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Zu 3 F<br />
Sie waren ein trinkfreudiges und trinkfestes Völkchen, die guten Brünner.<br />
Welcher Brünner, der einem guten Tropfen edlen Gerstensaftes nicht abhold war,<br />
kannte ihn nicht, den „Hradetzky", das Bierlokal in der Liechtensteinstraße? Noch<br />
in den ersten Kriegsjahren waren seine gastlichen Pforten geöffnet und erst ein<br />
Bombentreffer schloß sie für immer. Ein geplantes Bauprojekt, das die dort<br />
zurückweichende Baulinie wieder vorrücken wollte, hätte ebenfalls sein Ende<br />
bedeutet. Ja, der „Hradetzky" war ein Begriff und hatte seinesgleichen vielleicht<br />
nur noch in Prag beim „Schenflock" oder „Fleck". Für uns Brünner war er das,<br />
was für den Münchner das Hofbräuhaus und für den Salzburger der Stiegelbräu<br />
ist.<br />
Was gab es für Bierspezialitäten beim „Hradetzky"! Jeden Tag der Woche neben<br />
den ständig ausgeschenkten Biersorten noch eine besondere: „Pschorr", „Bock",<br />
„Pilsner", Altbrünner Märzen, Lager hell und dunkel und dazu kamen zur<br />
Osterzeit noch die hochgradigen bayrischen Biere wie „Animator" und „Salvator".<br />
Ich war eigentlich schon als Knirps von 9 Jahren Stammgast beim<br />
„Hradetzky". Nicht vielleicht weil ich schon in frühester Jugend dem Alkoholteufel<br />
verfallen war, sondern weil mich die Eltern lieber mitnahmen, damit ich zu Hause<br />
kein Unheil stiften konnte.<br />
Sobald es das Wetter nur halbwegs gestattete, saß man in der geräumigen<br />
Veranda mit den vielen Marmortischen, die gegen die Straße zu mit dichten, in<br />
Kästen gezogenen Efeuranken abgeschlossen war. Besonders in den Abendstunden<br />
herrschte ein beängstigendes Gedränge. Da fanden sich die Mitglieder<br />
der einzelnen Stammtischrunden, aber auch sonstige Gäste, bewaffnet mit<br />
diversen „Nachtmahlpackerln" zu einem gemütlichen Plausch ein. Denn das war<br />
ja das Bequeme, daß sich jeder sein Nachtmahl mitbringen und gleich aus dem<br />
Papier verzehren konnte. Beim Büfett im Schankraum bekam man wohl allerhand,<br />
Liptauer, „Olmützer", Rollmopse, Würstel usw. Aber nur in Ausnahmsfällen<br />
nahm man das Büfett in Anspruch. Die Hauptsache war und blieb das Bier, das,<br />
nach der allgemeinen Ansicht sämtlicher Gäste nirgends so gut war wie beim<br />
„Hradetzky". Warum, wußte eigentlich niemand richtig zu sagen. Die einen<br />
meinten, der besonders tiefe Keller bewirke seine besondere Güte, andere<br />
wieder, weil es so gut abgelagert sei. Die Kellner waren wahre Athleten ihres<br />
Faches. Nicht selten sah man sie, 15 Krügel in jeder Hand, zwischen den Tischen<br />
durchjonglieren. Vielleicht erinnert sich noch mancher, der diese Zeilen liest, des<br />
alten Ober namens Wurst. Einst selbst Gastwirt, war er, vom Unglück verfolgt,<br />
um seinen Besitz gekommen und noch auf seine alten Tage Oberkellner beim<br />
„Hradetzky" geworden. Wieviel Krügel mag er wohl während der Jahre<br />
geschleppt haben! Abseits vom Getriebe hatte er stets ein Krügel für eigenen<br />
Gebrauch bereit gestellt, aus dem er beim Vorübergehen jedesmal einen<br />
kräftigen Schluck nahm. Es war daher kein Wunder, wenn seine Augen in vorgerückter<br />
Abendstunde schon etwas trübe wurden und er auf die Frage der<br />
Gäste: „Herr Wurst, wie geht es den kleinen Wursteln"? (gemeint waren seine<br />
Kinder) keine ganz klaren Antworten mehr gab. Wollte dann ein Gast seine Zeche<br />
begleichen, strich er das Geld ein, schüttete ihm aus seiner rückwärts<br />
baumelnden Ledertasche eine Handvoll Hartgeld auf den Tisch und meinte:<br />
„Nehmens Ihnen, was Sie raus krieg'n". Und es hat ihn nie jemand betrogen!<br />
Wehe, wenn etwa ein Zaghafter nur ein Seidel Bier verlangte! Verächtlich sah ihn<br />
dann der Ober von oben bis unten an und knurrte: „Seidel gibts bei uns kane,<br />
nur Krügel"!<br />
Für mich Knirps hatte zu jener Zeit natürlich nicht das Bier, sondern die<br />
verschiedenen Gestalten, die hier ihrem Erwerb nachgingen, hatten besondere