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Technik – Innovation – Strategie - Gneisenau Gesellschaft

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DIE GEOPOLITIK DER USA: SZENARIEN UND KOMMENDE KONFLIKTE<br />

Der Bruch in der NATO:<br />

Das gestörte Verhältnis zur Türkei<br />

Im Frühjahr wurde in mehreren Kommentaren in amerikanischen<br />

Zeitschriften das Verhältnis der Türkei zu den<br />

USA beleuchtet. Das Verhältnis beider Staaten war auch<br />

in der Vergangehiet immer wieder schwer belastet. Der<br />

Bruch kam Ende 2002 als sich die Türkei weigerte, ohne<br />

erhebliche finanzielle Zahlungen, amerikanischen Truppen<br />

die Operation gegen den Norden des Iraks zu gewähren,<br />

was man in Washington als glatte Erpressung einstufte.<br />

18 Der Genozid gegen die Armenier belastet schubweise<br />

das Verhältnis zu den USA, zu Frankreich, den Niederlanden,<br />

Dänemark etc.<br />

Dazu kam der von der Türkei vorsätzlich eingeleitete<br />

Bruch mit Israel, der seit 2008 erkennbar wurde, und<br />

in Folge der Vorgänge auf den die israelische Blockade<br />

des Gaza-Streifens ansteuernden Schiffen an Intensität<br />

zunahm. 19 Die Massen in den arabischen Staaten sehen<br />

daher Ankara als neuen Verbündeten und weniger die eigenen<br />

Regime.<br />

In den USA mehren sich die Stimmen, die von einer<br />

Reorientierung der Türkei warnen. Stephan Sestanovich<br />

(Professor an der Columbia University, New york) nannte<br />

die Türkei einen „Wayward Ally“ 20 . Die Türkei verwandelt<br />

sich von einer Demokratie in einen islamischen Staat,<br />

der sich immer stärker vom Westen, von Europa und von<br />

der NATO abwendet. Mit dem Amtsantritt der Regierung<br />

von Recep Erdogan und der Entmachtung des prowestlich<br />

orientierten Militärs (eine schwerwiegende Fehlleistungen<br />

der Europäischen Union, die dies als Voraussetzung für<br />

Verhandlungen betreffend einer EU-Mitgliedschaft machte),<br />

hat die Regierung weitgehenden innenpolitischen<br />

Handlungsspielraum.<br />

Auf der Oberfläche ist die Türkei modern, hat gute Beziehungen<br />

zu seinen Nachbarn und es gibt noch die ferne<br />

Option eines EU-Beitritts. Aber unter der Oberfläche gibt<br />

es andere gefährliche Strömungen: Der bekannte Autor<br />

Thomas L. Friedman stellte in der New york Times (Letter<br />

from Istanbul, 15. Juni) fest, dass sich die Türkei völlig<br />

verändert habe. Nun ist man auf dem Wege einer raschen<br />

Islamisierung, man ist mit dem Iran im bestem Einvernehmen,<br />

die EU ist in den Massenmedien kein Thema<br />

mehr, man zeigt Sympathien für die Hisbollah und Hamas.<br />

Die Regierung betrachtet die EU als „christlichen<br />

Club“. Friedman: „The EU’s rejection of Turkey, a hugely<br />

bad move, has been a key factor prompting Turkey to move<br />

closer to Iran and the Arab world.”<br />

Die Türkei kann ihre Politik deswegen leichter ausspielen,<br />

weil ägypten nunmehr in einer schwachen Position ist,<br />

der Irak der Türkei nichts in den Weg legt, wenn diese<br />

gepanzerte Kolonnen auf irakisches Gebiet schickt und<br />

Ziele im Norden bombardiert. Syrien ist wiederum froh,<br />

sich von Teheran etwas absetzen zu können. Erdogan stritt<br />

auch die Vorwürfe gegen den sudanesischen Präsidenten<br />

Omar Hassan Al-Bashir wegen Völkermordes ab. Ankara<br />

warf nach dem Angriff kurdischer Rebellen am 30./31.<br />

Mai auf die Marinebasis İskenderun (7 türkische Soldaten<br />

getötet), die Frage auf, ob denn die Israelis nicht doch<br />

die PKK unterstützen würden. Am 9. Juni 2010 war Washington<br />

erneut verärgert, als sich die Türkei weigerte, im<br />

UN-Sicherheitsrat den Sanktionen gegen den Iran zuzustimmen,<br />

während sogar China und Russland den amerikanischen<br />

Text akzeptierten. Die amerikanische Botschafterin<br />

bei der UNO Susan Rice übte daher an der Türkei<br />

ungewohnt scharfe Kritik 21 und Verteidigungsminister<br />

Robert Gates verband diese Haltung mit einer Kritik an<br />

der EU:<br />

„If there’s anything to the notion that Turkey is moving eastwards,<br />

it is in no small part because is was pushed, and it was<br />

pushed by some in Europe refusing to give Turkey the kind of<br />

organic link to the west that Turkey sought.“ 22<br />

Im Hintergrund stehen natürlich auch anti-amerikanische<br />

Positionen. Erdogan ist aber pragmatisch genug, um zu<br />

wissen, dass er den Bogen nicht überspannen darf. Er<br />

18 Die Türkei forderte in Gesprächen Summen bis zu 11 Mrd. Dollar. Die USA boten 6 Mrd. Dollar, was die Türkei als zu gering ablehnte; der 4. Inf Div wurde dann im März 2003 tatsächlich die Ausschiffung untersagt.<br />

19 Auf der unter türkischer Flagge fahrenden Mavi Marmara kam es am 31. Mai 2010 zur Enterung des Schiffes mit neun getöteten Türken. Unbeschadet des überzogenen Vorgehens Israels, war der gesamte Vorfall eine Provokation der<br />

türkisch-palästinensischen Seite.<br />

20 In: The New Republic, 1. Juli 2010.<br />

21 State Department Press Release, 9. Juni 2010: “These are very unfortunate choices… They are standing outside the rest of the Security Council, outside the body of the international community…”<br />

22 Zitat in Financial Times, S.1, 9. Juni 2010: Daniel Dombey: Turkey Opposes Iran Sanctions.

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