölkerung mit neuropsychologischerTherapie zu erreichen ist.339Schleswig-Holstein


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerDiese Zweifel werden geteilt vom Verbandder niedergelassenen Neuropsychologen,aber auch von etlichen berufspolitisch Aktivenin anderen Kammern. Die Kammerversammlungin Schleswig-Holstein hatinsofern eine Gelegenheit versäumt, durcheine fachlich begründete Reduktion desWeiterbildungsumfanges die Nachfragenach entsprechenden Weiterbildungen beiKammermitgliedern zu erhöhen – als eineunabdingbare, wahrscheinlich aber auchnoch nicht hinreichende Voraussetzung füreine deutliche Verbesserung der Versorgung.Der Vorstand der PKSH geht davon aus,dass Bewegung in die bestehenden Regelungenkommen muss, jedenfalls dann,wenn die Kammern weiter als Organisationenernst genommen werden wollen, deneneine gute Versorgung der Bevölkerungam Herzen liegt. Er wird sich deshalb weiterdafür einsetzen, dass diese Bewegungentsteht. Möglicherweise könnte dann dervom Fort- und Weiterbildungsausschusserarbeitete Entwurf doch noch einmal sehrnützlich werden.Ihr Vorstand der PKSHKommentar des Vorstandes zur Entscheidung WBO-NeuropsychologieSchleswig-HolsteinManchmal gibt es Vorgänge in der Kammerversammlung, dieeiner gesonderten Betrachtung bedürfen. Der Werdegang derWeiterbildungsregelung für Neuropsychologische Therapie inSchleswig-Holstein ist ein solcher. Vorweg zur Erinnerung: DieKammerversammlung setzt sich seit der letzten Wahl aus jeneun VertreterInnen zweier Wahlbündnisse zusammen. „KamOn“ bestehend aus Verbandsunabhängigen sowie KandidatInnenaus BDP, DGVT und GWG ist das eine, „Kammerpolitik nachVorne“ (DPtV plus BKJ-SH, VAKJP, DFT und GNP) das andere.Die KollegInnen von „Kam On“ stellen alleine den Vorstand. DieKollegInnen von „Kammerpolitik nach Vorne“ waren zu einer Mitarbeitim Vorstand nicht bereit, können aber mit den neun Stimmenin der Kammerversammlung alle wichtigen Entscheidungenverhindern. Und besonders bemerkenswert: Im Fort- undWeiterbildungsausschuss sind mehrheitlich KollegInnen aus„Kammerpolitik nach Vorne“ vertreten.Nun zur Neuropsychologie: Die Entscheidung, den Fort- undWeiterbildungsausschuss mit der Erarbeitung eines im Umfangreduzierten Curriculums zu beauftragen, erging nicht nur einstimmig,der Antrag wurde im März 2012 sogar vom oppositionellenBündnis formuliert. Dies war einerseits in der Sache bemerkenswert,andererseits machte es Hoffnung, dass man beieinem wichtigen Thema in der Lage wäre, einen gemeinsamenWeg einzuschlagen. Die fünf KollegInnen im Ausschuss machtensich an die Arbeit. In zahlreichen Sitzungen investierten sie vielZeit und Energie, um den erteilten Auftrag seriös zu erfüllen.Natürlich wurden sie für diese ehrenamtliche Arbeit entschädigt,das Unterfangen kostete also auch Geld. Die Expertenanhörungim März <strong>2013</strong> war auch nicht umsonst zu haben. Die Bestätigungdes Auftrages an den Ausschuss nach der Expertenanhörungwar ein wichtiges Signal. Die Bestätigung des Auftrages erfolgtezwar nicht mehr einstimmig, aber mehrheitlich. DieseMehrheit kam durch explizite Zustimmung oder Enthaltung aucheiniger KollegInnen von „Kammerpolitik nach Vorne“ zustande.Erneut machten sich die Mitglieder des Ausschusses an die Arbeit,investierten weiter viel Zeit und Energie. Der Kammerversammlungim Juni <strong>2013</strong> wurde dann ein fertiger Entwurf zurAbstimmung vorgelegt, der den Kritikern der Umfangsreduktionnoch einmal erheblich entgegen kam. Neue Argumente wurdenin der Kammerversammlung dann nicht vorgebracht, Änderungsanträgewurden nicht gestellt, eine weitere Diskussion wurdenicht gewünscht. Trotzdem fand sich niemand vom oppositionellenBündnis, der dem Entwurf zustimmte. Weil ein Kam-On-Mitglied wegen eines Notfalles vorzeitig die Sitzung verlassenmusste und ein weiteres Mitglied wegen der am selben Tag beginnendenSchulferien nicht mehr anwesend sein konnte, fandsich in dieser Kammerversammlung somit keine Mehrheit fürdiesen mit enormem finanziellen und zeitlichen Aufwand erarbeitetenEntwurf.Der Vorstand steht zu dem Entwurf und bedauert sehr, dass erletztlich an den beschriebenen (tageszeitlichen) Mehrheitsverhältnissenin der Kammerversammlung scheiterte. Das Ergebnisder Ausschussarbeit war aus Sicht des Vorstandes zumindestmehrheitlich zustimmungsfähig, da es im Vergleich zu den imMärz <strong>2013</strong> umfassend diskutierten, vom Ausschuss vorgelegtenEckpunkten inhaltlich den Kritikern noch einmal deutlich entgegenkam.Dass es keinen konstruktiven Änderungsantrag undkeine Diskussion mehr gab, lässt vermuten, dass es bei der Abstimmungim Juni nicht mehr allein um die Sache ging. Es bleibtsonst unverständlich, warum die Mitglieder von „Kammerpolitiknach Vorne“ geschlossen dem Arbeitsergebnis des Ausschusses,an dem sie mehrheitlich beteiligt waren, die Zustimmung verweigerten.Der Vorstand kann in der Sache mit dem Ergebnisleben, stand und steht er doch – mit Ausnahme der Neuropsychologie– Weiterbildungsregelungen zumindest so lange weiterablehnend gegenüber, bis zuerst geklärt ist, wie denn die Psychotherapieausbildungformal (weiter postgradual oder dochdual, …?) und inhaltlich zukünftig geregelt sein wird. Denn solangenicht geklärt ist, welche Kenntnisse und Fähigkeiten in derAusbildung vermittelt werden, machen Regelungen keinen Sinn,die festlegen, was auf den Ausbildungsinhalten aufbauend überdiese hinaus im Rahmen von Weiterbildungen vermittelt werdensollte. Kurios an der Kammerentscheidung bleibt aber, dass, obwohldie Kammerversammlung zunächst einstimmig für die Erarbeitungeiner Weiterbildungsregelung Neuropsychologie mitgegenüber der MWBO reduziertem Umfang stimmte, letztlichdie Gruppierung, die all die Jahre vehement eine WeiterbildungNeuropsychologie gefordert hatte, nun eine solche verhinderte.Viel bedauerlicher ist es aus Sicht des Vorstandes, dass damitAnsätze für eine konstruktive, an Inhalten orientierte Zusammenarbeitin der Kammerversammlung einen empfindlichen Dämpfererhalten haben dürften.340 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Schleswig-HolsteinPKSH-Umfrage zur Psychotherapie in KostenerstattungDie Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holsteinhat im Mai <strong>2013</strong> von ihrenrund 1.500 Mitgliedern jene 164 angeschrieben,die in der Kartei als niedergelassen,aber nicht kassenzugelassen verzeichnetsind. Ziel war es, genauere Informationenüber diesen wichtigen Sektor der ambulantenPsychotherapie zu bekommen,der offiziell bei Kassenärztlicher Vereinigungund Kassen keine Rolle spielt. DieDaten liegen jetzt vor.Geantwortet haben 62 Mitglieder. Das isteine Rücklaufquote von 37,8%. Dies bewertetdie Kammer als Erfolg, denn esmuss davon ausgegangen werden, dassviele Angeschriebene nicht im psychotherapeutischenBereich tätig sind, sondernsich entweder im Ruhestand befindenoder in der Lehre, Forschung, Beratungund ähnlichen Bereichen arbeiten.85% der Rückantworten konnten vollständigin die Auswertung einfließen. Die restlichenMitglieder gaben entweder an, nichtmehr klinisch tätig zu sein oder außerhalbdes Kammerbezirks zu arbeiten. 13 Antworten(21%) wurden anonym abgegeben.Behandlungskapazität: Die Streuung derAngaben ist groß. 45% der BehandlerInnenhaben einstellige Patientenzahlen und entsprechendwenige Therapiestunden pro Woche.Nur jede/r vierte TherapeutIn behandeltmehr als 14 PatientInnen pro Woche. 11%geben zwischen 20 und 34 Termine pro Wochean. Im Durchschnitt werden neun Behandlungsterminepro Woche im Kostenerstattungsverfahrenabgerechnet.22% kommen demnach auf Empfehlungihrer Ärzte und 16% bekommen den Hinweisvon KassenpsychotherapeutInnen. Mit9% spielt die Empfehlung von Krankenhausmitarbeiternauch noch eine gewisseRolle. Nur geringe Bedeutung hat die Weiterleitungvon Ambulanzen bzw. Ausbildungsinstituten(2%) oder Beratungsstellen(4%). Auch das Psychinfo spielt für approbierteKollegInnen ohne Kassenzulassunganscheinend nur eine Nebenrolle(7%). Am erfolgversprechendsten scheinendas Telefonbuch und andere Platzierungenim Internet zu sein, die dann überSuchdienste auf Adressen oder Homepagesder TherapeutInnen führen (40%).Eine Kollegin arbeitet seit 30 Jahren erfolgreichmit Kostenerstattung. Sie betont, 80%ihrer PatientInnen über persönliche Weiterempfehlungzu erhalten. Zehn weitere Kammermitgliederhaben seit zehn Jahren undlänger ohne Kassenzulassung ebenfalls Erfolgauf dem ambulanten Therapiemarkt. ImDurchschnitt geben die Befragten an, seit5,8 Jahren auf diese Weise abzurechnen.Die Bearbeitungszeit der Kostenerstattungsanträgeerscheint mit 6,3 Wochenvergleichsweise gering. Für Kostenerstattungist sicherlich mehr Organisationsaufwandnötig und es gibt keine Befreiungvon der Berichtspflicht an Gutachter. Beider Beantragung durch KassenpsychotherapeutInnenist hingegen eine Bewilligungszeitvon vier Wochen und mehr beiEinschaltung von Gutachtern auch nichtselten. Die Angaben der Befragten streuenhierzu zwischen drei und 14 Wochen.Interessant ist, dass im ersten Durchgangdurchschnittlich 72,1% der Anträge auf Kostenerstattungpositiv beschieden werden.Auch hier gehen die Angaben weit auseinander,was möglicherweise mit der individuellenErfahrung im Umgang mit den Krankenkassenoder aber auch mit regionalenBesonderheiten zu tun haben kann. Bei einigenKassen haben lokale Geschäftsstellengrößeren Spielraum, den sie auch im Sinneihrer Versicherten nutzen können.Welche Kassen gelten bei den befragtenKollegInnen als entgegenkommend undmit welchen werden häufig schlechte Erfahrungenhinsichtlich der Kostenerstattunggemacht?Sehr positiv sticht hier die AOK-Nordwesthervor und überwiegend beklagt wurdedie Kooperationswilligkeit der DAK. ImÜberblick die wichtigsten Kassen:KassepositiveErfahrungnegativeErfahrungAOK-Nordw. 25 8IKK Nord 10 3BKK (allg.) 19 7TK 21 11Barmer GEK 18 13DAK 3 27Hier könnte es zukünftig interessant sein,zu überprüfen, ob es sich um eine Momentaufnahmehandelt oder ob der Trendkonstant ist.Woher kommen die Antworten bzw. wopraktizieren die KollegInnen?Ganz ähnlich ist das Bild bei der Gesamtzahlder PatientInnen. Bei einer Bandbreitevon 1 bis 36 Behandelten liegt derDurchschnitt bei zwölf.Aus diesen Angaben kann man schließen,dass nur ein kleinerer Teil der AnbieterInnenambulante Psychotherapie als Haupttätigkeitbetreibt.Informationsquellen und Zuweisung derPatientInnen: Hier wurden die Befragtengebeten, in Prozent anzugeben, wie ihrePatientInnen von ihrem Angebot erfuhren.Die Wartezeit auf einen Therapieplatzwird hingegen mit durchschnittlich 5,8Wochen deutlich kürzer angegeben als beiKassenpsychotherapeuten. Im Sommer2011 errechnete die Bundespsychotherapeutenkammerfür Schleswig-HolsteinischePsychotherapeutInnen mit Kassenzulassungeine mittlere Wartezeit von 14,6Wochen bis zu einem Vorgespräch. Aberauch bei den Kostenerstattern gibt es großeUnterschiede. Augenscheinlich habenjene KollegInnen, die die meisten Behandlungsplätzeanbieten, auch die längstenWartezeiten (bis zu 30 Wochen).PlanungsbereichAntwortenDithmarschen 0Flensburg, Kreis SL-FL 7Herzogtum Lauenburg 1Kiel 9Lübeck 5Neumünster, Kreis RD-ECK 5Nordfriesland 5Ostholstein 2Pinneberg 3Plön 1Segeberg 6Steinburg 2Stormarn 6Gesamt 52Schleswig-Holstein<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>341


Mitteilungen der PsychotherapeutenkammerSchleswig-HolsteinDie KV-Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburginkl. der Stadt Flensburg, diejetzt von der Neuberechnung der Bedarfszahlendes Gemeinsamen Bundesausschussesprofitieren, weil sie fern vonGroßstädten liegen und eher ländlich geprägtsind, haben scheinbar verhältnismäßigviele Kostenerstatter, die dort den gravierendenMangel an erreichbaren Therapieplätzenetwas aufgefangen haben. Derdritte dünnbesiedelte Kreis, für den dasebenfalls gilt, wurde offenbar noch nichtvon KollegInnen entdeckt: Dithmarschen.Ansonsten verteilen sich die Kostenerstattungspraxengemessen an den Einwohnerzahlenrelativ gleichmäßig über dieKreise und Städte. Kiel als größte Stadt mitviel Umland und großer Uni hebt sich hervor.Die Auswertung der Freitextantwortenkann hier nur sehr verkürzt wiedergegebenwerden. Sie wird aber die Geschäftsstelleder PKSH und den Vorstand noch etwasbeschäftigen.Einige Wünsche zur Interessenvertretung:• Gespräche mit Krankenkassen zur Verbesserungder Versorgung von PatientInnenmit ambulanter Psychotherapie,• leichtere Beantragung von Psychotherapie,• rechtliche Unterstützung bei Ablehnungenvon Anträgen,• Kostenerstattung für Nicht-Richtlinientherapie,• mehr Werben für halbe Zulassungen,• mehr sachliche Information über Kostenerstattungusw.Der PKSH sind hier als Anstalt des öffentlichenRechts politisch enge Grenzen gesetzt.Gerade hinsichtlich der Zulassungvon Kassensitzen und der Abrechnung vonLeistungen ist eher die KassenärztlicheVereinigung bzw. deren Fachausschuss fürPsychotherapie der richtige Adressat fürForderungen und Kritik. Die Kammer wirdsich jedoch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit, inden Gremien, in denen ihre VertreterInnenmitarbeiten und in der politischen Lobbyarbeitauf Landes- und Bundesebenevon den Wünschen ihrer Mitglieder anregenlassen. Das war Zweck dieser Befragung.Von großem Interesse ist für die Kammerdie Einschätzungen zum SuchdienstPsychinfo, an dem sie seit Anbeginn mitarbeitetund mitgestaltet. Hier wird vonmehreren KollegInnen bemängelt, dassfür Suchende der explizite Hinweis aufKostenerstatter fehlt bzw. diese Form desTherapieplatzangebotes schwer zu identifizierenist. Die PKSH ist hier schon ggü.den anderen beteiligten Kammern initiativgeworden. Sie wird die Anregungendieser Befragung auch wieder in die Diskussionzur Verbesserung des Diensteseinbringen. Bei der Durchsicht der nichtanonymen Antworten wurde jedoch auchfestgestellt, dass viele KollegInnen, dieAngebote außerhalb der Kassenpsychotherapiemachen, im Psychinfo nicht eingetragensind. Der Eintrag ist kostenlosund das Psychinfo ist über viele andereSuchdienste verlinkt.Auf einen umfangreichen Fragenkatalogzum Umgang mit der Kostenerstattung,der zeitgleich allen größeren GesetzlichenKrankenkassen in Schleswig-Holstein zugesandtwurde, erhielt die PKSH nur zweiAntworten der DAK und der AOK. DieAOK-Nordwest antwortet im Namen allerKassenverbände in Schleswig-Holstein. Eswürden keine statistischen Auswertungenzur Kostenerstattung gemacht, man wissenicht, wie viele „Kostenerstattungsfälle“existierten, man könne keine Aussagenüber regional unterschiedliche Handhabungder Geschäftsstellen machen, jederFall müsse individuell beurteilt werden undes lägen „Aussagen einzelner auch großerKrankenkassen vor“, nach denen der Anteilder Fälle von Kostenerstattung insgesamt„vernachlässigbar“ klein sei. Die DAK betont,dass Entscheidungen für Kostenerstattungnach einem bundesweit einheitlichenVorgehen erfolgten, aber „vor Ort“individuell abgestimmt würden. Man seibemüht, die Versicherten bei der Suchenach Vertragspsychotherapeuten zu unterstützen.ZusammenfassendeBewertung:Viele der Angaben von Befragten sprechenfür eine gewisse Stetigkeit oder gar Zunahmedieses Angebotsmodells außerhalbder Kassenpsychotherapie. Für zahlreicheKammermitglieder ist dieses „Geschäftsmodell“kein Provisorium, sondern scheintbewusst gewählt. Gleichzeitig zeigen dieDaten für Schleswig-Holstein ein langjährigesVersagen der offiziellen Bedarfsplanung.Daran werden auch die neuen Kassensitzewenig ändern, denn viele davonwerden wahrscheinlich durch Umwandlungvon schon existierenden Sonderbedarfszulassungenoder Ermächtigungen„aufgesogen“. Von den ehemals von derBPtK berechneten 44 neuen Kassensitzenfür unser Land werden vermutlich ab Spätherbstdeutlich weniger wirklich neu aufden Markt kommen. Kostenerstattungbleibt daher weiterhin notwendig bei derVersorgung von PatientInnen mit ambulanterPsychotherapie. Neueste Berechnungender BPtK zeigen eine Steigerung derGKV-Ausgaben von 2010 bis 2012 von30,5 Mio. € auf 41,2 Mio. €. Das sind 35%Zuwachs. In zehn Jahren haben sich dieZahlungen mehr als verfünffacht! An derEntwicklung dieser Zahlen wird sich dienur zaghaft verbesserte Bedarfsplanungdes GB-A messen müssen. Die Krankenkassenzeigen derzeit wenig Interesse aneiner bedarfsgerechten/morbiditätsangepasstenAngebotsplanung und scheinendas Thema Kostenerstattung lieber kleinhalten zu wollen. Es mutet unverständlichan, dass es über jährlich anfallende Kostenaußerhalb des Planungsrahmens keinesystematischen Auswertungen geben soll.Der „BPtK-Ratgeber Kostenerstattung“ istauf der Website der PKSH unter www.pksh.de/index.php/patienteninformationen/downloadsals Download erhältlich.GeschäftsstelleAlter Markt 1 – 224103 KielTel. 0431/66 11 990Fax 0431/66 11 995Mo bis Fr: 09 – 12 Uhrzusätzlich Do: 13 – 16 Uhrinfo@pksh.dewww.pksh.deKlaus ThomsenVorstandsmitglied342 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>


Impressum <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>Das <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> publiziertBeiträge, die sich auf die Prävention, Therapieund Rehabilitation psychischer Störungenund auf psychische Aspekte somatischerErkrankungen sowie auf wissenschaftliche,gesundheitspolitische, berufs- und sozialrechtlicheAspekte der Aus-, Fort- undWeiterbildung und der Berufspraxis von PsychologischenPsychotherapeuten und Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutenbeziehen. Die Zeitschrift ist der Methodenvielfaltin der Psychotherapie und ihren wissenschaftlichenGrundlagendisziplinen sowieder Heterogenität der Tätigkeitsfelderder Psychotherapeuten verpflichtet.Das <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> erscheintviermal jährlich für die Mitglieder der PsychotherapeutenkammernBaden-Württemberg,Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg,Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer.12. Jahrgang, Ausgabe 3/<strong>2013</strong>HerausgeberinBayerische Landeskammer derPsychologischen Psychotherapeutenund der Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutenSt.-Paul-Str. 980336 MünchenRedaktionsbeiratDr. Dietrich Munz (Baden-Württemberg),Mareke de Brito Santos-Dodt (Baden-Württemberg),Dr. Nikolaus Melcop (Bayern), Dr.Heiner Vogel (Bayern; Sprecher des Redaktionsbeirats),Anne Springer (Berlin), Dr. ManfredThielen (Berlin), Dr. Sylvia Helbig-Lang(Bremen), Hans Schindler (Bremen), UlrichWirth (Hamburg), Dr. Renate Frank (Hessen),Jürgen Hardt (Hessen), Gertrud Corman-Bergau(Niedersachsen), Jörg Hermann(Niedersachsen), Cornelia Beeking(Nordrhein-Westfalen), Dr. Samia Härtling(OPK), Andrea Mrazek (OPK), Dr. Andrea Dinger-Broda(Rheinland-Pfalz), Bernhard Morsch(Saarland), Juliane Dürkop (Schleswig-Holstein),Bernhard Schäfer (Schleswig-Holstein).RedaktionRedakteurin Dipl.-Psych. Nina Rehbach(V.i.S.d.P.)Bayerische Landeskammer derPsychologischen Psychotherapeutenund der Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutenSt.-Paul-Str. 980336 MünchenTel.: 089/515555-19Fax: 089/515555-25redaktion@psychotherapeutenjournal.dewww.psychotherapeutenjournal.deDie Verantwortlichkeiten (V.i.S.d.P.) für den Inhaltdes Anzeigenteils des Verlages und vomVerlag beigefügte Werbebeilagen ergeben sichaus dem gesonderten Impressum des Anzeigenteilsbzw. der jeweiligen Beilage.Der Bezug der Zeitschrift ist im Mitgliedsbeitragder Psychotherapeutenkammern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg,Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holsteinund der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammerenthalten.Verlagmedhochzwei Verlag GmbH, Alte EppelheimerStr. 42/1, 69115 HeidelbergSatzStrassner ComputerSatz69126 HeidelbergDruckwestermann druck38104 BraunschweigManuskripteRedaktionsschluss für Ausgabe 4/<strong>2013</strong> istder 20. September <strong>2013</strong>, für Ausgabe 1/2014der 16. Dezember <strong>2013</strong>. Manuskripte sindelektronisch (CD, E-Mail) im Word- oder rtf-Format an die Redaktion (s.o.) zu senden.Abbildungen sind jeweils zusätzlich als Originaldatei(jpg-Format, mind. 300 dpi), Tabellenin getrennten Dateien einzureichen.Der Umfang des Manuskripts sollte im Regelfall35.000 Zeichen nicht überschreiten,während der Titel des Beitrages nicht längerals 70 Zeichen sein sollte. Buchrezensionensollten nicht mehr als 4.500 Zeichen betragen(jeweils inkl. Leerzeichen).Die verwendete Literatur ist nach den„Richtlinien zur Manuskriptgestaltung“, herausgegebenvon der Deutschen Gesellschaftfür Psychologie (Göttingen: HogrefeVerlag, 1997), im Text zu zitieren und amSchluss des Manuskripts zu einem Literaturverzeichniszusammenzustellen. JedemManuskript ist eine Zusammenfassung vonmaximal 120 Worten und eine Kurzbeschreibungmit bis zu 50 Worten (für dasInhaltsverzeichnis) beizulegen. Die Redaktionbehält sich das Recht auf Kürzungen vor.Weitere Hinweise für Autorinnen und Autorenfinden Sie auf www.psychotherapeutenjournal.de.Autoren erhalten jeweils zwei Belegexemplareder Ausgabe des <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>s,in der ihr Beitrag erschienen ist.Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträgeund Abbildungen sind urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung außerhalbder engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzesist ohne Zustimmung der BayerischenLandeskammer der Psychologischen Psychotherapeutenund der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenunzulässigund strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungenund die Einspeicherung und Verarbeitungin elektronischen Systemen. AlleRechte, auch das der Übersetzung, bleibenvorbehalten. Namentlich gekennzeichneteBeiträge geben nicht unbedingt die Meinungder Herausgeberin wieder.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>343


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