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„Anno dazumal"

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Schier übergroß war die Fülle alter Gaststätten im Stadtinnern. Die Bierkosthalle<br />

„Hradetzky", kurz „Hr" genannt, mit den täglich wechselnden Bierspezialitäten<br />

heimischen und bayerischen Ursprungs war ein Begriff für jeden bierliebenden Brünner.<br />

Durstweckende Krenwürstel, Debreziner und Klobaßen erhöhten noch den Genuß. Ein<br />

liebes, altes Weinbeisel war der „Pummer" in der Geißgasse, nicht zu vergessen das<br />

Gasthaus „Rotter" in der Krapfengasse der „Komet" und in neuerer Zeit das Gasthaus<br />

„Kittel". In Studentenkreisen erfreute sich das Gasthaus „Zum Wurst" in der<br />

Krapfengasse ganz besonderer Beliebtheit. Hier wurde so mancher Monatswechsel in<br />

„Geist" umgewechselt. Die Fama erzählt sogar von einem hier versoffenen väterlichen<br />

Erbteil von immerhin 5000 Kronen! Und wem wäre Weselys „Bienenhaus" nicht ans Herz<br />

gewachsen gewesen? Sein stets leckeres Büfett wurde von kunsthungrigen und<br />

durstigen Theaterbesuchern vor den Vorstellungen und in den großen Zwischenpausen<br />

geradezu gestürmt.<br />

Ganz groß in unseren Erinnerungen steht noch immer die „Schwechater Bierhalle" mit<br />

ihrem liebenswürdigen Wirt Hafenrichter. Wenn auch eine vornehme Gaststätte neueren<br />

Datums, es sei ihr doch ein wehmütiges Gedenken geweiht: Unserem herrlichen,<br />

unvergessenen „Deutschen Haus". Auch des stilschönen Kaffee Bibers, des<br />

„Reichskaffees" der Schlaraffia Bruna sei in Treue gedacht.<br />

Erwähnt seien ferner die Weinstube Kletter „Zum Pfau", das „Rebhuhn" in der Adlergasse<br />

beim Mönizer Tor, in der Minoritengasse die Weinstube „Wo der Wolf den Gänsen<br />

predigt". Nemeczeks „Goldener Stern" in der Neutorgasse u. a. Nicht vergessen sei das<br />

alte Kaffee „Dohnal" in der Rudolfsgasse und das Kaffee „Post" in der Johannesgasse.<br />

Nun flüchten wir uns aus der Enge der inneren Stadt in die luftigeren Vorstädte. Auch<br />

hier gab es viele verträumte Wirtshäuser, die zu behaglichem Verweilen einluden. In der<br />

Franz Josefstraße waren es die gut bürgerlichen Gaststätten „Helan" und „Petlach". Eine<br />

liebe Neuschöpfung war der „Schubertbund" mit seinem herrlichen Park. Gerne kehrte<br />

man auch bei „Schimpersky" in Obrowitz und bei „Marischler" in der Wranauergasse ein.<br />

Ein typisches Vorstadtkaffee war bei „Biedmann" in der Josefstadt. Wer aber erinnert<br />

sich noch an das Gasthaus „Grund"? Der Zugang zum schönen, geräumigen Garten<br />

befand sich in der Ponawkagasse an den Ufern des damals noch duftend<br />

dahinströmenden Flüßchens gleichen Namens.<br />

Wer Höhenluft liebte, der erklomm an einem schönen Sommerabend die „Schwarzen<br />

Felder". Er konnte sich dort beim „Schimmel" oder beim „Olymp" neue Kräfte zu<br />

nächtlichem Abstieg sammeln.<br />

Labungsstätten für bequeme Sonntagsausflügler in Brünns nächste Umgebung waren der<br />

„Pulverturm" am Gelben Berg, die „Schöne Aussicht" in der Eichhorngasse, der<br />

„Semilasso" in Königsfeld mit seinem großen, schattigen Garten und seinen Konzerten,<br />

die „Schießstätte" beim Antonibrünndel u. v. a. Wer aber schon in der Neugasse vor<br />

Erschöpfung zusammenbrach, der erhielt bei „Jauk" oder beim „Weißen Lamm" bestimmt<br />

die erste Hilfe.<br />

Zum Abschluß unseres Bummels möchte ich mit Dir, lieber Landsmann, noch zwei<br />

liebvertraute Gaststätten in unseren deutschen Vororten besuchen: Den „Hayek" in<br />

Kumrowitz und den „Köberle" in Tschernowitz. Beide waren berüchtigt durch den sich<br />

alljährlich wiederholenden Backhendelmord so um Anna herum. Backhendel mit<br />

Gurkensalat ist nun einmal das Leibgericht eines jeden Brünners.<br />

Meine süffig-materialistischen Erinnerungen erheben gewiß nicht Anspruch auf<br />

Vollständigkeit. Sollte ich vielleicht gerade Dein Stammlokal, mein lieber Landsmann,<br />

vergessen haben, verzeih es mir! Und nun noch eine Frage: Sind meine heutigen<br />

Betrachtungen wirklich nur materialistischer, genießerischer Natur? Oder verbirgt sich<br />

dahinter nicht doch noch ein wenig mehr? Habe ich mit diesen Zeilen nicht der Stätten<br />

gedacht, wo wir einst in harmloser Fröhlichkeit glücklich waren? Wo wir uns nach des<br />

Tages redlichen Mühen Erholung und neue Schaffenskraft holten, wo wir echte Brünner<br />

Geselligkeit pflegten bei kräftiger Männerrede und herzhaftem Umtrunk? So war eben<br />

echte Brünner Art. Und diese wollen wir hochhalten, auch fern der Heimat, fern unserem<br />

lieben, alten Brünn. (BHB 1952)

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